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Document 62021CJ0721

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 15. Juni 2023.
Eco Advocacy CLG gegen An Bord Pleanála.
Vorabentscheidungsersuchen des High Court (Irland).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 92/43/EWG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Besondere Schutzgebiete – Art. 6 Abs. 3 – Vorprüfung eines Plans oder Projekts, um festzustellen, ob die Durchführung einer Prüfung der Auswirkungen dieses Plans oder Projekts auf ein besonderes Schutzgebiet erforderlich ist – Begründung – Maßnahmen, die berücksichtigt werden können – Wohnungsbauprojekt – Verfahrensautonomie – Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität – Verfahrensvorschriften, nach denen der Gegenstand des Rechtsstreits durch das zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsbehelfs geltend gemachte Vorbringen bestimmt wird.
Rechtssache C-721/21.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:477

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

15. Juni 2023 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 92/43/EWG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Besondere Schutzgebiete – Art. 6 Abs. 3 – Vorprüfung eines Plans oder Projekts, um festzustellen, ob die Durchführung einer Prüfung der Auswirkungen dieses Plans oder Projekts auf ein besonderes Schutzgebiet erforderlich ist – Begründung – Maßnahmen, die berücksichtigt werden können – Wohnungsbauprojekt – Verfahrensautonomie – Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität – Verfahrensvorschriften, nach denen der Gegenstand des Rechtsstreits durch das zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsbehelfs geltend gemachte Vorbringen bestimmt wird“

In der Rechtssache C‑721/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 4. Oktober 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 26. November 2021, in dem Verfahren

Eco Advocacy CLG

gegen

An Bord Pleanála,

Beteiligte:

Keegan Land Holdings,

An Taisce – The National Trust for Ireland,

ClientEarth AISBL,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richterin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter F. Biltgen, N. Wahl und J. Passer (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Eco Advocacy CLG, vertreten durch O. Clarke und A. O’Connell, Solicitors, O. Collins, SC, und C. Lenaghan, BL,

von An Bord Pleanála, vertreten durch D. Browne, BL, B. Foley, SC, sowie B. Magee und J. Moore, Solicitors,

von An Taisce – The National Trust for Ireland und ClientEarth AISBL, vertreten durch J. Kenny, BL, und F. Logue, Solicitor,

der irischen Regierung, vertreten durch M. Browne, A. Joyce und M. Tierney als Bevollmächtigte im Beistand von A. Carroll, BL, sowie P. Gallagher und B. Kennedy, SC,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri im Beistand von G. Palatiello, Avoccato dello Stato,

der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Hermes und M. Noll-Ehlers als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 19. Januar 2023

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von insbesondere Art. 4 Abs. 2 bis 5 und Anhang III der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1) in der durch die Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 (ABl. 2014, L 124, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2011/92) sowie von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Eco Advocacy CLG und An Bord Pleanála (Raumplanungsbehörde, Irland) über die Gültigkeit einer von dieser erteilten Plangenehmigung.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 92/43

3

Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 bestimmt:

„Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.“

Richtlinie 2011/92

4

In Art. 4 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2011/92 heißt es:

„(2)   Bei Projekten des Anhangs II bestimmen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 4, ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden muss. Die Mitgliedstaaten treffen diese Entscheidung anhand

a)

einer Einzelfalluntersuchung

oder

b)

der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien.

Die Mitgliedstaaten können entscheiden, beide unter den Buchstaben a und b genannten Verfahren anzuwenden.

(3)   Bei der Einzelfalluntersuchung oder der Festlegung von Schwellenwerten bzw. Kriterien für die Zwecke des Absatzes 2 sind die relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III zu berücksichtigen. Die Mitgliedstaaten können Schwellenwerte oder Kriterien festlegen, bei deren Erfüllung Projekte weder der Feststellung gemäß den Absätzen 4 und 5 noch einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen, und/oder Schwellenwerte oder Kriterien, bei deren Erfüllung Projekte in jedem Fall einer Umweltverträglichkeitsprüfung ohne Durchführung einer Feststellung gemäß den Absätzen 4 und 5 unterliegen.

(4)   Beschließen Mitgliedstaaten, eine Feststellung für in Anhang II aufgeführte Projekte zu verlangen, liefert der Projektträger Informationen über die Merkmale des Projekts und die damit verbundenen möglichen erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt. Anhang II.A enthält eine detaillierte Aufstellung der zu liefernden Informationen. Der Projektträger berücksichtigt gegebenenfalls verfügbare Ergebnisse anderer einschlägiger Bewertungen der Auswirkungen auf die Umwelt, die aufgrund anderer [Gesetzgebung der Europäischen Union] als dieser Richtlinie durchgeführt wurden. Der Projektträger kann darüber hinaus eine Beschreibung aller Aspekte des Projekts und/oder aller Maßnahmen zur Verfügung stellen, mit denen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden oder verhindert werden sollen.

