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Document 62013CJ0225

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 9. April 2014.
Ville d’Ottignies-Louvain-la-Neuve u. a. gegen Région wallonne.
Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État (Belgien).
Vorabentscheidungsersuchen – Umwelt – Abfälle – Richtlinie 75/442/EWG – Art. 7 Abs. 1 – Bewirtschaftungsplan – Für die Abfallbeseitigung geeignete Standorte und Anlagen – Begriff ‚Abfallbewirtschaftungsplan‘ – Richtlinie 1999/31/EG – Art. 8 und 14 – Deponien, die zum Zeitpunkt der Umsetzung dieser Richtlinie über eine Zulassung verfügen oder in Betrieb sind.
Rechtssache C‑225/13.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:245

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

9. April 2014 ( *1 )

„Vorabentscheidungsersuchen — Umwelt — Abfälle — Richtlinie 75/442/EWG — Art. 7 Abs. 1 — Bewirtschaftungsplan — Für die Abfallbeseitigung geeignete Standorte und Anlagen — Begriff ‚Abfallbewirtschaftungsplan‘ — Richtlinie 1999/31/EG — Art. 8 und 14 — Deponien, die zum Zeitpunkt der Umsetzung dieser Richtlinie über eine Zulassung verfügen oder in Betrieb sind“

In der Rechtssache C‑225/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Belgien) mit Entscheidung vom 22. April 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 29. April 2013, in dem Verfahren

Ville d’Ottignies-Louvain-la-Neuve,

Michel Tillieut,

Willy Gregoire,

Marc Lacroix

gegen

Région wallonne,

Beteiligte:

Shanks SA,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Ville d’Ottignies-Louvain-la-Neuve sowie von Herrn Tillieut, Herrn Gregoire und Herrn Lacroix, vertreten durch J. Sambon, avocat,

der Shanks SA, vertreten durch F. Haumont, avocat,

der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne als Bevollmächtigten im Beistand von É. Orban de Xivry, avocat,

der Europäischen Kommission, vertreten durch J.‑F. Brakeland, P. Oliver und A. Sipos als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 47) in der durch den Beschluss 96/350/EG der Kommission vom 24. Mai 1996 (ABl. L 135, S. 32) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 75/442) sowie der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197, S. 30).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Stadt Ottignies-Louvain-la-Neuve sowie Herrn Tillieut, Herrn Gregoire und Herrn Lacroix auf der einen Seite und der Région wallonne (Wallonischen Region) auf der anderen Seite wegen einer von der Shanks SA beantragten Genehmigung, einen zur Abfallbeseitigung bestimmten Standort zu betreiben und auszubauen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 75/442 sieht vor:

„Zur Verwirklichung der Ziele der Artikel 3, 4 und 5 erstellt (erstellen) die in Artikel 6 genannte(n) zuständige(n) Behörde(n) so bald wie möglich einen oder mehrere Abfallbewirtschaftungspläne. Diese Pläne umfassen insbesondere Folgendes:

Art, Menge und Ursprung der zu verwertenden oder zu beseitigenden Abfälle;

allgemeine technische Vorschriften;

besondere Vorkehrungen für bestimmte Abfälle;

geeignete Flächen für Deponien und sonstige Beseitigungsanlagen.

...“

4

Im 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien (ABl. L 182, S. 1) in der durch die Richtlinie 2011/97/EU des Rates vom 5. Dezember 2011 (ABl. L 328, S. 49) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 1999/31) heißt es:

„Wegen der Besonderheiten der Abfallbeseitigung auf Deponien ist ein besonderes Genehmigungsverfahren für alle Deponieklassen gemäß den allgemeinen Genehmigungsanforderungen, die in der Richtlinie 75/442/EWG bereits festgelegt sind, … einzuführen.“

5

Der 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/31 lautet:

„Die künftigen Bedingungen für den Betrieb bestehender Deponien sollten im Hinblick darauf festgelegt werden, dass innerhalb einer bestimmten Frist die erforderlichen Maßnahmen zu ihrer Anpassung an diese Richtlinie aufgrund eines Nachrüstungsprogramms für die Deponie getroffen werden.“

