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Document 52012AR0625

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen: „Datenschutzpaket“

ABl. C 391 vom 18.12.2012, p. 127–133 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

18.12.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 391/127


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen: „Datenschutzpaket“

2012/C 391/13

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

begrüßt die Vorschläge für eine Reform des europäischen Datenschutzrechts als Beitrag der Europäischen Union zur globalen Debatte um den angemessenen Schutz der Privatsphäre in einer digitalen Welt;

hält es für unverzichtbar, zentrale Fragen des Schutzes personenbezogener Daten im Rahmen des ordentlichen Rechtsetzungsverfahrens zu klären, das alleine Transparenz und demokratische Legitimation durch die umfassende Mitgestaltung durch den Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament sowie unter Beteiligung auch der Vertreter der europäischen regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften gewährleistet;

weist darauf hin, dass sich ungeachtet offener Fragen zur Vereinbarkeit des Grundkonzepts der Verordnung mit dem Prinzip der Subsidiarität und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch aus Detailregelungen weitere unangemessene Grenzziehungen für die Rechtsetzung der Mitgliedstaaten im Bereich der Datenverarbeitung durch Stellen der öffentlichen Verwaltung ergeben;

erachtet es außerdem für zweckdienlich, dass den Mitgliedstaaten bzw. gegebenenfalls den Regionen in dem Verordnungsvorschlag ein größerer Entscheidungsspielraum eingeräumt wird, um im Einklang mit innerstaatlichem Recht die allgemeinen Bedingungen für die Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde festzulegen und deren Unabhängigkeit bei der Ausübung ihrer Aufgaben sicherzustellen.

Berichterstatterin

Ursula MÄNNLE (DE/EVP), Mitglied des Bayerischen Landtages

Referenzdokumente

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Der Schutz der Privatsphäre in einer vernetzten Welt – Ein europäischer Datenschutzrahmen für das 21. Jahrhundert

COM(2012) 9 final

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr

COM(2012) 10 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung)

COM(2012) 11 final

I.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

Unter den Bedingungen allgegenwärtiger Datenverarbeitung in der modernen Informationsgesellschaft hat die Regelung des Datenschutzes zentrale Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung, die Funktionsfähigkeit und Effizienz staatlichen Handelns und die persönlichen Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger Europas. Die Anpassung des Datenschutzes an die gewandelten Erfordernisse einer digitalen, in immer mehr Lebensbereichen durch das Internet vernetzten Welt ist daher derzeit nicht nur für die Europäische Union, sondern auch für andere Staatenverbünde oder Staaten wie den Europarat und die Vereinigten Staaten von Amerika eines der zentralen Reformvorhaben. Der Schutz personenbezogener Daten wirft Fragen in allen Politikfeldern auf. Als Querschnittsmaterie betrifft der Datenschutz den Bereich der Sicherheits- und Rechtspolitik ebenso wie die Wirtschaft, den Kommunikations-, Bildungs- und Gesundheitssektor, die Verwaltung oder den Verbraucherschutz. Auch für die Regionen und Städte Europas nimmt die Fortentwicklung des europäischen Datenschutzrechts deshalb eine Schlüsselrolle ein, um ihre Zukunftsfähigkeit in Zeiten grundlegender technologischer Veränderungen und globalen Wettbewerbs zu bewahren und fortzuentwickeln.

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

begrüßt die Vorschläge für eine Reform des europäischen Datenschutzrechts als Beitrag der Europäischen Union zur globalen Debatte um den angemessenen Schutz der Privatsphäre in einer digitalen Welt;

2.

erinnert an die entscheidende Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Umsetzung der Empfehlungen der Digitalen Agenda für Europa. Sie sind die Triebfeder des Wirtschaftswachstums auf lokaler und regionaler Ebene und erzeugen, nutzen und verwalten viele Informatikprodukte und -dienste, die auf Datenbanken mit Informationen des öffentlichen Sektors beruhen. Daher müssen sie umfassend und wirksam Einfluss auf die Gesetze haben, die sich auf den Datenschutz in ihrem Zuständigkeitsbereich auswirken werden. Die Verordnung wird neue Verwaltungslasten und zusätzlichen finanziellen Aufwand für Kommunen und Regionen mit sich bringen, die nach Auffassung des Ausschusses in keinem Verhältnis zum Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger stehen;

3.

