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Document 52004AE1440

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“(KOM(2004) 327 endg.)

ABl. C 120 vom 20.5.2005, p. 103–110 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

20.5.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 120/103


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“

(KOM(2004) 327 endg.)

(2005/C 120/18)

Die Europäische Kommission beschloss am 30. April 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 8. September 2004 an. Berichterstatter war Herr LEVAUX.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 412. Plenartagung am 27./28. Oktober 2004 (Sitzung vom 27. Oktober) mit 96 gegen 2 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Die Kommission hat am 30. April 2004 ein Grünbuch über öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) veröffentlicht, um eine Diskussion über die Anwendung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften auf Konzessionen/ÖPP anzustoßen.

1.2

Der EWSA hatte in seiner Initiativstellungnahme vom Oktober 2000 (1) Empfehlungen abgegeben, die nach wie vor Bestand haben. ÖPP haben zunehmende Verbreitung gefunden und sind für Europa vor dem Hintergrund der Erweiterung und nach der Verabschiedung der neuen Richtlinien (2) vom 30. April 2004 weiterhin ein strategisch wichtiges Thema.

1.3

Mittlerweile gibt es auch Erfahrungen mit ÖPP-Projekten in einer Reihe von Ländern. Diese Erfahrungen sind gemischt. Eine systematische Auswertung der Erfahrungen hinsichtlich verschiedener Kriterien wie zum Beispiel Kosten, Zugang zu den Leistungen, Qualität der Leistungen, Auswirkung auf die Beschäftigungsverhältnisse etc. wäre daher anzuraten. Insbesondere wäre zu untersuchen, ob und wie ÖPP für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Europas gegenüber der übrigen Welt beitragen können und welche Vor- bzw. Nachteile sie gegenüber traditionellen Formen der Erbringung dieser Leistungen aufweisen.

2.   Die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und die ÖPP-Projekte haben sich in Europa weit entwickelt

2.1

Sämtliche europäischen Länder nutzen ÖPP und Konzessionen oder haben dies in der Vergangenheit getan. Aber der Kommission ist es bisher nicht gelungen, eine Bestandsaufnahme zu machen. Die EIB verfügt über Teilstatistiken zu etwa hundert Projekten. Es sollte nicht vergessen werden, dass das „erste Europa“ — das römische Reich — bereits vor zweitausend Jahren ein Konzessionssystem kannte. Im 19. Jahrhundert wurde das europäische Schienennetz über Konzessionsverträge aufgebaut. Derartige Konzessionsverträge waren nicht nur im Eisenbahnwesen, sondern auch bei kommunalen öffentlichen Dienstleistungen wie Wasser, Gas, Strom, Müllabfuhr, Telefon usw. weit verbreitet.

2.2

Bereits seit langem werden überall auf der Welt Globalverträge abgeschlossen, um nicht nur Autobahnen und Parkflächen, sondern auch Wasserversorgungsnetze, Museen, Flughäfen, Straßen- und U-Bahnen, städtebauliche Projekte oder die Gesamtrenovierung von Schulen und Krankenhäusern usw. über einen bestimmten Zeitraum hinweg zu finanzieren, zu planen, zu realisieren und zu betreiben.

2.3   Verschiedene Länder haben neue Rechtsvorschriften für ÖPP erlassen. Die nachstehenden Ausführungen beschränken sich auf die Beobachtungen, die in einer begrenzten Zahl von Ländern gemacht wurden, nämlich Italien, Spanien, Großbritannien und Frankreich.

2.3.1   Italien

2.3.1.1

Im Rahmengesetz von 1994 (Merloni-Gesetz) wird die Bau- und Betriebskonzession definiert. Diese Konzessionsform ist dadurch gekennzeichnet, dass der Konzessionär die Arbeiten mit eigenen Mitteln durchführt und sein Geld über die wirtschaftliche Nutzung des fertiggestellten Projekts zurückholt (Gesetz Nr. 109/94 Artikel 19 Absatz 2) (3).

Ziel des Aufholprogramms im Infrastrukturbereich ist die Realisierung von 220 Projekten, die als strategisch wichtig eingestuft sind:

die Investitionen für den Zeitraum 2002-2011 werden mit 125 Mrd. Euro veranschlagt;

die eine Hälfte wird vom Staat aufgebracht, die andere von privaten Geldgebern.

Mit dem Gesetz wurde ein geeigneter Rechtsrahmen geschaffen: Generalunternehmer, Konzessionär, Verpachtung und Bauträger.

Um Verspätungen bei der Übergabe zur vermeiden und eine effiziente Bauausführung zu gewährleisten, wird in einem neuen Gesetz von 2001 ein „Generalunternehmer“ vorgesehen, der die betreffende Infrastruktur schlüsselfertig übergibt und unterhält. Er muss die Arbeiten außerdem auch vorfinanzieren.

2.3.1.2   Der Konzessionär

Die Bau- und Betriebskonzession ist die Alternative zum Generalunternehmerkonzept: Wenn die erforderlichen Finanzressourcen fehlen, wird im Allgemeinen dieses Instrument gewählt, das auf der vollständigen oder teilweisen Finanzierung durch die Nutzer basiert, da bei der „Generalunternehmer“-Lösung die öffentliche Hand die Gelder in Tranchen verfügbar machen muss.

2.3.1.3   Die Verpachtung bzw. die Vergabe des Betriebs

Konzessionen werden auch verwendet, um den Betrieb von bestehenden Einrichtungen wie Krankenhäusern, Schulen oder Gefängnissen an private Unternehmen zu vergeben. Einer entsprechenden Empfehlung des Finanzministeriums zufolge soll es dadurch der Verwaltung ermöglicht werden, sich wieder auf ihre wesentlichen Aufgaben zu konzentrieren und von den Innovationen des privaten Sektors zu profitieren.

