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Document 52009AE1705

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein umfassendes Klimaschutzübereinkommen als Ziel für Kopenhagen“ KOM(2009) 39 endg.

ABl. C 128 vom 18.5.2010, p. 116–121 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

18.5.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 128/116


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein umfassendes Klimaschutzübereinkommen als Ziel für Kopenhagen“

KOM(2009) 39 endg.

(2010/C 128/22)

Berichterstatter: Thomas McDONOGH

Die Europäische Kommission beschloss am 28. Januar 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein umfassendes Klimaschutzübereinkommen als Ziel für Kopenhagen“

KOM(2009) 39 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 2. September 2009 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 457. Plenartagung am 4./5. November 2009 (Sitzung vom 5. November) mit 168 gegen 2 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ist sehr enttäuscht, dass die Staats- und Regierungschefs der EU immer noch keine Einigung über die Finanzierung der Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels erzielen konnten.

1.2.   Der Ausschuss empfiehlt, im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen ein langfristiges Ziel (bis 2050) für die CO2-Emissionen von 2 Tonnen pro Kopf und Jahr festzulegen, um die Erderwärmung auf unter 2 °C zu beschränken.

1.3.   Der Ausschuss bekräftigt, dass die EU sich das ehrgeizige Zwischenziel setzen sollte, die globalen Treibhausgasemissionen bis 2020 um 30 % im Vergleich zu 1990 zu verringern, vorausgesetzt andere Industrie- und Schwellenländer verpflichten sich auf vergleichbare Emissionssenkungen.

1.4.   Die Industrieländer sollten ihren Klimagasausstoß bis 2050 gegenüber 1990 um mindestens 80 % senken.

1.5.   Der Ausschuss schließt sich der Meinung der Kommission an, dass die Entwicklungsländer als Gruppe (ausgenommen die am wenigsten entwickelten Länder in Afrika) sich darauf verpflichten sollten, die Zunahme ihrer Emissionen bis 2020 auf 15 bis 30 % weniger als in einem „Business-as-usual“-Szenario zu begrenzen.

1.6.   Die Emissionen aus dem Luft- und Seeverkehr sollten in die Verhandlungen in Kopenhagen einbezogen werden.

1.7.   Der Ausschuss wiederholt die Notwendigkeit, die Abholzung der Tropenwälder bis 2020 um mindestens 50 % gegenüber den derzeitigen Werten zu verringern, wobei gleichzeitig eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wald-, Grünland-, Feucht- und Torfgebiete in den übrigen Industrieländern sowie in Zukunft auch in den Entwicklungsländern sichergestellt werden muss.

1.8.   Wie die Kommission befürwortet auch der Ausschuss eine internationale Vereinbarung, um den im Kyoto-Protokoll genannten Gasen weitere fluorierte Treibhausgase hinzuzufügen.

1.9.   Es müssen angemessene finanzielle Mittel für die globale (und regionale) klimawandelrelevante Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration bereitgestellt werden.

1.10.   Der Ausschuss befürwortet eine proaktive Bildungspolitik und Öffentlichkeitsarbeit zur Förderung des Verständnisses des Klimawandels und seiner Auswirkungen, die sich an die Bürger Europas und darüber hinaus richtet.

1.11.   Die derzeitige weltweite Rezession darf kein Grund dafür sein, dass dringend benötigte, entscheidende Klimaschutzmaßnahmen nicht ergriffen werden.

2.   Einleitung

2.1.   In Anbetracht der seit Vorlage des Vierten Sachstandsberichts (AR4) des IPCC (Weltklimarat) gewonnenen jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse ist der Ausschuss mehr denn je überzeugt, dass und unmittelbar Maßnahmen ergriffen werden müssen.

2.2.   Eine Erderwärmung von 2 °C gegenüber vorindustriellen Werten wurde von den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten 1996 als maximal vertretbare Obergrenze vorgegeben und seither auf Tagungen des Europäischen Rates und des Umweltrates und jüngst auch von der EU Climate Change Expert Group bekräftigt, denn ein höherer Temperaturanstieg würde aufgrund von gesundheitlichen Auswirkungen, Wasserverknappung, Ernährungsunsicherheit und Klimaflucht voraussichtlich zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Spannungen führen. Die 2 °C-Grenze kann jedoch keineswegs als sicher gelten, da beispielsweise das arktische Meereis schon bei der derzeitigen globalen Durchschnittstemperatur, die 0,8 °C höher liegt als vorindustrielle Werte, wesentlich schneller schmilzt als erwartet.

