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Document 62021CJ0004

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 15. September 2022.
Fédération des entreprises de la beauté gegen Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé (ANSM).
Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d'État (Frankreich).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Kosmetische Mittel – Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 – Art. 27 – Schutzklausel – Art. 27 Abs. 1 – Geltungsbereich – Vorläufige nationale Schutzmaßnahmen – Allgemeine Maßnahme – Anwendung auf eine Kategorie von kosmetischen Mitteln, die den gleichen Stoff enthalten – Einzelmaßnahme – Anwendung auf ein konkret bezeichnetes kosmetisches Mittel – Vorläufige nationale Maßnahme, die eine bestimmte Kennzeichnung einer Kategorie von auf der Haut verbleibenden Mitteln, die Phenoxyethanol enthalten, vorschreibt.
Rechtssache C-4/21.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:681

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

15. September 2022 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Kosmetische Mittel – Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 – Art. 27 – Schutzklausel – Art. 27 Abs. 1 – Geltungsbereich – Vorläufige nationale Schutzmaßnahmen – Allgemeine Maßnahme – Anwendung auf eine Kategorie von kosmetischen Mitteln, die den gleichen Stoff enthalten – Einzelmaßnahme – Anwendung auf ein konkret bezeichnetes kosmetisches Mittel – Vorläufige nationale Maßnahme, die eine bestimmte Kennzeichnung einer Kategorie von auf der Haut verbleibenden Mitteln, die Phenoxyethanol enthalten, vorschreibt“

In der Rechtssache C‑4/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) mit Entscheidung vom 23. Dezember 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Januar 2021, in dem Verfahren

Fédération des entreprises de la beauté

gegen

Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé (ANSM)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter J. Passer, F. Biltgen und N. Wahl (Berichterstatter) sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez‑Bordona,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Fédération des entreprises de la beauté, vertreten durch A. Bost, Avocate, und M. Ragot, Avocat,

der französischen Regierung, vertreten durch G. Bain und T. Stéhelin als Bevollmächtigte,

der griechischen Regierung, vertreten durch V. Karra, I. Kotsoni und O. Patsopoulou als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Sanfrutos Cano und F. Thiran als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. März 2022

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. 2009, L 342, S. 59).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fédération des entreprises de la beauté (im Folgenden: FEBEA) und der Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé (Nationale Agentur für die Sicherheit von Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten, ANSM) über den Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung der ANSM, mit der eine bestimmte Kennzeichnung einer Kategorie von auf der Haut verbleibenden Mitteln vorgeschrieben wurde, die Phenoxyethanol enthalten.

Rechtlicher Rahmen

3

Die Erwägungsgründe 3, 4, 16, 17 und 58 der Verordnung Nr. 1223/2009 lauten:

„(3)

Das Ziel dieser Verordnung ist es, die Verfahren zu vereinfachen und die Begrifflichkeit zu vereinheitlichen, um so den Verwaltungsaufwand und Unklarheiten zu verringern. Darüber hinaus sieht die Verordnung den Ausbau bestimmter Elemente des Regelwerks für kosmetische Mittel vor, etwa der Marktüberwachung, um ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit zu gewährleisten.

(4)

Mit dieser Verordnung werden die Rechtsvorschriften über kosmetische Mittel in der [Europäischen] Gemeinschaft umfassend harmonisiert, um zu einem Binnenmarkt für kosmetische Mittel zu gelangen und zugleich ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten.

(16)

Damit die Sicherheit von in Verkehr gebrachten kosmetischen Mittel[n] gewährleistet ist, müssen sie nach guter Herstellungspraxis hergestellt werden.

(17)

Im Interesse einer effektiven Marktüberwachung sollte eine Produktinformationsdatei für die zuständigen Behörden des Mitgliedstaates, in dem sich die Datei befindet, an einer einzigen Stelle innerhalb der Gemeinschaft bereitgehalten werden.

(58)

Für Fälle von kosmetischen Mitteln, die sich als für die menschliche Gesundheit schädlich erweisen, obgleich sie den Vorschriften dieser Verordnung entsprechen, sollte ein Schutzklauselverfahren eingeführt werden.“

4

Art. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Mit dieser Verordnung werden Regeln aufgestellt, die jedes auf dem Markt bereitgestellte kosmetische Mittel erfüllen muss, um das Funktionieren des Binnenmarktes und ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten.“

5

Art. 2 Abs. 1 Buchst. a bis c dieser Verordnung enthält folgende Definitionen:

„a)

‚kosmetisches Mittel‘: Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen;

b)

‚Stoff‘: ein chemisches Element und seine Verbindungen in natürlicher Form oder gewonnen durch ein Herstellungsverfahren, einschließlich der zur Wahrung seiner Stabilität notwendigen Zusatzstoffe und der durch das angewandte Verfahren bedingten Verunreinigungen, aber mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können;

c)

‚Gemisch‘: Gemische oder Lösungen, die aus zwei oder mehr Stoffen bestehen“.

6

Art. 4 („Verantwortliche Person“) dieser Verordnung lautet:

„(1)   Nur kosmetische Mittel, für die eine juristische oder natürliche Person innerhalb des Gemeinschaftsgebiets als ‚verantwortliche Person‘ benannt wurde, dürfen in Verkehr gebracht werden.

(2)   Für jedes in Verkehr gebrachte kosmetische Mittel gewährleistet die verantwortliche Person die Einhaltung der in dieser Verordnung aufgeführten einschlägigen Verpflichtungen.

…“

7

Art. 5 („Verpflichtungen von verantwortlichen Personen“) der Verordnung Nr. 1223/2009 sieht vor:

„(1)   Verantwortliche Personen sorgen dafür, dass die Artikel 3, 8, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, Artikel 19 Absätze 1, 2 und 5 sowie die Artikel 20, 21, 23 und 24 eingehalten werden.

(2)   Verantwortliche Personen, die der Auffassung sind oder Grund zu der Annahme haben, dass ein von ihnen in Verkehr gebrachtes kosmetisches Mittel nicht dieser Verordnung entspricht, ergreifen unverzüglich die erforderlichen Korrekturmaßnahmen, um die Konformität dieses Produkts herzustellen oder es gegebenenfalls vom Markt zu nehmen oder zurückzurufen.

Wenn das kosmetische Mittel ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellt, informieren die verantwortlichen Personen außerdem unverzüglich die zuständigen nationalen Behörden der Mitgliedstaaten, in denen sie das Mittel auf dem Markt bereitgestellt haben, und des Mitgliedstaats, in [dem] die Produktinformationsdatei leicht zugänglich ist; dabei machen sie ausführliche Angaben, insbesondere über die Nichtkonformität und die ergriffenen Korrekturmaßnahmen.

(3)   Die verantwortlichen Personen kooperieren mit diesen Behörden auf deren Verlangen bei allen Maßnahmen zur Beseitigung von Risiken, die von kosmetischen Mitteln ausgehen, die sie auf dem Markt bereitgestellt haben. Insbesondere händigen die verantwortlichen Personen der zuständigen nationalen Behörde auf deren begründetes Verlangen alle Informationen und Unterlagen, die für den Nachweis der Konformität spezifischer Aspekte des Produkts erforderlich sind, in einer Sprache aus, die für diese Behörde leicht verständlich ist.“

8

Art. 6 dieser Verordnung enthält Vorschriften über die Verpflichtungen der Händler.

