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Document 52011IP0149

Vierte Konferenz der Vereinten Nationen über die am wenigsten entwickelten Länder Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. April 2011 zu der Vierten Konferenz der Vereinten Nationen über die am wenigsten entwickelten Länder

ABl. C 296E vom 2.10.2012, p. 85–89 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

2.10.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 296/85


Donnerstag, 7. April 2011
Vierte Konferenz der Vereinten Nationen über die am wenigsten entwickelten Länder

P7_TA(2011)0149

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. April 2011 zu der Vierten Konferenz der Vereinten Nationen über die am wenigsten entwickelten Länder

2012/C 296 E/12

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis darauf, dass die Vereinten Nationen im Jahre 1971 anerkannt haben, dass es sich bei den am wenigsten entwickelten Ländern (LDC) um die „ärmsten und schwächsten Mitglieder“ der internationalen Gemeinschaft handelt,

unter Hinweis auf die Kriterien, die der VN-Ausschuss für Entwicklungspolitik zur Definition der LDC festgelegt hat,

unter Hinweis auf die im September 1990 angenommene Pariser Erklärung zu den am wenigsten entwickelten Ländern,

unter Hinweis auf den Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen über die Durchführung des Aktionsprogramms für die am wenigsten entwickelten Länder für die Dekade 2001-2010 (A/65/80),

unter Hinweis auf die Ergebnisse des Hochrangigen Treffens im Rahmen der VN zu den Millenniums-Entwicklungszielen (MEZ) im September 2010,

unter Hinweis auf das Brüsseler Aktionsprogramm für die LDC, das auf der Dritten UNO-Konferenz über die LDC (LDC-III) im Mai 2001 in Brüssel angenommen wurde,

unter Hinweis auf den 2008 von der UNO-Generalversammlung gefassten Beschluss über die Einberufung der Vierten UNO-Konferenz über die LDC (LDC-IV),

unter Hinweis darauf, dass bei der LDC-IV die Ergebnisse des Brüsseler Aktionsprogramms, das demnächst ausläuft, bewertet und neue Maßnahmen für den Zeitraum 2011-2020 vorgeschlagen werden sollen, durch die der Austausch von bewährten Verfahren und Erfahrungen gefördert wird sowie die anstehenden politischen Entscheidungen, die Herausforderungen, mit denen die LDC im nächsten Jahrzehnt konfrontiert sein werden, und die erforderlichen Maßnahmen ausgemacht werden,

unter Hinweis auf die Erklärung der VN über das Recht auf Entwicklung aus dem Jahre 1986,

unter Hinweis auf das MEZ, die Armut bis 2015 um die Hälfte zu verringern,

gestützt auf Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass derzeit 48 Länder als LDC eingestuft sind (33 in Afrika, 14 in Asien und ein Land in Lateinamerika) und 16 davon Binnenländer und 12 kleine Inseln sind,

B.

in der Erwägung, dass 75 % der 800 Millionen Einwohner der LDC mit weniger als 2 USD pro Tag auskommen müssen und sich die Zahl der LDC seit der Schaffung dieser Kategorie durch die VN im Jahr 1971 von 25 auf 48 erhöht hat und nur Botswana 1994, Kap Verde 2007 und die Malediven im Januar 2011 den LDC-Status hinter sich lassen konnten,

C.

in der Erwägung, dass der Index für menschliche Entwicklung für die LDC zwischen 2000 und 2010 durchschnittlich nur von 0,34 auf 0,39 angestiegen ist und dass die LDC im Durchschnitt voraussichtlich nur zwei von sieben MEZ erreichen werden,

D.

in der Erwägung, dass seit der LDC-III und dem Brüsseler Aktionsprogramm einige positive Maßnahmen getroffen wurden – wie beispielsweise die Initiative „Alles außer Waffen“, die Aufstockung der öffentlichen Entwicklungshilfe (Verdoppelung zwischen 2000 und 2008) und die Erhöhung der ausländischen Direktinvestitionen von 6 auf 33 Milliarden USD – mit dem Ergebnis, dass 19 Länder eine Wachstumsrate von 3 % verzeichnen,

