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Document 52018IE1123

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Herausforderungen und Wandel in der Luft- und Raumfahrtindustrie der EU“

EESC 2018/01123

ABl. C 62 vom 15.2.2019, p. 1–7 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.2.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 62/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Herausforderungen und Wandel in der Luft- und Raumfahrtindustrie der EU“

(2019/C 62/01)

Berichterstatter:

Thomas KROPP

Ko-Berichterstatter:

Enrico GIBELLIERI

Beschluss des Plenums

15.2.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständig

Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI)

Annahme in der CCMI

25.9.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

17.10.2018

Plenartagung Nr.

538

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

184/1/3

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Angesichts des starken Wettbewerbs durch etablierte Akteure (insbesondere die USA) und durch neue Akteure (insbesondere China) muss eine EU-Industriepolitik für die Luft- und Raumfahrtbranche entwickelt werden, die für faire Wettbewerbsbedingungen für die Luftfahrtindustrie der EU sorgt. In diesem Zusammenhang bedarf es der Einrichtung einer Beobachtungsstelle für die Luft- und Raumfahrt auf EU-Ebene; die Luftfahrt muss ein Schlüsselelement der Wirtschaftsdiplomatie und Handelspolitik der EU werden.

1.2.

Handlungsbedarf besteht auch bei den Qualifikationen: Es muss dafür gesorgt werden, dass eine hochspezialisierte alternde Arbeitnehmerschaft ihr Fachwissen und ihr Können an jüngere Arbeitnehmer weitergibt, dass diese Branche für mehr Nachwuchskräfte mit immer stärker gefragten Fertigkeiten sowohl im Ingenieurwesen als auch in den IKT attraktiv ist und dass die derzeitigen Arbeitnehmer sich im Bereich der Digitalisierung fortbilden.

1.3.

Die Forschung im Bereich der Zivilluftfahrt muss im Programm Horizont Europa weiterhin an oberster Stelle stehen und im Vergleich zum Programm Horizont 2020 mit mehr Haushaltsmitteln ausgestattet werden. Ebenfalls sollte sichergestellt werden, dass die erfolgreichen Technologieinitiativen zur Verringerung der Umweltauswirkungen der Emissionen mit der Lancierung von Clean Sky 3 und SESAR 3 fortgeführt werden.

1.4.

Die SESAR-Lösungen müssen dringend eingeführt und der einheitliche europäische Luftraum (SES) muss nach jahrzehntelangem Hin und Her verwirklicht werden. Es muss in effiziente Kapazitäten in der Luft und am Boden investiert werden, um das Wachstum des Luftverkehrs zu fördern und zugleich seine Umweltauswirkungen zu verringern sowie das Sicherheitsniveau zu erhöhen.

1.5.

Die internationale Rolle der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) muss gestärkt werden und es bedarf stärker leistungsbasierter EASA-Vorschriften, um die effizientere und sichere Einführung neuer Technologien sowie faire Wettbewerbsbedingungen für EU-Exporteure zu ermöglichen.

1.6.

Es bedarf Lösungen für ein wirksames Abkommen für die Zeit nach dem Brexit, das die Zollverfahren, Regelungsrahmen, Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Verbreitung sowie Arbeitskräftemobilität abdeckt. Die fachlichen Beratungen über die Regelungen müssen möglichst bald erfolgen, um rechtzeitig Folgenminderungsmaßnahmen ergreifen zu können.

1.7.

Die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der EU muss vorangetrieben werden, um die Technologien zu schützen, die für die luftfahrttechnischen Unternehmen der EU im Herstellungs- und im Wartungs-, Reparatur- und Überholungsbereich von grundlegender Bedeutung sind.

1.8.

Der soziale Dialog zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und der Zivilgesellschaft muss unbedingt fortgeführt werden. Des Weiteren muss gemäß Beschluss 98/500/EG der Kommission ein branchenspezifischer sozialer Dialog in der Luftfahrtindustrie eingeleitet werden.