9

Art. 8 dieser Verordnung umfasst Vorschriften für eine gute Herstellungspraxis.

10

In Art. 9 („Freier Warenverkehr“) dieser Verordnung heißt es:

„Die Mitgliedstaaten dürfen das Bereitstellen von kosmetischen Mitteln auf dem Markt nicht auf Grund der in dieser Verordnung enthaltenen Anforderungen ablehnen, verbieten oder beschränken, wenn die kosmetischen Mittel den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechen.“

11

Art. 11 („Produktinformationsdatei“) dieser Verordnung bestimmt in den Abs. 1 bis 3:

„(1)   Wenn ein kosmetisches Mittel in Verkehr gebracht wird, führt die verantwortliche Person darüber eine Produktinformationsdatei. Die Produktinformationsdatei wird während eines Zeitraums von zehn Jahren nach dem Zeitpunkt aufbewahrt, zu dem die letzte Charge des kosmetischen Mittels in Verkehr gebracht wurde.

(2)   Die Produktinformationsdatei enthält folgende Angaben und Daten, die gegebenenfalls aktualisiert werden:

a)

eine Beschreibung des kosmetischen Mittels, die es ermöglicht, die Produktionsinformationsdatei eindeutig dem kosmetischen Mittel zuzuordnen;

b)

den in Artikel 10 Absatz 1 genannten Sicherheitsbericht für das kosmetische Mittel;

c)

eine Beschreibung der Herstellungsmethode und eine Erklärung zur Einhaltung der in Artikel 8 genannten guten Herstellungspraxis;

d)

wenn dies aufgrund der Beschaffenheit des kosmetischen Mittels oder seiner Wirkung gerechtfertigt ist, den Nachweis der für das kosmetische Mittel angepriesenen Wirkung;

e)

Daten über jegliche vom Hersteller, Vertreiber oder Zulieferer im Zusammenhang mit der Entwicklung oder der Sicherheitsbewertung des kosmetischen Mittels oder seiner Bestandteile durchgeführten Tierversuche, einschließlich aller Tierversuche zur Erfüllung der Rechtsvorschriften von Drittländern.

(3)   Die verantwortliche Person macht die Produktinformationsdatei an ihrer Anschrift, die auf dem Etikett angegeben wird, in elektronischem oder anderem Format für die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Datei geführt wird, leicht zugänglich.

Die Angaben in der Produktinformationsdatei müssen in einer für die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats leicht verständlichen Sprache verfügbar sein.“

12

Art. 13 („Notifizierung“) der Verordnung Nr. 1223/2009 legt in den Abs. 1 bis 5 und 7 fest:

„(1)   Vor dem Inverkehrbringen des kosmetischen Mittels notifiziert die verantwortliche Person der [Europäischen] Kommission auf elektronischem Wege folgende Angaben:

a)

die Kategorie des kosmetischen Mittels und seinen Namen bzw. seine Namen, durch den/die die spezifische Identifizierung möglich ist;

b)

den Namen und die Anschrift der verantwortlichen Person, bei der die Produktinformationsdatei leicht zugänglich gemacht wird;

c)

das Herkunftsland im Falle des Imports;

d)

den Mitgliedstaat, in dem das kosmetische Mittel in Verkehr gebracht wird;

e)

die Angaben, die es ermöglichen, bei Bedarf Verbindung zu einer natürlichen Person aufzunehmen;

f)

die Anwesenheit von Stoffen in Form von Nanomaterialien und:

i)

ihre Identifizierung, einschließlich des chemischen Namens (IUPAC) und anderer Deskriptoren gemäß Nummer 2 der Präambel zu den Anhängen II bis VI dieser Verordnung;

ii)

die vernünftigerweise vorhersehbaren Expositionsbedingungen;

g)

den Namen und die ‚Chemicals Abstracts Service‘ (CAS)- oder EG‑Nummer der als karzinogen, mutagen oder reproduktionstoxisch (CMR) in den Kategorien 1A oder 1B nach Teil 3 des Anhangs VI der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. 2008, L 353, S. 1)] eingestuften Stoffe;

h)

die Rahmenrezeptur, um bei schwierigen Vorkommnissen eine rasche und geeignete medizinische Behandlung zu ermöglichen.

Unterabsatz 1 gilt auch für kosmetische Mittel, die gemäß der Richtlinie 76/768/EWG [des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel (ABl. 1976, L 262, S. 169)] gemeldet wurden.

(2)   Wird ein kosmetisches Mittel in Verkehr gebracht, notifiziert die verantwortliche Person der Kommission das Originaletikett und eine Fotografie der entsprechenden Verpackung, wenn sie ausreichend lesbar ist.

(3)   Ab dem 11. Juli 2013… macht ein Händler, der in einem Mitgliedstaat ein kosmetisches Mittel, das bereits in einem anderen Mitgliedstaat in Verkehr gebracht wurde, bereitstellt und auf eigene Initiative ein Element der Kennzeichnung dieses Produkts gemäß nationalem Recht übersetzt, auf elektronischem Weg der Kommission folgende Informationen zugänglich:

a)

die Kategorie des kosmetischen Mittels, seinen Namen im Ausgangsmitgliedstaat und seinen Namen in dem Mitgliedstaat, in dem es bereitgestellt wird, damit seine spezifische Identifizierung möglich wird;

b)

den Mitgliedstaat, in dem das kosmetische Mittel bereitgestellt wird;

c)

seinen Namen und seine Anschrift;

d)

den Namen und die Anschrift der verantwortlichen Person, bei der die Produktinformationsdatei leicht zugänglich gemacht wird[.]

(4)   Wird ein kosmetisches Mittel vor dem 11. Juli 2013 in Verkehr gebracht, befindet es sich nach diesem Zeitpunkt aber nicht mehr auf dem Markt, teilt der Händler, der das Produkt in einem Mitgliedstaat nach diesem Datum einführt, der verantwortlichen Person Folgendes mit:

a)

die Kategorie des kosmetischen Mittels, seinen Namen im Ausgangsmitgliedstaat und seinen Namen in dem Mitgliedstaat, in dem es bereitgestellt wird, damit seine spezifische Identifizierung möglich wird;

b)

den Mitgliedstaat, in dem das kosmetische Mittel bereitgestellt wird;

c)

seinen Namen und seine Anschrift.

Auf der Grundlage dieser Mitteilung notifiziert die verantwortliche Person der Kommission auf elektronischem Weg die in Absatz 1 dieses Artikels genannten Informationen, wenn Mitteilungen gemäß Artikel 7 Absatz 3 und Artikel 7a Absatz 4 der Richtlinie 76/768/EWG in dem Mitgliedstaat, in dem das kosmetische Mittel in Verkehr gebracht wird, nicht erfolgt sind.

(5)   Die Kommission stellt unverzüglich allen zuständigen Behörden auf elektronischem Weg die in Absatz 1 Buchstaben a bis g und in den Absätzen 2 und 3 aufgeführten Angaben zur Verfügung.

Diese Angaben dürfen von den zuständigen Behörden nur für die Zwecke der Marktüberwachung, Marktanalyse, Evaluierung und Verbraucherinformation im Zusammenhang mit den Artikeln 25, 26 und 27 verwendet werden.

