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Document 52018AE2774

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über staatsanleihebesicherte Wertpapiere“ (COM(2018) 339 final — 2018/0171 (COD))

EESC 2018/02774

ABl. C 62 vom 15.2.2019, p. 113–117 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.2.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 62/113


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über staatsanleihebesicherte Wertpapiere“

(COM(2018) 339 final — 2018/0171 (COD))

(2019/C 62/18)

Berichterstatter:

Daniel MAREELS

Befassung

Europäisches Parlament, 5.7.2018

Rat der Europäischen Union, 6.7.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 114 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

3.10.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

17.10.2018

Plenartagung Nr.

538

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

201/3/8

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Vorschläge zu den staatsanleihebesicherten Wertpapieren (Sovereign Bond-Backed Securities — SBBS) im umfassenderen Rahmen der Vollendung der Bankenunion und des Aufbaus einer Kapitalmarktunion. Der Ausschuss hat sich in der Vergangenheit als entschiedener Fürsprecher und Unterstützer dieser beiden Unionen positioniert. Ferner verfügen die Vorschläge auch über das Potenzial, finanzielle Stabilität und Widerstandsfähigkeit zu fördern.

1.2.

In konzeptioneller Hinsicht zielen staatsanleihebesicherte Wertpapiere darauf ab, die traditionell enge Verflechtung zwischen den Banken und ihren Herkunftsländern („Sovereigns“) zu lockern. Seit der Finanzkrise fordert der Ausschuss, hier tätig zu werden, und setzt sich nachdrücklich für die Lockerung dieser Verflechtung ein. Ungeachtet der bereits ergriffenen Maßnahmen begrüßt der EWSA daher, dass sich der vorliegende Vorschlag mit diesem Thema befasst.

1.3.

Tatsächlich können staatsanleihebesicherte Wertpapiere bewirken, dass Banken ihre Staatsanleihen ihres Herkunftslandes abbauen und ihre Staatsanleiheportfolios besser diversifizieren. Hinzu kommt, dass es hier nicht um die Vergemeinschaftung von Risiken und Verlusten unter den Mitgliedstaaten des Euro-Raums geht. Gegebenenfalls werden diese vollständig von den Anlegern in staatsanleihebesicherten Wertpapieren getragen.

1.4.

Nach heutigem Stand würden staatsanleihebesicherte Wertpapiere nach dem Rechtsrahmen als „Verbriefungen“ gelten, was es für Banken eigentlich unattraktiv machen würde, in sie zu investieren. Der Ausschuss begrüßt es voll und ganz, dass dieser Missstand behoben wird. Die Gleichstellung von staatsanleihebesicherten Wertpapieren und den nationalen, auf Euro lautenden Staatsanleihen aus dem Euro-Währungsgebiet (Sovereign Exposures) soll Anlegern aus dem Finanzsektor die Möglichkeit geben, unter denselben Bedingungen in SBBS zu investieren wie in die ihnen zugrunde liegenden Staatsanleihen des Euro-Währungsgebiets.

1.5.

Die Vorschläge haben lediglich zum Ziel, geeignete Rahmenbedingungen für eine marktbasierte Entwicklung von staatsanleihebesicherten Wertpapieren zu schaffen. Für den Ausschuss sind Eindeutigkeit, Wirksamkeit und Effektivität dieses Rahmens in jeder Hinsicht von großer Bedeutung. Negative oder nachteilige Folgen müssen ausgeschlossen werden.

1.6.

In Bezug auf den vorgeschlagenen Rechtsrahmen vertritt der EWSA einen differenzierten Standpunkt. Eine Reihe von Aspekten kann unterstützt werden, wie z. B. der Grundsatz der Ausgabe von SBBS durch eine Zweckgesellschaft. Bei anderen Aspekten, wie z. B. der Selbstbescheinigung der Zusammensetzung des zugrunde liegenden Portfolios durch die Zweckgesellschaft, erscheint wiederum eine Verschärfung der Vorschriften angebracht. Die Bedeutung dieses Aspekts lässt eine strengere und sogar eine vorherige Überwachung durch die Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (ESMA) angezeigt erscheinen.

1.7.