2.3.   Die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse sind alarmierender als die Schlussfolgerungen des Vierten Sachstandberichts des IPCC. Das Global Carbon Project hat bestätigt, dass die Kohlendioxidemissionen beschleunigt ansteigen und ihre Zunahme (durchschnittlich 3,5 % in den Jahren 2000-2007, also nahezu das Vierfache des Jahresdurchschnitts von 0,9 % zwischen 1990 und 1999) sogar das pessimistische Szenario des Sonderberichts des Weltklimarates über Emissionsszenarien übertrifft.

3.   Emissionsziele

3.1.   Hintergrundinformationen

Auf das Konto der Industrieländer mit ca. 1 Mrd. Einwohner bei einer Weltbevölkerung von insgesamt 6,7 Mrd. Menschen im Jahr 2008 gehen ca. 70 % aller Emissionen seit 1950. Künftig werden die sog. „Entwicklungs“länder den Großteil der Emissionen verursachen.

Die weltweiten Emissionen lagen 1990 und 2000 bei rund 40 Gt Kohlendioxidäquivalente jährlich und 2008 bei rund 50 Gt Kohlendioxidäquivalente jährlich. Die weltweiten CO2-Emissionen pro Kopf und pro Jahr beliefen sich 1990 und 2000 auf 7 bis 7,5 t und 2008 auf nahezu 8 t. Zu diesem Schluss gelangt auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, demzufolge die Treibhausgasemissionen bis 2050 um mehr als 50 % im Vergleich zu 1990 gesenkt werden müssen, wenn das Risiko einer Erderwärmung von über 2 °C höchstens 25 % (ein immer noch nicht unerhebliches Risiko) betragen soll.

3.2.   Der Ausschuss empfiehlt, im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem einhelligen wissenschaftlichen Konsens ein längerfristiges Ziel (bis 2050) von 2 Tonnen Kohlendioxidäquivalenten pro Kopf und Jahr festzulegen, das dem Zielwert für eine Stabilisierung der Klimagasemissionen bei ca. 500 ppm Kohlendioxidäquivalenten entspricht. Das Ziel von 2 Tonnen pro Kopf und Jahr sollte auf nationaler Ebene gefördert werden.

3.3.   Der Ausschuss befürwortet die von der Kommission genannten Emissionsminderungsziele, dass nämlich die globalen Emissionen bis 2050 gegenüber 1990 um mindestens 50 % gesenkt werden müssen.

3.4.   Der Ausschuss stimmt dem Vierten Sachstandsbericht des IPCC (AR4) und den Erkenntnissen aus jüngeren Untersuchungen zu, dass sich die Industrieländer zu einer Reduzierung bis 2050 um mindestens 80 % gegenüber 1990 verpflichten sollten.

Die EU ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat sich einseitig verpflichtet, ihre Emissionen bis 2020 um 20 % gegenüber 1990 zu reduzieren.

3.5.   Der Ausschuss stimmt außerdem mit der Kommission überein, dass die EU sich wie vorgeschlagen eine weitreichendere Emissionsminderung, und zwar um 30 %, zum Ziel setzen sollte, vorausgesetzt, andere Industrieländer verpflichten sich auf vergleichbare und die Schwellenländer auf angemessene Emissionssenkungen. Auf die genannten Ziele sollten sich nicht nur alle Anhang-I-Länder von Kyoto verpflichten, sondern alle OECD-Mitgliedstaaten und alle EU-Mitgliedstaaten, Bewerberländer und potenziellen Bewerberländer. Das Engagement der Industrieländer ist dringend notwendig, wenn nicht gar unabdingbar, damit die Entwicklungsländer ihrem Beispiel folgen und entsprechende Ziele aufstellen. Im Hinblick auf diese Ziele sollte ein Fahrplan mit „Jahrzehnt-Zielen“ für 2030 und 2040 aufgestellt werden, die auf der Grundlage der jeweils aktuellsten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse regelmäßig überprüft werden.

