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Document 52011AE1850

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Bericht der Kommission — Bericht über die Wettbewerbspolitik 2010“ KOM(2011) 328 endg.

ABl. C 43 vom 15.2.2012, p. 25–29 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.2.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 43/25


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Bericht der Kommission — Bericht über die Wettbewerbspolitik 2010“

KOM(2011) 328 endg.

2012/C 43/06

Berichterstatter: Paulo BARROS VALE

Die Europäische Kommission beschloss am 10. Juni 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Bericht der Kommission — Bericht über die Wettbewerbspolitik 2010

KOM(2011) 328 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 10. November 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 476. Plenartagung am 7./8. Dezember 2011 (Sitzung vom 7. Dezember) mit 116 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

1.1   Der EWSA wertet jährlich den Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik aus und nutzt die Gelegenheit, eine Reihe von Überlegungen und Vorschlägen zu äußern, die im Laufe der Zeit von den Behörden berücksichtigt wurden. Dies hat zu verschiedenen Anpassungen beigetragen, die zu einer merklichen Effizienzsteigerung geführt haben. Die vorliegende Analyse wird zu einem Zeitpunkt vorgenommen, zu dem das Projekt Europa vor großen Herausforderungen steht. Dabei wird den Risiken einer Zersplitterung oder – nach Meinung vieler – gar eines Endes des außergewöhnlichen Integrationsprozesses Rechnung getragen, der in etwas mehr als einem halben Jahrhundert erreicht wurde. Zwei Generationen lang haben die Europäer eine großartige Zeit des Friedens und des Wohlstands erlebt, die auf der Solidarität zwischen Ländern und Regionen und einem langen Prozess der Verwirklichung gemeinsamer Politiken beruhte. Angesichts der Wahl zwischen einem unabsehbaren Rückschritt und einem historischen Fortschritt müssen wir unsere Aufmerksamkeit nun auf die verschiedenen europäischen Politikbereiche richten, vor allem die Wettbewerbspolitik. Die mögliche Renationalisierung bestimmter Politikbereiche als Folge der Krise und des Konfliktpotenzials zwischen den Mitgliedstaaten und die protektionistischen Eingriffe der Regierungen in die Wirtschaft sind Szenarien, die nicht nur den Binnenmarkt stark beeinflussen würden, sondern auch die Wettbewerbspolitik, die ihre große Bedeutung, zumindest auf interner Ebene, bereits unter Beweis gestellt hat.

1.2   Diese jüngste Ausgabe des Berichts erscheint zu dessen 40. Jahrestag. Darin werden die wichtigsten Entwicklungen der Wettbewerbspolitik und ihre Bedeutung für die Ziele der EU aufgeführt: Schaffung des Binnenmarkts, Auswirkungen seiner Vorteile auf die Verbraucher als diejenige Gruppe, die daraus die meisten Vorteile ziehen kann, und Aufbau einer wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft. Der EWSA beglückwünscht die Kommission zu diesem Bericht und zu den Errungenschaften der letzten 40 Jahre. Er weist jedoch darauf hin, dass es in diesem Dokument vornehmlich darum zu gehen scheint, die bisherige Arbeit der Kommission zu loben, die, wie im Bericht festgestellt wird, aktuellen Fragen eine untergeordnete Rolle zuweist. Dieses Dokument ist zwar sicherlich positiv zu bewerten; es wäre aber nützlicher, die Stärken und Schwächen der bisherigen Arbeit zu untersuchen und zu beurteilen, möglicherweise sogar Vergleiche zwischen EU-Mitgliedstaaten und anderen relevanten Ländern anzustellen, statt nur einen Abriss der eigenen Erfolge zu bieten. Der 40. Jahrestag wäre für die Kommission die ideale Gelegenheit gewesen, anhand einer korrekten Analyse der Geschichte eine Modernisierung und Erweiterung der Wettbewerbspolitik vorzuschlagen: Sie hätte die Entwicklung analysieren können, die durch die beschleunigte Globalisierung hervorgerufen wurde, und sie hätte die Negativfolgen von Umstrukturierungen und Standortverlagerungen für Europa abschätzen können, die auf dem ungebremsten Raubbau an personellen, materiellen und ökologischen Ressourcen in jenen Teilen der Welt beruhen, in denen nicht die Werte der europäischen Gesellschaften gelten, sondern die Kaufkraft ausgenutzt wird, die Europa seinen Bürgern bis heute garantieren konnte.