2.3.1.4   Der Bauträgervertrag

Im Rahmen der Dreijahresplanung für die Investitionen der verschiedenen staatlichen Stellen kann jeder, der das möchte, einen Vorschlag für die Realisierung eines Projekts einreichen. Die Verwaltung entscheidet dann, ob das vorgeschlagene Projekt realisiert werden soll oder nicht; entscheidet sie sich für die Realisierung des Projekts, wird ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt. Der Bauträger hat ein Vorkaufsrecht und fasst den Vertrag ab.

In Italien ist eine starke Entwicklung der Bauträgeroption zu beobachten:

in dreieinhalb Jahren (Januar 2000 — Juni 2003) wurden 1 163 Projekte vorgelegt, davon

660 von Bauträgern (Konzessionen auf Privatinitiative, allein 302 im Jahr 2003!) und

503 Konzessionen auf öffentliche Initiative.

2.3.2   Spanien

2.3.2.1

In Spanien ist der Konzessionsvertrag für öffentliche Bauaufträge in dem Gesetz Nr. 13/2003 vom 23. Mai 2003 geregelt. Mit diesem Gesetz wurde das Gesetz über Aufträge der öffentlichen Hand geändert, dessen geänderte Fassung durch Königliches Gesetzesdekret Nr. 2/2000 vom 16. Juni 2000 angenommen wurde. Dabei wurde in die Vorschriften über die verschiedenen Arten von Verträgen mit den Verwaltungen ein neuer Titel „Konzessionsvertrag für öffentliche Bauaufträge“ aufgenommen, der die Rechtsvorschriften für solche Verträge enthält, die jetzt bereits üblich sind. In diesem Titel werden die Besonderheiten solcher Verträge und die Tradition des spanischen Rechts beachtet.

2.3.2.2

In der neuen Beschreibung der Konzession sind für diese Vertragsart vier grundlegende Begriffe enthalten: „öffentlicher Bauauftrag“, „Konzessionsrisiko“, „wirtschaftliches Gleichgewicht der Konzession“ und „Diversifizierung der Finanzierung“.

2.3.3   Großbritannien

2.3.3.1

In den Jahren 1993-1994 hat die Regierung im großen Stil öffentliche Dienstleistungen und Bauarbeiten als „Private Finance Initiatives“ (PFI) delegiert. Hierbei wird einem Privatunternehmen ein globaler Auftrag für eine bestimmte öffentliche Einrichtung übertragen, der sich auf das Komplettpaket Planung-Finanzierung-Bau-Betrieb-Unterhalt erstreckt. Seit der Einführung dieser PFI wurde(n):

mehr als 650 ÖPP-Projekte gestartet, davon 45 für Krankenhäuser und mehr als 200 für Schulen;

für 400 Projekte die Durchführung eingeleitet;

48 Milliarden Pfund (60 Mrd. Euro) gebunden;

ein Programm für die nächsten Jahre ins Auge gefasst;

jährlich etwa 12 % der für Investitionen vorgesehenen nationalen Haushaltsmittel eingesetzt.

2.3.3.2

Das britische Finanzministerium führt als Argument für die PFI ins Feld, dass der Privatsektor auch wirklich das Risiko tragen und der öffentliche Sektor die Leistungen durch die Anwendung des „Best Value for Money“-Grundsatzes möglichst kostengünstig erhalten muss; hierdurch soll die Optimierung der Nutzungskosten erreicht werden, da der Bauträger selbst für den Betrieb der Einrichtung zuständig ist und dadurch größtes Interesse daran hat, eine qualitativ hochwertige Einrichtung mit möglichst niedrigen Betriebskosten und einer möglichst langen Lebensdauer zu planen und zu errichten.

2.3.3.3

Die derzeitigen Verträge erstrecken sich auf sämtliche Bereiche: Wasser, Kanalisation, öffentlicher Verkehr, militärische Anlagen, Krankenhäuser, Schulen, öffentliche Gebäude, Straßen und Autobahnen usw.

2.3.3.4

Aufgrund der großen Zahl von ÖPP-Projekten im Vereinigten Königreich gibt es dort auch umfangreiche Erfahrungen, die durchaus gemischt sind. Es sollte eine systematische Analyse und Bewertung dieser Erfahrungen vorgenommen und für weitere Entwicklungen genutzt werden.

2.3.4   Frankreich

2.3.4.1

Im sogenannten Sapin-Gesetz vom 29. Januar 1993 wurde das Vergaberecht für nutzerfinanzierte Konzessionsverträge geregelt, die in folgenden Bereichen weit verbreitet sind:

kommunale Dienstleistungen wie Wasserversorgung, Müllabfuhr und Straßenreinigung, öffentlicher Verkehr usw.

große Infrastrukturvorhaben wie Autobahnen, Brücken, große Stadien, Tunnel usw.

2.3.4.2

Die von der öffentlichen Hand finanzierten ÖPP-Verträge sind in Frankreich auf dem Vormarsch.

2.3.4.2.1

Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 5. Januar 1988 gibt es in Frankreich langfristige, von der öffentlichen Hand finanzierte Pachtverträge, die sogenannten „baux emphytéotiques administratifs“. Derartige Verträge werden für öffentliche Gebäude — insbesondere Bildungseinrichtungen — geschlossen als eine Variante des Leasing, das der französische Staat ebenfalls nutzt (4). Darüber hinaus stehen dem Staat im Bereich Gebäude und Infrastrukturen mittlerweile Mietverträge mit Kaufoption zur Verfügung (Gesetz vom August 2002 für die Polizei und Gesetz von Anfang 2003 für das Militär).

2.3.4.2.2

In dem Gesetz vom 2. Juli 2003 schließlich wurde der Erlass von Verordnungen für langfristige Verträge vorgesehen, die sich auf die Planung, die Finanzierung und den Betrieb aus Mitteln der öffentlichen Hand erstrecken. Eine erste Verordnung für den Krankenhaussektor wurde im September 2003 veröffentlicht, eine zweite wurde für den französischen Staat und die Kommunalbehörden verabschiedet. Es handelt sich um die Verordnung über die Partnerschaftsverträge vom 17. Juni 2004 (5).