2.   Allgemeine Bemerkungen

Die Luftfahrtindustrie ist eine der wesentlichen Hightech-Branchen der EU im globalen Markt. Diese Branche bietet hochklassige Arbeitsplätze für 500 000 Menschen (1) (1 Mio., wenn man die indirekten Arbeitsplätze hinzuzählt) und besteht aus einem Ökosystem großer und kleiner Unternehmen, die das gesamte Spektrum der Luftfahrttechnik abdecken.

Die Luftfahrtindustrie der EU ist technisch führend auf ihrem Gebiet und hat derzeit einen Anteil von ungefähr einem Drittel am Weltmarkt. Die Branche leistet einen großen Beitrag zur Handelsbilanz der EU (Exporte in Höhe von 46 Mrd. EUR(2).

Geltungsbereich dieser Stellungnahme

Verteidigung und Raumfahrt werden in dieser Stellungnahme nicht eigens behandelt. Dennoch ist auf die Rolle der zivilen Luftfahrtindustrie und ihren Beitrag zu diesen Sektoren hinzuweisen. Dies schließt die strategische Autonomie Europas durch Synergien mit dem Verteidigungssektor bei Technologien und in gemeinsamen Entscheidungszentren mit ein.

Die Stärke und weltweit führende Stellung der Luftfahrtindustrie der EU sind das Resultat konsequenter Strategien und Produktionsaktivitäten. Diese führende Stellung sollte nicht als selbstverständlich angesehen werden, da die Branche vor zahlreichen Herausforderungen steht:

1.

die scharfe Konkurrenz durch etablierte und neue Akteure, die staatliche Unterstützung in beträchtlichem Umfang erhalten;

2.

die Verlagerung des Wirtschaftswachstums und der Wirtschaftsmacht nach Osten, was sowohl eine Chance als auch eine Bedrohung darstellt;

3.

die operativen Herausforderungen in der nahen Zukunft wie der Brexit, Haushaltszwänge der EU und protektionistische Maßnahmen in Drittländern;

4.

die Technologieführerschaft der Luftfahrtindustrie der EU muss beibehalten werden, insbesondere bei der Senkung der Umweltauswirkungen der Emissionen;

5.

das Fehlen einer schlüssigen EU-Industriepolitik;

6.

die Notwendigkeit einer schlüssigen EU-Strategie für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen;

7.

die Stärkung der internationalen Präsenz der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA);

8.

die Notwendigkeit einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wartungs-, Reparatur- und Überholungsdienstleistungsbranche;

9.

die wichtige Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die künftigen Arbeitskräfte über die für die Branche erforderlichen Fachkenntnisse verfügen, insbesondere auf dem Gebiet der Digitalisierung.

Besondere Bemerkungen

3.   Der weltweite Markt und Herausforderungen

3.1.

Die gegenwärtige Führungsposition der EU-Industrie ist keine Selbstverständlichkeit. Der Anteil des BIP der EU am globalen BIP wird von heute 17 % um nahezu ein Drittel auf 12 % schrumpfen (3).

3.2.

Zahlreiche Länder haben weitreichende Strategien zu der Frage entwickelt und umgesetzt, wie sie sich selbst positionieren wollen, wie sie ihre Bevölkerung einsetzen können und wie sie sich angesichts der Automatisierung und einer Verlagerung der wirtschaftlichen Macht nach Osten eine Spitzenposition in der globalen Wertschöpfungskette sichern können.

3.3.

Europa wird sich einer völlig anderen Wettbewerbssituation gegenübersehen, die viele Chancen bietet, wenn es uns gelingt, all unsere Anstrengungen optimal zusammenzuführen und mutige Entscheidungen zu treffen. Andererseits wird sie sehr bedrohlich sein, wenn wir uns einfach auf unserer Führungsposition ausruhen.

4.   Unterstützung der Industrie in Drittländern durch deren Regierung

4.1.

Die US-Wirtschaft (der Hauptwettbewerber der EU) profitiert weiterhin von der starken staatlichen Unterstützung durch die US-Regierung, darunter 34 verschiedene Behörden und Ministerien. Die Reihe der Verordnungen, Strategien und Instrumente, welche die US-Regierungen im Laufe der Jahre eingeführt haben, um ihre Zivilluftfahrtindustrie zu fördern, ist umfangreich und stärkt den Verteidigungssektor sehr wirkungsvoll, insbesondere in den Bereichen Forschung, Technologie und Entwicklung (etwa Zuweisungen aus dem US-Haushalt für Forschungsprogramme). Andere etablierte Akteure (in Kanada und Brasilien) erhalten im Rahmen der allgemeinen Industriepolitik ihres Landes ebenfalls weiterhin eine erhebliche Unterstützung.

