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Document 52010DC0744

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Interoperabilisierung europäischer öffentlicher Dienste

COM/2010/0744 final


DE

EUROPÄISCHE KOMMISSION

Brüssel, den 16.12.2010

KOM(2010) 744 endgültig

 

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Interoperabilisierung europäischer öffentlicher Dienste

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Interoperabilisierung europäischer öffentlicher Dienste

INHALTSVERZEICHNIS

1.Einleitung3

1.1.Kontext3

1.2.Herausforderungen3

2.Grundlagen5

2.1.Politische Unterstützung5

2.2.Bisherige Errungenschaften5

2.3.Sektorbezogene Initiativen6

3.Vorgeschlagene Massnahmen6

3.1.Jüngste Entwicklungen: eine Strategie und ein Rahmen für die Interoperabilität6

3.2.Geplante Maßnahmen6

1.Einleitung

1.1.Kontext

Maßnahmen zur Förderung der Interoperabilität sind von wesentlicher Bedeutung, um das soziale und wirtschaftliche Potenzial der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zu optimieren. Die Notwendigkeit solcher Maßnahmen wurde in der Digitalen Agenda für Europa 1 , einer der Leitinitiativen der Strategie Europa 2020 festgestellt. Die Digitale Agenda kann nur dann zum Erfolg werden, wenn Interoperabilität auf der Grundlage von Normen und offenen Plattformen gewährleistet ist.

Die Ausschöpfung des Potenzials der IKT würde Europa bei der Bewältigung der dringendsten gesellschaftlichen Herausforderungen viel mehr Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Deshalb wird in der Digitalen Agenda betont, dass die europäischen öffentlichen Verwaltungen grenzübergreifend effiziente und wirksame elektronische Behördendienste anbieten müssen. Dazu sind eine enge Zusammenarbeit, optimierte grenzübergreifende Prozesse und ein vertrauenswürdiger Informationsaustausch auf der Grundlage interoperabler IKT-Infrastrukturen und Systeme notwendig.

In dieser Mitteilung werden mit der Europäischen Interoperabilitätsstrategie (EIS) und dem Europäische Interoperabilitätsrahmen (EIF) für europäische öffentliche Dienste zwei Schlüsselelemente der Digitalen Agenda eingeführt. Im Zusammenspiel fördern sie die Interoperabilität der öffentlichen Verwaltungen.

1.2.Herausforderungen

Die Mitgliedstaaten, die auf ihrem Gebiet IKT-gestützte öffentliche Dienste einrichten, müssen sich der Gefahr bewusst sein, dass durch die Wahl nicht interoperabler Lösungen neue elektronische Schranken entstehen können. Diese elektronischen Schranken führen zu einer Zersplitterung des Binnenmarktes und behindern sein ordnungsgemäßes Funktionieren. Die Mitgliedstaaten und die Kommission sollten sich noch stärker darum bemühen, dies zu verhindern.

Der Europäische Binnenmarkt beruht auf grenzübergreifenden öffentlichen Diensten, die – wie im Arbeitsprogramm der Kommission für 2010 2 ausgeführt – die Umsetzung der EU-Politik unterstützen und einen Beitrag zur Beseitigung von Engpässen und Lücken im Binnenmarkt leisten. Diese europäischen öffentlichen Dienste 3 werden zunehmend mit elektronischen Mitteln erbracht.

Immer mehr Bürger und Unternehmen nutzen die Freiheiten des europäischen Binnenmarktes und erweitern ihren beruflichen oder privaten Aktionsradius über die Grenzen ihres jeweiligen Landes hinaus.

Ohne IKT-gestützte europäische öffentliche Dienste und ohne Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Verwaltungen müssen die Bürger sich an öffentliche Verwaltungen im Ausland wenden oder sogar persönlich dort erscheinen, um Informationen oder Dokumente einzureichen oder abzuholen, die sie zum Arbeiten, Studieren oder Reisen innerhalb der EU benötigen. Dasselbe gilt für Unternehmen, die sich in mehreren Mitgliedstaaten niederlassen möchten.

Ohne Interoperabilität zwischen europäischen öffentlichen Verwaltungen ist es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, den Bürgern und Unternehmen Europas europäische öffentliche Dienste zu bieten 4 .

Der grenzübergreifende Austausch von Informationen zwischen Behörden der Mitgliedstaaten wird oftmals durch Unterschiede in den nationalen rechtlichen Regelungen verhindert. Soweit ein derartiger Austausch zulässig ist, müssen die Rechtsgültigkeit der ausgetauschten Informationen grenzübergreifend gewahrt und die Datenschutzbestimmungen im Sender- wie auch im Empfängerstaat eingehalten werden.

Die Geschäftsprozesse müssen angeglichen werden, wenn öffentliche Verwaltungen europäische öffentliche Dienste einrichten, um einvernehmlich vereinbarte Ziele zu erreichen.

Mangelndes Einvernehmen und fehlende Orientierung in Bezug auf die Bedeutung und das Format der zwischen Mitgliedstaaten auszutauschenden Informationen sind ein weiteres Hindernis. Die semantische Interoperabilität wird durch unterschiedliche Interpretationen der zwischen Menschen, Anwendungen und Verwaltungen ausgetauschten Informationen beeinträchtigt.

Mehrsprachigkeit ist eine weitere Herausforderung beim Austausch von Informationen oder bei Kontakten zwischen Unternehmen und Bürgern mit öffentlichen Verwaltungen in anderen Mitgliedstaaten.

Der grenzübergreifenden Interoperabilität fehlt es derzeit auch an gemeinsamen Infrastrukturen, Architekturen und technischen Leitlinien, die die Entwicklung europäischer öffentlicher Dienste durch die Schaffung einer soliden technischen Grundlage und die Vermeidung von Doppelarbeit unterstützen könnten.

Größere Interoperabilität auf rechtlicher, organisatorischer, semantischer und technischer Ebene sollte deshalb nach und nach zur Schaffung eines nachhaltigen Ökosystems führen. Dies würde die wirksame und effiziente Schaffung neuer europäischer öffentlicher Dienste erleichtern.

Viele öffentliche Verwaltungen in den Mitgliedstaaten treffen bereits Maßnahmen zur Verbesserung der Interoperabilität auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene; solange jedoch die Mitgliedstaaten und die Kommission nicht gemeinsam vorgehen, wird die Interoperabilität auf EU-Ebene zurückbleiben.

Europäische öffentliche Dienste werden häufig aus der Bündelung bestehender „grundlegender öffentlicher Dienste“ 5 hervorgehen, die auf unterschiedlichen Verwaltungsebenen innerhalb der Mitgliedstaaten erbracht werden. Die Einrichtung europäischer öffentlicher Dienste wird nur möglich sein, wenn diese grundlegenden öffentlichen Dienste bereits unter Berücksichtigung der Interoperabilitätsanforderungen konzipiert werden.

2.Grundlagen

2.1.Politische Unterstützung

Dem Thema Interoperabilität kam in letzter Zeit große politische Aufmerksamkeit zu, insbesondere im Rahmen der im Zweijahresrhythmus stattfindenden eGovernement-Konferenzen. In den unter belgischem, britischem und portugiesischem Ratsvorsitz abgegebenen Erklärungen zu elektronischen Behördendiensten wurde beständig Interoperabilität angemahnt. Auch der eGovernment-Aktionsplan 2006-2010 6  sollte sicherstellen, dass elektronische Behördendienste auf nationaler Ebene nicht durch Zersplitterung und mangelnde Interoperabilität zu neuen Hindernissen im Binnenmarkt führen.

Die für eGovernment-Politik zuständigen Minister haben sich zuletzt in der Ministererklärung von Malmö vom 18. November 2009 7 verpflichtet, die Vertrauenswürdigkeit, Sicherheit und Interoperabilität elektronischer Behördendienste und Systeme im Binnenmarkt zu verbessern. Die Minister vereinbarten eine Angleichung ihrer nationalen Interoperabilitätsrahmen an geltende europäische Regelungen und forderten die Kommission auf, Lücken in der grenzübergreifenden Interoperabilität und der gegenseitigen Anerkennung zu ermitteln und ihre Maßnahmen zur Schaffung der wichtigsten Voraussetzungen für Interoperabilität zu intensivieren. Außerdem haben die Mitgliedstaaten anerkannt, dass bessere öffentliche Dienste mit geringerem Ressourcenaufwand geleistet werden müssen und dass das Potenzial elektronischer Behördendienste durch die Förderung einer Kultur der Zusammenarbeit und durch Verbesserung der Interoperabilitätsbedingungen in europäischen öffentlichen Verwaltungen gesteigert werden kann.

2.2.Bisherige Errungenschaften

Die Kommission agiert als treibende Kraft und fördert die Modernisierung öffentlicher Dienste in ganz Europa, insbesondere durch die Digitale Agenda für Europa und den Europäischen eGovernment-Aktionsplan 2011-2015 8 .

2006 legte die Kommission eine Mitteilung zur Interoperabilität für europaweite elektronische Behördendienste vor, die zu bedeutenden Ergebnissen führte. Diese wurden vorwiegend durch das Programm IDABC 9 – Interoperable Erbringung europaweiter elektronischer Behördendienste für öffentliche Verwaltungen, Unternehmen und Bürger – und das Programm zur Förderung der IKT-Politik erzielt 10 .

Das Programm IDABC hat wichtige Beiträge zur Gewährleistung der Interoperabilität zur Unterstützung des elektronischen Informationsaustausches zwischen europäischen öffentlichen Verwaltungen mit positiven Folgewirkungen für den Binnenmarkt geleistet. Die Abschlussbewertung 11 des Programms IDABC enthält das Fazit, dass ein koordiniertes Konzept durch gemeinsame, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten konzipierte und angewandte Lösungen dazu beitragen kann, dass schneller bessere Ergebnisse erzielt und die rechtlichen Anforderungen und politischen Ziele der EU erfüllt bzw. verwirklicht werden. Das Programm ISA über Interoperabilitätslösungen für europäische öffentliche Verwaltungen 12 , der Nachfolger des 2009 ausgelaufenen IDABC-Programms, legt noch größeres Gewicht auf die Bedeutung von Interoperabilität und Zusammenarbeit für die erfolgreiche Durchführung der EU-Rechtsvorschriften.

Das zum Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation gehörige IKT-Förderprogramm (CIP ICT-PSP) unterstützt die Verbreitung und Nutzung von IKT und leistet einen Beitrag zur Schaffung besserer IKT-gestützter öffentlicher Dienste. Sowohl öffentliche als auch private Organisationen beteiligen sich an Pilotaktionen zur Validierung der EU-weiten Interoperabilität zwischen nationalen Systemen.

Die Mitgliedstaaten beteiligen sich aktiv an den Programmen ISA und CIP ICT-PSP und erzielen gleichzeitig erhebliche Fortschritte auf nationaler Ebene.

Die Kommission ist indessen intern tätig geworden, insbesondere durch die Initiative eKommission 13 , in deren Rahmen Interoperabilität als wesentlicher Faktor für den organisatorischen Umbau betrachtet wird.

2.3.Sektorbezogene Initiativen

Die Bedeutung der Interoperabilitätsrahmen wurde auch bei EU-Initiativen auf vielen anderen Sektoren hervorgehoben.

In Bezug auf den Binnenmarkt verpflichtet die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG 14 die Mitgliedstaaten, Dienstleistern die elektronische und grenzübergreifende Abwicklung aller zum Erbringen einer Dienstleistung außerhalb ihres Heimatstaats notwendigen Verfahren und Formalitäten zu ermöglichen. Die Interoperabilität elektronischer Identifizierungs-, Signatur- und Dokumentensysteme ist für das nahtlose Funktionieren grenzübergreifender elektronischer Verfahren von wesentlicher Bedeutung.

In Bezug auf die Umwelt wurde durch die INSPIRE-Richtlinie 2007/2/EG 15 eine Geodateninfrastruktur in Europa zur Unterstützung der EU-Umweltpolitik und ökologisch relevanter Maßnahmen oder Aktivitäten geschaffen. Um sicherzustellen, dass Geodaten und zugehörige Dienste gemeinschaftsweit und grenzübergreifend in interoperabler Weise genutzt werden können, müssen der Richtlinie zufolge technische Durchführungsvorschriften in Bezug auf die für die Interoperabilität der Infrastruktur notwendigen Elemente erlassen werden: Metadaten 16 , Interoperabilität von Geodaten und Geodatendiensten, Netzdienste 17 , Austausch von Daten und Dienstleistungen 18 , Überwachung und Berichterstattung 19 . Außerdem werden nationale Infrastrukturen entsprechend angepasst.

In Bezug auf den Bereich Justiz und Inneres hat die Kommission den Nutzen hervorgehoben 20 , der sich aus größerer Effizienz, verbesserter Interoperabilität und Synergien zwischen europäischen Datenbanken wie dem Visa-Informationssystem (VIS), dem Schengener Informationssystem (SIS) und dem europäischen Dactyloskopiesystem (Eurodac) ergibt. Der Umgang mit komplexeren Informationen wie biometrischen Daten ist in Bezug auf die Interoperabilität und Nutzbarkeit für die europäischen Datenbanken und zugehörigen IT-Systeme mit größeren Herausforderungen verbunden.

Im Bereich Zölle, Steuern und Verbrauchsteuern koordiniert und leitet die Kommission operative Tätigkeiten, die auf transeuropäischen IT-Systemen beruhen, welche sich auf sämtliche Mitgliedstaaten erstrecken. Sie unterstützten interoperable betriebliche Systeme, die von den nationalen Behörden und der Kommission realisiert und betrieben werden.

Als Ergebnis dieser politischen Initiativen und sektorspezifischen Erfahrungen wird Interoperabilität als entscheidender Faktor für die wirksame und effiziente Erbringung europäischer öffentlicher Dienstleistungen betrachtet, die den Binnenmarkt fördern und stärken. Die erfolgreiche Entwicklung und Durchführung von globalen und sektoralen Strategien, rechtlichen Rahmenregelungen, Leitlinien, Diensten und Instrumenten und die auf den vier Interoperabilitätsebenen verwirklichten Lösungen sind ein wichtiger Aktivposten, mit dem gerechnet und auf dem aufgebaut werden kann. Für öffentliche Verwaltungen bringt Interoperabilität beispielsweise in Form von Zusammenarbeit großen Nutzen. Sie erleichtert den Austausch, die gemeinsame Nutzung und die Weiterverwendung von Informationen und verbessert so die den Bürgern und Unternehmen erbrachten europäischen öffentlichen Dienste, verringert die Kosten und vermeidet Doppelarbeit.

3.Vorgeschlagene Massnahmen

3.1.Jüngste Entwicklungen: eine Strategie und ein Rahmen für die Interoperabilität

Die Kommission hat aufbauend auf früheren Arbeiten in enger Zusammenarbeit mit hochrangigen Vertretern der Mitgliedstaaten eine Europäische Interoperabilitätsstrategie für europäische öffentliche Dienste (EIS, s. Anhang 1) erstellt. Darin wird ein gemeinsames und schlüssiges Konzept für Interoperabilität auf der Grundlage einer gemeinsamen Zielvorstellung dargelegt. Der gemeinsamen Zielvorstellung zufolge wird sich die Erbringung europäischer öffentlicher Dienste bis 2015 dank Interoperabilität erheblich verbessern, und zwar durch

eine zweckmäßige Governance mit geeigneten organisatorischen Strukturen und Prozessen im Einklang mit den Strategien und Zielen der Europäischen Union sowie

einen vertrauenswürdigen Informationsaustausch auf der Grundlage einvernehmlich vereinbarter, kohärenter und koordinierter Interoperabilitätsinitiativen, die die Fertigstellung des rechtlichen Umfelds, die Entwicklung von Interoperabilitätsrahmen sowie die Einigung auf Interoperabilitätsnormen und vorschriften einschließen.

Um dies zu erreichen, sollten die auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten durchgeführten Tätigkeiten koordiniert werden. Außerdem sollte eine Interoperabilitätsgovernance auf EU-Ebene eingerichtet werden.

Die EIS bietet Orientierung und setzt Prioritäten für die Maßnahmen, die notwendig sind, um beim Aufbau europäischer öffentlicher Dienste das grenz- und sektorübergreifende Zusammenwirken, den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Verwaltungen in Europa zu verbessern.

Im Rahmen der Strategie werden künftige Interoperabilitätsmaßnahmen unter drei Rubriken in Clustern zusammengefasst:

Vertrauenswürdiger Informationsaustausch

Interoperabilitätsarchitektur

Beurteilung der IKT-Implikationen neuer EU-Vorschriften.

Diese Aktionen werden durch flankierende Maßnahmen zur Sensibilisierung und zum Austausch bester Verfahren unterstützt.

Gleichzeitig hat die Kommission nach umfassender Konsultation mit den Mitgliedstaaten und anderen Akteuren einen Europäischen Interoperabilitätsrahmen für europäische öffentliche Dienste (EIF, s. Anhang 2) aufgestellt.

Ein Interoperabilitätsrahmen ist ein vereinbartes Interoperabilitätskonzept für Organisationen, die zum Zwecke der gemeinsamen Erbringung öffentlicher Dienste zusammenarbeiten möchten. Für den Geltungsbereich des Rahmens werden gemeinsame Elemente wie Vokabular, Begriffe, Grundsätze, Strategien, Leitlinien, Empfehlungen, Standards, Spezifikationen und Praktiken festgelegt.

Der EIF bietet europäischen öffentlichen Verwaltungen Orientierung in Bezug auf die Definition, Ausgestaltung und Durchführung europäischer öffentlicher Dienste. Durch den Rahmen werden folgende Elemente eingeführt:

12 Grundprinzipien, die die Erwartungen von öffentlichen Verwaltungen, Unternehmen und Bürgern in Bezug auf die Erbringung öffentlicher Dienste zusammenfassen;

ein Konzeptmodell für öffentliche Dienste, das die Ausgestaltung europäischer öffentlicher Dienste strukturiert und deutlich macht, warum und wo Interoperabilität notwendig ist;

vier Interoperabilitätsebenen: rechtlich, organisatorisch, semantisch und technisch;

das Konzept von Interoperabilitätsvereinbarungen auf der Grundlage von Normen und offenen Plattformen.

Schließlich unterstreicht der EIF die Bedeutung der Interoperabilitätsgovernance und die Notwendigkeit der Koordinierung über Verwaltungsebenen hinweg.

Der EIF führt ein Konzeptmodell für die Entwicklung europäischer öffentlicher Dienste ein. Er präsentiert ein Konzept für deren Verwirklichung nach dem Bausteinprinzip, wobei Dienstkomponenten vernetzt werden können und die Weiterverwendung von Informationen, Begriffen, Mustern, Lösungen und Spezifikationen in den Mitgliedstaaten und auf europäischer Ebene gefördert wird.

Gemeinsam bilden EIS und EIF die Grundlage für künftige Maßnahmen zur Verbesserung der Interoperabilität bei der Erbringung europäischer öffentlicher Dienste. Da dies der erste Versuch ist, eine grenzübergreifende Interoperabilitätsstrategie und einen entsprechenden Rahmen in dieser Größenordnung zu verwirklichen, ist die Einbeziehung aller Akteure für den Erfolg des Unterfangens von zentraler Bedeutung.

Um das Potenzial des digitalen Binnenmarkts voll auszuschöpfen, müssen die Mitgliedstaaten und die Kommission bei der Durchführung der EIS zusammenarbeiten, wobei dem EIF bei den Maßnahmen der Digitalen Agenda Rechnung zu tragen ist.