3.6.   Der Ausschuss hegt große Sorge angesichts der wesentlich weniger ehrgeizigen Vorschläge anderer wichtiger Industriestaaten wie der Vereinigten Staaten und Japan, die weit hinter den obengenannten Zielen für 2020 zurückbleiben. Der Ausschuss für Handel und Energie des US-Kongresses nahm am 21. Mai 2009 eine Gesetzesvorlage über Energie und Klimawandel an, in der bis 2020 eine 17 %ige Emissionsminderung im Vergleich zu 2005 (und nicht im Vergleich zu den bedeutend niedrigeren Werte von 1990!) und bis 2050 eine Verringerung um 83 % gefordert wird. Die 930 Seiten umfassende Vorlage muss jedoch noch von der US-Regierung in Kraft gesetzt werden, was voraussichtlich nicht rechtzeitig vor der Kopenhagener Konferenz im Dezember möglich ist. Dies könnte erheblichen Einfluss auf den Erfolg der Kopenhagener Konferenz haben.

3.7.   Der Ausschuss kritisiert auch das Fehlen konkreter finanzieller Verpflichtungen seitens der G8-Staaten, weiterer acht Länder und der EU, die an dem Forum der führenden Wirtschaftsnationen zu den Themen Energie und Klima (Major Economies Forum (MEF) on Energy and Climate) am 9. Juli 2009 in L'Aquila (Italien) teilnahmen. Man einigte sich zwar auf ein langfristiges globales Ziel für Emissionssenkungen um mindestens 50 % bis 2050 sowie - als Teil dieses Ziels - um mindestens 80 % in den Industrieländern bis zum gleichen Jahr, doch wurde weder ein Referenzjahr für die Emissionssenkungen noch ein Halbzeit-Ziel (2020) festgelegt.

3.8.   Der Ausschuss schließt sich der Meinung der Kommission an, dass die Entwicklungsländer als Gruppe (ausgenommen die am wenigsten entwickelten Länder in Afrika) sich ihrerseits darauf verpflichten sollten, die Zunahme ihrer Emissionen bis 2020 auf 15 bis 30 % weniger als in einem „Business-as-usual“-Szenario zu begrenzen.

Zur Verwirklichung dieser Ziele bedarf es frühzeitiger und abgestimmter Maßnahmen.

3.9.   Nach Auffassung des Ausschusses sind die Treibhausgasemissionen in Kohlendioxidäquivalenten pro Kopf ein ausgewogenes Kriterium für die Emissionsminderungsziele in den Industrie- und Entwicklungsländern, da jeder Bürger die gleichen „Emissionsrechte“ haben sollte.

3.10.   Parameter wie die sogenannte Kohlenstoffintensität [Kohlendioxid-Emissionen pro BIP-Einheit] könnten als Emissionsminderungs-Messgröße herangezogen werden. Der Ausschuss hält es jedoch für notwendig, bei ihrer Anwendung Vorsicht walten zu lassen, da eine Verringerung der Kohlenstoffintensität schon durch eine Steigerung des BIP anstatt einer Senkung der Gesamtemissionen des betreffenden Landes erreicht werden kann.

4.   Emissionen aus Luft- und Seeverkehr

4.1.   Emissionen

4.1.1.   Die Emissionen aus dem internationalen (und nationalen) Luftverkehr sowie aus dem Seeverkehr nehmen weltweit zu. So ist der Klimagasausstoß des internationalen Luft- und Seeverkehrs zwischen 1990 und 2004 jährlich um 4,5 % respektive 2,75 % gestiegen. Nichtsdestotrotz werden diese Emissionen in der Klimarahmenkonvention beziehungsweise dem Kyoto-Protokoll nicht erfasst. Ausgehend von den luftverkehrsbedingten CO2-Emissionen 2007 entfallen auf den Luftverkehr ca. 2 % der globalen Klimagasemissionen; dieser Anteil dürfte in naher Zukunft steigen. Die Internationale Luftverkehrsorganisation IATA hat im Juni 2009 eine Reihe von Zielen zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen aus dem Luftverkehr angenommen und vorgeschlagen, dass diese Emissionen vielmehr auf internationaler denn auf regionaler oder lokaler Ebene verrechnet (d.h. bezahlt) werden. Aktuellen Berichten der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO zufolge beläuft sich der Ausstoß des internationalen Seeverkehrs auf ca. 843 MT CO2 jährlich [ca. 3,5 % der globalen Klimagas-Gesamtemissionen], was dem Treibhausgasausstoß eines großen Industrielandes wie beispielsweise Deutschland entspricht.

