EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 17.5.2018
COM(2018) 293 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
EUROPA IN BEWEGUNG
Nachhaltige Mobilität für Europa: sicher, vernetzt und umweltfreundlich
1.
EINLEITUNG
In seiner Rede zur Lage der Union vom September 2017 formulierte Präsident Juncker das Ziel, dass die EU und ihre Unternehmen in puncto Innovation, Digitalisierung und Verringerung der CO2-Emissionen weltweit Nummer eins werden. Die Kommission hat ein umfassendes Konzept angenommen, um zu gewährleisten, dass die Mobilitätspolitik der EU diesen politischen Prioritäten Rechnung trägt. Im Anschluss an die Verabschiedung der Strategie für emissionsarme Mobilität nahm die Kommission im Mai bzw. November 2017 zwei „Mobilitätspakete“ an. Diese legten eine positive Agenda fest und umfassten eine Reihe von Legislativvorschlägen und Initiativen zur Umsetzung der Strategie für emissionsarme Mobilität und zur Gewährleistung eines reibungslosen Übergangs zu einer umweltfreundlichen, wettbewerbsfähigen und vernetzten Mobilität für alle. Das Europäische Parlament und der Rat sollten die zügige Annahme dieser Vorschläge sicherstellen.
Dieses dritte und letzte Paket „Europa in Bewegung“ dient zur Umsetzung der neuen Strategie für die Industriepolitik vom September 2017 und ist darauf ausgerichtet, den Prozess abzuschließen, der Europa in die Lage versetzen soll, den vollen Nutzen aus der Modernisierung der Mobilität zu ziehen. Damit dieses Ziel erreicht wird, müssen alle Bürgerinnen und Bürger künftig Zugang zu einem sicheren, umweltfreundlichen und effizienten Mobilitätssystem haben. Wir müssen die Möglichkeiten neuer Technologien nutzen, um gleichzeitig mehrere Ziele zu verfolgen, d.h. die europäische Mobilität sicherer und zugänglicher zu gestalten, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu stärken, Arbeitsplätze in Europa zu sichern, für eine saubere Umwelt zu sorgen und uns besser für die Bekämpfung des Klimawandels zu wappnen. Dies erfordert das uneingeschränkte Engagement der EU, der Mitgliedstaaten und der einzelnen Interessenträger.
Der technologische Wandel erfasst alle Teile der Gesellschaft und der Wirtschaft und verändert das Leben der Bürgerinnen und Bürger der EU grundlegend. Der Verkehr ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Neue Technologien führen zur radikalen Veränderung der Mobilitätslandschaft. Sie stellen die herkömmlichen Geschäftsmodelle und Unternehmensformen im Verkehrssektor in Frage und bringen nicht nur Chancen in Form neuer Mobilitätsdienste und -akteure mit sich, sondern auch Herausforderungen. Der Arbeitsmarkt und der Qualifikationsbedarf verändern sich rasch und die EU muss im intensiven globalen Wettbewerb konkurrenzfähig bleiben. Angesichts der Tatsache, dass auf die Wertschöpfungskette in der Automobilbranche und dem Verkehrssektor 12 Millionen Arbeitsplätze entfallen und ein effizientes Verkehrssystem ein wesentliches Element der Wettbewerbsfähigkeit der EU bildet, kommt der Anpassung an den Wandel entscheidende Bedeutung für die Mobilitätspolitik der EU zu.
Sogar der Begriff „Verkehr“ unterliegt einem grundlegenden Wandel, und die herkömmlichen Trennlinien zwischen Fahrzeug, Infrastruktur und Nutzer werden zunehmend verwischt. Der Fokus liegt nicht mehr auf dem Verkehrsmittel; infolge der zunehmenden Vernetzung und Automatisierung steht heute vielmehr der Nutzer im Mittelpunkt eines deutlich flexibleren und stärker integrierten Mobilitätssystems.
Das Aufkommen zunehmend automatisierter und vernetzter Fahrzeuge markiert den nächsten Entwicklungsschritt im Verkehrssektor und wird die Art und Weise, wie die Bürgerinnen und Bürger künftig mit der Mobilität umgehen, revolutionieren. Diese Revolution hat bereits begonnen, und Europa muss darauf vorbereitet sein. Digitale Technologien sind zwar Triebkraft des Wandels, doch sie können uns auch dabei helfen, viele der Herausforderungen zu überwinden, vor denen das heutige Mobilitätssystem steht. Vorausgesetzt, dass ein robuster Rechtsrahmen vorhanden ist, wird die Nutzung automatisierter Fahrzeuge und fortgeschrittener Konnektivitätssysteme dazu führen, dass Fahrzeuge sicherer werden, leichter geteilt werden können und für alle Bürgerinnen und Bürger, einschließlich derjenigen, die wie ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen möglicherweise von den heutigen Mobilitätsdiensten abgeschnitten sind, auch zugänglicher werden. Dies wiederum trägt dazu bei, durch Verringerung der Verkehrsüberlastung die Energieeffizienz zu steigern, die Luftqualität zu verbessern und somit letztlich auch den Klimawandel zu bekämpfen. Die Politik der EU muss wirksam koordiniert werden und so konzipiert sein, dass der volle Nutzen aus diesen positiven Nebeneffekten gezogen werden kann.
Europa muss eine führende Rolle bei dieser Umgestaltung des Mobilitätssystems spielen und die EU muss dort tätig werden, wo sie etwas bewirken kann. Die EU ist am besten in der Lage, dafür zu sorgen, dass diese Entwicklungen den Bedürfnissen der Kreislaufwirtschaft Rechnung tragen und dass die gesellschaftlichen Vorteile wie Sicherheit und Lebensqualität in vollem Umfang berücksichtigt, Innovation, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit gefördert und die Vorteile für die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger auf europäischer Ebene maximiert werden.
2.
SICHERE MOBILITÄT: Schwerpunkt auf Sicherheit
Die Sicherheit ist bei jedem Verkehrssystem von grundlegender Bedeutung; sie muss immer Vorrang genießen. In dem Maße, wie die Mobilität weiter zunimmt und sich durch Digitalisierung, Dekarbonisierung und Innovation grundlegend verändert, müssen die sich bietenden Möglichkeiten zur weiteren Verbesserung der Sicherheit genutzt werden.