Die EIS und der EIR werden im Zuge des ISA-Programms weitergeführt unter Wahrung ihrer Kohärenz mit den Ergebnissen anderer einschlägiger Maßnahmen der Digitalen Agenda in Bezug auf Interoperabilität und Normen, wie z. B. jene zur Reform der Regeln zur Anwendung von IKT-Normen in Europa, um die Nutzung bestimmter Normen von IKT-Foren und Konsortien zu ermöglichen, die Erstellung von Leitlinien für grundlegende gewerbliche Schutzrechte und Lizenzbedingungen bei der Normung, einschließlich vorheriger Offenlegung, sowie die Bereitstellung von Orientierungen für die Verknüpfung von IKT-Normung und öffentlichem Auftragswesen, um Behörden bei der besseren Nutzung von Normen und Standards und der geringeren Bindung an eine bestimmte Technik zu unterstützen.

Parallel dazu bereitet die Kommission die Initiative eKommission 2011-2015 vor. Übergeordnetes Ziel ist die Weiterentwicklung von der heutigen integrierten Kommission zu einer umgestalteten Kommission der Zukunft. Für öffentliche Dienste ist dies mit folgenden Implikationen verbunden:

Sie werden nicht mehr auf der Organisationsstruktur beruhen, sondern aus der Sicht des externen und internen Nutzers ausgestaltet werden.

Die Verfahrensabläufe werden vollständig und durchgehend über organisatorische Grenzen hinweg automatisiert werden.

Sie werden Informationen in transparenter Weise gemeinsam nutzen und Gruppen die Möglichkeit bieten, zusammenzuarbeiten sowie ihr Wissen und ihren Sachverstand auszutauschen.

Aus der Definition der umgestalteten Kommission wird deutlich, dass Interoperabilität für die Initiative eKommission 2011-2015 bedeutsam ist und eines der Leitprinzipien für deren Umsetzung sein wird.

3.2.Geplante Maßnahmen

Die Kommission wird die EIS durch das ISA-Programm und durch im Rahmen des CIP ICT-PSP geplante Maßnahmen durchführen.

Das fortlaufende ISA-Arbeitsprogramm wird von der Kommission nach Konsultation der im ISA-Verwaltungsausschuss vertretenen Mitgliedstaaten erarbeitet. Das erste ISA-Arbeitsprogramm wurde von der Kommission am 30. Juni 2010 angenommen 21 ; es wird einmal jährlich überarbeitet, um neuen politischen Orientierungen oder geänderten Prioritäten Rechnung zu tragen. Das ISA-Arbeitsprogramm wird von der Kommission mittels öffentlicher Beschaffungsverfahren durchgeführt.

Das Jahresarbeitsprogramm zum CIP ICT-PSP wird von der Kommission ebenfalls nach Konsultation der im CIP-Verwaltungsausschuss vertretenen Mitgliedstaaten erarbeitet. Dieses Arbeitsprogramm wird über Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen durchgeführt. Durch das CIP ICT-PSP wird eine Vielzahl von Politikbereichen unterstützt, eine Reihe von Großprojekten im Rahmen des Programms steht jedoch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verbesserung der Interoperabilität im Interesse der Erbringung europäischer öffentlicher Dienste.

Die Behörden der Mitgliedstaaten und die Kommissionsdienststellen sind aufgerufen, bei allen mit dem Aufbau europäischer öffentlicher Dienste verbundenen Tätigkeiten dem EIF Rechnung zu tragen. Der EIF sollte auch berücksichtigt werden, wenn öffentliche Verwaltungen ähnliche Rahmen auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene oder innerhalb eines bestimmten Sektors festlegen.

Die Mitgliedstaaten haben durch die am 18. November 2009 im schwedischen Malmö angenommene Ministererklärung zu elektronischen Behördendiensten vereinbart, ihre nationalen Interoperabilitätsrahmen bis 2013 an geltende europäische Rahmen anzugleichen. Deshalb fordert die Kommission die Mitgliedstaaten nun auf, ihre nationalen Interoperabilitätsstrategien mit der EIS und ihre nationalen Interoperabilitätsrahmen mit dem EIF in Einklang zu bringen.

Um dabei mit gutem Beispiel voranzugehen, wird die Kommission ihre interne Interoperabilitätsstrategie an die EIS angleichen und sich bei der Entwicklung von IKT-Systemen zur Unterstützung des EU-Rechts stets am EIF orientieren.

Umsetzung der EIS

Maßnahmen zur Unterstützung der Interoperabilität werden unter drei Rubriken in Clustern zusammengefasst. Haupttätigkeitsbereiche sind:

Vertrauenswürdiger Informationsaustausch

Die Mitgliedstaaten, die an den im Rahmen des CIP ICT-PSP geförderten großmaßstäblichen Pilotprojekten beteiligt sind, können Erfahrungen mit grenzübergreifender Interaktion sammeln. Die anderen Mitgliedstaaten sind aufgerufen, sich an den bestehenden Pilotaktionen zu beteiligen, weitere werden vorgeschlagen. Die ersten Großpilotprojekte laufen 2011 aus. Es werden bereits Überlegungen dazu angestellt, in welcher Weise die Ergebnisse weitergeführt werden können und wie das ISA-Programm dazu beitragen kann, die Ergebnisse in funktionierende Dienste umzusetzen. Die Kommission beteiligt sich an laufenden Pilotaktionen wie z. B. jenen zum elektronischen Beschaffungswesen (eProcurement) und zu interoperablen elektronischen Identitäten (eIdentities). So wird die Interoperabilität zwischen der Infrastruktur der Kommission und den Ergebnissen dieser Pilotaktionen sichergestellt.

Interoperabilitätsarchitektur

Die Kommission wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Vorstellung von einer europäischen Interoperabilitätsarchitektur hinarbeiten und erforderlichenfalls diese Architektur durch den Aufbau gemeinsamer Infrastrukturen und die Entwicklung gemeinsamer Dienste unterstützen.

Beurteilung der IKT-Implikationen neuer EU-Vorschriften

Die Kommission entwickelt derzeit eine Methode, die bei der Erarbeitung von Rechtsakten eingesetzt werden könnte, um besser zu verstehen, wie die IKT zur wirksamen und effizienten Umsetzung dieser Rechtsakte beitragen können.

Berücksichtigung des EIF

Dem EIF sollte Rechnung getragen werden, wenn Behörden europäische öffentliche Dienste einrichten und wenn IKT-Systeme entwickelt werden, die der Durchführung der EU-Politik dienen. Ferner sollte der Interoperabilitätsrahmen auf jeder Regierungsebene beachtet werden, wenn öffentliche Dienste eingerichtet werden, die künftig Teil europäischer öffentlicher Dienste werden könnten.

Da der europäische und die nationalen Interoperabilitätsrahmen einander ergänzen, wird die Kommission die Beobachtungsstelle für die nationalen Interoperabilitätsrahmen (National Interoperability Framework Observatory – NIFO) weiterhin im Zuge des ISA-Programms unterstützen. Wichtigstes Ziel ist dabei, Informationen über nationale Interoperabilitätsrahmen bereitzustellen, um öffentlichen Verwaltungen den Austausch von Erfahrungen und Kenntnissen über diese Rahmen zu ermöglichen.

ZUSAMMENFASSUNG: MASSNAHMEN ZUR FÖRDERUNG EUROPÄISCHER INTEROPERABILITÄT

Umsetzung der Strategie unter Berücksichtigung des Interoperabilitätsrahmens

Die Kommission wird

- die EIS durch geeignete Instrumente wie das ISA-Programm und das CIP ICT-PSP in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und anderen Akteuren umsetzen,

- ihre interne Interoperabilitätsstrategie im Zuge der Initiative eKommission an die EIS angleichen,

- sicherstellen, dass der EIF bei der Durchführung neuer Rechtsvorschriften und der Einrichtung neuer europäischer öffentlicher Dienste angewandt wird,

- für die Governance der EIS und der zugehörigen globalen und sektorspezifischen Interoperabilitätsmaßnahmen in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Sorge tragen.

Die Mitgliedstaaten sollten

- ihre nationalen Interoperabilitätsstrategien mit der EIS sowie nationale Initiativen und Aktionen mit entsprechenden Initiativen und Aktionen auf EU-Ebene in Einklang bringen,

- miteinander und mit der Kommission bei der Umsetzung der EIS zusammenarbeiten und dabei die Fortschritte und Auswirkungen zugehöriger Maßnahmen auf nationaler Ebene überwachen,

- ihre nationalen Interoperabilitätsrahmen an den EIF angleichen,

- bei der Entwicklung öffentlicher Dienste, die künftig Teil europäischer öffentlicher Dienste werden könnten, der europäischen Dimension frühzeitig Rechnung tragen,

- einen Beitrag zur Governance der EIS und zugehöriger Interoperabilitätsmaßnahmen leisten.

(1) KOM(2010) 245, „Eine digitale Agenda für Europa“, siehe http://ec.europa.eu/information_society/digital-agenda/index_en.htm .
(2) KOM(2010) 135, Arbeitsprogramm der Kommission für 2010 – Jetzt handeln, siehe http://ec.europa.eu/atwork/programmes/index_de.htm .
(3) Europäische öffentliche Dienste sind grenzübergreifende Dienstleistungen des öffentlichen Sektors, die von öffentlichen Verwaltungen füreinander oder für europäische Unternehmen und Bürger erbracht werden.
(4) „Interoperabilität“ bezeichnet im Zusammenhang mit der Erbringung europäischer öffentlicher Dienste „die Fähigkeit verschiedener und unterschiedlicher Organisationen zur Interaktion zum beiderseitigen Nutzen und im Interesse gemeinsamer Ziele; dies schließt den Austausch von Informationen und Wissen zwischen den beteiligten Organisationen durch von ihnen unterstützte Geschäftsprozesse mittels Datenaustausch zwischen ihren jeweiligen IKT-Systemen ein“ (Definition aus dem Europäischen Interoperabilitätsrahmen).
(5) Grundlegende öffentliche Dienste sind die fundamentalsten Dienstelemente, auf denen komplexere öffentliche Dienstleistungen aufbauen.
(6) KOM(2006) 173 endg. — E-Government-Aktionsplan im Rahmen der i2010-Initiative: Beschleunigte Einführung elektronischer Behördendienste in Europa zum Nutzen aller.
(7) http://www.egov2009.se/wp-content/uploads/Ministerial-Declaration-on-eGovernment.pdf .
(8) Der europäische eGovernment-Aktionsplan 2011-2015 wird derzeit von der Kommission als Reaktion auf die Ministererklärung von Malmö erarbeitet.
(9) Beschluss 2004/387/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über die interoperable Erbringung europaweiter elektronischer Behördendienste (eGovernment-Dienste) für öffentliche Verwaltungen, Unternehmen und Bürger (IDABC) (ABl. L 144 vom 30.4.2004), ABl. L 181 vom 18.5.2004, S. 25.
(10) Das IKT-Förderprogramm ist Teil des Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP), vgl. Beschluss Nr. 1639/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 2006 zur Einrichtung eines Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (2007-2013), ABl. L 310 vom 9.11.2006, S. 15.
(11) KOM(2009) 247 endg. — Abschließende Bewertung der Durchführung des IDABC-Programms.
(12) Beschluss Nr. 922/2009/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Einrichtung eines Programms über Interoperabilitätslösungen für europäische öffentliche Verwaltungen (ISA), ABl. L 260 vom 3.10.2009, S. 11.
(13) K(2005) 4473 vom 23.11.2005: Mitteilung der Kommission „e-Kommission 2006-2010: Effizienz und Transparenz“. Die Kommission erarbeitet derzeit einen neuen Plan für den Zeitraum 2011-2015.
(14) Richtlinie 2006/123/EG vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36.
(15) Richtlinie 2007/2/EG vom 14. März 2007 zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft (INSPIRE), ABl. L 108 vom 25.4.2007, S. 1.
(16) Verordnung (EG) Nr. 1205/2008, ABl. L 326 vom 4.12.2008, S. 12.
(17) Verordnung (EG) Nr. 976/2009, ABl. L 274 vom 20.10.2009, S. 9.
(18) Verordnung (EU) Nr. 268/2010, ABl. L 83 vom 30.3.2010, S. 8.
(19) Entscheidung Nr. 2009/442/EG, ABl. L 148 vom 11.6.2009, S. 18.
(20) KOM(2005) 597 endg., Mitteilung der Kommission über die Verbesserung der Effizienz der europäischen Datenbanken im Bereich Justiz und Inneres und die Steigerung ihrer Interoperabilität sowie der Synergien zwischen ihnen.
(21) http://ec.europa.eu/isa/workprogramme/doc/isa_work_programme.pdf .
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DE

EUROPÄISCHE KOMMISSION

Bruxelles, le 16.12.2010

COM(2010) 744 final

Anhang 1

 

Anhang 1

zur

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen
„Interoperabilisierung europäischer öffentlicher Dienste“

Europäische Interoperabilitätsstrategie (EIS)

für

europäische öffentliche Dienste


EINFÜHRUNG UND HINTERGRUND

1.Dieses Dokument bietet einen Überblick über die europäische Interoperabilitätsstrategie (EIS) 1 , die von der Generaldirektion Informatik der Europäischen Kommission aufgestellt wurde. Die EIS soll bei der Erbringung europäischer öffentlicher Dienste 2 Orientierung bieten und Prioritäten bei den Maßnahmen setzen, die notwendig sind, um die grenz- und sektorübergreifende Interaktion, den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Verwaltungen in Europa zu verbessern. Die Strategie wurde im Zuge des Programms IDABC 3 vorbereitet und im Anschluss an eine öffentliche Konsultation im Rahmen des Programms ISA 4 , das sie weiterführt, fertig gestellt.

2.Zweck dieses Dokuments ist es,

einen kurzen Überblick über den Ansatz und die Methode bei der Vorbereitung der EIS zur Berücksichtigung der Prioritäten der Mitgliedstaaten zu geben,

die Empfehlungen vorzustellen, die auf der Grundlage der beiden im Zuge der Vorbereitung der EIS vorgelegten Berichte abgegeben wurden, nämlich

a.des im Mai 2009 abgefassten und auf der Sitzung der obersten IT-Beauftragten der Mitgliedstaaten vom 26. Juni 2009 vorgestellten Abschlussberichts über die erste Phase, worin die an deren Ende gezogenen Schlussfolgerungen zusammengefasst werden: eine gemeinsame Zielvorstellung, Problembeschreibungen, Schwerpunktbereiche, Prioritäten und Ziele der Interoperabilität sowie eine mögliche Methode für die Entwicklung von Szenarien während der zweiten Projektphase;

b.des im Mai 2010 abgefassten Abschlussberichts zur zweiten Phase, der sich auf die EIS selbst konzentriert und in dem neben den verschiedenen Ebenen der EIS (globale Ebene, Cluster und Schwerpunktbereiche) einige aus der Bewertung von Szenarien abgeleitete Maßnahmen dargelegt werden, die in ihrer Gesamtheit die Grundlage der künftigen Strategie bilden;

das von der Kommission für die EIS vorgeschlagene und von den obersten IT-Beauftragten der Mitgliedstaaten vereinbarte strategische Gesamtkonzept vorzustellen.

3.Interoperabilität zwischen öffentlichen Verwaltungen berührt zentrale Ziele der Europäischen Union und ist für die Verwirklichung der europäischen Integration entscheidend. Die Mitgliedstaaten und Nutzer haben ein großes Interesse an der Überwindung der Hindernisse, die einer unproblematischen Bereitstellung öffentlicher Dienste über Grenzen und Sektoren hinweg entgegenstehen. Während die Nutzer letztlich die Empfänger dieser Dienstleistungen sind, sind die europäischen öffentlichen Verwaltungen die wichtigsten Partner für die EIS. Intensivere Zusammenarbeit und stärkeres Engagement seitens dieser Schlüsselakteure sind daher für die Entwicklung der EIS wesentlich.

4.Interoperabilität hat nicht nur technologische Aspekte, sondern berührt ein breites Spektrum von Gesichtspunkten, wie z. B. das Fehlen einer grenz- und sektorübergreifenden Rechtsgrundlage für Interoperabilität, unzureichendes Problembewusstsein und mangelnder politischer Wille sowie Uneinigkeit über die notwendigen Governancestrukturen.

5.Ohne umfassendes Interoperabilitätskonzept besteht das Risiko, dass die Mitgliedstaaten sich für untereinander inkompatible Lösungen entscheiden, die lediglich neue Hindernisse für die Erbringung europäischer öffentlicher Dienste im Binnenmarkt bilden, anstatt die Effizienz zu steigern und Einsparungen zu ermöglichen.

6.Zur Bewältigung dieser Herausforderungen haben die obersten IT-Beauftragten der Mitgliedstaaten und Vertreter der Europäischen Kommission bei ihrer zweiten jährlichen Sitzung im Juni 2008 vereinbart, dass im Rahmen des Programms IDABC eine europäische Interoperabilitätsstrategie entwickelt wird, um die zur Verbesserung der Interoperabilität europäischer öffentlicher Dienste notwendige Dynamik zu erzeugen.

7.Die EIS wird, sobald sie vollständig verabschiedet ist, die zentrale Triebkraft des neuen ISA-Programms der EU für 2010 bis 2015 und möglicherweise anderer EU-Initiativen werden. Daneben wird die EIS sich auf die von den Mitgliedstaaten unternommenen Interoperabilitätsmaßnahmen auswirken.

8.Im Abschlussbericht zur ersten Phase (s. Nummer 2) wurde die von den obersten IT-Beauftragten der Mitgliedstaaten gebilligte Zielvorstellung dargelegt. Sie lautet wie folgt:

Interoperabilität wird bis 2015 die Erbringung europäischer öffentlicher Dienstleistungen erheblich verbessert haben, und zwar durch

eine zweckmäßige Governance mit geeigneten organisatorischen Strukturen und Prozessen im Einklang mit den Strategien und Zielen der Europäischen Union sowie

einen vertrauenswürdigen Informationsaustausch auf der Grundlage einvernehmlich vereinbarter, kohärenter und koordinierter Interoperabilitätsinitiativen, die die Fertigstellung des rechtlichen Umfelds, die Entwicklung von Interoperabilitätsrahmen sowie Vereinbarungen über Interoperabilitätsnormen und regeln einschließen.

9.Diese Zielvorstellung wurde im Anschluss an die dritte Sitzung der obersten IT-Beauftragten der Mitgliedstaaten im Juni 2009 in eine Reihe von Zielen für neun Schwerpunktbereiche weiterentwickelt. Auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission wurde beschlossen, die neun Schwerpunktbereiche in drei unterschiedliche Cluster – Vertrauenswürdiger Informationsaustausch, Interoperabilitätsarchitektur und Beurteilung der IKT-Implikationen neuer EU-Vorschriften – sowie zwei flankierende Maßnahmen, nämlich Sensibilisierung für Fragen der Interoperabilität und Austausch bester Verfahren, zu kategorisieren.

10.Im Abschlussbericht zur zweiten Phase (s. Nummer 2) wurde für jeden Cluster und jede flankierende Maßnahme ein Aktionsplan in Form einer Reihe von Szenarien oder konkreten Aktionen vorgeschlagen.

11.Die Kommission hat zur Lenkung der Clusteraktivitäten und der flankierenden Maßnahmen eine Synthese mit Schwerpunkt auf den wichtigsten strategischen Ausrichtungen erstellt. Auf der Grundlage dieser Synthese hat die Kommission ein strategisches Gesamtkonzept für die EIS sowie spezifische strategische Ausrichtungen auf Ebene der Cluster und der flankierenden Maßnahmen vorgeschlagen.

