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Document 52011DC0363
COMMUNICATION FROM THE COMMISSION TO THE EUROPEAN PARLIAMENT, THE COUNCIL, THE EUROPEAN ECONOMIC AND SOCIAL COMMITTEE AND THE COMMITTEE OF THE REGIONS Rio+20: towards the green economy and better governance
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Rio+20: Hin zu einer umweltverträglichen Wirtschaft und besserer Governance
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Rio+20: Hin zu einer umweltverträglichen Wirtschaft und besserer Governance
/* KOM/2011/0363 endg. */
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Rio+20: Hin zu einer umweltverträglichen Wirtschaft und besserer Governance /* KOM/2011/0363 endg. */
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS
EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND
SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Rio+20: Hin zu einer umweltverträglichen
Wirtschaft und besserer Governance
1.
Rio+20: Eine Gelegenheit, die sich die Welt nicht entgehen lassen
darf
Im Juni 2012 werden alle Augen auf Rio de
Janeiro gerichtet sein, wo Staats- und Regierungschefs 20 Jahre nach dem ersten
„Erdgipfel“ an der UN-Konferenz über nachhaltige Entwicklung[1] teilnehmen werden (UNCSD oder „Rio+20“).
Rio+20 ist eine Folgekonferenz zu früheren Weltgipfeln: der UN-Konferenz über
die menschliche Umwelt von Stockholm (1972), der Konferenz über Umwelt und
Entwicklung („Erdgipfel“) von Rio de Janeiro (1992) und dem
Weltgipfel über nachhaltige Entwicklung von Johannesburg
(2002). Außerdem knüpft sie an den UN-Millenniumsgipfel von 2000 und die
Aufstellung der Millenniums-Entwicklungsziele (Millenium Development Goals –
MDG) an. Rio+20 bietet unserer in gegenseitiger
Abhängigkeit befindlichen Welt eine einzigartige Gelegenheit, ein erneuertes
politisches Engagement für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Auf dem Gipfel
werden Fortschritte geprüft, Umsetzungslücken ermittelt und neue Herausforderungen
in Angriff genommen. Dies wird im Rahmen zweier miteinander verknüpfter Themen
geschehen: „Umweltverträgliche Wirtschaft im Kontext von nachhaltiger
Entwicklung und Armutsbekämpfung“ und „Der institutionelle Rahmen für
nachhaltige Entwicklung“. Rio+20 kann einen beschleunigten und
tiefgreifenden weltweiten Übergang zu einer umweltverträglichen Wirtschaft
einläuten – einer Wirtschaft, die Wachstum generiert, Arbeitsplätze schafft und
Armut bekämpft, indem sie in das Naturkapital, von dem langfristig das
Überleben unseres Planeten abhängt, investiert und dieses erhält. Außerdem kann
die notwendige Reform der internationalen Governance im Bereich der
nachhaltigen Entwicklung eingeleitet werden. Die Europäische Kommission will dazu
beitragen, dass Rio+20 ein Erfolg wird. Als Grundlage für weitere Erörterungen
mit den EU-Organen, der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und Ländern weltweit
wird in dieser Mitteilung dargestellt, welche potenziellen konkreten Ergebnisse
auf dem Rio+20-Gipfel nach erster Einschätzung der Kommission erzielt werden
könnten. Dabei werden die verschiedenen EU-Politiken, die für die nachhaltige
Entwicklung von Bedeutung sind, sowie die Strategie Europa 2020 zugrunde
gelegt und auch eine im Februar 2011 lancierte öffentliche Konsultation[2] mitberücksichtigt.
2.
Bilanz seit 1992: Umsetzungslücken und künftige Herausforderungen
2.1.
Nachhaltige Entwicklung auf internationaler Ebene
In den vergangenen Jahrzehnten konnten eine
Reihe positiver weltweiter Trends verzeichnet werden. Dies gilt besonders für
die Einkommensentwicklung, da zwischen 2000 und 2005 über 120 Millionen Menschen
die „Ein-Dollar-pro-Tag“-Schwelle überschritten haben. Auch in den Bereichen
Bildung, Gesundheitsfürsorge und Wasser hat es Verbesserungen gegeben. Die UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und das
1992 in Rio ausgehandelte Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention
on Biodiversity – CBD) haben gezeigt, was durch weltweites Handeln möglich
ist. Die Klimaverhandlungen in Cancún von 2010 erbrachten Fortschritte hin zu
einer neuen weltweiten Governance im Bereich des Klimaschutzes sowie im
Hinblick auf das Ziel, den durch den Klimawandel bedingten Temperaturanstieg
auf unter 2 °C zu halten. Auf dem Biodiversitätsgipfel 2010 in Nagoya wurden
ebenfalls erhebliche Fortschritte erzielt. Außerdem liegen wesentlich mehr
wissenschaftliche Informationen vor, die Öffentlichkeit ist sehr viel sensibler
für Umweltfragen und insbesondere den Klimawandel geworden, und die Mitwirkung
der Zivilgesellschaft an der globalen Politikgestaltung hat – nicht
zuletzt dank der verbesserten Internet-Kommunikation – stark zugenommen. In den letzten 20 Jahren sind eine Reihe von
Entwicklungsländern zu wichtigen wirtschaftlichen und politischen Akteuren
geworden. Als Folge ist ein neues Gleichgewicht von Kräften und Einflüssen im
Entstehen begriffen, aus dem sich neue Rollen ergeben, für die wiederum neue
Verantwortlichkeiten übernommen werden müssen. Trotz positiver Entwicklungen bestehen aber
weiterhin erhebliche Umsetzungslücken und Herausforderungen, die als Teil der
Agenda für Rio+20 in Angriff genommen werden müssen. Etwa 1,4 Milliarden
Menschen leben nach wie vor in extremer Armut (ein großer Teil davon in
Subsahara-Afrika und Südasien), und ein Sechstel der Weltbevölkerung ist unterernährt.
Mehrere der Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) sind von ihrer
Verwirklichung weit entfernt. Was z. B. das MDG für die Abwasserentsorgung
anbelangt, so verfügt nur die Hälfte der Bevölkerung in den Entwicklungsländern
über eine sanitäre Grundversorgung. Die Fortschritte im Hinblick auf die MDG
sind geografisch sehr ungleich verteilt, und einige Regionen liegen hinter
anderen zurück. Außerdem ist in keinem einzigen fragilen Staat auch nur ein MDG
verwirklicht worden. Die Bemühungen, diesen Problemen zu begegnen, wurden durch
die jüngste Wirtschaftskrise und die steigenden Nahrungsmittelpreise erschwert,
durch die sich die Zahl der in Armut lebenden Menschen erhöht hat. Zahlreiche Umweltprobleme sind nicht gelöst
worden und haben sich verschärft. Der zunehmende Bedarf an Ressourcen
(z. B. Flächen, Wasser, Wälder, Ökosysteme) hat zu einer immer stärkeren
Erschöpfung und Verschlechterung dieser Ressourcen geführt, und der Verlust an
biologischer Vielfalt sowie die Entwaldung schreiten in alarmierendem Tempo
fort. Knappheit an Rohstoffressourcen sowie der Zugang zu diesen Ressourcen
werden ebenfalls zu Fragen von globaler Bedeutung. Die weltweiten
Treibhausgasemissionen nehmen, begünstigt durch Landnutzungsänderungen und den
steigenden Bedarf an fossilen Brennstoffen, weiter zu. Darüber hinaus können
die Auswirkungen des Klimawandels (z. B. sich verändernde
Niederschlagsverhältnisse und Anstieg des Meeresspiegels) zu einer erheblichen
Verschärfung bestehender Umweltprobleme führen. Der Raubbau an und die Verschmutzung
von Wasserressourcen und Meeresumwelt führen zu immer gravierenderen Problemen,
und im Jahr 2025 könnte ein Drittel der Weltbevölkerung von Wasserknappheit betroffen
sein. Ein Reihe von Entwicklungsländern, deren Wirtschaft weitgehend von der
Landwirtschaft und bäuerlicher Subsistenzwirtschaft abhängt, haben unter Wüstenbildung
und Bodenverschlechterung zu leiden. Die Exposition gegenüber gefährlichen
Stoffen (z. B. Pestizide, gefährliche Abfälle) stellt in
Entwicklungsländern trotz der Fortschritte bei der
Umsetzung internationaler Übereinkommen weiterhin ein Problem dar. Viele dieser
Umweltprobleme stehen nicht isoliert da, sondern sind auf vielfältige Weise
miteinander verknüpft und stehen in Wechselwirkung zueinander. Das künftige Wirtschaftswachstum, das sich in
den Schwellenländern voraussichtlich am schnellsten vollziehen wird, kann,
sofern die Weichen richtig gestellt werden, die Menschen aus der Armut
befreien. Allerdings wird die Beibehaltung der derzeitigen Verbrauchs- und
Produktionsmuster in vielen Ländern weltweit zu einem höheren Verbrauch an natürlichen
Ressourcen führen, die Schädigung der Umwelt beschleunigen und den Klimawandel
vorantreiben. Die Umweltbelastungen und ‑folgen werden noch verschärft
durch das Bevölkerungswachstum (voraussichtlicher Anstieg auf mindestens
9 Milliarden im Jahr 2050), Verstädterung und soziale Veränderungen
(z. B. Zunahme der „Mittelklasse“-Bevölkerung in den Schwellenländern um
weitere 1,2 Milliarden junge Menschen).
