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Document 62010CJ0340

Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 15. März 2012.
Europäische Kommission gegen Republik Zypern.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 92/43/EWG - Art. 4 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 - Nicht fristgerechte Aufnahme des Gebiets des Paralimni-Sees als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung - Schutzsystem für die Art Natrix natrix cypriaca (zyprische Ringelnatter).
Rechtssache C-340/10.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2012:143

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

15. März 2012 ( *1 )

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Richtlinie 92/43/EWG — Art. 4 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 — Nicht fristgerechte Aufnahme des Gebiets des Paralimni-Sees als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung — Schutzsystem für die Art Natrix natrix cypriaca (zyprische Ringelnatter)“

In der Rechtssache C-340/10

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 7. Juli 2010,

Europäische Kommission, vertreten durch G. Zavvos und D. Recchia als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Zypern, vertreten durch K. Lykourgos und M. Chatzigeorgiou als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin A. Prechal, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richterin C. Toader,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Feststellung, dass die Republik Zypern dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7) in der durch die Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom 20. November 2006 (ABl. L 363, S. 368) geänderten Fassung (im Folgenden: Habitat-Richtlinie), aus der Habitat-Richtlinie in ihrer Auslegung durch die Urteile vom 13. Januar 2005, Dragaggi u. a. (C-117/03, Slg. 2005, I-167), und vom 14. September 2006, Bund Naturschutz in Bayern u. a. (C-244/05, Slg. 2006, I-8445), sowie aus Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie verstoßen hat, dass sie

das Gebiet des Paralimni-Sees nicht in die nationale Liste der vorgeschlagenen Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (im Folgenden: vGGB) aufgenommen hat,

Tätigkeiten geduldet hat, die die ökologischen Merkmale des Paralimni-Sees ernsthaft beeinträchtigen, und nicht die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung der Population der Art Natrix natrix cypriaca (zyprische Ringelnatter), die das ökologische Interesse des Paralimni-Sees und des Xyliatos-Staudamms darstellt, erlassen hat und

nicht die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um ein strenges Schutzsystem für diese Art einzuführen und umzusetzen.

Rechtlicher Rahmen

2

Nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Habitat-Richtlinie „wird ein kohärentes europäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung ‚Natura 2000‘ errichtet. Dieses Netz besteht aus Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhang II umfassen, und muss den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten.“

3

Art. 4 Abs. 1 und 2 der Habitat-Richtlinie bestimmt:

„(1)   Anhand der in Anhang III (Phase 1) festgelegten Kriterien und einschlägiger wissenschaftlicher Informationen legt jeder Mitgliedstaat eine Liste von Gebieten vor, in der die in diesen Gebieten vorkommenden natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und einheimischen Arten des Anhangs II aufgeführt sind. Bei Tierarten, die große Lebensräume beanspruchen, entsprechen diese Gebiete den Orten im natürlichen Verbreitungsgebiet dieser Arten, welche die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweisen. Für im Wasser lebende Tierarten, die große Lebensräume beanspruchen, werden solche Gebiete nur vorgeschlagen, wenn sich ein Raum klar abgrenzen lässt, der die für das Leben und die Fortpflanzung dieser Arten ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweist. …

Binnen drei Jahren nach der Bekanntgabe dieser Richtlinie wird der Kommission diese Liste gleichzeitig mit den Informationen über die einzelnen Gebiete zugeleitet. …

(2)   Auf der Grundlage der in Anhang III (Phase 2) festgelegten Kriterien … erstellt die Kommission jeweils im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten aus den Listen der Mitgliedstaaten den Entwurf einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung, in der die Gebiete mit einem oder mehreren prioritären natürlichen Lebensraumtyp(en) oder einer oder mehreren prioritären Art(en) ausgewiesen sind.

Die Liste der Gebiete, die als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewählt wurden und in der die Gebiete mit einem oder mehreren prioritären natürlichen Lebensraumtyp(en) oder einer oder mehreren prioritären Art(en) ausgewiesen sind, wird von der Kommission nach dem Verfahren des Artikels 21 festgelegt.“

4

Art. 5 der Habitat-Richtlinie sieht vor:

„(1)   In Ausnahmefällen, in denen die Kommission feststellt, dass ein Gebiet mit einem prioritären natürlichen Lebensraumtyp oder einer prioritären Art in einer nationalen Liste nach Artikel 4 Absatz 1 nicht aufgeführt ist, das ihres Erachtens aufgrund von zuverlässigen einschlägigen wissenschaftlichen Daten für den Fortbestand dieses prioritären natürlichen Lebensraumtyps oder das Überleben dieser prioritären Art unerlässlich ist, wird ein bilaterales Konzertierungsverfahren zwischen diesem Mitgliedstaat und der Kommission zum Vergleich der auf beiden Seiten verwendeten wissenschaftlichen Daten eingeleitet.