1.3   Das Jahr 2010 stand weiterhin ganz im Zeichen einer Wirtschafts- und Finanzkrise, der sich eine Staatsschuldenkrise anschloss. Der EWSA weist auf mögliche Wettbewerbsstörungen hin, die zu einer Verlängerung der Krise und der einschlägigen befristeten Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung führen können, und unterstreicht, dass es einer strengen Überwachung und frühestmöglicher angemessener Korrekturen bedarf. Wesentlich ist die Überwachung der Umsetzung der nationalen Konjunkturprogramme und ihrer Wettbewerbsfolgen mittels einer Bewertung der ergriffenen Maßnahmen: Nur so kann eine bewusste Entscheidung über die Zukunft der noch laufenden befristeten Maßnahmen zur Krisenbekämpfung herbeigeführt werden.

1.4   Der EWSA begrüßt die Entwicklungen im Bereich der internationalen Zusammenarbeit, weist aber erneut darauf hin, dass ein fairer Außenhandel gewährleistet sein muss, bei dem die Drittstaaten nicht durch Sozial- oder Umweltdumping auf unangemessene Weise von der Liberalisierung des Handelaustauschs profitieren. Die Einhaltung der internationalen Regeln des fairen Handels und der fundamentalen Normen für den Umweltschutz sowie die Niederlassungsfreiheit und das Recht auf Gründung von Wirtschaftsverbänden müssen gewährleistet werden – und Europa spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die EU muss auch sicherstellen, dass die Regeln der WTO über ein Verbot aller Maßnahmen, die europäische Unternehmen am Zugang zu den unterschiedlichen Märkten hindern würden, rigoros eingehalten werden, indem sie Vorschriften zur Förderung der Chancengleichheit erlässt – ungeachtet der Größe, des Standorts und des steuerlichen Rahmens. Die Wettbewerbspolitik der EU muss in eine neue Phase eintreten, es müssen neue Prioritäten und neue Instrumente festgelegt und wirksamere Maßnahmen im Bereich des Handels mit Drittstaaten ergriffen werden. Der EWSA ist enttäuscht, dass seine früheren einschlägigen Forderungen nicht zur Erneuerung und Erweiterung der Vision der EU in diesem Bereich geführt haben.

1.5   Die rigorose Einhaltung der grundlegenden ILO-Übereinkommen über Gewerkschaftsrechte und -freiheiten, Kinderarbeit, unmenschliche Arbeitsbedingungen und Streikrecht muss umfassend gewährleistet werden. Auf interner Ebene müssen außerdem die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in den Bereichen Beschäftigung und Chancengleichheit angeglichen werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Der von der Krise stark betroffene Arbeitsmarkt erfordert die gesamte Aufmerksamkeit, damit das Ziel des integrativen Wachstums – eine Priorität der Strategie Europa 2020 – erreicht wird, indem die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen und die Mobilität gefördert werden.

1.6   Es wird auf eine Reihe von Entwicklungen im Bereich der Strategie Europa 2020 hingewiesen, deren sektorspezifische Instrumente und Tendenzen im Bericht dargelegt werden. Es werden die Risiken der Liberalisierung des Energiesektors herausgestellt, was die Qualität und Kontinuität der Versorgung wie auch den Preis betrifft. In Bezug auf die Digitale Agenda wird erneut betont, dass die Verwalter und Nutzer von elektronischen Kommunikationsdiensten ihre Kenntnisse verbessern müssen, damit sie aus den Anstrengungen in diesem Bereich den größtmöglichen Nutzen ziehen können.

1.7   Die Spekulation auf Rohstoffpreise hat gewisse Folgen gezeitigt, wenngleich hierauf im Bericht nicht eingegangen wird. Es ist wichtig, den Markt zu unterstützen, indem Instrumente zur Kontrolle der Preisschwankungen und zur Eindämmung ihrer Auswirkungen auf den Wettbewerb geschaffen oder angewendet werden.

