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Document 52013AE2677

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Grünbuch „Langfristige Finanzierung der europäischen Wirtschaft“ — COM(2013) 150 final/2

ABl. C 327 vom 12.11.2013, p. 11–14 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

12.11.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 327/11


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Grünbuch „Langfristige Finanzierung der europäischen Wirtschaft“

COM(2013) 150 final/2

2013/C 327/03

Berichterstatter: Michael SMYTH

Die Europäische Kommission beschloss am 25. März 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Grünbuch "Langfristige Finanzierung der europäischen Wirtschaft"

COM(2013) 150 final/2.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 19. Juni 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 491. Plenartagung am 10./11. Juli 2013 (Sitzung vom 10. Juli) mit 151 gegen 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Einer der wichtigsten Bestandteile der Strategie, Europa auf den Weg nachhaltigen Wachstums zurückzuführen, ist die Gewährleistung langfristiger Finanzierung zu angemessenen Kosten. Das Konsultationsdokument der Kommission ist begrüßenswert und kommt zur rechten Zeit.

1.2

Der EWSA begrüßt den Schwerpunkt, der im Grünbuch auf produktive Investitionen und die Bildung langlebiger Sachanlagen und immaterieller Vermögenswerte gelegt wird. Er empfiehlt indes der Kommission, den Bedarf an sozial nützlichen Investitionen stärker zu berücksichtigen.

1.3

Wenn Banken in Zukunft voraussichtlich eine geringere Bedeutung als Anbieter langfristiger Finanzierungen haben werden, könnten sich Gelegenheiten für andere Intermediäre wie nationale und multilaterale Entwicklungsbanken, institutionelle Anlieger, Staatsfonds und – in entscheidendem Maße – Anleihemärkte ergeben. Gleichwohl dürfen keine Hindernisse entstehen, die Banken davon abhalten könnten, ihrer Rolle als wichtigste Quellen für langfristige Finanzierungen gerecht zu werden. Außerdem ist darauf zu achten, dass Finanzierungen und Kapitalflüsse nicht aufgrund des rechtlichen Rahmens den regulierten Sektor verlassen.

1.4

Der EWSA begrüßt die jüngst erfolgte Kapitalerhöhung der EIB. Dadurch wird sie zusätzliche private Investition hebeln und eine stärkere antizyklische Rolle bei der Finanzierung von Investitionen und der Kreditversorgung von KMU spielen können. Obschon ein Kapitalzuschuss von 10 Mrd. EUR nicht unbedeutend ist, hält der EWSA diesen Betrag angesichts der Erfordernisse der aktuellen Lage für zu gering.

1.5

Die Einführung von Europa-2020-Projektanleihen, wenngleich noch in der Testphase, ist ebenfalls eine positive Entwicklung. Diese Projektanleihen wurden von der Kommission und der EIB gemeinsam konzipiert. Analoge Gemeinschaftsunternehmungen mit Staatsfonds sollten ebenfalls in Erwägung gezogen werden.

1.6

Wenn Initiativen wie Projektanleihen den Markt für anleihebasierte Finanzierung erfolgreich ausweiten konnten, sollten sie nach Ende und Auswertung der Testphase intensiviert werden.

1.7

Im Grünbuch wird die Rolle von Sparguthaben für das Angebot langfristiger Investitionsmittel untersucht. Während einige Mitgliedstaaten spezielle Anlageformen zur Mobilisierung langfristiger Ersparnisse für umfassende soziale Investitionen eingeführt haben, könnte es durchaus sinnvoll sein, über die Einführung spezifischer Instrumente auf Ebene der EU oder des Euroraums, die eventuell einen Zinsaufschlag bieten, nachzudenken.