Im Vergleich zu anderen Teilen der Welt kann die EU eine sehr gute Sicherheitsbilanz im Straßenverkehr vorweisen. Allerdings dürfen die EU und ihre Mitgliedstaaten angesichts der hohen Zahl der Verkehrsunfälle mit Toten und Schwerverletzen, die dennoch täglich zu verzeichnen sind, nicht in Selbstgefälligkeit verfallen; sie müssen sich vielmehr um eine weitere Verringerung der Zahl der Toten und Verletzten bemühen. In der Erklärung von Valletta zur Straßenverkehrssicherheit vom März 2017 haben sich die nationalen Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zur weiteren Verringerung der Zahl der Unfallopfer im Straßenverkehr verpflichtet und die Kommission um Koordinierung der Maßnahmen auf EU-Ebene ersucht. Sie forderten die Kommission auf, „einen neuen Rahmen für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit für das Jahrzehnt nach 2020 auszuarbeiten und dabei auch die Leistungen auf dem Gebiet der Straßenverkehrssicherheit anhand der in dieser Erklärung festgelegten Vorgaben und Ziele zu bewerten“. Sie haben es sich ferner zum Ziel gemacht, die Zahl der Schwerverletzten im EU-Straßenverkehr bis 2030 zu halbieren (ausgehend von der Zahl für das Jahr 2020).
Die Straßenverkehrssicherheit in der EU hat sich in den letzten Jahrzehnten dank gezielter Maßnahmen auf EU-, nationaler, regionaler und lokaler Ebene erheblich verbessert. Zwischen 2001 und 2010 ist die Zahl der Verkehrstoten in der EU um 43 Prozent und zwischen 2010 und 2017 um weitere 20 Prozent gesunken. Dennoch kamen 2017 25 300 Menschen auf den Straßen der EU ums Leben (rund 70 pro Tag) und etwa 135 000 Menschen wurden schwer verletzt, darunter viele Fußgänger, Radfahrer und Motorradfahrer. Die menschlichen und gesellschaftlichen Kosten, die sich in diesen Zahlen widerspiegeln, sind inakzeptabel. Die jährlichen Kosten von Verkehrsunfällen mit Toten und Schwerverletzten werden auf mehr als 120 Mrd. EUR geschätzt; das entspricht rund 1 Prozent des BIP.
Obwohl einige Mitgliedstaaten weiterhin erhebliche Fortschritte bei der Verringerung der Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr machen, ist der Fortschritt in der EU insgesamt in den letzten Jahren zum Erliegen gekommen. So ging in den Jahren 2016 und 2017 die Zahl der Verkehrstoten um etwa 2 Prozent zurück, doch in einigen Mitgliedstaaten wurde sogar ein Anstieg verzeichnet. Die Verwirklichung des Ziels der EU, zwischen 2010 und 2020 die Zahl der Verkehrstoten zu halbieren, stellt eine große Herausforderung dar
.
Wichtige Faktoren bei Straßenverkehrsunfällen sind Geschwindigkeit, Fahren unter Einfluss von Alkohol oder Drogen und das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts bzw. das Nichttragen eines Helms. Zu diesen Faktoren und dem wachsenden Phänomen der Ablenkung durch mobile Geräte kommen in einem komplexen Umfeld neue Trends hinzu, die einen flexiblen und dynamischen Ansatz erfordern. Besonderes Augenmerk sollte schwächeren Verkehrsteilnehmern, vor allem Fahrradfahrern und Fußgängern, gelten, da ihr Anteil an der Zahl der Toten und Schwerverletzten merklich zunimmt. Da zu erwarten ist, das Formen der nachhaltigen Mobilität wie das Radfahren weiter an Bedeutung gewinnen werden, müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, um den Schutz dieser Verkehrsteilnehmer zu verbessern.
Der technologische Fortschritt – vor allem bei der Vernetzung und Automatisierung – schafft neue Möglichkeiten, um menschliches Versagen zu kompensieren oder zu beseitigen. Der Übergang zu selbstfahrenden Fahrzeugen dürfte daher langfristig zu mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger führen. Allerdings entstehen in der Übergangsphase neue Risiken, etwa in Bezug auf das Funktionieren hochautomatisierter Fahrzeuge im gemischten Verkehr und die komplexe Interaktion zwischen Fahrer und Fahrzeug (Mensch-Maschine-Schnittstelle). Daneben treten auch Fragen der Cybersicherheit auf. Aus dem demographischen Wandel und den unterschiedlichen Ansätzen im Bereich der persönlichen Mobilität werden sich weitere Herausforderungen ergeben.
Daher sollten die Synergien zwischen Sicherheit und Nachhaltigkeit besser genutzt werden. So muss beispielweise die Förderung der Nutzung emissionsfreier Verkehrsmittel mit Maßnahmen zum verbesserten Schutz von Fußgängern und Radfahrern Hand in Hand gehen. Neue und sicherere Formen der Mobilität können auch mit einem verbesserten Zugang zu Mobilität für alle Mitglieder der Gesellschaft, insbesondere für Menschen mit Behinderungen und den wachsenden Anteil älterer Menschen, einhergehen
Dies verdeutlicht die Notwendigkeit eines verstärkten Ansatzes zur Umsetzung der EU-Politik im Bereich der Straßenverkehrs- und Fahrzeugsicherheit, bei dem der Schwerpunkt auf Ergebnissen und Wirkungen liegt und der nicht nur inklusiv gestaltet ist, sondern auch ausreichende Flexibilität für eine ständige Anpassung an sich verändernde Rahmenbedingungen bietet.
Langfristiges Ziel der EU bleibt es, bis 2050 die Zahl der Verkehrstoten auf nahe Null zu senken („Vision Zero“). Das gleiche sollte auch für Schwerverletzte gelten. Die EU wird außerdem ein neues Zwischenziel verfolgen, nämlich die Verringerung der Zahl nicht nur der Straßenverkehrstoten, sondern auch der Schwerverletzten (gemäß der neuen gemeinsamen, mit allen Mitgliedstaaten abgesprochenen Definition von schweren Verletzungen) um 50 Prozent zwischen 2020 und 2030.
Als Beitrag zur Verwirklichung dieser Ziele schlägt die Kommission einen gemeinsamen Rahmen für die Straßenverkehrssicherheit für den Zeitraum 2021-2030 und einen dazu gehörigen Aktionsplan (Anhang 1) vor, die bis Mitte 2019 in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten weiter ausgearbeitet werden sollen. Dieser gemeinsame Rahmen für die Straßenverkehrssicherheit sollte auf der Grundlage des „Safe-System“-Ansatzes umgesetzt werden, der von der Weltgesundheitsorganisation weltweit empfohlen und von immer mehr Mitgliedstaaten, Regionen und Kommunen in der EU angewandt wird. Oberstes Ziel dieses Ansatzes ist es, die Unfallursachen in integrierter Form anzugehen und mehrere Schutzmechanismen miteinander zu kombinieren, damit der Ausfall eines Mechanismus durch andere kompensiert werden kann.