2.2.
Nachhaltige Entwicklung in der EU
In den vergangenen Jahrzehnten hat die EU die
nachhaltige Entwicklung durch eine Reihe politischer Maßnahmen gefördert. So
hat sie in Verbindung mit dem EU-Emissionshandelssystem verbindliche
Klimaschutzziele festgelegt und eine Palette von Rechtsinstrumenten für
Biodiversität, Abfallbewirtschaftung sowie Wasser- und Luftqualität
verabschiedet. Dies hat das Wachstum von Ökoindustrien in der EU gefördert, auf
die inzwischen mehr als 2,5 % des BIP der EU und über 3,4 Millionen
Beschäftigte entfallen. Im Jahr 2001 verabschiedete die EU eine EU-Strategie
für die nachhaltige Entwicklung (EU Sustainable Development Strategy – EU
SDS), die 2006 erneuert wurde. Seit dem jüngsten Bericht über die EU-SDS (2009)
wurden die Fortschritte bei der Verwirklichung von Nachhaltigkeit auf
unterschiedliche Weise bewertet, u. a. anhand von Nachhaltigkeitsindikatoren
und in einem Umweltzustandsbericht der Europäischen Umweltagentur. Diese
Veröffentlichungen lassen erkennen, dass trotz einiger Fortschritte zahlreiche
Herausforderungen fortbestehen, wobei es insbesondere darum geht, das Wachstum
nachhaltiger zu gestalten. Ein politischer Meilenstein war die
Verabschiedung der Strategie Europa 2020 im Jahr 2010. Mit dieser
Strategie soll der Übergang der EU zu einer wissensbasierten, ressourcenschonenden
und emissionsarmen Wirtschaft gefördert und eine nachhaltige Antwort auf die
Herausforderungen gegeben werden, mit denen die EU bis 2050 konfrontiert ist.
Die Strategie zielt darauf ab, Nachhaltigkeit in die Politikentwicklung zu
integrieren und ihre Rolle zu stärken, indem die sich wechselseitig
unterstützenden Prioritäten eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen
Wachstums aufgestellt werden, denen fünf Kernziele und sieben
Leitinitiativen zugrunde liegen (siehe Anhang). Viele dieser Leitinitiativen sind für die
vorliegende Mitteilung unmittelbar von Bedeutung. Die Leitinitiative
„Ressourcenschonendes Europa“ beispielsweise zielt darauf ab, das
Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abzukoppeln, und sieht eine
Reihe neuer politischer Maßnahmen (u. a. in den Bereichen Rohstoffe,
Energieeffizienz und Biodiversität) sowie Fahrpläne für den Übergang zu einer
emissionsarmen Wirtschaft und einem emissionsarmen Energie- und Verkehrssektor
vor. Außerdem wird dafür geworben, den Einsatz von marktbasierten Instrumenten
zu verstärken, umweltgefährdende Subventionen auslaufen zu lassen und die
Steuersysteme umweltfreundlicher auszurichten. Die Fortschritte bei der Verbesserung der
Ressourceneffizienz und den anderen Zielen und Leitinitiativen werden über den
Governance-Rahmen der Strategie Europa 2020 und das „Europäische Semester“
bewertet. Dabei werden die Beiträge der Fachministerräte, die nationalen
Reformprogramme der Mitgliedstaaten, die Stellungnahmen der Kommission sowie
die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zusammengeführt. Auf diese Weise
wird ein verstärkter Mechanismus geschaffen, mit dem eine stärkere Integration
und Politikkohärenz zugunsten von Umwelt und nachhaltiger Entwicklung erreicht
werden kann. Zur Bewertung der bei der Umsetzung der EU-SDS
erzielten Fortschritte wird die Europäische Kommission über ihr statistisches
Amt Eurostat, die Europäische Umweltagentur u. a. weiterhin statistische
Angaben und Indikatoren bereitstellen, die die Messung von Nachhaltigkeit und
eine diesbezügliche Berichterstattung – auch im Kontext der Strategie
Europa 2020 – ermöglichen. Auf dem Rio+20-Gipfel werden entscheidende
Weichen für die nachhaltige Entwicklung ‑ sowohl in der EU als auch
weltweit – gestellt. Seine Ergebnisse werden in die Strategie und Maßnahmen der
EU im Bereich der nachhaltigen Entwicklung einfließen und insbesondere dazu
beitragen, dass die Strategie Europa 2020 noch stärker zu einem
wirkungsvollen Instrument zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung wird.
3.
Hin zu einer umweltverträglichen Wirtschaft und besserer Governance
3.1.
Ermöglichung des Übergangs
Zwanzig Jahre nach dem Gipfel von Rio steht
die Welt immer noch vor zwei großen miteinander verbundenen Herausforderungen:
dem Wunsch einer bis 2050 noch um ein Drittel ansteigenden Weltbevölkerung nach
einem besseren Leben gerecht zu werden und Umweltbelastungen zu bewältigen,
die, wenn nichts geschieht, die Möglichkeiten, diesem Wunsch gerecht zu werden,
untergraben werden. Die Antworten auf diese Herausforderungen
bestehen nicht in einer Drosselung des Wachstums, sondern in der Förderung der richtigen
Art von Wachstum. Es gibt zwingende Gründe dafür, das herkömmliche Modell
von wirtschaftlichem Fortschritt grundlegend zu überdenken. Ein bloßes
Herumbasteln an den Randbereichen eines Wirtschaftssystems, das der ineffizienten
Nutzung von Naturkapitel und Ressourcen Vorschub leistet, wird nicht
ausreichen, um einen Wandel zustande zu bringen. Was wir brauchen, ist eine
Wirtschaft, die Wachstum und Entwicklung gewährleisten kann und zugleich das
Wohlergehen des Menschen verbessert, menschenwürdige Arbeit bereitstellt,
Ungleichheiten abbaut, Armut bekämpft und das Naturkapital erhält, auf das wir
alle angewiesen sind. Eine solche, „grüne“ Wirtschaft ist ein wirksames Mittel
zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung, zur Tilgung von Armut und zur
Bewältigung künftiger Herausforderungen und noch bestehender Umsetzunglücken. Der Übergang zu einer umweltverträglichen
Wirtschaft erfordert die Erhaltung wichtiger natürlicher Ressourcen als
„Vermögenswerte“ und Investitionen in diese Ressourcen. Dies ist für alle
Volkswirtschaften wichtig, gilt aber in besonderem Maße für Entwicklungsländer,
die die Möglichkeit haben, auf der Grundlage einer nachhaltigen Nutzung ihres
Naturkapitals das Wachstum ihrer Wirtschaft zu fördern. Dies erfordert auch die
Anwendung emissionsarmer und ressourcenschonender Lösungen und verstärkte
Anstrengungen zur Förderung von nachhaltigen Verbrauchs- und Produktionsmustern.