(2)   Herrschen nach einem Konzertierungszeitraum von höchstens sechs Monaten weiterhin Meinungsverschiedenheiten, so übermittelt die Kommission dem Rat einen Vorschlag über die Auswahl des Gebietes als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung.

(3)   Der Rat beschließt einstimmig innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem er mit diesem Vorschlag befasst worden ist.

(4)   Während der Konzertierungsphase und bis zur Beschlussfassung des Rates unterliegt das betreffende Gebiet den Bestimmungen des Artikels 6 Absatz 2.“

5

Art. 12 Abs. 1 der Habitat-Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet:

a)

alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten;

b)

jede absichtliche Störung dieser Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten;

c)

jede absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur;

d)

jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten.“

6

Die zyprische Ringelnatter ist eine prioritäre Art, die in Anhang II und in Anhang IV Buchst. a der Habitat-Richtlinie aufgeführt ist.

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt und Vorverfahren

7

Am 16. Mai 2006 erhielt die Kommission vom Verband der zyprischen Umwelt- und ökologischen Organisationen eine Beschwerde über den unzureichenden Schutz der zyprischen Ringelnatter. Dieser Beschwerde zufolge hatte die Republik Zypern es u. a. zu Unrecht unterlassen, das Gebiet des Paralimni-Sees in die nationale Liste der vGGB aufzunehmen.

8

Aufgrund der ihr vorliegenden Informationen richtete die Kommission am 23. März 2007 ein Mahnschreiben an die Republik Zypern, in dem sie deren Aufmerksamkeit auf den unzureichenden Schutz dieser Art lenkte und zur Begründung die fehlende Aufnahme des Gebiets des Paralimni-Sees in die nationale Liste der vGGB und den fehlenden Schutz dieses Gebiets sowie des Gebiets des Xyliatos-Staudamms anführte.

9

Mit Schreiben vom 18. Mai 2007 antwortete die Republik Zypern auf das Mahnschreiben und führte aus, dass die zuständige Behörde Gespräche mit den betroffenen Beteiligten führe, um vor Ende des Jahres 2007 zu einem von allen Seiten akzeptierten Vorschlag zur Aufnahme des Gebiets des Paralimni-Sees in die nationale Liste der vGGB zu gelangen. Die Republik Zypern zählte auch die verschiedenen Maßnahmen auf, die ergriffen worden seien, um den Schutz dieses Gebiets und des Gebiets des Xyliatos-Staudamms zu erhöhen. Schließlich machte sie geltend, die Übersendung des Mahnschreibens sei verfrüht und unzulässig gewesen, weil die Kommission das Verfahren nach Art. 5 der Habitat-Richtlinie hätte durchführen müssen und nicht das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV.

10

Mit Schreiben vom 6. Juni 2008 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die Republik Zypern dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Habitat-Richtlinie verstoßen habe, dass sie nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen habe, die erforderlich seien, um dieser Richtlinie nachzukommen. Die Kommission forderte die Republik Zypern daher auf, die Maßnahmen zu treffen, die notwendig seien, um dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Monaten nach ihrem Erhalt nachzukommen.

11

Mit Schreiben vom 21. November 2008 antwortete die Republik Zypern auf die mit Gründen versehene Stellungnahme in der Weise, dass sie die Maßnahmen, die zum Schutz der zyprischen Ringelnatter ergriffen worden seien, aufführte und die Fortschritte herausstellte, die in Bezug auf die Aufnahme des Gebiets des Paralimni-Sees in die nationale Liste der vGGB erreicht worden seien.

12

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 wies die Kommission insbesondere auf die Beschwerden im Zusammenhang mit der baulichen Entwicklung im Nordteil des Gebiets des Paralimni-Sees hin.

13

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 teilte die Republik Zypern der Kommission mit, dass dieses Gebiet am 24. November 2009 offiziell in die nationale Liste der vGGB aufgenommen worden sei. Die Nordseite des Paralimni-Sees hatte sie jedoch nicht in diese Liste aufgenommen.

