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Document 52011XG0708(01)

Schlussfolgerungen des Rates zum Europäischen Pakt für psychische Gesundheit und Wohlbefinden: Ergebnisse und künftige Maßnahmen

ABl. C 202 vom 8.7.2011, p. 1–3 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

8.7.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 202/1


Schlussfolgerungen des Rates zum Europäischen Pakt für psychische Gesundheit und Wohlbefinden: Ergebnisse und künftige Maßnahmen

2011/C 202/01

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION

1.

VERWEIST DARAUF, dass die Tätigkeit der Union gemäß Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die Politik der Mitgliedstaaten ergänzt und auf die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, die Verhütung von Humankrankheiten und die Beseitigung von Ursachen für die Gefährdung der körperlichen und geistigen Gesundheit gerichtet ist; ferner fördert die Union die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in den Bereichen, in denen die Mitgliedstaaten im Benehmen mit der Kommission ihre Politiken und Programme untereinander koordinieren, und die Kommission kann in enger Verbindung mit den Mitgliedstaaten alle Initiativen ergreifen, die dieser Koordinierung förderlich sind, insbesondere Initiativen, die darauf abzielen, Leitlinien und Indikatoren festzulegen, den Austausch bewährter Verfahren durchzuführen und die erforderlichen Elemente für eine regelmäßige Überwachung und Bewertung auszuarbeiten;

2.

VERWEIST AUF das Grünbuch der Kommission vom 14. Oktober 2005 mit dem Titel „Die psychische Gesundheit der Bevölkerung verbessern – Entwicklung einer Strategie für die Förderung der psychischen Gesundheit in der Europäischen Union“;

3.

VERWEIST AUF die Erklärung der Europäischen Ministeriellen Konferenz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom 15. Januar 2005 über die Herausforderungen im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit in Europa und der Entwicklung von Lösungsansätzen;

4.

VERWEIST AUF die hochrangig besetzte EU-Konferenz „Gemeinsam für psychische Gesundheit und Wohlbefinden“, die am 13. Juni 2008 in Brüssel stattfand und auf der der „Europäische Pakt für psychische Gesundheit und Wohlbefinden“ begründet wurde;

5.

VERWEIST AUF den Bericht der WHO von 2010 über psychische Gesundheit und Entwicklung mit dem Titel „Targeting people with mental health conditions as a vulnerable group“, der in der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen 65/95 vom 1. Dezember 2010 über globale Gesundheit und Außenpolitik begrüßt wurde;

6.

VERWEIST AUF die Leitinitiative „Europäische Plattform gegen Armut“ der Strategie Europa 2020, in der es heißt, dass in fast jeder Hinsicht Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen zu den am stärksten sozial Ausgegrenzten zählen und alle Betroffenen Stigmatisierung, Diskriminierung und Ausgrenzung als wesentliche Hürden auf dem Weg zu Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität nennen;

7.

VERWEIST AUF die Leitinitiative „Eine Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten“ der Strategie Europa 2020 und auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Europas Beitrag zur Vollbeschäftigung“ (1), in der es heißt, dass für eine erhebliche Anhebung der Beschäftigungsquoten auch der körperliche und geistige Gesundheitszustand der Arbeitskräfte bei den Anforderungen des heutigen Berufslebens zu berücksichtigen ist, das durch mehr Übergänge zwischen intensiveren und fordernderen Tätigkeiten und neue Formen der Arbeitsorganisation gekennzeichnet ist;

8.

VERWEIST AUF die Konferenz zum Thema „Pionierforschung in der Neuropsychiatrie mit Schwerpunkt auf Depression, Angst und Schizophrenie“, die am 18. und 19. März 2011 in Budapest stattfand;

9.

ERKENNT AN, dass das psychische Wohlbefinden ein wesentlicher Bestandteil von Gesundheit und Lebensqualität und eine Voraussetzung für die Fähigkeit, zu lernen, zu arbeiten und einen Beitrag zum sozialen Leben zu leisten, ist;

10.

ERKENNT AN, dass gemäß jüngster Forschungsergebnisse ein hohes Niveau an psychischer Gesundheit und Wohlbefinden der Bevölkerung ein wichtiger Faktor für die Wirtschaft ist, und dass psychische Störungen wirtschaftliche Verluste — z.B. durch niedrigere Produktivität und niedrigere Beteiligung am Arbeitsmarkt — und Kosten für Einzelpersonen, Familien und Gemeinschaften, die mit psychischen Störungen befasst sind, verursachen;

11.

ERKENNT AN, dass psychische Störungen eine Behinderung darstellen und den größten Anteil hinsichtlich der behinderungsbereinigten Lebensjahre in der EU ausmachen, wobei Depression und Angst die wesentlichen Ursachen dieser Belastung sind;

12.

ERKENNT AN, dass nach Schätzungen der WHO jeder vierte Mensch mindestens einmal in seinem Leben von psychischen Störungen betroffen ist, die sich in jedem beliebigen Jahr bei über 10 % der EU-Bevölkerung manifestieren;

13.