12.Die Kommission hat vorgeschlagen, Top-down- und Bottom-up-Konzepte zu kombinieren, um eine gegenseitige Bereicherung durch die Prüfung und kontinuierliche Verbesserung bestehender Rahmen und Leitlinien anhand konkreter Erfordernisse sowie die Entwicklung zusätzlicher Dienste und Werkzeuge auf der Grundlage klar definierter Notwendigkeiten zu bewirken.

13.Die obersten IT-Beauftragten der Mitgliedstaaten haben bei ihrer vierten Sitzung im November 2009 ihr Einverständnis mit dem Konzept und der Methode, die für die zweite Phase des EIS-Projekts angenommen wurden, sowie mit dem Vorschlag der Kommission bekundet.

14.Der Kommissionsvorschlag und die bei der vierten Sitzung der obersten IT-Beauftragten gezogenen Schlussfolgerungen bilden das strategische Gesamtkonzept, auf dem das ISA-Arbeitsprogramm und möglicherweise auch die Planung der Arbeit im Rahmen anderer EU-Initiativen in den kommenden Jahren beruhen werden.


strategisches Gesamtkonzept der EIS

Die Kommission schlägt vor, zwei Konzepte zu kombinieren, um die europäischen Maßnahmen zur Förderung der Interoperabilität im Rahmen der oben erwähnten drei Cluster und der beiden flankierenden Maßnahmen voranzutreiben.

14.1.Top-down-Konzept (globales Konzept)

Berücksichtigung des politischen Umfelds und seiner Entwicklung: Strategie Europa 2020 und Digitale Agenda für Europa.

Entwicklung unterschiedlicher Rahmen wie EIS, Europäischer Interoperabilitätsrahmen (EIF), Leitlinien für die Architektur sowie andere Methoden und Leitlinien.

Beurteilung der IKT-Implikationen vorgeschlagener neuer EU-Rechtsvorschriften.

14.2.Bottom-up-Konzept (sektorales Konzept)

Bewältigung realer Interoperabilitätsprobleme durch Bearbeitung spezifischer relevanter Themen (z. B. Semantik, Vertrauen und Datenschutz oder Architektur) mittels sektorspezifischer Projekte. Dieser Ansatz ermöglicht die Prüfung bestehender Rahmen und Leitlinien anhand konkreter Erfordernisse und gewährleistet zudem, dass neue Dienste und Instrumente auf der Grundlage klar definierter Notwendigkeiten entwickelt werden.

Bei der Entwicklung neuer Dienste und Instrumente in einem bestimmten Sektor sollte die Möglichkeit der Weiterverwendung der entsprechenden Lösungen in anderen Sektoren stets bedacht werden.

Die Kommission schlägt vor, nach Anwendung dieser kombinierten Konzepte auf die Ziele in den einzelnen Clustern den Schwerpunkt auf folgende Tätigkeiten zu legen:

14.3.Cluster „Vertrauenswürdiger Informationsaustausch“

Arbeit im Rahmen einer begrenzten Anzahl politisch relevanter, konkreter sektorspezifischer Projekte auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten;

fortgesetzte Unterstützung auf EU-Ebene der Anstrengungen zur Erzielung der Interoperabilität in Bezug auf wesentliche Voraussetzungen, wie elektronische Identität und elektronische Signatur;

Fortsetzung des SEMIC-Konzepts und seiner Methodik;

Hinwirken auf die Öffnung von Basisregistern unter Berücksichtigung der entsprechenden besten Verfahren und unter Abwägung der möglichen Risiken und Chancen sowie der verschiedenen Erfordernisse und Erwartungen der wichtigsten Akteure;

Hinwirken auf die Erstellung eines Gesamtkatalogs der Dienstleistungen, die von öffentlichen Verwaltungen in der EU angeboten werden.

Im Rahmen dieses Clusters u.a. zu bewältigende Herausforderungen

Erstens: Wie können Industrie, Normungsorganisationen und andere Akteure in die Tätigkeiten einbezogen werden?

Zweitens: Die Kommission empfiehlt, vor der Einleitung etwaiger Initiativen zur Entwicklung eines Dienstkatalogs zunächst die Teilnahmebereitschaft der Mitgliedstaaten zu prüfen und festzustellen, inwiefern ein solcher Katalog der größeren Interoperabilität zwischen Mitgliedstaaten förderlich wäre. Ferner müssen bestehende beste Verfahren auf diesem Gebiet ermittelt und untersucht werden.


14.4.Cluster „Interoperabilitätsarchitektur“

Entwicklung gemeinsamer Zielvorstellungen für die Interoperabilitätsarchitektur, indem zunächst deren Umfang sowie die Erfordernisse in Bezug auf gemeinsame Infrastrukturdienste und Schnittstellenstandards festgelegt werden;

Bereitstellung von Leitlinien für Architektur-Domänen, an denen Mitgliedstaaten ein gemeinsames Interesse haben;

Gewährleistung der systematischen Weiterverwendung architektonischer Bausteine durch die Kommission bei der Entwicklung von für die Mitgliedstaaten bestimmten Diensten. Dabei könnten bestehende Infrastrukturdienstkomponenten (EIIS) 5 sowie generische Anwendungen (IMI 6 , Frühwarnsysteme, Verwaltung von Zuschüssen usw.) weiterverwendet und rationalisiert werden. Mit Beiträgen der EU und der Mitgliedstaaten könnte zudem ein Katalog architektonischer Bausteine zusammengestellt werden, die den Mitgliedstaaten und der Kommission zur Weiterverwendung zur Verfügung stehen.

14.5.Cluster „Beurteilung der IKT-Implikationen neuer EU-Vorschriften“

Entwicklung von Leitlinien und Methoden auf Ebene der Kommission und der Mitgliedstaaten;

Prüfung des Nutzens dieser Leitlinien durch deren Anwendung auf konkrete Fälle unter Einbeziehung der politischen Entscheidungsträger sowie von juristischen und IKT-Sachverständigen;

Gewährleistung der kontinuierlichen Verbesserung der Leitlinien und Methoden auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen;

Zur Entwicklung eines systematischeren Ansatzes ist zu gewährleisten, dass die Beurteilung der IKT-Implikationen bei jeder Änderung der Rechtslage (z. B. Änderungen oder Ergänzungen IKT-relevanter Rechtsvorschriften) allgemeine Praxis ist.

14.6.Flankierende Maßnahme „Sensibilisierung für Fragen der Interoperabilität“

Entwicklung eines Gesamtkonzepts für die Kommunikation;

Veranstaltung von Kommunikationskampagnen, die zunächst auf die Entscheidungsträger ausgerichtet sind und anschließend schrittweise auf die eher operativen und fachlichen Ebenen umschwenken;

Entwicklung eines Instruments/Musters für öffentliche Verwaltungen zur Selbsteinschätzung ihres Interoperabilitätsreifegrads.

14.7.Flankierende Maßnahme „Austausch bester Verfahren“

Hinwirken auf die Zusammenführung bestehender EU-Kooperationsplattformen und zur Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der genutzten Plattformen;

Wahrung, soweit relevant, auf EU-Ebene bestehender Gemeinschaften für den Austausch bester Verfahren und die Weiterverwendung gemeinsamer Lösungen;

Unterstützung der Entstehung potenzieller neuer Gemeinschaften aus anderen Interoperabilitätsmaßnahmen.

Eine Herausforderung für diese flankierende Maßnahme besteht in der Frage, wie die Zusammenarbeit mit ähnlichen anderweitigen Initiativen aussehen könnte.


14.8.Bisher ermittelte potenzielle Chancen und Risiken:

Unterstützung von Seiten der Betroffenen und engagierte Beteiligung bei der Verfolgung eines projektgestützten Interoperabilitätkonzepts sind von wesentlicher Bedeutung. Für eine erfolgreiche Verwirklichung der EIS müssen Sektorexperten und Interoperabilitätssachverständige sowohl auf Ebene der EU als auch der Mitgliedstaaten zusammenarbeiten;

Aufbau einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Industrie und anderen Beteiligten;

Auswirkungen bahnbrechender Technologien (z. B. Cloud Computing) auf die EIS und ihre Durchführung.

Nächste Schritte

15.Die nächste Herausforderung besteht darin, die EIS in eine Reihe konkreter Projekte und Ergebnisse umzusetzen. Das ISA-Arbeitsprogramm wird im Wesentlichen diese Projekte umfassen.

16.Im Rahmen der Ausarbeitung des ISA-Arbeitsprogramms werden verschiedene Maßnahmen zur Durchführung der EIS definiert und eingeleitet. Im Interesse deutlicher Fortschritte in Richtung auf die für jeden Interoperabilitäts-Cluster festgelegten Ziele werden Projektmanager benannt und Ziele für einzelne Maßnahmen festgelegt.

17.Angemessenes Monitoring der Projekte und Berichterstattung darüber werden die Durchführung der Interoperabilitätsinitiativen unterstützen; damit wird die Festlegung geeigneter Gradmesser für jede Aktion, z. B. zentraler Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators – KPI), einhergehen. Durch das Monitoring und die Berichterstattung kann die Leistung vor dem Hintergrund von Zielen und zu bewertenden Maßnahmen verfolgt werden, um zu prüfen ob die planmäßigen Fortschritte zum Erreichen der Ziele gegeben sind.

18.Im Interesse einer gemeinsamen Sichtweise und zur Erstellung eines Fahrplans für jede laufende oder geplante Aktion wird ein umfassender Rahmen für die Verwaltung des Projektportfolios verwendet. Das Management des Projektportfolios wird eine multidimensionale Sichtweise zur Prüfung jeder Aktion von dem Hintergrund der EIS eröffnen und deutlich machen, welche Aktionen einen Mehrwert für die angestrebte Interoperabilität bieten. Auf der Grundlage des Gesamtbilds kann eine Bilanz der relativen Kosten jeder Aktion und ihres Wertschöpfungspotenzials gezogen werden. So können beispielsweise bestimmte Maßnahmen einen hohen potenziellen Wert haben, aber mit unverhältnismäßigen Risiken verbunden sein. Andere könnten zur Veränderung ihres Risikoprofils neu definiert werden.

19.Eine angemessene Verwaltung des Projektportfolios gewährleistet den notwendigen Ausgleich zwischen Gesichtspunkten wie begrenzten Ressourcen, Risiken, Dimensionen und zeitlicher Planung sowie den erwarteten Ergebnissen in einem Umfeld, das sich (z. B. mit der Aktualisierung strategischer Ziele, in denen sich die Prioritäten der Politik und der Beteiligten niederschlagen) wandelt. Eine weitere zentrale Maßnahme im Rahmen der Governance des Projektmanagements wird die Kommunikation mit den Beteiligten über das Projektportfolio sein.

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(1)  In Bezug auf die Erbringung europäischer öffentlicher Dienste ist „Interoperabilität“ die Fähigkeit verschiedener und unterschiedlicher Organisationen zur Interaktion zum beiderseitigen Nutzen und im Interesse gemeinsamer Ziele; dies schließt den Austausch von Informationen und Wissen zwischen den beteiligten Organisationen durch von ihnen unterstützte Geschäftsprozesse mittels Datenaustausch zwischen ihren jeweiligen IKT-Systemen ein.
(2)  Unter „europäischer öffentlicher Dienst“ ist „ein grenzübergreifender sektorbezogener öffentlicher Dienst, der von öffentlichen Verwaltungen für einander oder für europäische Unternehmen und Bürger erbracht wird“ zu verstehen.
(3)  Interoperable Erbringung europaweiter elektronischer Behördendienste (eGovernment-Dienste) für öffentliche Verwaltungen, Unternehmen und Bürger (IDABC), vom Europäischen Parlament und vom Rat am 21. April 2004 angenommen.
(4)  Interoperabilitätslösungen für europäische öffentliche Verwaltungen, vom Europäischen Parlament und vom Rat am 16. September 2009 angenommen.
(5)  EIIS steht für European Interoperability Infrastructure Services – europäische Interoperabilitätsinfrastrukturdienste.
(6)  IMI steht für Internal Market Information System – Binnenmarktinformationssystem.
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DE

EUROPÄISCHE KOMMISSION

Bruxelles, le 16.12.2010

COM(2010) 744 final

Anhang 2

Anhang 2

zu der

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen

„Interoperabilisierung europäischer öffentlicher Dienste“

Europäischer Interoperabilitätsrahmen (EIF)

für

europäische öffentliche Dienste

INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis    i

1.    Einführung zum Europäischen Interoperabilitätsrahmen    

1.1    Ziele und Rechtsrahmen    

1.2    Begriffsbestimmungen    

1.2.1    Europäischer öffentlicher Dienst    

1.2.2    Interoperabilität    

1.2.3    Interoperabilitätsrahmen    

1.3    Notwendigkeit und Nutzen der Interoperabilität    

1.4    EIF-Empfehlungen    

1.5    Hintergrund    

1.5.1    Politischer und historischer Hintergrund der Interoperabilität in der EU    

1.5.2    Interoperabilitätsrahmen    

1.6    Szenarios für europäische öffentliche Dienste    

1.6.1    Szenario 1: Direkte Interaktion zwischen Unternehmen/Bürgern und einer ausländischen Verwaltung    

1.6.2    Szenario 2: Informationsaustausch zwischen Verwaltungen über Anträge von Unternehmen/Bürgern    

1.6.3    Szenario 3: Informationsaustausch zwischen nationalen Verwaltungen und EU-Organen    

1.6.4    Beispiele für europäische öffentliche Dienste    

1.7    Aufbau dieses Dokuments    

2.    Grundprinzipien für europäische öffentliche Dienste    

2.1    Einleitung    

2.2    Grundprinzip 1: Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit    

2.3    Grundprinzip 2: Benutzerorientierung    

2.4    Grundprinzip 3: Integration und Barrierefreiheit    

2.5    Grundprinzip 4: Sicherheit und Privatsphäre    

2.6    Grundprinzip 5: Mehrsprachigkeit    

2.7    Grundprinzip 6: Verwaltungsvereinfachung    

2.8    Grundprinzip 7: Transparenz    

2.9    Grundprinzip 8: Informationsbewahrung    

2.10    Grundprinzip 9: Offenheit    

2.11    Grundprinzip 10: Weiterverwendbarkeit    

2.12    Grundprinzip 11: Technologieneutralität und Anpassungsfähigkeit    

2.13    Grundprinzip 12: Effektivität und Effizienz    

3.    Konzeptmodell für öffentliche Dienste    

3.1    Einleitung    

3.2    Schlüsselkonzepte des Konzeptmodells    

3.2.1    Grundlegende öffentliche Dienste    

3.2.2    Ebene des gesicherten Datenaustauschs    

3.2.3    Ebene der aggregierten Dienste    

3.3    Anwendungen des Konzeptmodells    

3.3.1    Grenzübergreifende Anwendung    

3.3.2    Sektorübergreifende Anwendung    

3.3.3    Verwaltungsübergreifende Anwendung    

4.    Interoperabilitätsebenen    

4.1    Einleitung    

4.2    Politischer Kontext    

4.3    Rechtliche Interoperabilität    

4.4    Organisatorische Interoperabilität    

4.4.1    Angleichung der Geschäftsprozesse    

4.4.2    Organisatorische Beziehungen    

4.4.3    Änderungsmanagement    

4.5    Semantische Interoperabilität    

4.5.1    EU-Initiative für semantische Interoperabilität    

4.6    Technische Interoperabilität    

5.    Interoperabilitätsvereinbarungen    

5.1    Einleitung    

5.2    Bewertung und Auswahl formaler Spezifikationen    

5.2.1    Spezifikationen, Offenheit und Weiterverwendung    

5.3    Beitrag zur Normung    

6.    Interoperabilitätsgovernance    

7.    Abkürzungen und Glossar    

7.1    Abkürzungen    

7.2    Glossar    

1.Einführung zum Europäischen Interoperabilitätsrahmen

1.1Ziele und Rechtsrahmen

Mit dem Europäischen Interoperabilitätsrahmen (EIF) werden folgende Ziele verfolgt:

Förderung und Unterstützung der Erbringung europäischer öffentlicher Dienste durch die Verbesserung der grenz- und sektorübergreifenden 1 Interoperabilität;

Anleitung der öffentlichen Verwaltungen bei ihren Bemühungen um die Erbringung europäischer öffentlicher Dienste für Unternehmen 2 und Bürger;

Ergänzung und Zusammenführung der verschiedenen nationalen Interoperabilitätsrahmen (NIF) auf europäischer Ebene.

Das vorliegende nichttechnische Dokument richtet sich an alle, die an der Festlegung, Gestaltung und Umsetzung europäischer öffentlicher Dienste beteiligt sind.

Wann immer Entscheidungen über europäische öffentliche Dienste zu treffen sind, die der Durchführung EU-politischer Initiativen dienen, sollte dem EIF Rechnung getragen werden. Ferner sollte der EIF berücksichtigt werden, wenn öffentliche Dienste eingerichtet werden, die künftig als Teil europäischer öffentlicher Dienste weitergenutzt werden könnten.

Die Pflege des EIF erfolgt im Rahmen des ISA 3 -Programms in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Kommission, die im Geiste des Artikels 170 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gemeinsam handeln. Gemäß diesem Artikel trägt die Europäische Union zum Auf- und Ausbau transeuropäischer Netze bei und fördert den Verbund und die Interoperabilität der nationalen Netze sowie den Zugang zu diesen Netzen, um einen Beitrag zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 26 in Bezug auf den Binnenmarkt zu leisten.

Durch die Verbesserung der Interoperabilität zwischen europäischen öffentlichen Verwaltungen trägt der EIF zum besseren Funktionieren des Binnenmarkts bei.

1.2Begriffsbestimmungen

1.2.1Europäischer öffentlicher Dienst

Im vorliegenden Papier bedeutet europäischer öffentlicher Dienst „eine grenzübergreifende Dienstleistung des öffentlichen Sektors, die von öffentlichen Verwaltungen 4 füreinander oder für europäische Unternehmen und Bürger erbracht wird“.

Nicht alle europäischen öffentlichen Dienste werden zwar mit Hilfe der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) erbracht, die meisten von ihnen beruhen aber auf einer Verknüpfung von Softwaresystemen, die hauptsächlich individuell erstellt und von öffentlichen Verwaltungen eigens für ihre Zwecke entwickelt wurden 5 .

1.2.2Interoperabilität

Der EIF bezieht sich auf die Interoperabilität im spezifischen Kontext der Erbringung europäischer öffentlicher Dienste.

Die Erbringung europäischer öffentlicher Dienste ist zwar fast immer mit dem Austausch von Daten zwischen IKT-Systemen verbunden, doch der Begriff der Interoperabilität ist weiter gefasst und schließt auch die Fähigkeit von Organisationen ein, zum beiderseitigen Nutzen und im Interesse gemeinsamer Ziele zusammenzuarbeiten.

Deshalb wird im EIF folgende Begriffsbestimmung 6 verwendet:

„Im Kontext der Erbringung europäischer öffentlicher Dienste ist „Interoperabilität“ die Fähigkeit verschiedener und unterschiedlicher Organisationen zur Interaktion zum beiderseitigen Nutzen und im Interesse gemeinsamer Ziele; dies schließt den Austausch von Informationen und Wissen zwischen den beteiligten Organisationen durch von ihnen unterstützte Geschäftsprozesse mittels Datenaustausch zwischen ihren jeweiligen IKT-Systemen ein.“

Interoperabilität ist von Natur aus multilateral und am besten als ein gemeinsamer Wert aller Beteiligten zu verstehen.