(5)   Die zuständige Behörde trifft die Feststellung auf der Grundlage der vom Projektträger gemäß Abs. 4 gelieferten Informationen, wobei sie gegebenenfalls die Ergebnisse von vorgelagerten Prüfungen oder aufgrund anderer Unionsgesetzgebung als dieser Richtlinie durchgeführten Prüfungen der Umweltauswirkungen berücksichtigt. Die Feststellung wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und es werden darin

a)

unter Verweis auf die einschlägigen Kriterien in Anhang III die wesentlichen Gründe für die Entscheidung angegeben, eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzuschreiben, oder

b)

unter Verweis auf die einschlägigen Kriterien in Anhang III die wesentlichen Gründe für die Entscheidung angegeben, keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzuschreiben, und, sofern vom Projektträger vorgelegt, alle Aspekte des Projekts und/oder Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden oder verhindert werden sollen.“

5

Art. 11 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, …

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

(2)   Die Mitgliedstaaten legen fest, in welchem Verfahrensstadium die Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können.

(4)   …

Die [gerichtlichen Überprüfungsverfahren] werden fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt.

…“

6

In Anhang III der Richtlinie 2011/92 sind die Kriterien für die Entscheidung aufgeführt, ob für die in Anhang II dieser Richtlinie genannten Projekte eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

7

Der Ausgangsrechtsstreit betrifft ein Projekt zum Bau von 320 Wohnungen auf dem Charterschool Land (Trim, Grafschaft Meath, Irland) in der Nähe des nach der Richtlinie 92/43 ausgewiesenen besonderen Schutzgebiets River Boyne und River Blackwater (IE0002299) und des nach der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 2010, L 20, S. 7) ausgewiesenen besonderen Schutzgebiets River Boyne und River Blackwater (IE0004232).

8

Nach verschiedenen informellen Kontakten wurde am 8. Juli 2020 ein Plangenehmigungsantrag für dieses Projekt eingereicht.

9

Der Entwurf sieht u. a. vor, dass während der Betriebsphase des Gebiets Oberflächenabflusswasser in unterirdischen Rückhaltetanks gesammelt wird. Diese sollen mit geeigneten Durchflussreglern zusammenwirken, die an dem Auslasskanal jedes Rückhaltetanks angebracht werden sollen. Ein Bypass-Abscheider der Klasse 1 soll am Einlassrohr jedes Tanks angebracht werden, um das Oberflächenwasser zu behandeln und eventuelle Schadstoffe vor dem Eintritt in den Tank und vor dem Abfluss zu entfernen. Das Wasser soll etwa 100 m südlich des fraglichen Bauvorhabens in einen Bach, der in den River Boyne fließt, eingeleitet werden.

10

Zu dem Antrag gingen Stellungnahmen u. a. von An Taisce – The National Trust for Ireland, einer Nichtregierungsorganisation, und dem Meath County Council (Rat der Grafschaft Meath, Irland) ein, die Bedenken hinsichtlich der potenziellen Auswirkungen dieses Vorhabens auf die in Rn. 7 des vorliegenden Urteils genannten Gebiete, insbesondere die Wasserqualität des River Boyne, und die betroffenen geschützten Arten äußerten.

11

Mit Entscheidung vom 27. Oktober 2020 genehmigte die Raumplanungsbehörde das Vorhaben und erteilte die beantragte Plangenehmigung; dabei vertrat sie ausgehend von dem Bericht ihrer Prüferin vom 6. Oktober 2020 die Auffassung, dass weder eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach der Richtlinie 2011/92 noch eine Verträglichkeitsprüfung nach der Richtlinie 92/43 erforderlich sei.

12

Das mit einer Klage der Klägerin des Ausgangsverfahrens gegen diese Entscheidung befasste vorlegende Gericht wies mit Entscheidung vom 27. Mai 2021 verschiedene gegen diese Klage erhobene Einreden zurück und wies die Klage ab, soweit sie auf nationalem Recht und bestimmten Aspekten des Unionsrechts gründete.

13

Was die Klagegründe betrifft, über die dieses Gericht noch nicht entschieden hat, geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die Klägerin mit ihnen u. a. geltend macht, dass erstens in der Entscheidung vom 27. Oktober 2020 nicht ausdrücklich angegeben sei, in welchen Dokumenten die Argumentation der Raumplanungsbehörde in Bezug auf deren Entscheidung dargelegt sei, weder eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne der Richtlinie 2011/92 noch eine Verträglichkeitsprüfung im Sinne der Richtlinie 92/43 zu verlangen, dass zweitens die Raumplanungsbehörde nicht auf die vom Rat der Grafschaft Meath und von An Taisce – The National Trust for Ireland in ihren Stellungnahmen geäußerten Bedenken eingegangen sei und dass drittens die Raumplanungsbehörde die in Anhang III der Richtlinie 2011/92 aufgeführten Kriterien nicht einzeln geprüft habe. Außerdem weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Raumplanungsbehörde die Auffassung vertreten habe, dass das fragliche nachhaltige Abflusssystem keine Abmilderungsmaßnahme, sondern ein Standardmerkmal von Wohnungsbauprojekten wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden darstelle.