2.3.5   Deutschland

2.3.5.1

In Deutschland existiert wie in den anderen Mitgliedstaaten ein detailliertes Vergaberecht für öffentliche Aufträge (Bauaufträge), bei dem sich öffentliche und private Unternehmen ebenso wie ÖPP diskriminierungsfrei beteiligen können.

2.3.5.2

Davon prinzipiell zu unterscheiden ist das Verfahren zur Sicherstellung der Dienstleistung im Rahmen der Daseinsvorsorge. Die Kommunen wählen in Deutschland in vielen Fällen öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP), um derartige Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse (DAWI) beispielsweise in der Ver- und Entsorgung zu erfüllen, also in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser und Entsorgung. Dieses geschieht in allen möglichen Vertragsformen. Neben weit verbreiteten Dienstleistungskonzessionen existieren öffentliche Aufträge, z.B. zur Stromversorgung, ebenso wie auch institutionalisierte ÖPP in den Kommunen. Diese ÖPP sind ein Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der Region und zur regionalen Wirtschaft.

2.3.5.3

Derartige ÖPP basieren auf der grundgesetzlich gesicherten Befugnis der Kommunen, Art und Organisation der Erbringung von DAWI in ihrem Gebiet im Rahmen von Konzessionen frei zu entscheiden. Sie haben die Wahlfreiheit, eigene Unternehmen zu gründen, mit geeigneten Partnern ÖPP durchzuführen oder die DAWI an Private zu vergeben. Derartige ÖPP unterliegen nicht dem Vergaberecht.

2.4   Bemerkungen zum Bauträgervertrag

2.4.1

Dieses Konzept, das aus dem traditionellen europäischen Konzessionssystem hervorgegangen ist, findet in Europa immer weitere Verbreitung. Es stellt sich die Frage, ob ein harmonisierter Rahmen notwendig ist oder nicht und ob es im Gemeinschaftsrecht verankert werden soll.

2.4.2

Nach Italien, wo die diesbezüglichen Rechtsvorschriften sehr detailliert sind, wurde diese Vertragsform von Frankreich und Spanien übernommen. In Italien führt die zuständige Behörde ein Ausschreibungsverfahren durch, das sich auf den vorläufigen — ggf. von der Behörde entsprechend abgeänderten — Vorschlag des Bauträgers und seinen Finanzierungsplan stützt (vorgeschlagene Dauer, erforderliche Nutzungsgebühren usw.).

2.4.3

Nach dem Verhandlungsverfahren vergibt die Behörde die Konzession entweder an den Bauträger oder an einen der mindestfordernden Bieter aus dem Ausschreibungsverfahren. Der Bauträger und die Bieter müssen eine Garantie in Höhe von 2,5 % des Gesamtinvestitionswerts stellen.

2.4.4

Wenn die Behörde den Auftrag nicht dem Bauträger erteilt, erhält dieser die Garantiesumme des erfolgreichen Bieters zur Deckung seiner Ausgaben, einschließlich geistiger Eigentumsrechte. Wird der Auftrag dem Bauträger erteilt, geht seine Garantiesumme von 2,5 % an die beiden nächsten Bieter (60 % an den niedrigsten und 40 % an den zweitniedrigsten).

2.4.5

Ebenso wie in Artikel 19 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge die Möglichkeit vorgesehen ist, bestimmte Aufträge Einrichtungen vorzubehalten, deren Arbeitnehmer mehrheitlich Behinderte sind, sollte nach Ansicht des Ausschusses bei der Umsetzung dieser Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft die Berücksichtigung bestimmter sozialer Kriterien durch den Bauträger bzw. eine der Vertragsparteien diesem bzw. dieser zum Vorteil gereichen.

2.5   Länder, in denen ÖPP und Konzessionen nur schwach entwickelt sind. Die nachstehenden Ausführungen beschränken sich auf die Beobachtungen, die in einer begrenzten Zahl von Ländern gemacht wurden.

2.5.1   Belgien

2.5.1.1

Die Konzession ist in den Artikeln 24 und 25 des Gesetzes vom 24. Dezember 1993 sowie Artikel 123 ff. des Königlichen Erlasses vom 8. Januar 1996 (6) geregelt. Neben der Ausführung und eventuellen Planung der Arbeiten ist in diesen Artikeln der Betrieb der Einrichtung durch den Konzessionär vorgesehen. Der Bauträgervertrag hingegen scheint im belgischen Recht nicht sonderlich weit entwickelt zu sein.

2.5.1.2

Der Bauträgervertrag (7) ist dadurch gekennzeichnet, dass die Finanzierung, Durchführung und mitunter auch Planung eines Bauprojekts in einer Hand liegt und der fertiggestellte Bau von der Vergabestelle gegen Entgelt in Form von Miete genutzt wird (8).

2.5.2   Portugal

2.5.2.1

Portugal hat zur Verbesserung seines Straßenverkehrsnetzes den SCUT-Vertrag eingeführt, eine Form der Übertragung öffentlicher Aufgaben, bei der ein privater Bauunternehmer eine öffentliche Gebühr erheben kann. Der SCUT-Vertrag ähnelt dem System der sogenannten „Shadow Toll“ bzw. der virtuellen Maut, die im britischen Straßenverkehrsnetz verwendet wird. Die Ausschreibungsverfahren für diese SCUT-Verträge wurden 1997 durchgeführt. Gegenwärtig wird diese Vertragsform anscheinend weniger häufig verwendet.

2.5.3   Ungarn

2.5.3.1

Es gibt kein spezifisches Gesetz zur Regelung von ÖPP-Projekten, die Bestimmungen zu den finanziellen Verpflichtungen des Staates sind jedoch im Erlass Nr. 2098/2003 (V29) festgelegt.