6

Art. 1 („Allgemeine Zielsetzung“) dieser Richtlinie sieht in Abs. 1 vor:

„Im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen der Richtlinie 75/442/EWG, insbesondere ihrer Artikel 3 und 4, ist es Ziel der vorliegenden Richtlinie, durch die Festlegung strenger betriebsbezogener und technischer Anforderungen in Bezug auf Abfalldeponien und Abfälle Maßnahmen, Verfahren und Leitlinien vorzusehen, mit denen während des gesamten Bestehens der Deponie negative Auswirkungen der Ablagerung von Abfällen auf die Umwelt … weitestmöglich vermieden oder vermindert werden.“

7

Art. 8 („Voraussetzung für die Genehmigung“) der genannten Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten treffen Maßnahmen, durch die Folgendes sichergestellt wird:

a)

Die zuständige Behörde erteilt nur dann eine Genehmigung für eine Deponie, wenn gewährleistet ist, dass

i)

das Deponievorhaben unbeschadet des Artikels 3 Absätze 4 und 5 alle maßgeblichen Anforderungen dieser Richtlinie einschließlich der Anhänge erfüllt;

...

b)

Die geplante Deponie ist mit dem oder den einschlägigen Abfallbewirtschaftungsplänen nach Artikel 7 der Richtlinie 75/442/EWG in Einklang.

…“

8

In Art. 14 („Vorhandene Deponien“) der Richtlinie 1999/31 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen Maßnahmen, die sicherstellen, dass Deponien, die zum Zeitpunkt der Umsetzung dieser Richtlinie über eine Zulassung verfügen oder in Betrieb sind, nur dann weiterbetrieben werden können, wenn so bald wie möglich und spätestens binnen acht Jahren nach dem in Artikel 18 Absatz 1 genannten Zeitpunkt nachstehende Schritte durchgeführt werden:

a)

Innerhalb von einem Jahr nach dem in Artikel 18 Absatz 1 genannten Zeitpunkt erarbeitet der Betreiber ein Nachrüstprogramm mit den in Artikel 8 genannten Angaben sowie allen von ihm als erforderlich erachteten Abhilfemaßnahmen für die Erfüllung der Anforderungen dieser Richtlinie (mit Ausnahme der Anforderungen in Anhang I Nummer 1) und legt dieses der zuständigen Behörde zur Zulassung vor.

b)

Nach Vorlage des Nachrüstprogramms trifft die zuständige Behörde eine endgültige Entscheidung auf der Grundlage des Nachrüstprogramms und der Bestimmungen dieser Richtlinie darüber, ob der Betrieb fortgesetzt werden kann. Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, damit Deponien, die keine Zulassung nach Artikel 8 für den Weiterbetrieb erhalten haben, gemäß Artikel 7 Buchstabe g) und Artikel 13 so bald wie möglich stillgelegt werden.

c)

Auf der Grundlage des autorisierten Nachrüstprogramms genehmigt die zuständige Behörde die notwendigen Arbeiten und legt eine Übergangsfrist für die Durchführung dieses Programms fest. Alle vorhandenen Deponien müssen binnen acht Jahren nach dem in Artikel 18 Absatz 1 genannten Zeitpunkt die Anforderungen dieser Richtlinie mit Ausnahme der Anforderungen in Anhang I Nummer 1 erfüllen.

...“

9

In Art. 18 („Umsetzung“) Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 1999/31 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich hiervon in Kenntnis.“

10

Nr. 1 des Anhangs I dieser Richtlinie lautet wie folgt:

„Standort

1.1.

Bei der Standortwahl für eine Deponie müssen Anforderungen hinsichtlich folgender Faktoren berücksichtigt werden:

a)

die Entfernungen von der Deponiebegrenzung zu Wohn- und Erholungsgebieten, Wasserwegen, Gewässern und anderen landwirtschaftlichen oder städtischen Flächen;

b)

das Vorhandensein von Grundwasser, Küstengewässer oder Naturschutzgebieten in dem Gebiet;

c)

die geologischen und hydrogeologischen Bedingungen des Gebietes;

d)

Gefahr von Überflutung, Bodensenkungen, Erdrutschen oder Lawinen auf dem Gelände;

e)

Schutz des natürlichen oder kulturellen Erbes des Gebietes.

