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Document 52011AE0815

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 485/2008 des Rates über die von den Mitgliedstaaten vorzunehmende Prüfung der Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft sind“ KOM(2010) 761 endg. — 2010/0366 (COD)

ABl. C 218 vom 23.7.2011, p. 126–129 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

23.7.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 218/126


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 485/2008 des Rates über die von den Mitgliedstaaten vorzunehmende Prüfung der Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft sind“

KOM(2010) 761 endg. — 2010/0366 (COD)

2011/C 218/26

Alleinberichterstatter: Nikolaos LIOLIOS

Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 1. Februar bzw. 18. Januar 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 42, Artikel 43 Absatz 2 und Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 485/2008 des Rates über die von den Mitgliedstaaten vorzunehmende Prüfung der Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft sind

KOM(2010) 761 endg. — 2010/0366 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 6. April 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 471. Plenartagung am 4./5. Mai 2011 (Sitzung vom 4. Mai) mit 149 gegen 3 Stimmen bei 13 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Um die Verordnung (EG) Nr. 485/2008 des Rates über die von den Mitgliedstaaten vorzunehmende Prüfung der Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, an den Vertrag von Lissabon anzugleichen, wird vorgeschlagen, die in der Verordnung (EG) Nr. 485/2008 des Rates vorgesehenen Durchführungsbefugnisse der Kommission an die mit den Artikeln 290 und 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eingeführte Unterscheidung zwischen delegierten Befugnissen und Durchführungsbefugnissen der Kommission anzupassen.

1.2

Der EWSA spricht sich für Konsultationsverfahren mit den Interessengruppen und die Einholung und Nutzung von Expertenwissen für den Erlass der Rechtsakte der Europäischen Union aus.

1.3

In Bezug auf die Anpassung der Verordnung Nr. 485/2008 an Artikel 290 AEUV ist der EWSA der Ansicht, dass der Vorschlag der Kommission die wesentlichen Kriterien der Befugnisübertragung nach Artikel 290 Ziffer 1 Absatz 2 AEUV erfüllt. In dem Vorschlag der Kommission bezüglich des neuen Inhalts von Artikel 1 Ziffer 2 Absatz 2 der vorgeschlagenen Verordnung werden Ziele, Inhalt und Geltungsbereich der Befugnisübertragung ausdrücklich festgelegt.

1.4

Der EWSA ist jedoch nicht der Meinung, dass die Kommission die zeitlichen Beschränkungen der Befugnisübertragung nach Artikel 290 Ziffer 1 Absatz 2 AEUV einhält. Der in Artikel 13a der neuen Verordnung enthaltene Vorschlag der Kommission, nach dem der Kommission die Befugnisse zum Erlass delegierter Rechtsakte für eine unbestimmte Dauer übertragen werden, geht über das hinaus, was der Gesetzgeber als ausdrückliche Beschränkung der Dauer der Befugnisübertragung vorgesehen hat, steht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen und wirft Fragen bezüglich des Grundsatzes der Rechtmäßigkeit auf. Der EWSA ist der Ansicht, dass die Dauer der Befugnisübertragung an die Kommission auf einen ganz bestimmten Zeitraum begrenzt werden muss.

1.5

Der EWSA ist mit der Kürzung der Frist, innerhalb derer das Europäische Parlament und der Rat Einwände gegen den delegierten Rechtsakt erheben können, von drei Monaten in der bisherigen Regelung auf zwei Monate einverstanden, sofern diese Frist um zwei Monate verlängert werden kann.

1.6

Der EWSA äußert einen gewissen Vorbehalt bezüglich der Bestimmungen über die Durchführungsbefugnisse der Kommission, wie diese im vorgeschlagenen Artikel 13d enthalten sind. Dieser Artikel verweist auf die Verordnung Nr. 1290/2005 (1), die derzeit geändert wird (2). Der Inhalt der geänderten Verordnung Nr. 1290/2005 ist trotz seiner außerordentlichen Bedeutung für die Verordnung Nr. 485/2008 unbekannt (3). Da jedoch der entsprechende Artikel der geänderten Verordnung Nr. 1290/2005 seinerseits auf das neue Komitologieverfahren verweist, wie es in der neuen Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (4), vorgesehen ist, und die bisherige Regelung durch dieses neue Verfahren vereinfacht wird, verursacht der vorgeschlagene neue Artikel 13d nach Ansicht des EWSA keine Umsetzungsprobleme.