All dies setzt voraus, dass die richtigen Regulierungsrahmen geschaffen, starke
Markt- und Innovationsanreize geboten, Finanzmittel
mobilisiert und Unternehmertum sowie eine stärkere Beteiligung des privaten
Sektors gefördert werden. Außerdem muss eine angemessene Wertbestimmung des
Naturkapitals vorgenommen und ganz allgemein die Art und Weise, in der wir
Wachstum und Fortschritt messen, überarbeitet werden. In einer umweltverträglichen Wirtschaft lassen
sich viele Herausforderungen in Chancen ummünzen, wobei nicht nur negative
Umwelttrends umgekehrt, sondern auch künftiges Wachstum und Arbeitsplätze
geschaffen werden. So hat die Erfahrung gezeigt, dass marktbasierte Konzepte
wie z. B. der Emissionshandel nicht nur kosteneffiziente Instrumente zur
Bewältigung von Umweltproblemen, sondern auch eine Quelle für Investitionen
sind. Eine umweltverträgliche Wirtschaft bietet
Chancen für alle Länder, ungeachtet ihres Entwicklungsstands und der
Struktur ihrer Wirtschaft. Während Investitionen in die Ökologisierung der Wirtschaft
in vielen Fällen zu kurzfristigen, für alle Beteiligten vorteilhaften Lösungen
(win-win) führen können, wird in anderen Fällen eine mittelfristige
Perspektive benötigt, und es müssen Übergangskosten bewältigt werden,
einschließlich durch Maßnahmen zugunsten der Armen. Auch wenn es kein
Einheitsmodell gibt, gibt es doch gemeinsame Herausforderungen und Lösungen,
und die Länder werden vom Austausch von Erfahrungen und einer verbesserten
internationalen Zusammenarbeit profitieren. Gleichzeitig beginnt die Ökologisierung der Wirtschaft
nicht bei Null. Vielmehr gibt es bereits eine Reihe von Strategien, an die die
Länder anknüpfen können, beispielsweise Strategien in den Bereichen
Klimawandel, Biodiversität, Nachhaltigkeit in Verbrauch und Produktion,
Forschung und Innovation, die alle zur Ökologisierung der Wirtschaft beitragen
können. Künftige nationale und internationale Strategien für eine grüne
Wirtschaft könnten auf diese Strategien aufbauen und sie verstärken, so wie
dies bei der Strategie Europa 2020 und seit Neuem beim Fahrplan für den
Übergang zu einer wettbewerbsfähigen CO2-armen Wirtschaft bis 2050
der Fall ist. Internationale Organisationen wie das
Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und die Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickeln Strategien für
umweltverträgliche Wirtschaft und umweltverträgliches Wachstum. Die
Internationale Arbeitsorganisation arbeitet Programme für umweltverträgliche,
menschenwürdige Arbeitsplätze aus. G8 und G20 engagieren sich ebenfalls in
zunehmendem Maße für eine umweltverträgliche Wirtschaft. Die Parteien der
UN-Klimarahmenkonvention sind in Cancún übereingekommen, dass alle Länder
emissionsarme Entwicklungsstrategien ausarbeiten sollten, die mit einer
nachhaltigen Entwicklung vereinbar sind. Auf der Grundlage der oben genannten
Initiativen müssen wir an drei miteinander verbundenen politischen Dimensionen
arbeiten, um eine Ökologisierung der Wirtschaft zu erreichen: (1) Investitionen in die nachhaltige
Bewirtschaftung von Schlüsselressourcen und Naturkapital („was“) (2) Schaffung der richtigen Markt- und
Regulierungsbedingungen („wie“) (3) Bessere Governance
und engere Einbindung des Privatsektors („wer“) In den folgenden Abschnitten werden diese drei
Dimensionen als Rahmen für gezielte Maßnahmen und Investitionen eingehender
untersucht.
3.2.
Investitionen in die nachhaltige Bewirtschaftung
von Schlüsselressourcen und Naturkapital
Ressourcen wie Wasser, Energie, Land, Wälder
sowie Rohstoffe bilden die Grundlage jeder Wirtschaft – und insbesondere einer
umweltverträglichen Wirtschaft. Die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen
weltweit hängt von ihnen ab, besonders in Entwicklungsländern, wo der mangelnde
Zugang zu hochwertigen Ressourcen und unzureichendes Wissen darüber, wie diese
Ressourcen nachhaltig genutzt werden können, wichtige Ursachen von Armut sind.
Es gibt viele aufschlussreiche Beispiele dafür, wie der Zugang zu nachhaltig
bewirtschafteten Ressourcen Menschen aus der Armut befreien kann. So könnten
die im Folgenden dargestellten Ressourcenbereiche zu den zentralen Wachstumsmärkten
einer umweltverträglichen Wirtschaft werden und die künftige Wirtschaftsentwicklung,
die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Tilgung von Armut ‑ insbesondere
in Entwicklungsländern – fördern. Wasser ist
eine der wertvollsten Ressourcen, die nicht nur für das Leben und die
Gesundheit, sondern auch für das Wachstum zahlreicher Wirtschaftszweige wie
z. B. Landwirtschaft, verarbeitendes Gewerbe und Energieerzeugung
unverzichtbar ist. In den Bemühungen zur Armutsbekämpfung kommt der
nachhaltigen Wasserbewirtschaftung eine zentrale Rolle zu, da der Zugang zu
Wasser und dessen vielfache Verwendungszwecke und Funktionen für das Leben
armer Menschen eine große Rolle spielen. Außerdem ist Wasser für die regionalen
Beziehungen, für Frieden und für Sicherheit von großer Bedeutung. Es liegt auf
der Hand, dass verstärkte Maßnahmen erforderlich sind, um den Zugang zu Wasser,
Wasserqualität und Wassereffizienz zu verbessern. Der Zugang zu Energiedienstleistungen ist
eine grundlegende Voraussetzung für soziale und wirtschaftliche Entwicklung.
Der Zugang zu Energie spielt auch bei der Armutsbekämpfung eine wichtige Rolle.
In den Entwicklungsländern haben derzeit über 1,4 Milliarden Menschen keinen
Zugang zu elektrischem Strom, und 2,7 Milliarden sind beim Kochen auf die
herkömmliche Nutzung von Biomasse angewiesen. In zahlreichen Regionen dieser
Länder besteht ein enormes Potenzial für erneuerbare Energieträger,
insbesondere dort, wo Erweiterungen des Elektrizitätsnetzes wirtschaftlich
nicht rentabel sind. Die Erschließung erneuerbarer Energieträger sollte mit
Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur
Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen einhergehen. Meeresressourcen sind eine Quelle für Nahrungsmittel und wirtschaftlichen Wohlstand. Der
Fischereisektor ist für die wirtschaftliche Entwicklung und die wirtschaftliche
Existenz von Millionen Menschen weltweit und insbesondere in den
Entwicklungsländern von zentraler Bedeutung. Ozeane und Meere sind
ein wesentlicher Bestandteil des Ökosystems der Erde und leisten einen
wichtigen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels. Korallenriffe und
Mangrovenwälder sind nicht nur CO2-Speicher und eine Quelle von
biologischer Vielfalt, sondern schützen auch die Küstengebiete vor
Überschwemmungen und verringern so die Gefahr von Katastrophen. Die
Meeresumwelt ist aber mehreren Bedrohungen ausgesetzt: Erschöpfung der
Fischbestände, Verlust an biologischer Vielfalt, Abfälle im Meer sowie Verschmutzung
einschließlich Versauerung. Viele Probleme sind grenzübergreifend und müssen
auf internationaler Ebene in Angriff genommen werden. Die Landwirtschaft steht vor der
großen Herausforderung, bis 2050 ohne eine weitere Verschlechterung und
Verschmutzung von Flächen eine Bevölkerung von 9 Milliarden zu ernähren.
Nachhaltige Flächennutzung und Landwirtschaft werden ein Eckpfeiler der umweltverträglichen
Wirtschaft sein. Die derzeitigen landwirtschaftlichen Praktiken nehmen über
70 % der weltweiten Süßwasserressourcen in Anspruch und tragen zu mehr als
13 % der Treibhausgasemissionen bei. Eine nachhaltige Landwirtschaft kann
– besonders in kleinen Betrieben – eine erhebliche Ertragssteigerung bewirken.