1.2.3Interoperabilitätsrahmen

„Ein Interoperabilitätsrahmen ist ein vereinbartes Interoperabilitätskonzept für Organisationen, die im Hinblick auf eine gemeinsame Erbringung öffentlicher Dienste zusammenarbeiten wollen. Er umfasst innerhalb seines Anwendungsbereichs eine Reihe gemeinsamer Elemente wie ein Vokabular, Begriffe, Grundsätze, Leitlinien, Empfehlungen, Normen, Spezifikationen und Praktiken.“

1.3Notwendigkeit und Nutzen der Interoperabilität

Interoperabilität ist die Voraussetzung für eine effiziente Erbringung europäischer öffentlicher Dienste und erleichtert diese zugleich. Interoperabilität bezieht sich auf die Erfordernisse der

der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Verwaltungen im Hinblick auf die Einrichtung öffentlicher Dienste;

des Informationsaustausch zwischen öffentlichen Verwaltungen im Hinblick auf die Erfüllung rechtlicher Anforderungen oder politischer Verpflichtungen;

der gemeinsamen Nutzung und Weiternutzung von Informationen zwischen öffentlichen Verwaltungen im Hinblick auf die Steigerung der Verwaltungseffizienz und den Bürokratieabbau im Interesse der Bürger und Unternehmen.

Sie führt zu:

besseren öffentlichen Diensten für die Bürger und Unternehmen, da ihre Erbringung über zentrale Anlaufstellen erleichtert wird;

niedrigeren Kosten für öffentliche Verwaltungen, Unternehmen und Bürger, weil die öffentlichen Dienste effizienter erbracht werden.

1.4EIF-Empfehlungen

Der EIF enthält Empfehlungen in Bezug auf bestimmte Interoperabilitätsanforderungen. Durch die Umsetzung der Empfehlungen wird ein Umfeld entstehen, in dem öffentliche Verwaltungen neue europäische öffentliche Dienste leichter einrichten können. Dies wird dazu beitragen, dass sich ein „Ökosystem“ 7 europäischer öffentlicher Dienste herausbildet, bestehend aus Personen, die mit Interoperabilitätsfragen vertraut sind, aus Organisationen, die zur Zusammenarbeit bereit sind, und aus gemeinsamen Rahmen, Werkzeugen und Diensten, die den Aufbau europäischer öffentlicher Dienste erleichtern.

1.5Hintergrund

Der EIF ist Teil einer ganzen Reihe von Interoperabilitätsinitiativen, mit denen der Aufbau europäischer öffentlicher Dienste unterstützt werden soll.

Die folgende Abbildung zeigt die Beziehungen zwischen diesen Initiativen, nämlich der Europäischen Interoperabilitätsstrategie (EIS), dem Europäischen Interoperabilitätsrahmen (EIF), den Europäischen Interoperabilitätsleitlinien und Werkzeugen sowie den Tätigkeiten zum Aufbau europäischer öffentlicher Dienste.

Interoperabilitätsinitiativen, die den Aufbau europäischer öffentlicher Dienste unterstützen
Abbildung
11

Zur Lenkung der Interoperabilität auf EU-Ebene sollte ein systematischer Ansatz mit konkreten Zielen verfolgt werden. Die Europäische Interoperabilitätsstrategie (EIS) 8 bildet die Grundlage für einen organisatorischen, finanziellen und operativen Rahmen zur Förderung der grenz- und sektorübergreifenden Interoperabilität. Durch die Festsetzung strategischer Prioritäten und Ziele bewirkt die EIS eine Ausrichtung des EIF und aller anderen zugehörigen Bemühungen.

Der EIF soll bei der Gestaltung europäischer öffentlicher Dienste hilfreich sein.

Die Europäischen Interoperabilitätsleitlinien helfen bei der Einrichtung europäischer Interoperabilitätsdienste und werkzeuge, die die Erbringung europäischer öffentlicher Dienste unterstützen.

1.5.1Politischer und historischer Hintergrund der Interoperabilität in der EU

Zur Einrichtung europäischer öffentlicher Dienste muss der öffentliche Sektor zahlreiche Herausforderungen meistern. Die grenz- und sektorübergreifende Interoperabilität gilt als Schlüsselfaktor bei der Bewältigung dieser Herausforderungen.

Die Herstellung der grenzübergreifenden Interoperabilität ist eine politische Priorität innerhalb der Initiativen für europäische öffentliche Dienste. Die (Interoperabilität voraussetzende) Erbringung nahtloser grenzübergreifender öffentlicher Dienste kann potenziell große Auswirkungen auf die Unternehmen und Bürger haben.

Die nachstehend aufgeführten EU-Initiativen verdeutlichen aus historischer Sicht, welche Unterstützung der Interoperabilität zwischen öffentlichen Verwaltungen bislang auf politischer Ebene zuteil wurde.

Chronologie der EU-Initiativen zur Interoperabilität
Abbildung
12

1.5.2Interoperabilitätsrahmen

Viele öffentliche Verwaltungen haben bereits Rahmen für die Lösung von Interoperabilitätsfragen auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene aufgestellt oder zumindest damit begonnen. Der Anwendungsbereich solcher Rahmen ist auf die Gebiete beschränkt, für die sie entwickelt wurden. Europäische öffentliche Verwaltungen müssen aber auch bereit sein, bei der Erbringung europäischer öffentlicher Dienste, die den Bedürfnissen der Unternehmen und Bürger entsprechen, zusammenzuarbeiten.

Es ist daher wichtig, die Interoperabilitätsrahmen, denen öffentliche Verwaltungen sowohl auf nationaler (NIF) als auch auf europäischer Ebene (EIF) folgen, in Bezug darauf anzugleichen, wie die Interoperabilität hergestellt werden soll, damit sich die Mitgliedstaaten auf die konkrete Umsetzung der EIF-Empfehlungen beim Aufbau europäischer öffentlicher Dienste einigen können.

Nationale Interoperabilitätsrahmen (NIF) sind naturgemäß ausführlicher und oft präskriptiver als der Europäische Interoperabilitätsrahmen (EIF), der auf einer höheren Abstraktionsstufe angesiedelt ist, im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip als „Meta-Rahmen“ dient und den Mitgliedstaaten keine bestimmten Lösungen oder Verpflichtungen auferlegt 9 .

Empfehlung 1. Die öffentlichen Verwaltungen sollten ihre Interoperabilitätsrahmen mit dem Europäischen Interoperabilitätsrahmen abstimmen, um der europäischen Dimension der Erbringung öffentlicher Dienste Rechnung zu tragen.

Da sich EIF und NIF gegenseitig ergänzen, unterstützt die Europäische Kommission eine Beobachtungsstelle für die nationalen Interoperabilitätsrahmen (National Interoperability Framework Observatory, NIFO), die hauptsächlich dazu dient, Informationen über nationale Interoperabilitätsrahmen bereitzustellen, damit öffentliche Verwaltungen Erfahrungen und Wissen austauschen können.

1.6Szenarios für europäische öffentliche Dienste

Die im EIF behandelte Interoperabilität spielt eine wichtige Rolle in einer ganzen Reihe von Interaktionsszenarios. Wie in der folgenden Abbildung dargestellt, können europäische öffentliche Dienste, die in den Anwendungsbereich des EIF fallen, nach der Art der grenzübergreifenden Interaktion in mehrere Typen untergliedert werden.

Abbildung 13

Der erste Typ ist die direkte Interaktion zwischen Unternehmen oder Bürgern aus einem Mitgliedstaat und einer öffentlichen Verwaltung in einem anderen Mitgliedstaat und/oder einer EU-Verwaltung, die den öffentlichen Dienst für dieses Unternehmen bzw. diesen Bürger erbringt (A2B und A2C).

Der zweite Typ ist die Interaktion zwischen öffentlichen Verwaltungen vieler Mitgliedstaaten oder EU-Verwaltungen untereinander (A2A). Zweck dieser Interaktion kann auch die Unterstützung der Verwaltungen bei der Leistungserbringung für Unternehmen oder Bürger (A2B und A2C) sein.

1.6.1Szenario 1: Direkte Interaktion zwischen Unternehmen/Bürgern und einer ausländischen Verwaltung

Abbildung 14

Beispiel: Ein Bürger aus dem Mitgliedstaat Y tritt eine Arbeitsstelle im Zielmitgliedstaat X an und muss dazu im Mitgliedstaat X eine Reihe von Formalitäten erledigen.

1.6.2Szenario 2: Informationsaustausch zwischen Verwaltungen über Anträge von Unternehmen/Bürgern

Abbildung 15

Beispiel: Ein im Mitgliedstaat X ansässiger Dienstleister will sich im Mitgliedstaat Y niederlassen und stellt im Mitgliedstaat Y einen entsprechenden Niederlassungsantrag. Zur Bearbeitung dieses Antrags könnten die Verwaltungsstellen der beiden betroffenen Mitgliedstaaten diese Informationen direkt austauschen, ohne die dazu benötigten Angaben vom Antragsteller erneut abzufragen. Dafür müssen die Systeme beider Mitgliedstaaten interoperabel sein.

1.6.3Szenario 3: Informationsaustausch zwischen nationalen Verwaltungen und EU-Organen

Abbildung 16

Zu diesem Szenario gehören in der Regel Netze aus Verwaltungen in einem bestimmten Sektor, in dem EU-Recht die Behörden der Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Informationen zu erfassen, untereinander und/oder mit EU-Organen und Einrichtungen auszutauschen und gemeinsam zu nutzen.

Beispiel: Mitgliedstaaten übermitteln Informationen und Statistiken an eine zuständige europäische Behörde, die daraufhin aggregierte Informationen in der betroffenen Öffentlichkeit verbreitet.

1.6.4Beispiele für europäische öffentliche Dienste

Die folgende nicht vollständige Beispielliste 10 verdeutlicht die oben skizzierten allgemeinen Szenarios für europäische öffentliche Dienste:

1.7Aufbau dieses Dokuments

In den folgenden Kapiteln behandelt der EIF eine Reihe von Fragen, die für eine effiziente und effektive Erbringung europäischer öffentlicher Dienste wichtig sind.

In Kapitel 2 über die „grundlegenden Prinzipien“ werden die allgemeinen Prinzipien dargelegt, auf denen europäische öffentliche Dienste beruhen. Sie spiegeln die Erwartungen der Bürger, Unternehmen und Behörden in Bezug auf die Erbringung öffentlicher Dienste wieder.

In Kapitel 3 wird das „Konzeptmodell für öffentliche Dienste“ vorgestellt. Vorgeschlagen wird ein Organisationsprinzip für die Gestaltung europäischer öffentlicher Dienste, in deren Mittelpunkt grundlegende Dienste stehen, die zu einem (aggregierten) Gesamtangebot öffentlicher Dienste zusammengestellt werden können und die künftige Einrichtung weiterer europäischer Dienste erleichtern.

Kapitel 4 über „Interoperabilitätsebenen“ behandelt die unterschiedlichen Interoperabilitätsaspekte, die bei der Gestaltung eines europäischen öffentlichen Dienstes zu beachten sind, und stellt ein gemeinsames Vokabular für die Erörterung der dabei auftretenden Probleme vor.

In Kapitel 5 wird ein Konzept vorgestellt, das die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Verwaltungen zur Erbringung eines bestimmten europäischen öffentlichen Dienstes erleichtern soll, indem Begriffe wie „Interoperabilitätsvereinbarungen“, formale Spezifikationen und offene Spezifikationen eingeführt werden.

In Kapitel 6 über die „Interoperabilitätsgovernance“ wird dargelegt, was zu tun ist, um die langfristige Interoperabilität bei der Erbringung eines europäischen öffentlichen Dienstes sicherzustellen und die Interoperabilitätsbemühungen auf allen Verwaltungsebenen so zu koordinieren, dass der Aufbau europäischer öffentlicher Dienste gefördert wird.

2.Grundprinzipien für europäische öffentliche Dienste

2.1Einleitung

In diesem Kapitel werden die allgemeinen Grundsätze einer guten Verwaltung dargelegt, die für den Prozess des Aufbaus europäischer öffentlicher Dienste von Bedeutung sind. Sie beschreiben den Kontext für Entscheidungen über europäische öffentliche Dienste und deren Umsetzung. Die Prinzipien ergänzen sich trotz ihrer unterschiedlichen Natur (politisch, rechtlich, technisch) gegenseitig.

Die zwölf Grundprinzipien des EIF können in drei Kategorien gegliedert werden:

Das erste Prinzip bestimmt den Kontext für EU-Maßnahmen zu europäischen öffentlichen Diensten.

Die nächste Gruppe spiegelt die allgemeinen Bedürfnisse und Erwartungen der Benutzer wider (2–8).

Die letzte Gruppe bildet eine Basis für die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Verwaltungen (9–12).

2.2Grundprinzip 1: Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit

Das erste Grundprinzip verlangt Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit, wie im EU-Vertrag verankert.

Das Subsidiaritätsprinzip bedeutet, dass EU-Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen werden müssen. Das heißt, dass die EU nur dann tätig werden darf, wenn dies wirksamer ist als Maßnahmen, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene ergriffen werden können.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt das Eingreifen der EU auf das Maß, das erforderlich ist, um die vereinbarten politischen Ziele zu erreichen. Das bedeutet, dass die EU stets die Lösungen wählt, die den Mitgliedstaaten den größtmöglichen Spielraum einräumen.

Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit gelten ebenso für die Erbringung europäischer öffentlicher Dienste und somit auch für den hierzu notwendigen Informationsaustausch. Der Informationsaustausch und die gemeinsame Erbringung europäischer öffentlicher Dienste beruhen daher entweder auf EU-Vorschriften oder auf einer freiwilligen und proaktiven Teilnahme der Behörden an koordinierten Initiativen.

2.3Grundprinzip 2: Benutzerorientierung

Öffentliche Dienste sollen den Bedürfnissen der Bürger und Unternehmen dienen. Diese Bedürfnisse sollten maßgeblich bestimmen, welche öffentlichen Dienste bereitgestellt und wie diese Dienste erbracht werden.

Im Allgemeinen werden die Bürger und Unternehmen Folgendes erwarten:

einen Zugang zu benutzerfreundlichen Diensten in einer sicheren und flexiblen Weise mit individuellen Anpassungsmöglichkeiten;

eine Dienstleistungserbringung über mehrere Zugangskanäle, die jederzeit, überall auf jede Weise zur Verfügung stehen;

einen einheitlichen Ansprechpartner, selbst wenn viele verschiedene Verwaltungen zusammenarbeiten müssen, um die Dienstleistung zu erbringen;

Einreichung nur der für die Erbringung der Dienstleistung erforderlichen Angaben und nur einmalige Vorlage von Nachweisen bei den Verwaltungen;

die Wahrung der Privatsphäre durch die Verwaltung.

2.4Grundprinzip 3: Integration und Barrierefreiheit 11

Dank IKT-Einsatz sollen mit integrativen Diensten, die diskriminierungsfrei öffentlich zugänglich sind, gleiche Chancen für alle Bürger und Unternehmen geschaffen werden.

Integration bedeutet, dass jedermann die Möglichkeiten, die sich aus neuer Technik ergeben, zu seinem Vorteil nutzen kann, um soziale und wirtschaftliche Nachteile und jegliche Ausgrenzung zu überwinden. Barrierefreiheit garantiert, dass behinderte und ältere Menschen öffentliche Dienste in gleicher Qualität in Anspruch nehmen können wie alle anderen Bürger.

Entsprechend den auf europäischer und internationaler Ebene weithin anerkannten Spezifikationen für die Barrierefreiheit müssen die Aspekte der digitalen Integration und Barrierefreiheit über den gesamten Lebenszyklus eines europäischen öffentlichen Dienstes in Entwurf, Informationsinhalten und Erbringung berücksichtigt werden 12 .

Digitale Integration und Barrierefreiheit bedeuten in der Regel, dass die Leistungserbringung über mehrere Zugangskanäle erfolgt. Damit die Bürger eine Wahlmöglichkeit haben, wird neben der elektronischen Abwicklung eine herkömmliche papiergestützte oder mit persönlicher Vorsprache verbundene Erbringung notwendig sein.

Die digitale Integration und Barrierefreiheit kann auch durch ein System verbessert werden, das es Dritten ermöglicht, in Namen von Bürgern zu handeln, die selbst vorübergehend oder dauerhaft nicht in der Lage sind, öffentliche Dienste unmittelbar in Anspruch zu nehmen.

Empfehlung 2. Öffentliche Verwaltungen sollten sicherstellen, dass öffentliche Dienste entsprechend den auf europäischer und internationaler Ebene weithin anerkannten Spezifikationen für die Barrierefreiheit für alle Bürger zugänglich sind, auch für behinderte und ältere Personen.

2.5Grundprinzip 4: Sicherheit und Privatsphäre

Bürger und Unternehmen müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Kontakte mit öffentlichen Verwaltungen in einem vertrauenswürdigen Umfeld stattfinden, in dem die einschlägigen Vorschriften, z. B. für die Wahrung der Privatsphäre und den Datenschutz, vollständig eingehalten werden. Daher müssen öffentliche Verwaltungen die Wahrung der Privatsphäre der Bürger und die Vertraulichkeit der von Unternehmen übermittelten Informationen garantieren.

Im Rahmen der Sicherheitserfordernisse sollten die Bürger und Unternehmen Anspruch darauf haben, die von öffentlichen Verwaltungen über sie gesammelten Informationen zu überprüfen, und um Zustimmung gebeten zu werden, falls diese Informationen zu anderen als den ursprünglich vorgesehenen Zwecken verwendet werden sollten.

Empfehlung 3. Öffentliche Verwaltungen sollten im Rahmen gemeinsamer Sicherheits- und Datenschutzvorgaben die besonderen Anforderungen jedes einzelnen europäischen öffentlichen Dienstes berücksichtigen.

2.6Grundprinzip 5: Mehrsprachigkeit

Die Mehrsprachigkeit muss bei der Gestaltung europäischer öffentlicher Dienste sorgfältig berücksichtigt werden.

Dabei muss ein Gleichgewicht hergestellt werden zwischen der Erwartung der Bürger und Unternehmen, in ihrer eigenen Sprache bedient zu werden, und der Fähigkeit der öffentlichen Verwaltungen eines Mitgliedstaats, ihre Dienste in allen EU-Amtssprachen anzubieten.

Um den Rechten und Erwartungen der europäischen Bürger zu entsprechen, sollten europäische öffentliche Dienste, die EU-weit erbracht werden, im Idealfall auch in allen Amtssprachen der EU erbracht werden.

Dabei sind die Aspekte der Mehrsprachigkeit nicht nur für die Benutzeroberfläche, sondern auf allen Gestaltungsebenen europäischer öffentlicher Dienste von Bedeutung. So kann beispielsweise durch die gewählte Darstellung der Daten die Möglichkeit eingeschränkt werden, unterschiedliche Sprachen zu unterstützen.

Die Bedeutung der Mehrsprachigkeit für die Interoperabilität wird auch deutlich, wenn europäische öffentliche Dienste über Sprachgrenzen hinweg einen Datenaustausch zwischen IKT-Systemen erforderlich machen, weil dabei die Bedeutung der ausgetauschten Informationen erhalten bleiben muss. Wann immer möglich sollten Informationen in ein sprachunabhängiges Format übertragen werden, auf das sich alle Beteiligten geeinigt haben.

Empfehlung 4. Öffentliche Verwaltungen sollten Informationssysteme und technische Architekturen verwenden, die Mehrsprachigkeit beim Aufbau europäischer öffentlicher Dienste zulassen.

2.7Grundprinzip 6: Verwaltungsvereinfachung

Unternehmen tragen große Mengen an Informationen zusammen, und zwar oft nur aufgrund rechtlicher Verpflichtungen, ohne dass dies einen direkten Nutzen für sie hätte oder zur Erreichung der mit den betreffenden Vorschriften verfolgten Ziele überhaupt notwendig wäre. Dadurch entstehen beträchtliche Verwaltungslasten 13 , die für die Unternehmen Kosten darstellen.