(7)   Ändert sich eine der in den Absätzen 1, 3 und 4 aufgeführten Angaben, so sorgt die verantwortliche Person oder der Händler unverzüglich für eine Aktualisierung.“

13

Art. 14 („Einschränkungen für in den Anhängen aufgeführte Stoffe“) Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:

„Unbeschadet der Bestimmungen von Artikel 3 dürfen kosmetische Mittel Folgendes nicht enthalten:

a)

verbotene Stoffe

in Anhang II aufgeführte verbotene Stoffe;

b)

Stoffe, deren Verwendung eingeschränkt ist

Stoffe, deren Verwendung eingeschränkt ist und die nicht gemäß den in Anhang III festgelegten Einschränkungen verwendet werden;

c)

Farbstoffe

i)

andere als in Anhang IV aufgeführte Farbstoffe sowie Farbstoffe, die zwar dort aufgeführt sind, aber nicht gemäß den Bedingungen dieses Anhangs verwendet werden, mit Ausnahme der Haarfärbemittel in Absatz 2;

ii)

unbeschadet der Buchstaben b, d Ziffer i und e Ziffer i Stoffe, die in Anhang IV aufgeführt sind, aber nicht zur Verwendung als Farbstoffe bestimmt sind und nicht gemäß den Bedingungen dieses Anhangs verwendet werden[;]

d)

Konservierungsstoffe

i)

andere als die in Anhang V aufgeführten Konservierungsstoffe sowie Konservierungsstoffe, die zwar dort aufgeführt sind, aber nicht gemäß den Bedingungen dieses Anhangs verwendet werden;

ii)

unbeschadet des Buchstabens b, des Buchstabens c Ziffer i und des Buchstabens e Ziffer i Stoffe, die in Anhang V aufgeführt sind, aber nicht zur Verwendung als Konservierungsstoffe bestimmt sind und nicht gemäß den Bedingungen dieses Anhangs verwendet werden[;]

e)

UV‑Filter

i)

andere UV‑Filter als die in Anhang VI aufgeführten sowie UV‑Filter, die zwar dort aufgeführt sind, aber nicht gemäß den Bedingungen dieses Anhangs verwendet werden;

ii)

unbeschadet des Buchstabens b, des Buchstabens c Ziffer i und des Buchstabens d Ziffer i Stoffe, die in Anhang VI aufgeführt sind, aber nicht zur Verwendung als UV‑Filter bestimmt sind und nicht gemäß den Bedingungen dieses Anhangs verwendet werden.“

14

Art. 22 („Marktkontrolle“) Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten überwachen die Einhaltung dieser Verordnung auf dem Wege der Marktkontrolle der auf dem Markt bereitgestellten kosmetischen Mittel. Sie führen angemessene Kontrollen der kosmetischen Mittel und… der Wirtschaftsteilnehmer in angemessenem Umfang anhand der Produktinformationsdateien sowie gegebenenfalls physikalische Untersuchungen und Laboruntersuchungen auf der Grundlage angemessener Proben durch.“

15

Art. 24 („Angaben über Stoffe“) dieser Verordnung lautet:

„Im Falle ernster Zweifel hinsichtlich der Sicherheit eines beliebigen in einem kosmetischen Mittel enthaltenen Stoffes… kann die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, in dem ein kosmetisches Mittel, das einen solchen Stoff enthält, auf dem Markt bereitgestellt wird, von der verantwortlichen Person mit einer begründeten Aufforderung verlangen, eine Liste aller kosmetischen Mittel vorzulegen, für die sie verantwortlich ist und die diesen Stoff enthalten. In der Liste ist die Konzentration dieses Stoffes in den kosmetischen Mitteln anzugeben.

Die zuständigen Behörden dürfen die in diesem Artikel genannten Angaben für die Zwecke der Marktüberwachung, der Markanalyse, der Marktentwicklung und der Verbraucherinformation im Kontext von Artikel 25, 26 und 27 verwenden.“

16

In Art. 25 („Nichteinhaltung durch die verantwortliche Person“) der Verordnung Nr. 1223/2009 heißt es:

„(1)   Unbeschadet Absatz 4 fordern die zuständigen Behörden die verantwortliche Person auf, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen; hierzu gehören unter anderem Abhilfemaßnahmen, um das kosmetische Mittel in Übereinstimmung mit den Vorschriften zu bringen, die Rücknahme des Mittels vom Markt oder der Rückruf des Mittels innerhalb einer ausdrücklich festgelegten Frist, die sich nach der Art des Risikos richtet, sofern eine der folgenden Anforderungen nicht erfüllt wird:

a)

die in Artikel 8 genannte gute Herstellungspraxis;

b)

die in Artikel 10 genannte Sicherheitsbewertung;

c)

die in Artikel 11 genannten Anforderungen an die Produktinformationsdatei;

d)

die in Artikel 12 genannten Vorschriften zu Probenahme und Analyse;

e)

die in den Artikeln 13 und 16 genannten Meldepflichten;

f)

die in den Artikeln 14, 15 und 17 genannten Einschränkungen für Stoffe;

g)

die in Artikel 18 genannten Vorschriften über Tierversuche;

h)

die in Artikel 19 Absätze 1, 2, 5 und 6 genannten Kennzeichnungsvorschriften;

i)

die in Artikel 20 genannten Vorschriften über Werbeaussagen über das Mittel;

j)

der in Artikel 21 genannte Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen;

k)

die in Artikel 23 genannte Meldung ernster unerwünschter Wirkungen;

l)

die in Artikel 24 genannten erforderlichen Angaben über Stoffe.

(3)   Die verantwortliche Person stellt sicher, dass die in Absatz 1 aufgeführten Maßnahmen für alle betroffenen, in der Gemeinschaft auf dem Markt bereitgestellten kosmetischen Mittel ergriffen werden.

…“

17

Art. 26 („Nichteinhaltung durch die Händler“) dieser Verordnung bestimmt:

„Die zuständigen Behörden fordern die Händler auf, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen; hierzu gehören unter anderem Abhilfemaßnahmen, um das kosmetische Mittel in Übereinstimmung mit den Vorschriften zu bringen, die Rücknahme des Mittels vom Markt oder der Rückruf des Mittels innerhalb einer angemessenen Frist, die sich nach der Art des Risikos richtet, sofern Bestimmungen nach Artikel 6 nicht erfüllt werden.“

18

Art. 27 („Schutzklausel“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)   Stellt eine zuständige Behörde im Fall von Produkten, die den Anforderungen gemäß Artikel 25 Absatz 1 entsprechen, fest, oder hat sie begründete Besorgnis, dass eines oder mehrere auf dem Markt bereitgestellte kosmetische Mittel wahrscheinlich ein ernstes Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen oder darstellen könnten, ergreift sie alle geeigneten vorläufigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass das oder die kosmetischen Mittel vom Markt genommen, zurückgerufen oder seine bzw. ihre Verfügbarkeit auf andere Weise eingeschränkt wird bzw. werden.

(2)   Die zuständige Behörde unterrichtet unverzüglich die Kommission und die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten über die ergriffenen Maßnahmen und teilt ihnen alle sachdienlichen Daten mit.

Im Sinne von Unterabsatz 1 wird das in Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie 2001/95/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit (ABl. 2002, L 11, S. 4)] genannte Informationsaustauschsystem verwendet.