14

In der Folge wies die Republik Zypern die von der Kommission angeführten Beschwerden über die bauliche Entwicklung auf der Nordseite des Sees zurück.

Zur Klage

Zum Fehlen des Gebiets des Paralimni-Sees in der nationalen Liste der vGGB

Vorbringen der Parteien

15

Die Kommission ist der Ansicht, dass die Republik Zypern dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 der Habitat-Richtlinie verstoßen habe, dass sie das Gebiet des Paralimni-Sees nicht vor Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist in die nationale Liste der vGGB aufgenommen habe.

16

Zu Art. 5 Abs. 1 der Habitat-Richtlinie, dessen Anwendung die Republik Zypern während des Vorverfahrens verlangt habe, nachdem die Kommission festgestellt habe, dass ein für das Überleben der zyprischen Ringelnatter unerlässliches Gebiet in der nationalen Liste der vGGB nicht aufgeführt sei, macht die Kommission geltend, diese Bestimmung setze voraus, dass eine wissenschaftliche Meinungsverschiedenheit zwischen ihr und dem betreffenden Mitgliedstaat vorliege, an der es im vorliegenden Fall fehle. Im vorliegenden Fall seien die von der einen wie der anderen Seite verwendeten Informationen dieselben und würden nicht bestritten. In ihren Schreiben vom 12. August und vom 21. November 2008 habe sich die Republik Zypern verpflichtet, das Gebiet des Paralimni-Sees in die nationale Liste der vGGB aufzunehmen. Folglich stelle sich die Frage einer wissenschaftlichen Meinungsverschiedenheit und eines Vergleichs der Daten nicht.

17

Hilfsweise macht die Kommission geltend, dass ernste Anzeichen dafür bestünden, dass die Grenzen des Gebiets, die ihr schließlich im Zusammenhang mit der Bestimmung des vGGB mitgeteilt worden seien, für den Schutz und die Erhaltung der zyprischen Ringelnatter nicht zufriedenstellend seien, da sie das bedeutende Gebiet auf der Nordseite des Paralimni-Sees, das im Jahr 2009 in ein Baugebiet umgewandelt worden sei, nicht einschlössen, und dass der Verstoß daher fortbestehe.

18

Die Republik Zypern weist darauf hin, dass sie niemals bestritten habe, dass das Gebiet des Paralimni-Sees ein vGGB sein müsse. Die gegenwärtige Abgrenzung des vGGB sei jedoch für den Schutz und die Erhaltung der fraglichen Art ausreichend. Die Art komme nur in den südlichen und östlichen Teilen des vGGB vor. Im Übrigen enthalte die von der österreichischen Expertin durchgeführte Studie, auf die sich die Kommission beziehe, keine klaren Angaben zur Abgrenzung des vGGB, das sie für einen hinreichenden Schutz der zyprischen Ringelnatter für erforderlich halte.

19

Da die Republik Zypern, gestützt auf wissenschaftliche Daten, geltend mache, dass die Abgrenzung des vGGB für die Erhaltung der zyprischen Ringelnatter und ihrer Lebensräume ausreichend sei, was von der Kommission in Zweifel gezogen werde, liege eine wissenschaftliche Meinungsverschiedenheit über die Beurteilung der wissenschaftlichen Daten vor. Diese Meinungsverschiedenheit hätte die Durchführung des bilateralen Konzertierungsverfahrens nach Art. 5 der Habitat-Richtlinie gerechtfertigt.

Würdigung durch den Gerichtshof

20

Zum Klagegegenstand ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof jederzeit nach Art. 92 § 2 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen prüfen kann, ob unverzichtbare Prozessvoraussetzungen fehlen.

21

Nach ständiger Rechtsprechung soll das Vorverfahren dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit geben, zum einen seinen unionsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und zum anderen seine Verteidigungsmittel gegenüber den Rügen der Kommission wirksam geltend zu machen. Der Gegenstand einer Klage nach Art. 258 AEUV wird folglich durch das in dieser Bestimmung vorgesehene Vorverfahren eingegrenzt. Daher kann die Klage nicht auf andere als die im Vorverfahren erhobenen Rügen gestützt werden (vgl. u. a. Urteil vom 10. Mai 2001, Kommission/Niederlande, C-152/98, Slg. 2001, I-3463, Randnr. 23).