1.8   Der EWSA äußert sich besorgt darüber, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden ihre Rolle als Regulierungsinstanzen in Bereichen, in denen die Preise in erheblichem Maße dem Schwanken der Rohstoffpreise unterliegen und sich die Zunahme der Kosten für Rohstoffe sofort und unmittelbar auf die Endpreise auswirkt, die Senkung der Kosten aber keine entsprechenden Folgen zeitigt, nicht wahrnehmen können. Wegen ihrer Marktnähe müssen die nationalen Wettbewerbsbehörden als zentrale Schnittstellen für wettbewerbspolitische Maßnahmen dienen, indem sie die Maßnahmen auf die regionalen Märkte konzentrieren.

1.9   Es ist darauf hinzuweisen, dass der Bereich der großen Einzelhandelsunternehmen durch die nationalen Wettbewerbsbehörden überwacht werden sollte, da die Handelsmacht der wichtigsten Wirtschaftskonzerne zu gravierenden Wettbewerbsverzerrungen führen kann, wenn diese ihre dominierende Marktstellung missbrauchen. Auch wenn die Unternehmen frei entscheiden können, wie sie ihre Produkte vertreiben, besteht Anlass zur Sorge, dass in der Praxis Verträge geschlossen werden könnten, bei denen die großen Abnehmer die Preise festlegen, was offenkundig den Gesetzen und Regeln für ein Verhandlungsgleichgewicht widersprechen und allmählich den Produktionssektor und die kleinen Groß- und Einzelhändler zerstören würde.

1.10   Die Initiative des Weißbuchs von 2008 für Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts zeigt keine maßgebliche Wirkung; auch der Verbraucherschutz in diesem Bereich wird weiter geschwächt, die Verstöße gegen die Rechte der Verbraucher nehmen zu und bleiben ungeahndet. Deshalb ist es dringend geboten, die notwendigen EU-Legislativvorschläge in diesem Bereich vorzulegen, um einen wirksamen Schadensersatz bei kollektiven oder nicht klar abgegrenzten Schädigungen zu gewährleisten. Fairer Handel und lauterer Wettbewerb sind für die Verbraucher von entscheidender Bedeutung. Es müssen sachdienliche Informationen über die Qualität der Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung gestellt und Beschwerden erleichtert werden, um die Verbraucherrechte zu garantieren.

1.11   Der EWSA begrüßt die Arbeiten für ein europäisches Patent als Instrument zur Erleichterung des Zugangs zum Eigentumsschutz, da es wichtig ist, um FuE-Investitionen anzuregen, und hofft auf einen allgemeinen Konsens bei der Übernahme dieses neuen Systems des Eigentumsschutzes.

1.12   Die Selbstregulierung kann ein wirksames Mittel sein, um die Entwicklung bestimmter Märkte unter Förderung des fairen Handels zu stimulieren. Für den Umgang mit den Folgen von Entwicklungen der Märkte und ihrer Produkte und Dienstleistungen hat sie sich bereits als effektiver und flexibler erwiesen als einige Regelungen und Gesetze. In dem Bericht der Kommission wird nicht auf diese Möglichkeit eingegangen, die untersucht und erwogen werden sollte.

1.13   Im Falle der Regionen in Rand- oder Insellage der EU erschweren die Beförderungskosten für den Zugang zu den zentralen Märkten oft den gesunden Wettbewerb zwischen Unternehmen dieser Regionen und Unternehmen mit günstigerem Standort. Für derartige Fälle müssen Ausgleichsmaßnahmen und Instrumente zur Förderung der Chancengleichheit gefunden werden.

1.14   Der EWSA begrüßt die erklärte Absicht der Kommission, Änderungen im Bericht über Wettbewerbspolitik zu fördern, indem sie das Modell der bloßen Aufzählung allgemein bekannter Punkte aufgibt und jetzt den verschiedenen Forderungen des Ausschusses nachkommt. Es ist zu unterstreichen, dass der Inhalt des Dokuments auf einem strategischeren Ansatz beruhen sollte, um den Weg für eine Debatte zu bereiten, die sich nicht auf das Wettbewerbsrecht, sondern die Wettbewerbspolitik bezieht.