14

Aus der Entscheidung vom 27. Mai 2021 geht jedoch hervor, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens die erste und die dritte der in der vorstehenden Randnummer wiedergegebenen Behauptungen erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem vorlegenden Gericht vorgetragen hat.

15

Unter diesen Umständen hat der High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Folgt aus dem allgemeinen Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts und/oder der loyalen Zusammenarbeit entweder allgemein oder im besonderen Zusammenhang des Umweltrechts, dass ein nationales Gericht, bei dem eine Klage erhoben wurde, mit der eine Partei die Gültigkeit einer Verwaltungsmaßnahme unter ausdrücklichem oder implizitem Verweis auf ein bestimmtes Instrument des Unionsrechts anficht, aber nicht näher ausführt, gegen welche Bestimmungen des Instruments verstoßen wurde oder auf welche Auslegung genau Bezug genommen wird, die Klage ungeachtet einer nationalen Verfahrensvorschrift prüfen muss oder kann, die verlangt, dass die betreffenden konkreten Verstöße in den Parteischriftsätzen dargelegt werden?

2.

Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird: Haben Art. 4 Abs. 2, 3, 4 und/oder 5 und/oder Anhang III der Richtlinie 2011/92 und/oder diese Richtlinie in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und dem in Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz der guten Verwaltung zur Folge, dass in dem Fall, dass eine zuständige Behörde entscheidet, einen Antrag auf Genehmigung eines Projekts nicht dem Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterwerfen, ausdrücklich, gesondert und/oder konkret angeben sein muss, in welchen Dokumenten genau die Begründung der zuständigen Behörde dargelegt ist?

3.

Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird: Haben Art. 4 Abs. 2, 3, 4 und/oder 5 und/oder Anhang III der Richtlinie 2011/92 und/oder diese Richtlinie in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und dem in Art. 41 der Charta der Grundrechte verankerten Grundsatz der guten Verwaltung zur Folge, dass in dem Fall, dass eine zuständige Behörde entscheidet, einen Antrag auf Genehmigung eines Projekts nicht dem Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterwerfen, eine Verpflichtung besteht, die Prüfung aller konkreten Titel und Untertitel des Anhangs III dieser Richtlinie ausdrücklich darzulegen, soweit diese Titel und Untertitel möglicherweise für das Projekt relevant sind?

4.

Ist Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 dahin auszulegen, dass gemäß dem Grundsatz, dass in der Vorprüfungsphase bei der Feststellung, ob es notwendig ist, anschließend eine Prüfung der Verträglichkeit eines Plans oder Projekts für ein betroffenes Gebiet durchzuführen, Maßnahmen nicht zu berücksichtigen sind, die nachteilige Auswirkungen des Plans oder Projekts auf das Gebiet vermeiden oder vermindern sollen, die zuständige Behörde allein deshalb Merkmale des Plans oder des Projekts, die die Beseitigung von Schadstoffen beinhalten und die eine Verminderung nachteiliger Auswirkungen auf das Europäische Gebiet bewirken könnten, nicht berücksichtigen kann, weil diese Merkmale nicht als Abmilderungsmaßnahmen konzipiert sind, selbst wenn sie diese Wirkung haben, und unabhängig von einer Auswirkung auf das betroffene Europäische Gebiet als Standardmerkmale in den Entwurf eingearbeitet worden wären?

5.

Ist Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 dahin auszulegen, dass die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, wenn sie ungeachtet der von sachverständigen Einrichtungen geäußerten Fragen oder Bedenken in der Vorprüfungsphase überzeugt ist, dass keine Verträglichkeitsprüfung notwendig ist, eine ausdrückliche und eingehende Begründung geben muss, die geeignet ist, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der vorgesehenen Arbeiten auf das betroffene Europäische Gebiet zu zerstreuen, und ausdrücklich und einzeln jeden der Zweifel ausräumt, die in dieser Hinsicht während des Verfahrens der Öffentlichkeitsbeteiligung aufgeworfen wurden?

6.

Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird: Folgt aus Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 und/oder dieser Richtlinie im Licht des Grundsatzes der Rechtssicherheit und des in Art. 41 der Charta der Grundrechte verankerten Grundsatzes der guten Verwaltung, dass in dem Fall, dass die zuständige Behörde entscheidet, einen Antrag auf Genehmigung eines Projekts nicht dem Verfahren der Verträglichkeitsprüfung zu unterwerfen, ausdrücklich, gesondert und/oder konkret angegeben werden muss, in welchen Dokumenten genau die Begründung der zuständigen Behörde dargelegt ist?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

16

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass in dem Fall, dass eine Partei eine Klage auf Nichtigerklärung einer Verwaltungsentscheidung erhebt und sich hierzu ausdrücklich oder stillschweigend auf einen bestimmten Unionsrechtsakt stützt, ohne jedoch die Vorschriften dieses Rechtsakts, gegen die verstoßen worden sein soll, oder die spezifische Auslegung, auf die sie sich beruft, näher zu bezeichnen, das mit der Klage befasste nationale Gericht ungeachtet einer innerstaatlichen Verfahrensvorschrift, nach der die betreffenden Verstöße in der Klageschrift im Einzelnen bezeichnet sein müssen, über diese Klage entscheiden muss oder kann.

17

In dem Vorabentscheidungsersuchen gibt das vorlegende Gericht die Verfahrensvorschrift, um die es sich handelt, nicht wieder. Diesem Ersuchen, den dem Gerichtshof vorliegenden Akten und den im Rahmen des vorliegenden Verfahrens eingereichten schriftlichen Erklärungen ist jedoch zu entnehmen, dass die Rules of the Superior Courts (Verfahrensvorschriften der Obergerichte) gemeint sind, nach denen zum einen ein Antrag auf gerichtliche Überprüfung auf einer Darstellung der Anträge und der Gründe, auf die diese Anträge gestützt werden, beruhen muss, in der sämtliche dieser Gründe genau aufgeführt und für jeden von ihnen die Tatsachen oder Gesichtspunkte, auf die sie sich stützen, angegeben werden, und zum anderen ein Kläger in der mündlichen Verhandlung weder andere Gründe geltend machen noch andere Anträge stellen darf, als in dieser Darstellung enthalten sind.

18

Im vorliegenden Fall geht aus der Entscheidung vom 27. Mai 2021 hervor, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Klagegründe, die der zweiten, dritten und sechsten Frage zugrunde liegen, beim vorlegenden Gericht unter Verstoß gegen diese Verfahrensvorschriften geltend macht, weshalb sich das vorlegende Gericht gezwungen sieht, diese Klagegründe als unzulässig zurückzuweisen, sofern nicht das Unionsrecht ihm gebietet oder erlaubt, über sie zu erkennen.

19

Um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu geben, ist seine erste Frage folglich dahin aufzufassen, dass es im Wesentlichen wissen möchte, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Verfahrensvorschrift wie der in Rn. 17 des vorliegenden Urteils beschriebenen entgegensteht.

20

Wie die Generalanwältin in den Nrn. 29 und 30 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, verlangt das Unionsrecht zwar insoweit nach Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 9 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, unterzeichnet in Aarhus am 25. Juni 1998 und genehmigt im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. 2005, L 124, S. 1), dass insbesondere Umweltverbänden Zugang zu einem effektiven und fairen Überprüfungsverfahren gewährleistet wird, sieht jedoch nicht vor, wie und zu welchem Zeitpunkt Anfechtungsgründe gegen die einschlägigen Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen vorgetragen werden müssen.

21

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist mangels einer einschlägigen Unionsregelung die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, wobei diese Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz) (Urteil vom 7. Juni 2007, van der Weerd u. a., C‑222/05 bis C‑225/05, EU:C:2007:318, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22

Erstens gebietet der Effektivitätsgrundsatz den nationalen Gerichten nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht, von Amts wegen die Frage eines Verstoßes gegen Unionsvorschriften aufzuwerfen, wenn sie durch die Prüfung dieser Frage die Grenzen des von den Parteien festgelegten Streitgegenstands überschreiten müssten, indem sie sich auf andere Tatsachen und Umstände stützen, als sie die Partei, die ein Interesse an der Anwendung dieser Vorschriften hat, ihrem Begehren zugrunde gelegt hat (Urteil vom 26. April 2017, Farkas, C‑564/15, EU:C:2017:302, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23

Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass nationale Verfahrensvorschriften, nach denen der Streitgegenstand durch das zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsbehelfs geltend gemachte Vorbringen bestimmt wird, mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar sind, da sie den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens gewährleisten, insbesondere indem sie dieses vor den mit der Prüfung neuen Vorbringens verbundenen Verzögerungen bewahren (Urteil vom 6. Oktober 2021, Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi, C‑561/19, EU:C:2021:799, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24

Hier stellen sich die einschlägigen Verfahrensvorschriften, wie sie in Rn. 17 des vorliegenden Urteils beschrieben sind, jedoch nicht so dar, dass sie die Ausübung der durch die Richtlinien 2011/92 und 92/43 verliehenen Rechte, um die es im Ausgangsverfahren geht, praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren; vielmehr dürften sie den reibungslosen Ablauf des Verfahrens fördern, indem sie verlangen, dass die im Rahmen des Rechtsbehelfs geltend gemachten Gründe mit einem hinreichenden Grad an Präzision vorgetragen werden.