2.5.3.2

1997 hat das Land ein Partnerschaftsprogramm mit dem Privatsektor zur Entwicklung von Industrieparks gestartet, deren Zahl sich Anfang 2004 auf 165 belief.

3.   Wie sind die Konzession und die ÖPP zu definieren?

3.1

Im Gemeinschaftsrecht ist es nicht gelungen, eine wirklichkeitsnahe und sinnvolle Definition für ÖPP und Konzessionen festzulegen. Begriffsbestimmungen für ÖPP und öffentliche Bau- und Dienstleistungskonzessionen sind im Gemeinschaftsrecht entweder überhaupt nicht vorhanden oder bieten Anlass zu Kritik. An der gegenwärtigen Definition wird Folgendes kritisiert:

Konzessionen sind an Bauaufträge gebunden (Ziffer 3.1.1);

es fehlt die Unterscheidung zwischen langfristigen und kurzfristigen Verträgen, die die Trennlinie für die verwaltungsexterne Finanzierung und somit die Grundlage für die Übertragung von Aufgaben bildet (Ziffer 3.1.2);

eigene Vorschläge des privaten Sektors für Konzessionen bleiben unberücksichtigt (Ziffer 3.1.3).

3.1.1   Die Bindung von ÖPP und Konzessionen an Bauaufträge

3.1.1.1

Die Frage der Konzessionen ist im Gemeinschaftsrecht zum einen in den Grundsätzen und Bestimmungen des Vertrages und zum andern in den Richtlinien zur Umsetzung dieser Grundsätze geregelt.

3.1.1.2

Die Richtlinien der Union dienen dem Zweck, die Transparenz des Wettbewerbs für das ganze weite Feld der öffentlichen Aufträge sicherzustellen, und ihr Geltungsbereich ist mitunter etwas unklar, wenn es sich um komplexe Konzessions- oder ÖPP-Verträge handelt.

3.1.1.3

Nur in der Richtlinie 93/37/EWG (9) zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge wurden in Artikel 1 Buchstabe d) öffentliche Baukonzessionen definiert, allerdings leider unter Zugrundelegung einfacher öffentlicher Bauaufträge (10). Die Richtlinie 92/50/EWG  (11) über öffentliche Dienstleistungsaufträge enthielt keine Definition der Konzession. In der Richtlinie 93/38/EWG  (12) schließlich wurde das Thema Definition bzw. Vergabe von Konzessionen nicht behandelt, sondern lediglich die Vergabe sämtlicher Aufträge in speziellen Sektoren geregelt, wodurch sie an die Stelle der anderen Richtlinien trat. Der EWSA bemängelt diese wirklichkeitsfremde Vorgehensweise, bei der Wichtiges ausgeklammert wurde und die in den Richtlinien 2004/17 und 2004/18 (13) bedauerlicherweise beibehalten wurde.

3.1.1.4

Die Kommission, der die zunehmende Verbreitung von ÖPP bewusst war, veröffentlichte im April 2000 eine Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht  (14). Mit dieser Mitteilung sollte die grundlegende Rechtsunsicherheit ausgeräumt werden, die dadurch entsteht, dass die Richtlinien über öffentliche Aufträge keine genauen Definitionen für Konzessionen und ÖPP enthalten. Hierbei ist zu bedenken, dass ÖPP und Konzessionen in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften gegenwärtig sehr unterschiedlich behandelt werden.

3.1.1.5

Der EWSA vertritt den Standpunkt, dass es an Definitionen für Konzessionen und ÖPP-Verträgen bzw. Verträgen zur Übertragung von Aufgaben fehlt, aus denen ihre Bedeutung und ihr Geltungsbereich klar hervorgeht. Die Konzession und die Aufgabenübertragung im weiteren Sinne können nicht auf ein einziges Kriterium — das Risiko oder die Bezahlung — verkürzt werden, wie dies zunächst in der Richtlinie 93/37/EWG und dann in der Mitteilung zu Auslegungsfragen versucht wurde, sondern sind durch eine ganze Reihe verschiedener Elemente bestimmt.

3.1.1.6   Wie kann eine Konzession oder eine ÖPP genauer definiert werden?

3.1.1.6.1

Der Vertrag bzw. der einseitige Akt, mit dem eine Behörde einem externen Unternehmen für einen langen und festgelegten Zeitraum spezifische Rechte in Bezug auf Planung, Bau, Finanzierung, Unterhalt und Betrieb einer Infrastruktur oder die Bereitstellung einer Dienstleistung überträgt:

ist als Konzession zu bezeichnen, wenn die Vergütung des Unternehmens größtenteils von den Nutzern aufgebracht wird;

ist als öffentlich-private Partnerschaft zu bezeichnen, wenn die Vergütung größtenteils von der öffentlichen Hand aufgebracht wird.

3.1.1.6.2

Aus diesen Definitionen sind zwei Kriterien für derartige Vertragsformen abzuleiten, die erfüllt sein müssen:

die Übertragung der Verantwortung von der Behörde auf den Auftragnehmer;

das Konzept eines globalen Vertrags, der zahlreiche Funktionen (Bau, Finanzierung, Nutzung, Unterhalt usw.) über einen langen Zeitraum abdeckt (durchschnittliche Dauer zwischen 10 und 75 Jahren).

3.1.1.6.3

Nach Ansicht des Ausschusses besteht daher kein Grund, den (Konzessions-)Vertrag — wie dies in der Mitteilung zu Auslegungsfragen aus dem Jahr 2000 geschehen ist — einzig und allein an der Übernahme des Nutzungsrisikos festzumachen, da dies eine zu verengte und verkürzte Betrachtungsweise dieser Vertragsform wäre.