Aus diesem Grund schlug die Europäische Kommission im Januar 2007 vor, die Verwaltungslasten der Unternehmen bis 2012 um 25 % zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Behörden überall in Europa beim Aufbau europäischer öffentlicher Dienste zusammenarbeiten.

Dieses Prinzip hängt eng mit dem Grundprinzip 2 (Benutzerorientierung) zusammen.

2.8Grundprinzip 7: Transparenz

Bürger und Unternehmen sollten in der Lage sein, die Verwaltungsverfahren zu verstehen. Sie sollten das Recht haben, die sie betreffenden Verwaltungsverfahren zu verfolgen und Einsicht in die Gründe für Entscheidungen zu nehmen, die sich auf sie auswirken könnten.

Transparenz bedeutet auch, dass sich die Bürger und Unternehmen zur Qualität der erbrachten öffentlichen Dienste äußern sowie zu ihrer Verbesserung und zur Einrichtung neuer Dienste beitragen können.

2.9Grundprinzip 8: Informationsbewahrung

Aufzeichnungen 14 und Informationen in elektronischer Form, die öffentliche Verwaltungen besitzen, um Verfahren und Entscheidungen zu dokumentieren, müssen aufbewahrt werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Aufzeichnungen und andere Formen von Informationen ihre Lesbarkeit, Zuverlässigkeit und Unversehrtheit bewahren und unter Beachtung der Sicherheits- und Datenschutzaspekte so lange wie notwendig zugänglich bleiben.

Um die langfristige Bewahrung elektronischer Aufzeichnungen („Records“) und anderer Arten von Informationen zu garantieren, müssen dazu Formate gewählt werden, die eine langfristige Zugänglichkeit einschließlich der Bewahrung von zugehörigen elektronischen Signaturen und anderen elektronischen Bescheinigungen wie z. B. von Mandaten sicherstellen.

Bei Informationsquellen, die sich im Besitz und unter der Kontrolle nationaler Verwaltungen befinden, ist dies eine rein nationale Angelegenheit. Bei europäischen öffentlichen Diensten und bei Informationen, die nicht rein nationaler Art sind, wird die Aufbewahrung zu einer europäischen Angelegenheit, die eine angemessene „Aufbewahrungspolitik“ erfordert.

Empfehlung 5. Öffentliche Verwaltungen sollten gemeinsam eine langfristige Aufbewahrungspolitik für elektronische Aufzeichnungen im Zusammenhang mit europäischen öffentlichen Diensten formulieren.

2.10Grundprinzip 9: Offenheit

Im Zusammenhang mit dem EIF bedeutet Offenheit den Willen von Personen, Organisationen oder Mitgliedern einer Interessengemeinschaft, ihr Wissen auszutauschen und innerhalb dieser Gemeinschaft die Diskussion mit dem Ziel voranzubringen, das Wissen zu erweitern und die Nutzung dieses Wissens zur Lösung von Problemen zu verbessern.

Interoperabilität schließt unter Beachtung des Datenschutzes und der Privatsphäre die gemeinsame Nutzung von Informationen zwischen den zusammenwirkenden Organisationen ein und setzt somit Offenheit voraus.

Durch Anwendung des Offenheitsprinzips bei der gemeinsamen Entwicklung individueller Softwaresysteme können öffentliche Verwaltungen Ergebnisse hervorbringen, die miteinander verbunden, weiterverwendet und gemeinsam genutzt werden können, wodurch auch die Effizienz gesteigert wird.

Europäische öffentliche Verwaltungen sollten daher Offenheit anstreben, wobei sie den Erfordernissen, Prioritäten, vorhandenen Systemen, Haushaltsmitteln, der Marktsituation und einer Reihe weiterer Faktoren Rechnung tragen müssen.

Empfehlung 6. Öffentliche Verwaltungen sollten im Rahmen ihrer Prioritäten und Zwänge beim gemeinsamen Aufbau europäischer öffentlicher Dienste Offenheit anstreben.

2.11Grundprinzip 10: Weiterverwendbarkeit

Weiterverwendung bedeutet, dass öffentliche Verwaltungen, die vor einem bestimmten Problem stehen, versuchen sollten, sich die Arbeit anderer nutzbar zu machen, indem sie vorhandene Lösungen suchen, ihre Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit prüfen und Lösungen nutzen, die sich anderweitig bereits bewährt haben.

Dies setzt voraus, dass öffentliche Verwaltungen bereit sind, anderen ihre Lösungen, Konzepte, Rahmen, Spezifikationen, Werkzeuge und Komponenten zur Verfügung zu stellen. Erleichtert werden kann dies durch die Anwendung des oben erläuterten Offenheitsprinzips.

Weiternutzung und gemeinsame Nutzung führen ganz selbstverständlich zu einer Zusammenarbeit mit Hilfe von Kooperationsplattformen 15 im Hinblick auf das Erreichen gegenseitig vorteilhafter und miteinander vereinbarter Ziele.

Die Weiternutzung ist folglich der Schlüssel zu einer effizienten Entwicklung europäischer öffentlicher Dienste.

Empfehlung 7. Öffentliche Verwaltungen werden bei der Einführung europäischer öffentlicher Dienste zur Mit- und Weiterverwendung bestehender Lösungen sowie zur Zusammenarbeit bei der Entwicklung gemeinsamer Lösungen ermuntert.

2.12Grundprinzip 11: Technologieneutralität und Anpassungsfähigkeit

Bei der Einrichtung europäischer öffentlicher Dienste sollten sich öffentliche Verwaltungen auf ihre funktionalen Anforderungen konzentrieren und Entscheidungen über die zugrundeliegende Technik so lange wie möglich hinausschieben, damit sie ihren Partnern nicht von vornherein bestimmte Technologien oder Produkte aufzwingen und weiterhin in der Lage sind, sich an ein sich schnell veränderndes technologisches Umfeld anzupassen.

Öffentliche Verwaltungen sollten den Zugang zu öffentlichen Diensten nicht von bestimmten Technologien oder Produkten abhängig machen.

Empfehlung 8. Öffentliche Verwaltungen sollten bei der Einrichtung europäischer öffentlicher Dienste den Bürgern, Unternehmen und anderen Verwaltungen keine bestimmte technische Lösung aufzwingen.

2.13Grundprinzip 12: Effektivität und Effizienz

Öffentliche Verwaltungen sollten dafür sorgen, dass die Lösungen den Unternehmen und Bürgern auf möglichst effiziente und effektive Weise dienen und dabei mit den Steuergeldern das bestmögliche Preis-Leistungs-Verhältnis erreicht wird.

Es gibt viele Möglichkeiten für die Beurteilung des Nutzens, der mit einer bestimmten Lösung für einen öffentlichen Dienst erzielt wird, z. B. Rentabilität, Gesamtkosten der Eigentümerschaft, erhöhte Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, verringerte Verwaltungslasten, gesteigerte Effizienz, geringeres Risiko, Transparenz, Vereinfachung, verbesserte Arbeitsmethoden und Anerkennung der Errungenschaften und Kompetenzen der öffentlichen Verwaltungen.

3.Konzeptmodell für öffentliche Dienste

3.1Einleitung

In diesem Kapitel wird ein Konzeptmodell für öffentliche Dienste vorgestellt, um aufzuzeigen, wie der Aufbau und Betrieb dieser Dienste organisiert werden kann.

Das Modell ist aus einer Umfrage über die Einführung öffentlicher Dienste in den Mitgliedstaaten abgeleitet und führt die festgestellten gemeinsamen Aspekte und besten Praktiken zusammen. Als ein Entwurf für künftige Umsetzungen europäischer öffentlicher Dienste hilft das Modell, in allen Mitgliedstaaten ein gemeinsames Vokabular und Verständnis in Bezug auf die Hauptelemente eines öffentlichen Dienstes und die Art und Weise der Zusammenführung aufzubauen.

Das Modell betont das Bausteinkonzept für die Einrichtung europäischer öffentlicher Dienste und ermöglicht den Verbund und die Weiterverwendung von Dienstkomponenten beim Aufbau neuer Dienste.

Es handelt sich um ein allgemeines Modell, in das nicht jeder bestehende oder künftige öffentliche Dienst genau hineinpassen wird. Andererseits ist es allgemein genug, um auf alle Verwaltungsebenen, die öffentliche Dienste erbringen, anwendbar zu sein, von der örtlichen Ebene bis zur EU-Ebene. Ferner illustriert es die Tatsache, dass alle Verwaltungsebenen als Erbringer sowohl grundlegender als auch aggregierter öffentlicher Dienste auftreten können. In diesem Sinne verdeutlicht und rationalisiert das Modell das Verhältnis zwischen den Stellen bzw. Einrichtungen, die zur Erbringung öffentlicher Dienste zusammenarbeiten.

Das Modell soll beim Aufbau europäischer öffentlicher Dienste einen praktischen Nutzen erbringen. So wird beispielsweise die Untergliederung der Funktionsmerkmale in grundlegende öffentliche Dienste mit genau definierten, zur Weiterverwendung bestimmten Schnittstellen zu einer Vereinfachung und Straffung bei der Einführung aggregierter Dienste und der Weiterverwendung von Dienstkomponenten führen und Doppelarbeit vermeiden helfen.

3.2Schlüsselkonzepte des Konzeptmodells

Das Modell fördert die Weiterverwendung von Informationen, Konzepten, Mustern, Lösungen und Spezifikationen in den Mitgliedstaaten und auf europäischer Ebene und berücksichtigt, dass europäische öffentliche Dienste

auf Informationen aus verschiedenen Quellen beruhen, die von unterschiedlichen Verwaltungsebenen aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten stammen, und

grundlegende öffentliche Dienste miteinander kombinieren, die unabhängig voneinander durch öffentliche Verwaltungen in verschiedenen Mitgliedstaaten konzipiert wurden.

Daher betont das Modell die Notwendigkeit modularer, lose gekoppelter Dienstkomponenten 16 , die über eine Infrastruktur miteinander verbunden werden, sowie die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zur Erbringung europäischer öffentlicher Dienste.

Es befürwortet ausdrücklich die EU-weite Übernahme eines dienstorientierten Herangehens an den Entwurf und die Entwicklung von Systemen und ein IKT-Ökosystem aus einheitlichen und gegebenenfalls sogar gemeinsam entwickelten Dienstkomponenten. Seine besondere Dienstorientierung ist eine spezifische Art und Weise der Erstellung und Verwendung von Geschäftsprozessen, die als Dienste verpackt sind, über ihren gesamten Lebenszyklus.

Empfehlung 9. Öffentliche Verwaltungen sollten modulare Dienstmodelle entwickeln, mit deren Hilfe sich europäische öffentliche Dienste möglichst weitgehend durch Weiterverwendung vorhandener Dienstkomponenten einrichten lassen.

Die öffentlichen Verwaltungen werden sich auf ein gemeinsames System für den Verbund der Dienstkomponenten verständigen müssen.

Hierfür gibt es wohlbekannte und breit genutzte technische Lösungen, z. B. Webdienste, aber die Verwirklichung auf EU-Ebene wird ein abgestimmtes Vorgehen der öffentlichen Verwaltungen und Investitionen in gemeinsame Infrastrukturen erfordern.

Empfehlung 10. Öffentliche Verwaltungen sollten sich beim Aufbau europäischer öffentlicher Dienste auf ein gemeinsames System für den Verbund lose gekoppelter Dienstkomponenten einigen und die notwendige Infrastruktur schaffen.

Die Grundelemente des Konzeptmodells werden in der folgenden Abbildung dargestellt:

Abbildung 31

Für das Verständnis dieses Modell ist es hilfreich, es in drei Ebenen zu unterteilen, nämlich grundlegende öffentliche Dienste, gesicherter Datenaustausch und aggregierte öffentliche Dienste. Diese werden in den folgenden Abschnitten erläutert.

3.2.1Grundlegende öffentliche Dienste

Auf der untersten Ebene des Modells befinden sich die grundlegendsten Dienstkomponenten, aus denen europäische öffentliche Dienste aufgebaut werden können. Sie besteht aus drei Komponententypen, die zusammen als grundlegende öffentliche Dienste bezeichnet werden, nämlich Interoperabilitätshelfern, Basisregister-Diensten und externen Diensten.

Abbildung 32

Einige grundlegende öffentliche Dienste wurden zwar ursprünglich für die direkte Eigennutzung durch die beauftragenden öffentlichen Verwaltungen oder deren direkte Kunden (d. h. Unternehmen und Bürger) entwickelt, stehen aber für eine anderweitige Weiternutzung zur Erbringung aggregierter öffentlicher Dienste zur Verfügung. Andere sind allgemeine Dienste oder Infrastrukturdienste. Die übrigen sind externe Dienste, die von Dritten erbracht werden. Die einzelnen Typen grundlegender öffentlicher Dienste werden in den folgenden Abschnitten ausführlicher erläutert.

3.2.1.1Basisregister

Die wichtigsten Komponenten sind die Basisregister. Sie stellen verlässliche Quellen für grundlegende Informationen z. B. über Personen, Unternehmen, Fahrzeuge, Genehmigungen, Gebäude, Standorte und Straßen dar. Derartige Register unterliegen der Rechtsaufsicht öffentlicher Verwaltungen und werden von ihnen unterhalten, ihre Informationen sollten aber – mit geeigneten Sicherheits- und Datenschutzvorkehrungen – für eine breitere Weiternutzung zur Verfügung stehen.

Allen Basisregistern ist die Tatsache gemein, dass sie als zuverlässig (authentisch) und maßgebend (autoritativ) gelten und einzeln oder gemeinsam den Grundpfeiler aller öffentlichen Dienste bilden. Ihre Inhalte sind im Allgemeinen nicht statisch, sondern spiegeln auch den Lebenszyklus der Informationen wider.

Empfehlung 11. Öffentliche Verwaltungen sollten ihre authentischen Informationsquellen für andere zugänglich machen, dafür aber Zugangs- und Kontrollmechanismen einrichten, um gemäß den einschlägigen Vorschriften die Sicherheit und den Datenschutz zu gewährleisten.

Altsysteme können ein Hindernis bei der Übernahme des Konzeptmodells für öffentliche Dienste darstellen. Diese Systeme und die ihnen zugrunde liegenden Datenspeicher weisen ganz bestimmte Merkmale auf, welche die Möglichkeiten für eine Weiterverwendung einschränken (z. B. Fehlen veröffentlichter Schnittstellen). Außerdem können aufwändige technische Arbeiten notwendig sein, um die Informationen für europäische öffentliche Dienste zur Verfügung zu stellen.

Ein grenzübergreifender Zugang zu authentischen Datenquellen wird durch die Veröffentlichung und die semantische wie technische Vereinheitlichung der betreffenden Schnittstellen erleichtert.

Empfehlung 12. Öffentliche Verwaltungen sollten im Zuge des Aufbaus europäischer öffentlicher Dienste Schnittstellen zu zuverlässigen Quellen entwickeln und diese auf semantischer wie technischer Ebene vereinheitlichen.

3.2.1.2Interoperabilitätshelfer

Interoperabilitätshelfer erbringen Dienste wie z. B. die Übertragung zwischen Protokollen, Formaten und Sprachen oder wirken als Informationsmakler.

3.2.1.3Externe Dienste

Zu diesen von externer Seite erbrachten Diensten gehören beispielsweise – auf Geschäftsebene – die Zahlungsdienste von Finanzinstituten oder – auf Infrastrukturebene – die Verbindungsdienste der Telekommunikationsbetreiber.

3.2.2Ebene des gesicherten Datenaustauschs

Diese Ebene ist das Herzstück des Konzeptmodells, da jeder Zugang zu grundlegenden öffentlichen Diensten über diese Ebene erfolgt.

Abbildung 33

3.2.2.1Gesicherter Datenaustausch

Aus geschäftlicher Sicht tauschen Verwaltungen und andere Stellen amtliche Informationen aus, die auch einen Zugriff auf Basisregister umfassen können. Dies sollte auf einer gesicherten, einheitlichen, verwalteten und kontrollierten Ebene erfolgen, die zwischen Verwaltungen, Unternehmen und Bürgern eine Informationsübermittlung erlaubt, die

signiert und zertifiziert ist – sowohl Sender als auch Empfänger müssen durch vereinbarte Mittel identifiziert und authentifiziert worden sein;

verschlüsselt ist – die Vertraulichkeit der ausgetauschten Daten muss garantiert sein;

protokolliert wird – die elektronischen Aufzeichnungen werden protokolliert und archiviert, um die rechtliche Nachprüfbarkeit sicherzustellen.

In dem vorgeschlagenen Konzeptmodell befinden sich diese Funktionen auf der Ebene des „gesicherten Datenaustauschs“.

Diese Ebene soll einen gesicherten Austausch beglaubigter Mitteilungen, Aufzeichnungen, Formulare und anderer Informationen zwischen den verschiedenen Systemen ermöglichen. Neben der Datenübermittlung sollten auf dieser Ebene auch besondere Sicherheitsmerkmale wie elektronische Signaturen, Beglaubigung, Verschlüsselung und Zeitstempelung abgewickelt werden.

Die Sicherheit ist eines der größten Interoperabilitätshindernisse, wenn solche Merkmale nicht in einer einheitlichen und unter allen Beteiligten vereinbarten Weise angewandt werden.

Das Konzeptmodell betont diesen Aspekt und ruft alle Diensteanbieter auf,

die Sicherheitsfragen von Anfang an zu berücksichtigen,

innerhalb eines gemeinsamen Rahmens zusammenzuarbeiten, damit ihre jeweiligen Sicherheitsanforderungen mit Hilfe kompatibler Mechanismen und gemeinsamer Spezifikationen erfüllt werden;

sich auf ein gemeinsames Verständnis wesentlicher Merkmale wie Schutzkennzeichnungs-, Genehmigungs- und Authentifizierungsstufen zu einigen.

Deshalb sollten sich die öffentlichen Verwaltungen im Zuge des Aufbaus eines europäischen öffentlichen Dienstes auf einen gemeinsamen Sicherheitsrahmen verständigen (siehe Empfehlung 2).

Eine unverzichtbare Voraussetzung für die Umsetzung der Funktionsmerkmale, die von einem gesicherten Datenaustausch erwartet werden, ist der Rückgriff auf nationale Identifizierungs- und Authentifizierungsinfrastrukturen in den Mitgliedstaaten, damit ein arbeitsfähiges grenzübergreifendes System entsteht. Dieses System sollte vorgeben, welche IKT-Infrastrukturen und Daten in einem grenzübergreifenden Umfeld benötigt werden, um die für die elektronische Identifizierung bestehenden Infrastrukturen der Mitgliedstaaten interoperabel zu machen.

3.2.2.2Verwaltung der gesicherten Kommunikation

Die Durchführung eines gesicherten (d. h. signierten, zertifizierten, verschlüsselten und protokollierten) Datenaustauschs erfordert auch verschiedene Verwaltungsfunktionen:

Verwaltung der Dienste: Beaufsichtigung der gesamten Kommunikation in Bezug auf Identifizierung, Authentifizierung, Genehmigung, Datenübermittlung usw., einschließlich Erteilung und Widerruf von Zugangsgenehmigungen sowie Audit;

Registrierung der Dienste, Zugangsgewährung (mit entsprechender Genehmigung) zu verfügbaren Diensten erst nach Überprüfung von Zugangsort und Vertrauenswürdigkeit der Dienste;

Protokollierung der Dienste, damit der gesamte Datenaustausch für künftige Nachweiszwecke protokolliert und erforderlichenfalls archiviert wird.