4.2.   Ziele

4.2.1.   Der Ausschuss befürwortet wie die Kommission die Einbeziehung der Emissionen aus dem internationalen Luft- und Seeverkehr in das Klimaübereinkommen von Kopenhagen: „Senkung der Emissionen unter den Stand von 2005 bis 2020 und erheblich unter den Stand von 1990 bis 2050“. Er stimmt auch darin mit ihr überein, dass die Emissionen aus dem internationalen Luft- und Seeverkehr in die nationalen Gesamtemissionsmengen im Rahmen des Kopenhagener Übereinkommens eingerechnet werden sollten, wenn bis Ende 2010 im Rahmen der ICAO und der IMO keine Einigung über Emissionsminderungsziele erreicht wird. Der Ausschuss bekräftigt, dass die Anwendung eines Emissionshandelssystems auf den Seeverkehr jedoch weitaus komplexer als auf die Luftfahrt ist und ein alternatives internationales System erheblich wirksamer als ein europäisches oder regionales System sein könnte (siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Eine umweltfreundliche See- und Binnenschifffahrt“).

5.   Emissionen aufgrund von Bodennutzung und veränderter Bodennutzung

5.1.   Auf veränderte Bodennutzung, überwiegend durch Abholzung, Verbrennung von Torf u.Ä., gehen 17,4 % der aktuellen weltweiten Emissionen zurück.

5.2.   Aufgrund des hohen Emissionsanteils, der durch die Veränderung der Bodennutzung verursacht wird, bekräftigt der Ausschuss die Notwendigkeit, die Abholzung der Tropenwälder bis 2020 um mindestens 50 % gegenüber den derzeitigen Werten zu verringern (siehe die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Bekämpfung der Entwaldung und der Waldschädigung zur Eindämmung des Klimawandels und des Verlusts der biologischen Vielfalt“).

5.3.   Gleichzeitig muss eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wald-, Grünland-, Feucht- und Torfgebiete zunächst in den Industrieländern (sowie in Zukunft auch in den Entwicklungsländern) sichergestellt werden, um die Kohlenstoffbindung auch in diesen Ländern zu gewährleisten. Alle Länder sollten Maßnahmen treffen, um die Abholzung einzudämmen.

5.4.   Europa sollte beim Waldschutz mit gutem Beispiel vorangehen und z.B. Zertifizierungen für Holzerzeugnisse aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern vorschreiben.

5.5.   Die Beziehungen zwischen dem Klimawandel und der Landwirtschaft sind Gegenstand einer gesonderten Stellungnahme des Ausschusses (1) und werden an dieser Stelle deshalb nicht weiter ausgeführt.

6.   Sektorspezifischer Ansatz im Rahmen der Klimaschutzverhandlungen

6.1.   Der Ausschuss schlägt vor, einen sektorspezifischen Ansatz als Ergänzung zu den Klimaschutzverhandlungen in Betracht zu ziehen. So könnten beispielsweise nach dem Vorbild eines Berichts einer Arbeitsgruppe für das Kyoto-Protokoll freiwillige/zwingende quantitative/qualitative Ziele in bestimmten Bereichen (z.B. Strom, Eisen und Stahl, Zement) zusätzlich zu den nationalen Emissionszielen vereinbart werden. Dieser sektorspezifische Ansatz wird in Bezug auf Anpassungsoptionen für ein globales Klimaschutzübereinkommen in einem Bericht weiter ausgeführt.