22

Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass sich aus den Akten weder ergibt, dass die Parteien während des Vorverfahrens etwa im Stadium des Mahnschreibens oder dem der mit Gründen versehenen Stellungnahme die Frage der Abgrenzung des Gebiets des Paralimni-Sees zur Sprache gebracht haben, noch, dass die Kommission irgendein Argument speziell im Hinblick auf den Nordteil dieses Gebiets geltend gemacht hat. Was das Fehlen des Gebiets des Paralimni-Sees in der nationalen Liste der vGGB angeht, hat sich die Kommission darauf beschränkt, die Aufnahme dieses in allgemeiner Form identifizierten Gebiets ohne Angabe seiner Abgrenzung in die nationale Liste der vGGB zu fordern, und die Republik Zypern hat sich verpflichtet, das Gebiet in diese Liste aufzunehmen, was sie im Übrigen 17 Monate nach Abgabe der mit Gründen versehenen Stellungnahme getan hat.

23

Da sich das Vorverfahren in keiner Weise auf die Abgrenzung des Gebiets des Paralimni-Sees und insbesondere nicht auf die Frage der Einbeziehung des Nordteils des Gebiets bezog, ist die Klage, soweit sie sich auf diesen Gegenstand bezieht, unzulässig.

24

In Bezug auf die Rüge der fehlenden Aufnahme des Gebiets des Paralimni-Sees in die nationale Liste der vGGB ist darauf hinzuweisen, dass niemals bestritten worden ist, dass dieses Gebiet an sich in diese Liste hätte aufgenommen werden müssen.

25

Folglich ist erstens festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 5 der Habitat-Richtlinie jedenfalls für keine dieser beiden Rügen erfüllt waren.

26

Zweitens steht hinsichtlich der Rüge der fehlenden Aufnahme des Gebiets des Paralimni-Sees in die nationale Liste der vGGB fest, dass es bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist noch immer nicht in diese Liste aufgenommen worden war.

27

Da das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Situation zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist befand, und später eingetretene Veränderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden können (vgl. u. a. Urteile vom 11. Januar 2007, Kommission/Irland, C-183/05, Slg. 2007, I-137, Randnr. 17, und vom 11. November 2010, Kommission/Italien, C-164/09, Randnr. 19), ist die Klage der Kommission hinsichtlich dieser Rüge begründet.

Zur Duldung von Tätigkeiten, die den Lebensraum der betroffenen Art verschlechtern oder zerstören

Zur Zulässigkeit

– Vorbringen der Parteien

28

Die Republik Zypern macht geltend, dass sich weder das Mahnschreiben noch die mit Gründen versehene Stellungnahme auf das Betreiben eines Schießplatzes und auf Ausschachtungsarbeiten bezögen. Die Kommission habe daher den Streitgegenstand erweitert, indem sie sich in ihrer Klage auf das Betreiben des Schießplatzes und auf Ausschachtungsarbeiten als Tätigkeiten beziehe, die den Lebensraum der betroffenen Art verschlechterten oder zerstörten.

29

Die Republik Zypern macht geltend, da sie nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich zu diesem Vorbringen zu äußern, könne es vom Gerichtshof bei der Prüfung der Rügen der Kommission nicht berücksichtigt werden. Denn der Streitgegenstand könne sich nur dann auf Tatsachen erstrecken, die nach Abgabe der mit Gründen versehenen Stellungnahme eingetreten seien, wenn sie von derselben Art seien wie die, die in dieser Stellungnahme erwähnt worden seien, und demselben Verhalten zugrunde lägen, was vorliegend nicht der Fall sei.

30

Was die bauliche Entwicklung des „Nordteils des Sees“ angehe, so seien in der mit Gründen versehenen Stellungnahme die im Mahnschreiben allgemein formulierten Argumente nicht genau identifiziert worden. Konkret sei die bauliche Entwicklung an diesem Ort erstmals im Schreiben der Kommission vom 18. Dezember 2009 erwähnt worden. Vom „Nordteil des Sees“ sei weder im Mahnschreiben noch in der mit Gründen versehenen Stellungnahme die Rede gewesen.

31

Daher müsse das Vorbringen der Kommission zu dem Betreiben eines Schießplatzes, den Ausschachtungsarbeiten und der baulichen Entwicklung im Nordteil des Paralimni-Sees als unzulässig zurückgewiesen werden.