Artikel 12 Absätze 2, 3 und 4 der Richtlinie 2001/95/EG finden Anwendung.

(3)   Die Kommission entscheidet, so bald wie möglich, ob die vorläufigen Maßnahmen nach Absatz 1 gerechtfertigt sind. Dazu konsultiert die Kommission, soweit dies möglich ist, die Betroffenen, die Mitgliedstaaten und den [Wissenschaftlichen Ausschuss ‚Verbrauchersicherheit‘ (SCCS)].

(4)   Falls die vorläufigen Maßnahmen gerechtfertigt sind, findet Artikel 31 Absatz 1 Anwendung.

(5)   Falls die vorläufigen Maßnahmen nicht gerechtfertigt sind, unterrichtet die Kommission die Mitgliedstaaten darüber, und die betroffene zuständige Behörde hebt die fraglichen vorläufigen Maßnahmen auf.“

19

Art. 28 („Gute Verwaltungspraxis“) der Verordnung Nr. 1223/2009 bestimmt:

„(1)   In jeder gemäß Artikel 25 und 27 getroffenen Entscheidung sind die ihr zugrunde liegenden genauen Gründe anzugeben. Sie wird von der zuständigen Behörde der verantwortlichen Person unverzüglich unter Angabe der Rechtsmittel, die nach dem im jeweiligen Mitgliedstaat geltenden Recht eingelegt werden können, und der Rechtsmittelfristen mitgeteilt.

(2)   Sofern nicht wegen ernster Risiken für die menschliche Gesundheit ein sofortiges Tätigwerden erforderlich ist, wird der verantwortlichen Person die Gelegenheit gegeben, ihren Standpunkt darzulegen, bevor eine Entscheidung getroffen wird.

(3)   Sofern zutreffend, gelten die Bestimmungen in den Absätzen 1 und 2 im Hinblick auf die Händler für alle Entscheidungen, die gemäß den Artikeln 26 und 27 getroffen werden.“

20

Die Art. 29 und 30 dieser Verordnung bilden deren Kapitel IX über die Zusammenarbeit der Verwaltungen und begründen eine Zusammenarbeit der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten mit der Kommission bzw. eine Zusammenarbeit bei der Überprüfung der Produktinformationsdatei.

21

Art. 31 („Änderung der Anhänge“) Abs. 1 und 2 dieser Verordnung bestimmt:

„(1)   Bedarf ein von der Verwendung von Stoffen in kosmetischen Mitteln ausgehendes mögliches Risiko für die menschliche Gesundheit einer gemeinschaftsweiten Regelung, kann die Kommission nach Anhörung des SCCS die Anhänge II bis VI entsprechend ändern.

Diese Maßnahmen zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung werden gemäß dem Regelungsverfahren mit Kontrolle nach Artikel 32 Absatz 3 erlassen.

Aus Gründen äußerster Dringlichkeit kann die Kommission auf das in Artikel 32 Absatz 4 genannte Dringlichkeitsverfahren zurückgreifen.

(2)   Die Kommission kann nach Anhörung des SCCS die Anhänge III bis VI und den Anhang VIII ändern, um sie an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt anzupassen.

Diese Maßnahmen zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung werden nach dem in Artikel 32 Absatz 3 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen.“

22

Phenoxyethanol ist unter der laufenden Nummer 29 des Anhangs V der Verordnung Nr. 1223/2009 eingestuft, der eine Liste der in kosmetischen Mitteln zugelassenen Konservierungsstoffe festlegt und vorschreibt, dass die Konzentration dieses Stoffes in gebrauchsfertigen kosmetischen Mitteln auf 1 % der Zusammensetzung beschränkt ist.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

23

Mit Entscheidung vom 13. März 2019 legte der Generaldirektor der ANSM in Anwendung der in Art. 27 der Verordnung Nr. 1223/2009 vorgesehenen Schutzklausel besondere Bedingungen für die Verwendung von kosmetischen Mitteln fest, die auf der Haut verbleiben und Phenoxyethanol enthalten, und stützte sich dabei u. a. auf eine von dieser Behörde zuvor durchgeführte Risikobewertung (im Folgenden: Entscheidung vom 13. März 2019). Mit dieser Entscheidung wurde vorläufig festgelegt, dass im Rahmen der Kennzeichnung dieser auf dem französischen Markt bereitgestellten Mittel, ausgenommen Deodorants, Frisierhilfsmittel und Schminkmittel, unabhängig von ihrer Phenoxyethanolkonzentration spätestens neun Monate nach der Veröffentlichung dieser Entscheidung auf der Webseite dieser Agentur anzugeben ist, dass solche Mittel nicht am Gesäß von Kindern im Alter von bis zu drei Jahren angewendet werden dürfen.

24

Nach Übermittlung dieser Entscheidung an die Kommission teilte der Leiter des Referats „Technologien für Verbraucher, Umwelt und Gesundheit“ der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU dem Generaldirektor der ANSM mit Schreiben vom 27. November 2019 (im Folgenden: Schreiben vom 27. November 2019) mit, dass es sich bei der in der Entscheidung vom 13. März 2019 enthaltenen Maßnahme um eine Maßnahme von allgemeiner Tragweite handele, die sich auf eine Kategorie von kosmetischen Mitteln beziehe, die einen bestimmten Stoff enthielten, und diese Maßnahme folglich nicht als Anwendung der in Art. 27 der Verordnung Nr. 1223/2009 vorgesehenen „Schutzklausel“ angesehen werden könne. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2019 antwortete der Generaldirektor der ANSM, dass er die Absicht habe, seine Entscheidung vom 13. März 2019 vorsorglich bis zu dem Beschluss aufrechtzuerhalten, den die Kommission gemäß Art. 27 Abs. 3 zu erlassen habe.

25

Die FEBEA, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, erhob beim vorlegenden Gericht Klage auf Aufhebung der Entscheidung vom 13. März 2019. Sie macht u. a. geltend, dass diese Entscheidung gegen die Verordnung Nr. 1223/2009 verstoße, da sie, ohne dass die Bedingungen für die Anwendung der in Art. 27 dieser Verordnung vorgesehenen Schutzklausel erfüllt seien, eine Kennzeichnungspflicht vorschreibe, die in dieser Verordnung nicht vorgesehen sei, und damit gegen den in Art. 9 dieser Verordnung vorgesehenen Grundsatz des freien Warenverkehrs von kosmetischen Mitteln verstoße.

26

Das vorlegende Gericht stellt fest, dass die mit der Entscheidung vom 13. März 2019 vorgeschriebene Kennzeichnung eine Beschränkung der Bereitstellung kosmetischer Mittel, die auf der Haut verblieben, Phenoxyethanol enthielten und den Vorschriften der Verordnung Nr. 1223/2009 entsprächen, auf dem Markt darstelle. Da eine solche Beschränkung gegen Art. 9 dieser Verordnung verstoße, könne sie nur auf deren Art. 27 gestützt werden.