1.15   Der EWSA fragt sich jedoch, weshalb im Bericht der Europäischen Kommission nicht darauf hingewiesen wird, dass öffentliche Stellen, die in Bereichen tätig werden, die privatwirtschaftlichen Unternehmen offenstehen, den europäischen Verträgen gemäß zur Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften angehalten werden müssen.

2.   Inhalt des Wettbewerbsberichts 2010

2.1   Der Bericht ist in sechs Abschnitte gegliedert: Instrumente, Entwicklungen in einzelnen Wirtschaftszweigen, europäisches Wettbewerbsnetz und Zusammenarbeit mit einzelstaatlichen Gerichten, internationale Tätigkeiten, Dialog mit den Verbraucherorganisationen und Beteiligten, interinstitutionelle Kooperation.

2.2   Instrumente

2.2.1   Anwendung des vorübergehenden Beihilferahmens

2.2.1.1   Als Reaktion auf die Schwierigkeiten im Finanzsektor infolge der Staatsschuldenkrise wurde die Anwendung der Fördermaßnahmen zur Erleichterung des Zugangs der Banken zu Finanzierungsmitteln verlängert. Die Bereitstellung staatlicher Garantien zur Erleichterung dieses Zugangs erwies sich als wirksames Mittel.

2.2.1.2   Auch die Maßnahmen zur Förderung des Zugangs zur Finanzierung seitens der Unternehmen wurden verlängert, aber zahlenmäßig begrenzt und auf KMU eingeschränkt.

2.2.1.3   Es ist dringend notwendig, die Folgen und realen Vorzüge dieser Maßnahmen zu ermitteln. Dies wäre eine Grundlage, auf der die Vor- und Nachteile der Gewährung solcher Hilfen und ihre Wettbewerbsfolgen sowie die Relevanz der Fortsetzung der Hilfen im Jahr 2012 beurteilt werden könnten.

2.2.2   Programme zur Anpassung der Wirtschaft

2.2.2.1   Im Zuge der Programme zur Anpassung der Wirtschaft in Griechenland und Irland wurden Wettbewerbsmaßnahmen auferlegt. Im Falle Griechenlands betrafen diese die Reform der nationalen Wettbewerbsbehörden, die Öffnung reglementierter Berufe und ein neues Investitionsgesetz. Im Falle Irlands wurden Gesetzesänderungen zur Aufhebung der Handels- und Wettbewerbsbeschränkungen in derzeit durch nationales Recht geschützten Bereichen zur Auflage gemacht.

2.2.2.2   Die Überschuldung der Länder ist natürlich eine Quelle für Wettbewerbsverzerrungen, weil sie der Aktivität bestimmter Wirtschaftsakteure Vorschub leistet. Obendrein wird dadurch, dass die Bürger zu größeren Anstrengungen aufgefordert werden, die für den Ausgleich der öffentlichen Haushalte wichtig sind, ihre Position im Vergleich zu anderen geschwächt. Die Hilfen für Griechenland und Irland, zu denen die Hilfen für Portugal hinzugekommen sind, verdienen weiterhin besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich der Auswirkungen dieser Maßnahmen im Hinblick auf mögliche Wettbewerbsverzerrungen.

2.2.3   Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften

2.2.3.1   Die Wettbewerbsvorschriften wurden nach den von der Kommission vorgenommenen Änderungen an den vertikalen und horizontalen Gruppenfreistellungsverordnungen streng angewandt.

2.2.3.2   In Rahmen des Weißbuchs von 2008 zu Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts wurde entgegen der vom EWSA in mehreren Stellungnahmen erhobenen Forderung nach Schaffung eines kollektiven Wiedergutmachungs- und Entschädigungsverfahrens (Sammelklage auf Gemeinschaftsebene) beschlossen, eine neuerliche öffentliche Anhörung einzuleiten, von der nicht zu erwarten ist, dass sie zur Ermittlung gemeinsamer Grundsätze führen wird, welche dann bei der Erarbeitung von Legislativvorschlägen über kollektiven Rechtsschutz berücksichtigt werden sollten. In diesem Bereich müssen dringend rechtliche Lösungen zum Schutz von Verbrauchern und Unternehmen gefunden werden.