Nach dem „Safe-System“-Ansatz gelten Todesfälle und schwere Verletzungen bei Straßenverkehrsunfällen nicht als zwangsläufiger Preis der Mobilität. Unfälle wird es zwar weiterhin geben, doch Todesfälle und schwere Verletzungen sind größtenteils vermeidbar. Da davon auszugehen ist, dass Menschen Fehler machen, soll mit dem „Safe System“ -Ansatz gewährleistet werden, dass solche Fehler nicht zu tödlichen oder schweren Verletzungen führen.
So können beispielsweise eine bessere Bauweise von Fahrzeugen, eine verbesserte Straßeninfrastruktur und niedrigere Geschwindigkeiten zur Verringerung der Auswirkungen von Unfällen beitragen. Die Verantwortung für das „Safe System“ wird gemeinsam und in koordinierter Weise von dem öffentlichen und dem privaten Sektor getragen. Die Anwendung des Systems wird eng überwacht, um die Ergebnisse zu bewerten und, falls notwendig, die Maßnahmen unter Berücksichtigung der Erfahrungen und neuer Daten und Technologien anzupassen.
Konkrete Ergebnisse lassen sich durch eine bessere Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten und die Anwendung eines zielorientierten Ansatzes ( „Management by Objectives“) erzielen. Die wirksame Behebung bekannter Unfallursachen erfordert die Kombination verschiedener Instrumente und Maßnahmen. So können Rechtsvorschriften durch die Anwendung ausdrücklich auf die Straßenverkehrssicherheit bezogener Kriterien für die Förderfähigkeit auf EU- und nationaler Ebene, durch die verbesserte Weitergabe von gewonnenen Erkenntnissen und bewährten Verfahren sowie durch Sensibilisierungskampagnen ergänzt werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass Maßnahmen, die wesentlich zu erhöhter Sicherheit beitragen, gezielter mit EU-Mitteln unterstützt werden. Ferner hält die Kommission alle Interessenträger an, im Einklang mit der ehrgeizigen „Vision Zero“ (siehe Aktionsplan in Anhang 1) freiwillige Verpflichtungen einzugehen.
Die Kommission wird diesen Ansatz unterstützen, indem sie in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten wichtige Leistungsindikatoren vorschlägt, die einen direkten Bezug zur Verringerung der Straßenverkehrsunfälle mit Toten und Schwerverletzten haben. Diese Indikatoren werden in Abstimmung mit Sachverständigen aus den Behörden der Mitgliedstaaten sowie mit einem breiten Spektrum von Interessenträgern definiert werden, auf einer gemeinsamen Messmethodik und vereinbarten Basiswerten beruhen und (soweit möglich) an Ergebnisziele geknüpft sein. Die Kommission wird prüfen, wie die Mitgliedstaaten bei der gemeinsamen Arbeit an der Methodik und den Messungen unterstützt werden können.
Auch im Rahmen eines integrierten „Safe System“-Ansatzes werden Rechtsvorschriften, einschließlich auf EU-Ebene, weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Seit März 2018 sind die Vorschriften über das automatische Notrufsystem („eCall“) in Kraft. Über „eCall“ werden bei einem schweren Verkehrsunfall die Notfalldienste automatisch benachrichtigt und der Standort des Fahrzeugs übermittelt. Dieses System ist inzwischen obligatorisch für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge, und die ersten damit ausgestatteten Fahrzeuge werden voraussichtlich ab Mitte 2018 auf den Straßen der EU fahren. Mit diesem System lässt sich die Zeit bis zum Eintreffen der Rettungskräfte um bis zu 40 Prozent in städtischen Gebieten und um bis 50 Prozent im ländlichen Raum verkürzen. Die Ausweitung des Systems auf andere Fahrzeugkategorien wird derzeit von der Kommission geprüft.
Als Teil dieses „dritten Mobilitätspakets“ nimmt die Kommission zwei Vorschläge an, die die Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr zum Ziel haben. Bei dem einen Vorschlag geht es um eine grundlegende Änderung der EU-Sicherheitsstandards, um zum Beispiel die neuesten Sicherheitsmerkmale zu berücksichtigen, bei dem anderen um die Verbesserung des Sicherheitsmanagements im Bereich der Straßenverkehrsinfrastruktur.
Die Automobilindustrie der Europäischen Union nimmt bei der Entwicklung von Technologien, die die Einführung immer erschwinglicherer Sicherheitssysteme ermöglichen, eine Spitzenposition ein. Diese Technologien werden zur Verhütung von Unfällen beitragen, doch sind weitere Maßnahmenerforderlich. So sind aktive und passive Sicherheitssysteme, die nicht nur die Fahrzeuginsassen, sondern auch Fußgänger, Fahrradfahrer und andere ungeschützte Verkehrsteilnehmer schützen, unerlässlich. Aus diesem Grund schlägt die Kommission ein umfassendes Paket neuer, verbindlicher Maßnahmen zur Verbesserung der Fahrzeugsicherheit vor. Ziel dabei ist es, die neuen Unfallvermeidungssysteme mit aktualisierten aktiven und passiven Sicherheitsmaßnahmen zu kombinieren, um die Zahl der Unfälle mit Toten und Verletzten auf den Straßen der EU insgesamt zu senken. Die neuen Fahrzeugsicherheitssysteme sind kostengünstig, technisch umsetzbar und bergen ein hohes Potenzial für eine deutliche Verringerung der Zahl der Toten und Schwerverletzen – sowohl bei den Fahrzeuginsassen, als auch bei den anderen Verkehrsteilnehmern. Sie ebnen auch den Weg für eine breitere Einführung automatisierter Fahrzeuge.
Nach den überarbeiten Testprotokollen werden die Hersteller verpflichtet sein, Fahrzeuge mit fortgeschritteneren Rückhaltesystemen auszustatten, um einen besseren Schutz für ältere Menschen zu bieten. Auch die stetig steigende Zahl der Fußgänger und Radfahrer muss besser geschützt werden, beispielsweise durch den Einbau neuer Kollisionswarner und die Verbesserung der direkten Sicht für Lkw-Fahrer. Die vorgeschlagenen Maßnahmen erstrecken sich auch auf gesellschaftliche Fragen wie z. B. Geschwindigkeitsübertretung oder die Nutzung von Smartphones am Steuer. Insgesamt leisten diese neuen Fahrzeugsicherheitsmaßnahmen einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit.