Ferner gibt es eine Reihe offener Fragen. So bedarf die Frage, ob SBBS unter allen Bedingungen wirksam und effektiv sein werden, noch einer Antwort. Auch ist noch offen, was mit ihnen in Zeiten einer allgemeinen Krise oder einer Krise in einem oder mehreren Mitgliedstaaten geschieht. Welche Folgen hat die Aufteilung der Emissionen in Tranchen nun, da es so scheint, dass die (risikoärmeren) Senior-Tranchen nur dann am Markt platziert werden können, wenn genügend Anleger für die (risikoreichere) Junior-Tranche gefunden werden? Emissionen scheinen dadurch zufallsabhängig und prekär zu werden, und zumindest untergräbt diese Schwäche den potenziellen Erfolg der SBBS.

1.8.

Ebenso sehr ist ein positiver Ansatz der „Märkte“ und anderer wichtiger Akteure in Bezug auf SBBS von Bedeutung. Denn sie müssen ja willens sein, sie zu nutzen und dieses Instrument Wirklichkeit werden zu lassen. Die Märkte und die Vertreter der Mitgliedstaaten haben allerdings in den vorbereitenden Konsultationen der Interessenträger recht scharfe Kritik geäußert. Nach Auffassung des Ausschusses ist es unabdingbar, einen Dialog mit allen Beteiligten aufzunehmen und sich abzustimmen, um gemeinsam zu konstruktiven Lösungen zu gelangen.

1.9.

Insgesamt gesehen und unter Berücksichtigung aller vorgenannten Erwägungen ist der EWSA der Ansicht, dass die Erprobung des neuen Finanzinstruments der SBBS am Markt die einzige Möglichkeit ist, um festzustellen, ob die Banken bereit sind, im Hinblick auf ihre Anlagen von Anleihen ihrer Herkunftsländer auf SBBS umzustellen, und ob die Anleger bereit sind, die „Junior“-Tranchen in ausreichender Menge zu kaufen, um die Einführung von SBBS zu rechtfertigen.

1.10.

Abschließend ist der Ausschuss der Ansicht, dass die Frage, ob SBBS auch von privaten Sparern und Verbrauchern erworben werden können, weiter zu prüfen ist. Angesichts der besonders hohen Komplexität des Produkts einerseits und seiner Aufteilung in Tranchen andererseits neigt der Ausschuss zu der Auffassung, dass ein solcher Erwerb nur für „Senior“-, nicht aber für „Junior“-Tranchen in Betracht zu ziehen ist. Nur bei Ersteren bleibt das Risiko begrenzt und ist ein Vergleich mit dem direkten Besitz von Staatsanleihen durch diese Sparer und Verbraucher möglich.

2.   Hintergrund

2.1.

Am 24. Mai 2018 legte die Kommission ihren Vorschlag (1) für eine durch die Marktnachfrage bestimmte Entwicklung von staatsanleihebesicherten Wertpapieren (Sovereign Bond-Backed Securities — SBBS) vor.

2.2.

Dieser Vorschlag fügt sich in den umfassenderen Rahmen für die Vollendung der Bankenunion und den Aufbau einer Kapitalmarktunion (KMU) ein. Insbesondere wird der Schwerpunkt auf eine weitere Lockerung der Verflechtung zwischen Banken und Staaten („Sovereigns“) gelegt und auf die Risikominderung und privatwirtschaftliche Risikoteilung gesetzt. Sein grenzüberschreitender Charakter soll zudem zu einer stärkeren Integration und Diversifizierung der Finanzmärkte für Staatsanleihen im Binnenmarkt führen.

2.3.

Bisher haben die Banken große Mengen an Staatsanleihen ihrer Heimatstaaten (Herkunftsländer) gehalten, was, wie sich in der Finanzkrise gezeigt hat, gewisse Risiken bergen kann. Daher sind seither Rufe lauter geworden, diese Verflechtung zu lockern.

2.4.

Die Antwort in Form staatsanleihebesicherter Wertpapiere soll den Banken eine bessere geografische Diversifizierung ihres Staatsanleihenportfolios ermöglichen. Berücksichtigt werden dabei zudem einerseits das geringere Angebot an derartigen Anleihen und andererseits die gestiegene Nachfrage nach solchen Anlagen seitens der Finanzinstitute, die u. a. auf die neuen gesetzlichen Anforderungen für den Besitz ausreichender Puffer aus hoch liquiden Anlagen zurückzuführen ist.

2.5.