2.   Gegenstand der Stellungnahme

2.1

In dem Vorschlag zur Änderung der betreffenden Verordnung vertritt die Kommission die Ansicht, dass die Durchführungsbefugnisse der Kommission in der Verordnung (EG) Nr. 485/2008 des Rates an die Unterscheidung zwischen delegierten Befugnissen und Durchführungsbefugnissen der Kommission angepasst werden müssen, die mit Artikel 290 und 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eingeführt wurde.

2.2

Der neue Artikel 291 AEUV beruht auf den früheren Artikeln 202 Absatz 3 und 211 Absatz 4 des Vertrags über die Europäische Union, mit denen der Kommission bzw. - unter bestimmten Bedingungen - dem Rat Befugnisse zur Wahrnehmung von Durchführungsbefugnissen übertragen werden. In Artikel 290 AEUV hingegen wird die neue Befugnis für die Kommission eingeführt, Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften zu erlassen. Artikel 291 AEUV regelt die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission bzw. in besonderen Fällen durch den Rat.

2.3

Die Anpassung der Verordnung Nr. 485/2008 an Artikel 290 AEUV wird insbesondere im neuen Artikel 1 Absatz 2 sowie in den neuen Artikeln 13a, 13b und 13c des Kommissionsvorschlags vorgenommen. Die Angleichung an Artikel 291 AEUV erfolgt insbesondere im neuen Artikel 13d der vorgeschlagenen Verordnung.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der EWSA spricht sich für Konsultationsverfahren mit den Interessengruppen und die Einholung und Nutzung von Expertenwissen für den Erlass der Rechtsakte der Europäischen Union aus. Nach Ansicht des EWSA sind diese Prozesse für den vorliegenden Vorschlag zur Anpassung der Verordnung Nr. 485/2008 an den Vertrag von Lissabon von besonderer Bedeutung, weil die einer Vereinfachung dienenden Änderungen nicht von begrenztem Geltungsbereich und rein technischer Art sind. Sie betreffen den Bereich der Landwirtschaft, der in die geteilte Zuständigkeit (Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe d AEUV) und unter die Bedingungen des Artikel 43 AEUV fällt und daher ein besonders sensibler Bereich ist.

3.2

Bezüglich der Anpassung der in der Verordnung Nr. 485/2006 vorgesehenen Durchführungsbefugnisse der Kommission an die Unterscheidung zwischen delegierten Befugnissen und Durchführungsbefugnissen muss zwischen den „quasi-legislativen“ Rechtsakten von Artikel 290 AEUV und den Durchführungsrechtsakten von Artikel 291 AEUV unterschieden werden. Die Kommission weist in ihrer Mitteilung über die Umsetzung von Artikel 290 AEUV (5) darauf hin, dass der Gesetzgeber der Kommission aus Gründen der Effizienz die Befugnis überträgt, delegierte Rechtsakte zu erlassen. Auf diese Weise ermöglicht er der Kommission eine Ergänzung oder Änderung der Arbeit des Gesetzgebers. Eine solche Befugnisübertragung ist stets fakultativ und muss die im Vertrag verankerten Bedingungen erfüllen. In Artikel 291 AEUV wird die Kommission hingegen ermächtigt, Durchführungsrechtsakte, nicht jedoch Gesetzgebungsakte zu erlassen. Die Durchführung und Umsetzung der verbindlichen Rechtsakte der Union obliegt den Mitgliedstaaten (gemäß Artikel 291 Absatz 1 AEUV in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV)), und sie üben bei der Durchführung und Umsetzung der verbindlichen Rechtsakte der Union daher ihre eigene Zuständigkeit und nicht die der EU aus. Diese Befugnis der Mitgliedstaaten kann daher nur dann beschränkt werden, wenn es für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union einheitlicher Bedingungen bedarf. Nur dann muss die Kommission ihre Durchführungsbefugnis gemäß Artikel 291 AEUV wahrnehmen. Die Befugnis ist in diesem Fall obligatorisch (6).