3.1.2   Die notwendige Unterscheidung zwischen kurz- und langfristigen Verträgen

3.1.2.1

Nach der Veröffentlichung des Grünbuchs der Europäischen Kommission im November 1996 (15) nahm der EWSA am 28. Mai 1997 (16) eine Stellungnahme an, in der er die Kommission ersuchte, ihren Ansatz in Bezug auf Konzessionen zu überdenken und diese stärker von der Definition des Bauauftrags abzukoppeln: „Die Frage der Konzessionen sollte ebenfalls eingehend geprüft werden, wobei von der Grundvoraussetzung auszugehen ist, dass ihre Erteilung transparent und anhand objektiver Kriterien erfolgen muss. Zwischen einer Konzession und einem Auftrag bestehen grundlegende Unterschiede, die den Gegenstand und die Dauer der Vereinbarung, die Finanzierungsbedingungen, die Art der Abwicklung und den Umfang der Haftung betreffen. Um die Verbreitung derartiger Verträge — insbesondere im Hinblick auf die transeuropäischen Netze — zu fördern, könnte die Europäische Kommission die Entwicklung eines speziellen Rechtsinstruments prüfen, in dem die Regeln für ihre Erfüllung verankert würden  (17).“

3.1.2.2

Der EWSA hält es für notwendig, bei der Definition der Verträge und ihrer Klassifizierung deren spezielle Funktion zu berücksichtigen.

3.1.2.3

Ein Konzessions- oder ÖPP-Vertrag kann nicht einfach — ohne Erwähnung der Vertragsdauer — durch die Übertragung des Nutzungsrisikos definiert werden, da bei einem derartigen Vertrag vor allem die Zuständigkeit für Planung, Errichtung/Schaffung, Finanzierung, Betrieb/Management und Unterhalt/Bereithaltung eines Bauwerks bzw. einer Dienstleistung auf den ausgewählten Bewerber übertragen wird.

3.1.3

Im Zusammenhang mit den bereits erwähnten Bauträgerverträgen haben mehrere Länder spezifische Rechtsvorschriften geschaffen, die es privaten Akteuren ermöglichen, den zuständigen Behörden Vorschläge für Projekte zu unterbreiten. Diese in Italien bereits gängige Praxis sollte auch in anderen Mitgliedstaaten gefördert werden, in denen es noch keine vergleichbaren Verfahrensweisen gibt.

3.2   Aus der unterschiedlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts ergeben sich rechtliche Unterschiede

3.2.1

Da die öffentlichen Vertragskonzepte in Europa unterschiedlich gehandhabt werden, gilt ein Vertrag in einem Land als öffentlicher Bau- oder Dienstleistungsauftrag, in einem anderen hingegen als Konzession. Für ein- und denselben Vertrag gelten somit in Abhängigkeit von dem jeweiligen Land zwei verschiedene Vergaberegelungen. Das Vereinigte Königreich, das für die Klassifizierung der Verträge weniger sensibel ist als Länder mit einer römischen Rechtstradition und einem ausgeprägten Verwaltungsrecht, hat die ÖPP stets als einfache öffentliche Aufträge behandelt, obwohl es sie ebenso gut als Baukonzessionen hätte einstufen können.

3.2.2

Die Tatsache, dass in mehreren Mitgliedstaaten ein spezifisches ÖPP-Recht entsteht, zeigt, dass es sich hierbei um Sonderformen von Verträgen auf der Grenzlinie zwischen der öffentlichen Leistungserbringung und der vertraglichen Vergabe handelt, was es schwierig macht, von vornherein Regelungen festzulegen.

3.3   Kann sich das Gemeinschaftsrecht darauf beschränken, Verträge lediglich unter dem Blickwinkel ihrer Vergabe zu klassifizieren, ohne die Übertragung öffentlicher Aufgaben im institutionellen Sinne zu behandeln? Ist die Regelung der Vertragsvergabe an sich so wichtig?

3.3.1

Der Geltungsbereich der Richtlinien geht deutlich über die Harmonisierung der Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge hinaus. Die in diesen Richtlinien enthaltenen Definitionen wurden auch im Recht verschiedener Mitgliedstaaten vollständig übernommen und haben in mehreren europäischen Ländern zu einheitlichen Vertragskonzepten geführt.

3.3.2

In den Richtlinien 2004/17 und 2004/18 wird jedoch die rechtliche Regelung nationaler Verträge dem jeweiligen nationalen Recht überlassen, das die Modalitäten für die Erfüllung dieser Verträge festlegt. Es stellt sich daher die Frage, welcher Platz dem Privatsektor im Rahmen der öffentlichen Verwaltung eingeräumt wird.

3.4   Die Normenhierarchie misst auf der Grundlage der marktwirtschaftlichen Ordnung den Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Wahrung der sozialen Belange einen besonderen Stellenwert bei.

3.4.1

Der EWSA unterstreicht:

dass entsprechend der vom Rat beschlossenen künftigen Verfassung die angestrebten Ziele eine nachhaltige Entwicklung auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität sowie einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft umfassen, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Schutz sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität abzielt;

dass ÖPP, wenn sie eingesetzt werden, zur Erreichung der Ziele der Union beitragen müssen;

dass der Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft zusammen mit dem Ziel eines starken, die soziale Dimension Europas (Bildung, Ausbildung, Beschäftigung usw.) berücksichtigenden Wachstums durch die Lissabon-Strategie bekräftigt wurde.

3.4.2

Die zuständige Behörde muss zwar bei Verwirklichung des Ziels einer offenen Marktwirtschaft das Subsidiaritätsprinzip einhalten, jedoch auch die Wettbewerbsmöglichkeiten des Marktes berücksichtigen und entscheiden, welches die sinnvollste Lösung ist.

3.4.3

Bei jeder vertraglichen Lösung für die Übertragung der öffentlichen Leistungserbringung muss die Einhaltung der Sozialnormen des betreffenden Landes und des im Vertrag festgelegten Leistungsniveaus sichergestellt werden. Für den Fall, dass diese Sozial- und Leistungsauflagen nicht erfüllt werden, müssen Kündigungsklauseln greifen.