Obwohl zahlreiche nachhaltige Verfahren zur Bodenbewirtschaftung zur Verfügung
stehen, wird nicht ausreichend in diese investiert. Bodenverschlechterung ist
direkt mit der Landwirtschaft verknüpft und hat unmittelbare Folgen für rund
1,5 Milliarden Menschen, darunter 42 % der weltweit ärmsten.
Bodenverschlechterung ist ein globales Thema, das nicht nur aride und semiaride
Regionen betrifft und eine globale Lösung erfordert. Für die Bewältigung dieser
Probleme ist eine gute Governance unverzichtbar, bei der Bodennutzungsrechte
und Grundeigentum – auch von Gemeinschaften und indigenen Völkern – geachtet
werden. Alle diese Aspekte gilt es zu berücksichtigen, um eine nachhaltige
Versorgung mit Nahrungsmitteln zu gewährleisten. Wälder sind
die Grundlage für die wirtschaftliche Existenz von Millionen Menschen, von denen
viele in den Tropen leben und zu den ärmeren Segmenten der Gesellschaft
gehören. Außerdem sind die Wälder ein wesentlicher Bestandteil des Ökosystems
der Erde und stellen Funktionen wie Bodenschutz, Wasser und Biodiversität
bereit. Die weltweite Entwaldungsrate ist jedoch weiterhin alarmierend hoch
und hat signifikante Auswirkungen auf den globalen Klimawandel und die
Biodiversität. Die Emissionen aus der Abholzung von Tropenwäldern und der
Schädigung von Wald- und Torfflächen machen derzeit Schätzungen zufolge
15 % der weltweiten CO2-Emissionen aus. Die Wälder dürften in
einer umweltverträglichen Wirtschaft (als Quelle für neue Werkstoffe wie
z. B. Biokunststoffe) und in Strategien für erneuerbare Energieträger
zunehmend an Bedeutung gewinnen. In diesem Zusammenhang ist die Erhaltung und
nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern von größter Wichtigkeit. Nachhaltige Flächennutzung, Landwirtschaft,
Wälder, Wasser und Ozeane basieren auf Ökosystemen und biologischer
Vielfalt, die für die längerfristige Widerstandsfähigkeit und Gesundheit
der Umwelt entscheidend sind. Die Erkenntnis wächst, welche Vorteile Ökosystemleistungen
der Wirtschaft und der Gesellschaft insgesamt verschaffen[3] und welches Potenzial Investitionen in das
Naturkapital für eine umweltverträgliche Wirtschaft bieten. Abfall, der eine wertvolle Ressource sein
kann, verursacht bei nicht ordnungsgemäßer Bewirtschaftung Umwelt- und
Gesundheitsrisiken. Eine sachgemäße Abfallbewirtschaftung minimiert
Umweltfolgen wie z. B. Treibhausgasemissionen, fördert die effiziente
Nutzung von Ressourcen und bietet eine neue Quelle für Recycling-Werkstoffe.
Das wirtschaftliche Potenzial der Abfallwirtschaft nimmt in zahlreichen
Regionen weltweit zu und bietet wichtige Unternehmens- und
Beschäftigungschancen. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass es sich um
menschenwürdige Arbeit handelt, insbesondere was die Arbeitsbedingungen
anbelangt. In dem Maße, in dem die Wirtschaft der Entwicklungsländer wächst,
nehmen auch die Erfordernisse einer besseren Abfallbewirtschaftung und die
damit verbundenen wirtschaftlichen Chancen zu. Ein weiteres Thema von
besonderer Bedeutung – auf nationaler und globaler Ebene – sind gefährliche
Abfälle und Chemikalien. Der Übergang zu einer globalen umweltverträglichen
Wirtschaft wird verstärkte globale Maßnahmen in den oben genannten Bereichen
erfordern, und Rio+20 sollte eine Plattform darstellen, die dazu beiträgt, dass
dies gelingt.
3.3.
Schaffung der richtigen Markt- und
Regulierungsbedingungen
Es müssen eine Reihe von Markt-
und Regulierungsbedingungen geschaffen werden, um das
Wachstum in den oben genannten Bereichen zu ermöglichen und zu steuern. Diese
Bedingungen sind nicht nur für die Förderung von Umweltzielen wichtig, sondern
auch für die Gewährleistung von Berechenbarkeit und gleichen Voraussetzungen
für die Unternehmen. Außerdem bieten sie eine stabile Grundlage für
Investitionen und die Förderung von Ökoinnovationen durch neue Technologien und
neue Arbeitsweisen. Regulierungsinstrumente werden bei der Ökologisierung der Wirtschaft sowohl auf nationaler als
auch auf internationaler Ebene eine wichtige Rolle spielen. Regulierungsinstrumente
sollten mit marktbasierten Instrumenten (z. B. Steuern,
handelbare Zertifikate und Umweltsubventionen) kombiniert werden, flexiblen und
kosteneffizienten Instrumenten, die zur Verwirklichung kombinierter
wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Ziele beitragen können.
Steuerreformen, mit denen die Steuerbelastung vom Faktor Arbeit auf die
Umweltfolgen und Energie verlagert wird, können zu Ergebnissen führen, die
sowohl für die Beschäftigung als auch für die Umwelt von Vorteil sind.
Cap-and-Trade-Systeme wie beispielsweise das EU-Emissionshandelssystem haben
sich als wirkungsvolle Marktinstrumente erwiesen. Weitere wirksame Regelungen
sind u. a. steuerliche Anreize für KMU, Wassergebühren, Ökosteuern und
Einspeisungsgebühren. Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen werden in
einigen Ländern bereits angewendet und spielen bei den laufenden Verhandlungen
über die Reduzierung der Emissionen aufgrund von Entwaldung und Waldschädigung
(Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation – REDD)
eine Rolle. Umweltgefährdende Subventionen stellen ein großes Hindernis für eine umweltverträglichere Wirtschaft
dar. Sie lassen nicht nachhaltige Praktiken fortbestehen und nehmen
Finanzmittel in Anspruch, die für erforderliche grüne Investitionen benötigt
würden. Die Einsicht wächst, dass diese Subventionen abgeschafft werden müssen.
Im Jahr 2009 verpflichtete sich die G20 zur Rationalisierung und schrittweisen
Einstellung von Subventionen für ineffiziente fossile Brennstoffe, die
verschwenderischem Verbrauch Vorschub leisten. Diese Verpflichtung wird 2011
überprüft werden. Die Parteien des Übereinkommens über biologische Vielfalt
haben sich 2010 verpflichtet, Subventionen, die der biologischen Vielfalt
schaden, bis 2020 zu streichen, auslaufen zu lassen oder zu reformieren. Um den Übergang zu einer globalen umweltverträglichen
Wirtschaft zu ermöglichen, müssen umfangreiche finanzielle Ressourcen mobilisiert
werden. Dabei müssen alle Länder wie auch internationale Organisationen
und Banken tätig werden. Nach Schätzungen des UNEP könnten im Zeitraum bis 2050
jährliche globale Investitionen in Höhe von 2 % des globalen BIP benötigt
werden. Dies wird einen Paradigmenwechsel bei den Finanzierungsansätzen
erfordern, der den Ländern die Anwendung innovativer öffentlicher und privater
Lösungen ermöglicht. Die Inanspruchnahme öffentlicher Gelder wird nicht
ausreichen, vielmehr müssen öffentliche Finanzierungsmittel wesentlich höhere
Investitionen der Privatwirtschaft anstoßen. Es müssen Anreize geschaffen
werden, um private „grüne“ Investitionen zu fördern, und die Möglichkeiten, um
Mittel aus Beteiligungs-, Versicherungs- und Pensionsfonds in die nachhaltige
Entwicklung zu leiten, können in viel größerem Maßstab angewendet werden.