3.3

Überträgt der Gesetzgeber der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte, muss er bei jedem Rechtsakt den Geltungsbereich der Ausübung dieser Befugnis festlegen. Artikel 290 Ziffer 1 Absatz 2 AEUV verlangt vom Gesetzgeber, Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung ausdrücklich festzulegen. Somit wird die Befugnisübertragung an zwei Arten von Beschränkungen gebunden: inhaltliche und zeitliche (7).

3.4

Es muss somit geprüft werden, ob der Gesetzgeber in der vorliegenden Verordnung die vorgesehenen inhaltlichen und zeitlichen Beschränkungen einhält.

3.5

Die zeitlichen Beschränkungen der Befugnisübertragung sind in Artikel 1 Absatz 2 der vorgeschlagenen Verordnung festgeschrieben und betreffen die Erstellung einer Liste der Maßnahmen, die sich naturgemäß nicht für Ex-post-Kontrollen durch Prüfung der Geschäftsunterlagen eignen und auf die die vorliegende Verordnung keine Anwendung findet.

3.6

Die konkrete Befugnisübertragung ist wirklich klar und deutlich abgegrenzt. Sie steht Artikel 290 AEUV nicht entgegen, da sie sich praktisch auf nicht wesentliche Vorschriften des Gesetzgebungsakts bezieht und Ziele, Inhalt und Geltungsbereich der Befugnisübertragung hinreichend definiert sind.

3.7

In Bezug auf die zeitliche Beschränkung der Befugnisübertragung schlägt die Kommission in Artikel 13a des Verordnungsvorschlags vor, der Kommission die Befugnisse zum Erlass delegierter Rechtsakte im Sinne der vorliegenden Verordnung für eine unbestimmte Dauer zu übertragen. Dieser Vorschlag der Kommission steht grundsätzlich im Widerspruch zu Artikel 290 Ziffer 1 Absatz 2 AEUV, in dem es heißt, dass in den betreffenden Gesetzgebungsakten u.a. die Dauer der Befugnisübertragung ausdrücklich festgelegt wird.

3.8

Die Begründung dieses Vorschlags, wie sie aus der Mitteilung der Kommmission über die Umsetzung von Artikel 290 AEUV (8) hervorgeht, lautet folgendermaßen: Mit der Forderung nach einer ausdrücklichen Beschränkung der Dauer der Befugnisübertragung durch den Gesetzgeber wird „nicht die Aufnahme einer so genannten Auslaufklausel (‚Sunset-Clause‘) festgeschrieben, die - wenn sie in einen Gesetzgebungsakt eingefügt wird - die Befugnisübertragung an die Kommission automatisch befristet und sie praktisch dazu verpflichtet, nach Ablauf der vom Gesetzgeber festgesetzten Frist einen neuen Legislativvorschlag zu unterbreiten. Artikel 290 verlangt vor allem, dass die Übertragung von Befugnissen klar und transparent gehandhabt wird, sieht aber nicht vor, dass der Kommission strikte Fristen auferlegt werden“. Deshalb sollte die Befugnisübertragung nach Ansicht der Kommission grundsätzlich unbefristet sein. Zur weiteren Untermauerung dieser Sichtweise erinnert die Kommission daran, dass das Europäische Parlament oder der Rat gemäß Artikel 290 Absatz 2 Buchstabe a AEUV die Befugnisübertragung widerrufen können: „In rechtlicher Hinsicht hat ein Widerruf die gleiche Wirkung wie eine Auslaufklausel, d.h. beide beenden eine Befugnisübertragung an die Kommission, wenn dies mit Blick auf die spätere Unterbreitung eines Legislativvorschlags nützlich und notwendig erscheint. In anderen Worten, möchte der Gesetzgeber in bestimmten Bereichen vermeiden, dass sich eine Befugnisübertragung in ein fortwährendes Mandat verwandelt, kann er sich ein Widerrufsrecht vorbehalten, das im Übrigen eine flexiblere Handhabung ermöglicht als eine automatische Auslaufklausel.“

3.9

Der Anhang der Kommissionsmitteilung enthält Muster für die Anwendung des neuen Vertragsartikels. Zum zeitlichen Rahmen der Befugnisübertragung schlägt die Kommission entweder eine unbestimmte Dauer oder die Festlegung einer Gültigkeitsdauer vor, die automatisch um einen Zeitraum von gleicher Dauer verlängert wird, es sei denn, sie wird vom Europäischen Parlament oder vom Rat widerrufen (9).