1.2.

Die Deponie kann nur zugelassen werden, wenn angesichts der Merkmale des Standorts hinsichtlich der oben genannten Anforderungen oder angesichts der zu treffenden Abhilfemaßnahmen zu erwarten ist, dass die Deponie keine ernste Gefahr für die Umwelt darstellt.“

11

Art. 2 der Richtlinie 2001/42 sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

a)

‚Pläne und Programme‘ Pläne und Programme, einschließlich der von der Europäischen Gemeinschaft mitfinanzierten, sowie deren Änderungen,

die von einer Behörde auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene ausgearbeitet und/oder angenommen werden oder die von einer Behörde für die Annahme durch das Parlament oder die Regierung im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet werden und

die aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erstellt werden müssen;

...“

12

Art. 13 der Richtlinie sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie vor dem 21. Juli 2004 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

...

(3)   Die Verpflichtung nach Artikel 4 Absatz 1 gilt für die Pläne und Programme, deren erster förmlicher Vorbereitungsakt nach dem in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Zeitpunkt erstellt wird. …“

Belgisches Recht

13

Das Dekret der Wallonischen Region vom 27. Juni 1996 über Abfälle (Moniteur belge vom 2. August 1996, S. 20685) in der zuletzt durch das Dekret der Wallonischen Region vom 16. Oktober 2003 (Moniteur belge vom 23. Oktober 2003, S. 51644) geänderten Fassung (im Folgenden: Dekret von 1996) sieht in Art. 24 §§ 1 und 2 vor:

„§ 1   Die Regierung erstellt gemäß den Artikeln 11 bis 16 des Dekrets vom 21. April 1994 über die Planung für eine nachhaltige Umweltentwicklung einen Abfallbewirtschaftungsplan. Dabei handelt es sich um ein sektorielles Programm im Sinne dieses Dekrets. Es kann eine nach Art der Abfälle oder nach Tätigkeitssektor strukturierte Planung umfassen.

Der Plan umfasst insbesondere:

1.

eine Beschreibung von Art, Menge und Herkunft der Abfälle, der Art und Weise der Bewirtschaftung der jährlich erzeugten und verbrachten Abfälle, der in Betrieb stehenden Anlagen sowie der belegten Flächen;

...

Der Plan wird versehen mit Angaben … zu seinen voraussichtlichen Auswirkungen auf die Umwelt.

§ 2   Die Regierung erstellt gemäß dem in den Artikeln 25 und 26 vorgesehenen Verfahren einen Plan der technischen Vergrabungszentren, der die Flächen ausweist, die für die Einrichtung und den Betrieb von technischen Vergrabungszentren in Betracht kommen, mit Ausnahme der Vergrabungszentren, die der ausschließlichen Nutzung durch den Abfallerzeuger vorbehalten sind.

Technische Vergrabungszentren, die nicht in dem nach diesem Paragrafen zu erstellenden Plan vorgesehen sind und nicht der ausschließlichen Nutzung durch den Abfallerzeuger dienen, können nicht genehmigt werden.“

14

Art. 25 § 2 Abs. 1 des Dekrets von 1996 sieht vor:

„Der Planentwurf der technischen Vergrabungszentren wird einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen …“

15

In Ausführung von Art. 24 §§ 1 und 2 des Dekrets von 1996 erließ die wallonische Regierung am 15. Januar 1998 den wallonischen Abfallplan „Horizon 2010“ (Moniteur belge vom 21. April 1998, S. 11806) sowie am 1. April 1999 den Plan der technischen Vergrabungszentren (Moniteur belge vom 13. Juli 1999, S. 26747), der am 13. Juli 1999 in Kraft trat.

