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Document 52011XG0708(03)

Schlussfolgerungen des Rates zur Innovation im Sektor der Medizinprodukte

ABl. C 202 vom 8.7.2011, p. 7–9 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

8.7.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 202/7


Schlussfolgerungen des Rates zur Innovation im Sektor der Medizinprodukte

2011/C 202/03

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

1.

EINGEDENK der Schlussfolgerungen des Rates vom 26. Juni 2002 (1) und vom 2. Dezember 2003 (2) sowie der anschließenden Änderungen am Rechtsrahmen für Medizinprodukte (3),

2.

UNTER HINWEIS AUF die Schlussfolgerungen (4) der Hochrangigen Konferenz zum Thema Innovation in der Medizintechnik vom 22. März 2011 in Brüssel,

3.

IN ANBETRACHT

der großen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie der alternden Bevölkerung, mit denen Europa auf lange Sicht konfrontiert sein wird, und die innovative Gesundheitssysteme erfordern werden;

der wichtigen Rolle der Medizinprodukte in der Gesundheitsfürsorge und im Sozialwesen, ihres Beitrags zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und der Tatsache, dass sie schon jetzt einen beträchtlichen Teil der Ausgaben im Gesundheitswesen ausmachen;

dessen, dass die Entwicklung von Medizinprodukten innovative Lösungen im Bereich der Diagnose, Prävention, Behandlung und Rehabilitation erbringen kann, die die Gesundheit und Lebensqualität von Patienten, Menschen mit Behinderungen und ihren Familienangehörigen verbessern sowie zur Entschärfung des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen und zur Nachhaltigkeit der Gesundheitssysteme beitragen könnten;

dessen, dass Innovation im Bereich der Medizinprodukte dazu beitragen sollte, die Sicherheit von Patienten und Benutzern ständig weiter zu verbessern;

der europäischen Innovationspartnerschaft im Bereich „aktives und gesundes Altern“, die die Europäische Kommission mit dem Ziel eingeleitet hat, gesellschaftlichen Herausforderungen durch Innovation zu begegnen;

dessen, dass der Sektor Medizinprodukte in Europa rund 18 000 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) umfasst und dass dieser Tatsache bei der Annahme künftiger Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene Rechnung getragen werden muss;

der Notwendigkeit, die Rechtsvorschriften der EU für Medizinprodukte an den Bedarf von morgen anzupassen, um zu einem angemessenen, soliden, transparenten und beständigen Rechtsrahmen zu kommen, der eine wichtige Voraussetzung für die Förderung der Entwicklung sicherer, wirksamer und innovativer Medizinprodukte bildet, von denen Europas Patienten und Fachkräfte im Gesundheitswesen profitieren;

dessen, dass es für die Europäische Union von großer Bedeutung ist, weiterhin eine führende Rolle bei der internationalen Harmonisierung von Vorschriften und der Feststellung der optimalen Regulierungspraxis für Medizinprodukte wahrzunehmen, etwa durch die „Task Force für weltweite Harmonisierung“, und sich an internationalen Initiativen wie dem weltweiten Beobachtungs- und Meldesystem sowie globalen Instrumenten zur Verbesserung der Identifizierung und Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten zu beteiligen,

4.

UNTERSTREICHEND, dass Folgendes angestrebt werden muss, damit Innovationen Patienten, Fachkräften im Gesundheitswesen, der Wirtschaft und der Gesellschaft zugute kommen:

Innovationen sollten — beispielsweise durch eine stärkere Einbeziehung von Patienten, deren Familienangehörigen und Benutzern bei den Forschungs-, Innovations- und Entwicklungsprozessen — zunehmend auf die Patienten und Benutzer ausgerichtet und nachfrageorientiert sein, um den Gesundheitszustand und die Lebensqualität des Einzelnen zu verbessern;

Innovation sollte ein stärker integrierter Prozess sein, der sich auf die in anderen Bereichen wie der Informationstechnologie und der Entwicklung neuartiger Materialien gewonnenen Erfahrungen und Kenntnisse stützt;

Innovation sollte auf einem ganzheitlichen Ansatz beruhen (d.h. den gesamten Prozess der Gesundheitspflege und sämtliche Bedürfnisse der Patienten — physische, soziale, psychologische usw. — berücksichtigen);

Innovation sollte auf die Prioritäten und den Bedarf des öffentlichen Gesundheitswesens ausgerichtet sein, unter anderem um die Kosteneffizienz zu steigern;

es muss intensiver erforscht werden, welcher Bedarf mit welcher Priorität im öffentlichen Gesundheitswesen noch gedeckt werden muss, und welche medizinischen Bedürfnisse die Patienten im Einzelnen haben;

künftige legislative Maßnahmen in diesem Bereich müssen bei der Anpassung des europäischen Regelungsrahmens insbesondere darauf abzielen, die Patientensicherheit zu erhöhen und zugleich einen beständigen Rechtsrahmen zu schaffen, der Innovation im Bereich der Medizinprodukte, die zu einem gesunden, aktiven und unabhängigen Leben beitragen kann, begünstigt,

5.