4.2.

Neben den in der Zivilluftfahrt gut etablierten Akteuren verstärken auch mehrere Schwellenländer (China, Indonesien, Indien, Südkorea, Philippinen u. a.) ihren Einsatz zur Förderung der Entwicklung einer wettbewerbsfähigen nationalen Luftfahrtindustrie in den kommenden Jahren.

4.3.

Von diesen hat China die umfassendste Strategie, die eine Mischung aus zentraler Planung und staatseigenen Unternehmen beinhaltet. Die chinesische Regierung hat die Entwicklung einer nationalen Luftfahrtindustrie in mehreren offiziellen Schriften (auf der höchsten Führungsebene) zu einer hohen Priorität erklärt, darunter die Initiative „Made in China 2025“. Im gegenwärtigen Fünfjahresplan Chinas werden „Durchbrüche bei der Triebwerkstechnik für die Zivilluftfahrt“ und eine „Beschleunigung der Forschung im Bereich der Großraumflugzeuge, Hubschrauber, Regionalflugzeuge und der allgemeinen Luftfahrt“ gefordert. Überdies ist die chinesische Luftverkehrsbranche in Staatsbesitz und die chinesische Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) ist befugt, alle Flugzeugeinkäufe chinesischer Luftverkehrsgesellschaften zu genehmigen, was dazu genutzt wird, den Erwerb von im Inland hergestellten Düsenverkehrsflugzeugen wie dem COMAC C919 zu forcieren (4). Nicht zuletzt wird mit dem Aktionsplan „Internet Plus“ eine Partnerschaft zwischen den chinesischen Technologieriesen und den traditionellen Gewerben wie der Luft- und Raumfahrt ins Leben gerufen.

5.   EU-Industriestrategie

5.1.

Vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Wettbewerbsumfelds ist das Fehlen einer EU-Industriepolitik zur Unterstützung der Luftfahrtindustrie in Verbindung mit der Uneinheitlichkeit der von den EU-Organen und den nationalen Regierungen verfolgten Konzepte eines der wesentlichen Probleme. Es bedarf einer EU-Industriestrategie für die Luftfahrtindustrie der EU, um ihre Wettbewerbsfähigkeit und die Beibehaltung ihrer führenden Position im weltweiten Zivilluftfahrtmarkt zu gewährleisten.

5.2.

Dies erfordert eine Strategie und ein Engagement auf EU-Ebene, wo alle relevanten Akteure auf europäischer, nationaler und zwischenstaatlicher Ebene (einschließlich der Europäischen Kommission, dem Europäischen Auswärtigen Dienst sowie der einschlägigen Agenturen wie der EASA und Eurocontrol und auch gemeinsamer Technologieinitiativen wie SESAR und Clean Sky) auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten, nämlich die Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie auf dem globalen Markt für Zivilluftfahrt.

5.3.

Ein Engagement auf EU-Ebene ist erforderlich, um für eine kontinuierliche Finanzierung durch die öffentliche Hand zur Unterstützung dieser wichtigen Branche zu sorgen, insbesondere auf dem Gebiet der Forschung und Innovation auf der Grundlage eines langfristigen Plans.

5.4.

Auf Kommissionsebene sollte eine Beobachtungsstelle für die Luft- und Raumfahrt eingerichtet werden, um nichttarifäre Handelshemmnisse in zentralen Luft- und Raumfahrtregionen zu überwachen und die relative Wettbewerbsfähigkeit der Luftfahrtindustrie der EU zu bewerten.

5.5.

Die Luftfahrt sollte außerdem ein Schlüsselsektor der Wirtschaftsdiplomatie und Handelspolitik der EU werden, und der Einfluss der EU auf internationaler Ebene sollte gestärkt werden, z. B. in der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO).