7.   Fluorierte Gase

7.1.   Der Ausschuss befürwortet die vorgeschlagene Einbeziehung verschiedener neuer Industriechemikalien in ein künftiges Klimaübereinkommen. Das in der Produktion von Computern und Flachbildschirmen verwendete Stickstofftrifluorid (NF3) beispielsweise ist 17 000 Mal schädlicher als Kohlendioxid. Flurkohlenwasserstoffe (FKW) fallen nicht unter das Montrealer Protokoll und werden anstatt FCKW eingesetzt. Erörtert werden außerdem neue Arten von Perfluor-Kohlenwasserstoffen (PFC) und Fluorkohlenwasserstoffen (HFC), Trifluormethyl-Schwefelpentafluorid (SF5CF3), fluorierte Ether, Perfluorpolyether (PFPE) und Kohlenwasserstoffe (KW). Die chemische Industrie sollte dazu angehalten werden, Ersatzgase für neue Industriegase mit hohem Treibhausgaspotenzial herzustellen.

7.2.   Ziele

7.2.1.   Wie die Kommission befürwortet auch der Ausschuss eine internationale Vereinbarung, um die folgenden fluorierten Treibhausgase (F-Gase) den im Kyoto-Protokoll genannten Gasen hinzuzufügen: neue Arten von HFC, PFC sowie Trifluormethyl-Schwefelpentafluorid, fluorierte Ether, PFPE und Kohlenwasserstoffe, für die zunächst Grenzwerte und dann Minderungsziele festgelegt werden sollten.

7.2.2.   Die Überwachung und Kontrolle der Konzentrationsmengen der neuen F-Gase sollte ein wichtiger Aspekt internationaler Vereinbarungen sein.

8.   Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgasemissionen

8.1.   Nach Überzeugung des Ausschusses sollten die Regierungen kostengünstige Maßnahmen zur Verringerung des Energieverbrauchs wie Energieeffizienzmaßnahmen in Gebäuden durch Regelung und Normung nachdrücklich fördern. So können Rechtsvorschriften zur Förderung von Abfallvermeidung und Recycling angenommen oder Beihilfen aufgelegt werden, um Anreize für die Bürger zu schaffen, ihre Häuser mit Solarpanelen auszustatten, sie besser zu dämmen usw.

8.2.   Erneuerbare Energieträger sollten ebenfalls gefördert werden. So sollten beispielsweise Beihilfen zur Errichtung von Windturbinen zur Stromerzeugung mit der Möglichkeit der Einspeisung ins Stromnetz und zur Nutzung von Biogas-Anlagen bereitgestellt werden, in denen mittels Vergärung einer Mischung aus Gras, Pflanzen, Getreide usw. Methan hergestellt wird, das dann ebenfalls ins Netz eingespeist wird. In Deutschland wurde dies ins Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aufgenommen - mit dem Ergebnis, dass mehr als 14 % des Stroms aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt wird.

8.3.   Außerdem sollten auch CO2-arme und grüne Technologien gefördert werden. Die Industrie- und Entwicklungsländer sollten innovativ vorgehen und wo immer machbar auf neue energieeffiziente Technologien umsteigen.

8.4.   Die bestehenden und künftigen Stromkraftwerke müssen durch zahlreiche Maßnahmen verbessert werden, namentlich Umstellung auf kohlestoffärmere Brennstoffe, Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energieträger oder der Nuklearenergie und Nutzung effizienterer Kraftwerkstechnologien.

8.5.   Der Ausschuss spricht sich dafür aus, dass Anfangsinvestitionen in weniger entwickelten Ländern direkt auf den Erwerb der besten vor Ort verfügbaren oder den örtlichen Bedingungen angepassten Technologie ausgerichtet werden.

9.   Anpassungsmaßnahmen

9.1.   Im Aktionsplan von Bali ist festgehalten, dass Anpassungsmaßnahmen ausdrücklich Teil eines Klimaschutzübereinkommens für die Zeit nach 2012 sein müssen. Die Anpassung an den Klimawandel, d.h. die Verbesserung der Fähigkeiten der Gesellschaft, die Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen, war unlängst Gegenstand eines internationalen wissenschaftlichen Kongresses über den Klimawandel. Am 1. April 2009 legte die Europäische Kommission ein Weißbuch über die Anpassung an den Klimawandel vor (KOM(2009) 147 endg.), das zum Ziel hat, der EU und ihren Mitgliedstaaten die Vorbereitung auf die Auswirkungen des Klimawandels zu erleichtern.