16

Art. 70 des Dekrets von 1996 bestimmt:

„Solange der in Artikel 24 § 2 bezeichnete Plan der technischen Vergrabungszentren nicht in Kraft getreten ist, können aufgrund von Anträgen auf Genehmigung der Errichtung und des Betriebes technischer Vergrabungszentren im Sinne von Artikel 11 und auf städtebauliche Genehmigung im Sinne von Artikel 41 § 1 des Wallonischen Gesetzbuchs über die Raumordnung, den Städtebau und das Natur- und Kulturerbe, die vor Erlass des vorliegenden Dekrets durch das Parlament für zulässig erklärt wurden, in Industrie-, Landwirtschafts- und Abbaugebieten im Sinne der Artikel 172, 176 und 182 des genannten Gesetzbuchs Umweltgenehmigungen und städtebauliche Genehmigungen erteilt werden.

In Abweichung von Art. 24 § 2 können die Anträge, die sich – mit Ausnahme von Vergrabungszentren, die ausschließlich durch den ursprünglichen Abfallerzeuger benutzt werden dürfen – auf früher genehmigte technische Vergrabungszentren beziehen, die vor dem Inkrafttreten des in Art. 24 § 2 erwähnten Plans der technischen Vergrabungszentren bestanden oder Gegenstand einer Erlaubnis oder Genehmigung in Anwendung von Absatz 1 des vorliegenden Artikels waren, was das Datum der Einreichung des Antrags auch sei, je nach Fall Anlass zu einer Umweltgenehmigung, Globalgenehmigung oder städtebaulichen Genehmigung geben, und zwar in den Zonen des Sektorenplans, wo diese technischen Vergrabungszentren früher genehmigt waren, um auf den Parzellen, die den Gegenstand dieser Erlaubnis oder Genehmigung bilden, die Verlängerung des Betriebs, die Änderung der Betriebsbedingungen, einschließlich derjenigen, die sich auf das genehmigte Volumen beziehen, oder die Abänderung des Bodenreliefs über das ursprünglich Genehmigte hinaus zu erlauben. Der vorliegende Absatz bezieht sich nur auf die genehmigten technischen Vergrabungszentren, die in Titel VII Kapitel 1 des am 1. April 1999 verabschiedeten Plans der technischen Vergrabungszentren erwähnt sind.

...“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

17

Der Ausgangsrechtsstreit betrifft die Genehmigung zum Betrieb und zum Ausbau eines technischen Vergrabungszentrums von ungefährlichen Haushalts- und Industrieabfällen, das seit dem Jahr 1958 in Mont-Saint-Guibert (Belgien) am Standort „Trois burettes“ betrieben wird.

18

Am 20. Mai 2003 stellte das Unternehmen Page, nunmehr Shanks SA, einen Antrag auf eine „Globalgenehmigung“ zur Fortführung des Betriebs und zur Durchführung verschiedener Erweiterungsarbeiten dieses technischen Vergrabungszentrums.

19

Eine Genehmigung wurde am 18. Dezember 2003 vom Collège communal (Gemeindekollegium) von Mont-Saint-Guibert erteilt und anschließend von der wallonischen Regierung nach einigen Änderungen durch einen Ministerialerlass vom 10. Mai 2004 bestätigt, der Gegenstand einer Nichtigkeitsklage vor dem vorlegenden Gericht ist.

20

Zur Stützung ihrer Klage rügen die Kläger des Ausgangsverfahrens die Vereinbarkeit von Art. 70 Abs. 2 des Dekrets von 1996, auf dessen Grundlage diese Genehmigung erteilt wurde, mit dem Unionsrecht. Sie machen zunächst geltend, dieser Artikel stehe nicht mit Art. 7 der Richtlinie 75/442 in Einklang, da er die Genehmigung zum Betrieb von Deponien auf nicht vom Abfallbewirtschaftungsplan vorgesehenen Standorten erlaube, womit sich deren Standort nicht aus Umweltkriterien ergebe. Sodann machen sie geltend, dass sich daraus auch ein Verstoß gegen Art. 8 Buchst. b der Richtlinie 1999/31 ergebe, wonach das Deponievorhaben, um genehmigt zu werden, mit dem in Art. 7 der Richtlinie 75/442 genannten Abfallbewirtschaftungsplan in Einklang stehen müsse. Schließlich sind die Kläger der Auffassung, dass Art. 70 Abs. 2 des Dekrets von 1996 geeignet sei, ernsthaft die Ziele der Richtlinie 2001/42 zu gefährden, die verlange, dass eine Umweltprüfung für alle im Bereich der Abfallbewirtschaftung ausgearbeiteten Pläne und Programme durchzuführen sei.