3.2.3Ebene der aggregierten Dienste

Aggregierte öffentliche Dienste entstehen durch Zusammenstellung mehrerer grundlegender öffentlicher Dienste, auf die in einer gesicherten und kontrollierten Weise zugegriffen werden kann. Erbracht werden können sie von verschiedenen öffentlichen Verwaltungen aller Ebenen, d. h. auf örtlicher, regionaler, nationaler oder sogar EU-Ebene.

Ein typischer aggregierter Dienst sollte von seinen Benutzern (Verwaltungen, Unternehmen oder Bürger) als einziges einheitliches Angebot wahrgenommen werden. Hinter den Kulissen können Transaktionen jedoch grenz- und sektorübergreifend sowie über Verwaltungsebenen hinweg abgewickelt werden.

Das Zusammenstellen (Aggregieren) erfolgt über Mechanismen, die genau an die besonderen Geschäftsanforderungen angepasst werden. Im Normalfall wird zur Umsetzung der Anforderungen eine gewisse Geschäftslogik erforderlich sein. Die Umsetzungsmechanismen können verschiedene Formen annehmen, z. B. Orchestrierungs- oder Ablaufmaschinen, die allesamt in portalähnlichen Zugangsinfrastrukturen enthalten sind.

Abbildung 34

Die Benutzer erwarten heutzutage, dass sie Zugang zu öffentlichen Diensten nicht nur über die Portale oder Websites der Behörden erhalten, sondern auch über Mittler, mit denen sie in einem regelmäßigen Kontakt stehen. Deshalb sollten öffentliche Dienste so entwickelt werden, dass sie sich leicht in die Websites der Mittler integrieren lassen, z. B. in Form von Mashups und Widgets, ohne dass die Behörden die Zuständigkeit für den Dienst selbst abgeben, und zwar mit einer klaren Kennzeichnung, die dem Benutzer eine klare Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Diensten erlaubt.

Werden aggregierte öffentliche Dienste von Mittlern erbracht, sollten die öffentlichen Verwaltungen Folgendes vorgeben:

einen Genehmigungsprozess zur Feststellung, welche grundlegenden öffentlichen Dienste welchem Mittler zugänglich gemacht werden dürfen und

einen Zertifizierungsprozess zur Schaffung von Vertrauen zwischen Benutzer und Dienstleister.

3.3Anwendungen des Konzeptmodells

Die Stärke des Konzeptmodells ist seine Flexibilität, die es ermöglicht, durch Kombinieren grundlegender öffentlicher Dienste mehrerer verschiedener Anbieter unterschiedliche aggregierte Dienste zu bilden. Das Modell erschließt dadurch ein großes Potenzial für ein weiteres Aggregieren und Kombinieren der verschiedenen vorhandenen Dienste. In den folgenden Abschnitten werden drei Fälle erläutert, die einen hohen Mehrwert für die EU bedeuten: die grenzübergreifende, die sektorübergreifende und die verwaltungsübergreifende Anwendung.

3.3.1Grenzübergreifende Anwendung

Dieses Beispiel zeigt einen europäischen öffentlichen Dienst, der in verschiedenen Mitgliedstaaten durch Kombinieren grundlegender öffentlicher Diensten umgesetzt wurde, in diesem Fall den Zugang zu nationalen Basisregistern.

Das Modell wurde im Interesse der Übersichtlichkeit vereinfacht.
Abbildung 35

Die oben dargestellte Situation ist eine Variante des ursprünglichen Konzeptmodells, die dessen grenzübergreifende Anwendung verdeutlicht. Dafür wurden nationale Grenzen hinzugefügt, die anzeigen, wo sich bestimmte grundlegende öffentliche Dienste befinden.

Dies wirft eine Reihe von Fragen auf:

Vertrauen: Für die grenzübergreifende Anwendung des Modells ist die Gewährung eines externen Zugriffs auf nationale Basisregister nötig, wofür ein hohes Maß an Sicherheit und Vertrauen erforderlich ist.

Abhängigkeit europäischer öffentlicher Dienste und Leistungsniveau vorgelagerter Dienste: Der aggregierte Dienst hängt von grundlegenden öffentlichen Diensten ab, die von unterschiedlichen Stellen erbracht werden.

Gemeinsame Spezifikationen für grundlegende öffentliche Dienste: Die Tatsache, dass grundlegende öffentliche Dienste, auf denen aggregierte Dienste beruhen, von unterschiedlichen öffentlichen Verwaltungen entwickelt werden, verdeutlicht die Notwendigkeit gemeinsamer Schnittstellenspezifikationen sowohl auf technischer als auch semantischer Ebene.

Privatsphäre und Datenschutz: Selbst wenn personenbezogene Daten über Grenzen hinweg ausgetauscht werden, gelten nationale Datenschutzvorschriften. Die Sicherheitsanforderungen an den aggregierten Dienst werden auf der Ebene des gesicherten Datenaustauschs implementiert und durchgesetzt. Da Daten aus verschiedenen Mitgliedstaaten auch unterschiedlichen Datenschutzbestimmungen unterliegen können, sollten für die Einrichtung des aggregierten Dienstes gemeinsame Datenschutzanforderungen vereinbart werden.

Empfehlung 13. Öffentliche Verwaltungen sollten beim gemeinsamen Aufbau europäischer öffentlicher Dienste eine gemeinsame Klassifizierung der grundlegenden öffentlichen Dienste verwenden und Mindestdienstanforderungen an den gesicherten Datenaustausch vereinbaren.

3.3.2Sektorübergreifende Anwendung

In dieser Anwendung des Konzeptmodells werden grundlegende öffentliche Dienste aus verschiedenen Sektoren zu einem neuen aggregierten öffentlichen Dienst kombiniert.

Das Modell wurde im Interesse der Übersichtlichkeit vereinfacht.
Abbildung 36

Bei dieser Anwendung des Modells wird die Interaktion zwischen Benutzern und aggregierten öffentlichen Diensten, die in Zusammenarbeit unterschiedlicher Sektoren erbracht werden, über einen einheitlichen Ansprechpartner kanalisiert.

Damit dies funktioniert, müssen sich die Sektoren unbedingt auf eine gemeinsame Definition der Dienstleistung einigen.

3.3.3Verwaltungsübergreifende Anwendung

Dieser Fall zeigt das Aggregieren von Diensten, die auf unterschiedlichen Verwaltungsebenen (örtlich, regional, national oder EU) erbracht werden. Nachfolgend ist ein hypothetisches Beispiel dargestellt.

Das Modell wurde im Interesse der Übersichtlichkeit vereinfacht.
Abbildung
37

Die Herausforderung bei der Umsetzung dieser Anwendung ist die Bewältigung der Komplexität, die sich aus dem Zusammenspiel vieler verschiedener Beteiligter ergibt. Die Zusammenarbeit der öffentlichen Verwaltungen aller Ebenen ist hierfür unverzichtbar.

4.Interoperabilitätsebenen

4.1Einleitung

In diesem Kapitel werden vier Interoperabilitätsebenen erläutert. Beim Aufbau eines neuen europäischen öffentlichen Dienstes verdient jede dieser Ebenen eine besondere Beachtung. Bei der praktischen Umsetzung des Konzeptmodells in grenz-/sektorübergreifenden Diensten muss jede dieser Ebenen berücksichtigt werden.

Abbildung 41

4.2Politischer Kontext

Die Einrichtung eines neuen europäischen öffentlichen Dienstes ist das Ergebnis direkter oder indirekter Maßnahmen auf politischer Ebene, d. h. neuer bilateraler, multilateraler oder europäischer Vereinbarungen.

Ist der Aufbau eines neuen Dienstes die direkte Folge neuer EU-Rechtsvorschriften, so müssen Anwendungsbereich, Prioritäten und benötigte Ressourcen für die Einrichtung und den Betrieb des Dienstes schon bei Verabschiedung der Vorschriften festgelegt werden.

Sind neue Dienste nicht direkt mit neuen Vorschriften verknüpft, sondern werden eingerichtet, um bessere, auf den Benutzer ausgerichtete öffentliche Dienste zu erbringen, ist zudem eine politische Unterstützung und Förderung notwendig.

Politische Unterstützung ist ebenfalls erforderlich, wenn die grenzübergreifende Interoperabilität verbessert werden soll, um die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Verwaltungen zu verbessern 17 . Für eine effektive Zusammenarbeit müssen alle Beteiligten die gleichen Zielvorstellungen haben und sich auf gemeinsame Ziele und Prioritäten einigen. Ein grenzübergreifendes Vorgehen kann nur dann erfolgreich sein, wenn alle beteiligten Mitgliedstaaten ihren jeweiligen Interoperabilitätsbemühungen zur Erreichung der vereinbarten Ziele im vereinbarten Zeitrahmen eine ausreichende Bedeutung beimessen und dafür entsprechende Mittel bereitstellen.

4.3Rechtliche Interoperabilität

Jede öffentliche Verwaltung, die an der Erbringung eines europäischen öffentlichen Dienstes mitwirkt, ist innerhalb ihres eigenen nationalen Rechtsrahmens tätig.

Bisweilen können Unvereinbarkeiten in den Vorschriften unterschiedlicher Mitgliedstaaten eine Zusammenarbeit schwierig oder sogar unmöglich machen, selbst wenn solche Vorschriften aus der Umsetzung europäischen Rechts in nationales Recht hervorgegangen sind. Hier muss der Gesetzgeber tätig werden, um solchen Situationen zu begegnen.

Werden im Zuge der Erbringung europäischer öffentlicher Dienste Informationen zwischen Mitgliedstaaten ausgetauscht, muss die Rechtsgültigkeit dieser Informationen grenzübergreifend gewahrt bleiben und im Sender- wie auch im Empfängerstaat müssen die Datenschutzbestimmungen eingehalten werden.

Empfehlung 14. Öffentliche Verwaltungen, die den Aufbau eines europäischen öffentlichen Dienstes anstreben, sollten sorgfältig alle einschlägigen Rechtsvorschriften für den Datenaustausch beachten, darunter auch die Datenschutzvorschriften.

4.4Organisatorische Interoperabilität

Dieser Aspekt der Interoperabilität betrifft die Frage, wie Organisationen – beispielsweise öffentliche Verwaltungen in verschiedenen Mitgliedstaaten – zusammenarbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen. In der Praxis bedeutet organisatorische Interoperabilität, dass die Geschäftsprozesse und der zugehörige Datenaustausch integriert werden. Ferner zielt organisatorische Interoperabilität darauf ab, die Anforderungen der Benutzer durch Bereitstellung verfügbarer, auffindbarer, barrierefreier und benutzerorientierter Dienste zu erfüllen.

4.4.1Angleichung der Geschäftsprozesse

Damit unterschiedliche Verwaltungsstellen effizient und effektiv zusammenarbeiten können, um europäische öffentliche Dienste zu erbringen, müssen sie möglicherweise erst ihre bestehenden Geschäftsprozesse aneinander angleichen oder sogar neue Geschäftsprozesse festlegen und einführen.

Die Angleichung von Geschäftsprozessen ist mit deren einvernehmlicher Dokumentierung verbunden, so dass alle an der Erbringung des europäischen öffentlichen Dienstes mitwirkenden öffentlichen Verwaltungen den gesamten Geschäftsprozess und ihre Rolle darin genau verstehen.

Empfehlung 15. Öffentliche Verwaltungen sollten ihre Geschäftsprozesse dokumentieren und sich darüber einigen, wie diese Prozesse zur Erbringung eines europäischen öffentlichen Dienstes zusammenwirken werden.

4.4.2Organisatorische Beziehungen

Das Konzeptmodell ist dienstorientiert. Das bedeutet, dass die Beziehungen zwischen den Dienstleistern und den Benutzern der Dienste genau strukturiert werden müssen.

Dazu gehören Instrumente zur Formalisierung der gegenseitigen Unterstützung, des gemeinsamen Vorgehens und der miteinander verknüpften Geschäftsprozesse, die im Zusammenhang mit der grenzübergreifenden Erbringung des Dienstes stehen. Solche Instrumente sind beispielsweise Absichtserklärungen (MoU) über gemeinsame Maßnahmen und die Zusammenarbeit oder Leistungsvereinbarungen (SLA), die zwischen den beteiligten öffentlichen Verwaltungen geschlossen werden. Für grenzübergreifende Maßnahmen sollten vorzugsweise multilaterale Vereinbarungen geschlossen werden.

Empfehlung 16. Öffentliche Verwaltungen sollten im Zuge des Aufbaus eines europäischen öffentlichen Dienstes ihre organisatorischen Beziehungen klären.

4.4.3Änderungsmanagement

Die Erbringung eines europäischen öffentlichen Dienstes ist das Ergebnis einer kollektiven Arbeit aller Beteiligten, die jeweils einen Teil dieses Dienstes hervorbringen oder in Anspruch nehmen. Deshalb sind Änderungsmanagementprozesse unverzichtbar, um die Exaktheit, die Verlässlichkeit und den unterbrechungsfreien Betrieb des Dienstes, der für andere öffentliche Verwaltungen, die Unternehmen und die Bürger erbracht wird, zu gewährleisten.

Empfehlung 17. Öffentliche Verwaltungen, die zusammenarbeiten, um einen europäischen öffentlichen Dienst zu erbringen, sollten sich auf Prozesse für das Änderungsmanagement einigen, um die fortlaufende Dienstleistungserbringung sicherzustellen.

4.5Semantische Interoperabilität

Semantische Interoperabilität ermöglicht Organisationen eine sinnvolle Verarbeitung von Informationen aus externen Quellen. Sie stellt sicher, dass die genaue Bedeutung der ausgetauschten Informationen richtig verstanden und bei der Übertragung zwischen den Beteiligten bewahrt wird.

Die Gewährleistung der semantischen Interoperabilität auf EU-Ebene ist ein relativ neues Anliegen, das bisher in dieser Größenordnung nicht erreicht wurde. Eine Reihe öffentlicher Verwaltungen hat aber in jüngerer Zeit Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt.

Ein Ausgangspunkt ist die Erstellung sektorspezifischer Datenstrukturen und Datenelemente, auf die als semantische Interoperabilitätsbestände Bezug genommen werden kann. Sobald diese vorliegen, müssen die beteiligten Organisationen die Bedeutung der auszutauschenden Informationen vereinbaren. Dies ist angesichts der unterschiedlichen sprachlichen, kulturellen, rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen in den Mitgliedstaat mit erheblichen Problemen verbunden. Durch die Mehrsprachigkeit in der EU wird dies zusätzlich erschwert.

Im Zusammenhang mit dem EIF umfasst semantische Interoperabilität folgende Aspekte:

Semantische Interoperabilität betrifft die Bedeutung von Datenelementen und die Beziehungen zwischen ihnen. Sie umfasst ein Vokabular zur Beschreibung des Datenaustauschs und sorgt dafür, dass die Datenelemente von allen Beteiligten in gleicher Weise verstanden werden.

Syntaktische Interoperabilität betrifft die Beschreibung des genauen Formats der auszutauschenden Informationen (Grammatik, Format, Schemata).

Zur Herstellung der semantischen Interoperabilität auf europäischer Ebene ist zumindest Folgendes erforderlich:

vereinbarte Prozesse und Methoden für die Entwicklung semantischer Interoperabilitätsbestände;

eine Vereinbarung zwischen den sektorspezifischen und sektorübergreifenden Beteiligten über die Anwendung der semantischen Interoperabilitätsbestände auf EU-Ebene.

Angesichts der Komplexität der Aufgabe und der großen Zahl der Interessenten wird ein abgestimmtes Vorgehen nötig sein, um die Prozesse und Methoden zu vereinheitlichen.

4.5.1EU-Initiative für semantische Interoperabilität 18

Es gibt mehrere Initiativen sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene, die semantische Interoperabilität anstreben. Die Initiative für semantische Interoperabilität soll sektorübergreifend und in enger Zusammenarbeit mit nationalen Initiativen die Grundlagen für die semantische Interoperabilität europäischer öffentlicher Dienste schaffen. Sie bietet Beratungsdienste für die Entwurfs- und Implementierungsphase sowie eine Web-Plattform für die Zusammenarbeit und den Austausch von Problemlösungen auf dem Gebiet der semantischen Interoperabilität an.

Öffentliche Verwaltungen, die öffentliche Dienste einrichten, sollten in einer möglichst frühen Projektphase prüfen, ob es bereits semantische Interoperabilitätsbestände gibt, die weiterverwendet werden können. Falls nicht, können sie mit Hilfe der EU-Plattform für semantische Interoperabilität einem breiteren europäischen Publikum ihre Ziele und Herangehensweise bekanntmachen, um Kontakte zu anderen Projekten mit ähnlichen Bedürfnissen zu knüpfen und eine Zusammenarbeit anzubahnen.

Empfehlung 18. Öffentliche Verwaltungen sollten den Aufbau sektorspezifischer und sektorübergreifender Gemeinschaften unterstützen, deren Ziel darin besteht, die semantische Interoperabilität zu fördern, und diese Gemeinschaften zum Austausch ihrer Ergebnisse auf nationalen und europäischen Plattformen ermuntern.

4.6Technische Interoperabilität

Hier geht es um die technischen Aspekte der Verknüpfung von Informationssystemen. Solche Aspekte sind beispielsweise Schnittstellenspezifikationen, Verbindungs- und Datenintegrationsdienste, Darstellung und Austausch von Daten usw.

Auf politischer, rechtlicher, organisatorischer und teilweise auf semantischer Ebene haben öffentliche Verwaltungen haben zwar besondere Merkmale, in technischer Hinsicht weisen sie jedoch keine besonderen Eigenheiten auf. Deshalb sollte die technische Interoperabilität, soweit dies möglich ist, durch Verwendung formaler Spezifikationen gewährleistet werden, und zwar entweder durch Normen gemäß der Richtlinie 98/34/EG oder durch Spezifikationen, die von Foren und Konsortien der IKT-Branche herausgegeben werden.

Empfehlung 19. Öffentliche Verwaltungen sollten sich auf formale Spezifikationen einigen, um die technische Interoperabilität beim Aufbau europäischer öffentlicher Dienste sicherzustellen.

5.Interoperabilitätsvereinbarungen

5.1Einleitung

In diesem Kapitel wird ein Konzept vorgestellt, das die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Verwaltungen in Bezug auf die Erbringung eines bestimmten europäischen öffentlichen Dienstes erleichtert.

Wie im vorliegenden Dokument mehrfach erläutert, müssen zur Erbringung eines europäischen öffentlichen Dienstes verschiedene öffentliche Verwaltungen auf den verschiedenen Interoperabilitätsebenen, die im vorherigen Kapitel genannt sind, zusammenarbeiten. Für jede Stufe sollten die beteiligten Organisationen ihre Kooperationsabmachungen in Interoperabilitätsvereinbarungen förmlich festlegen.

Die Vereinbarungen sollten hinreichend detailliert sein, damit ihr Ziel, nämlich die Erbringung eines europäischen öffentlichen Dienstes, verwirklicht werden kann, wobei jeder Organisation die größtmögliche Autonomie eingeräumt werden sollte.

Auf rechtlicher Ebene werden Interoperabilitätsvereinbarungen durch Rechtsvorschriften konkretisiert und verbindlich gemacht, z. B. durch EU-Richtlinien und deren Umsetzung in nationales Recht oder durch bilaterale und multilaterale Abkommen, die nicht in den Anwendungsbereich des EIF fallen.