9.2.   Der Ausschuss befürwortet den Vorschlag der Kommission, im Kopenhagener Übereinkommen einen Anpassungsrahmen festzulegen, der folgende Aspekte umfassen sollte:

einen strategischen Ansatz für Anpassungsmaßnahmen;

die Aufnahme von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in die zentralen EU-Politiken;

die Durchführung der Anpassung auf lokaler und regionaler Ebene;

die Unterstützung von Anpassungsmaßnahmen in den am wenigsten entwickelten Ländern und kleinen Inselstaaten im Rahmen der Globalen Allianz für den Klimaschutz sowie der allgemeinen Regeln für die Anpassung an den Klimawandel der UNFCCC.

9.3.   Für den Erfolg von Anpassungsmaßnahmen ist es ausschlaggebend, dass die Last der Anpassung gerecht verteilt ist und Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und die Lebensqualität niederer Einkommensgruppen berücksichtigt werden. Bei den Anpassungsmaßnahmen muss auch die soziale Dimension berücksichtigt werden; es gilt, alle Sozialpartner einzubinden.

10.   Globale Forschungs-, technologische Entwicklungs- und Demonstrationsvorhaben

Nach fester Überzeugung des Ausschusses müssen finanzielle Mittel für die globale (und regionale) Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (FTE&D) bereitgestellt werden und werden dringend benötigt. Es sollten FTE&D-Konzepte für die beschleunigte Entwicklung, technische Verbesserung und Markteinführung von erneuerbaren Energieträgern und der Kraft-Wärme-Kopplungstechnologie (KWK) für Kraftwerke ausgearbeitet werden.

10.1.1.   Der Ausschuss befürwortet die Absicht der Kommission (SEK(2008) 3104 endg.), eine integrierte Erforschung des Klimawandels unter dem laufenden siebten Forschungsrahmenprogramm voranzubringen. In diesem Sinn empfiehlt er eine engere Zusammenarbeit zwischen Kommission und Weltklimarat im Siebten Forschungsrahmenprogramm sowie in damit verknüpften und künftigen Forschungsprogrammen.

10.1.2.   Der Ausschuss befürwortet einen starken Anschub von Erforschung, Entwicklung und Demonstration der durch die Internationale Energieagentur anerkannten kohlenstoffarmen und energieeffizienten Technologien sowie der im Rahmen des Europäischen Strategieplans für Energietechnologie (SET-Plan) genannten Technologien, damit die strategisch wichtigen kohlenstoffarmen und energieeffizienten Technologien möglichst rasch einsatzbereit sind.

10.1.3.   Der gesamte Bereich Schutz des geistigen Eigentums und Entwicklungsländer hat sich seit Inkrafttreten des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPs) im Jahr 1995 erheblich verändert. So verpflichten sich die Entwicklungsländer in diesem Übereinkommen, ausländische Patente zu respektieren. Seit Inkrafttreten des Übereinkommens sind Unternehmen stärker daran interessiert, Patente in Entwicklungsländern anzumelden.

10.2.   Der Ausschuss unterstützt die nachstehenden, in der Mitteilung genannten Ziele:

Durchführung von Forschungsmaßnahmen über die Auswirkungen des Klimawandels, Anpassungsmaßnahmen und Möglichkeiten zur Eindämmung auf nationaler und internationaler Ebene;

Förderung der internationalen wissenschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit in der gesamten klimabezogenen Forschung einschließlich kohlenstoffarme Technologien und erneuerbare Energieträger in allen Bereichen;

bis 2012 zumindest eine Verdoppelung und bis 2020 eine Vervierfachung der energiebezogenen FTE&D mit deutlicher Verschiebung der Schwerpunkte hin zu CO2-emissionsarmen Technologien, insbesondere erneuerbaren Energien.