1.8

Einige Mitgliedstaaten waren bei der Förderung des Sparens für die Altersvorsorge und anderer Sparmodelle durch geschickte steuerliche Möglichkeiten relativ erfolgreich. Die Bürger sträuben sich tendenziell gegen die Aussicht auf das Zahlen von Steuern auf das von ihnen erwirtschaftete Einkommen und das Zahlen weiterer Steuern auf langfristige Ersparnisse aus diesem Einkommen nach Steuern. Im Kontext sozial verantwortlicher Investitionen sollte es möglich sein, marktgängige und niedrig oder gar nicht besteuerte persönliche Sparprodukte mit angemessenen jährlichen Beschränkungen zu konzipieren, um die langfristige Finanzplanung zu fördern.

1.9

Die kurzfristige Ausrichtung des Finanzsystems, die eng mit Fragen der Unternehmensführung verknüpft ist, war ein maßgeblicher Hinderungsgrund für angemessene langfristige Investitionen. Die Umstellung der Anreize zur Förderung langfristiger Leistungsfähigkeit ist keine einfache Aufgabe. Der EWSA begrüßt die Empfehlungen der Kommission bezüglich der Ausweitung der Stimmrechte und Erhöhung der Dividenden für langfristige Investoren und die Veränderungen bei der Richtlinie über Aktionärsrechte. Zusätzlich könnten koordinierte Entlastungen bei der Kapitalertragssteuer erwogen werden, um Anreize zu setzen für das längerfristige Vorhalten von Wertpapieren seitens der Fondsmanager.

1.10

Bezüglich Risikokapitals enthält das Grünbuch einige interessante Empfehlungen. Der EWSA hat bereits vorgeschlagen, die Rolle des Europäischen Investitionsfonds (EIF) zu stärken und von der Darlehensvergabe auch auf die Bereitstellung von Risikokapital auszuweiten. Das wurde auch ursprünglich bei seiner Gründung im Jahr 1994 angestrebt. Würde der EIF analog zur Europäischen Investitionsbank (EIB) angemessen rekapitalisiert, könnte er zu einer der wichtigsten Quelle von Risikokapital für KMU werden.

1.11

Da nationale und regionale Regierungen über ihre Regionalentwicklungsorgane bereits an der Förderung des Fortbestands und des langfristigen Wachstums von KMU beteiligt sind, gibt es schließlich gute Gründe, dass diese Organe beim Betrieb solcher KMU-Handelsplattformen mitwirken. Diese Rolle könnte von der Bewertung der Kreditwürdigkeit anfragender KMU zur Gewährung begrenzter Garantien für institutionelle Anleger reichen.

1.12

Der EWSA würde es begrüßen, wenn sozial verantwortlichen Investitionen ein höherer Stellenwert gegeben würde und schlägt vor, eine Beobachtungsstelle zur Überwachung der Bedingungen für langfristige Investitionen einzurichten.

2.   Einleitung und Hintergrund des Grünbuchs

2.1

Der wichtigste Grund für die Kommission, das Grünbuch zu erarbeiten, liegt darin, dass Europa auf den Weg intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums zurückgeführt werden muss. Europa steht vor dem Erfordernis langfristiger, umfangreicher Investitionen als Grundlage nachhaltigen Wachstums. Die Bewältigung dieser Aufgabe wird erheblich erschwert durch die gegenwärtige Risikoscheu privater Haushalte und Unternehmen sowie durch die notwendige Haushaltskonsolidierung durch zahlreiche Regierungen, wodurch das Angebot langfristiger Finanzierungen insgesamt eingeschränkt wird.

2.2

Derzeit bestehen akute Probleme bei den traditionellen Finanzierungskanälen. Banken waren in Europa die Hauptquelle von Investitionen, aber viele von ihnen sind nun in erster Linie damit beschäftigt, ihren Fremdkapitalanteil zu verringern, weshalb sie ihrer normalen Rolle nicht nachkommen können. In dem Grünbuch wird über die gegenwärtige Krise hinausgedacht. Es werden Lösungen für die Bereitstellung langfristiger Investitionen gesucht.