Mit ihrem zweiten Legislativvorschlag strebt die Kommission eine Verbesserung des Sicherheitsmanagements für die Straßenverkehrsinfrastruktur mit dem Ziel an, sowohl die Zahl als auch die Schwere der Verkehrsunfälle zu verringern. Er sieht neben der Verbesserung der Transparenz und Umsetzung der bestehenden Verfahren im Bereich der Straßenverkehrssicherheit (Folgenabschätzungen, Prüfungen, Inspektionen) die Einführung eines neuen Verfahrens zur Erfassung der Unfallrisiken im gesamten Straßennetz vor. Dies soll eine vergleichende Analyse der Straßenverkehrssicherheit in ganz Europa ermöglichen und damit eine Grundlage für Entscheidungen über Investitionen, einschließlich EU-finanzierter Investitionen, schaffen. Darüber hinaus soll der Geltungsbereich der Rechtsvorschriften über das transeuropäische Verkehrsnetz hinaus ausgeweitet werden und künftig auch Hauptverkehrsstraßen umfassen, die für den europaweiten Verkehr von Bedeutung sind, denn auf sie entfällt ein erheblicher Anteil der schweren Unfälle. Dies liegt im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen der EU, die das integrierte Straßennetz nutzen, und bestätigt die gängige Praxis in zahlreichen Mitgliedstaaten, die bereits den Geltungsbereich der einschlägigen EU-Rechtsvorschriften auf Hauptverkehrsstraßen außerhalb des transeuropäischen Verkehrsnetzes ausgeweitet haben.
Fortschrittliche Fahrzeugtechnologien werden sich auf absehbare Zeit auf die bestehende physische Infrastruktur stützen müssen. Daher sieht der Vorschlag die künftige Festlegung von Leistungsanforderungen für die Infrastruktur (z. B. klare Straßenmarkierungen und Verkehrsschilder) vor, die für die Einführung neuer Technologien wie z. B. Spurhaltesysteme erforderlich sind. Dies wird ein erstes Beispiel für den wichtigen Beitrag sein, den die Infrastruktur zur sicheren Einführung vernetzter und automatisierter Mobilitätssysteme leisten kann.
Die Kommission wird auch weiterhin eine führende Rolle auf globaler Ebene in Fragen der Sicherheit im Straßenverkehr spielen und dabei eng mit internationalen Organisationen, insbesondere den Vereinten Nationen, zusammenarbeiten, Fachwissen und bewährte Verfahren austauschen und Möglichkeiten zur Teilnahme an internationalen Finanzierungsinitiativen prüfen. Vor allem die besondere Zusammenarbeit mit den Nachbarländern der EU, darunter vor allem die Länder des westlichen Balkans und die Türkei sowie die Länder der Östlichen Partnerschaft und des Mittelmeerraums, wird fortgesetzt werden.
Im Rahmen des Aktionsplans wird die Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und den Interessenträgern darauf hinarbeiten, dass bei der Neugestaltung des Mobilitätssystems in den kommenden Jahren die Sicherheit weiterhin Vorrang genießt. Durch die Umsetzung eines „Safe-System“-Ansatzes sollen die Maßnahmen, die mit diesem Verkehrssicherheitsrahmen vorgeschlagen werden, konkrete positive Auswirkungen entfalten und zu weiteren wesentlichen und notwendigen Verbesserungen der Sicherheit auf den Straßen der Europäischen Union und damit, was am wichtigsten ist, zur Rettung von Menschenleben beitragen.
3.
VERNETZTE UND AUTOMATISIERTE MOBILITÄT: Nächste Etappe auf dem Weg in die Zukunft
3.1
Strategie für die flächendeckende Einführung vernetzter und automatisierter Fahrzeuge in Europa
Selbstfahrende Fahrzeuge und fortgeschrittene Konnektivitätssysteme sollen dazu beitragen, die Fahrzeugsicherheit zu erhöhen, das Car-sharing zu erleichtern und mehr Nutzern Zugang zu Mobilitätsdiensten zu gewähren. Diese Technologien können auch einen Beitrag zur Bewältigung vieler der großen Herausforderungen in Bereichen wie Straßenverkehrssicherheit, Verkehrsüberlastung, Energieeffizienz und Luftqualität leisten, vor denen das Straßenverkehrssystem heute steht. Sie werden zu grundlegenden Veränderungen der Mobilitätsmuster, des öffentlichen Verkehrs und der Stadtplanung führen. Fahrzeuge, die es dem Fahrer ermöglichen, zumindest unter bestimmten Fahrbedingungen andere Aufgaben als das Lenken des Fahrzeuges zu übernehmen, dürften bereits 2020 auf den Markt kommen. Diese Entwicklungen könnten das gesamte Ökosystem der Automobilindustrie verändern
. Die automatisierte Mobilität wird auch weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft der EU insgesamt haben; dies gilt für ihre Wettbewerbsfähigkeit und technologische Spitzenposition, ihr Wachstumspotenzial (Produktivität und Ausstrahlungseffekte auf andere Branchen wie Telekommunikation oder elektronischer Geschäftsverkehr) und ihre Arbeitsmärkte (Stellenabbau, aber auch Schaffung neuer Arbeitsplätze und Nachfrage nach neuen Qualifikationen).
Damit Europa seine weltweite Spitzenpositionen im Bereich der Fahrzeugautomatisierung und Vernetzung behaupten und Arbeitsplätze in der EU sichern kann, ist es von wesentlicher Bedeutung, dass Schlüsseltechnologien in Europa entwickelt werden, dass automatisiertes und autonomes Fahren auch sicher ist und dass ein moderner Rechtsrahmen günstige Bedingungen für den technologischen Fortschritt bietet.
Die europäische Industrie ist gut aufgestellt, um weltweit wettbewerbsfähig zu sein. Die Automobilindustrie der EU gehört dank ihrer technologischen Innovationen zu den wettbewerbsfähigsten der Welt. Die Europäische Union ist im Bereich der Automatisierung weltweit führend. Die Satellitennavigationsdienste Galileo bietet durch eine genauere Ortung klare Vorteile. Natürlich birgt die Einführung von selbstfahrenden Fahrzeugen wie jede bahnbrechende Technologie nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Doch erste Analysen deuten insgesamt auf positive wirtschaftliche Auswirkungen hin, vorausgesetzt, dass die EU die Chancen nutzt und die damit verbundenen Arbeitsplätze in ihrem Hoheitsgebiet angesiedelt werden
.
Forschungsergebnissen zufolge sind mehr als neunzig Prozent der Verkehrsunfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen. Selbstfahrende, autonome Fahrzeuge dürften daher erheblich zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit beitragen. So werden sie z. B. die Verkehrsregeln genauer einhalten und schneller reagieren als der Mensch. Vernetzte und automatisierte Fahrzeuge können auch zur Verringerung der Verkehrsüberlastung beitragen, da sie das Car-sharing erleichtern, neue und verbesserte Geschäftsmodelle (d. h. Mobilität als Dienstleistung) fördern und damit in Großstädten den Autobesitz weniger attraktiv machen.