Auf organisatorischer Ebene können Interoperabilitätsvereinbarungen die Form von Absichtserklärungen (MoU) oder Leistungsvereinbarungen (SLA) haben, in denen die Pflichten aller an den grenzübergreifenden Geschäftsprozessen Beteiligten festgelegt werden. In Interoperabilitätsvereinbarungen werden auf organisatorischer Ebene die erwartete Dienstqualität, Unterstützungs- und Eskalationsverfahren, Ansprechpartner usw. festgelegt, falls notwendig unter Verweis auf die auf semantischer und technischer Ebene zugrunde liegenden Vereinbarungen.

Auf semantischer Ebene können Interoperabilitätsvereinbarungen die Form von Referenztaxonomien, Schemata, Codelisten, Datenwörterbüchern, Sektorbibliotheken usw. annehmen.

Auf technischer Ebene können Interoperabilitätsvereinbarungen beispielsweise Spezifikationen, Kommunikationsprotokolle, Nachrichtenspezifikationen, Datenformate, Sicherheitsspezifikationen oder Spezifikationen für die dynamische Registrierung und das Auffinden von Diensten umfassen.

Auf rechtlicher und organisatorischer Ebene sind Interoperabilitätsvereinbarungen zwar in der Regel sehr spezifisch auf den jeweiligen europäischen öffentlichen Dienst zugeschnitten, auf technischer Ebene und in gewissem Maße auch auf semantischer Ebene kann aber oft auf schon bestehende formale Spezifikationen aufgebaut werden.

Empfehlung 20. Öffentliche Verwaltungen sollten sich beim Aufbau europäischer öffentlicher Dienste mit ihren Interoperabilitätsvereinbarungen auf bestehende formale Spezifikationen stützen oder – sofern es solche nicht gibt – mit den Gemeinschaften zusammenarbeiten, die auf dem gleichen Gebiet tätig sind.

Bei der Umsetzung von Interoperabilitätsvereinbarungen kann es vorkommen, dass es auf technischer oder semantischer Ebene mehrere gleichwertige, konkurrierende Spezifikationen gibt, die sich allesamt als Grundlage für solche Vereinbarungen eignen würden.

Hier können sich die öffentlichen Verwaltungen dafür entscheiden, mehrere formale Spezifikationen und Technologien für die Kommunikation mit den Unternehmen und Bürgern zuzulassen. Aus Gründen der Effizienz sollten sie aber die Zahl der formalen Spezifikationen und Technologien soweit wie möglich verringern, wenn sie gemeinsam an der Erbringung eines europäischen öffentlichen Dienstes arbeiten.

Ähnliche Entscheidungen sind häufig auch zu treffen, wenn es nicht nur um die Erbringung eines einzelnen europäischen öffentlichen Dienstes, sondern um eine breitere Zusammenarbeit in oder zwischen Organisationen geht. In diesem Zusammenhang sollten sie sich dessen bewusst sein, dass interne Schnittstellen künftig im Zuge eines neuen europäischen öffentlichen Dienstes zu externen Schnittstellen werden können.

Entscheidungen darüber, welche formalen Spezifikationen und Technologien verwendet werden sollen, um die Interoperabilität europäischer öffentlicher Dienste zu garantieren, sollten auf den Grundsätzen der Transparenz, Gleichheit und Nichtdiskriminierung beruhen. Eine Möglichkeit hierfür ist die Vereinbarung gemeinsamer Bewertungsmethoden und Auswahlverfahren.

5.2Bewertung und Auswahl formaler Spezifikationen

Bevor öffentliche Verwaltungen die formalen Spezifikationen oder Technologien zur Gewährleistung der Interoperabilität auswählen, sollen sie die einschlägigen formalen Spezifikationen einer Bewertung unterziehen.

Diese Bewertung sollte genau auf die konkreten Interoperabilitätsanforderungen der betreffenden öffentlichen Verwaltungen abzielen, aber dennoch auf objektiven Kriterien basieren, die hauptsächlich funktionale Interoperabilitätserfordernisse betreffen. Erfüllen mehrere formale Spezifikationen die funktionalen Interoperabilitätserfordernisse, kann auf zusätzliche Kriterien wie Umsetzungsqualität, Marktunterstützung, Weiterverwendungspotenzial und Offenheit zurückgegriffen werden.

Empfehlung 21. Öffentliche Verwaltungen sollten bei der Bewertung und Auswahl formaler Spezifikationen einen strukturierten, transparenten und objektiven Ansatz verfolgen.

5.2.1Spezifikationen, Offenheit und Weiterverwendung

Der Grad der Offenheit einer formalen Spezifikation ist ein wichtiges Element, das die Möglichkeiten der gemeinsamen Nutzung und Weiterverwendung von Software-Komponenten bestimmt. Dies gilt auch, wenn solche Komponenten zum Aufbau eines neuen europäischen öffentlichen Dienstes verwendet werden.

Bei vollständiger Anwendung des Offenheitsprinzips

können alle Beteiligten gleichberechtigt an der Entwicklung der Spezifikation mitwirken, und eine öffentliche Überprüfung ist Bestandteil des Entscheidungsprozesses;

steht die Spezifikation jedermann zur Prüfung zur Verfügung;

erfolgt die Lizenzierung der Urheberrechte an der Spezifikation zu FRAND 19 -Bedingungen oder gebührenfrei in einer Weise, die eine Integration sowohl in proprietäre als auch quelloffene Software zulässt 20 .

Die Verwendung solcher offenen Spezifikationen mit den oben genannten Merkmalen, die eine gemeinsame Nutzung und Weiterverwendung von Software, in solchen offenen Spezifikationen entspricht, zulassen, wird wegen ihrer positiven Wirkung auf die Interoperabilität in vielen politischen Erklärungen befürwortet und für die Erbringung europäischer öffentlicher Dienste empfohlen. Die positive Wirkung offener Spezifikationen wird auch durch das Ökosystem des Internet verdeutlicht.

Dennoch können sich öffentliche Verwaltungen für die Verwendung weniger offener Spezifikationen entscheiden, sofern keine offenen Spezifikationen vorliegen oder diese den funktionalen Interoperabilitätserfordernissen nicht entsprechen.

Außer bei der Schaffung innovativer Lösungen sollten die Spezifikationen aber auf jeden Fall ausgereift sein und hinreichend vom Markt unterstützt werden.

Empfehlung 22. Bei der Einrichtung europäischer öffentlicher Dienste sollten öffentliche Verwaltungen offene Spezifikationen bevorzugen, dabei aber die Erfüllung der funktionalen Anforderungen, die Ausgereiftheit und die Marktunterstützung angemessen berücksichtigen.

5.3Beitrag zur Normung

Es kann vorkommen, dass öffentliche Verwaltungen für eine bestimmte Anforderung auf einem bestimmten Gebiet keine geeigneten formalen Spezifikationen finden. Müssen neue Spezifikationen entwickelt werden, können öffentliche Verwaltungen dies entweder selbst tun und das Ergebnis dann zur Normung vorschlagen oder aber ein Normungsgremium mit der Entwicklung einer neuen formalen Spezifikation beauftragen. Die daraus hervorgehende formale Spezifikation sollte die in Abschnitt 5.2.1 genannten Kriterien erfüllen.

Selbst wenn formale Spezifikationen vorliegen, ist zu beachten, dass sich diese mit der Zeit weiterentwickeln und dass Überarbeitungen erfahrungsgemäß viel Zeit in Anspruch nehmen. Eine aktive Beteiligung der Behörden am Normungsprozess zerstreut Bedenken über Verzögerungen, verbessert die Übereinstimmung der formalen Spezifikationen mit den Anforderungen des öffentlichen Sektors und hilft den Behörden, mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten.

Empfehlung 23. Öffentliche Verwaltungen sollten sich federführend oder aktiv an Normungsarbeiten zur Deckung ihrer Bedürfnisse beteiligen.

6.Interoperabilitätsgovernance

Europäische öffentliche Dienste werden aufgrund ihrer grenzübergreifenden und bisweilen sektorübergreifenden Merkmale in einem komplexen und veränderlichen Umfeld erbracht.

Die Gewährleistung der Interoperabilität in Bezug auf Rechtsinstrumente, Organisation, Geschäftsprozesse, Informationsaustausch, Dienste und Komponenten, welche die Erbringung eines europäischen öffentlichen Dienstes ermöglichen, ist eine dauerhafte Aufgabe, denn die Interoperabilität wird durch Änderungen des Umfelds beeinträchtigt, wenn sich beispielsweise Vorschriften, Bedürfnisse der Unternehmen und Bürger, die Organisation der öffentlichen Verwaltungen, Geschäftsprozesse oder Technologien ändern.

Empfehlung 24. Öffentliche Verwaltungen sollten dafür sorgen, dass die Interoperabilität bei Betrieb und Bereitstellung europäischer öffentlicher Dienste dauerhaft gewährleistet bleibt.

Selbst wenn die Interoperabilität für einen bestimmten europäischen öffentlichen Dienst gewahrt wird, hängt dessen Erbringung oft von Komponenten ab, die in vielen europäischen öffentlichen Diensten verwendet werden. Diese Komponenten, die auf Interoperabilitätsvereinbarungen beruhen, die außerhalb des europäischen öffentlichen Dienstes abgeschlossen werden, sollten ebenfalls dauerhaft zur Verfügung gestellt werden.

Da zudem gemeinsame Komponenten und Interoperabilitätsvereinbarungen aus der Arbeit öffentlicher Verwaltungen unterschiedlicher Ebenen (örtlich, regional, national, EU) hervorgehen, muss die Koordinierung und Überwachung dieser Arbeit in ganzheitlicher Weise erfolgen.

Empfehlung 25. Öffentliche Verwaltungen sollten einen Rahmen für die Leitung ihrer Interoperabilitätsaktivitäten auf allen Verwaltungsebenen schaffen.

7.Abkürzungen und Glossar

7.1Abkürzungen

A2A

Administration to Administration (von Verwaltungen zu Verwaltung)

A2B

Administration to Business (von der Verwaltung zum Unternehmen)

A2C

Administration to Citizen (von der Verwaltung zum Bürger)

ABC

Administration, Business and Citizen (Verwaltung, Unternehmen, Bürger)

EK

Europäische Kommission

EIF

European Interoperability Framework – Europäischer Interoperabilitätsrahmen

EIS

European Interoperability Strategy – Europäische Interoperabilitätsstrategie

EU

Europäische Union

EUPL

European Union Public Licence – Open-Source-Lizenz für die Europäische Union

IDABC

Interoperable Delivery of European eGovernment Services to Public Administrations, Businesses and Citizens – Interoperable Erbringung europaweiter elektronischer Behördendienste (eGovernment-Dienste) für öffentliche Verwaltungen, Unternehmen und Bürger

IKT

Informations- und Kommunikationstechnologien

ISA

Interoperability Solutions for European Public Administrations – Interoperabilitätslösungen für europäische öffentliche Verwaltungen

MoU

Memorandum of Understanding (Absichtserklärung)

MS

Mitgliedstaat

NIF

National Interoperability Framework – Nationaler Interoperabilitätsrahmen

NIFO

National Interoperability Framework Observatory – Beobachtungsstelle für die nationalen Interoperabilitätsrahmen

OSOR

Open Source Observatory and Repository (Open-Source-Beobachtungsstelle und Speicher)

SEMIC.EU

Semantic Interoperability Centre Europe (Zentrum für semantische Interoperabilität Europa)

SLA

Service Level Agreement (Leistungsvereinbarung)

SOA

Service Oriented Architecture (dienstorientierte Architektur)

7.2Glossar

Barrierefreiheit

Hier als barrierefreie Zugänglichkeit des Web zu verstehen, d. h. dass alle Menschen, auch Behinderte, die Möglichkeit haben, das Web wahrzunehmen, zu verstehen, sich darin zu bewegen, darin in Austausch zu treten und an der Gesellschaft teilzuhaben.

Barrierefreiheit (Accessibility) ist ein Oberbegriff, wogegen der barrierefreie elektronische Zugang ( eAccessibility ) vor allem gewährleisten soll, dass behinderte und ältere Menschen unter den gleichen Bedingungen wie alle anderen Zugang zu den IKT haben.

Verwaltungslasten

Kosten der Verwaltungsverfahren, die Unternehmen ausschließlich durch die Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen entstehen ( http://ec.europa.eu/enterprise/policies/better-regulation/glossary/index_de.htm ).

Aggregierte öffentliche Dienste

Allgemeiner Begriff des EIF-Konzeptmodells für öffentliche Dienste, der eine Reihe grundlegender öffentlicher Dienste bezeichnet, auf die in gesicherter und kontrollierter Weise zugegriffen werden kann, bevor sie kombiniert und den Endnutzern als Gesamtheit bereitgestellt werden.

Authentische Quelle

Unter einer authentischen Quelle wird eine Information verstanden, die nur einmal gespeichert ist und als korrekt gilt, so dass sie als Basis für die Weiterverwendung dienen kann.

Grundlegende öffentliche Dienste

Grundlegende öffentliche Dienste sind die fundamentalsten Dienstkomponenten, aus denen europäische öffentliche Dienste aufgebaut werden können. Das EIF-Konzeptmodell unterscheidet drei Arten grundlegender öffentlicher Dienste: Basisregister, Interoperabilitätshelfer und externe Dienste.

Basisregister

Authentische Informationsquellen unter der Aufsicht einer öffentlichen Verwaltung, z. B. Personen-, Fahrzeug-, Unternehmensregister oder Register für Genehmigungen, Umsatzsteuernummern, Standorte, Gebäude, Straßen usw.

Bausteinkonzept

Ein Ansatz für den Aufbau von Informationssystemen, der von der Architektur bis zur Umsetzung reicht. Dabei wird das Informationssystem als Kombination oder Zusammenstellung von Komponenten entworfen, die Daten und Funktionen in Gruppen zusammenfassen, die auch als Bausteine weiterverwendet werden können, um andere öffentliche Dienste oder Informationssysteme aufzubauen.

Geschäftsprozess

Ein Geschäftsprozess ist eine Abfolge von miteinander verbundenen Tätigkeiten, die einen Mehrwert dadurch schaffen, dass sie Inputs in hochwertigere Outputs verwandeln. Dies kann durch Menschen oder IKT-Systeme oder durch beide erfolgen.

Kooperationsplattform

Eine Reihe spezifischer Dienste und Einrichtungen, die für eine bestimmte Gemeinschaft und deren Zusammenwirken zur Verfügung stehen. Ziel ist die Erleichterung der Zusammenarbeit zur Erreichung gemeinsamer Ziele. In der Regel sind die Dienste kommunikationsorientiert und umfassen einen Speicher für ausgetauschte Objekte, Informationen, Unterlagen usw.

Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Plattform „ePractice.eu“, die es Vertretern öffentlicher Verwaltungen, die mit der Erbringung öffentlicher Dienste befasst sind, ermöglichen soll, gegenseitig von der Arbeit, der Sachkenntnis und den Erfahrungen anderer zu profitieren. Weitere Beispiele sind OSOR.eu und SEMIC.eu.

Individualsoftware

Spezifische Software, die entweder intern in einer Organisation (für den EIF, für eine öffentliche Verwaltung) oder im Auftrag der Organisation von einem Auftragnehmer entwickelt wird, um ganz bestimmte Anforderungen dieser Organisation zu erfüllen. In den meisten Fällen wird Individualsoftware vollständig von der Organisation bezahlt, die folglich Eigentümer der Software ist und alle Rechte an deren weiterer Nutzung innehat.

Datenspeicher

Eine Sammlung von Daten, die für eine Nutzung (Verarbeitung, Speicherung, Abfrage) durch ein Informationssystem bestimmt ist. Ein solcher Datenspeicher enthält in der Regel zusätzliche strukturelle und semantische Informationen über die betreffenden Daten, die die Nutzung der Daten erleichtern sollen (Datenmodell, Beziehungen zwischen den Datenelementen, Metadaten usw.). Er kann besondere Funktionen umfassen, die eng mit den gespeicherten Daten zusammenhängen (Suche, Indexierung usw.).

Datendarstellung

Die Art und Weise, in der Daten in einem Computer symbolisch durch Binärziffern ausgedrückt werden.

Dokument

Aufgezeichnete Informationen oder Objekte, das als eine Einheit behandelt werden können (siehe die MOREQ-Spezifikationen: http://ec.europa.eu/transparency/archival_policy/moreq/doc/moreq2_spec.pdf ).

eInclusion (digitale Integration)

Die digitale Integration („eInclusion“ – das „e“ steht für „electronic“) soll den Gefahren einer „digitalen Ausgrenzung“ entgegenwirken, damit benachteiligte Menschen nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden und aufgrund fehlender digitaler Kompetenz oder mangels Internet-Zugang keine neue Formen der Ausgrenzung entstehen.

Elektronische Behördendienste (eGovernment)

Bei elektronischen Behördendiensten geht es um den Einsatz von Werkzeugen und Systemen, die auf Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) basieren, zur Erbringung besserer öffentlicher Dienste für die Bürger und Unternehmen.

Elektronische Signatur

Gemäß der Richtlinie 1999/93/EG bedeutet „elektronische Signatur“ Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verknüpft sind und die zur Authentifizierung dienen.

Elektronische Bescheinigung

Die elektronische Bescheinigung ist die Anbringung einer elektronischen Signatur durch eine dazu besonders ermächtigte Person oder Stelle innerhalb eines bestimmten Umfelds oder zu einem bestimmten Zweck. Sie wird in der Regel verwendet, um anzuzeigen, dass ein bestimmter Validierungsprozess durchgeführt wurde und der Unterzeichner ein bestimmtes Ergebnis bescheinigt. Im einfachsten Fall kann es sich um die bloße Bestätigung einer bestimmten Tatsache durch eine dazu befugte Person handeln.

Elektronische Aufzeichnungen

Aufzeichnungen in elektronischer Form (siehe die MOREQ-Spezifikationen: http://ec.europa.eu/transparency/archival_policy/moreq/doc/moreq2_spec.pdf ).

EPS-Aufbauprozess

Alle Tätigkeiten, die notwendig sind, um einen europäischen öffentlichen Dienst (EPS) aufzubauen und zur Nutzung bereitzustellen.

Europäische Interoperabilitätsstrategie (EIS)

Die Europäische Interoperabilitätsstrategie (EIS) bildet die Grundlage für die Festlegung eines organisatorischen, finanziellen und operativen Rahmens (einschließlich Governance), der notwendig ist, um die laufende Unterstützung der grenz- und sektorübergreifenden Interoperabilität und des Informationsaustauschs zwischen europäischen öffentlichen Verwaltungen zu gewährleisten.

Europäischer öffentlicher Dienst (EPS)

Eine grenzübergreifende Dienstleistung des öffentlichen Sektors, die von öffentlichen Verwaltungen füreinander oder für europäische Unternehmen und Bürger erbracht wird.

Formale Spezifikationen

Formale Spezifikationen sind entweder Normen gemäß der Richtlinie 98/34/EG oder aber Spezifikationen bzw. Standards, die von Foren und Konsortien der IKT-Branche aufgestellt werden.

Informationen

Informationen sind semantisch angereicherte Daten, d. h. Sammlungen von Daten, denen eine bestimmte Bedeutung oder ein bestimmter Zweck gegeben wurde.

Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)

Eine Technologie, die der Umwandlung, der Speicherung, dem Schutz, der Verarbeitung, der Übermittlung und dem Abruf von Informationen dient. Dazu zählen beispielsweise Computersysteme, Computersoftware und Kommunikationssysteme.

Schnittstelle

Eine Schnittstelle ist ein logischer oder physischer Übergabepunkt für die Interaktion zwischen zwei oder mehreren unabhängigen Rechtssystemen, Organisationen, Prozessen, Kommunikationseinrichtungen, IT-Systemen oder deren Varianten und Kombinationen.