2.3

Die Kommission hat den Schwerpunkt auf produktive Investitionen und die Bildung langlebiger Sachanlagen und immaterieller Vermögenswerte gelegt. Diese sind im Allgemeinen weniger prozyklisch als kurzlebigere Investitionsgüter. Die Kommission definiert langfristige Finanzierung als den Prozess, mit dem das Finanzsystem für die für langfristige Projekte notwendigen Investitionen aufkommt.

2.4

Die EU hat ein Programm zur Reform des Finanzsektors aufgenommen, um die Stabilität zu verbessern und das Vertrauen in die Finanzmärkte wiederherzustellen. Die Stabilität des Finanzsystems ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für die Förderung langfristiger Investitionen. Die Kommission nennt eine Reihe weiterer Bereiche, in denen gehandelt werden muss, wie z.B.:

Die Fähigkeit der Finanzinstitute zur Kanalisierung langfristiger Projektfinanzierungen;

Effizienz und Wirksamkeit der Finanzmärkte bei der Bereitstellung langfristiger Finanzierungsinstrumente;

Maßnahmen zur Förderung langfristigen Sparens und langfristiger Investitionen;

Erleichterung des Zugangs zu Bankkrediten und Nichtbankenfinanzierungen für KMU.

3.   Bemerkungen zu den Vorschlägen

3.1   Die Fähigkeit der Finanzinstitute zur Kanalisierung langfristiger Projektfinanzierungen

3.1.1

Geschäftsbanken. Die Untersuchung der Kommission bezüglich der Herausforderungen bei der Sicherstellung langfristiger Finanzierung in Europa ist im Großen und Ganzen zutreffend. Die traditionelle wichtige Funktion der Banken als Hauptquellen für langfristige Finanzierungen ändert sich, und Banken werden diesbezüglich in der Zukunft an Bedeutung verlieren. Die potenzielle Unvereinbarkeit einiger neuer Bankenregulierungen mit den Zielen des Grünbuchs bei der Förderung langfristiger Investitionen wird nicht erörtert. Im Grünbuch wird lediglich festgestellt, dass die Auswirkungen jüngster und voraussichtlicher Finanzreformen das Aktivitätsniveau der Banken in der Kette der Intermediäre dämpfen könnte. Zwischen den aufsichtsrechtlichen Anforderungen von Basel III und den Anreizen für die Banken, langfristige Finanzierungen zur Verfügung zu stellen, sollte ein besseres Gleichgewicht gefunden werden. Jedenfalls ist es wahrscheinlich, dass sich neue Möglichkeiten eröffnen für andere Finanzintermediäre wie z.B. nationale und multinationale Entwicklungsbanken, institutionelle Anleger, verstärkte Nutzung von Anleihemärkten und Staatsfonds.

3.1.2

Nationale und multilaterale Entwicklungsbanken. Diese Institute spielen bei der Risikoteilung mit privaten Investoren und Akteuren zur Entwicklung bedeutender Projekte eine wichtige Rolle und beugen somit Marktversagen vor. Aufgrund ihres längerfristigen strategischen Handelns haben sie auch eine antizyklische Funktion. Die EIB und der EIF spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Risikoteilung. Die unlängst erfolgte Kapitalerhöhung der EIB – wenngleich nach Auffassung des EWSA unzureichend – wird zweifelsohne ihre Fähigkeit zur Hebelung weiterer privater Finanzierungen steigern. Der EWSA fordert die EIB auf, mehr zu tun für die Förderung wichtiger grenzüberschreitender Infrastrukturobjekte, die mit besonderen finanziellen Hindernissen zu kämpfen haben.

3.1.3

Der EWSA begrüßt das Auflegen von Europa-2020-Projektanleihen, die nun in eine Reihe von öffentlich-privaten Partnerschaftsprojekten für Infrastrukturmaßnahmen in den Bereichen Energie, Verkehr und IKT gelenkt werden (1). Die Kommission erwähnt auch die mögliche Rolle von Staatsfonds bei längerfristigen Finanzierungen. In Anlehnung an die von der Kommission und der EIB gemeinsam entwickelten Projektanleihen könnte es sinnvoll sein, eine ähnliche gemeinsame Initiative mit Staatsfonds zu konzipieren und dadurch die für längerfristige Finanzierungen insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel zu mehren.