2.2.3.3   Erwähnenswert ist, dass 70 Unternehmen (27 mehr als 2009) infolge der sieben Kartellentscheidungen Geldbußen erhielten und eine erste Kartellentscheidung im Markt für Gesundheitsdienstleistungen gefällt wurde.

2.2.3.4   Die Bekämpfung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung war Anlass für 4 Entscheidungen im Energiesektor und die Aufnahme mehrerer Verfahren in der Informations- und Kommunikationstechnologiebranche (IKT).

2.2.4   Fusionskontrolle

Aufgrund der Wirtschaftskrise war die Zahl der Unternehmenszusammenschlüsse im Jahr 2010 relativ niedrig. 274 Transaktionen wurden der Kommission gemeldet, 16 Entscheidungen an Bedingungen geknüpft und kein Verbot ausgesprochen.

2.2.5   Beihilfenkontrolle

2.2.5.1   Die meisten 2010 gebilligten Beihilfen betrafen horizontale Ziele von europäischem Interesse (Kultur und Erhalt des Kulturerbes, regionaler Zusammenhalt, Umweltschutz, Forschung, Entwicklung, Innovation und Beseitigung von durch Naturkatastrophen entstandenen Schäden).

2.2.5.2   Erwähnenswert ist die Veröffentlichung des Handbuchs über „Die Durchsetzung des EU-Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte“, das zum Ziel hat, den Richtern in den Mitgliedstaaten die Arbeit zu erleichtern und so auf die steigende Zahl von Beihilfeprozessen vor einzelstaatlichen Gerichten zu reagieren.

2.3   Entwicklungen in einzelnen Wirtschaftszweigen

2.3.1   Im Bereich der Finanzdienstleistungen war die Umsetzung des vorübergehenden Rechtsrahmens die wichtigste wettbewerbspolitische Maßnahme. Es wurden nur einige wenige Fusionsfälle untersucht, die mit den Umstrukturierungsbedingungen für die Gewährung von staatlichen Beihilfen im Zusammenhang standen. Die Bemühungen um Finanzstabilität sind von wesentlicher Bedeutung und müssen fortgesetzt werden, obschon die Gefahren durch Marktspekulationsrisiken nicht unterschätzt werden dürfen, um eine Situation wie in den USA zu verhindern.

Als Konsequenz aus ihrer bisherigen Arbeit erklärte die Kommission die von Visa unterbreiteten Verpflichtungsangebote in Bezug auf multilaterale Interbankenentgelte (MIF) für rechtsverbindlich.

2.3.2   Im November 2010 wurde im Rahmen der Strategie Europa 2020 die Energiestrategie für die nächsten zehn Jahre zur Schaffung eines Energiebinnenmarkts vorgelegt. Die Schaffung eines offenen und konkurrenzfähigen Markts in dieser Branche ist für die Verbraucher sicherlich von Nutzen, aber es ist darauf hinzuweisen, dass die Verbraucher über die Qualität und Kontinuität der Energieversorgung besorgt sind, insbesondere wenn die Dienstleistungen durch ausländische Unternehmen erbracht werden.

Im Einklang mit den Klima- bzw. Energiezielen der Strategie Europa 2020 wurden weiterhin Maßnahmen zur Erzeugung erneuerbarer Energien, Energieeinsparung und Sanierung schadstoffbelasteter Standorte gefördert.

2.3.3   Die Kommission brachte die Digitale Agenda für Europa auf den Weg, die in die Strategie Europa 2020 eingebettet ist und in erster Linie darauf abzielt, einen Binnenmarkt für Telekommunikationsdienste zu schaffen, unter besonderer Berücksichtigung der Angleichung von Roaminggebühren an nationale Verbindungsgebühren sowie eines allgemeinen Breitbandzugangs für alle Unionsbürger. Als große Herausforderungen erweisen sich jetzt die Erreichung eines ausgewogenen Wettbewerbs zwischen im elektronischen Handel tätigen Unternehmen und Kleinunternehmen sowie der Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Praktiken. Das Vertrauen der Verbraucher in die Legitimität der Unternehmen, die Sicherheit des Zahlungsverkehrs und den Schutz personenbezogener Daten muss gestärkt werden.