SBBS sind ein neuartiges Finanzinstrument. Mit dem vorliegenden Vorschlag sollen die Hindernisse beseitigt werden, die ihre Entwicklung bisher behindert haben. Im Wesentlichen werden mit dem vorgeschlagenen Rahmen zwei Ziele verfolgt:

2.5.1.

die Schaffung eines angepassten allgemeinen Rahmens für SBBS, der dieses neue Instrument „standardisiert“, was auch seiner Liquidität zugutekommt, und

2.5.2.

damit zusammenhängend die Beseitigung rechtlicher Hindernisse, die der Nutzung und dem Erwerb von SBBS im Wege stehen. Im Wesentlichen bedeutet dies, dass bei Anlegern, die solche SBBS erwerben, ein Transparenzansatz („Look-through-approach“) zur Anwendung kommt. Damit werden in rechtlicher Hinsicht dieselben Vorschriften gelten wie für den Fall, dass sie zugrunde liegende Staatsanleihen selbst halten.

2.6.

Ein besonderes Kennzeichen und zugleich eine wesentliche Eigenschaft der SBBS betrifft ihr zugrunde liegendes Portfolio. Um die oben erwähnte geografische Risikostreuung in der Bankenunion und im Binnenmarkt umzusetzen, muss es ausschließlich aus Staatsanleihen aller Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets zusammengesetzt sein. Als weitere Einschränkung kommt hinzu, dass nur in Euro ausgegebene Emissionen in Frage kommen. Diese Staatsanleihen werden in die SBBS im Verhältnis zum wirtschaftlichen Gewicht des betreffenden Mitgliedstaats aufgenommen.

2.7.

Ein weiteres sehr spezifisches Merkmal ist, dass die Anleger die Risiken und Verluste tragen. Die SBBS werden in Tranchen unterteilt, und es kann zwischen Senior- und Junior-Tranchen, die jeweils risikoärmer bzw. risikoreicher sind, gewählt werden. Die zugrunde liegenden Portfolios sind übrigens die einzige Garantie, da es sich bei den Emittenten der SBBS um Zweckgesellschaften handeln soll, die keinen weiteren Tätigkeiten nachgehen dürfen und gegen die keine Regressansprüche geltend gemacht werden können (2).

2.8.

Auch im Hinblick auf die Anleger kommt, wie weiter oben bereits erwähnt, in Bezug auf die rechtliche Behandlung von SBBS der Transparenzansatz („Look-through-approach“) zur Anwendung. Dadurch steht nicht mehr die rechtliche „Verpackung“ dieses Instruments als „Verbriefung“ (3) im Fokus, sondern die zugrunde liegende Staatsanleihe, die in den SBBS enthalten ist. Gegebenenfalls erhalten Anleger für SBBS, die sämtliche Bedingungen erfüllen, dieselbe rechtliche Behandlung in Sachen Kapitalanforderungen, Konzentrations- und Liquiditätsgrenzen wie für die von ihnen direkt gehaltenen Staatsanleihen.

2.9.

Mit den vorliegenden Vorschlägen werden die Voraussetzungen und die Bedingungen für die SBBS sowie deren aufsichtliche Behandlung geschaffen, für ihre Nutzung kommt es jedoch letztlich auf den „Markt“ an. Anbieter und Anleger werden die endgültige Entscheidung darüber treffen, ob dieses neue Finanzinstrument umgesetzt und, falls ja, inwieweit davon Gebrauch gemacht wird.

3.   Kommentare und Anmerkungen

3.1.

Der EWSA begrüßt diesen Vorschlag zu SBBS im umfassenderen Rahmen der Vollendung der Bankenunion und des Aufbaus einer Kapitalmarktunion. Der Ausschuss hat sich in der Vergangenheit als entschiedener Fürsprecher und Unterstützer dieser beiden Unionen positioniert (4).

3.2.

Konkret zielen diese Vorschläge auf die weitere Entflechtung der Verbindungen zwischen den Banken und ihren Herkunftsländern ab. Seit der Finanzkrise setzt sich der Ausschuss nachdrücklich für die Umsetzung dieser Entflechtung ein und begrüßt daher, dass sich der vorliegende Vorschlag mit diesem Thema befasst und dabei den Kontext berücksichtigt, nämlich das abnehmende Angebot an Staatsanleihen bei gleichzeitig steigender Nachfrage.

3.3.

SBBS können als neues Finanzinstrument dazu beitragen, dass Banken und andere Finanzinstituten ihren Bestand an Staatsanleihen diversifizieren und weiter streuen. Dies trägt zweifellos zu einer Minderung der Risiken im Finanzsektor bei.

3.4.