27

Außerdem möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Schreiben vom 27. November 2019 eine vorbereitende Handlung für den Beschluss darstelle, mit dem die Kommission entscheiden müsse, ob eine vorläufige Maßnahme gemäß Art. 27 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1223/2009 gerechtfertigt sei. Sollte dies der Fall sein, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das nationale Gericht bis zum Erlass des Beschlusses der Kommission über die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Maßnahme entscheiden könne und ob es Art. 27 Abs. 1 dieser Verordnung in einem solchen Fall gestatte, vorläufige Maßnahmen für eine ganze Kategorie von Mitteln, die den gleichen Stoff enthielten, zu erlassen. Falls das Schreiben vom 27. November 2019 als „endgültiger Beschluss“ der Kommission einzustufen sein sollte, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Gültigkeit eines solchen Beschlusses vor einem nationalen Gericht angefochten werden könnte.

28

Unter diesen Umständen hat der Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist das Schreiben vom 27. November 2019 des Leiters des Referats „Technologien für Verbraucher, Umwelt und Gesundheit“ der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU der Kommission unter Berücksichtigung seiner Formulierung sowie des Umstands, dass nichts darauf hinweist, dass die unterzeichnende Person bevollmächtigt ist, einen Beschluss im Namen der Kommission zu erlassen, als vorbereitende Handlung des Beschlusses zu betrachten, mit dem die Kommission entscheidet, ob eine vorläufige Maßnahme eines Mitgliedstaats nach Art. 27 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1223/2009 gerechtfertigt ist, oder ist es als ein solcher Beschluss zu betrachten, der den endgültigen Standpunkt der Kommission zum Ausdruck bringt?

2.

Falls das Schreiben vom 27. November 2019 als vorbereitende Handlung für den Beschluss zu betrachten ist, mit dem die Kommission entscheidet, ob eine vorläufige Maßnahme eines Mitgliedstaats nach Art. 27 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1223/2009 gerechtfertigt ist, darf das nationale Gericht, wenn es über die Rechtmäßigkeit einer von einer nationalen Behörde nach Abs. 1 dieses Artikels ergriffenen vorläufigen Maßnahme zu entscheiden hat, bevor die Kommission ihren Beschluss erlässt, über die Vereinbarkeit der vorläufigen Maßnahme mit diesem Artikel entscheiden, und, falls ja, inwiefern und in welcher Hinsicht, oder muss es überhaupt die Maßnahme, solange die Kommission sie nicht für nicht gerechtfertigt erklärt hat, als mit diesem Artikel vereinbar betrachten?

3.

Falls die vorstehende Frage bejaht wird, ist Art. 27 der Verordnung Nr. 1223/2009 dahin auszulegen, dass er es gestattet, vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die eine Kategorie von Mitteln betreffen, die den gleichen Stoff enthalten?

4.

Für den Fall, dass das Schreiben vom 27. November 2019 als Beschluss zu betrachten ist, der den endgültigen Standpunkt der Kommission zur gegenständlichen vorläufigen Maßnahme zum Ausdruck bringt, kann die Gültigkeit dieses Beschlusses unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Formulierung dieses Schreibens den Schluss zuließ, dass es sich nur um eine vorbereitende Handlung handele, und des Umstands, dass die ANSM als Adressatin des Schreibens in ihrer Antwort darauf zum Ausdruck brachte, dass kein Einverständnis herrsche und sie die vorläufige Maßnahme aufrechterhalten werde, bis die Kommission endgültig entschieden habe, worauf sie von der Kommission keine Antwort erhielt, vor einem nationalen Gericht angefochten werden, obwohl keine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dagegen eingebracht wurde?

5.

Falls die vorstehende Frage bejaht wird, wurde das Schreiben vom 27. November 2019 von einer Person unterzeichnet, die bevollmächtigt ist, den Beschluss im Namen der Kommission zu erlassen, und ist es unter Berücksichtigung der maßgeblichen Auslegung der Bestimmungen von Art. 27 der Verordnung Nr. 1223/2009 in Verbindung mit jenen des Art. 31 rechtswirksam, soweit es sich darauf stützt, dass der in diesem Artikel vorgesehene Schutzklauselmechanismus „individuelle Maßnahmen zu kosmetischen Mitteln betrifft, die auf dem Markt bereitgestellt werden, und nicht Maßnahmen allgemeiner Natur, die sich auf eine Kategorie von Mitteln beziehen, die einen bestimmten Stoff enthalten“?

6.

Für den Fall, dass die vorstehende Frage bejaht wird, oder falls das Schreiben vom 27. November 2019 im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht mehr bekämpft werden kann, verstößt die auf der Grundlage von Art. 27 der Verordnung Nr. 1223/2009 ergriffene vorläufige Maßnahme von Anfang an gegen diese Verordnung, erst ab der Zustellung des Schreibens an die ANSM oder erst nach Ablauf einer angemessenen Frist ab dieser Zustellung zur Ermöglichung seiner Aufhebung, auch in Anbetracht der Unsicherheit über die Tragweite dieses Schreibens sowie des Umstands, dass die Kommission der Agentur auf die Ankündigung, „die Entscheidung vom 13. März 2019 vorsorglich bis zum Beschluss der Kommission nach Art. 27 der Verordnung … Nr. 1223/2009 aufrechtzuerhalten“, nicht geantwortet hat?

Zu den Vorlagefragen

Zur dritten Frage

29

Mit seiner dritten Frage, die als Erstes zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1223/2009 dahin auszulegen ist, dass er es der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats gestattet, allgemeine vorläufige Maßnahmen zu erlassen, die für eine Kategorie von Mitteln gelten, die den gleichen Stoff enthalten.

30

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „kosmetisches Mittel“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1223/2009 als „Stoffe oder Gemische [definiert wird], die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen“.

31

Außerdem wird in der Präambel der Anhänge II bis VI dieser Verordnung zum einen eine Unterscheidung zwischen aus- bzw. abzuspülenden Mitteln und Mitteln, die auf der Haut bzw. in den Haaren verbleiben, vorgenommen, und es werden zum anderen acht Verwendungen für kosmetische Mittel benannt und definiert, nämlich Haarmittel, Hautmittel, Lippenmittel, Gesichtsmittel, Nagelmittel, Mundmittel, Mittel, die auf Schleimhäute aufgetragen werden, sowie Augenmittel.

32

Somit ist festzustellen, dass sich ein kosmetisches Mittel nicht nur auf die Stoffe beschränkt, aus denen es besteht, sondern über diese Stoffe hinaus durch die Kategorie von kosmetischen Mitteln, zu der es gehört, und durch die Verwendung, zu der es bestimmt ist, gekennzeichnet ist.

33

Hierzu ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass sich aus einer Gesamtbetrachtung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1223/2009, insbesondere von Art. 1 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 3 und 4, ergibt, dass mit dieser Verordnung die Rechtsvorschriften über kosmetische Mittel in der Europäischen Union umfassend harmonisiert werden sollen, um zu einem Binnenmarkt für kosmetische Mittel zu gelangen und zugleich ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten (Urteil vom 17. Dezember 2020, A. M. [Kennzeichnung kosmetischer Mittel], C‑667/19, EU:C:2020:1039, Rn. 27).

34

Zu diesem Zweck hat der Unionsgesetzgeber in der Verordnung Nr. 1223/2009 Anforderungen u. a. in Bezug auf die Sicherheit kosmetischer Mittel für die menschliche Gesundheit eingeführt, denen solche Mittel entsprechen müssen, so dass die Mitgliedstaaten nach Art. 9 dieser Verordnung das Bereitstellen von kosmetischen Mitteln auf dem Markt nicht aufgrund der in dieser Verordnung enthaltenen Anforderungen ablehnen, verbieten oder beschränken können, wenn die kosmetischen Mittel den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechen.