4.   Vorschläge zur Verbesserung und Präzisierung der Rechtsvorschriften für ÖPP und Konzessionen

4.1

Zwecks Schaffung eines harmonisierten Rahmens auf europäischer Ebene hält es der Ausschuss für ratsam, die Entwicklung dieser Verträge mit einer oder mehreren Mitteilungen zu Auslegungsfragen zu begleiten, in der bzw. in denen dieses facettenreiche und komplexe Phänomen über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet wird, statt sofort eine Richtlinie vorzuschlagen, die sich sehr rasch als unzulänglich erweisen könnte.

4.2

Außerdem fordert der Ausschuss die Kommission auf, das Thema ÖPP umfassend zu behandeln und im Rahmen ihrer Mitteilungen (nach einer entsprechenden Erhebung in den Mitgliedstaaten) eine Liste von Kriterien zusammenzutragen, an die sich die Behörden im Hinblick auf die sozialen und ökologischen Aspekte halten könnten. Die Behörden könnten die bestehenden Rechtsvorschriften um diese Kriterien ergänzen und sie so zu Bedingungen für die Vertragserfüllung machen.

4.3

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die ÖPP:

ein flexibles und dynamisches Wirtschaftsinstrument sind, das als Katalysator für die Einbindung bestimmter wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Ziele, wie nachhaltige Entwicklung, Beschäftigung und gesellschaftliche Integration, dienen kann;

einen Austausch der spezifischen Vorzüge zwischen öffentlichen und privaten Partnern ermöglichen.

4.4

Die Richtlinie 2004/18/EG regelt verschiedene wichtige Fragen im Zusammenhang mit der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, die auch entsprechend auf ÖPP und Konzessionen Anwendung finden könnten, nämlich die Kriterien, den wettbewerblichen Dialog und die Vertraulichkeit der Angebote. In diesem Zusammenhang ist auf folgende Punkte hinzuweisen:

4.4.1   Der offene Ansatz für Konzessionen muss erhalten bleiben

4.4.1.1

Der offene Ansatz des Texts der Richtlinie 2004/18/EG muss erhalten bleiben, zumal nicht alle Mitgliedstaaten Konzessionsverfahren anwenden.

4.4.2   Für Konzessionen und ÖPP muss eine gemeinschaftsweit harmonisierte rechtliche Definition festgelegt werden

4.4.2.1

Die Definition dieser beiden Vertragsformen muss in den Mitgliedstaaten vereinheitlicht werden. Die vom EWSA vorgeschlagene Definition (vgl. Ziffer 3.1.1.6) ermöglicht es, den besonderen Platz hervorzuheben, den diese Verträge an der Grenzlinie zwischen der vertraglichen Vergabe und der öffentlichen Leistungserbringung einnehmen.

4.4.3   Innovation muss möglich sein

4.4.3.1

Die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für Baukonzessionen verpflichten den Konzessionsgeber nicht, in der Bekanntmachung anzugeben, ob er innovative Varianten akzeptiert.

4.4.3.2

Der EWSA hält es für wünschenswert, in den Vergabeverfahren für derartige Verträge Vorschläge für Varianten jeder Art einzuholen, um die Innovation zu fördern.

4.4.3.3

Ein für eine Konzession vorgesehener Bewerber kann möglicherweise eine originelle Lösung vorschlagen, die in technischer, finanzieller und kommerzieller Sicht erhebliche und wesentliche Innovationen bringen und für eine soziale und wirtschaftliche Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der betroffenen Konsumenten und Arbeitnehmer genutzt werden kann.

4.4.3.4

Dieser Anreiz für die Bewerber, in ein Vergabeverfahren kostspielige intellektuelle Leistung zu investieren, die derartige Innovationen ermöglicht, steht im Einklang mit dem Geist der Lissabon-Strategie. Außerdem muss verhindert werden, dass die originellen Lösungen, die das geistige Eigentum dieser Bewerber sind, den Konkurrenten zur Verfügung gestellt werden können. Dies ist eine Frage der Ethik und zugleich ein Anreiz für Innovation, der entsprechend dem neuen Verfahren, dem sog. „wettbewerblichen Dialog“ für ÖPP, in nationales Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollte.

4.4.4   Verhandlungsverfahren

4.4.4.1

Ein Angebot für einen Konzessionsvertrag muss zwar mit dem vom Konzessionsgeber festzulegenden Ziel für die Leistungserbringung übereinstimmen, aber hinsichtlich der Art und Weise, in der dieses Ziel verwirklicht wird — Planung des Bauprojekts, Unterteilung in Bauabschnitte, Eingehung technischer Risiken usw. — größtmögliche Freiheit genießen. Der EWSA schlägt vor, dass nach der Unterbreitung der Angebote eines oder mehrerer Bewerber der Konzessionsgeber in Dialog mit den potenziellen Konzessionsnehmern treten sollte, um auf der Grundlage der verschiedenen Optionen, die zur Erfüllung der Anforderungen der Behörde vorgeschlagen werden, die endgültige Fassung des Konzessions- oder ÖPP-Vertrags festzulegen. In der früheren Richtlinie 93/37 war das Verhandlungsverfahren Ausnahmefällen vorbehalten. Künftig gilt beim wettbewerblichen Dialog für so genannte komplexe Verträge der Verhandlungsgrundsatz.

4.4.4.2

Das festgelegte Verfahren des wettbewerblichen Dialogs sollte also:

deutlich machen, dass die Fälle, in denen dieses Verfahren eröffnet werden kann (Schwierigkeiten bei der Bewertung der Lösungsvorschläge aus der Privatwirtschaft oder des genauen Bedarfs oder der finanztechnischen Möglichkeiten) in einem sehr weitgefassten und liberalen Sinn zu verstehen sind;

bestätigen, dass jedes Unternehmen seinen eigenen Vorschlag unterbreiten kann und das geistige Eigentum jedes Bewerbers gewahrt wird.