Die EU hat bereits begonnen, den Weg dafür zu ebnen, z. B. durch die Annahme von Strategien für kooperative intelligente Verkehrssysteme
und künftige 5G-Kommunikationstechnologien. Im Gegensatz zu anderen Teilen der Welt verfügt die EU bereits weitgehend über den notwendigen Rechtsrahmen. So wurde beispielsweise das europäische Typgenehmigungssystem 2018 überarbeitet, um Marktüberwachungsvorschriften einzuführen, die für einen echten Binnenmarkt für Fahrzeuge, einschließlich selbstfahrender Fahrzeuge, sorgen. Dieser EU-Rahmen dient als Benchmark für die internationale Harmonisierung mit internationalen Partnern innerhalb der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen. Darüber hinaus ist die EU bei der Festlegung der Datenschutzvorschriften, die künftig den Rahmen des digitalen Binnenmarkts bilden werden, bereits weit fortgeschritten.
Allerdings muss noch mehr getan werden. Die EU braucht eine klare, zukunftsorientierte und entschlossene Agenda, um ihre Führungsposition in diesem wettbewerbsintensiven Sektor zu behaupten. Angesichts des raschen technologischen Wandels besteht dringender Bedarf an einem koordinierten Ansatz zur Festlegung von Prioritäten für die Finanzierung von Forschungs-, Demonstrations- und Einführungstätigkeiten auf europäischer und nationaler Ebene, der darauf abzielt, die laufenden und künftigen Programme optimal zu gestalten, die öffentlichen und privaten Investitionen zu maximieren und die Synergien zwischen Vernetzung und Automatisierung voll auszuschöpfen. Bei selbstfahrenden Fahrzeugen werden auf nationaler Ebene in einzelnen Mitgliedstaaten (wie z. B. dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Frankreich, Schweden und den Niederlande) bereits erste Schritte unternommen. Sie betreffen vor allem Vorführungen und groß angelegte Tests. Groß angelegte Tests spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Einführung der betreffenden Technologien und bei der Förderung der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren. Daher unterstützt die Kommission mit gezielten Aufforderungen die grenzübergreifende Koordinierung und die groß angelegte grenzübergreifende Erprobung von selbstfahrenden Fahrzeugen
.
Weitere flankierende Maßnahmen für diesen Sektor und die Mitgliedstaaten sind notwendig, um die Entwicklung selbstfahrender Fahrzeuge und ihrer künftigen Vernetzung mit anderen Systemen und Fahrzeugen zu unterstützen. Dazu gehört auch die beschleunigte Einführung von Diensten für kooperative intelligente Verkehrssysteme. In der Erklärung von Amsterdam werden klare EU-Leitlinien gefordert, um eine Fragmentierung des Marktes zu vermeiden und für die richtigen Investitionen zu sorgen. Einige Mitgliedstaaten haben bereits eigene Strategien angenommen und mit der Verabschiedung nationaler Gesetze begonnen. Auf EU-Ebene ist ein Binnenmarktansatz erforderlich, um ein Mindestmaß an Harmonisierung und Interoperabilität zu gewährleisten und Rechtssicherheit zu garantieren.
Als Reaktion auf diese mannigfaltigen Herausforderungen und im Bemühen um volle Ausschöpfung der von diesen Technologien gebotenen Möglichkeiten und Vorteile schlägt die Kommission einen EU-Ansatz vor, der auf drei miteinander verknüpften strategischen Zielen beruht:
-Entwicklung von Schlüsseltechnologien und -infrastrukturen als Mittel zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU;
-Gewährleistung der sicheren Einführung des vernetzten und automatisierten Fahrens;
-Bewältigung der sozioökonomischen Auswirkungen der automatisierten Mobilität.
Durch ihr Handeln kann die EU dazu beitragen, eine gemeinsame Vision für die künftige Entwicklung des Sektors zu entwerfen und zu gewährleisten, dass der Rechts- und Politikrahmen der EU in wichtigen Bereichen (z. B. Straßenverkehrssicherheit und Cyber-Sicherheit) auf die Markteinführung neuer Produkte und Dienstleistungen vorbereitet ist. Darüber hinaus kann die EU Unterstützung bei der Entwicklung und der grenzübergreifenden Einführung von Schlüsseltechnologien, Dienstleistungen und Infrastrukturen, einschließlich der Einrichtung einer Partnerschaft im Rahmen des nächsten mehrjährigen EU-Finanzrahmens, anbieten, die sowohl den europäischen Bürgerinnen und Bürgern als auch der europäischen Wirtschaft zugutekommen. Vor allem aber kann die EU dazu beitragen, gemeinsame europäische Lösungen für die gesellschaftlichen Fragen zu entwickeln, die für die gesellschaftliche Akzeptanz dieser neuen Technologien maßgeblich sein dürften. Dazu gehören insbesondere der Schutz personenbezogener Daten, grundlegende ethische Entscheidungen im Zusammenhang mit der Entwicklung von autonomen Systemen, die klare Zuweisung der Haftung bei Unfällen sowie die Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Qualifikationen.
Spezifische ergänzende Maßnahmen zur Erreichung dieser drei übergeordneten Ziele sind in der Mitteilung über eine Strategie für vernetzte und automatisierte Mobilität dargelegt
.
3.2.
Ein digitales Umfeld für den Informationsaustausch im Verkehrssektor
Zusätzlich zu den Initiativen, die einen Beitrag zur EU-Strategie für vernetzte und automatisierte Mobilität leisten, umfasst dieses dritte Mobilitätspaket auch zwei Vorschläge für die Schaffung vollständig digitaler und harmonisierter Rahmenbedingungen für den Informationsaustausch zwischen Verkehrsunternehmen und Behörden. Die beiden vorgeschlagenen Verordnungen über eine zentrale Anlaufstelle für den europäischen Seeverkehr (Maritime European Single-Window-environment) und über den elektronischen Informationsaustausch im Güterverkehr ergänzen einander und ermöglichen einen vereinfachten Austausch zwischen Unternehmen und Behörden entlang der Verkehrswege - vom Eingangsort in einem EU-Hafen bis zum endgültigen Bestimmungsort der Waren. Mit diesen beiden Vorschlägen soll durch eine effizientere Verbindung der verschiedenen Verkehrsmittel bei Logistikoperationen der Verwaltungsaufwand reduziert und der digitale Informationsfluss erleichtert werden, was sich positiv auf multimodale Verkehrslösungen auswirken wird.
4.
UMWELTFREUNDLICHE MOBILITÄT: Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels unter Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in der EU
4.1
Batterien für ein wettbewerbsfähiges Ökosystem in Europa – ein strategischer Aktionsplan
Im Rahmen der Energiewende ist die Entwicklung und Herstellung von Batterien eine strategische Notwendigkeit für Europa und eine Schlüsseltechnologie, um die Wettbewerbsfähigkeit seiner Automobilindustrie zu gewährleisten. Sie ist daher auch Bestandteil der von der Kommission in der neuen industriepolitischen Strategie festgelegten Ziele, die darauf ausgerichtet sind, Europa in den Bereichen Innovation, Digitalisierung und Dekarbonisierung an die Weltspitze zu führen.