32

Die Kommission weist darauf hin, dass sie in ihrem Mahnschreiben wie auch in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme das Verhalten der Republik Zypern, die Tätigkeiten dulde, die die ökologischen Merkmale dieses Sees ernsthaft beeinträchtigten, und den Umstand beanstandet habe, dass die Republik Zypern unionsrechtswidrig nicht die Schutzmaßnahmen ergriffen habe, die erforderlich seien, um die Population der zyprischen Ringelnatter zu erhalten. Insoweit erwähnt die Kommission zur Stützung dieser Rüge konkret die übermäßige Wasserentnahme, die bauliche Entwicklung und Motocrossrennen.

33

Auch wenn der Betrieb des Schießplatzes und die Ausschachtungsarbeiten Tatsachen sein sollten, die nach Abgabe der mit Gründen versehenen Stellungnahme eingetreten seien, könne sich der Streitgegenstand auf nach dieser Stellungnahme eingetretene Tatsachen erstrecken, sofern es Tatsachen von derselben Art seien wie die, die in der Stellungnahme erwähnt worden seien, und sie demselben Verhalten zugrunde lägen. Die fraglichen Tatsachen seien von derselben Art wie die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme erwähnten und lägen demselben Verhalten zugrunde.

34

Zur angeblich mangelnden Genauigkeit bei der Formulierung der Argumente zur baulichen Entwicklung weist die Kommission darauf hin, dass sie das Gesamtkonzept als bauliche Entwicklung „neben dem See, aber auch innerhalb seiner Grenzen“ umschrieben habe. Diese genauere Ausführung umfasse eindeutig auch den Nordteil des Sees, da dieser „innerhalb der Grenzen“ des Sees liege. Die Kommission habe jedenfalls keine tatsächliche Möglichkeit gehabt, das Problem der jüngeren baulichen Entwicklung, die den Nordteil des Sees betreffe, in ihr Mahnschreiben oder ihre mit Gründen versehene Stellungnahme einzubeziehen, da die Republik Zypern dieses Gebiet erst im März 2009 in den Bauleitplan aufgenommen habe, also weit nach Ablauf der Frist zur Beantwortung der mit Gründen versehenen Stellungnahme.

– Würdigung durch den Gerichtshof

35

Was die Ausschachtungsarbeiten betrifft, so gehören sie zu den Tatsachen, die die Kommission gegenüber der Republik Zypern in ihrem Mahnschreiben und in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme beanstandet hat.

36

Daher ist das Vorbringen hinsichtlich der Duldung von Ausschachtungsarbeiten zulässig.

37

Was das Betreiben des Schießplatzes angeht, ist hervorzuheben, dass diese Tatsache, wie die Kommission selbst einräumt, im Vorverfahren nicht erwähnt wurde. Zwar können auch Tatsachen, die nach Abgabe der mit Gründen versehenen Stellungnahme eingetreten sind, aber von derselben Art sind wie die, die in dieser Stellungnahme erwähnt waren, und demselben Verhalten zugrunde liegen, im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. März 1983, Kommission/Frankreich, 42/82, Slg. 1983, 1013, Randnr. 20, und vom 4. Februar 1988, Kommission/Italien, 113/86, Slg. 1988, 607, Randnr. 11), das ist jedoch bei dem Betreiben eines Schießplatzes nicht der Fall, wenn die Wasserentnahme, die bauliche Entwicklung, die Ausschachtungsarbeiten oder das Organisieren von Motocrossrennen den Vergleichsmaßstab bilden.

38

Folglich ist das auf das Betreiben des Schießplatzes gestützte Vorbringen nicht zulässig.

39

Was das Vorbringen zu der baulichen Entwicklung des Nordteils des Paralimni-Sees und ihren Auswirkungen in diesem Gebiet angeht, ist festzustellen, dass es unter Berücksichtigung der Ausführungen in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils und der Tatsache, dass es von der Kommission jedenfalls weder in ihrem Mahnschreiben noch in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme angeführt wurde, ebenfalls unzulässig ist.

Zur Begründetheit

– Vorbringen der Parteien

40

Die Kommission ist der Auffassung, die Rechtsprechung des Gerichtshofs, in der die Notwendigkeit anerkannt sei, die vGGB zu schützen und die Ziele der Habitat-Richtlinie insbesondere in Bezug auf die Errichtung eines kohärenten europäischen ökologischen Netzes zu wahren, sei auch auf Gebiete anwendbar, die die ökologischen Kriterien erfüllten, die notwendig seien, um in die Liste der vGGB aufgenommen zu werden.