4.4.4.3

Und schließlich muss darauf hingewiesen werden, dass zwischen der Behörde, die als Konzessionsgeber auftritt, und dem Konzessionsnehmer ein Vertrag geschlossen werden muss, in dem die Pflichten der Vertragsparteien nach dem Vorbild der im nationalen Recht der betreffenden Länder vorgesehenen Regelungen festgehalten sind.

4.4.5   Es müssen allgemeine Grundsätze festgelegt werden

4.4.5.1

Der Notwendigkeit eines geeigneten Rechtsrahmens für Konzessionen und ÖPP muss in der Praxis insbesondere durch die Festlegung von Grundsätzen für die Erfüllung von Konzessions- und ÖPP-Verträgen Rechnung getragen werden.

4.4.5.2

Die Möglichkeit, Partnerschaftsverträge abzuschließen, hängt entscheidend davon ab, ob ein Gleichgewicht zwischen den Vertragsparteien erzielt und über längere Zeit gewahrt werden kann.

4.4.5.3

Der EWSA schlägt vor, dass sich die Kommission in einer Mitteilung zu Auslegungsfragen für eine ausgewogene Aufteilung der Risiken zwischen Konzessionsgeber und Konzessionsnehmer ausspricht und es jedem einzelnen Mitgliedstaat überlässt, die geeigneten Mittel hierfür festzulegen und im Lauf der Zeit ggf. entsprechend anzupassen. Mit diesem Ziel vor Augen sollten in einer solchen Mitteilung folgende Grundsätze behandelt werden:

Die Risiken einer Infrastrukturkonzession oder einer ÖPP sollten festgehalten, quantifiziert und der Partei zugewiesen werden, die sie am besten tragen kann.

Im Falle eines besonderen Risikos z.B. Unwägbarkeiten, die zu einem Anstieg der Vertragskosten führen (unerwartete Änderung der öffentlichen Auflagen, unvorhersehbare technische Bedingungen bei der Bauausführung, kurzfristige Veränderungen im Verbraucherverhalten usw.) sind zwischen Konzessionsgeber und Konzessionsnehmer vorab entsprechende vertragliche Vereinbarungen zur Teilung des Risikos zu treffen.

Der Konzessionsnehmer hat eine entsprechende Entschädigung zu leisten, wenn er die Vertragsbestimmungen nicht einhält.

Der für die Finanzierung zuständige Konzessionsnehmer muss wie bei jedem privatrechtlichen Vertragsabschluss davon ausgehen können, dass trotz rechtlicher und steuerlicher Änderung auf der Ebene des Gesetzgebers nicht in geltende Verträge eingegriffen wird.

Eine unverzügliche Entschädigung des Auftragnehmers ist in den Fällen vorzusehen, in denen sich der Vertrag aufgrund einer neuen Forderung des Auftraggebers ändert, ohne dass die ursprünglichen Vertragsbedingungen geändert werden.

Der Konzessionsnehmer muss über eine ausreichende Flexibilität bei der Erfüllung der ihm vom Konzessionsgeber übertragenen Aufgabe verfügen, wobei sich der Konzessionsgeber die Zuständigkeit in sämtlichen Fragen des Hoheitsrechts und der öffentlichen Ordnung vorbehält.

4.4.5.4

Die Einführung des Konzessionssystems als Form der wirkungsvollen Verbindung von privatem Management und privater Finanzierung mit öffentlichen Investitionen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse erfordert, um erfolgreich zu sein, einen geeigneten, auf die besondere Struktur von Konzessionen abgestimmten Rechts- und Rechnungslegungsrahmen. Die hohen Investitionen und Ausgaben, die ein Privatunternehmen in den ersten Jahren zum Aufbau der Infrastruktur und zur Aufnahme des Dienstbetriebs zu tätigen hat, müssen über die gesamte Konzessionslaufzeit in Rechnungslegungsperioden eingeteilt werden können. In seiner jetzigen Form macht der Vorschlag zur Harmonisierung der Rechnungslegung auf europäischer Ebene ein Konzessionssystem unmöglich. Die Rechnungslegung in Spanien — gerade bei der Behandlung neuer Konzessionen — könnte ein Vorbild sein, dem bei der Entwicklung öffentlich-privater Partnerschaften im Rahmen von Bau- und/oder Dienstleistungsprojekten in der Europäischen Union Beachtung geschenkt werden sollte.

5.   Die Regeln für den Wettbewerb zwischen öffentlichen bzw. halböffentlichen Stellen und privatwirtschaftlichen Unternehmen müssen erheblich klarer gefasst werden

5.1

Gemischtwirtschaftliche Gesellschaften erhalten häufig unmittelbar Konzessionen oder Sonder- bzw. Exklusivrechte und können dadurch in bestimmten Fällen ihre Tätigkeit mit Hilfe einer einfachen Änderung ihres Statuts auf Bereiche ausweiten, die über den bei ihrer Gründung ursprünglich vorgesehenen Aufgabenbereich hinausgehen. Dies bedeutet, dass der Wettbewerb — sofern es welchen gibt — mitunter verfälscht ist. Sie müssen in diesem Fall zu einer getrennten Buchführung verpflichtet werden, damit nachgeprüft werden kann, dass sie keine Quersubventionierungen betreiben, die den Wettbewerb verfälschen würden.

5.2   Der EWSA schlägt vor, die Regeln folgendermaßen klarer zu fassen:

5.2.1

Vor der Gründung einer gemischtwirtschaftlichen Einrichtung muss die zuständige Behörde die Wettbewerbsmöglichkeiten des Marktes berücksichtigen und entscheiden, welches die sinnvollste Lösung ist.