Europa steht mit der Schaffung einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Batterieindustrie vor einer gewaltigen und dringenden Herausforderung, die rasches Handeln im globalen Wettbewerb erfordert, um eine starke technologische Abhängigkeit von unseren Wettbewerbern zu vermeiden, aber auch um das enorme Potenzial dieser Branche für Beschäftigung, Wachstum und Investitionen zu nutzen. Laut den Prognosen könnte der Batterie-Markt in Europa ab 2025 bis zu 250 Mrd. EUR schwer sein. Um allein den EU-Bedarf zu decken, müssen mindestens 10 bis 20 Giga-Firmen die Massenproduktion von Batteriezellen übernehmen.
Aufgrund des erforderlichen Investitionsvolumens und -tempos kann diese industrielle Herausforderung nicht unkoordiniert angegangen werden.
Im Oktober 2017 initiierte die Kommission eine „Europäische Batterie-Allianz“ mit wichtigen Akteuren aus der Industrie, engagierten Mitgliedstaaten und der Europäischen Investitionsbank. Diese Kooperationsplattform soll unter Federführung der Industrie die Entwicklung gut integrierter Projekte für die Herstellung von Batteriezellen voranbringen und durch die Förderung der Zusammenarbeit der verschiedenen wirtschaftlichen Akteure entlang der Wertschöpfungskette Synergieeffekte sowie Wettbewerbsvorteile und Größenvorteile erzielen. Seit der Gründung der Europäischen Batterie-Allianz waren bereits greifbare Ergebnisse zu verzeichnen, wie die Ankündigung von Industriekonsortien oder -partnerschaften, mit denen die Entwicklung der Batterie-Produktion und entsprechender Ökosysteme in der EU gestärkt werden soll.
Diese Dynamik muss genutzt werden.
Als Teil des Mobilitätspakets „Europa in Bewegung“ legt die Kommission, nach Konsultation der Interessenträger der Industrie und in enger Zusammenarbeit mit diesen (mehr als 120) Wirtschaftsakteuren im Rahmen der „Europäischen Batterie-Allianz“, einen umfassenden Strategischen Aktionsplan für Batterien (Anhang 2) mit einer Reihe konkreter Maßnahmen vor, die dazu beitragen werden, ein innovatives, nachhaltiges und wettbewerbsfähiges „Batterie-Ökosystem“ in Europa zu schaffen.
Im Rahmen dieses Aktionsplans wird die Kommission nicht nur eine grenzübergreifende und integrierte Herangehensweise der EU fördern, sondern auch entlang der gesamten Wertschöpfungskette, beginnend mit der Gewinnung und Verarbeitung von (Primär- und Sekundär-) Rohstoffen, über die Phase der Konzeption und Fertigung von Batteriezellen und Batteriesätzen bis zu deren Nutzung, Zweitnutzung, Verwertung und Entsorgung im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft den Fokus auf eine nachhaltige Herstellung von Batteriezellen legen. Bei diesem Ansatz wird die Anwendung von Nachhaltigkeitsbenchmarks bei der Herstellung und Nutzung leistungsstarker Batterien über die gesamte EU-Wertschöpfungskette hinweg gefördert.
Der Aktionsplan umfasst gezielte Maßnahmen auf EU-Ebene u. a. in den Bereichen Rohstoffe, Forschung und Innovation, Finanzierung/Investitionen, Standards/Regulierung, Handel und Kompetenzentwicklung, um Europa bei der Herstellung und Nutzung von Batterien im Rahmen der Kreislaufwirtschaft an die Weltspitze zu bringen.
Im Einzelnen zielen die Maßnahmen darauf ab,
·den Zugang zu Rohstoffen in ressourcenreichen Ländern außerhalb der EU sicherzustellen, den Zugang zu europäischen Rohstoffquellen zu erleichtern sowie Sekundärrohstoffe durch Recycling in einer Kreislaufwirtschaft zu nutzen;
·den Aufbau einer europäischen Batteriezellenproduktion und einer wettbewerbsfähigen vollständig EU-basierten Wertschöpfungskette zu unterstützen: hierfür werden Hauptakteure aus der Industrie und nationale Behörden zusammengebracht; in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Europäischen Investitionsbank werden innovative und integrierte Großfertigungsprojekte mit einer bedeutenden grenzüberschreitenden und Nachhaltigkeitsdimension gefördert;
·die führende Rolle der Industrie durch zusätzliche Unterstützung von Forschung und Innovation im Bereich der fortschrittlichen Technologien (wie z. B. Lithium-ion Akkus) und der disruptiven Technologien (z. B. Feststoff-Batterien) zu stärken;
·Ausbildung und Förderung hochqualifizierter Arbeitskräfte auf allen Stufen der Wertschöpfungskette zu gewährleisten, um dem Kompetenzdefizit durch entsprechende Ausbildungs-, Umschulungs-, und Weiterbildungsmaßnahmen auf der Ebene der EU und der Mitgliedstaaten zu begegnen;
·eine nachhaltige, möglichst umweltschonende Herstellung von Batteriezellen in Europa zu unterstützen. Dieses Ziel sollte insbesondere durch die Festlegung von Anforderungen für die sichere und nachhaltige Herstellung von Batterien in Europa umgesetzt werden;
·die Kohärenz zwischen dem weiter gefassten EU-Regelungsrahmen und sonstigen Förderrahmen (Strategie für saubere Energie, Mobilitätspakete, Handelspolitik, usw.) zu gewährleisten.
Die Maßnahmen haben das Potenzial, kurz- bis mittelfristig insbesondere den Aufbau der Batteriezellenproduktion in der EU zu stärken sowie langfristig strukturelle Veränderungen in Gang zu setzen, die zur Schaffung eines Batterie-Ökosystems in der EU, das die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt, beitragen und den Weg für die nächste Generation von Batterie-Technologien bereiten.
Diese Zusammenarbeit muss im Hinblick auf eine erfolgreiche Durchführung der verschiedenen Maßnahmen weiter verstärkt werden, und die Kommission zählt auf das Engagement und den Einsatz aller Interessenträger für eine europäische Batterie-Produktion. Die Kommission wird auch weiterhin eng mit den Mitgliedstaaten und der Industrie im Rahmen der Europäischen Batterie-Allianz zusammenarbeiten, um diese Dynamik aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass der Einsatz und die ergriffenen Maßnahmen, rasch konkrete Ergebnisse zeigen.