E.

in der Erwägung, dass die Empfehlung der LDC-IV nur verwirklicht werden kann, wenn grundlegenden Themen für die LDC wie etwa die Kohärenz der handels- und entwicklungspolitischen Maßnahmen, Landwirtschaft, Fischerei, Investitionen und Klimawandel gebührend Rechnung getragen wird und wichtige Fragen wie verantwortungsvolle Regierungsführung und die Bekämpfung von Korruption und vor allem das Konzept des „Beherrschungsvertrags“ (in den insbesondere ein sozialer Mindestschwellenwert aufgenommen wird) zwischen Partner- und Geberländern sowie der Aufbau der Humankapazitäten auf die Tagesordnung gesetzt werden,

F.

in der Erwägung, dass auf der LDC-IV die weltweite Verpflichtung zu Partnerschaft bei der Bewältigung der Bedürfnisse der LDC bekräftigt wird und dass der laufende Prozess zur Vorbereitung der LDC-IV nationale Konsultationen, regionale Treffen und Konferenzen einschließt, an denen ein breites Spektrum von Akteuren wie Parlamentarier und Vertreter der Zivilgesellschaft und des Privatsektors teilnimmt,

G.

in der Erwägung, dass Hilfe für nachhaltige Entwicklung Unterstützung für Gesundheit, Bildung und Ausbildung, Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie Achtung von Menschenrechten und Grundfreiheiten – also wesentliche Komponenten der Entwicklungspolitik der EU – impliziert,

H.

in der Erwägung, dass sich die Lage in den LDC infolge der jüngsten weltweiten Finanz-, Nahrungsmittel-, Klima- und Energiekrise, die noch zu den bestehenden strukturellen Problemen hinzugekommen ist, weiter verschlechtert hat,

I.

in der Erwägung, dass die Landwirtschaft zwar die wirtschaftliche Grundlage vieler LDC ist und bis zu 90 % der Arbeitskräfte Beschäftigung bietet, die Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung jedoch bedroht ist,

J.

in der Erwägung, dass es keine nennenswerte Entwicklung geben kann, solange nicht die Staaten eine entscheidende Rolle übernehmen und ihre Kapazitäten zur Beteiligung an der wirtschaftlichen Entwicklung, der Schaffung von Wohlstand und der gerechten Umverteilung des Wohlstands, öffentlich-privaten Partnerschaften und ordnungsgemäß geplanten Auslandsinvestitionen unter umfassender Achtung der Kernarbeitsnormen der IAO und der Umweltschutzgrundsätze verbessern, und dass der Staat seine Verantwortung für die Gewährleistung von Stabilität und die Schaffung eines Rechtsrahmens übernehmen muss,

K.

in der Erwägung, dass jedes LDC – unter Einbeziehung der Bevölkerung in den Entscheidungsprozess – seine Prioritäten definieren und Lösungen finden muss, die für den jeweiligen nationalen Kontext geeignet sind,

L.

in der Erwägung, dass der Erfolg der Konferenz in Istanbul von konkreten Ergebnissen (z. B. Beherrschungsvertrag, sozialer Mindestschwellenwert, Schuldenerlass, Entwicklungshilfe, innovative Finanzierung) sowie von der Qualität der Beiträge der Teilnehmer abhängt,

1.

ist der Auffassung, dass die LDC-IV ergebnisorientiert arbeiten sollte, und zwar auf der Grundlage eindeutiger Indikatoren, mit dem Ziel, die Zahl der LDC bis zum Jahre 2020 um die Hälfte zu verringern, und unter Einsatz von effizienten und transparenten Überwachungs- und Kontrollmechanismen;

2.

betont, dass die Unterstützung der EU für LDC in erster Linie auf die Schaffung von Wohlstand und die Entwicklung eines marktwirtschaftlichen Systems abzielen sollte, da dies die Grundvoraussetzungen für die Beseitigung der Armut sind;

3.

fordert, dass dem Wirtschaftswachstum als Schlüsselelement der Entwicklung und der Verringerung der allgemeinen Armut in den LDC Priorität eingeräumt wird;