Interoperabilität

Fähigkeit verschiedener und unterschiedlicher Organisationen zur Interaktion zum beiderseitigen Nutzen und im Interesse gemeinsamer Ziele; dies schließt den Austausch von Informationen und Wissen zwischen den beteiligten Organisationen durch von ihnen unterstützte Geschäftsprozesse mittels Datenaustausch zwischen ihren jeweiligen IKT-Systemen ein.

Interoperabilitätsvereinbarungen

Schriftliche Interoperabilitätsvereinbarungen sind konkrete und verbindliche Dokumente, in denen genaue Verpflichtungen festgelegt werden, um die Interoperabilität zwischen zwei Parteien, die über eine Schnittstelle zusammenarbeiten, herzustellen.

Interoperabilitätsrahmen

Ein Interoperabilitätsrahmen ist ein vereinbartes Interoperabilitätskonzept für Organisationen, die im Hinblick auf die gemeinsame Erbringung öffentlicher Dienste zusammenarbeiten wollen. Er umfasst innerhalb seines Anwendungsbereichs eine Reihe gemeinsamer Elemente wie ein Vokabular, Begriffe, Grundsätze, Leitlinien, Empfehlungen, Normen, Spezifikationen und Praktiken.

Interoperabilitätsgovernance

Interoperabilitätsgovernance umfasst Besitz, Definition, Entwicklung, Wartung, Überwachung, Förderung und Umsetzung von Interoperabilitätsrahmen in einem Umfeld mit mehreren Organisationen, die zusammenarbeiten, um (öffentliche) Dienste zu erbringen. Diese auf einer hohen Funktionsebene angesiedelte Tätigkeit betrifft die Leitung, Organisationsstrukturen und Prozesse, die gewährleisten, dass die Strategien und Ziele der Organisation durch die bestehenden Interoperabilitätsrahmen gestützt und erweitert werden.

Interoperabilitätsebenen

Interoperabilitätsebenen ermöglichen die Klassifizierung von Interoperabilitätsbelangen nach bestimmten Akteuren oder Aspekten und betreffen die rechtliche, organisatorische, semantische und technische Interoperabilität in einem bestimmten politischen Kontext.

Altsystem

Im Allgemeinen sind dies ältere Systeme, die noch immer wesentliche Funktionen erfüllen bzw. wesentliche Daten bereitstellen oder zugänglich machen, die aber auf älterer Technik beruhen, nur schwer in neuere Systeme integriert werden können und deren Neuimplementierung als schwierig oder kostspielig gilt. Im Grunde kann in diese Kategorie aber ungeachtet seines Alters jedes IT-System eingestuft werden, das nicht im Hinblick auf eine Weiterverwendung oder Integration in andere Systeme entwickelt wurde, selbst wenn es erst kürzlich eingerichtet wurde.

Lose Kopplung

Lose Kopplung bezieht sich auf die Kommunikation zwischen Systemen, die mehr oder weniger unabhängig voneinander (asynchron) arbeiten und deren interne Betriebszustände nicht stark voneinander abhängen. Die Kopplung erfolgt in Form von Mitteilungen, die zwischen den betreffenden Systemen verschickt werden, was in der Regel über eine Vermittlungsschicht (Middleware) oder ein Warteschlangensystem implementiert wird, so dass das Zielsystem die Anfragen (erst) dann bearbeitet, wenn es dazu in der Lage ist. So kann es vorkommen, dass das Zielsystem zum Anfragezeitpunkt gar nicht zur Verfügung steht, so dass die Anfrage zur späteren Bearbeitung in eine Warteschlage kommt.

Memorandum of Understanding (Absichtserklärung)

Eine bilaterale oder multilaterale schriftliche Vereinbarung zwischen zwei Organisationen, in der bestimmte Gebiete und Mittel für eine Zusammenarbeit, Kooperation oder sonstige gegenseitige Unterstützung festgelegt werden. Die genaue Art solcher Tätigkeiten hängt von der Art der beteiligten Organisationen, dem Tätigkeitsgebiet und dem Umfang der angestrebten Zusammenarbeit ab.

Multichannel Delivery (Leistungserbringung über mehrere Zugangskanäle)

Ein Kanal ist ein Mittel, mit deren Hilfe eine Verwaltung mit ihren Benutzern in Interaktion tritt oder Dienstleistungen für sie erbringt. Für die Benutzer ist er ein Mittel der Kontaktaufnahme zu einer öffentlichen Verwaltung, um öffentliche Dienste in Anspruch zu nehmen. „Benutzer“ können Bürger, Unternehmen und Organisationen sein, die öffentliche Dienste in Anspruch nehmen. Die Palette möglicher „Mittel“ für die elektronische Erbringung von Dienstleistungen ändert sich ständig und umfasst gegenwärtig die Nutzung von Webtechnik, Telefon, Papier, direkten persönlichen Kontakten u. a., sowie deren Anwendungen wie Internet, E-Mail, SMS, Call Center oder Dienstleistungsschalter, aber auch Zugangsgeräte zu diesen Anwendungen, z. B. Personalcomputer, Mobiltelefone, Kiosk-Terminals oder Digitalfernseher. Leistungserbringung über mehrere Zugangskanäle bedeutet, dass öffentliche Dienste gleichzeitig und unabhängig voneinander über zwei oder mehrere solcher Kanäle zugänglich sind und der Benutzer den Zugangsweg wählen kann, der seinen Bedürfnissen am besten entspricht.

National Interoperability Framework – Nationaler Interoperabilitätsrahmen

Nationale Interoperabilitätsrahmen werden von den einzelnen Mitgliedstaaten aufgestellt und dienen der Steuerung nationaler IT-Systeme und Infrastrukturen innerhalb des eigenen Landes.

Open-Source- Software (OSS, quelloffene Software)

Siehe die 10 Kriterien, die quelloffene Software (Open-Source-Software) ausmachen, auf der Website der Open-Source-Initiative: http://www.opensource.org/docs/osd .

Eine alternative Begriffsbestimmung (für freie Software) finden Sie unter: http://www.gnu.org/philosophy/free-sw.html .

Open Source Observatory and Repository (Open-Source-Beobachtungsstelle und Speicher)

Beim OSOR für europäische öffentliche Verwaltungen handelt es sich um eine Plattform für den Austausch von Informationen, Erfahrungen und den Quellcode von Open-Source-Software zur Nutzung in öffentlichen Verwaltungen ( http://www.osor.eu/ ).

Orchestrierung

Aggregierung und sequenzielle Ausführung von Transaktionen unter Einbeziehung anderer Dienste und Funktionen nach Verarbeitungsregeln eines oder mehrerer Geschäftsprozesse, deren Ziel letztlich die Bereitstellung oder Erbringung einer anderen höherwertigen Funktion oder Dienstleistung ist. Die Orchestrierung ist eng mit dem Begriff des Arbeitsablaufs verbunden. Orchestrierung umfasst in der Regel die Ausführung mehrerer, in einer Standardsprache beschriebener Prozesse durch eine „Orchestrierungsmaschine“, die konfigurierbar und in der Lage ist, nach den in dieser Sprache beschriebenen Regeln alle erforderlichen Dienstanfragen auszuführen sowie die Inputs und Outputs der Prozesse weiterzuleiten.

Einheitlicher Ansprechpartner

Ein einziger behördlicher Ansprechpartner für einen bestimmten Dienstleister, bei dem dieser alle benötigten Informationen abfragen und alle Verfahren und Formalitäten für die Aufnahme oder die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit leicht aus der Ferne und elektronisch abwickeln kann (siehe Artikel 8 der Dienstleistungsrichtlinie , ABl. L 376 vom 27.12.2006).

Proprietäre Software

Software, die – im Allgemeinen gegen Entgelt – in einer begrenzten Zahl von Computern oder durch eine begrenzte Zahl von Nutzern verwendet werden darf. Die innere Programmierung der Software (der Quellcode) wird in der Regel nicht zur Prüfung oder Veränderung zur Verfügung gestellt.

Proprietäre Spezifikationen

Im Allgemeinen sind dies Spezifikationen, die ganz oder teilweise unveröffentlicht sind oder von nur einem Anbieter gegen Entgelt bzw. unter stark einschränkenden Bedingungen zur Verfügung gestellt werden, so dass eine Kontrolle über die Implementierung und Nutzung von Produkten, die diesen Spezifikationen entsprechen, durch Dritte ausgeübt wird.

Protokoll

Eine Reihe von Konventionen für das Zusammenwirken von Prozessen, Geräten und anderen Komponenten innerhalb eines Systems und zwischen Systemen.

Aufzeichnung (Record)

Ein oder mehrere Dokumente, die eine Person oder Organisation im Verlauf eines Geschäftsvorgangs erstellt oder erhält und die von dieser Person oder Organisation aufbewahrt werden (siehe die MOREQ-Spezifikationen: http://ec.europa.eu/transparency/archival_policy/moreq/doc/moreq2_spec.pdf ).

Anmerkung: Eine Aufzeichnung kann aus einem oder mehreren Dokumenten bestehen (wenn z. B. ein Dokument Anhänge hat) und auf einem beliebigen Träger in einem beliebigen Format vorliegen. Außerdem sollte sie neben dem oder den Dokumenten auch Kontextinformationen und ggf. strukturelle Informationen enthalten (d. h. eine Beschreibung der Komponenten, aus denen die Aufzeichnung besteht). Ein Hauptmerkmal der Aufzeichnung ist, dass sie nicht geändert werden kann.

Weiterverwendbarkeit

Das Maß, in dem ein Softwaremodul oder Arbeitsprodukt über seinen ursprünglichen, beabsichtigten oder hauptsächlichen Zweck hinaus in anderen Umfeldern verwendet werden kann.

Gesicherter Datenaustausch

Ein Bestandteil des Konzeptmodells für europäische öffentliche Dienste, der sicherstellt, dass der gesamte grenzübergreifende Datenaustausch in gesicherter und kontrollierter Weise erfolgt.

Semantic Interoperability Centre Europe (SEMIC.EU)
(Zentrum für semantische Interoperabilität Europa)

SEMIC.EU ist eine Kooperationsplattform und ein Kooperationsdienst, den die Europäische Kommission anbietet, um die gemeinsame Nutzung von Interoperabilitätsbeständen für die Zwecke öffentlicher Verwaltungen und elektronischer Behördendienste zu unterstützen ( http://www.semic.eu ).

Semantische Interoperabilitätsbestände

Semantische Interoperabilitätsbestände sind ein Untertyp der Interoperabilitätsbestände und umfassen alle Elemente der semantischen Ebene, z. B. Nomenklaturen, Thesauri, mehrsprachige Wörterbücher, Ontologien, Zuordnungstabellen, Zuordungsregeln, Dienstbeschreibungen, Kategorien und Webdienste.

Dienstorientierung

Dienstorientierung bedeutet die Erstellung und Verwendung von Geschäftsprozessen, die als Dienste verpackt werden.

Service Level Agreement (Leistungsvereinbarung)

Eine förmliche Vereinbarung zwischen zwei Partnern, die zusammenarbeiten, in der Regel einem Dienstleister und einem Benutzer. Die Vereinbarung hat die Form eines ausgehandelten schriftlichen Vertrags. Solche Vereinbarungen enthalten üblicherweise bestimmte Zahlenvorgaben (Leistungsindikatoren) für die Ermittlung der Leistung des Dienstleisters (die insgesamt das Leistungsniveau bestimmen) sowie verbindliche Pflichten in Form von Zielvorgaben für bestimmte Leistungsindikatoren sowie zugehörige Aktionen, z. B. Korrekturmaßnahmen. In SLA können auch Pflichten des Benutzers festgelegt werden, z. B. in Bezug auf die Einhaltung bestimmter Mitteilungsfristen, die Bereitstellung von Einrichtungen oder anderen Ressourcen, die der Leistungserbringer für die Erbringung des Dienstes benötigt, die Lösung von Problemen oder die Verarbeitung von Inputs des Leistungserbringers an den Benutzer.

Service Oriented Architecture (SOA) (dienstorientierte Architektur)

Die dienstorientierte Architektur (SOA) ist ein Paradigma für die Organisation und Nutzung verteilter Fähigkeiten, die sich unter der Kontrolle unterschiedlicher Besitzer befinden können. Sie stellt ein einheitliches Mittel dar, um Fähigkeiten zur Erzielung gewünschter Wirkungen gemäß messbaren Vorbedingungen und Erwartungen anzubieten, aufzufinden, zu nutzen und damit zu interagieren (siehe OASIS-Referenzmodell für die SOA: http://www.oasis-open.org/committees/download.php/19679/soa-rm-cs.pdf ).

Norm

Gemäß der Begriffsbestimmung im europäischen Recht (Artikel 1 Absatz 6 der Richtlinie 98/34/EG) ist eine Norm eine technische Spezifikation, die von einem anerkannten Normungsgremium zur wiederholten oder ständigen Anwendung angenommen wurde, deren Einhaltung jedoch nicht zwingend vorgeschrieben ist und die unter eine der nachstehend genannten Kategorien fällt:

- internationale Norm: Norm, die von einer internationalen Normungsorganisation angenommen wird und der Öffentlichkeit zugänglich ist;

- europäische Norm: Norm, die von einem europäischen Normungsgremium angenommen wird und der Öffentlichkeit zugänglich ist;

- nationale Norm: Norm, die von einem nationalen Normungsgremium angenommen wird und der Öffentlichkeit zugänglich ist.

Normungsgremium

Eine anerkannte Organisation, die mit der Ausarbeitung von Normen und Spezifikationen nach spezifischen, genau definierten Anforderungen, Verfahren und Vorschriften betraut worden ist.

Normungsgremien sind:

- anerkannte Normungsorganisationen, darunter internationale Normenausschüsse wie die Internationale Normenorganisation (ISO) und die drei europäischen Normenorganisationen: CEN (Europäisches Komitee für Normung), CENELEC (Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung) und ETSI (Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen).

- Foren, Konsortien und Initiativen, die sich mit Normung beschäftigen, z. B. OASIS (Organisation for the Advancement of Structured Information Standards), W3C (World Wide Web Consortium) oder IETF (Internet Engineering Task Force).

Taxonomie

Eine Taxonomie ist eine Klassifizierung der genormten Terminologie für alle auf einem bestimmten Wissensgebiet verwendeten Termini. In einer Taxonomie werden alle Elemente in einer strengen Hierarchie gruppiert und kategorisiert und üblicherweise in einer Baumstruktur dargestellt. Die Einzelelemente einer Taxonomie müssen dem gleichen semantischen Bereich angehören, so dass alle Elemente in gewissem Maße semantisch miteinander zusammenhängen.

Vokabular

Ein Vokabular ist eine Sammlung von Termini (Wörter oder Wortgruppen), die eine Information innerhalb eines bestimmten Fachgebiets beschreiben.

Arbeitsablauf

Organisation eines Prozesses als Abfolge von Aufgaben, die von ausreichend bezeichneten Akteuren durchgeführt werden, welche bestimmte Rollen wahrnehmen, um dem Prozess zum Abschluss zu bringen.

(1) Unter Sektor wird hier ein Politikbereich wie Zoll, Polizei, e-Gesundheit, Umwelt, Landwirtschaft usw. verstanden.
(2) Im Zusammenhang mit dem EIF werden unter „Unternehmen“ auch nichtstaatliche Organisationen, gemeinnützige Verbände usw. verstanden.
(3) Interoperabilitätslösungen für europäische öffentliche Verwaltungen (ISA), ABl. L 260, 3.10.2009, S. 20, 2009: http://eur-lex.europa.eu/JOHtml.do?uri=OJ:L:2009:260:SOM:DE:HTML .
(4) Dies können sowohl nationale öffentliche Verwaltungen (aller Ebenen) oder in ihrem Namen handelnde Stellen als auch EU-Behörden sein.
(5) Ergänzend zu kommerzieller Standardsoftware (Betriebssysteme, Datenbanken, Textverarbeitung, Tabellenkalkulation usw.) benötigen öffentliche Verwaltungen zur Deckung ihres Gesamtbedarfs angepasste Individualsoftware, die genau ihren besonderen Anforderungen entspricht (z. B. Steuerverwaltung, polizeiliche Zusammenarbeit).
(6) Artikel 2 des Beschlusses Nr. 922/2009/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Interoperabilitätslösungen für europäische öffentliche Verwaltungen (ISA) (ABl. L 260 vom 3.10.2009, S. 20).
(7) Unter Ökosystem wird ein System verstanden, dessen Mitglieder in symbiotischen Beziehungen gegenseitigen Nutzen aus der Beteiligung der anderen Mitglieder ziehen (Positivsummenbeziehung).
(8) Die Strategie setzt für die Erbringung europäischer öffentlicher Dienste gemeinsame Zielvorstellungen fest und sieht sowohl auf nationaler wie auch auf EU-Ebene gezielte Maßnahmen vor, die der Verbesserung der Interoperabilität öffentlicher Dienste in Europa dienen.
(9) Das Subsidiaritätsprinzip gilt nicht nur für die EU im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten, sondern in einigen Fällen auch innerhalb der Mitgliedstaaten selbst, auf nationaler/föderaler Ebene oder auf anderen Ebenen (z. B. Region, Provinz, Land oder Kommune).
(10) Study on stakeholder requirements for pan-European eGovernment Services, Final Report Version 1.3 (Studie über Anforderungen Beteiligten an europaweite e-Government-Dienste, Abschlussbericht) mit einem Ranking und einer Beschreibung verschiedener europaweiter elektronischer Behördendienste (siehe http://ec.europa.eu/idabc/servlets/Docc7f6.pdf?id=19649 ).
(11) http://ec.europa.eu/information_society/activities/einclusion/policy/accessibility/index_en.htm .
(12) Siehe auch den Normungsauftrag Nr. 376 der Europäischen Kommission zur Entwicklung europäischer Normen für die Vergabe öffentlicher Aufträge für barrierefreie IKT-Produkte und Dienste ( http://ec.europa.eu/information_society/activities/einclusion/archive/deploy/pubproc/eso-m376/a_documents/m376_de.pdf ).
(13) http://ec.europa.eu/enterprise/policies/better-regulation/administrative-burdens/index_de.htm .
(14) Entsprechend der Begriffsbestimmung in den Model Requirements for the Management of Electronic Records (MOREQ): werden unter Aufzeichnung (Record) ein oder mehrere Dokumente verstanden, die eine Person oder Organisation im Verlauf eines Geschäftsvorgangs erhält und die von dieser Person oder Organisation aufbewahrt werden.
(15) Auf EU-Ebene gibt es mehrere Plattformen für die gemeinsame Nutzung quelloffener Softwarekomponenten ( http://www.semic.eu/ ) und empfehlenswerter Verfahren ( http://www.epracice.eu/ ). So hat die Europäische Kommission die EUPL ( http://www.osor.eu/eupl ) geschaffen, um die gemeinsame Nutzung von Softwarekomponenten zu erleichtern.
(16) Die dienstorientierte Architektur (SOA, Service Oriented Architecture) ist eine Umsetzung dieses Konzepts.
(17) Ein Beispiel für eine solche politische Unterstützung ist das ISA-Programm.
(18) SEMIC.EU: Semantic Interoperability Centre Europe (Zentrum für semantische Interoperabilität Europa).
(19) FRAND: Fair, Reasonable And Non Discriminatory (fair, angemessen und diskriminierungsfrei).
(20) Dies belebt den Wettbewerb, da Anbieter mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen in den Wettbewerb um die Bereitstellung von auf solchen Spezifikationen beruhenden Produkten, Technologien und Diensten treten können.
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