6.   FuE für eine bessere Energieeffizienz und weniger Emissionen

6.1.

Die beiden wichtigsten europäischen Luftfahrtforschungsprogramme, Clean Sky (umweltfreundlichere und effizientere Luftfahrttechnologien) und SESAR (FuI im Bereich Flugverkehrsmanagement und Anwendung ihrer Ergebnisse), verleihen der gesamten Innovationskette in Europa Impulse.

6.2.

Dank ihres langfristigen Technologieplans und finanziellen Engagements haben sie ihre Effizienz und ihren Mehrwert sowohl für Behörden als auch für die Innovationskette bewiesen, hauptsächlich durch 1) Konzeption, Entwicklung, Herstellung und Betrieb wettbewerbsfähigerer, sichererer und umweltfreundlicherer Luftfahrzeuge und Flugverkehrsmanagementsysteme, 2) Schaffung einer großen und leistungsstarken Wissenschafts- und Technologiegemeinschaft aus akademischen Forschern und Industriezweigen — von Großunternehmen bis hin zu KMU — in allen Ländern der EU-28 und 3) Lieferung hervorragender Demonstrationssysteme mit einer deutlichen Wirkung auf die Luftfahrzeugprogramme und den entsprechenden Markt.

6.3.

Zu den Erfolgsgeschichten von Clean Sky gehören u. a. die Testflüge des BLADE-Laminarflügels (mit einer Verringerung der Flügelreibung um 50 % und bis zu 5 % weniger CO2-Emissionen) und gegenläufige offene Rotoren (CROR) mit einer Senkung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen von rund 30 %.

6.4.

Erfolgsgeschichten von SESAR zeigen sich am besten in den wirkungsvollen Ergebnissen: Wenn die 63 angebotenen SESAR-Lösungen angewendet werden, sollte dies zur Steigerung der Luftraumkapazität um 34 % und zu einer Verringerung der Varianz der Flugzeit um 30 % führen, d. h. geringere Verspätungen für alle Flüge in der EU, wobei 95 % der Flüge ihren Zeitplan einhalten, sowie eine Verringerung des Kraftstoffverbrauchs und der Emissionen um 2,3 % je Flug.

6.5.

Die Zivilluftfahrt sollte im Programm Horizont Europa oberste Priorität bleiben und die dafür vorgesehenen Haushaltsmittel sollten im Vergleich zu den derzeit im Rahmen von Horizont 2020 vorgesehenen Mitteln aufgestockt werden. Forschung und Innovation sind das A und O der Luftfahrtindustrie der EU, und die langen Forschungszyklen der Luftfahrtindustrie erfordern eine Risikostreuung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor durch eine Finanzierung über Zuschüsse, die auf einem langfristigen Bekenntnis zur Entwicklung von Forschungsplänen fußt. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Luftfahrtindustrie. Die beiden gemeinsamen Technologieinitiativen (Clean Sky und SESAR) sollten daher beibehalten werden. Im Rahmen der Fazilität „Connecting Europe“ sollte die Finanzierung auch weiterhin oberste Priorität haben, um den Einsatz der in Rahmen von Clean Sky und SESAR (FuI) entwickelten Technologien zu beschleunigen und zu fördern.

6.6.

Die Zivilluftfahrt kann eine Erfolgsbilanz bei der Verringerung ihrer Auswirkungen auf die Umwelt vorweisen. Luftfahrzeuge der neuen Generation haben in der Regel um 15-20 % weniger Emissionen. Die globale zivile Luftfahrtindustrie hat sich als weltweit erste Branche auf einen umfassenden Ansatz zur Reduzierung ihrer Emissionen geeinigt. Sie stützt sich auf eine „Vier-Säulen-Strategie“: Technologie, Flugbetrieb, Infrastruktur und ein internationaler marktbasierter Mechanismus.

6.7.

Eine Fortsetzung der Unterstützung der EU für Forschung und Innovation ist von entscheidender Bedeutung, damit weitere Fortschritte bei der Verringerung der Umweltauswirkungen der Zivilluftfahrt erzielt werden können (Technologiesäule), da mehr als 70 % aller Forschungsarbeiten im Zusammenhang mit umweltpolitischen Zielen stehen.