Zugleich wird sowohl der nationalen öffentlichen Hand als auch der
internationalen öffentlichen Finanzierung die wichtige Aufgabe zukommen,
Bedingungen festzulegen, die dazu beitragen, die Risiken für private
Investitionen zu verringern und gerechte und ausgewogene Investitionskonzepte
zu gewährleisten. Außerdem ist der Zugang zu Finanzmitteln und Risikokapital
in Kombination mit einem günstigen Regulierungsumfeld wichtig für die Förderung
von Ökoinvestitionen, Umwelttechnologien und grünen KMU. Ohne die erforderlichen Kenntnisse und
Fertigkeiten ist eine Ökologisierung der Wirtschaft nicht möglich.
Zugleich muss sichergestellt werden, dass es sich bei den neuen
Arbeitsplätzen um „menschenwürdige“ Arbeit handelt, was Garantien in
Bezug auf Rechte am Arbeitsplatz, sozialen Schutz und sozialen Dialog
einschließt. Die wirtschaftspolitischen Maßnahmen müssen mit
beschäftigungspolitischen Maßnahmen einhergehen, um den Beschäftigten neue
Fertigkeiten zu vermitteln und zur Schaffung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten
beizutragen. Von den schätzungsweise 211 Millionen Arbeitslosen weltweit (2009)
sind knapp 40 % zwischen 15 und 24 Jahre alt, und es müssen eine Reihe von
Maßnahmen ergriffen werden, um jungen Menschen eine Beschäftigungsmöglichkeit zu
bieten. Darüber hinaus lassen sich viele der Hindernisse, die dem Übergang zu
einer umweltverträglichen Wirtschaft und einer nachhaltigeren Zukunft
entgegenstehen, nur durch eine stärkere Zusammenarbeit in Wissenschaft
und Forschung beseitigen. Nachhaltige Angebots- und Nachfragemuster auf
internationaler Ebene können durch eine stärkere gegenseitige
Unterstützung von Handel und nachhaltiger Entwicklung gefördert werden.
Dies schließt die Aufrechterhaltung eines offenen, nichtdiskriminierenden
multilateralen Handelssystems ein, und es ist dafür zu sorgen, dass kein Land
daran gehindert wird, Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung zu
ergreifen, sofern diese Maßnahmen keine willkürliche oder ungerechtfertigte
Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des internationalen
Handels darstellen. Eine gegenseitige Unterstützung kann auch durch die Senkung
oder Beseitigung von Zoll- und anderen Handelsschranken für Umweltprodukte, ‑technologien
und –dienstleistungen sowie umweltfreundliche Produkte oder Produkte aus fairem
Handel gefördert werden. Außerdem kann in dem Maße, in dem Nachhaltigkeitssicherungssysteme
und Praktiken der sozialen Verantwortung der Unternehmen zunehmend Verbreitung
finden, die Entwicklung von internationalen Leitlinien und Standards,
Zertifizierungsregelungen und –kennzeichen wirtschaftliche, ökologische und
soziale Vorteile bringen. Die internationalen Maßnahmen zur Bekämpfung des
illegalen Handels mit ökologisch sensiblen Waren (z. B. wildlebende Tiere
und Pflanzen, gefährliche Stoffe und natürliche Ressourcen) müssen verschärft
werden, wobei die freiwilligen Partnerschaftsabkommen, die die EU im Rahmen
ihrer Initiative für Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im
Forstsektor (Forest Law Enforcement Governance and Trade - FLEGT) aushandelt,
ein gutes Beispiel dafür sind, was getan werden kann. Die Aufnahme von
Nachhaltigkeitsauflagen in multilaterale und bilaterale Handelsabkommen muss
ebenfalls gefördert werden. Zur Gewährleistung und Messung des
Fortschritts werden vergleichbare Leistungsparameter und Indikatoren
benötigt. Mehrere Organisationen, darunter die OECD, arbeiten derzeit
verschiedene Formen von Indikatoren aus, die den Zustand von Umwelt und
Naturgütern sowie das Niveau von Wohlergehen und Lebensqualität wiedergeben können.
Diese Indikatoren sollten ergänzend zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) verwendet
werden. Bisher wurden allerdings nur einige dieser Indikatoren (z. B. CO2-Intensität
und der Humanentwicklungsindex) umfassend genutzt, um einen Politikbedarf
aufzuzeigen. Im Rahmen der Agenda 21 wurden die Regierungen bereits
aufgefordert, Indikatoren für nachhaltige Entwicklung und eine Umweltgesamtrechnung
auszuarbeiten. Dabei sind jedoch bislang nur schleppende und ungleiche
Fortschritte zu verzeichnen. Auf dem Rio+20-Gipfel sollte die Transparenz der
nationalen Berichterstattung verbessert und die Verwendung einer
Umweltgesamtrechung und von robusten Indikatoren auf nationaler und globaler
Ebene vereinbart werden, mit denen ‑ ergänzend zum BIP ‑
dieser Fortschritt im weiteren Sinne gemessen werden kann.
3.4.
Bessere Governance und engere Einbindung des
Privatsektors
Die Strukturen der Governance spielen eine
wesentliche Rolle, wenn es darum geht, eine nachhaltige Entwicklung zu
verwirklichen, die Wirtschaft umweltverträglicher zu machen und Armut zu
bekämpfen, doch herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die derzeitigen
Governance-Strukturen grundlegend reformiert werden müssen. Dabei sind Reformen
auf vier großen Gebieten nötig. Die Governance im Bereich der
nachhaltigen Entwicklung innerhalb der Vereinten
Nationen muss verstärkt und vereinheitlicht werden, indem unter anderem die
Tätigkeiten im Rahmen der drei Säulen (Wirtschaft, Soziales und Umwelt) besser
aufeinander abgestimmt und politisch integriert werden. In der UN laufen
derzeit verschiedene Bemühungen, wie die Verbesserung der
Koordinierungsmechanismen zwischen den Dienststellen oder als Teil der
Initiative „Einheit in der Aktion“, die für Kohärenz des Systems der Vereinten
Nationen auf dem Gebiet der Entwicklung der humanitären Hilfe und der Umwelt
sorgen soll. Zudem machen Querschnittsthemen wie der Klimawandel ebenfalls eine
bessere Abstimmung erforderlich. Solche Prozesse sollten verstärkt werden. Es
ist zwar wichtig, die internationale Governance im Bereich der nachhaltigen
Entwicklung zu stärken, doch auch die entsprechenden regionalen,
nationalen und lokalen Strukturen dürfen nicht vernachlässigt werden. Im Vergleich zu den weltumspannenden
Wirtschaftsstrukturen sind die internationalen Governance-Strukturen im Umweltbereich
schwach. Dies ist auf die Vielfalt der Institutionen, die fehlende
Rechenschaftspflicht für die Durchführung vereinbarter Politiken, das Fehlen
eines starken Schrittmachers innerhalb des Systems weltweiter Governance und
den Mangel an personellen und finanziellen Mitteln zurückzuführen. Außerdem
sind die neuen Rollen und Verantwortlichkeiten von Schwellenländern nicht
hinreichend klar definiert. In den vergangenen zehn Jahren wurde versucht, die
internationale Umwelt-Governance zu verbessern - zuletzt im Rahmen der
hochrangigen Beratergruppe unter der Schirmherrschaft des UNEP
(Nairobi-Helsinki-Prozess); greifbare Fortschritte konnten bislang jedoch kaum
erzielt werden. An der internationalen wirtschaftlichen
und sozialen Governance wirken mehrere Institutionen mit. Die
internationalen Finanzinstitutionen (wie die Weltbankgruppe und der
Internationale Währungsfond) sowie regionale Entwicklungsbanken (wie die
Asiatische Entwicklungsbank, die Interamerikanische Entwicklungsbank, die
Afrikanische Entwicklungsbank, die Europäische Bank für Wiederaufbau und
Entwicklung und die Europäische Investitionsbank) prägen weltweit die
Wirtschaftspolitik und die wirtschaftlichen Maßnahmen. Die
Welthandelsorganisation spielt bei der Regulierung des Welthandels eine
zentrale Rolle. Darüber hinaus tragen Einrichtungen wie die Internationale
Arbeitsorganisation und andere UN-Gremien dazu bei, beschäftigungspolitische
und soziale Fragen zu thematisieren. Jede dieser Einrichtungen muss dabei
mitwirken, die Weltwirtschaft umweltverträglicher zu machen. In der Agenda 21 und im Durchführungsplan
von Johannesburg wird betont, wie wichtig die nichtstaatlichen Akteure
(die sogenannten „wichtigen Gruppen“) sind. Hierzu gehören indigene Völker,
Frauen, Kinder und Jugendliche, Arbeitnehmer, Bauern, örtliche Behörden, die
Wissenschaft, die Privatwirtschaft und Nichtregierungsorganisationen. Ihre
Rolle und ihr Einfluss unterliegen jedoch Einschränkungen, und es gilt, sie zu
stärken, wobei vor allem für eine breitere Mitwirkung der
Privatwirtschaft gesorgt werden muss. Viele Unternehmen vor allem aus
der Lebensmittel-, Getränke- und chemischen Industrie haben sich bereits
verpflichtet, umweltverträglicher zu wirtschaften. Dies muss durch dynamischere
öffentlich-private Partnerschaften sowie neue Unternehmensnetze und ‑verbände
weiter vorangetrieben werden; außerdem sind Einrichtungen zu finanzieren, mit
denen sich die Ökologisierung der Wirtschaft und „grüne“ Innovationen
beschleunigen lassen.