unterstützt die allgemeinen Zielsetzungen des Reformpakets, in Übereinstimmung mit Artikel 8 der Grundrechtecharta sowie Artikel 16 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) auf EU-Ebene eine Harmonisierung des Schutzes von Einzelpersonen im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten sicherzustellen;

4.

weist darauf hin, dass eine Harmonisierung datenschutzrechtlicher Anforderungen im Wege verbindlicher allgemeiner Vorgaben dazu führt, dass Datenverarbeitungsverfahren von Unternehmen, Verwaltungseinrichtungen und Privaten trotz grundlegend unterschiedlicher Risikobedingungen und Handlungsumfelder denselben Anforderungen unterstellt werden. Nach Ansicht des Ausschusses beeinträchtigt die Verordnung öffentliche Stellen auf negative Weise und führt hinsichtlich ihrer Kompetenzen und den arbeitsrechtlichen Bereich zu Zweideutigkeiten. Die Verordnung enthält zudem eine Reihe von Verpflichtungen für öffentliche Stellen auf regionaler und lokaler Ebene (z.B. umfangreichere Dokumentation, die Pflicht zur Sicherstellung der Datenübertragbarkeit usw.), denen keine erkennbaren Verbesserungen für die Rechte der Betroffenen gegenüberstehen. Der Ausschuss weist darauf hin, dass der vorgeschlagene Rechtsakt in Form einer Verordnung aufgrund seines Abstraktionsgrads einem Missbrauch von Artikel 290 AEUV, durch den die Kommission die Befugnis zum Erlass weiterer Regeln – und zwar auch zu zentralen Fragestellungen – erhält, Tür und Tor öffnen könnte und deshalb nicht mit dem Prinzip der Subsidiarität und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang zu bringen ist. Der Ausschuss fordert daher dazu auf, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen und den arbeitsrechtlichen Bereich aus dem Anwendungsbereich der Verordnung auszunehmen, sodass die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen und die arbeitsrechtlichen Aspekte auch weiterhin in einer Richtlinie geregelt werden;

5.

unterstreicht, dass die Hauptverantwortung für den Schutz personenbezogener Daten bei den unabhängigen Kontrollstellen liegt. Allerdings lässt sich in einer vernetzten Welt mit nahezu allgegenwärtigen Datenverarbeitungsverfahren ein hohes Datenschutzniveau nicht allein durch Bestrebungen zur Stärkung der ordnungsrechtlichen Aufgaben sicherstellen. Hierzu sind vielmehr zusätzliche Anreizinstrumente erforderlich, mit denen die Auftragsverarbeiter Datenschutzbemühungen honorieren können, indem etwa die Beweislast für Auftragsverarbeiter verringert wird, die sich strengen Selbstregulierungsnormen oder Verhaltenskodizes unterwerfen oder fakultative Datenschutz-Folgenabschätzungen durchführen;

6.

hält es für unverzichtbar, zentrale Fragen des Schutzes personenbezogener Daten im Rahmen des ordentlichen Rechtsetzungsverfahrens zu klären, das alleine Transparenz und demokratische Legitimation durch die umfassende Mitgestaltung durch den Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament sowie unter Beteiligung auch der Vertreter der europäischen regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften gewährleistet;

7.

anerkennt das grundsätzliche Erfordernis, im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit verbindliche Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten für den transnationalen Datenaustausch zu schaffen;

8.

warnt davor, in dem Bemühen um einen verstärkten Schutz personenbezogener Daten die Bürgerinnen und Bürger in der Ausübung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung übermäßig einzuschränken, indem ihnen die Einwilligungsmöglichkeit insbesondere gegenüber öffentlichen Stellen sowohl im Geltungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung als auch der Datenschutzrichtlinie abgesprochen wird;

9.

hält es für erforderlich, auf Grundlage dieser Erwägungen folgende Einzelfragen im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen;

Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit

10.

ist der Auffassung, dass der Versuch, Teile des europäischen Datenschutzrechts vollständig durch den Wechsel zu einer Verordnungsregelung zu harmonisieren, im Bereich der privaten Wirtschaft mit guten Gründen zu rechtfertigen ist;

11.