Die Vorschläge haben lediglich zum Ziel, geeignete Rahmenbedingungen für eine marktbasierte Entwicklung von staatsanleihebesicherten Wertpapieren zu schaffen. Wenn der Markt die tatsächliche Entwicklung aufgreift, wird dies zur Entstehung eines neuen Finanzinstruments und eines Markts dafür führen. Für die Auswirkungen einer solchen Entwicklung wurden von der Kommission zwei Szenarien aufgestellt (5). Würden SBBS nur in begrenztem Umfang geschaffen, ginge es um einen Betrag von etwa 100 Mrd. EUR; in einem weiter gefassten Rahmen von über 1 500 Mrd. EUR würde makroökonomische Relevanz erreicht werden.

3.5.

Eine breite Streuung der SBBS könnte zudem eine stärkere Integration der Finanzmärkte bewirken und würde so zur Verbesserung der finanziellen Stabilität und Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems beitragen.

3.6.

Für den EWSA ist es wichtig, dass der vorgeschlagene grundlegende Rahmen unter allen Bedingungen klar, wirksam und effektiv ist und keine negativen oder nachteiligen Folgen hat. Daneben und zur Steigerung der Erfolgschancen ist ein positiver Ansatz in Bezug auf die „Märkte“ und andere wichtige Akteure sehr wichtig. Denn letztlich müssen sie ja willens sein, die SBBS tatsächlich zu nutzen.

3.7.

Die Märkte und die Vertreter der Mitgliedstaaten haben allerdings in den vorbereitenden Konsultationen der Interessenträger recht scharfe Kritik geäußert. So vertraten die Marktteilnehmer unterschiedliche Ansichten im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der SBBS. Schuldenverwalter (Debt Management Officers — DMO) sind wiederum der Auffassung, dass SBBS weder die Verflechtung zwischen den Banken und ihren Herkunftsländern lockern, noch risikoarme Vermögenswerte schaffen werden. Und Vertreter der Mitgliedstaaten ließen noch jüngst verlauten, dass sie keinen unmittelbaren Bedarf an SBBS sehen (6). Nach Auffassung des Ausschusses ist es unabdingbar, einen Dialog mit allen Beteiligten aufzunehmen und sich abzustimmen, um gemeinsam zu konstruktiven Lösungen zu gelangen.

3.8.

Ungeachtet der obigen und nachstehenden Ausführungen unterstützt der EWSA grundsätzlich den vorgeschlagenen regulatorischen Rahmen für SBBS, zumal dieser die Sanktionierung ähnlicher Instrumente abschafft und gleichzeitig einen „Referenz“-Ansatz verfolgt.

3.9.

Diese Unterstützung gilt u. a. dafür, dass die Umsetzung und die Ausgabe der SBBS durch Unternehmen aus dem Privatsektor zu erfolgen haben. Es erscheint angebracht, dass es sich beim Emittenten um eine Zweckgesellschaft handeln muss, die keinen anderen Tätigkeiten nachgehen darf. Dadurch wird die Sache für alle klarer.

3.10.

Die obligatorische Aufnahme von in Euro begebenen Staatsanleihen aller Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets im Verhältnis zu ihrem wirtschaftlichen Gewicht (7) soll die in Ziffer 3.3 genannte Streuung und Diversifizierung bewirken. Darüber hinaus werden bestimmte Staatsanleihen für internationale Anleger durch die Aufnahme attraktiver. Dies gilt insbesondere für Staatsanleihen bestimmter Länder, die sonst in kleinen und weniger liquiden Märkten begeben werden.

3.11.

In Anbetracht der Bedeutung der oben genannten obligatorischen Aufnahme von Staatsanleihen aller Mitgliedstaaten im Verhältnis zu ihrem Gewicht stellt der EWSA das derzeit geplante System der Selbstbescheinigung durch die Emittenten in Frage. Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob nicht eine strengere vorherige Überwachung durch die ESMA angezeigt wäre.

3.12.

Hinzu kommt, dass es bei diesem neuen Instrument nicht um die Aufteilung der Risiken und Verluste zwischen den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets geht. Diese Risiken und Verluste werden vollständig von den Anlegern in SBBS getragen.

3.13.

Als Emittent begibt die Zweckgesellschaft eine Reihe von Wertpapieren, die Forderungen auf die Erträge des zugrunde liegenden Portfolios repräsentieren. Diese Wertpapiere tragen unterschiedliche Risiken, wobei „Senior-Tranchen“ (8) das geringste und „Junior-Tranchen“ das höchste Risiko tragen. De facto bedeutet dies, dass die Senior-Tranchen nur dann am Markt platziert werden können, wenn genügend Anleger für die Junior-Tranche gefunden werden (9). Dadurch wird jede Emission zufallsabhängig und prekär. Diese Schwäche untergräbt das Erfolgspotenzial der SBBS.