35

Somit hat der Unionsgesetzgeber mit den in der Verordnung Nr. 1223/2009 festgelegten Anforderungen das Ziel des freien Warenverkehrs kosmetischer Mittel mit dem des Schutzes der menschlichen Gesundheit in Einklang gebracht, ohne ein System der vorherigen Genehmigung kosmetischer Mittel einzuführen.

36

Insbesondere ist festzustellen, dass, um dieses hohe Schutzniveau zu gewährleisten, jedes auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebrachte kosmetische Mittel für die menschliche Gesundheit sicher sein und eine Sicherheitsbewertung auf der Grundlage der maßgeblichen Informationen durchlaufen haben muss und ein Sicherheitsbericht zu erstellen und in die Produktinformationsdatei aufzunehmen ist (Urteil vom 12. April 2018, Fédération des entreprises de la beauté, C‑13/17, EU:C:2018:246, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Daraus ergibt sich, dass jedes Inverkehrbringen eines kosmetischen Mittels auf dem Unionsmarkt sowie sein freier Verkehr auf diesem Markt voraussetzt, dass die Sicherheit dieses Mittels für die menschliche Gesundheit nach den in der Verordnung Nr. 1223/2009 eigens festgelegten Modalitäten bewertet wurde (Urteil vom 12. April 2018, Fédération des entreprises de la beauté, C‑13/17, EU:C:2018:246, Rn. 25).

38

Zu diesen Anforderungen gehören u. a. die Einhaltung der in Art. 8 dieser Verordnung erfassten guten Herstellungspraxis sowie die Einhaltung der in Art. 14 dieser Verordnung festgelegten Einschränkungen und Verbote in Bezug auf die Zusammensetzung kosmetischer Mittel.

39

Aus diesem Art. 14 der Verordnung geht nämlich hervor, dass kosmetische Mittel zum einen nicht die in Anhang II dieser Verordnung aufgeführten verbotenen Stoffe oder andere Farbstoffe, Konservierungsstoffe und UV‑Filter als die in Anhang IV, V bzw. VI dieser Verordnung aufgeführten enthalten dürfen und zum anderen keine Stoffe, Farbstoffe und Konservierungsstoffe enthalten dürfen, deren Verwendung eingeschränkt ist und die nicht gemäß den in den Anhängen III bis VI der Verordnung Nr. 1223/2009 festgelegten Einschränkungen verwendet werden.

40

Eine Bewertung der Stoffe wird zur Erstellung der in diesen Anhängen enthaltenen Listen und zu deren Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt im Rahmen des Inkrafttretens und der darauf folgenden Anwendung der Richtlinie 76/768 und sodann der Verordnung Nr. 1223/2009 vorgenommen.

41

Außerdem hat der Unionsgesetzgeber, um die Einhaltung der in der Verordnung Nr. 1223/2009 festgelegten Anforderungen insbesondere zum Schutz der menschlichen Gesundheit zu gewährleisten, zum einen Mechanismen zur Bewertung der Sicherheit kosmetischer Mittel, die auf dem Markt bereitgestellt werden, geschaffen und zum anderen zwei Mechanismen vorgesehen, die es den Mitgliedstaaten gestatten, Maßnahmen im Fall einer von kosmetischen Mitteln ausgehenden Gefahr zu erlassen.

42

So muss nach den Art. 4 und 5 dieser Verordnung für jedes auf dem Markt bereitgestellte kosmetische Mittel eine verantwortliche Person benannt werden, die dafür zuständig ist, die Einhaltung der in dieser Verordnung aufgeführten einschlägigen Verpflichtungen zu gewährleisten, um u. a. die Einhaltung der Anforderungen bei der Sicherheitsbewertung kosmetischer Mittel sicherzustellen.

43

Außerdem können die Mitgliedstaaten nach den Art. 25 und 26 dieser Verordnung die verantwortliche Person bzw. die Händler auffordern, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen; hierzu gehören unter anderem Abhilfemaßnahmen, um ein kosmetisches Mittel in Übereinstimmung mit den Vorschriften zu bringen, die Rücknahme des Mittels vom Markt oder der Rückruf des Mittels innerhalb einer angemessenen Frist, die sich nach der Art des Risikos richtet, sofern festgestellt wird, dass die Anforderungen dieser Verordnung, die die verantwortliche Person erfüllen muss, und die Verpflichtungen der Händler nicht eingehalten werden.

44

Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1223/2009, um dessen Auslegung das vorlegende Gericht ersucht, bestimmt, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie im Fall von Produkten, die den Anforderungen gemäß Art. 25 Abs. 1 dieser Verordnung entsprechen, feststellen oder begründete Besorgnis haben, dass eines oder mehrere auf dem Markt bereitgestellte kosmetische Mittel wahrscheinlich ein ernstes Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen oder darstellen könnten, alle geeigneten vorläufigen Maßnahmen erlassen, um sicherzustellen, dass das oder die kosmetischen Mittel vom Markt genommen, zurückgerufen oder seine bzw. ihre Verfügbarkeit auf andere Weise eingeschränkt wird bzw. werden.

45

Die FEBEA und die Kommission machen geltend, dass diese Bestimmung nur den Erlass vorläufiger Einzelmaßnahmen in Bezug auf ein konkretes auf dem Markt bereitgestelltes Mittel gestatte. Dagegen vertreten die französische und die griechische Regierung unter Verweis u. a. auf die durch die Verordnung Nr. 1223/2009 hergestellte Verbindung zwischen kosmetischen Mitteln und Stoffen sowie auf das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel des Schutzes der menschlichen Gesundheit die Auffassung, dass diese Bestimmung dahin auszulegen sei, dass sie den Erlass allgemeiner vorläufiger Maßnahmen gestatte, die sich auf eine Kategorie von Mitteln bezögen, die den gleichen Stoff enthielten.

46

Art. 27 Abs. 1 dieser Verordnung kann indessen nicht dahin ausgelegt werden, dass er die Mitgliedstaaten ermächtigt, allgemeine vorläufige Maßnahmen zu erlassen, die sich nicht auf ein oder mehrere individuell bezeichnete kosmetische Mittel, sondern auf eine Kategorie von Mitteln beziehen, die den gleichen Stoff enthalten.

47

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass zur Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts, deren Wortlaut nicht ausdrücklich auf das nationale Recht Bezug nimmt, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2020, A. M. [Kennzeichnung kosmetischer Mittel], C‑667/19, EU:C:2020:1039, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

Als Erstes ist zum Wortlaut von Art. 27 Abs. 1 dieser Verordnung festzustellen, dass dieser nur kosmetische Mittel betrifft, nicht aber die Stoffe, aus denen sie bestehen.

49

Zwar ist es zutreffend, dass, wie die französische Regierung geltend macht, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1223/2009 mit der Definition des Begriffs „kosmetisches Mittel“ als „Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers … in Berührung zu kommen“, eine Verbindung zwischen den Begriffen „kosmetisches Mittel“ und „Stoff“ herstellt.