6.8.

Die Initiative „Flightpath 2050“ des Beirats für Luftfahrtforschung in Europa beinhaltet das bis 2050 zu erreichende Ziel, dass Technologien und Verfahren eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 75 % pro Fluggastkilometer ermöglichen, ebenso wie eine Verringerung der NOx-Emissionen um 90 % und eine Reduzierung der wahrgenommenen Lärmemissionen eines fliegenden Flugzeugs um 65 % (diese Angaben beziehen sich auf die Werte typischer neuer Flugzeuge im Jahr 2000).

6.9.

Darüber hinaus sollten die Flugzeugbewegungen beim Rollbetrieb emissionsfrei werden und die Luftfahrzeuge recyclinggerecht konstruiert und hergestellt werden. Außerdem sollte Europa auf der Grundlage einer starken europäischen Energiepolitik zu einem Exzellenzzentrum für nachhaltige alternative Kraftstoffe auch für den Luftverkehr werden.

6.10.

Europa muss bei der Atmosphärenforschung an vorderster Front stehen und Vorreiter bei der Formulierung eines vorrangigen Umweltaktionsplans und der Einführung globaler Umweltnormen sein. Trotz der erheblichen Fortschritte im Rahmen von Horizont 2020 sollten Forschung und Innovation im Rahmen von Horizont Europa beschleunigt werden, etwa bei der Elektrifizierung und Hybridisierung von Luftfahrzeugen.

7.   Digitalisierung

7.1.

Digitalisierung (einschließlich der digitalen Infrastruktur, die neue automatisierte Flugsteuerungsplattformen ermöglicht), Automatisierung sowie virtuelle und erweiterte Realität werden ebenfalls wichtige Prioritäten für die Luftfahrtforschung sein. Diese Aspekte werden neben der erforderlichen weiteren Verbesserung des Flugsicherheitsniveaus und der Bemühungen um die weitere Verringerung des ökologischen Fußabdrucks der Luftfahrt den Forschungs- und Innovationsfahrplan von SESAR 3 und Clean Sky 3 bestimmen.

7.2.

Die Einführung von SESAR-Lösungen sollte intensiviert werden. Dabei ist die Schaffung des einheitlichen europäischen Luftraums von entscheidender Bedeutung für einen effizienten Einsatz in der EU.

8.   Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA)

8.1.

Die Stärkung der internationalen Rolle der EASA ist für die Luftfahrtindustrie der EU (einschließlich der Wartungs-, Reparatur- und Überholungsbranche, MRO) sehr wichtig, damit sie mit der weiterhin starken internationalen Präsenz mithalten kann, die die US-amerikanische Zivilluftfahrtbehörde bei der Förderung der US-amerikanischen Luftfahrtindustrie in den Märkten in Drittländern zeigt.

8.2.

Der EASA sollte es erlaubt sein, mehr Büros in Drittländern zu eröffnen, und ihr sollte eine Schlüsselrolle zukommen, wenn es darum geht, für die europäischen Sicherheitsvorschriften sowie Zertifizierungsnormen und -regelungen zu werben und sicherzustellen, dass die europäische Industrie auf den wichtigen Exportmärkten faire Wettbewerbsbedingungen antrifft. Hierfür sollte sich die EASA ständig mit den Zivilluftfahrtbehörden der Drittländer austauschen und sich darum bemühen, technische Hemmnisse für die Freigabe europäischer Produkte auf diesen Exportmärkten aus dem Weg zu räumen.

8.3.

Bilaterale Abkommen der EU mit Drittländern über die Sicherheit der Luftfahrt sollten ausgeweitet werden, um die zweifache Sicherheitsaufsicht im Hinblick sowohl auf die Musterzulassung/Lufttüchtigkeit als auch die fortgesetzte Lufttüchtigkeit/Wartung zu verringern.

8.4.

Nicht zuletzt sollten die detaillierten Vorschriften der EASA stärker leistungsbasiert ausgerichtet werden und sich auf Industriestandards stützen, um die sichere Einführung neuer Technologien effizienter und zügiger zu machen. In diesem Zusammenhang ist die kürzlich vereinbarte Überarbeitung der EASA-Grundverordnung (Änderung der Verordnung Nr. 216/2008) zu begrüßen.