Mit ihrem Aktionsplan will die Kommission Europa wieder an die Spitze einer für die Zukunft gewappneten Schlüsselindustrie führen, die nicht nur Beschäftigung und Wachstum im Rahmen der Kreislaufwirtschaft fördert, sondern auch umweltfreundliche Mobilität sowie eine bessere Umwelt und Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger der EU gewährleistet.
4.2
Vollendung des EU-Rechtsrahmens für CO2 – Emissionen im Straßenverkehr
Im Rahmen der
Europäischen Strategie für emissionsarme Mobilität
ist die Kommission die politische Verpflichtung eingegangen, erstmals EU-Rechtsvorschriften für die CO2-Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen vorzuschlagen. Mit diesem dritten Mobilitätspaket kommt die Kommission dieser Verpflichtung nach. Die vorgeschlagenen CO2-Emissionsnormen für Lkw, Stadtbusse und Reisebusse stellen eine wichtige Ergänzung des Rechtsrahmens dar, um straßenverkehrsbedingte Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Sie stützen sich auf den 2017 im Rahmen des zweiten Mobilitätspakets angenommenen Vorschlag für CO2-Emissionsnormen für Personenkraftwagen und Lieferwagen nach 2020.
Es bedarf dieses Legislativvorschlags, damit die EU ihren Zusagen im Rahmen des Übereinkommens von Paris gerecht werden und den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 umsetzen kann. Die CO2-Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge machen etwa ein Viertel der straßenverkehrsbedingten Emissionen aus und werden bis zum Jahr 2030 noch weiter zunehmen. Eine kosteneffiziente Verwirklichung der EU-Zielvorgaben für die Verringerung der Treibhausgasemissionen wird daher ohne einen Beitrag aus dem Sektor für schwere Nutzfahrzeuge nicht möglich sein.
Verkehrsunternehmen, bei denen es sich zumeist um kleine und mittlere Unternehmen handelt, können das Potenzial für Kraftstoffeinsparungen nicht nutzen. So wäre es zwar in ihrem langfristigen Interesse die Belastung durch Kraftstoffkosten durch den Erwerb möglichst effizienter Fahrzeuge zu reduzieren, doch diese kostenwirksamen und innovativen Technologien sind aufgrund von Markt- und Regulierungsbarrieren auf dem Markt nicht sehr verbreitet. Die Kommission schlägt nun in Verbindung mit der Überarbeitung anderer Instrumente wie der Eurovignetten-Richtlinie und der Richtlinie zur Förderung sauberer Fahrzeuge sowie dem Aktionsplan zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, der kürzlich im Rahmen der zwei vorangegangenen Mobilitätspakete vorgelegt wurde, die Beseitigung einiger dieser Hindernisse vor.
Die Hersteller und Zulieferer der EU laufen Gefahr, ihre derzeitige Führungsposition bei innovativen Technologien einzubüßen. Auf wichtigen Märkten wie den Vereinigten Staaten, Kanada, Japan, China und Indien wurden in den letzten Jahren Kraftstoffverbrauchs- und/oder Emissionsnormen eingeführt, um Innovationen zu fördern und die Fahrzeugeffizienz rasch zu verbessern. Der Vorschlag der Kommission soll konkrete Anreize für EU-geführte Innovationen und Investitionen zur Förderung kohlenstoffarmer Technologien in diesem Sektor bieten.
Für die Regulierung der CO2-Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen ist nach Ansicht der Kommission ein Stufenkonzept mit einer frühzeitigen Überprüfungsklausel am besten geeignet. Die Rechtsvorschriften sollten darauf abzielen, die ersten sich bietenden Vorteile zu nutzen, um sicherzustellen, dass sich die kosteneffizientesten der bereits verfügbaren Technologien rasch auf dem Markt für die neuesten Lang-Lkw etablieren. Die vier Hauptkategorien der Lang-Lkw sind die ersten Fahrtypen, für die der EU zuverlässige und zertifizierte Emissionsdaten für den Zeitraum ab 2019 vorliegen werden. Auf sie entfallen rund 65 bis 70 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen von schweren Nutzfahrzeugen.
Nach einer Überprüfung im Jahr 2022 anhand der amtlichen Zertifizierungsdaten aus den drei vorangegangen Jahren, sollen die fortgeschritteneren Technologien schrittweise eingeführt werden. Darüber hinaus könnten für andere Arten von Fahrzeugen, für die noch nicht verbindliche Zertifizierungsvorschriften gelten, CO2-Emissionsziele festgelegt werden. Dies betrifft Busse und Reisebusse, kleine Lkw und Sattelanhänger.
Busse, bei denen emissionsarme und emissionsfreie Antriebsstränge am weitesten verbreitet sind, unterliegen nicht den in diesem ersten Vorschlag festgelegten Emissionsreduktionszielen, weil erst noch entsprechende Rechtsvorschriften für die Erhebung und Zertifizierung der Daten zu ihren Treibhausgasemissionen ausgearbeitet werden müssen. Allerdings fördern die überarbeitete Richtlinie über saubere Fahrzeuge sowie der Aktionsplan zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe bereits jetzt im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge den Einsatz emissionsarmer und emissionsfreier Busse in den Städten. Ergänzt wird dies durch die Unterstützung von Maßnahmen zur Beschleunigung der Einführung der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, die in dem mit dem zweiten Mobilitätspaket angenommenen Aktionsplan vorgesehen ist. Darüber bietet die von der Kommission eingeleitete Initiative zur Einführung sauberer Busse, die vom Ausschuss der Regionen unterstützt wird, eine Plattform um die Einführung sauberer Busse schneller voranzutreiben.
Die Kommission fordert das Europäische Parlament und den Rat auf, diese Rechtsvorschriften unverzüglich zu erlassen, um eine wachsende Kluft zwischen den Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen und von anderen Kraftfahrzeugen zu verhindern, um Verkehrsunternehmen die Vorteile niedrigerer Energiekosten zu bieten und langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hersteller und Zulieferer zu sichern.
4.3
Eine neue Methodik für den Kraftstoffpreisvergleich für den Verbraucher
Angesichts der raschen Zunahme der Elektromobilität und der Fahrzeuge, die mit verschiedenen alternativen Kraftstoffen betrieben werden, schlägt die Kommission eine Methode vor, die den Verbrauchern einen einfachen Vergleich der Preise dieser verschiedenen Kraftstoffe ermöglicht. Dies wird das Preisbewusstsein der Verbraucher – auch beim Kauf eines Neuwagens – und die Transparenz der Kraftstoffpreise stärken und soll zur Diversifizierung der für den Verkehr genutzten Energiequellen und zur Verringerung von CO2- und sonstigen Schadstoffemissionen beitragen.