41

Die Republik Zypern dulde die übermäßige und rechtswidrige Wasserentnahme, die insbesondere eine Zerstörung des Lebensraums der betroffenen Art oder das Verschwinden seiner repräsentativen Merkmale verursache. Außerdem verringere die bauliche Entwicklung in dem fraglichen Gebiet die Fläche dieses Lebensraums und habe deshalb sehr schädliche Auswirkungen auf die Erhaltung des Gebiets und der betroffenen Art. Darüber hinaus füge das Organisieren von Motocrossrennen der zyprischen Ringelnatter durch die verursachte anhaltende Störung besonderen Schaden zu und stelle eine Gefahrenquelle dar, weil es zu Verletzungen und sogar zum Tod der Tiere führe.

42

Zur Wasserentnahme an dem Ort, an dem die zyprische Ringelnatter ihren Lebensraum hat, führt die Republik Zypern aus, dass sie inzwischen aufgehört habe und die Sorgen um ein Abfallen des Wasserspiegels im Lebensraum dieser Art und die Zerstörung dieses Lebensraums aufgrund der Entnahme daher nicht länger berechtigt seien. In Bezug auf den Bau von Wohnungen „neben dem See“ hebt der beklagte Mitgliedstaat hervor, dass ein Wohnungsbau innerhalb des fraglichen vGGB nicht erfolge und dass die Entwicklung des Wohnungsbaus in der Umgebung dieses Gebiets den Lebensraum der zyprischen Ringelnatter nicht einschränke und entgegen dem Vorbringen der Kommission keine schädlichen Folgen habe. Der Betrieb der Motocrosspiste sei eingestellt worden, und die Piste sei abgerissen worden.

– Würdigung durch den Gerichtshof

43

Es ist daran zu erinnern, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gebiete, die als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung bestimmt werden könnten und die in den der Kommission zugeleiteten nationalen Listen aufgeführt sind, insbesondere solche, die prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten beherbergen, nach der Habitat-Richtlinie verpflichtet sind, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die im Hinblick auf das mit der Richtlinie verfolgte Erhaltungsziel geeignet sind, die erhebliche ökologische Bedeutung, die diesen Gebieten auf nationaler Ebene zukommt, zu wahren (vgl. Urteil Dragaggi u. a., Randnr. 30).

44

Für eine angemessene Schutzregelung für Gebiete, die in einer der Kommission nach Art. 4 Abs. 1 der Habitat-Richtlinie übermittelten nationalen Liste aufgeführt sind, ist es erforderlich, dass die Mitgliedstaaten keine Eingriffe zulassen, die die ökologischen Merkmale dieser Gebiete ernsthaft beeinträchtigen könnten. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Eingriff die Fläche eines Gebiets wesentlich verringern oder zum Aussterben von in diesem Gebiet vorkommenden prioritären Arten führen oder aber die Zerstörung des Gebiets oder die Beseitigung seiner repräsentativen Merkmale zur Folge haben könnte (vgl. Urteil Bund Naturschutz in Bayern u. a., Randnrn. 46 und 47).

45

Andernfalls bestünde nämlich die Gefahr einer Verfälschung des Entscheidungsprozesses auf der Ebene der Europäischen Union, der nicht nur auf der Integrität der von den Mitgliedstaaten gemeldeten Gebiete aufbaut, sondern auch durch ökologische Vergleiche zwischen den verschiedenen von den Mitgliedstaaten vorgeschlagenen Gebieten gekennzeichnet ist, und die Kommission wäre nicht mehr in der Lage, ihre Aufgaben in dem in Rede stehenden Bereich zu erfüllen, nämlich insbesondere die Liste der Gebiete festzulegen, die im Hinblick auf die Errichtung eines kohärenten europäischen ökologischen Netzes besonderer Schutzgebiete als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewählt werden (vgl. Urteil Bund Naturschutz in Bayern u. a., Randnrn. 41 und 42).

46

Die vorstehenden Erwägungen gelten jedenfalls entsprechend auch für die Gebiete, bei denen der entsprechende Mitgliedstaat nicht bestreitet, dass sie die ökologischen Kriterien nach Art. 4 Abs. 1 der Habitat-Richtlinie erfüllen und die mithin in die der Kommission zugeleitete nationale Liste der vGGB hätten aufgenommen werden müssen.

47

Aufgrund der Habitat-Richtlinie und der mit ihr verfolgten Ziele kann nämlich nicht zugelassen werden, dass ein Gebiet wie das im vorliegenden Fall in Rede stehende, bei dem der betroffene Mitgliedstaat nicht bestreitet, dass es in diese Liste aufzunehmen ist, keinerlei Schutz genießt.