9.   Infrastruktur

9.1.

Die Luftfahrtindustrie der EU profitiert auch vom guten Zustand der europäischen Zivilluftfahrtbranche im weiteren Sinn (d. h. Luftverkehrsgesellschaften, Hubschrauberbetreiber, Geschäftsflugzeugbetreiber und andere Luftraumnutzer), da das zusätzliche Wachstum bei den Luftraumnutzern eine höhere Nachfrage nach Flugzeugen und der entsprechenden Technik erzeugt.

9.2.

In diesem Zusammenhang ist es von entscheidender Bedeutung, weiterhin in die sichere und kosteneffiziente Infrastruktur am Boden und in der Luft zu investieren und zugleich zu hohe Luftverkehrssteuern zu vermeiden.

9.3.

Daher ist die Luftfahrtstrategie der EU begrüßenswert, da sie eine Reihe von Instrumenten zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Zivilluftfahrtbranche im weiteren Sinn umfasst, wie z. B. die Überarbeitung der EASA-Grundverordnung, eine Strategie zur Wahrung der Führungsposition der EU im neuen Markt der zivilen ferngelenkten Flugsysteme und der Verkehrsleitsysteme für unbemannte Fluggeräte sowie weitere Vorschläge, die die Wettbewerbsfähigkeit der Luftverkehrsbranche betreffen (Änderung der Verordnung (EG) Nr. 868/2004 und ggf. Überarbeitung der EU-Richtlinie über Flughafengebühren).

9.4.

Die Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 (mit gemeinsamen Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft) sollte ebenfalls in diesem Zusammenhang gesehen werden und sicherstellen, dass der Binnenmarkt auch weiterhin auf künftige Entwicklungen eingestellt ist. In Anbetracht der anerkannten Notwendigkeit einer weiteren Konsolidierung der Luftverkehrsbranche der EU muss außerdem ein Kompromiss zwischen dieser stärkeren Konsolidierung und den Vorteilen gefunden werden, die den Verbrauchern in der EU aus der Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Luftverkehrsgesellschaften und aus einem wirksamen Wettbewerb erwachsen.

10.   Wartungs-, Reparatur- und Überholungsdienstleistungen

10.1.

Wartungs-, Reparatur- und Überholungsdienstleistungen (MRO-Dienste) sind ebenfalls ein wichtiges Segment der europäischen Luftfahrtindustrie, zum einen wegen der Schaffung von Arbeitsplätzen in der EU und zum anderen durch den Export solcher Dienstleistungen. Daher muss die Wettbewerbsfähigkeit der MRO-Industrie in der EU (entsprechende Aktivitäten der Fluggesellschaft selbst, von unabhängigen Dienstleistern oder von Originalgeräteherstellern) ebenfalls gefördert werden, damit hier weiterhin Arbeitsplätze geschaffen werden und die Branche neue Märkte erschließen kann.

10.2.

Die Nutzung von Massendaten und neuer Technologien für diese Branche wird ebenfalls ein wichtiges Element der Forschungs- und Innovationsprogramme bilden müssen.

11.   Ausländische Direktinvestitionen (ADI)

11.1.

Mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (COM(2017) 487) wird der Austausch von Informationen und Folgenabschätzungen verbessert und die länderübergreifende Transparenz erhöht, während die endgültige Entscheidung dem einzelnen Mitgliedstaat überlassen bleibt. In dem Vorschlag ist außerdem vorgesehen, dass die Europäische Kommission aus Gründen der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung Fälle überprüfen kann, die sich auf Projekte oder Programme von Unionsinteresse auswirken könnten.

11.2.

Der Vorschlag der Kommission sollte als ein erster Schritt begrüßt werden, da er nicht nur im Hinblick auf die ausländischen Direktinvestitionen in die Luftfahrtindustrie der EU und ihre Lieferkette, sondern auch hinsichtlich der wichtigen Technologien (Automatisierung, Künstliche Intelligenz, Massendaten und Cybersicherheit) für den Produktionssektor der EU von größter Bedeutung ist.