4.
Vorgeschlagene Aktionsleitlinien für Rio+20
4.1.
Ein ergebnisorientierter Rahmen
Um der nachhaltigen Entwicklung neuen Schwung
zu verleihen, muss der Rio+20-Gipfel eine gemeinsame Vision für den Wandel
erarbeiten, der ein Beschlussfassungsrahmen für zielgerichtete Maßnahmen
zugrunde liegt. Als wichtige Bestandteile des Gesamtergebnisses sind denkbar: 1.
Ein breiter politischer Appell mit einer
gemeinsamen, ehrgeizigen Vision und Zielsetzung. 2.
Eine Reihe spezifischer Maßnahmen auf
internationaler, regionaler und nationaler Ebene, die in einem „Fahrplan für
eine umweltverträgliche Wirtschaft“ kartiert sind. 3.
Ein Instrumentarium politischer Konzepte und
Beispiele bewährter Verfahren für die Verwirklichung der vereinbarten Ziele. 4.
Ein Mechanismus für die Förderung und Überwachung
des Gesamtfortschritts. Ein Fahrplan für eine umweltverträgliche
Wirtschaft kann sicherstellen, dass Verpflichtungen auch dann noch beachtet
werden, wenn der Rio+20-Gipfel vorbei ist, indem er gewährleistet, dass die
vereinbarte Vision und die vereinbarten Ziele systematisch verfolgt werden. Er
kann eine Reihe von internationalen, regionalen und nationalen Maßnahmen mit
Meilensteinen, Indikatoren und Zielen kartieren und Mechanismen für die
Überwachung des Gesamtfortschritts vorgeben. Ein Fahrplan für eine umweltverträgliche
Wirtschaft kann allen Ländern helfen, auf der Grundlage bestehender Initiativen
und unter Beachtung nationaler Besonderheiten die Ökologisierung der Wirtschaft
zu beschleunigen. Wichtig ist, dass Strategien für eine umweltverträgliche
Wirtschaft als Teil der nationalen Politiken und Pläne in den Bereichen
Wirtschaft und Entwicklung aufgestellt werden. Solche Strategien — die
„bottom-up“ zu konzipieren sind — sollten Zielvorgaben und Fristen für
Maßnahmen auf nationaler und gegebenenfalls regionaler Ebene enthalten. Die
Maßnahmen sollten auf laufende Arbeiten aufbauen; sie könnten so in nationale
Wirtschafts- und Entwicklungsstrategien eingebaut werden, dass darüber hinaus
auch die Strategien zur Verringerung des CO2-Ausstoßes und die Pläne
für Nachhaltigkeit in Verbrauch und Produktion einbezogen werden könnten.
Erforderlichenfalls könnten die Geberländer und internationalen Organisationen
in Einklang mit den nationalen Entwicklungsstrategien Hilfe leisten. Die Länder
hätten die Möglichkeit, bei der Konzeption spezifischer Maßnahmen aus einem
Katalog der bewährtesten politischen Konzepte zu schöpfen. Einzelstaatliche Maßnahmen allein reichen
jedoch nicht, um die Weltwirtschaft umweltverträglicher zu machen. Da für viele
Probleme Lösungsansätze auf globaler oder regionaler Ebene gefunden werden
müssen, sollte der Fahrplan für eine umweltverträgliche Wirtschaft auch globale
und regionale Maßnahmen enthalten. Zur Überwachung der Fortschritte bei der
Ökologisierung der Wirtschaft müssen Schlüsselindikatoren und ein weltweit
anerkanntes System der Umwelt- und Sozialbilanzierung zur Ergänzung der
derzeitigen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung aufgestellt werden. Dieses
müsste sich auf bereits laufende Initiativen stützen, wie das internationale
System der umweltökonomischen Gesamtrechnungen (SEEA), den
Humanentwicklungsindex des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP)
und die Messung des gesellschaftlichen Fortschritts der OECD. Auch der von der
EU geplante Regelungsrahmen für die umweltökonomische Gesamtrechnung könnte als
Beispiel herangezogen werden. Auf der Basis der in Abschnitt 3
erläuterten politischen Dimensionen („was“, „wie“ und „wer“) wird in den
folgenden Abschnitten ein erstes Bündel spezifischer Maßnahmen vorgeschlagen,
die Teil des Fahrplans für eine umweltverträgliche Wirtschaft sein könnten.
4.2.
Maßnahmen in Bezug auf Ressourcen, Material und
Naturkapital
Der Rio+20-Gipfel muss die Verpflichtung zur
Förderung einer nachhaltigen Wasserwirtschaft erneuern. Dies ließe sich durch
die Einsetzung von internationalen Partnerschaften für Wasser erreichen.
Solche Partnerschaften könnten die EU-Wasserinitiative zugrunde legen
und erweitern, die dazu beigetragen hat, die Wasserwirtschaft und
Wasser-Governance zu verbessern; sie sollten jedoch mehr Gewicht auf
wirtschaftliche Aspekte und ein größeres Engagement von Unternehmen legen. Auch
auf die Bewirtschaftung internationaler Flusseinzugsgebiete muss vor allem in
den Kommissionen für grenzüberschreitende Flüsse mehr Aufmerksamkeit gerichtet
werden. Partnerschaften könnten außerdem initiiert
werden, um den Zugang zu Energie zu verbessern und die Energieversorgung
zu sichern sowie erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu fördern. Auch
diese Partnerschaften könnten auf bereits bestehenden Maßnahmen aufbauen, wie
die Energiepartnerschaft EU-Afrika (AEEP), die für verschiedene Regionen
bestimmten EU-Investitionsfazilitäten, den Infrastruktur-Treuhandfonds
EU-Afrika, die EU-AKP-Energiefazilität und den globalen Dachfonds für
Energieeffizienz und erneuerbare Energien (GEEREF), die aus ihrer Erfahrung mit
der Mobilisierung von privaten Investitionen für solche Partnerschaften
schöpfen könnten. Für einen besseren Schutz der Meeresumwelt
und der Ozeane sollten Staaten, die das UN-Seerechtsübereinkommen
(UNCLOS) noch nicht ratifiziert haben, angehalten werden, dies zu tun. Für den
Schutz und die Erhaltung von staatsfreien Räumen („Hohe See und Tiefseeboden“)
müssen neue Initiativen lanciert werden, beispielsweise in Form einer
Durchführungsvereinbarung im Rahmen des UNCLOS. Um zur Erhaltung der
Meeresbiodiversität in diesen Gebieten beizutragen, sollten mit einer solchen
Vereinbarung Mehrzweck-Meeresschutzgebiete geschaffen sowie der Zugang zu den
genetischen und anderen Ressourcen sowie zur fairen und gerechten Aufteilung
der Gewinne aus ihrer Nutzung gesichert werden. Außerdem sollte diese
Vereinbarung Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismen vorsehen. Besondere
Aufmerksamkeit sollte auf die Erarbeitung eines globalen Aktionsprogramms zur
Bekämpfung der Meeresverschmutzung durch Abfälle und Schadstoffe gerichtet
werden. Zur Förderung der nachhaltigen
Landwirtschaft und Landnutzung sowie der Ernährungssicherheit müssen
Maßnahmen ergriffen werden. Dabei sollten auch bestehende
Initiativen für eine nachhaltige Landwirtschaft gestärkt werden, die auf
multilateralen Maßnahmen (z. B. der FAO), regionalen Tätigkeiten (z. B. im
Bereich des ökologischen Landbaus) sowie auf Initiativen der Wirtschaft
beruhen. Außerdem könnten internationale Partnerschaften für
Nahrungsmittel eingerichtet werden, um den Verbrauch und die Produktion
von Nahrungsmitteln nachhaltiger zu machen. Die Landwirtschaft hängt von der
Bodenqualität ab, weswegen mehr getan werden sollte, um die Bodenqualität zu
verbessern und die Wüstenbildung zu bekämpfen. In diesem Rahmen könnte eine
weltweite ökonomische Bewertung der Kosten und des Nutzens einer Verbesserung
der Bodenqualität eingeleitet werden. Einige Initiativen könnten außerdem der
FAO-Initiative für eine globale Bodenpartnerschaft neuen Schwung verleihen und
als Teil des globalen Überwachungssystems für Erdbeobachtungssysteme (GEOSS)
Leistungen für die weltweite Überwachung der Landnutzung erbringen. Partnerschaften mit Regierungen, der
Zivilgesellschaft und dem Privatsektor können auch dazu beitragen, eine nachhaltige
Waldbewirtschaftung zu fördern und der Entwaldung entgegenzuwirken.