ERKENNT AN, dass Selbstmord mit über 50 000 Todesfällen pro Jahr in der EU nach wie vor eine wesentliche Ursache von vorzeitigem Tod in Europa ist und dass in neun von zehn Fällen im Vorfeld psychische Störungen auftreten;

14.

ERKENNT AN, dass es erhebliche Unterschiede beim Stand der psychischen Gesundheit zwischen Mitgliedstaaten und innerhalb von Mitgliedstaaten sowie zwischen sozialen Gruppen gibt, wobei sozioökonomisch benachteiligte Gruppen am stärksten gefährdet sind;

15.

ERKENNT AN, dass die Determinanten für psychische Gesundheit und Wohlbefinden wie soziale Ausgrenzung, Armut, Arbeitslosigkeit, schlechte Wohnverhältnisse und schlechte Arbeitsbedingungen, Ausbildungsprobleme, Missbrauch, Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern, Ungleichbehandlung der Geschlechter sowie Risikofaktoren wie Alkohol- und Drogenmissbrauch faktorübergreifend bedingt sind und oft außerhalb der Gesundheitssysteme liegen und dass daher für eine Verbesserung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens der Bevölkerung innovative Partnerschaften zwischen dem Gesundheitssektor und anderen Sektoren wie dem Sozial-, dem Wohnungs-, dem Beschäftigungs- und dem Bildungssektor erforderlich sind;

16.

ERKENNT AN, wie wichtig Bildungseinrichtungen und Arbeitsplätze als Orte für Maßnahmen im Bereich der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens sind, und welchen Nutzen sie für ihre eigenen Zwecke aus solchen Maßnahmen ziehen können;

17.

ERKENNT AN, dass Behörden und andere Akteure auf regionaler und lokaler Ebene eine zentrale Rolle bei Maßnahmen für psychische Gesundheit und Wohlbefinden spielen, sowohl im Rahmen ihres unmittelbaren Wirkens zur Verbesserung des psychischen Wohlbefindens als auch im Rahmen der Förderung der Beteiligung anderer Sektoren und Gemeinschaften;

18.

ERKENNT AN, dass die Nutzer von Diensten im Bereich der psychischen Gesundheit und ihre Familienmitglieder, ihre Betreuer sowie ihre Organisationen aufgrund ihrer Erfahrungen einen spezifischen und wertvollen Beitrag leisten können und in politische Maßnahmen zu psychischer Gesundheit und Wohlbefinden einbezogen werden sollten;

19.

ERKENNT die Notwendigkeit der Forschung zu psychischer Gesundheit und Wohlbefinden sowie psychischen Störungen AN und BEGRÜSST den Beitrag, den die Forschungsrahmenprogramme der EU hierzu geleistet haben;

20.

BEGRÜSST die Ergebnisse der fünf im Rahmen des Europäischen Pakts für psychische Gesundheit und Wohlbefinden veranstalteten Fachkonferenzen (2):

Konferenz zur „Förderung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens von Kindern und Jugendlichen — Wege zur Verwirklichung“ vom 29./30. September 2009 in Stockholm,

Konferenz zur „Prävention von Depression und Selbstmord — Wege zur Verwirklichung“ vom 10./11. Dezember 2009 in Budapest,

Konferenz zum Thema „Psychische Gesundheit und Wohlbefinden älterer Menschen — Wege zur Verwirklichung“ vom 28./29. Juni 2010 in Madrid,

Konferenz zur „Förderung der sozialen Eingliederung und Bekämpfung von Stigmata für bessere psychische Gesundheit und Wohlbefinden“ vom 8./9. November 2010 in Lissabon,

Konferenz zur „Förderung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz“ vom 3./4. März 2011 in Berlin;

21.

ERSUCHT die Mitgliedstaaten,

psychische Gesundheit und Wohlbefinden zu einer Priorität ihrer Gesundheitspolitik zu machen und Strategien und/oder Aktionspläne zu psychischer Gesundheit, u.a. zu den Themen Prävention von Depression und Selbstmord, zu erstellen;

die Prävention psychischer Störungen und die Förderung von psychischer Gesundheit und Wohlbefinden als wesentlichen Bestandteil in diese Strategien und/oder Aktionspläne aufzunehmen, die in Partnerschaft mit den einschlägigen Akteuren und anderen Politikbereichen durchzuführen sind;

die sozialen Determinanten und die Infrastruktur zu verbessern, die das psychische Wohlbefinden unterstützen, und den Zugang zu diesen Infrastrukturen für Menschen, die an psychischen Störungen leiden, zu verbessern;

soweit dies möglich und zweckdienlich ist, über lokale Gemeinschaften sozial integrative Behandlungs- und Betreuungsmodelle zu fördern;