5.2.2

Zur Gewährleistung von Transparenz und Effizienz müssen die Verfahren zur Gründung gemischtwirtschaftlicher Einrichtungen vor der Ausschreibung angekündigt und die privaten Konkurrenten klar auf die Möglichkeit einer Beteiligung an der Gründung halböffentlicher Gesellschaften aufmerksam gemacht werden. Bei der Vergabe einer neuen Leistung an eine örtliche gemischtwirtschaftliche Einrichtung muss außerdem Folgendes sichergestellt werden:

die gemischtwirtschaftliche Einrichtung muss — sobald sie über ihren ursprünglichen Zuständigkeitsbereich hinausgeht — zu einer getrennten Buchführung verpflichtet werden, damit nachgeprüft werden kann, dass sie keine Quersubventionierungen betreibt, die den Wettbewerb verfälschen würden;

die gemeinschaftlichen Verfahren, wie z.B. im Zusammenhang mit staatlichen Beihilfen, müssen eingehalten werden;

es muss auf die Einhaltung fairer Wettbewerbsbedingungen gegenüber dem Privatsektor geachtet werden (Besteuerung und Betriebskosten des gemischtwirtschaftlichen Unternehmens).

6.   Schlussfolgerungen

Der Ausschuss stellt fest, dass derzeit in zahlreichen Staaten spezifische Rechtsvorschriften für ÖPP entstehen, und hält es aufgrund der derzeitigen Erfahrungen für ratsamer:

sich die ÖPP einige Jahre lang in verschiedenen Formen entwickeln zu lassen,

von den Mitgliedstaaten die systematische Mitteilung der verschiedenen Formen von ÖPP und der entsprechenden Schwierigkeiten zu verlangen (Vor- und Nachteile gegenüber den herkömmlichen Formen),

die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für die Entwicklung der ÖPP (zur Auswertung der Erfahrungen hinsichtlich verschiedener Kriterien insbesondere Kosten, Zugang zu den Leistungen, Auswirkung auf die Beschäftigungsverhältnisse, Wettbewerbsfähigkeit, Umwelt etc.) unter Beteiligung von Vertretern der Staaten, der Kommission und der Zivilgesellschaft, darunter des EWSA, vorzusehen,

zu unterstreichen, dass für ÖPP und Konzessionen die Schwellenwerte für die EU-weite Ausschreibung (Bau- und Dienstleistungsaufträge) gelten und dass unterhalb dieser europäischen Schwellenwerte jeder Staat seine eigenen Vorschriften anwendet, um unnötig komplizierte Verwaltungsabläufe zu vermeiden,

bis 2007 eine Mitteilung zu Auslegungsfragen zu veröffentlichen, die Folgendes klärt:

die Definition von Konzessionen und ÖPP,

die Wettbewerbsposition der gemischtwirtschaftlichen bzw. halböffentlichen Einrichtungen,

den wettbewerblichen Dialog und das Verfahren für die Bekanntmachung,

den Fall des innovationsfördernden „Bauträgers“;

die Möglichkeit der Gewährung staatlicher Beihilfen für gemischtwirtschaftliche bzw. halböffentliche Einrichtungen.

Brüssel, den 27. Oktober 2004

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  ABl. C 14 vom 16.1.2001.

(2)  ABl. L 134 vom 30.4.2004.

(3)  Rahmengesetz L 109/94 (G.U. no 41 vom 19.2.1994) geändert durch das Gesetz Nr. 216 vom 2. Juni 1995 (G.U. no 127 vom 2.6.1995).

(4)  Der Bau des Finanzministeriums in Bercy (Paris) wurde teilweise mit Hilfe dieses Finanzierungsinstruments realisiert.

(5)  Verordnung über Partnerschaftsverträge Nr. 2004-559, veröffentlicht im Amtsblatt vom 19. Juni 2004.

(6)  Gesetz vom 24.12.93 - öffentliche Aufträge - Belgisches Staatsblatt vom 22. Januar 1994. Königliche Erlasse vom 8.1.96 und 10.1.96 - Belgisches Staatsblatt vom 26. Januar 1996. Königlicher Erlass über öffentliche Liefer- und Dienstleistungsaufträge sowie Konzessionen für öffentliche Bauarbeiten.

(7)  Idem.

(8)  Gesetz vom 24. Dezember 1993 (Artikel 9) - Königlicher Erlass vom 8. Januar 1996 (Artikel 21) - Königlicher Erlass vom 26. September 199? - Maurice-André Flamme „La loi du 24 décembre 1993“, Journal des Tribunaux 1994. Baurecht.

(9)  ABl. L 199 vom 9.8.1993.

(10)  Als „öffentliche Baukonzessionen“ gelten Verträge, die von den unter Buchstabe a) genannten Verträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Arbeiten ausschließlich in dem Recht zur Nutzung des Bauwerks oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.

(11)  ABl. L 209 vom 24.7.1992.

(12)  ABl. L 199 vom 9.8.1993.

(13)  ABl. L 134 vom 30.4.2004.

(14)  ABl. C 121 vom 29.4.2000.

(15)  KOM(96) 583 endg.

(16)  ABl. C 287 vom 22.9.1997.

(17)  Aus dieser Stellungnahme sind außerdem folgende Bemerkungen anzuführen:

 

„In mehreren Ländern werden Methoden zur Finanzierung öffentlicher Bauten durch private Investoren entwickelt. Es handelt sich dabei um langfristige Verträge, die privatwirtschaftliche Finanzierungsbeiträge vorsehen und sich infolgedessen deutlich von öffentlichen Aufträgen unterscheiden.“

 

„Er [d.h. der EWSA] hält es für wünschenswert, die Erteilung von Konzessionen vor allem im Rahmen der transeuropäischen Netze zum Gegenstand einer besonderen Regelung zu machen.“

 

„Er schlägt der Europäischen Kommission vor, neue Vertragsmodelle zu fördern, bei denen öffentliche Infrastrukturen durch privatwirtschaftliche Akteure finanziert werden.“


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