weist jedoch darauf hin, dass das Gesamtpaket aus Datenschutz-Grundverordnung und Richtlinie für den Bereich von Polizei und Justiz bei gleichzeitiger Beibehaltung zahlreicher europäischer und nationaler Datenschutzregelungen gerade im Bereich der Telekommunikation im Konsultationsprozess immer wieder grundlegenden Einwänden hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Prinzip der Subsidiarität und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begegnet. Die vorgetragenen Bedenken betreffen:

die Reichweite der Rechtsetzungsbefugnis der Europäischen Union nach Artikel 16 Absatz 2 AEUV, die einer angestrebten Vollharmonisierung gerade im Bereich der Datenverarbeitung durch öffentliche Stellen Grenzen setzt und hinsichtlich des Richtlinienvorschlags für den Bereich von Polizei und Justiz Fragen zur Erstreckung auf rein innerstaatliche Sachverhalte aufwirft;

das Abstraktionsniveau der Verordnung, das einer Richtlinie der Europäischen Union vergleichbar ist, aber mangels mitgliedstaatlicher Umsetzungsakte zu wenig Rechtssicherheit vermittelt, und die Befugnis der Europäischen Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte (vgl. Artikel 86), auch zu Fragen, die keine Nebensächlichkeiten sind, was problematisch ist;

die mangelnde Klarheit hinsichtlich des Anwendungsbereichs nationaler Gesetze (Kapitel IX) in jenen Fällen, in denen mehr als ein Mitgliedstaat involviert ist;

die fehlende Abstimmung zwischen den künftigen Regelungen der Verordnung und weiten Teilen der für die Nutzung des Internet zentralen Richtlinien-Regelungen im Bereich der Telekommunikation (wie die Richtlinie 2002/58/EG);

Defizite bei der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes bei einer möglichen Verletzung von Grundrechten, da hierfür kein unmittelbar individuellen Rechtsschutz eröffnendes Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zur Verfügung steht;

die unzureichende Bewältigung von Konflikten zwischen Datenschutzinteressen und anderen grundrechtlich geschützten Interessen wie dem Recht auf Meinungsäußerung und dem Grundsatz des öffentlichen Zugangs zu amtlichen Dokumenten;

die unklaren Grenzziehungen zwischen den Anwendungsbereichen des Verordnungs- und des Richtlinienvorschlags;

12.

betont, dass diese Bedenken die Vorbehalte zahlreicher europäischer regionaler oder lokaler Gebietskörperschaften gegen Regelungsvorschläge widerspiegeln, die z.B. nationale Besonderheiten beim Datenschutz im Sozialwesen unmöglich machen oder die Tätigkeit öffentlicher Verwaltungen mit Datenschutzanforderungen wie dem Recht auf Datenportabilität belasten, die lediglich für wirtschaftliche Datenverarbeitungsprozesse sachgerecht erscheinen können und die administrative Sanktionen in einer – gemessen an den wirtschaftlichen Möglichkeiten der lokalen Gebietskörperschaften – erheblichen Höhe vorsehen;

13.

ist der Auffassung, dass im Vorschlag für die Datenschutzverordnung deutlicher unterstrichen werden muss, dass die in Artikel 83 genannten Einschränkungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu historischen oder statistischen Zwecken sowie zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung nicht die Möglichkeiten öffentlicher Stellen zur Aufbewahrung von Dokumenten gemäß den nationalen Vorschriften über Archive und über die Einsicht in Verwaltungsunterlagen beeinträchtigen dürfen;

14.

hält es deshalb für erforderlich, im weiteren Rechtsetzungsverfahren nochmals stärker als bisher die Entscheidung über die Rechtsform und die Grenzziehung zwischen den Anwendungsbereichen des Verordnungs- und des Richtlinienvorschlags im Hinblick auf mögliche Alternativen zu untersuchen, die dem Prinzip der Subsidiarität und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besser gerecht werden können als das vorliegende Gesamtpaket; zu diesen Alternativen zählt die Möglichkeit, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen sowie den arbeitsrechtlichen Bereich auch weiterhin in einer Richtlinie zu regeln, sodass die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen und die Verarbeitung von Daten aus dem arbeitsrechtlichen Bereich aus dem Anwendungsbereich der Grundverordnung ausgenommen würden;

Internationale Kohärenz statt Marktortprinzip

15.

unterstützt die Zielsetzung, auch für Informationsdienstleistungen globaler Anbieter die Beachtung europäischer Datenschutzstandards durchzusetzen;

16.

ist der Auffassung, dass die zeitgleich von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika vorgestellte Initiative für einen Rechtsrahmen für den Schutz der Privatsphäre in der globalen IT-Wirtschaft die Chance bietet, in zentralen Bereichen des internationalen Datenverkehrs Reformansätze zu gemeinsamen Schutzstandards zusammenzuführen und dadurch nicht nur wirksame Datenschutzregelungen durchzusetzen, sondern auch unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen effektiver als durch ein in seiner praktischen Durchsetzbarkeit begrenztes Marktortprinzip zu vermeiden;