ERSUCHT DIE KOMMISSION UND DIE MITGLIEDSTAATEN,

Maßnahmen zu fördern, die wertvolle, innovative Lösungen mit nachweislichem Nutzen zur Anwendung bringen, und Fachkräfte im Gesundheitswesen, Patienten und Familienangehörige besser in Bezug auf deren Anwendung zu informieren und zu schulen;

die Erfassung und den Austausch bewährter einzelstaatlicher und europäischer Verfahren im Bereich Innovation fortzusetzen und gegebenenfalls im Hinblick auf die Übertragung von Erfahrungen aus nationalen oder regionalen Studien und Pilotprojekten auf die multinationale, multiregionale oder europäische Ebene den Forschungseinsatz zu verstärken;

eine engere Zusammenarbeit und einen verstärkten Dialog zwischen den verschiedenen am Innovationsprozess beteiligten Akteuren zu gewährleisten (z.B. durch Netze und Cluster);

wertvolle Innovationen durch eine entsprechende öffentliche Beschaffungspolitik unter gebührender Beachtung der Sicherheitsaspekte zu fördern;

bestehende Maßnahmen zu berücksichtigen und wenn nötig weitere Maßnahmen zu erwägen, die die Innovationsfähigkeit fördern, beispielsweise den Einsatz innovativer Finanzierungssysteme, die insbesondere auf KMU ausgerichtet und so konzipiert sind, dass die Ressourcen aus dem öffentlichen und dem privaten Sektor optimal genützt werden;

Fragen der Interoperabilität und Sicherheit im Zusammenhang mit der Integration von Medizinprodukten in e-Health-Systeme, insbesondere personalisierte und mobile e-Health-Systeme (p-Health bzw. M-Health) besondere Aufmerksamkeit zu widmen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Einsatz gesundheitsbezogener IKT-Systeme ausschließlich in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegt;

eine umfassendere Berücksichtigung der Bedürfnisse von Patienten und Fachkräften des Gesundheitswesens bei der Entwicklung von Medizinprodukten zu fördern;

zu prüfen, wie Patienten und Fachkräfte des Gesundheitswesens im Hinblick auf die Beobachtung und Meldung von Vorkommnissen stärker einbezogen werden können, um das Beobachtungs- und Meldesystem für Medizinprodukte zu verbessern;

einen frühzeitigen Dialog zwischen Herstellern, wissenschaftlichen und klinischen Experten, den zuständigen Behörden und gegebenenfalls den benannten Stellen insbesondere im Hinblick auf „neue Produkte“ und deren Einstufung zu fördern;

gegebenenfalls für eine engere Zusammenarbeit zwischen den Behörden einschlägiger Bereiche zu sorgen;

zu prüfen, wie und in welchem Maße die Förderung von Medizinprodukten am wirksamsten und effizientesten geregelt werden kann,

6.

ERSUCHT DIE KOMMISSION, bei ihrer künftigen gesetzgeberischen Arbeit den folgenden Überlegungen Rechnung zu tragen:

Um bei Entscheidungen eine hohe Zuverlässigkeit, Vorhersehbarkeit, Geschwindigkeit und Transparenz zu erreichen und zu gewährleisten, dass sie auf wissenschaftlich belegten Daten beruhen, sind entsprechende Mechanismen erforderlich.

Das System der risikobezogenen Klassifizierung sollte verbessert werden (insbesondere im Hinblick auf In-vitro-Diagnostika und gegebenenfalls „neue Produkte“).

Klinische Daten aus vor dem Inverkehrbringen durchgeführten Studien und nach dem Inverkehrbringen gewonnenen Erfahrungen (Vorkommnismeldungen, klinische Überwachung nach dem Inverkehrbringen, europäische Register) müssen auf transparente Weise und in größerem Umfang gesammelt werden, um klinische Nachweise zu erbringen, die die Regulierungsvorgaben erfüllen und gegebenenfalls die Bewertung gesundheitsrelevanter Verfahren und Technologien unterstützen, wobei die einzelstaatliche Zuständigkeit für Letzteres in vollem Umfang gewahrt bleibt. Ferner sollten Methoden geprüft werden, die gewährleisten, dass die benannten Stellen hinsichtlich der entsprechenden Fachkenntnisse besser ausgestattet sind, um bei der Auswertung solcher Daten zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen.