4.

ist der Auffassung, dass sich die LDC-IV auf die Kohärenz der entwicklungspolitischen Maßnahmen konzentrieren sollte, da dies ein bedeutender Faktor für einen politischen Wandel auf nationaler und internationaler Ebene ist; fordert daher, dass alle Politikbereiche – wie Handel, Fischerei, Umwelt, Landwirtschaft, Klimawandel, Energie, Investitionen und Finanzen – so konzipiert werden, dass die Erfordernisse der LDC im Hinblick auf ihre Entwicklung unterstützt werden, damit sie die Armut bekämpfen und ihren Bürgern ein angemessenes Einkommen und ein menschenwürdiges Dasein gewährleisten können;

5.

fordert die EU auf, ihren Verpflichtungen in Bezug auf Marktzugang und Schuldenerlass nachzukommen; bekräftigt, dass das Ziel, 0,15 bis 0,20 % des BNE für offizielle Entwicklungshilfe in LDC bereitzustellen, unbedingt erreicht werden muss, wozu inländische Ressourcen und als ergänzende Maßnahme innovative Finanzierungsinstrumente mobilisiert werden sollten;

6.

verweist auf das Ziel einer Höherstufung gegenüber dem LDC-Status und das auf dem MEZ-Gipfel im September 2010 vorgegebene Instrumentarium, mit dem die Beseitigung der Armut beschleunigt, eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung – durch die der Lebensstandard der Bevölkerung der LDC verbessert wird – geschaffen, verantwortungsvolle Staatsführung sichergestellt und der Aufbau von Kapazitäten gefördert werden soll;

7.

betont, dass neue Maßnahmen zur Integration der LDC in die weltweite Wirtschaft und zur Verbesserung ihres Zugangs zu EU-Märkten getroffen werden müssen; fordert die Kommission auf, ihre handelsbezogene Unterstützung auszuweiten, um die ärmsten Länder dabei zu unterstützen, sich dem aus der Marktliberalisierung resultierenden Wettbewerb zu stellen;

8.

weist darauf hin, dass Frieden und Sicherheit äußerst wichtig für die Effektivität der Entwicklungspolitik sind und dass die EU ihre Strategie besser koordinieren sollte, um die Stabilität betreffende Aspekte in den LDC anzugehen, und Anstrengungen unterstützen sollte, die der Erlangung der Kapazitäten zum Aufbau friedlicher, demokratischer und integrativer Staaten dienen;

9.

weist darauf hin, dass den Bereichen Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung, Landwirtschaft, Infrastrukturen, Aufbau von Kapazitäten, integratives wirtschaftliches Wachstum, Zugang zu Technologien sowie humane und soziale Entwicklung in den LDC Priorität einzuräumen ist;

10.

fordert die Einführung fairer und gerechter Handelsregelungen und die Umsetzung einer integrierten Politik bei einer breiten Palette von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fragen im Sinne der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung;

11.

fordert, dass wirksame Maßnahmen in den Bereichen Preisschwankungen und Transparenz der Preise sowie besser regulierte Finanzmärkte getroffen werden müssen, um die LDC zu schützen und weniger verwundbar zu machen;

12.

weist darauf hin, dass Hilfestellung bei der Entwicklung der nationalen Steuersysteme sowie einer verantwortungsvollen Steuerpolitik geleistet werden muss, und fordert die VN auf, entsprechende Mechanismen einzuführen;

13.

fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, auf der LDC-IV die Umsetzung innovativer Mechanismen der Entwicklungsfinanzierung, wie beispielsweise einer Finanztransaktionssteuer, zu erörtern; betont, dass die ODA-Verpflichtungen und innovative Finanzierungsmechanismen im Kampf gegen Armut als entscheidend und komplementär zu betrachten sind;

14.

fordert die VN und die EU auf, sich anlässlich der LDC-IV ernsthaft mit den schädlichen Auswirkungen des Aufkaufs landwirtschaftlicher Flächen wie etwa Enteignung von Kleinbauern und unnachhaltige Nutzung von Wasser und Land auseinanderzusetzen;