3.1.4

In Bezug auf die institutionellen Anleger wird im Grünbuch ein möglicher Zielkonflikt zwischen dem Bedürfnis der wirksamen Regulierung des Kapitalanlagerisikos der Versicherungsunternehmen und der Notwendigkeit, sie zur Finanzierung längerfristiger Investitionen anzuregen, festgestellt. Derzeit laufen diesbezügliche Gespräche zwischen der Kommission und der Europäischen Aufsichtsbehörde über das Versicherungswesen. Die Kommission beabsichtigt, Vorschläge zu Fonds für langfristige Investitionen auszuarbeiten, um die Schaffung einer Reihe von Verfahren zur Risikobündelung unter Beteiligung verschiedener Arten institutioneller Anleger anzuregen. Dieser Vorschlag ist sehr zu begrüßen. Pensionsfonds könnten bei den langfristigen Finanzierungen eine wichtigere Rolle spielen, aber sie stoßen dabei auf zahlreiche institutionelle, regulatorische und politische Hindernisse. Insbesondere sind sie von den Versuchen politischer Entscheidungsträger betroffen, sie mit der Finanzierung bestimmter Projektarten zu betrauen, die nicht im Interesse ihrer Mitglieder liegen. Pensionsfonds sollten konsultiert werden bei der Frage, wie diese Hindernisse verringert oder beseitigt werden könnten. Die Schaffung der Bankenunion könnte in diesem Zusammenhang hilfreich sein.

3.1.4.1

Anreize bei der Körperschaftsteuer könnten auch ein Mittel sein, um institutionelle Anleger zu verstärkter Bereitstellung langfristiger Finanzierungen zu bewegen. Ein System degressiver Erleichterungen bezüglich der Finanzierung großer Infrastrukturvorhaben könnte institutionelle Anleger zu einer größeren Beteiligung in diesem Bereich bewegen.

3.2   Effizienz und Wirksamkeit der Finanzmärkte bei der Bereitstellung langfristiger Finanzierungsinstrumente

3.2.1

Im Grünbuch wird festgestellt, dass einige Kapitalmärkte in Europa sich weiterentwickeln und reifen müssen, um das Volumen der verfügbaren langfristigen Finanzierungen zu vergrößern. Die europäischen Anleihemärkte sind weniger entwickelt als die der USA und gelten für die meisten Unternehmen mit mittlerer Marktkapitalisierung (Mid Caps) und KMU als unerreichbar. Selbst die Einführung von Projektanleihen wurde von den Ratingagenturen mit verhaltener Zustimmung aufgenommen. Dies veranschaulicht den steinigen Weg bei der Ausweitung der Kapazitäten des Anleihemarkts. Wenn Initiativen wie Projektanleihen, die bis zu 4,6 Mrd. EUR für neue Infrastrukturprojekte aufbringen könnten, den Markt für anleihebasierte Finanzierung erfolgreich ausweiten, sollten sie nach Ende und Auswertung der Testphase intensiviert werden.

3.3   Maßnahmen zur Förderung langfristigen Sparens und langfristiger Investitionen

3.3.1

Die Faktoren, die langfristiges Sparen und Finanzieren beeinflussen, werden eingehend bewertet. Auf der Angebotsseite ist noch viel zu tun, wenngleich einige Mitgliedstaaten Anstrengungen zur Ausweitung langfristiger Sparmöglichkeiten unternommen haben. Im Grünbuch wird die Schaffung von Instrumenten auf EU-Ebene vorgeschlagen, mit denen langfristige Ersparnisse mobilisiert werden sollen, die mit weiterreichenden gesellschaftlichen Zielen verknüpft werden. Diese Idee könnte im Zusammenhang des Ausbaus grenzüberschreitender Infrastrukturen von Vorteil sein. Damit könnte auch die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt und eine Planung der Altersvorsorge im Binnenmarkt gefördert werden. Es könnte notwendig sein, neue Sparprodukte mit Prämiensätzen oder abgestuften Zinssätzen anzubieten, um längerfristiges Sparen zu fördern.