Die Verpflichtungen und Zuständigkeiten aller Wirtschaftsbeteiligten und die Rolle anderer Akteure (insbesondere der zuständigen einzelstaatlichen Behörden und benannten Stellen) müssen eindeutiger und einfacher geregelt werden.

Die Entwicklung einer modernen IT-Infrastruktur für eine zentrale und öffentlich zugängliche Datenbank muss im Hinblick auf die Bereitstellung wichtiger Informationen über Medizinprodukte, relevante Wirtschaftsbeteiligte, Zertifikate, klinische Untersuchungen und sicherheitsrelevante korrektive Maßnahmen im Feld (Field Safety Corrective Action, FSCA) weiterverfolgt werden. In diesem Zusammenhang ist die Möglichkeit der Einführung eines Systems zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit von Produkten und somit zur Erhöhung der Sicherheit zu untersuchen.

Wenn nötig sollten die Definition von Medizinprodukten und die Kriterien für ihre Klassifizierung klarer gefasst werden.

Angesichts der wachsenden Zahl von „Grenzfällen“ zwischen Medizin- und anderen Produkten, für die unterschiedliche Rechtsvorschriften gelten (insbesondere die Arzneimittelvorschriften, oder aber die Vorschriften für Kosmetik- und Schönheitsprodukte, Lebensmittel und Biozide), muss darüber hinaus ein einfacher und schneller Mechanismus für eine beschleunigte Annahme verbindlicher und kohärenter Beschlüsse über die Einstufung von Produkten als Medizinprodukte und die Klassifizierung von Medizinprodukten sowie über die Umsetzung dieser Beschlüsse geschaffen werden.

Was die Aufsicht über die benannten Stellen betrifft, so ist die harmonisierte Liste von Kriterien, die vor ihrer Benennung erfüllt sein müssen, noch verbesserungsbedürftig. Insbesondere sollte durch das Benennungsverfahren sichergestellt werden, dass die Stellen nur für die Beurteilung von Produkten oder Technologien benannt werden, für die sie erwiesenermaßen fachlich kompetent sind. Das Verfahren sollte auch der Notwendigkeit Rechnung tragen, die Überwachung der benannten Stellen durch einzelstaatliche Behörden zu verbessern, um eine EU-weit vergleichbare Leistung der benannten Stellen auf hohem Niveau zu gewährleisten; in diesem Zusammenhang sollte auch eine engere europäische Koordinierung zwischen den zuständigen Behörden sowie zwischen den benannten Stellen in Betracht gezogen werden.

Das System der technischen Sicherheitsüberwachung muss weiter ausgebaut werden, um eine koordinierte Analyse und erforderlichenfalls eine rasche und kohärente EU-weite Reaktion auf Sicherheitsprobleme zu ermöglichen.

Es sollte ein europäischer Koordinierungsmechanismus mit einer eindeutigen rechtlichen Grundlage und einem klaren Mandat in Betracht gezogen werden, um eine wirksame und effiziente Koordinierung zwischen den einzelstaatlichen Behörden und dabei gleiche Ausgangsbedingungen zu gewährleisten. Bei der Entscheidung über einen solchen Koordinierungsmechanismus sollten Synergien mit bestehenden Einrichtungen ausgelotet werden, die über einschlägige Erfahrung verfügen. Ferner wäre zu prüfen, welche Maßnahmen am besten im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten durchgeführt werden.

Da es sich bei Medizinprodukten um einen globalen Sektor handelt, ist eine stärkere Koordinierung mit internationalen Partnern wünschenswert, um zu gewährleisten, dass Medizinprodukte weltweit hohen Sicherheitsstandards genügen.

Es braucht einen beständigen Rechtsrahmen für Medizinprodukte, der Sicherheit gewährleistet und Innovation fördert.

Es ist zu prüfen, wie Regulierungslücken im System geschlossen werden können, beispielsweise in Bezug auf Medizinprodukte, die unter Verwendung abgetöteter menschlicher Zellen und Gewebe hergestellt werden.

Ferner ist noch eingehender zu prüfen, inwieweit stärker harmonisierte Vorschriften in Bezug auf den Inhalt, die Präsentation und die Verständlichkeit der Gebrauchsanleitungen für Medizinprodukte einführt werden müssen.


(1)  Dok. 10060/02.

(2)  Dok. 14747/03.

(3)  Richtlinie 2007/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Änderung der Richtlinien 90/385/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte und Richtlinie 93/42/EWG des Rates über Medizinprodukte sowie der Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten (ABl. L 247 vom 21.9.2007, S. 21).

(4)  http://ec.europa.eu/consumers/sectors/medical-devices/files/exploratory_process/hlc_en.pdf


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