21

Unter diesen Umständen hat der Conseil d’État beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 7 der Richtlinie 75/442/EWG über Abfälle dahin auszulegen, dass danach eine Rechtsnorm als Abfallbewirtschaftungsplan eingestuft werden kann, nach der – in Abweichung von der Regel, dass außerhalb der im Abfallbewirtschaftungsplan vorgesehenen Flächen kein technisches Vergrabungszentrum genehmigt werden darf – für technische Vergrabungszentren, die vor dem Inkrafttreten des Abfallbewirtschaftungsplans genehmigt wurden, nach dessen Inkrafttreten neue Genehmigungen in Bezug auf Parzellen erteilt werden können, die Gegenstand der vor dem Inkrafttreten des Abfallbewirtschaftungsplans erteilten Genehmigung waren?

2.

Ist Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme dahin auszulegen, dass der Ausdruck „Pläne und Programme“ eine Rechtsnorm einbezieht, nach der – in Abweichung von der Regel, dass außerhalb der im Abfallbewirtschaftungsplan, der durch Art. 7 der Richtlinie 75/442 über Abfälle vorgeschrieben ist, vorgesehenen Flächen kein technisches Vergrabungszentrum genehmigt werden darf – für technische Vergrabungszentren, die vor dem Inkrafttreten des Abfallbewirtschaftungsplans genehmigt wurden, nach dessen Inkrafttreten neue Genehmigungen in Bezug auf Parzellen erteilt werden können, die Gegenstand der vor dem Inkrafttreten des Abfallbewirtschaftungsplans erteilten Genehmigung waren?

3.

Wenn die zweite Frage zu bejahen ist: Entspricht Art. 70 Abs. 2 des Dekrets vom 27. Juni 1996 über Abfälle in der Fassung des Dekrets vom 16. Oktober 2003 den durch die Richtlinie 2001/42 aufgestellten Erfordernissen der Prüfung der Auswirkungen?

Antwort des Gerichtshofs

Zur zweiten und zur dritten Frage

22

Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zuerst und zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42 dahin auszulegen ist, dass eine nationale Rechtsnorm wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, der zufolge – in Abweichung von der Regel, dass außerhalb der im Abfallbewirtschaftungsplan, der durch Art. 7 der Richtlinie 75/442 vorgeschrieben ist, vorgesehenen Flächen kein technisches Vergrabungszentrum genehmigt werden darf – für technische Vergrabungszentren, die vor dem Inkrafttreten dieses Plans genehmigt wurden, nach dessen Inkrafttreten neue Genehmigungen für dieselben Parzellen erteilt werden können, einen „Plan“ oder ein „Programm“ im Sinne dieser Bestimmung der Richtlinie 2001/42 darstellt. Gegebenenfalls fragt das vorlegende Gericht, ob ein solcher Plan oder ein solches Programm die von dieser Richtlinie vorgesehenen Umweltanforderungen beachtet.

23

Jedoch ist mangels jeglichen Hinweises in der Vorlageentscheidung, dass das mit dem Rechtsstreit befasste Gericht für seine Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung auf den Tag seiner Entscheidung abzustellen hätte, festzustellen, dass die Richtlinie 2001/42 auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar ist, da sowohl die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Genehmigung vom 18. Dezember 2003 als auch der sie bestätigende Ministerialerlass vom 10. Mai 2004 vor Ablauf ihrer Umsetzungsfrist erlassen wurden (vgl. entsprechend Urteil Commune de Braine-le-Château u. a., C‑53/02 und C‑217/02, EU:C:2004:205, Rn. 45).

24

Deshalb sind die zweite und die dritte vom vorlegenden Gericht gestellte Frage nicht zu beantworten.