15.

weist darauf hin, dass das langfristige Ziel der Entwicklungszusammenarbeit darin bestehen muss, die Voraussetzungen für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und eine gerechtere Verteilung des Wohlstands zu schaffen; betont daher, dass die Anforderungen der LDC und entsprechende Strategien ermittelt, eine Diversifizierung des Handels durch die Festlegung fairerer Preise für die Produktion der LDC gewährleistet und die Sachzwänge auf der Angebotsseite im Hinblick auf die Verbesserung der Handelskapazitäten der LDC und ihrer Fähigkeit, Investitionen anzuziehen, berücksichtigt werden müssen, wobei die Kernarbeitsnormen der IAO und die Umweltschutznormen zu achten sind;

16.

ist sich der Tatsache bewusst, dass die Initiative „Alles außer Waffen“ ihre ursprünglichen Ziele nicht uneingeschränkt erreicht hat, weshalb Qualität und Umfang des Handels zwischen den LDC und dem EU-Markt hinter den Erwartungen zurückblieben, insbesondere wegen des Mangels an adäquaten Handels- und Hafeninfrastrukturen; befürwortet die Entwicklung derartiger Infrastrukturen, die der Schlüssel zur Ausweitung der Handelskapazitäten bleiben;

17.

unterstreicht, dass die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe – im Einklang mit der Pariser Erklärung und der Agenda von Accra – verbessert werden muss;

18.

hebt die Bedeutung des Parlaments sowie die entscheidende Rolle hervor, die es bei der Genehmigung des Entwicklungshaushalts der EU spielt; ist daher überzeugt, dass das Parlament stärker in die Vorbereitung der EU-Entwicklungsstrategie einbezogen werden sollte; hält es zudem für unerlässlich, dass ein Berichterstattungsmechanismus eingerichtet wird;

19.

hält die Annahme des neuen US-amerikanischen Gesetzes über „Konfliktmineralien“ für einen großen Fortschritt bei der Bekämpfung des illegalen Abbaus von Mineralien in Afrika sowie des illegalen Handels mit diesen Mineralien, die den Nährboden für Bürgerkriege und Konflikte darstellen; vertritt die Auffassung, dass die VN einen ähnlichen Vorschlag vorlegen sollten, um die Rückverfolgbarkeit von eingeführten Mineralien auf dem Weltmarkt zu gewährleisten;

20.

fordert eine Risikofolgenabschätzung in Bezug auf den Klimawandel, die die maßgeblichen Aspekte der entwicklungspolitischen Planung und Beschlussfassung einschließlich Handel, Landwirtschaft und Nahrungsmittelsicherheit abdeckt, und fordert, dass die Ergebnisse dieser Folgenabschätzung verwendet werden, um eindeutige Leitlinien für eine Politik der Entwicklungszusammenarbeit auszuarbeiten;

21.

bringt seine Besorgnis über die immer größere Wahrscheinlichkeit von Umweltkatastrophen zum Ausdruck, die massive Migrationsbewegungen auslösen und Notfallmaßnahmen für diese neue Kategorie von Vertriebenen erfordern könnten;

22.

hebt die Bedeutung der regionalen Zusammenarbeit und Integration hervor und fordert die Stärkung der regionalen Mechanismen der Zusammenarbeit, damit vor allem kleine Länder zu Ressourcen, Know-how und Fachwissen gelangen können;

23.

betont, dass aufgrund der fehlenden Fortschritte bei der Verwaltung der öffentlichen Finanzen nach wie vor ein Großteil dieser Länder von der Bereitstellung von Haushaltshilfen – einem wesentlichen Faktor für den Aufbau von Kapazitäten in diesen Ländern – ausgeschlossen ist;

24.

betont, wie wichtig es ist, dass die LDC eine trilaterale Zusammenarbeit – insbesondere mit Schwellenländern – aufbauen und auf eine umfassende Kooperation hinarbeiten, die im Zeichen des gegenseitigen Nutzens und der gemeinsamen Entwicklung steht;

25.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zu übermitteln.


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