50

Wie aber bereits in den Rn. 30 bis 32 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, wird ein kosmetisches Mittel angesichts des durch diese Verordnung geschaffenen Systems anhand seines Namens identifiziert und zeichnet sich nicht nur durch die Stoffe, aus denen es besteht, sondern auch durch die Kategorie von kosmetischen Mitteln, zu der es gehört, und durch die Verwendung aus, zu der es bestimmt ist.

51

Als Zweites bestätigt der Kontext, in den sich Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1223/2009 einfügt, die Auslegung dieser Bestimmung, wonach es den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, allgemeine vorläufige Maßnahmen zu erlassen, die sich auf eine Kategorie von Mitteln beziehen, die den gleichen Stoff enthalten.

52

Erstens ist die Tragweite der in dieser Bestimmung vorgesehenen Möglichkeit der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, vorläufige Schutzmaßnahmen zu erlassen, anhand des in den Art. 14 und 31 dieser Verordnung festgelegten Regelungssystems für die Verwendung von Stoffen in kosmetischen Mitteln zu bestimmen.

53

Indem der Unionsgesetzgeber die Verwendung bestimmter Stoffe verboten und die Verwendung von in den Anhängen der Verordnung Nr. 1223/2009 genehmigten Stoffen durch die Angabe der Art der Mittel oder der Körperteile, für die der Stoff bestimmt ist, sowie der Höchstkonzentration des Stoffes in der gebrauchsfertigen Zubereitung genau geregelt hat, hat er die Verwendung von Stoffen in kosmetischen Mitteln auf Unionsebene umfassend harmonisiert. Mit den Anhängen dieser Verordnung hat der Unionsgesetzgeber auch die Tragweite von Art. 27 Abs. 1 dieser Verordnung eingeschränkt. Ein „ernstes Risiko für die menschliche Gesundheit“ im Sinne dieser Bestimmung betrifft nämlich aufgrund der in den Anhängen II bis VI dieser Verordnung festgelegten Verbote und Einschränkungen nur bestimmte kosmetische Mittel, die einen Stoff in einer bestimmten Konzentration enthalten und für eine bestimmte Verwendung oder einen bestimmten Körperteil und gegebenenfalls für eine konkrete und bezeichnete Gruppe von Verbrauchern vorgesehen sind.

54

Diese Auslegung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1223/2009 nach Art. 27 Abs. 4 dieser Verordnung Anwendung findet, falls die vorläufigen Maßnahmen gerechtfertigt sind, so dass die Kommission nach Anhörung des SCCS die Anhänge II bis VI dieser Verordnung entsprechend ändern kann.

55

Dieser Mechanismus spiegelt nämlich die in der Verordnung Nr. 1223/2009 angelegte Unterscheidung zwischen Regelung und Überwachung des Marktes für kosmetische Mittel wider.

56

Aus Kapitel VII dieser Verordnung ergibt sich insoweit, dass die Überwachung des Marktes für kosmetische Mittel den Mitgliedstaaten obliegt. Diese sind nach Art. 22 dieser Verordnung verpflichtet, auf dem Markt bereitgestellte kosmetische Mittel zu kontrollieren und gemäß den Art. 23 und 24 dieser Verordnung Informationen über solche Mittel zu sammeln.

57

Diese Kontrollen und Informationen können, wie aus Art. 23 Abs. 5 und Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1223/2009 hervorgeht, u. a. zur Marktüberwachung im Zusammenhang mit Art. 25 bis 27 dieser Verordnung verwendet werden.

58

Folglich ist die in Art. 27 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehene Möglichkeit für die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, vorläufige Schutzmaßnahmen zu erlassen, ein Instrument zur Überwachung des Marktes für kosmetische Mittel.

59

Die in den Anhängen II bis VI der Verordnung Nr. 1223/2009 vorgenommene Harmonisierung der Regelung der Verwendung von Stoffen in kosmetischen Mitteln fällt hingegen unter die Regelung des Marktes, für die die Kommission zuständig ist.

60

So kommt in der in Art. 27 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1223/2009 hergestellten Verbindung zwischen kosmetischen Mitteln und Stoffen zum Ausdruck, dass die von einem Stoff ausgehende potenzielle Gefahr im Allgemeinen von den Mitgliedstaaten durch die Überwachung kosmetischer Mittel erkannt und auf Unionsebene durch die Änderung des einschlägigen Anhangs dieser Verordnung beseitigt wird.

61

Daraus folgt, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zwar im Rahmen ihrer Aufgabe der Marktüberwachung auf der Grundlage von Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1223/2009 vorläufige Einzelmaßnahmen im Hinblick auf ein oder mehrere konkrete auf dem Markt bereitgestellte Mittel erlassen können, sie aber nicht befugt sind, einseitig die durch diese Verordnung vorgesehene umfassende Harmonisierung in Frage zu stellen, indem sie wie im vorliegenden Fall von einigen bestimmten Verwendungen eines Stoffes abraten oder auch nur vorübergehend verbieten, dass ein durch diese Verordnung genehmigter Stoff verwendet wird.

62

Zweitens darf die Auslegung von Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1223/2009 die Kohärenz des durch diese Verordnung vorgesehenen Systems nicht beeinträchtigen.

63

Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach Art. 28 Abs. 1 dieser Verordnung der verantwortlichen Person jede gemäß den Art. 25 und 27 dieser Verordnung getroffene Entscheidung von der zuständigen Behörde unverzüglich mitgeteilt wird. Außerdem ist nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1223/2009 eine verantwortliche Person für ein kosmetisches Mittel und nicht für einen Stoff verantwortlich.

64

Es wäre jedoch inkonsequent, die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Interesse einer zügigen Behandlung zu ermächtigen, allgemeine vorläufige Maßnahmen zu erlassen, die für eine Kategorie kosmetischer Mittel gelten, die den gleichen Stoff enthalten, und sie zugleich dazu zu verpflichten, diese Maßnahmen der für das kosmetische Mittel verantwortlichen Person mitzuteilen.

65

Als Drittes würde eine Auslegung von Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1223/2009 dahin, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten befugt sind, allgemeine vorläufige Maßnahmen zu erlassen, die sich auf eine Kategorie von Mitteln beziehen, die den gleichen Stoff enthalten, das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel eines funktionierenden Binnenmarkts beeinträchtigen.

66

Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass mit dieser Verordnung die Rechtsvorschriften über kosmetische Mittel in der Union umfassend harmonisiert werden sollen, um zu einem Binnenmarkt für kosmetische Mittel zu gelangen und zugleich ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten.

67

Wie sich aus den Rn. 30 bis 44 des vorliegenden Urteils ergibt, wird durch die insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit und die Zusammensetzung von kosmetischen Mitteln einzuhaltenden Anforderungen sichergestellt, dass diese beiden Ziele beachtet und miteinander in Einklang gebracht werden.

68

Mit der Verordnung Nr. 1223/2009 soll somit durch die Erstellung von Verzeichnissen von Stoffen, deren Verwendung in kosmetischen Mitteln verboten ist, und durch die Regelung der Verwendung bestimmter Stoffe in solchen Mitteln auf Unionsebene sichergestellt werden, dass der Verordnung Nr. 1223/2009 entsprechende und auf dem Markt bereitgestellte kosmetische Mittel nicht aus Stoffen bestehen, von denen erwiesenermaßen eine Gefahr ausgeht; damit gewährleistet die genannte Verordnung ein hohes Gesundheitsschutzniveau.