Zur ersten Frage

25

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 75/442 dahin auszulegen ist, dass eine nationale Rechtsnorm wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, der zufolge – in Abweichung von der Regel, dass außerhalb der Flächen, die der durch diesen Artikel vorgeschriebene Abfallbewirtschaftungsplan vorsieht, kein technisches Vergrabungszentrum genehmigt werden darf – für technische Vergrabungszentren, die vor dem Inkrafttreten dieses Plans genehmigt wurden, nach dessen Inkrafttreten neue Genehmigungen für dieselben Parzellen erteilt werden können, einen „Abfallbewirtschaftungsplan“ im Sinne dieser Bestimmung der Richtlinie 75/442 darstellt.

26

Vorab ist festzustellen, dass die dem Gerichtshof vorgelegten Akten sowie die Antworten, die die Beteiligten auf die ihnen vom Gerichtshof gemäß Art. 61 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshof gestellte schriftliche Frage gegeben haben, bedeutsame Meinungsverschiedenheiten über die Tragweite der im Ausgangsverfahren fraglichen Bestimmung und insbesondere über die Frage offenbaren, ob es diese Bestimmung gestattet, von der Raumplanung, die sich aus dem Bewirtschaftungsplan für die technischen Vergrabungszentren des Mitgliedstaats ergibt, für die Erneuerung einer Genehmigung zum Betrieb von Abfalldeponien, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Plans bereits genehmigt waren, abzuweichen. So geht aus einigen der dem Gerichtshof übermittelten Erklärungen hervor, dass dies nicht der Fall sei, da diese Bestimmung nur die bestehenden und als solche auf diesem Plan verzeichneten Abfalldeponien betreffe.

27

Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, in den Rechtssachen, mit denen es befasst ist, das nationale Recht auszulegen, um seine genaue Tragweite zu bestimmen.

28

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 75/442 zur Verwirklichung der in den Art. 3 bis 5 der Richtlinie aufgeführten Ziele so bald wie möglich einen oder mehrere Abfallbewirtschaftungspläne zu erstellen haben. Nach derselben Vorschrift umfassen diese Pläne insbesondere Art, Menge und Ursprung der zu verwertenden oder zu beseitigenden Abfälle, allgemeine technische Vorschriften, besondere Vorkehrungen für bestimmte Abfälle sowie geeignete Flächen für Deponien und sonstige Beseitigungsanlagen.

29

Daraus folgt, dass eine nationale Rechtsnorm wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, wenn sie sich in der Festlegung erschöpfte, dass in Abweichung von den allgemeinen Rechtsvorschriften die Genehmigung zum Betrieb der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abfallbewirtschaftungsplans in dem betreffenden Mitgliedstaat bereits genehmigten Abfalldeponien für dieselben Parzellen erteilt werden kann, auch wenn diese nicht auf dem Plan verzeichnet sind, nicht allein als ein geordnetes und gegliedertes System zur Verwirklichung dieser für einen „Abfallbewirtschaftungsplan“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 75/442 grundlegenden Ziele angesehen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Griechenland, C‑387/97, EU:C:2000:356, Rn. 76).

30

Allerdings hindert nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Umstand, dass das vorlegende Gericht eine Vorlagefrage unter Bezugnahme nur auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, den Gerichtshof nicht daran, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache von Nutzen sein können. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. u. a. in diesem Sinne Urteil Texdata Software, C‑418/11, EU:C:2013:588, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31

Unter diesen Umständen ist auch zu prüfen, ob der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbare Art. 8 der Richtlinie 1999/31 einer nationalen Rechtsnorm wie der vom vorlegenden Gericht genannten entgegensteht.

32

Hierzu ist festzustellen, dass aus Art. 8 Buchst. a und b der Richtlinie 1999/31 hervorgeht, dass eine Genehmigung für den Betrieb einer Deponie nur dann erteilt werden darf, wenn das Deponievorhaben mit dem Abfallbewirtschaftungsplan nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 75/442 in Einklang steht.

33

Jedoch unterstellt Art. 14 der – spätestens bis zum 16. Juli 2001 umzusetzenden – Richtlinie 1999/31 die Deponien, „die zum Zeitpunkt der Umsetzung dieser Richtlinie über eine Zulassung verfügen oder in Betrieb sind“, einer abweichenden Übergangsregelung.