3.10

Die unbefristete Befugnisübertragung an die Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte stellt jedenfalls keine eindeutige Beschränkung der Dauer der Befugnisübertragung dar. Im Vertrag wird ausdrücklich eine eindeutige Beschränkung der Dauer der Befugnisübertragung verlangt, so dass der Gesetzgeber die Kommission regelmäßig und wirksam kontrollieren kann. Das in Artikel 290 Ziffer 2 Absatz 1 AUEV vorgesehene Recht auf Widerruf der Befugnisübertragung durch den Rat oder das Europäische Parlament kann kein Ersatz für die vom Gesetzgeber vorgesehene ausdrückliche Beschränkung der Dauer der Befugnisübertragung sein. Das Widerrufsrecht ist eine zusätzliche Sicherheitsvorkehrung, damit die Rechte des Gesetzgebers nicht verletzt werden. Die unbefristete Übertragung von Befugnissen an die Kommission geht über die in Artikel 290 AEUV vorgesehenen zeitlichen Beschränkungen der Befugnisübertragung hinaus und überschreitet die Zuständigkeit der Kommission.

3.11

Gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe d AEUV fällt der Bereich der Landwirtschaft im Übrigen in die geteilte Zuständigkeit der Union. Dies bedeutet, dass bei einer Rechtsetzungsinitiative der Union das Subsidiaritätsprinzip eingehalten werden muss (Artikel 5 Absatz 3 EUV). Die vorliegende geänderte Verordnung bezieht sich auf Kontrollen, Amtshilfe und Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission im Zusammenhang mit den Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft sind. Die Notwendigkeit eines einheitlichen europäischen Vorgehens in diesem Bereich rechtfertigt den Erlass einer Verordnung durch die Union. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Artikel 5 Absatz 4 EUV) dürfen die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß nicht übersteigen. Die unbefristete Befugnisübertragung an die Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte geht jedoch über die geforderte beschränkte Dauer der Befugnisübertragung zum Zweck der ordentlichen und wirksamen Kontrolle der Kommission beim Erlass „quasi-legislativer“ Rechtsakte hinaus. Daher stellt dies eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und im weiteren Sinne des Subsidiaritätsprinzips dar und könnte eine Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund einer Verletzung des Subsidiaritätsprinzips gemäß Artikel 8 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (Nr. 2) begründen (10).

3.12

Die Befugnisübertragung an die Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte berührt den Fragenkomplex der Gewaltenteilung. Während die zuständigen Rechtsetzungsorgane der Europäischen Union das Europäische Parlament und der Rat sind, wird der Kommission, dem Exekutivorgan, in Ausnahmefällen der Erlass „quasi-legislativer“ Rechtsakte übertragen. Unter dem Blickwinkel der hier ins Spiel kommenden Aspekte der grundlegenden demokratischen Legitimation ist die vom Gesetzgeber vorgesehene ausdrückliche Beschränkung von Zielen, Inhalt und Umfang der Befugnisübertragung einzuhalten. Da im Übrigen für Artikel 290 AEUV entsprechend Artikel 291 Absatz 3 AEUV eine Regelung zur Kontrolle der delegierten Rechtsakte der Kommission vorgesehen ist, muss das Kontrollrecht des Rates und des Europäischen Parlaments unangetastet bleiben.

3.13

Der Alternativvorschlag der Kommission, die Befugnisübertragung an die Kommission automatisch zu verlängern, wäre ein ebenso großer Verstoß gegen das EU-Primärrecht wie die unbestimmte Dauer der Befugnisübertragung.