48

Was die Verhaltensweisen betrifft, die die Kommission der Republik Zypern anlastet und von denen sie meint, sie führten zu einer Zerstörung des Lebensraums der zyprischen Ringelnatter im Gebiet des Paralimni-Sees und gefährdeten die Erhaltung der Population dieser Art in diesem Gebiet, wird nicht bestritten, dass das Organisieren von Motocrossrennen in dem fraglichen Gebiet, das der beklagte Mitgliedstaat nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist abgestellt zu haben behauptet, ein Verhalten ist, das die ökologischen Merkmale dieses Gebiets ernsthaft beeinträchtigen kann.

49

In diesem Punkt ist die Rüge daher begründet.

50

Was die übermäßige Wasserentnahme in dem betreffenden Gebiet angeht, ergibt sich aus den Akten, dass sie bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist von zwei Monaten noch nicht aufgehört hatte. Es hat sich gezeigt, dass eine solche Maßnahme im vorliegenden Fall eine erhebliche negative Auswirkung auf den Lebensraum der zyprischen Ringelnatter und auf die Erhaltung dieser Art insbesondere in Dürrejahren haben kann.

51

Daher ist der Rüge auch in diesem Punkt stattzugeben.

52

Hinsichtlich der von der Kommission gegenüber der Republik Zypern beanstandeten baulichen Entwicklung an anderen Orten als im Nordteil des fraglichen vGGB, die Grund für eine Verringerung der Fläche des Lebensraums der betroffenen Art sein soll, räumt die Republik Zypern ein, dass eine solche Entwicklung in der Umgebung des vGGB – nicht jedoch innerhalb dieses Gebiets – stattgefunden habe, und bestreitet die von der Kommission behaupteten schädlichen Folgen.

53

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens Sache der Kommission ist, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen und dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern, die es diesem ermöglichen, das Vorliegen der Vertragsverletzung zu prüfen, ohne dass sich die Kommission hierfür auf irgendeine Vermutung stützen kann (vgl. u. a. Urteile Kommission/Irland, Randnr. 39, und vom 22. September 2011, Kommission/Spanien, C-90/10, Randnr. 25).

54

In Ermangelung jeglichen Nachweises einer Auswirkung der genannten baulichen Entwicklung auf die Fläche des Lebensraums der zyprischen Ringelnatter in dem betroffenen Teil des vGGB kann ein solches Vorbringen ebenso wie das damit verbundene Vorbringen zur Duldung von Ausschachtungsarbeiten jedenfalls nicht als begründet angesehen werden.

55

Folglich ist der Rüge des Verstoßes gegen die Habitat-Richtlinie hinsichtlich des Paralimni-Sees durch die Duldung von Tätigkeiten, die den Lebensraum der betroffenen Art verschlechtern oder zerstören, vorbehaltlich der in Randnr. 54 des vorliegenden Urteils getroffenen Feststellung stattzugeben.

Zur Nichteinführung und Nichtumsetzung eines strengen Schutzsystems für die zyprische Ringelnatter

Vorbringen der Parteien

56

Die Kommission ist der Ansicht, dass die Republik Zypern dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 12 Abs. 1 der Habitat-Richtlinie verstoßen habe, dass sie die oben genannten Tätigkeiten wie insbesondere die übermäßige Wasserentnahme und das Organisieren von Motocrossrennen geduldet und keine Schutzmaßnahmen angewandt habe. Infolge dieser Tätigkeiten seien nämlich die Fläche des Lebensraums der zyprischen Ringelnatter und die Population dieser Art in dem Gebiet des Paralimni-Sees verringert worden.

57

Die Bauvorhaben in diesem Gebiet hätten aufgrund der Erdbewegungsarbeiten und des Erdaushubs, die den Lebensraum dieser Art verschlechterten, schwerwiegende Konsequenzen. Auch die Parzellierung des Nordteils des Paralimni-Sees verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und b der Habitat-Richtlinie.

58

Abgesehen von dem illegalen Betrieb der Rennpiste meint die Republik Zypern, sie habe die erforderlichen Maßnahmen getroffen, um ein strenges Schutzsystem für die zyprische Ringelnatter umzusetzen, und daher nicht gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 12 Abs. 1 der Habitat-Richtlinie verstoßen.