3.3.2

Besteuerung. Das Verhältnis zwischen Besteuerung, langfristigen Geldanlagen und langfristigen Finanzierungen wird ziemlich gründlich untersucht. Die Anwendung der Körperschaftsteuer auf Investitionen führt tendenziell dazu, dass schuldenbasierte Finanzierung gegenüber der Finanzierung mit Eigenkapital bevorzugt wird. Bei der Suche nach passenden Reformen zur Förderung verstärkter Finanzierung längerfristiger Investitionen durch Eigenkapital könnte über ein System degressiver Steuererleichterungen nachgedacht werden. Solche Systeme finden bei der Besteuerung von Kapitalerträgen breite Anwendung, und sie könnten so konzipiert werden, dass die gegenwärtigen Vorteile der Schuldenfinanzierung kompensiert werden.

3.3.3

Mit Blick auf langfristige Ersparnisse und Besteuerung stellt die Kommission fest, dass die Bildung stabiler, angemessener Ersparnisse gewährleistet werden muss, wofür entsprechende Anreize notwendig sind. Einige Mitgliedstaaten waren bei der Förderung des Sparens für die Altersvorsorge und anderer Sparmodelle durch geschickte steuerliche Möglichkeiten relativ erfolgreich. Die Bürger sträuben sich tendenziell gegen die Aussicht auf das Zahlen von Steuern auf das von ihnen erwirtschaftete Einkommen und das Zahlen weiterer Steuern auf langfristige Ersparnisse aus diesem Einkommen nach Steuern. Es sollte möglich sein, marktgängige und niedrig oder gar nicht besteuerte persönliche Sparprodukte mit angemessenen jährlichen Beschränkungen zu konzipieren, um die langfristige Finanzplanung zu fördern.

3.3.4

Der Rückgriff auf Steueranreize, um die erwünschten langfristigen Finanzierungen zu erhalten, ist nicht ohne Nachteile. Als problematisch könnten sich Mitnahmeeffekte und Arbitragemöglichkeiten erweisen. Gleichwohl sind steuerliche Anreize im Rahmen einer konsistenten und stabilen längerfristigen Planung notwendig, um das gewünschte Investitionsniveau anzuregen und zu halten.

3.3.5

Corporate Governance. Kurzfristiges Denken ist der Knackpunkt bei der Bereitstellung langfristiger Finanzierungen, und es ist eng mit Corporate Governance verknüpft. Bislang fördern zahlreiche Anreize für Fondsverwalter, Investmentbanker und Geschäftsführer von ihrer Natur her tendenziell kurzfristiges Denken. Die Umstellung dieser Anreize im Sinne einer stärkeren Förderung langfristiger Leistungsfähigkeit wird nicht einfach sein. Das Grünbuch enthält eine Reihe interessanter Empfehlungen, u.a. bezüglich der Ausweitung der Stimmrechte und Erhöhung der Dividenden für langfristige Investoren sowie Veränderungen bei der Richtlinie über Aktionärsrechte. Vielleicht könnte ein proaktiverer Einsatz von Erleichterungen bei der Kapitalertragsteuer ein Mittel zur Anregung längerfristiger Beteiligungen seitens der Fondsverwalter sein.