Zukunftsfähigkeit des Reformkonzepts

17.

weist darauf hin, dass der Vorschlag der Datenschutz-Grundverordnung in seinem materiellen Kern auf den Prinzipien der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG beruht, die nur in einzelnen Elementen wie dem Prinzip "Datenschutz durch Technik"/"privacy by design" fortentwickelt, im Übrigen aber allenfalls modifiziert werden. Anders als bei Entstehung der Datenschutzrichtlinie sind die Risiken für die Verarbeitung personenbezogener Daten in der Informationsgesellschaft sowohl bei privaten als auch öffentlichen Stellen nicht mehr durch 1:1-Beziehungen geprägt. Digitalisierung und Vernetzung schaffen vielmehr Systeme, in denen mehrere Stellen an der Verarbeitung von Daten beteiligt sind, z.B. beim Abgleich von Daten oder dem Informationsaustausch zwischen Behörden;

18.

betont, dass die dadurch aufgeworfenen Fragen nach dem Schutz personenbezogener Daten mit traditionellen bipolaren Konzepten wie dem Begriff des "für die Verarbeitung Verantwortlichen", einem "Recht, Vergessen zu werden" oder dem für das Verhältnis Staat-Bürger entwickelten Verbotsprinzip (Artikel 6 und Artikel 9 des Verordnungsvorschlags) kaum noch sachgerecht geklärt werden können. Einzelne Veränderungen gegenüber den Regelungen der Richtlinie wie z.B. die neu gefassten Definitionen für "personenbezogene Daten" oder die "Einwilligung" tragen mehr zur Verschärfung schon bestehender Rechtsunsicherheiten als zu ihrer Klärung bei;

19.

ist daher der Ansicht, dass – falls die Kommission an ihrem Wunsch nach einer Verordnung festhält – in der Verordnung deutlich zum Ausdruck kommen muss, dass ein Arbeitgeber Daten auf der Grundlage einer Einwilligung des Arbeitnehmers verarbeiten darf; gleiches gilt für öffentliche Stellen sowohl im Geltungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung als auch der Datenschutzrichtlinie. Die Mitgliedstaaten können in Übereinstimmung mit der Verordnung per Gesetz die Verarbeitung personenbezogener Arbeitnehmerdaten im Beschäftigungskontext regeln;

20.

hält es daher für erforderlich, soweit das weitere Rechtssetzungsverfahren nicht zu grundlegenden konzeptionellen Fortentwicklungen genutzt werden kann, die bisher zu strikt auf ordnungsrechtliche, ebenfalls bipolare Instrumente wie Anordnungen oder Sanktionen ausgerichteten Durchsetzungsmechanismen zu überdenken. Gerade aus Sicht der den Betroffenen am nächsten stehenden lokalen und regionalen Gebietskörperschaften können dabei:

Maßnahmen zur Sensibilisierung für Fragen des Datenschutzes in allen Generationen und Bevölkerungsschichten,

Mechanismen des Austauschs über bewährte und technologisch fortschrittliche Datenschutzkonzepte wie z.B. im Rahmen von Gütesiegeln,

standardisierte, leicht nachvollziehbare Informationen und Aufklärungen nach dem "Ampel-Prinzip",

verbindlich geregelte Zertifizierungsverfahren oder

Verfahren regulierter Selbstregulierung der Akteure besondere Bedeutung haben;

21.

betont in diesem Zusammenhang, dass der Vorschlag der Datenschutz-Grundverordnung diesen im Wesentlichen durch die Aufsichtsbehörden wahrzunehmenden Aufgaben bislang nur nachrangigen Stellenwert z.B. im Rahmen des allgemeinen Informationsauftrags nach Artikel 52 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags (DS-GRV) oder den Regelungen über Verhaltensregeln (Artikel 38 DS-GRV) einräumt;

Spielräume nationaler Rechtsetzung bewahren

22.

weist darauf hin, dass sich ungeachtet offener Fragen zur Vereinbarkeit des Grundkonzepts der Verordnung mit dem Prinzip der Subsidiarität und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch aus Detailregelungen weitere unangemessene Grenzziehungen für die Rechtsetzung der Mitgliedstaaten im Bereich der Datenverarbeitung durch Stellen der öffentlichen Verwaltung ergeben;