Solche Partnerschaften könnten auf das erfolgreiche Konzept von FLEGT
(Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor) und die
ersten Erfahrungen im Rahmen von REDD+ (Reduzierung der Emissionen aufgrund von
Entwaldung und Waldschädigung) aufbauen. Die Zeit ist reif für eine weiter reichende
und kohärentere internationale Regelung für Chemikalien und gefährliche
Stoffe, und Rio+20 könnte einen entsprechenden Prozess einleiten, dem
frühere Verpflichtungen zugrunde gelegt würden, wie das strategische Konzept
für das internationale Chemikalienmanagement (SAICM) oder Erfahrungen aus dem
EU-Konzept für den Umgang mit Chemikalien. Eine solche Regelung — die möglicherweise
die Form eines Rahmenübereinkommens annimmt — sollte sich an dem in
Johannesburg beschlossenen Ziel ausrichten, nach dem bis zum Jahr 2020 erreicht
werden soll, dass Chemikalien derart verwendet und hergestellt werden, dass die
menschliche Gesundheit und die Umwelt so weit wie möglich von schwerwiegenden
Schäden verschont bleiben. Bei der Regelung sollten die laufenden Arbeiten des
UNEP an dem Projekt „Global Chemicals Outlook“ sowie Arbeiten berücksichtigt
werden, bei denen geprüft wird, wie den Entwicklungsländern bei der Bewältigung
der Herausforderungen einer zunehmend globalen Chemie- und Abfallindustrie
geholfen und wie diese Hilfe finanziert werden kann. Die Regelung sollte
Kriterien, anhand deren weltweit problematische Chemikalien und Stoffe
ermittelt werden können, und einen Rahmen für die Bewertung von Stoffen umfassen. Diese Herausforderungen können nur bewältigt
werden, wenn auf globaler Ebene in bisher einzigartiger Weise auf wissenschaftlichem
und technischem Gebiet zusammengearbeitet wird; außerdem sollte ein
Mechanismus für eine globale wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit zur
Bewältigung von weltweit wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen
(z. B. Ressourcenknappheit, Klimawandel, Ozeane) initiiert werden.
4.3.
Bereitstellung von wirtschaftlichen Instrumenten
und Investitionen in Humankapital
Rio+20 sollte Länder, vor allem die Industrie-
und Schwellenländer, dazu bewegen, nationale und regionale CO2-Emissionshandelssysteme
einzuführen, um die Emissionen möglichst kostengünstig zu senken und
Bausteine für den künftigen internationalen CO2-Markt zu schaffen.
Solche Instrumente können auch eine wichtige Rolle bei der innovativen
Erschließung von Finanzmitteln spielen. Außerdem sollte Rio+20 eine Reihe
koordinierter Maßnahmen zur Ermittlung und Abschaffung umweltschädlicher
Subventionen zusammen mit Zielvorgaben und Fristen vorgeben. Die
Verpflichtung der G20 zur Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe
könnte als besonderes Beispiel dienen. Für eine solche Initiative müssten
Leitlinien aufgestellt und Beispiele für bewährte Verfahren gegeben werden, wie
schädliche Subventionen bereits erfolgreich abgeschafft wurden. Um Mittel in die umweltverträgliche Wirtschaft
zu kanalisieren bzw. sie für eine umweltverträgliche Wirtschaft zu
mobilisieren, sollte Rio+20 empfehlen, bestehende Finanzierungsstrategien
und –fazilitäten zu konsolidieren und zu verstärken
oder erforderlichenfalls neue öffentlich-private Finanzierungssysteme einzuführen.
Entwicklungsorganisationen (wie das UNDP) und internationale
Finanzinstitutionen (wie die Weltbank und andere multilaterale
Entwicklungsbanken, die Europäische Investitionsbank, die globale
Umweltfazilität) sollten eine führende Rolle übernehmen und sich verpflichten,
Strategien zur Finanzierung der umweltverträglichen Wirtschaft aufzustellen,
die zu greifbaren Ergebnissen führen. Privatbanken, Versicherungsunternehmen
und Pensionsfonds sollten ebenfalls einen Beitrag leisten. Diese
Finanzierungsfazilitäten und –systeme sollten sich besonders auf die
Unterstützung der am wenigsten entwickelten Länder und von KMU konzentrieren. In Entwicklungsländern ist die öffentliche Entwicklungshilfe weiterhin
eine wichtige Investitionsquelle. Die EU bekräftigt ihre Zusage, bis 2015 0,7 %
des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungshilfe bereitzustellen;
derzeit leistet die EU etwa 58 % der weltweiten Entwicklungshilfe. Die
öffentliche Entwicklungshilfe ist weiterhin verfügbar und kann dazu beitragen,
nationale und regionale Strategien für eine umweltverträgliche Wirtschaft
durchzuführen, die Partnerländer im Rahmen ihres nationalen Entwicklungsplans
verfolgen. In diesem Zusammenhang könnten Programme wie EU SWITCH, das
Verfahren zur Verwirklichung von Nachhaltigkeit in Verbrauch und Produktion in Asien
gefördert hat, zum Bestandteil einer weltweiten Maßnahme mit demselben
Nachhaltigkeitsziel werden. Rio+20 sollte Schulungsprogramme für die
Vermittlung von Umweltwissen in prioritären Bereichen wie Energie,
Landwirtschaft, Bauwesen, Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen, Abfälle und
Recycling aufstellen. Da durch die Ökologisierung der Wirtschaft neue
Arbeitsplätze entstehen bzw. bestehende Arbeitsplätze ersetzt werden, müssen
die Arbeitskräfte neu geschult werden, und dies könnte auch Regelungen zum Schutz
der Interessen der Arbeitnehmer umfassen, die sozialen Schutz gewährleisten,
informelle Arbeit formalisieren und beispielsweise auf die Arbeit der
Internationalen Arbeitsorganisation zur Gewährleistung eines gerechten
Übergangs aufbauen. Darüber hinaus sind Berufsbildungsprogramme für Jugendliche
unverzichtbar. Diese sollten durch spezielle Schulungen für einen
möglichst reibungslosen Übergang von der Schule zum Beruf sorgen und darauf
hinwirken, dass nationale Unterrichtspläne in der Sekundarstufe auch
Umweltwissen umfassen.
4.4.