25

Schließlich hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass die nationalen Gerichte insbesondere auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes verpflichtet sein können, von Amts wegen die Einhaltung der Anforderungen zu beurteilen, die sich aus den Unionsregeln auf diesem Gebiet ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová, C‑377/14, EU:C:2016:283, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung), ein solches Erfordernis, das sich aus den Besonderheiten der betreffenden Rechtsgebiete und Vorschriften der Union – wie etwa der Notwendigkeit, das Ungleichgewicht zwischen Verbrauchern und Gewerbetreibenden auszugleichen – ergibt, kann hingegen im vorliegenden Fall nicht aus den Unionsvorschriften hergeleitet werden, auf die in den in Rn. 18 des vorliegenden Urteils genannten Klagegründen Bezug genommen wird.

26

Zweitens dürften die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verfahrensvorschriften, da sie nach den Informationen, über die der Gerichtshof verfügt, unabhängig davon Anwendung finden, ob die behaupteten Verstöße das irische Recht oder das Unionsrecht betreffen, auch nicht dem Äquivalenzgrundsatz zuwiderlaufen.

27

Zwar erfordert die Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes, dass, wenn die Bestimmungen des nationalen Verfahrensrechts einem Gericht die Verpflichtung übertragen, die Frage eines Verstoßes gegen nationales Recht von Amts wegen zu prüfen, eine solche Verpflichtung in gleicher Weise für die gleichartige Frage eines Verstoßes gegen Unionsrecht gelten muss. Entsprechendes gilt, wenn das nationale Recht dem Gericht die Befugnis einräumt, eine solche Frage von Amts wegen zu prüfen (Urteil vom 26. April 2017, Farkas, C‑564/15, EU:C:2017:302, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Hier ist der dem Gerichtshof vorliegenden Akte jedoch nicht zu entnehmen, dass das vorlegende Gericht nach irischem Recht einer solchen Verpflichtung unterliegt oder über eine solche Befugnis verfügt. Aus der Entscheidung vom 27. Mai 2021 ergibt sich vielmehr, dass nach diesem Recht jedes Vorbringen der in Rn. 18 des vorliegenden Urteils genannten Art gleich, ob es aus einem Verstoß gegen das Unionsrecht oder das nationale Recht hergeleitet wird, von den nationalen Gerichten für unzulässig erklärt werden muss, wenn es in dem Rechtsbehelf nicht mit der erforderlichen Präzision formuliert wurde.

29

Nach diesen Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegensteht, wonach zum einen ein Antrag auf gerichtliche Überprüfung anhand sowohl nationaler Rechtsvorschriften als auch von Vorschriften des Unionsrechts wie Art. 4 Abs. 2 bis 5 und Anhang III der Richtlinie 2011/92 oder Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 auf einer Darlegung der Anträge und der Gründe, auf die diese Anträge gestützt werden, beruhen muss, in der sämtliche dieser Gründe genau aufgeführt und für jeden von ihnen die Tatsachen oder Gesichtspunkte, auf die sie sich stützen, angegeben werden, und zum anderen ein Kläger in der mündlichen Verhandlung weder andere Gründe geltend machen noch andere Anträge stellen darf, als in dieser Darstellung enthalten sind.

Zur zweiten, dritten und sechsten Frage

30

Angesichts der Antwort auf die erste Frage sind die zweite, die dritte und die sechste Frage nicht zu beantworten.

Zur fünften Frage

31

Mit seiner fünften Frage, die vor der vierten Frage zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 dahin auszulegen ist, dass die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, wenn sie entscheidet, dass eine Verträglichkeitsprüfung nicht erforderlich ist, eine ausdrückliche und eingehende Begründung geben muss, die geeignet ist, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen des vorgesehenen Plans oder Vorhabens auf das betroffene Gebiet zu zerstreuen, und ausdrücklich und einzeln jeden der Zweifel auszuräumen, die in dieser Hinsicht im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung aufgeworfen wurden.

32

Weder Art. 6 Abs. 3 noch eine andere Vorschrift der Richtlinie 92/43 sieht Anforderungen an die Begründung von gemäß Art. 6 Abs. 3 getroffenen Entscheidungen vor.