3.14

Folglich stellt die unbefristete Befugnisübertragung an die Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte keine ordnungsgemäße Anpassung an Artikel 290 AEUV dar. Das Recht auf Widerruf der Befugnisübertragung durch das Europäische Parlament oder den Rat kann nicht die Existenzberechtigung der ausdrücklich begrenzten Dauer der Befugnisübertragung ersetzen, d.h. die ordentliche und wirksame Kontrolle der „quasi-legislativen“ Rechtsakte der Kommission durch den Gesetzgeber. Die Kommission übt beim Erlass delegierter Rechtsakte keine eigene Zuständigkeit, sondern die Legislativgewalt aus. Das Recht des zuständigen Organs, d.h. des Gesetzgebers, eine ordentliche und wirksame Kontrolle der Kommission auszuüben, darf nicht beschränkt werden. Im Hinblick darauf, dass der Bereich der Landwirtschaft in die geteilte Zuständigkeit der Union fällt und somit jeder Gesetzgebungsakt der Kommission mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehen muss, ist der Vorschlag der Kommission zur unbefristeten Befugnisübertragung auf die Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte abzulehnen.

3.15

Die Frist von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt der Mitteilung, die im neuen Artikel 13c der vorgeschlagenen Verordnung für die Erhebung von Einwänden durch das Europäische Parlament und den Rat festgelegt wird, ist eine Beschränkung der bisher geltenden Frist von drei Monaten. Im Interesse der Beschleunigung und Wirksamkeit des Verfahrens stellt sich der EWSA nicht gegen die Kürzung dieser Frist, sofern sie um zwei Monate verlängert werden kann.

3.16

Artikel 13d der vorgeschlagenen Verordnung betrifft die Umsetzung des Artikels 291 AEUV und steht mit dessen Inhalt im Einklang. Des Weiteren greift hier auch die neue Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (11), mit der das bisherige Komitologieverfahren durch die Einführung von nur zwei Verfahren, des Beratungsverfahrens und des Prüfverfahrens, vereinfacht wird.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Es ist darauf hinzuweisen, dass der EWSA aufgefordert wird, zu Aspekten Stellung zu nehmen, deren konkrete Ausgestaltung noch nicht abgeschlossen ist. So wird beispielsweise in Erwägungsgrund 4 des Kommissionsvorschlag auf Artikel 41d Absatz 1 und in Artikel 13d auf Artikel 42d Absatz 2 der Verordnung Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik verwiesen (12). In dieser Verordnung ist jedoch weder ein Artikel 41d noch ein Artikel 42d enthalten.

4.2

Die Kommission hat einen Vorschlag zur Änderung dieser Verordnung vorgelegt (13), obwohl das Verfahren zu deren Verabschiedung noch gar nicht abgeschlossen ist. Der Vorschlag der Kommission ist vom Rat der Europäischen und vom Europäischen Parlament noch nicht angenommen worden. Selbst wenn er angenommen wird, werden die Artikel 41d und 42d auf den neuen Inhalt der Verordnung Nr. 1290/2005 verweisen, der eine neue Nummerierung haben wird. Überdies wird gemäß Artikel 1 Ziffer 26 des Kommissionsvorschlags Artikel 41 gestrichen, und ein Artikel 41d ist nicht vorgesehen. Es verwundert daher, dass die Kommission das Verfahren zur Änderung der Verordnung Nr. 485/2008 vorantreibt, obwohl der grundlegende Inhalt ihres Vorschlags, d.h. die Verordnung Nr. 1290/2005, im Grunde unbekannt ist.

Brüssel, den 4. Mai 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 209 vom 11.8.2005, S. 1).

(2)  Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 165/94 und Nr. 78/2008 des Rates, KOM(2010) 745 endg.

(3)  Siehe Ziffer 4.2.

(4)  ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13. Diese Verordnung hebt den Beschluss des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse auf (ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23).

(5)  KOM(2009) 673 endg.

(6)  KOM(2009) 673 endg., S. 3 ff.

(7)  Dies wird auch von der Kommission anerkannt: KOM(2009) 673 endg., S. 5 ff.

(8)  KOM(2009) 673 endg., S. 5 ff.

(9)  Artikel A, KOM(2009) 673 endg., S. 12.

(10)  ABl. C 83 vom 30.3.2010, S. 206.

(11)  ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13. Diese Verordnung hebt den Beschluss des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse auf (ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23).

(12)  ABl. L 209 vom 11.8.2005, S. 1.

(13)  Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 165/94 und Nr. 78/2008 des Rates, KOM(2010) 745 endg.


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