2.3.4   Bezüglich des IKT-Markts konzentrierte die Kommission ihr Handeln auf die Bereitstellung von Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit als Mittel, den Wettbewerb auf dem Markt anzuregen und zu einem der Ziele der Strategie Europa 2020 – der Verfügbarkeit effizienter IKT-Produkte und -Dienstleistungen – beizutragen. Aufmerksamkeit verdient in diesem Bereich weiterhin die Ausbildung sowohl der Unternehmen als auch der Endnutzer zwecks Verbesserung ihrer Kompetenzen.

2.3.5   Im Bereich der Medien überwachte die Kommission weiterhin den Übergang vom analogen zum digitalen Rundfunk.

2.3.6   Angesichts der Dringlichkeit der Schaffung eines EU-Patents wurden die Arbeiten mit dem Ziel fortgesetzt, einen einheitlichen EU-weiten Patentschutz in der pharmazeutischen Industrie zu erreichen. Es wurde die Überarbeitung der „Transparenzrichtlinie“ angekündigt, die Anforderungen für die Preisfestsetzung und Kostenrückerstattung für Arzneimittel enthält.

2.3.7   Im Gesundheitsbereich wurden verschiedene Beschwerden von privaten Gesundheitsdiensten über eine im Verhältnis zu öffentlichen Diensten diskriminierende Behandlung geprüft. Allerdings wird nichts über die Ergebnisse dieser Verfahren gesagt.

2.3.8   Der von der Krise im Jahr 2009 schwer betroffene Verkehrssektor konnte sich 2010 erholen, wobei sich die Preise dem Vorkrisenniveau annäherten.

2.3.8.1   Im Luftverkehr wurden 2010 die von British Airways, American Airlines und Iberia angebotenen Verpflichtungen bezüglich Transatlantikstrecken rechtsverbindlich. Auch wurden die Zusammenschlüsse von British Airways mit Iberia und von United Airlines mit Continental Airlines genehmigt.

2.3.8.2   Im Schienenverkehr und im innerstaatlichen Verkehr wurde, um den Wettbewerb zu stärken, ein Vorschlag zur Überarbeitung des ersten Eisenbahnpakets angenommen, mit dem ein einheitlicher europäischer Eisenbahnraum geschaffen werden soll.

2.3.8.3   In Bezug auf den Seeverkehr wurde auf der Grundlage der Leitlinien für diesen Sektor und der Leitlinien für ergänzende staatliche Beihilfen eine Anschubfinanzierung für ein „Meeresautobahnen“-Vorhaben genehmigt, um den Schienenverkehr zwischen Frankreich und Spanien zu verlagern. Die Kommission brachte auch eine Studie über die Funktionsweise und öffentliche Finanzierung der Hafeninfrastruktur auf den Weg.

2.3.9   Die Frist für die vollständige Öffnung des Postmarkts wurde für elf Mitgliedstaaten verlängert. Dabei überwachte die Kommission weiterhin die Liberalisierung und achtete darauf, dass die Erbringer öffentlicher Dienstleistungen keine unrechtmäßigen Vorteile erhalten.

2.3.10   In der Automobilindustrie waren die Hauptanliegen im Bereich des Wettbewerbs die notwendige Umstrukturierung der Branche und die Unterstützung für die Entwicklung umweltfreundlicherer Autos.

Es wurde eine Gruppenfreistellungsverordnung in Bezug auf den Anschlussmarkt und den Neuwagenmarkt für vertikale Vereinbarungen zwischen Kfz-Herstellern und zugelassenen Händlern, Werkstätten und Ersatzteilanbietern gebilligt. Darüber hinaus wurden 15 Fusionen in der Automobilbranche genehmigt.