12.   Brexit

Die europäische Luftfahrtbranche ist umfassend integriert, sodass viele Bauteile vor der Endmontage oft mehrmals über Landesgrenzen hinweg transportiert werden. Die Lieferkette besteht aus einer Vielzahl großer, mittlerer und kleiner Unternehmen, die gemäß dem Prinzip der bedarfssynchronen Produktion („just in time“) operieren.

Der Binnenmarkt und die Zollunion sind von entscheidender Bedeutung, da sie den Verwaltungsaufwand für die Industrie und somit auch die Kosten verringern.

Die EU-27 und das Europäische Parlament haben klar zum Ausdruck gebracht, dass sie die Integrität des Binnenmarkts schützen werden, einschließlich der vier Freiheiten und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, und dass es kein „Rosinenpicken“ für die eine oder andere Branche geben wird.

Die britische Regierung hat klargestellt, dass das Vereinigte Königreich ab 29. März 2019 ein Drittland sein wird.

12.1.

Ein Ausscheiden aus der EU ohne Abkommen muss vermieden werden, da sich dies besonders nachteilig auf die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Luftfahrtindustrie auswirken und Tausende Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Ärmelkanals gefährden würde. Es müssen Lösungen für ein Abkommen für die Zeit nach dem Brexit gefunden werden, das folgende Aspekte abdeckt:

reibungslose Zollverfahren, einschließlich der Kontrolle der Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck;

Fortsetzung der Mitgliedschaft in der EASA und der ECHA (REACH);

Zivilluftfahrtforschung: Fortsetzung der Zusammenarbeit im Rahmen gemeinsamer Technologieinitiativen;

Möglichkeit der grenzüberschreitenden Mobilität hochqualifizierter Arbeitnehmer.

Die fachlichen Beratungen über das Regelungsumfeld bezüglich der EASA und der Europäischen Chemikalienagentur ECHA müssen möglichst bald erfolgen, damit rechtzeitig Abhilfemaßnahmen zur Minderung möglicher Störungen ergriffen werden können.

Die nationalen Regierungen müssen klare Orientierungshilfen anbieten, um den Unternehmen ihres Landes bei der Vorbereitung auf etwaige Brexit-bedingte Veränderungen zu helfen und für einen möglichst störungsfreien Übergang zu sorgen.

13.   Fähigkeiten

13.1.

Der weitere Erfolg der Luftfahrtindustrie der EU hängt überdies stark davon ab, ob sie fähig ist, qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen. Im Zusammenhang mit der Alterung der Erwerbsbevölkerung und neuen technischen Herausforderungen (Digitalisierung, Automatisierung, Cybersicherheit, Industrie 4.0) bedarf dies einer Gesamtstrategie der EU zur Entwicklung von EU-Programmen für allgemeine und berufliche Bildung, in denen lebenslanges Lernen und hochwertige Ausbildungen im Mittelpunkt stehen.

13.2.

Auf nationaler Ebene sind die Mitgliedstaaten aufgerufen, die Wahl der MINT-Fächer zu stimulieren, insbesondere bei Mädchen bereits ab einem frühen Alter, ebenso wie die Teilnahme an „Erasmus+“-Programmen.

13.3.

Es gilt, flexible Bildungswege zwischen der Arbeitswelt und der Welt der Bildung zu entwickeln (arbeitsbasiertes Lernen, gute Ausbildungsstellen und branchenspezifische Ausbildungsinitiativen). KMU sollten bei Bedarf zusätzliche Unterstützung erhalten.

13.4.

Vor dem Hintergrund dieser grundlegenden und spezifischen gesellschaftlichen Herausforderungen würde ein branchenspezifischer Dialog auf EU-Ebene (Beschluss 98/500/EG), in dessen Rahmen die Sozialpartner spezifische Fragen erörtern könnten, der Luftfahrtindustrie der EU von großem Nutzen sein.

Brüssel, den 17. Oktober 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  Quelle: ASD Facts and Figures.

(2)  Quelle: ASD Facts and Figures.

(3)  Quelle: PWC.

(4)  Quelle: RAND, „Chinese Investment in U.S. Aviation“, 2017.


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