33

Allerdings ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das Recht auf eine gute Verwaltung insoweit, als es einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts widerspiegelt, Anforderungen mit sich bringt, die die Mitgliedstaaten beachten müssen, wenn sie Unionsrecht ausführen. Von diesen Anforderungen kommt der Pflicht zur Begründung der von den nationalen Behörden erlassenen Entscheidungen ganz besondere Bedeutung zu, da sie deren Adressaten in die Lage versetzt, ihre Rechte unter den bestmöglichen Voraussetzungen geltend zu machen und in Kenntnis aller Umstände zu entscheiden, ob es von Nutzen ist, mit einer Klage gegen die Entscheidungen vorzugehen. Sie ist außerdem notwendig, um den Gerichten die Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen zu ermöglichen (Urteil vom 9. November 2017, LS Customs Services, C‑46/16, EU:C:2017:839, Rn. 39 und 40 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Zum anderen sieht Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 ein Prüfverfahren vor, das durch eine vorherige Kontrolle gewährleisten soll, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des betreffenden Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, dieses jedoch erheblich beeinträchtigen könnten, nur genehmigt werden, soweit sie das Gebiet als solches nicht beeinträchtigen (Urteil vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen, C‑411/17, EU:C:2019:622, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Art. 6 Abs. 3 dieser Richtlinie unterscheidet zwei Phasen des nach diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens.

36

Die erste, in Satz 1 dieser Bestimmung vorgesehene Phase verlangt von den Mitgliedstaaten eine Prüfung der Auswirkungen eines Plans oder eines Projekts auf ein geschütztes Gebiet, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dieser Plan oder dieses Projekt das Gebiet erheblich beeinträchtigt. In der zweiten, in Satz 2 dieser Bestimmung vorgesehenen Phase, die sich an diese Verträglichkeitsprüfung anschließt, wird die Zustimmung zu einem solchen Plan oder Projekt vorbehaltlich Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 92/43 nur erteilt, wenn dieser das betreffende Gebiet als solches nicht beeinträchtigt (Urteil vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen, C‑411/17, EU:C:2019:622, Rn. 119 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Erstens ergibt sich insoweit aus der Rechtsprechung, dass das in Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 vorgesehene Erfordernis einer Prüfung der Verträglichkeit eines Plans oder Projekts von der Voraussetzung abhängt, dass die Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr besteht, dass der Plan oder das Projekt das betroffene Gebiet erheblich beeinträchtigt. In Anbetracht insbesondere des Vorsorgegrundsatzes ist davon auszugehen, dass eine solche Gefahr besteht, wenn sich auf der Grundlage der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht ausschließen lässt, dass der betreffende Plan oder das betreffende Projekt die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele möglicherweise beeinträchtigt. Die Beurteilung der Gefahr ist namentlich anhand der besonderen Merkmale und Umweltbedingungen des von einem solchen Plan oder Projekt betroffenen Gebiets vorzunehmen (Urteil vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen, C‑411/17, EU:C:2019:622, Rn. 134 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

Zweitens bedeutet nach ständiger Rechtsprechung eine Prüfung der Verträglichkeit eines Plans oder eines Projekts für das betreffende Gebiet, dass vor dessen Genehmigung unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sämtliche Gesichtspunkte des Plans oder Projekts zu ermitteln sind, die für sich oder in Verbindung mit anderen Plänen oder Projekten die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigen können. Die zuständigen nationalen Behörden dürfen eine Tätigkeit in dem geschützten Gebiet nur dann genehmigen, wenn sie Gewissheit darüber erlangt haben, dass sie sich nicht nachteilig auf dieses Gebiet als solches auswirkt. Dies ist dann der Fall, wenn aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass es keine solchen Auswirkungen gibt (Urteil vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen, C‑411/17, EU:C:2019:622, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Nach der Rechtsprechung darf diese Prüfung nicht lückenhaft sein und muss vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthalten, die geeignet sind, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der in dem betreffenden Gebiet geplanten Arbeiten auszuräumen (Urteile vom 25. Juli 2018, Grace und Sweetman, C‑164/17, EU:C:2018:593, Rn. 39 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 7. November 2018, Holohan u. a., C‑461/17, EU:C:2018:883, Rn. 49).

40

Dieses Erfordernis bedeutet, dass die zuständige Behörde nach einer Verträglichkeitsprüfung in der Lage sein muss, hinreichend genau die Gründe darzulegen, die es ihr ermöglichten, vor Erteilung der betreffenden Genehmigung trotz gegebenenfalls geäußerter gegenteiliger Stellungnahmen zu der Gewissheit zu gelangen, dass jeder vernünftige wissenschaftliche Zweifel an der Umweltverträglichkeit der in dem betreffenden Gebiet geplanten Arbeiten ausgeschlossen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2018, Holohan u. a., C‑461/17, EU:C:2018:883, Rn. 51).

41

Diese Begründungsanforderungen müssen auch erfüllt sein, wenn die zuständige Behörde wie im vorliegenden Fall ein Projekt, das möglicherweise ein Schutzgebiet beeinträchtigt, genehmigt, ohne eine Verträglichkeitsprüfung im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 zu verlangen.