Maßnahmen gegen die Stigmatisierung und Ausgrenzung sowie die Diskriminierung von Menschen mit psychischen Problemen zu ergreifen und ihre soziale Eingliederung und ihren Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung, Wohnraum und Arbeit zu fördern;

die durch die Strukturfonds gebotenen Möglichkeiten im Bereich der psychischen Gesundheit optimal zu nutzen, insbesondere für die Reform und weitere Verbesserung ihrer Fürsorgesysteme für psychische Gesundheit, und zwar unbeschadet des künftigen Finanzrahmens;

das durch Technologieanwendungen wie z.B. e-Health gebotene Potenzial für die Verbesserung der Fürsorgesysteme für psychische Gesundheit und der einschlägigen Dienste, die Prävention von psychischen Störungen und die Förderung des Wohlbefindens zu nutzen;

Schritte hin zu einer stärkeren Einbeziehung des Gesundheits- und des Sozialsektors zusammen mit den Sozialpartnern im Bereich psychische Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu ergreifen, um gegebenenfalls von den Arbeitgebern initiierte Programme zu unterstützen und zu ergänzen;

Tätigkeiten (z.B. Ausbildungsprogramme) zu unterstützen, die es Berufstätigen und Verantwortungsträgern insbesondere im Gesundheitswesen, in der Sozialbetreuung und am Arbeitsplatz ermöglichen, sich mit Fragen des psychischen Wohlbefindens und der psychischen Störungen zu befassen;

die Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu stärken, durch die Unterstützung positiver Elternkompetenzen, ganzheitlicher Schulkonzepte zur Verringerung von Mobbing und zur Verstärkung der sozialen und emotionalen Kompetenz, sowie die Unterstützung von Familien, in denen ein Elternteil an einer psychischen Störung leidet;

22.

ERSUCHT die Mitgliedstaaten und die Kommission,

die Zusammenarbeit als Folgemaßnahme zum Europäischen Pakt für psychische Gesundheit und Wohlbefinden fortzusetzen;

eine Gemeinsame Aktion für psychische Gesundheit und Wohlbefinden im Rahmen des EU-Programms Öffentliche Gesundheit (2008-2013) einzurichten, die eine Plattform für Gedankenaustausch, Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen Mitgliedstaaten bietet, um faktengestützte bewährte Konzepte und Verfahren zu ermitteln und Tätigkeiten insbesondere in den folgenden Bereichen zu analysieren:

Bekämpfung von psychischen Störungen durch die Gesundheits- und Sozialsysteme;

Ergreifen faktengestützter Maßnahmen gegen Depression;

Aufbau innovativer Partnerschaften zwischen dem Gesundheitssektor und anderen einschlägigen Sektoren (z.B. Sozial-, Bildungs- und Beschäftigungssektor), um die Auswirkungen politischer Maßnahmen auf die psychische Gesundheit zu erforschen, Probleme gefährdeter Gruppen im Bereich der psychischen Gesundheit und die Verknüpfung zwischen Armut und Problemen der psychischen Gesundheit anzugehen, im Bereich der Selbstmordprävention tätig zu werden, psychische Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern und psychischen Störungen in verschiedenen Umgebungen wie Arbeitsplatz und Bildungseinrichtungen vorzubeugen;

Steuerung der Entwicklung sozial integrativer Konzepte für psychische Gesundheit über lokale Gemeinschaften;

Verbesserung von Daten und Fakten zum Stand der psychischen Gesundheit der Bevölkerungen;

die interdisziplinäre Forschung zur psychischen Gesundheit zu unterstützen;

den Welttag der psychischen Gesundheit auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene durch angemessene Sensibilisierungsmaßnahmen optimal zu nutzen;

23.

FORDERT die Kommission AUF,

sich weiterhin im Rahmen der Gesundheitspolitik der EU und anderer Politikbereiche für psychische Gesundheit und Wohlbefinden in Partnerschaft einzusetzen;

den EU-Kompass für Maßnahmen für psychische Gesundheit und Wohlbefinden weiterzuentwickeln;

die Mitgliedstaaten durch die Bereitstellung von Daten zum Stand der psychischen Gesundheit in der Bevölkerung und die Forschung im Bereich der psychischen Gesundheit und ihrer Determinanten, auch der von psychischen Störungen verursachten Kosten in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Soziales, unter Berücksichtigung der einschlägigen Arbeiten der WHO und der OECD zu unterstützen;

einen Bericht über die Ergebnisse der Gemeinsamen Aktion vorzulegen, einschließlich eines Inventars der faktengestützten Maßnahmen in den Bereichen psychische Versorgung, soziale Eingliederung, Prävention und Förderung, sowie Überlegungen über künftige politische Maßnahmen als Follow-up zum Europäischen Pakt für psychische Gesundheit und Wohlbefinden anzustellen.


(1)  KOM(2010) 682 endg.

(2)  Die Unterlagen zu den Fachkonferenzen sind unter http://ec.europa.eu/health/mental_health/policy/conferences/index_en.htm erhältlich.


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