11.   Finanzielle Mittel

11.1.   Ein umfassendes Kopenhagener Übereinkommen muss durch angemessene finanzielle Ressourcen untermauert werden. Dahingehende Vorschläge der Industrieländer müssen sehr bald vorgelegt werden, um die Entwicklungsländer zu motivieren und anzuhalten, ebenfalls Maßnahmen zu ergreifen. Das Übereinkommen von Kopenhagen steht und fällt mit den von den Industrie- und Entwicklungsländern vereinbarten Zielen sowie mit der Finanzierung.

11.2.   Die Anstrengungen der EU mit Blick auf die Kopenhagener Konferenz wirken nicht sonderlich überzeugend, zumal die Staats- und Regierungschefs am 18./19. Juni 2009 zentrale Entscheidungen über die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen vertagten und lediglich feststellten, dass die Beiträge zur Finanzierung der Bekämpfung des Klimawandels sich prinzipiell in erster Linie nach der Zahlungsfähigkeit und der Verantwortung für die Emissionen richten sollen.

11.3.   Der Europäische Rat hat bislang noch keinen Beschluss über die Finanzierung gefasst, was der Ausschuss jedoch als dringend notwendig erachtet. Es ist außerordentlich Besorgnis erregend, dass die Industrieländer, auch die EU, bislang keine ausreichenden finanziellen Zusagen gemacht haben bzw. Verpflichtungen eingegangen sind.

11.4.   Investitionen in beispielsweise Energieeffizienz-Technologien und ein breites Spektrum an kohlenstoffarmen Technologien werden das Wirtschaftswachstum sowie Energieeinsparungen fördern.

11.5.   Die Emissionsminderungsmaßnahmen der Entwicklungsländer könnten durch einheimische und externe Quellen, den globalen Kohlenstoffmarkt und Beiträge der Industrieländer finanziert werden.

: Der Großteil der Investitionen bis 2020 und Energiesparmaßnahmen dürften relativ kostengünstig ausfallen - beispielsweise Energieeffizienzmaßnahmen in Haushalten, in Gebäuden und im Privatsektor; die notwendigen Investitionen können im Rahmen der nationalen Umwelt- und Energiepolitik gefördert werden. Mögliche weitere Finanzierungsquellen können außerdem in Form von Zuschüssen und Darlehen im Rahmen nationaler, internationaler und bilateraler Programme aufgetan werden.

: Unterstützung für Emissionsminderungsmaßnahmen, bei denen sich die Investitionen nicht innerhalb kurzer Zeit amortisieren und die Höhe der Investitionen die Möglichkeiten des betreffenden Entwicklungslandes übersteigen, muss durch die Mobilisierung der gesamten verfügbaren Palette an Finanzierungsquellen und innovativen Finanzierungsinstrumenten einschließlich öffentlicher Mittel und internationaler Emissionshandelssysteme gesichert werden. Der Ausschuss unterstützt die Bemühungen der Kommission, durch die Verknüpfung des EESC-Emissionshandelssystem (EU-ETS) mit anderen vergleichbaren „Cap-and-Trade“-Systemen bis 2015 einen OECD-weiten und bis 2020 einen noch umfassenderen Kohlenstoffmarkt zu errichten.

11.6.   Der Europäische Rat erachtet es als notwendig, die internationalen Finanzierungsmechanismen genauer auszuloten, und wird sich auf seiner Oktober-Tagung erneut mit diesem Thema befassen. Da die Kopenhagener Konferenz im Dezember stattfindet, hält der Ausschuss dies für zeitlich sehr knapp bemessen.

Der Ausschuss unterstützt die Kommission darin, dass die Industrieländer ihren Beitrag durch die Vergabe öffentlicher Mittel und die Nutzung von Kohlenstoffgutschriften leisten sollen. Die öffentlichen Finanzleistungen sollten vergleichbar sein und auf dem Verursacherprinzip sowie auf der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder beruhen. Die Beitragssätze sollten ausgehandelt und verbindlich in das Übereinkommen aufgenommen werden:

i)

indem entweder der jährliche Finanzbeitrag der Industrieländer anhand einer vereinbarten Formel (Verursacherprinzip in Verbindung mit der Zahlungsfähigkeit) ermittelt wird;

ii)

oder indem jedes Industrieland einen bestimmten Prozentsatz seiner Emissionsrechte zur Verfügung stellt. Diese Emissionsrechte würden dann auf einer international vereinbarten Ebene unter den Regierungen versteigert.