69

Da die Verwendung von in den Anhängen der Verordnung Nr. 1223/2009 genehmigten Stoffen in kosmetischen Mitteln durch die Angabe der Art der Mittel oder der Körperteile, für die der Stoff bestimmt ist, sowie der Höchstkonzentration dieses Stoffes in der gebrauchsfertigen Zubereitung strikt geregelt ist, können kosmetische Mittel, die den Anforderungen von Art. 25 Abs. 1 dieser Verordnung entsprechen, außerdem nur unter abgegrenzten Umständen ein „ernstes Risiko für die menschliche Gesundheit“ im Sinne von Art. 27 Abs. 1 dieser Verordnung darstellen.

70

In diesem Zusammenhang ist die Tragweite von Art. 27 Abs. 1 dieser Verordnung, um die beiden mit der Verordnung Nr. 1223/2009 verfolgten Ziele miteinander in Einklang zu bringen und unter Berücksichtigung der durch die Verzeichnisse in den Anhängen II bis VI dieser Verordnung geschaffenen Schutzmechanismen, notwendigerweise begrenzt so dass diese Bestimmung keine unverhältnismäßigen, wenn auch nur vorübergehenden Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs kosmetischer Mittel gestattet und daher nur bestimmte und individuell erfasste kosmetische Mittel betreffen kann.

71

Die praktischen Schwierigkeiten, auf die sich die französische Regierung beruft, stellen diese Auslegung von Art. 27 Abs. 1 nicht in Frage.

72

Erstens ist festzustellen, dass die Bedenken dieser Regierung hinsichtlich der Zahl der Mittel, die von einer auf der Grundlage von Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1223/2009 erlassenen vorläufigen Maßnahme betroffen sein können, unbegründet sind. Wie nämlich aus Rn. 69 des vorliegenden Urteils hervorgeht, betrifft das ernste Risiko für die menschliche Gesundheit, das zum Erlass einer vorläufigen Schutzmaßnahme nach Art. 27 Abs. 1 dieser Verordnung durch die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats führen kann, grundsätzlich nur eine sehr begrenzte Anzahl kosmetischer Mittel, die zu einer bestimmten Kategorie kosmetischer Mittel gehören, für eine bestimmte Verwendung und für bestimmte Körperteile vorgesehen sind und einen Stoff in einer bestimmten Konzentration enthalten. Eine Auslegung dieser Bestimmung dahin, dass sie lediglich den Erlass vorläufiger Einzelmaßnahmen im Hinblick auf ein oder mehrere konkrete auf dem Markt bereitgestellte Mittel gestattet, hat daher nicht zur Folge, dass die nationalen Behörden verpflichtet wären, unverhältnismäßig viele vorläufige Maßnahmen zu erlassen, und führt weder für diese Behörden noch für die Kommission zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand.

73

Zweitens ermöglichen es die in der Verordnung Nr. 1223/2009 vorgesehenen Mechanismen, auch wenn diese Verordnung keinen Mechanismus der vorherigen Genehmigung für das Inverkehrbringen kosmetischer Mittel vorsieht, den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, rasch festzustellen, welche Mittel zur gleichen Verwendung bestimmt sind und einen bestimmten Stoff enthalten, und gemäß Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1223/2009 geeignete vorläufige Maßnahmen zu erlassen, um sicherzustellen, dass das oder die kosmetischen Mittel vom Markt genommen, zurückgerufen oder seine bzw. ihre Verfügbarkeit auf andere Weise eingeschränkt wird bzw. werden.

74

Zum einen führt nämlich die Verordnung Nr. 1223/2009 Mechanismen zur Zentralisierung und zum Austausch von Informationen über kosmetische Mittel ein, wodurch sichergestellt wird, dass diese Informationen aufgrund der Zusammenarbeit der Verwaltungen der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten mit der Kommission für die zuständigen nationalen Behörden rasch und leicht zugänglich sind.

75

So sind diese Behörden nach Art. 30 dieser Verordnung zur Zusammenarbeit verpflichtet, um die Überprüfung der Produktinformationsdatei sicherzustellen, die von der verantwortlichen Person gemäß Art. 11 dieser Verordnung für jedes auf dem Markt bereitgestellte kosmetische Mittel vorgelegt wird. Außerdem müssen die in Art. 13 der Verordnung Nr. 1223/2009 genannten Informationen, die der Kommission übermittelt und von dieser zentralisiert werden, im Rahmen der in Art. 29 dieser Verordnung festgelegten Zusammenarbeit ausgetauscht werden, um sie erforderlichenfalls zur Marktüberwachung im Zusammenhang mit den Art. 25 bis 27 dieser Verordnung zu verwenden.

76

Zum anderen können die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, in denen ein Mittel, das einen Stoff enthält, auf dem Markt bereitgestellt wird, auf der Grundlage von Art. 24 der Verordnung Nr. 1223/2009 von der verantwortlichen Person verlangen, eine Liste aller kosmetischen Mittel vorzulegen, für die sie verantwortlich ist und die diesen Stoff enthalten.

77

Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1223/2009 dahin auszulegen ist, dass er es der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats nicht gestattet, allgemeine vorläufige Maßnahmen zu erlassen, die für eine Kategorie von Mitteln gelten, die den gleichen Stoff enthalten.

Zu den Fragen 1, 2 und 4 bis 6

78

Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen vom Gerichtshof wissen, wie das Schreiben vom 27. November 2019 einzuordnen ist, und – für den Fall, dass dieses Schreiben als „vorbereitende Handlung“ des Beschlusses anzusehen ist, mit dem die Kommission entscheidet, ob eine vorläufige Maßnahme eines Mitgliedstaats nach Art. 27 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1223/2009 gerechtfertigt ist, und dass die Kommission folglich keinen endgültigen Beschluss erlassen hat, – über welche Modalitäten der Kontrolle einer solchen vorläufigen Maßnahme ein nationales Gericht verfügt.

79

Mit seinen Fragen 4 bis 6 möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass das Schreiben vom 27. November 2019 als „Beschluss der Kommission“ im Sinne von Art. 27 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1223/2009 einzustufen ist, wissen, unter welchen Voraussetzungen dieser Beschluss im Hinblick auf seine Rechtmäßigkeit angefochten werden kann und welche Auswirkungen dies auf die Gültigkeit der vorläufigen nationalen Maßnahme hat.

80

Diese Fragen beruhen auf der Annahme, dass Art. 27 der Verordnung Nr. 1223/2009 im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits anwendbar ist. Aus der Antwort auf die dritte Frage ergibt sich jedoch, dass Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1223/2009 es der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats nicht gestattet, allgemeine vorläufige Maßnahmen zu erlassen, die für eine Kategorie von Mitteln gelten, die den gleichen Stoff enthalten, so dass die Entscheidung vom 13. März 2019 nicht unter diese Bestimmung fällt.

81

Daraus folgt, dass es in Anbetracht der Antwort auf die dritte Frage nicht erforderlich ist, die Fragen 1 und 2 sowie 4 bis 6 zu beantworten.

Kosten

82

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 27 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel ist dahin auszulegen, dass er es der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats nicht gestattet, allgemeine vorläufige Maßnahmen zu erlassen, die für eine Kategorie von Mitteln gelten, die den gleichen Stoff enthalten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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