42

Daraus folgt, dass in dem Fall, dass eine zuständige Behörde entscheidet, ein solches Projekt zu genehmigen, ohne eine Verträglichkeitsprüfung im Sinne dieser Vorschrift zu verlangen, das Unionsrecht diese Behörde zwar nicht verpflichtet, in der Begründung dieser Entscheidung auf sämtliche von den Beteiligten im Verwaltungsverfahren aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen einzeln einzugehen. Diese Behörde muss jedoch hinreichend darlegen, aus welchen Gründen sie vor der Erteilung dieser Genehmigung trotz gegenteiliger Stellungnahmen und darin gegebenenfalls geäußerter begründeter Bedenken die Gewissheit erlangen konnte, dass jeder vernünftige wissenschaftliche Zweifel hinsichtlich der Möglichkeit, dass dieses Projekt das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigen würde, ausgeschlossen war.

43

Nach diesen Erwägungen ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 dahin auszulegen ist, dass in dem Fall, dass eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats entscheidet, einen Plan oder ein Projekt, der bzw. das möglicherweise ein gemäß dieser Richtlinie geschütztes Gebiet beeinträchtigt, zu genehmigen, ohne eine Verträglichkeitsprüfung im Sinne dieser Vorschrift zu verlangen, diese Behörde zwar nicht verpflichtet ist, in der Begründung ihrer Entscheidung auf sämtliche im Verwaltungsverfahren aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen einzugehen, jedoch hinreichend darlegen muss, aus welchen Gründen sie vor der Erteilung dieser Genehmigung trotz gegenteiliger Stellungnahmen und darin gegebenenfalls geäußerter begründeter Bedenken die Gewissheit erlangen konnte, dass jeder vernünftige wissenschaftliche Zweifel hinsichtlich der Möglichkeit, dass dieses Projekt das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigen würde, ausgeschlossen war.

Zur vierten Frage

44

Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 dahin auszulegen ist, dass für die Feststellung, ob es erforderlich ist, eine Prüfung der Verträglichkeit der Auswirkungen eines Plans oder eines Projekts auf ein gemäß dieser Richtlinie geschütztes Gebiet durchzuführen, Merkmale dieses Plans oder Projekts berücksichtigt werden können, die die Beseitigung von Schadstoffen umfassen und daher geeignet sind, die nachteiligen Auswirkungen des Plans oder Projekts auf dieses Gebiet zu verringern, wenn diese Merkmale unabhängig von jeglichen Auswirkungen auf das genannte Gebiet als Standardmerkmale in diesen Plan oder dieses Projekt einbezogen wurden.

45

Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass das vorlegende Gericht sich diese Frage u. a. in Anbetracht des Urteils vom 12. April 2018, People Over Wind und Sweetman (C‑323/17, EU:C:2018:244), stellt. Insbesondere fragt es sich, ob die Raumplanungsbehörde im Licht dieses Urteils die in Rn. 9 des vorliegenden Urteils beschriebenen Maßnahmen bei seiner Entscheidung berücksichtigen durfte, hinsichtlich der Auswirkungen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Projekts auf die in Rn. 7 des vorliegenden Urteils genannten Gebiete keine Verträglichkeitsprüfung zu verlangen.

46

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Rn. 40 des Urteils vom 12. April 2018, People Over Wind und Sweetman (C‑323/17, EU:C:2018:244), entschieden hat, dass Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 dahin auszulegen ist, dass für die Feststellung, ob es erforderlich ist, anschließend eine Prüfung der Verträglichkeit eines Plans oder Projekts mit einem betroffenen Gebiet durchzuführen, Maßnahmen, die die nachteiligen Auswirkungen dieses Plans oder Projekts auf das betroffene Gebiet vermeiden oder vermindern sollen, während der vorhergehenden Vorprüfungsphase nicht berücksichtigt werden dürfen.

47

Der Gerichtshof hat in diesem Urteil u. a. ausgeführt, dass die Berücksichtigung von Maßnahmen, die die nachteiligen Auswirkungen eines Plans oder Projekts auf das betroffene Gebiet vermeiden oder vermindern sollen, bei der Beurteilung, ob eine Verträglichkeitsprüfung erforderlich ist, voraussetzt, dass eine Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Gebiet erheblich beeinträchtigt wird und demzufolge eine solche Prüfung durchgeführt werden muss; diese Schlussfolgerung wird durch den Umstand gestützt, dass eine vollständige und genaue Analyse der Maßnahmen, die geeignet sind, mögliche erhebliche Auswirkungen auf das betroffene Gebiet zu vermeiden oder zu vermindern, nicht im Stadium der Vorprüfungsphase, sondern gerade im Stadium der angemessenen Prüfung durchgeführt werden muss. Außerdem könnte nach Auffassung des Gerichtshofs die Berücksichtigung solcher Maßnahmen bereits in der Vorprüfungsphase die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 92/43 im Allgemeinen sowie die Prüfungsphase im Besonderen beeinträchtigen, da diese letzte Phase gegenstandslos würde und die Gefahr einer Umgehung dieser Prüfungsphase bestünde, obschon diese Prüfung eine wesentliche Garantie darstellt, die diese Richtlinie vorsieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. April 2018, People Over Wind und Sweetman, C‑323/17, EU:C:2018:244, Rn. 35 bis 37).