34

Dabei ergibt sich aus dieser Übergangsregelung, dass diese Deponien, um weiterbetrieben werden zu können, spätestens binnen acht Jahren ab dem 16. Juli 2001 mit den in Art. 8 der Richtlinie 1999/31 aufgezählten neuen Umweltanforderungen mit Ausnahme derjenigen in Anhang I Nr. 1 in Einklang gebracht werden mussten. Diese Ausnahme bezieht sich jedoch genau auf die Anforderungen hinsichtlich des Standorts der Deponie.

35

Nach Art. 14 der Richtlinie 1999/31 darf daher, sofern die anderen in diesem Art. 14 genannten Voraussetzungen erfüllt sind, eine Deponie, die zum Zeitpunkt der Umsetzung dieser Richtlinie durch den Mitgliedstaat über eine Zulassung verfügt oder in Betrieb ist, weiterbetrieben werden und Gegenstand neuer Genehmigungen sein, auch wenn sie nicht auf der Liste der Standorte steht, die der gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 75/442 erlassene Abfallbewirtschaftungsplan vorsieht.

36

Folglich steht Art. 8 der Richtlinie 1999/31 einer nationalen Rechtsnorm wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die ihre Rechtsgrundlage in Art. 14 dieser Richtlinie finden und für Deponien gelten kann, die zum Zeitpunkt der Umsetzung der Richtlinie über eine Zulassung verfügen oder in Betrieb sind, nicht entgegen, sofern die anderen in diesem Art. 14 genannten Voraussetzungen gewahrt sind, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

37

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 75/442 dahin auszulegen ist, dass eine nationale Rechtsnorm wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, der zufolge – in Abweichung von der Regel, dass außerhalb der Flächen, die der durch diesen Artikel vorgeschriebene Abfallbewirtschaftungsplan vorsieht, kein technisches Vergrabungszentrum genehmigt werden darf – für technische Vergrabungszentren, die vor dem Inkrafttreten dieses Plans genehmigt wurden, nach dessen Inkrafttreten neue Genehmigungen für dieselben Parzellen erteilt werden können, keinen „Abfallbewirtschaftungsplan“ im Sinne dieser Bestimmung der Richtlinie 75/442 darstellt. Art. 8 der Richtlinie 1999/31 steht jedoch einer solchen nationalen Rechtsnorm, die ihre Rechtsgrundlage in Art.14 dieser Richtlinie finden und für Deponien gelten kann, die zum Zeitpunkt ihrer Umsetzung über eine Zulassung verfügen oder in Betrieb sind, nicht entgegen, sofern die anderen in diesem Art. 14 genannten Voraussetzungen gewahrt sind, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Kosten

38

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der durch den Beschluss 96/350/EG der Kommission vom 24. Mai 1996 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine nationale Rechtsnorm wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, der zufolge – in Abweichung von der Regel, dass außerhalb der Flächen, die der durch diesen Artikel vorgeschriebene Abfallbewirtschaftungsplan vorsieht, kein technisches Vergrabungszentrum genehmigt werden darf – für technische Vergrabungszentren, die vor dem Inkrafttreten dieses Plans genehmigt wurden, nach dessen Inkrafttreten neue Genehmigungen für dieselben Parzellen erteilt werden können, keinen „Abfallbewirtschaftungsplan“ im Sinne dieser Bestimmung der Richtlinie 75/442 in der durch den Beschluss 96/350 geänderten Fassung darstellt.

 

Art. 8 der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien in der durch die Richtlinie 2011/97/EU des Rates vom 5. Dezember 2011 geänderten Fassung steht jedoch einer solchen nationalen Rechtsnorm, die ihre Rechtsgrundlage in Art.14 dieser Richtlinie finden und für Deponien gelten kann, die zum Zeitpunkt ihrer Umsetzung über eine Zulassung verfügen oder in Betrieb sind, nicht entgegen, sofern die anderen in diesem Art. 14 genannten Voraussetzungen gewahrt sind, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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