11.7.1.   Der Ausschuss begrüßt insbesondere den Vorschlag Mexikos, dass alle Staaten abhängig von ihrer Bevölkerungszahl, ihrer Wirtschaftskraft und dem Umfang ihrer Klimagasemissionen in einen gemeinsamen Fonds einzahlen. Dieser gemeinsame Fonds würde dann unter allen Staaten im Einklang mit ihren Bedürfnissen zur Senkung der Emissionen, zur Einführung grüner Technologien und zur Anpassung an den Klimawandel aufgeteilt.

11.8.   Der Ausschuss:

befürwortet die von der Kommission empfohlene Weiterentwicklung von Cap-and-Trade-Systemen zwischen zunächst den Industrieländern und dann schrittweise auch Schwellenländern;

unterstützt auch eine Reform des Mechanismus für umweltfreundliche Entwicklung (CDM), der aufgrund seiner Projektbezogenheit mit hohen Transaktions- und Verwaltungskosten verbunden ist. Der Übergang von den derzeitigen projektbezogenen zu einem sektorspezifischen CDM wäre ein möglicher Lösungsansatz. Eine andere Möglichkeit wäre ein CDM für technologische Entwicklung und Transfer, mit dem die Anforderungen des Bali-Aktionsplans erfüllt werden.

11.9.   Die prognostizierten Kosten für die Verwirklichung der langfristigen Ziele bis 2050 sind nicht zu unterschätzen: Sie belaufen sich auf 2 % des aktuellen BIP, doch sie würden noch erheblich höher ausfallen, wenn keine einschneidenden Maßnahmen getroffen werden.

12.   Öffentlichkeitsarbeit

12.1.   Es ist wichtig, der Öffentlichkeit stärker ins Bewusstsein zu bringen, welche Bedrohung von der Erderwärmung ausgeht, wenn nicht umgehend Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden.

12.2.   Die Bürger müssen durch Anreize dazu ermutigt werden, durch die Nutzung umweltgerechterer Energieformen, den Kauf energieeffizienterer Güter und Dienstleistungen und die Verringerung ihres ökologischen Fußabdrucks ihren Beitrag zu leisten.

12.3.   Nach Meinung des Ausschusses sollten die einzelnen Länder ihren Bürgern über die Medien die dringende Notwendigkeit, zu handeln, Energie zu sparen und alternative (erneuerbare) Energiequellen bereitzustellen und so zur Senkung klimaschädlicher Treibhausgasemissionen beizutragen, vermitteln. Der Klimawandel sollte auch im Rahmen einer langfristig angelegten Strategie in die schulischen Lehrpläne der Primar- und Sekundarstufe aufgenommen werden.

Der Ausschuss befürwortet eine proaktive Bildungspolitik zur Förderung des Verständnisses des Klimawandels, wie von der Kommission vorgeschlagen.

12.4.   Der Europäische Rat sollte die Mitgliedstaaten dazu auffordern, die Einbindung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sowie der Unternehmen, Gewerkschaften und sonstiger Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft in die Förderung von Klimaschutzstrategien und -initiativen in ihren Ländern zu unterstützen und zu erleichtern.

12.5.   Außerdem sollten die lokalen, regionalen und nationalen Behörden enger zusammenarbeiten, um durch die Mobilisierung ihrer Bürger und des Privatsektors eine solide Wissensgrundlage über die Auswirkungen und Folgen des Klimawandels zu schaffen. So haben sich beispielsweise rund 500 Kommunen im Rahmen des Bürgermeisterkonvents, einer EU-Initiative, zur Verringerung ihrer CO2-Emissionen um mehr als 20 % bis 2020 verpflichtet.

13.   Überprüfungsklausel

13.1.   In dem Übereinkommen sollte eine regelmäßige Überprüfung der erzielten Fortschritte und der Angemessenheit der Verpflichtungen und Maßnahmen sowie eine umfassende Prüfung im Jahr 2015 vorgesehen werden.

Brüssel, den 5. November 2009

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  ABl. C 27 vom 3.2.2009, S. 59.


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