48

Aus diesen Erwägungen folgt jedoch nicht, dass die Berücksichtigung sämtlicher Merkmale eines Projekts, die eine Minderung der nachteiligen Auswirkungen dieses Projekts auf das betreffende Gebiet bewirken, in der Vorprüfungsphase dieses Projekts ausgeschlossen wäre.

49

Sind solche Merkmale nicht zu dem Zweck in die Planung eines Projekts integriert, die nachteiligen Auswirkungen dieses Projekts auf das betreffende Gebiet zu reduzieren, sondern als Standardmerkmale, die für alle Projekte dieser Art verlangt werden, können diese Merkmale, anders als die in den Rn. 46 und 47 des vorliegenden Urteils genannten Maßnahmen, insbesondere nicht als Hinweis auf wahrscheinliche erhebliche Auswirkungen auf ein solches Gebiet angesehen werden.

50

Vorbehaltlich der Überprüfungen, die das vorlegende Gericht vorzunehmen hat, stellt es sich so dar, dass die Einbeziehung der in Rn. 9 des vorliegenden Urteils genannten Maßnahmen in die Planung von Projekten wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden durch Planungsrechtsakte allgemein vorgeschrieben ist und dass sie im vorliegenden Fall durch den Entwicklungsplan der Grafschaft Meath 2013 bis 2019 vorgeschrieben war, für den im Übrigen eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. 2001, L 197, S. 30) durchgeführt wurde.

51

Im Licht des Vorsorgegrundsatzes steht Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 daher der Berücksichtigung solcher Maßnahmen in der Phase der Vorprüfung dieser Projekte nicht entgegen.

52

Nach diesen Erwägungen ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 dahin auszulegen ist, dass bei der Feststellung, ob es erforderlich ist, eine Prüfung der Verträglichkeit eines Plans oder eines Projekts für ein Gebiet durchzuführen, Merkmale dieses Plans oder Projekts berücksichtigt werden können, die die Beseitigung von Schadstoffen umfassen und daher geeignet sind, die nachteiligen Auswirkungen des Plans oder Projekts auf dieses Gebiet zu verringern, wenn diese Merkmale unabhängig von jeglichen Auswirkungen auf das genannte Gebiet als Standardmerkmale eines solchen Plans oder Projekts in diesen Plan oder dieses Projekt einbezogen wurden.

Kosten

53

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegensteht, wonach zum einen ein Antrag auf gerichtliche Überprüfung anhand sowohl nationaler Rechtsvorschriften als auch von Vorschriften des Unionsrechts wie Art. 4 Abs. 2 bis 5 und Anhang III der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 geänderten Fassung oder Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen auf einer Darlegung der Anträge und der Gründe, auf die diese Anträge gestützt werden, beruhen muss, in der sämtliche dieser Gründe genau aufgeführt und für jeden von ihnen die Tatsachen oder Gesichtspunkte, auf die sie sich stützen, angegeben werden, und zum anderen ein Kläger in der mündlichen Verhandlung weder andere Gründe geltend machen noch andere Anträge stellen darf, als in dieser Darstellung enthalten sind.

 

2.

Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43

ist dahin auszulegen, dass

in dem Fall, dass eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats entscheidet, einen Plan oder ein Projekt, der bzw. das möglicherweise ein gemäß dieser Richtlinie geschütztes Gebiet beeinträchtigt, zu genehmigen, ohne eine Verträglichkeitsprüfung im Sinne dieser Vorschrift zu verlangen, diese Behörde zwar nicht verpflichtet ist, in der Begründung ihrer Entscheidung auf sämtliche im Verwaltungsverfahren aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen einzugehen, jedoch hinreichend darlegen muss, aus welchen Gründen sie vor der Erteilung dieser Genehmigung trotz gegenteiliger Stellungnahmen und darin gegebenenfalls geäußerter begründeter Bedenken die Gewissheit erlangen konnte, dass jeder vernünftige wissenschaftliche Zweifel hinsichtlich der Möglichkeit, dass dieses Projekt das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigen würde, ausgeschlossen war.

 

3.

Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43

ist dahin auszulegen, dass

bei der Feststellung, ob es erforderlich ist, eine Prüfung der Verträglichkeit eines Plans oder eines Projekts für ein Gebiet durchzuführen, Merkmale dieses Plans oder Projekts berücksichtigt werden können, die die Beseitigung von Schadstoffen umfassen und daher geeignet sind, die nachteiligen Auswirkungen des Plans oder Projekts auf dieses Gebiet zu verringern, wenn diese Merkmale unabhängig von jeglichen Auswirkungen auf das genannte Gebiet als Standardmerkmale eines solchen Plans oder Projekts in diesen Plan oder dieses Projekt einbezogen wurden.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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