Bessere Governance
Eine bessere und effizientere globale
Governance ist erforderlich, um die globale Aktion zur Verwirklichung einer
umweltverträglicheren, nachhaltigeren Wirtschaft und zur Armutsbekämpfung zu
beschleunigen. Dies sollte allen Beteiligten die Möglichkeit bieten,
mitzuwirken und einen Beitrag zu leisten. Auch die UN hat mehrere Möglichkeiten, die Governance
im Bereich der nachhaltigen Entwicklung zu verbessern. Eine dieser
Möglichkeiten besteht darin, die Rolle des Wirtschafts- und Sozialrats der
Vereinten Nationen (ECOSOC) bei der nachhaltigen Entwicklung zu stärken und
jeder der Säulen Wirtschaft, Soziales und Umwelt das gleiche Gewicht zu geben.
Eine Alternative bestünde darin, die UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung
zu einem ständigen Gremium mit erweitertem Aufgabenbereich zu machen. Derartige
Anstrengungen sollten verstärkt werden, um sicherzustellen, dass alle
maßgeblichen UN-Einrichtungen deutlich mehr Gewicht auf nachhaltige Entwicklung
legen. In einigen Fällen können Verbesserungen sogar im Rahmen des derzeitigen
Mandats erreicht werden. Nach den Empfehlungen des
Nairobi-Helsinki-Prozesses des UNEP zur Stärkung der internationalen
Umwelt-Governance muss das UNEP selbst gestärkt werden. Das kann auf verschiedene
Arten geschehen: i) Stärkung des UNEP im Rahmen des laufenden Mandats; ii)
Stärkung des UNEP durch neue Aufgaben und Zuständigkeiten; iii) Schaffung einer
globalen multilateralen Umweltorganisation, beispielsweise durch Umwandlung des
UNEP in eine Sonderagentur der Vereinten Nationen (wie die Internationale
Arbeitsorganisation). Die letztgenannte Möglichkeit, die mit der Annahme eines
rechtsverbindlichen Vertrags einherginge, dürfte der meistversprechende Weg zur
Verbesserung der internationalen Umwelt-Governance und zu Fortschritten bei
einer weltweit nachhaltigen Entwicklung sein. Gleichzeitig ist offensichtlich,
dass alle Möglichkeiten Vor- und Nachteile haben und weiter erörtert werden
müssen. Als Teil der Verbesserung der internationalen
Umwelt-Governance muss das System der multilateralen Umweltvereinbarungen
schneller harmonisiert und ausgebaut werden. Es ist möglich, die Verwaltung der
multilateralen Umweltvereinbarungen erheblich zu straffen und Überschneidungen
zu reduzieren, ohne die Eigenständigkeit jeder Vereinbarung anzutasten. So
entstünde eine bessere Plattform, die eine kohärente, fokussierte politische
Aufsicht und Führung ermöglicht und günstige Voraussetzungen für
umweltverträgliches Wachstum weiter fördert. Die UN muss mehr für den Aufbau ihrer
Verwaltungskapazitäten im Umweltbereich tun, indem
u. a. in den UN-Länderteams das Umweltfachwissen verbessert, diese für
eine umweltgerechte Wirtschaft sensibilisiert werden und so diese Thematik in
die Länderprogramme einfließt; außerdem ist die Bandbreite des in den
UN-Regionalbüros vorhandenen Fachwissens zu erweitern und ein systemweiter
Rahmen für den Aufbau von Kapazitäten für die Durchführung multilateraler
Entwicklungsvereinbarungen zu schaffen. Außerdem sollten die Kapazitäten für
die Überwachung der globalen Umwelt gestärkt werden. Da Unternehmen der Motor der Wirtschaft sind,
muss Rio+20 für ein stärkeres Engagement des Privatsektors sorgen.
Den Unternehmen und der Zivilgesellschaft fallen innerhalb der verschiedenen in
dieser Mitteilung vorgeschlagenen Partnerschaften und Systeme
wichtige Aufgaben zu, beispielsweise in den Bereichen Wasser, Energie,
Nahrungsmittel, Wälder und Finanzierung.
5.
Blick in die Zukunft
Zwar wurden seit dem Gipfel in Rio de Janeiro
1992 in einigen Bereichen Fortschritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen
Entwicklung erzielt, doch werden wir noch immer mit erheblichen ökologischen,
wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen konfrontiert. Diese Mitteilung
enthält die ersten Vorstellungen der Kommission als Teil der Vorarbeiten für
Rio+20. Rio+20 ist eine
wichtige Gelegenheit, die nachhaltige Entwicklung weltweit voranzutreiben. Die
Konferenz darf sich jedoch nicht auf Willensbekundungen beschränken; vielmehr
sind konkrete Maßnahmen notwendig, die gewährleisten, dass Rio+20 eine wichtige
Etappe bei der Ökologisierung der Wirtschaft und der Verbesserung der
Governance ist. Die EU ist bereit, mit allen Ländern und Akteuren zu erörtern,
wie diese Agenda im Vorfeld von Rio+20 weiter zu gestalten ist. Alle Länder und
Akteure müssen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse von
Rio+20 unseren globalen Herausforderungen angemessen sind. Gemeinsam müssen wir
dafür sorgen, dass konkrete, wirksame Maßnahmen getroffen werden, die weltweit
echte Resultate bewirken. Anhang Die
Strategie Europa 2020: Zielvorgaben und Leitinitiativen Kernziele (1) 75 % der Bevölkerung im Alter von 20
bis 64 Jahren sollten in Arbeit stehen; (2) 3 % des BIP der EU sollten für FuE
aufgewendet werden; (3) die „20-20-20“-Klimaschutz-/Energieziele
(20 % weniger Treibhausgasemissionen, 20 %-iger Anteil von
erneuerbaren Energien, 20 % mehr Energieeffizienz) sollten erreicht werden
(einschließlich einer Erhöhung des Emissionsreduktionsziels auf 30 %,
falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind); (4) der Anteil der Schulabbrecher sollte auf
unter 10 % abgesenkt werden, und mindestens 40 % der jüngeren
Generation sollten einen Hochschulabschluss haben; (5) die Zahl der armutsgefährdeten Personen
sollte um 20 Millionen sinken. Leitinitiativen (1) „Innovationsunion”, um die Rahmenbedingungen und den Zugang zu Finanzmitteln für
Forschung und Innovation zu verbessern und auf diese Weise sicherzustellen,
dass innovative Ideen in wachstums- und beschäftigungswirksame Produkte und
Dienstleistungen umgesetzt werden können; (2) „Jugend in Bewegung”, um unsere Bildungssysteme leistungsfähiger zu machen und den
Jugendlichen den Eintritt in den Arbeitsmarkt zu erleichtern; (3) „Digitale Agenda für Europa”, um den Ausbau schneller Internet-Zugangsdienste zu beschleunigen und
die Vorteile eines digitalen Binnenmarktes für Haushalte und Unternehmen zu
nutzen; (4) „Ressourcenschonendes Europa“, um das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abzukoppeln, den
Übergang zu einer emissionsarmen Wirtschaft zu unterstützen, die Nutzung
erneuerbarer Energieträger und die Energieeffizienz zu fördern sowie unser
Verkehrswesen zu modernisieren; (5) „Industriepolitik im Zeitalter der
Globalisierung”, um die Rahmenbedingungen für
Unternehmen, insbesondere für KMU, zu verbessern und eine international
wettbewerbsfähige, starke und tragfähige Industriestruktur zu fördern; (6) „Agenda für neue Kompetenzen und
neue Beschäftigungsmöglichkeiten“, um die
Arbeitsmärkte zu modernisieren, den Menschen durch den lebenslangen Erwerb von
Qualifikationen neue Möglichkeiten zu eröffnen und so die Erwerbsquote zu
erhöhen sowie Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt u. a. durch
Arbeitsmobilität besser aufeinander abzustimmen; (7) „Europäische Plattform zur
Bekämpfung der Armut“, um den sozialen und
territorialen Zusammenhalt zu gewährleisten, damit die Vorteile von Wachstum
und Beschäftigung allen zugute kommen, und Menschen, die unter Armut und
sozialer Ausgrenzung leiden, in Würde leben und sich aktiv am gesellschaftlichen
Leben beteiligen können. [1] www.uncsd2012.org [2] http://ec.europa.eu/environment/consultations/un_2012.htm. [3] The Economics of Ecosystems and Biodiversity for Business
– "TEEB for Business"