3.4   Erleichterung des Zugangs von KMU zu Bankkrediten und Nichtbankenfinanzierungen

3.4.1

Im Grünbuch wird konstatiert, dass KMU in vielen Mitgliedstaaten zunehmend Schwierigkeiten beim Zugang zu Finanzierungen haben, dank derer sie überleben und wachsen können. Abgesehen von den Auswirkungen der Verringerung des Fremdkapitalanteils der Banken sehen sich KMU mit einem fragmentierten und unübersichtlichen Mix alternativer Finanzierungsquellen konfrontiert. Lokale Banken haben weitgehend die Verbindungen zu ihrer Ursprungsregion verloren oder gelockert. Die Verbindungen zwischen den Banken und den KMU wurden geschwächt und müssen neu geknüpft bzw. verstärkt werden. Es wurden verschiedene Initiativen zur Erschließung von Nichtbankenkanälen für Darlehen für KMU ergriffen, wie z.B. der Zugang zu einigen Risikokapitalfonds und der Rückgriff auf Anlagenfinanzierung (2), "Supply-Chain"-Finanzierung und "Crowdfunding" (Schwarmfinanzierung). Hier muss noch viel mehr getan werden. Die Versicherungswirtschaft und Pensionsfonds sind gewillt, eine wichtigere Rolle zu spielen, benötigen aber angemessene Anreize. Diese Frage sollte nun von der Kommission angegangen werden. Bei künftigen Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs von KMU zu längerfristigen Finanzierungen sollte sichergestellt werden, dass diese auch in den Genuss dieser Maßnahmen in der geplanten Form kommen können – ohne übermäßige zusätzliche Bedingungen seitens der Banken, wenn diese Maßnahmen über Bankenkanäle abgewickelt werden.

3.4.2

Risikokapital. Die Kommission schlägt den Ansatz eines "Dachfonds" vor, um für Risikokapitalfinanzierung eine kritische Masse zu bilden. Außerdem könnte der vorgeschlagene Garantiefonds für institutionelle Anleger für eine Ausweitung dieses Markts sorgen. Der EWSA hat bereits vorgeschlagen, die Rolle des Europäischen Investitionsfonds (EIF) zu stärken und von der Darlehensvergabe auch auf die Bereitstellung von Risikokapital auszuweiten (3). Dies wurde auch ursprünglich bei seiner Gründung im Jahr 1994 angestrebt. Würde der EIF analog zur Europäischen Investitionsbank (EIB) angemessen rekapitalisiert, könnte er zu einer der wichtigsten Quellen von Risikokapital für KMU werden.

3.4.2.1

Hand in Hand mit der Ausweitung der Risikokapitalfinanzierung für KMU geht der Ausbau bestehender oder die Schaffung neuer Handelsplattformen für die Eigenkapitalfinanzierung von KMU. Hierzu enthält das Grünbuch eine Reihe nützlicher Vorschläge. Da nationale und regionale Regierungen über ihre Regionalentwicklungsorgane bereits an der Förderung des Fortbestands und des langfristigen Wachstums von KMU beteiligt sind, gibt es schließlich gute Gründe, dass diese Organe beim Betrieb solcher KMU-Handelsplattformen mitwirken. Diese Rolle könnte von der Bewertung der Kreditwürdigkeit anfragender KMU zur Gewährung begrenzter Garantien für institutionelle Anleger reichen.

3.4.3

Der EWSA hätte ein stärkeres Eintreten des Grünbuchs für Investitionen in sozial verantwortliche Investmentfonds mittels Einführung spezifischer Finanz- und Steuerregelungen als auch des öffentlichen Beschaffungswesens als solches begrüßt. Diesbezüglich könnte es sinnvoll sein, eine Europäische Beobachtungsstelle für langfristige Finanzierungen einzurichten. Diese Einrichtung könnte mit aktiver Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft die Entwicklungen sowohl auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite bezüglich langfristiger Finanzierungen und Ersparnisse überwachen und dabei behilflich sein, einen angemessenen Fluss von Informationen sicherzustellen, damit die Wirtschaftsakteure fundierte langfristige Investitionsentscheidungen treffen können.

Brüssel, den 10. Juli 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Siehe z.B. COM(2009) 615 final.

(2)  Siehe z.B. "Funding for Lending Scheme" http://www.hm-treasury.gov.uk/ukecon_fundingforlending_index.htm.

(3)  ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 10.


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