3.14.

Übrigens kann auch die Frage gestellt werden, ob SBBS unter allen Bedingungen wirksam und effektiv sein werden. Und was geschieht mit ihnen in Zeiten einer allgemeinen Krise oder einer Krise in einem oder mehreren Mitgliedstaaten? Diese Frage muss gestellt werden, da die jüngsten Ereignisse wieder einmal gezeigt haben, dass die Finanzmärkte auf solche Ereignisse schnell reagieren.

3.15.

Ferner müssen die Folgen der Bildung eines Marktes für SBBS zusätzlich zu dem bereits bestehenden Markt für Staatsanleihen der einzelnen Mitgliedstaaten geklärt werden. In diesem Zusammenhang stellen sich mehrere Fragen. Wird unter allen Bedingungen eine ausreichende Menge vorhanden sein? Und was, wenn dies nicht der Fall ist? Wird die Schaffung eines zusätzlichen Marktes nicht zu einer Fragmentierung und Zerstückelung führen?

3.16.

Der regulatorische Rahmen ermöglicht auch Sparern und Verbrauchern, SBBS zu erwerben und zu halten (10). Aufgrund der sehr hohen Komplexität dieser Produkte könnte die Tendenz bestehen, sie ihnen vorzuenthalten. Doch vielleicht müssen feine Unterscheidungen gemacht und muss ein Verbot nur für „Junior-Tranchen“ vorgesehen werden, gerade weil diese zudem auch große Risiken mit sich bringen können. Anders ist die Lage bei „Senior-Tranchen“, die risikoarm sind und durchaus mit direkt gehaltenen Staatsanleihen dieser Sparer und Verbraucher vergleichbar sind. Der EWSA ruft dazu auf, diese Frage weiter zu prüfen.

3.17.

Schließlich ist der EWSA der Ansicht, dass es vollkommen angebracht ist, bei der Anwendung der Vorschriften eine Gleichstellung von SBBS und den nationalen, auf Euro lautenden Staatsanleihen aus dem Euro-Währungsgebiet (Sovereign Exposures) vorzunehmen. Diese Gleichstellung soll Anlegern aus dem Finanzsektor die Möglichkeit geben, unter denselben Bedingungen in SBBS zu investieren wie in die ihnen zugrunde liegenden Staatsanleihen des Euro-Währungsgebiets.

3.18.

Insgesamt gesehen und unter Berücksichtigung aller vorstehenden Anmerkungen vertritt der EWSA die Auffassung, dass die Einführung von SBBS von der Idee her attraktiv ist, ihre Umsetzung in den Vorschlägen wirft jedoch in vielen Bereichen Fragen auf und lässt ein differenzierteres Bild entstehen. Ferner bedürfen die Kritikpunkte und skeptischen Reaktionen der Marktteilnehmer und anderer wichtiger Akteure einer Antwort. Alles in allem unterstützt der Ausschuss jedoch den Ansatz der Kommission, dass eine „echte“ Antwort in der Praxis nur möglich ist, wenn das Konzept in „realen“ Märkten erprobt wird.

Brüssel, den 17. Oktober 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  COM(2018) 339 final.

(2)  Ausnahmen bilden außergewöhnliche Fälle, wie die missbräuchliche Verwendung der Bezeichnung SBBS.

(3)  In diesem Fall würden die gesetzlichen Anforderungen strenger ausfallen.

(4)  Siehe ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 117, ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 46 und ABl. C 177 vom 18.5.2016, S. 21.

(5)  SWD(2018) 252 final, S. 70.

(6)  Diese Vorbehalte und Anmerkungen werden in Ziffer 3 der Begründung zu dem Entwurf einer Verordnung näher ausgeführt (S. 6).

(7)  Siehe Artikel 4 Absatz 2 des Vorschlags für eine Verordnung und für die Zahlen im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Gewicht der betreffenden Mitgliedstaaten: https://www.ecb.europa.eu/ecb/orga/capital/html/index.de.html.

(8)  Senior-Tranchen würden den größeren Teil der Emissionen ausmachen, Junior-Tranchen den kleineren Teil.

(9)  Bei Junior-Tranchen ist in der Regel das Risiko höher, der Ertrag aber ebenso.

(10)  Vgl. Artikel 3 Absatz 6 des Verordnungsentwurfs.


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