Würdigung durch den Gerichtshof

59

Nach Art. 12 Abs. 1 der Habitat-Richtlinie haben die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchst. a dieser Richtlinie genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen, das alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten, jede absichtliche Störung dieser Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten, jede absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur und jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten verbietet.

60

Die Umsetzung dieser Bestimmung erlegt den Mitgliedstaaten nicht nur die Schaffung eines vollständigen gesetzlichen Rahmens auf, sondern auch die Durchführung konkreter besonderer Schutzmaßnahmen (Urteil Kommission/Irland, Randnr. 29).

61

Desgleichen setzt das strenge Schutzsystem den Erlass kohärenter und koordinierter vorbeugender Maßnahmen voraus (Urteile vom 16. März 2006, Kommission/Griechenland, C-518/04, Randnr. 16, und Kommission/Irland, Randnr. 30).

62

Ein solches strenges Schutzsystem muss also imstande sein, tatsächlich alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren der in Anhang IV Buchst. a der Habitat-Richtlinie genannten Tierarten, jede absichtliche Störung dieser Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten, jede absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur und jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten dieser Arten zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juni 2011, Kommission/Frankreich, C-383/09, Slg. 2011, I-4869).

63

Im vorliegenden Fall räumt der beklagte Mitgliedstaat ein, dass er gegen Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie verstoßen habe, indem er das Organisieren von Motocrossrennen geduldet habe.

64

Die übermäßige Wasserentnahme stellt unter Berücksichtigung von Randnr. 50 des vorliegenden Urteils und der Tatsache, dass das Vorkommen der zyprischen Ringelnatter im Gebiet des Paralimni-Sees bekannt war, jedenfalls eine absichtliche Störung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Habitat-Richtlinie dar.

65

Was das Vorbringen anbelangt, das auf die schädlichen Folgen für die zyprische Ringelnatter im Zusammenhang mit der baulichen Entwicklung im Gebiet des Paralimni-Sees gestützt wird, ergibt sich aus den zu den Akten gereichten Beweismitteln, dass die bauliche Entwicklung und die bereits im Gebiet des Paralimni-Sees oder in dessen Nähe, insbesondere in seinem Nordteil oder in dessen Nähe, existierenden Bauten, mit denen Ausschachtungsarbeiten verbunden sind, zu Störungen führen können, die diese geschützte Art im gesamten Ökosystem dieses Gebiets treffen.

66

Es zeigt sich somit, dass die Republik Zypern kein strenges Schutzsystem eingeführt hat, das imstande ist, sämtliche in Randnr. 62 des vorliegenden Urteils aufgeführten Vorkommnisse tatsächlich zu verhindern.

67

Folglich ist die Rüge des Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 der Habitat-Richtlinie begründet.

68

Nach alledem ist der Klage der Kommission mit der in Randnr. 55 des vorliegenden Urteils gemachten Einschränkung stattzugeben.

69

Daher ist festzustellen, dass die Republik Zypern dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 der Habitat-Richtlinie, aus der Habitat-Richtlinie und aus Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie verstoßen hat, dass sie

das Gebiet des Paralimni-Sees nicht in die nationale Liste der vGGB aufgenommen hat,

Tätigkeiten geduldet hat, die die ökologischen Merkmale des Paralimni-Sees ernsthaft beeinträchtigen, und nicht die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Erhaltung der Population der Art Natrix natrix cypriaca (zyprische Ringelnatter), die das ökologische Interesse des Paralimni-Sees und des Xyliatos-Staudamms darstellt, erlassen hat und

nicht die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um ein strenges Schutzsystem für diese Art einzuführen und umzusetzen.

Kosten

70

Gemäß Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Republik Zypern beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Republik Zypern hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen in der durch die Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung, aus der Richtlinie 92/43 in ihrer geänderten Fassung und aus Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 92/43 in ihrer geänderten Fassung verstoßen, dass sie

das Gebiet des Paralimni-Sees nicht in die nationale Liste der vorgeschlagenen Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen hat,

Tätigkeiten geduldet hat, die die ökologischen Merkmale des Paralimni-Sees ernsthaft beeinträchtigen, und nicht die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Erhaltung der Population der Art Natrix natrix cypriaca (zyprische Ringelnatter), die das ökologische Interesse des Paralimni-Sees und des Xyliatos-Staudamms darstellt, erlassen hat und

nicht die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um ein strenges Schutzsystem für diese Art einzuführen und umzusetzen.

 

2.

Die Republik Zypern trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Griechisch.

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