4.4
Verbesserung der Kennzeichnung von Reifen
Die EU-Verordnung über die Kennzeichnung von Reifen fördert kraftstoffeffiziente und sichere Reifen mit geringem externen Rollgeräusch, um Kraftstoffeinsparungen sowie die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten. Sie zielt außerdem darauf ab, die Verbraucher durch ein Standardetikett umfassender zu informieren und so die Kaufentscheidungen zu beeinflussen. Da der Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs zu 20 - 30 % von den Reifen abhängt, hat ihre Leistung erheblichen Einfluss auf die Kraftstoffeffizienz und den Ausstoß von Emissionen.
Mit dem Vorschlag der Kommission soll der Verordnung mehr Nachdruck und mehr Wirkung verliehen werden. So soll insbesondere gewährleistet werden, dass beim Kauf eines Reifens das Etikett für den Verbraucher klar erkennbar ist. Dies bedeutet auch, dass potenzielle Käufer das Label erkennen und die Parameter beispielsweise im Hinblick auf Prüfgenauigkeit und -zuverlässigkeit richtig einschätzen können. Die Verordnung zielt außerdem darauf ab, die Bandbreite der auf dem Etikett angegebenen Leistungsparameter um neue Elemente zu erweitern und möglicherweise andere Prioritäten der EU-Politik, wie die Agenda für die Kreislaufwirtschaft, zu berücksichtigen. Darüber hinaus wird mit der Verordnung auch die Durchsetzung der Marktüberwachung gestärkt.
4.5
Konstruktionsvorgaben für Lkw zur Eindämmung der CO2-Emissionen und zur Verbesserung der Sicherheit
Die Aerodynamik von Fahrzeugen hat direkte Auswirkungen auf den Ausstoß von Treibhausgasen. Die Kommission schlägt daher eine Überarbeitung der Rechtsvorschriften über die Gewichte und Abmessungen bestimmter Straßenfahrzeuge vor, damit Hersteller neue schwere Nutzfahrzeuge mit abgerundeten und aerodynamischen Führerhäusern bereits drei Jahre früher, d. h. ab 2019 auf den Markt bringen können. Zusammen mit dem Vorschlag der Kommission zur Einführung von Emissionsnormen für schwere Nutzfahrzeuge, soll auch dieser Vorschlag einen Beitrag zur Reduzierung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen und zum Umweltschutz leisten. Ein weiteres Ziel ist die Verbesserung der Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer sowie des Sichtfeldes und des Komforts der Fahrer, wobei gleichzeitig der intermodale Verkehr weiter gefördert wird.
4.6
Überarbeitung des Rahmens für die Energiebesteuerung im Hinblick auf die Förderung der Elektromobilität
Obwohl eine umfassende Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie nicht Bestandteil dieses Mobilitätspakets ist, wird die Kommission weiterhin Möglichkeiten zur Förderung der Elektromobilität im Rahmen einer künftigen Überarbeitung der Richtlinie ausloten. Zudem ist lediglich die Festlegung von Mindeststeuersätzen auf EU-Ebene vorgesehen, so dass den Mitgliedstaaten bereits jetzt, auch ohne Änderung der EU-Vorschriften, die Förderung von emissionsarmer Mobilität durch die Anpassung ihrer Steuersätze möglich ist. Dabei sollten die Mitgliedstaaten insbesondere die bestehende Steuervergünstigung für Dieselkraftstoffe überprüfen.
4.7
Straffung der Umsetzung des transeuropäischen Kernnetzes im Hinblick auf die emissionsarme Mobilität
Eine entsprechende Infrastruktur ist eine wesentliche Voraussetzung für die Einführung von umweltfreundlichen, sicheren, digitalen und vernetzten Lösungen im Verkehrssektor. Das transeuropäische Verkehrsnetz ist die zentrale Komponente der europäischen Verkehrsinfrastruktur. Ziel der Kommission ist es, ein effizientes, intelligentes, sicheres und nachhaltiges Netz zu gewährleisten. Ein solches Netz prägt durch die Vorgabe gemeinsamer Anforderungen und die damit einhergehende Entwicklung qualitativ hochwertiger Infrastrukturprojekte und durch die Ankurbelung von Innovationen maßgeblich das Mobilitätsverhalten im Personen- und Güterverkehr. Daher sieht dieses dritte Mobilitätspaket unter anderem einen Vorschlag für eine Verordnung zur Erleichterung der Umsetzung des transeuropäischen Verkehrskernnetzes und zur Förderung der Multimodalität vor. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen die Genehmigungs-, Beschaffungs- und sonstigen verwaltungstechnischen Verfahren der öffentlichen Auftragsvergabe vereinfachen, um sie effizienter und transparenter zu gestalten und für größere Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu sorgen. Der vorliegende Vorschlag wird somit als Impulsgeber für eine umweltfreundlichere, sichere und besser vernetzte Mobilität dienen und räumt der Genehmigung entsprechender Projekte für das Kernnetz des transeuropäischen Verkehrsnetzes Priorität ein.
Das Paket wird durch eine Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen im Rahmen der Fazilität „Connecting Europe“ ergänzt. Die EU stellt Zuschüsse in Höhe von 450 Mio. EUR für Investitionen in Projekte bereit, die unmittelbar die Sicherheit im Straßenverkehr, die Digitalisierung und die Intermodalität im Verkehrssektor stärken.
5.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Mit diesem dritten Mobilitätspaket „Europa in Bewegung“ vollendet die Kommission die breite Palette von Legislativvorschlägen und Maßnahmen, die einen umfassenden, integrierten und zukunftsorientierten Ansatz für die Gewährleistung sauberer, vernetzter und wettbewerbsfähigen Mobilität für die EU-Bürger bieten. Digitalisierung, Dekarbonisierung und Innovation haben die Mobilität an einen Wendepunkt gebracht. Die EU muss die sich daraus ergebenden neuen Möglichkeiten nutzen und sich angemessen auf die zahlreichen Herausforderungen während des Übergangs vorbereiten. Mobilität ist ein Grundpfeiler für die Freizügigkeit der Bürger und den freien Warenverkehr, die für das reibungslose Funktionieren der Europäischen Union unverzichtbar sind. Deshalb müssen wir jetzt die Weichen richtig stellen, damit die EU und insbesondere ihre Mobilitätsindustrien in der Lage sind, ihre führende Rolle in diesem für die Wirtschaft und die Gesellschaft so wichtigen Sektor zu behaupten, ihre Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft zu erhalten und zu gewährleisten, dass Mobilitätsdienste sicher, umweltfreundlich und nachhaltig sind. Die Kommission fordert die beiden gesetzgebenden Organe auf, die Gesetzgebungsvorschläge im Rahmen dieses Parlaments rasch anzunehmen und auf diese Weise sicherzustellen, dass „Europa in Bewegung“ bleibt.