2.3.11   Als Reaktion auf die Wettbewerbsschwierigkeiten infolge der Unterschiede bei der Verhandlungsmacht zwischen Anbietern und Abnehmern im Lebensmittelvertrieb wurde das hochrangige Forum für die Verbesserung der Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette eingerichtet.

Der Sektor wird zunehmend von Konzernen dominiert – zum klaren Nachteil von kleinen Unternehmen, die in preislicher Hinsicht nicht konkurrieren können, und von kleinen Einzelhändlern, Produzenten und Vertreibern, deren Gewinnmargen unter dem Druck der Konzerne wegbrechen. In diesem Sektor fehlen Vorsichtsmaßnahmen der nationalen Wettbewerbsbehörden im Falle etwaiger Missbräuche der beherrschenden Stellung, die sich vernichtend auf den Markt auswirken. Es genügt deshalb nicht, bewährte Methoden zu ermitteln: Vielmehr muss das Handeln auf die Überwachung und Bestrafung von Praktiken, die einen Missbrauch der beherrschenden Stellung fördern, konzentriert werden.

2.4   Europäisches Wettbewerbsnetz und Zusammenarbeit mit einzelstaatlichen Gerichten

Das Europäische Wettbewerbsnetz setzte seine Tätigkeit fort und stellte so seine Bedeutung im Rahmen der Diskussion und des Austauschs bewährter Verfahren bei der Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts unter Beweis. Neben der Einsetzung einer Arbeitsgruppe „Unternehmenszusammenschlüsse“ wurden die Gruppenfreistellungsverordnungen und die einschlägigen Leitlinien für horizontale Vereinbarungen und vertikale Beschränkungen überarbeitet.

2.5   Internationale Tätigkeiten

2.5.1   Die Anstrengungen zur internationalen Zusammenarbeit im Wettbewerbsbereich wurden fortgesetzt. Die Kommission beteiligte sich weiterhin am Internationalen Wettbewerbsnetz (ICN) und am Wettbewerbsausschuss der OECD. Die Zusammenarbeit mit den USA war sehr eng. Außerdem wurden Verhandlungen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Wettbewerbsfragen aufgenommen. Vorrang erhielten die Zusammenarbeit und die Gespräche über das Antimonopolgesetz mit China sowie die Zusammenarbeit der GD Wettbewerb mit Indien bezüglich wettbewerbsbeschränkender Absprachen, Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und Fusionskontrolle.

2.5.2   Schließlich ist auf die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen zum Wettbewerbskapitel mit Kroatien und die Verabschiedung eines Gesetzes über staatliche Beihilfen durch das türkische Parlament hinzuweisen.

2.6   Dialog mit den Verbraucherorganisationen und Beteiligten

2.6.1   Das Internetportal der GD Wettbewerb, das Informationen für Verbraucher über die Bedeutung der Wettbewerbspolitik und ihre wichtigsten Initiativen und Ziele enthält, wurde in allen Amtssprachen in Betrieb genommen.

2.6.2   Die Europäische Beratende Verbrauchergruppe (EBVG) wurde zu vertikalen Beschränkungen konsultiert und nahm zu Schadenersatzklagen Stellung.

2.7   Interinstitutionelle Kooperation

2.7.1   Im Oktober trat eine neue Rahmenvereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission in Kraft.

2.7.2   Das Europäische Parlament nahm Entschließungen zum Wettbewerbsbericht 2008, zur Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugsektor, zu den horizontalen Vereinbarungen und zum Beschluss des Rates zur Erleichterung der Stilllegung nicht wettbewerbsfähiger Steinkohlebergwerke an.

2.7.3   Der Rat wurde durch die Kommission über Wettbewerbsinitiativen unterrichtet, wobei besonderes Augenmerk auf krisenbezogene staatliche Beihilfen gelegt wurde.

2.7.4   Der EWSA leistete mit Stellungnahmen zum Bericht über die Wettbewerbspolitik 2008, zur Stilllegung nichtwettbewerbsfähiger Steinkohlebergwerke, zum Schiffsbau sowie zur Kfz-GVO seinen Beitrag zur wettbewerbspolitischen Debatte.

Brüssel, den 7. Dezember 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


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