23.

vertritt daher die Ansicht, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen und die arbeitsrechtlichen Aspekte auch weiterhin in einer Richtlinie geregelt werden sollten;

24.

ist daher für den Fall, dass die Kommission an ihrem Wunsch nach einer auch für öffentliche Stellen und den arbeitsrechtlichen Bereich geltenden Verordnung festhält, der Auffassung, dass

die in Artikel 6 Absatz 3 DS-GRV vorgesehene Schnittstelle für mitgliedstaatliche Regelung zur Begründung von Datenverarbeitungspflichten nicht durch eine über ihren eigentlichen Anwendungsbereich hinausgehende Übernahme der Schranken von Artikel 52 der Grundrechtecharta zusätzlich erschwert werden darf;

gleiches für die Ermächtigungen zugunsten der Kommission gilt, im Rahmen delegierter Rechtsakte die Grenzen der den Mitgliedstaaten überlassenen Regelungsbereiche wie die Datenverarbeitung von Gesundheits- oder Beschäftigtendaten oder für historische und statistische Zwecke oder Zwecke wissenschaftlicher Forschung nochmals näher zu bestimmen;

die Zulässigkeit der Einwilligung in beiden Bereichen ausdrücklich Erwähnung finden muss; dies gilt im Verhältnis zu öffentlichen Stellen auch im Geltungsbereich der Datenschutzrichtlinie;

die Kommission sollte im Zusammenhang mit sämtlichen delegierten Rechtsakten (Artikel 86) zu einer umfassenden Folgenabschätzung und Konsultation des Rates, der Parlamente der Mitgliedstaaten und der betroffenen Kreise der Öffentlichkeit sowie der nach AEUV bei Legislativakten zu beteiligenden Ausschüsse und des Europäischen Datenschutzausschusses verpflichtet werden, um u.a. die Einhaltung der Grundsätze von Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität zu gewährleisten. Ebenso sind für der Erlass von Durchführungsrechtsakten Verfahren zu wählen, die eine rechtzeitige und umfassende Beteiligung aller Betroffenen Kreise gewährleisten;

die Verordnung über die Abweichungsbefugnisse von Artikel 21 DS-GRV hinaus zumindest Spielraum für mitgliedstaatliche Rechtsetzung eröffnen sollte, die die Datenverarbeitung zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben in Übereinstimmung mit den Zielvorgaben von Artikel 8 der Grundrechtecharta differenzierteren Schutzbestimmungen unterwirft, als dies die Verordnung derzeit vorsieht;

bereits bei der Festlegung des Anwendungsbereichs außerdem klarzustellen ist, dass die Regelungen der Verordnung nur solche Tätigkeiten "im Geltungsbereich des Unionsrechts" erfassen, in denen die Europäische Union zum Erlass verbindlicher Regelungen befugt ist, nicht aber auch solche Bereiche, die entweder weiterhin ausschließlich nationaler Regelungskompetenz unterliegen oder in denen die Verträge eine Kompetenz zur Harmonisierung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften ausdrücklich ausschließen wie z.B. im Bildungssystem (Artikel 165 Absatz 4 AEUV);

in Artikel 82 der Verordnung deutlich zum Ausdruck gebracht werden muss, dass die Möglichkeit gegeben ist, spezifische Vorschriften für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses durch Kollektivvereinbarungen festzulegen;

in der Verordnung sichergestellt werden muss, dass das Weisungsrecht nicht eingeschränkt wird, z.B. bezüglich der Einstellung/Entlassung eines für die Datenverarbeitung Verantwortlichen;

sichergestellt werden muss, dass bei den Befugnissen zur Ahndung von Datenschutzverstößen klar zwischen privaten, auf Gewinnerzielung ausgerichteten Stellen und anderen Stellen, insbesondere im Bereich der öffentlichen Verwaltungen, differenziert wird, bei denen die Zielsetzung der Gewinnabschöpfung nicht sachgerecht ist und stattdessen politische Kontrollmechanismen höhere Wirksamkeit entfalten;

Demokratische Verantwortung stärken

25.

hat große Sorge, dass die Konkretisierung und Fortentwicklung datenschutzrechtlicher Anforderungen mit Inkrafttreten der Verordnung in Verfahren verlagert wird, die anders als die Rechtsetzung der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union oder der Vollzug des nationalen und europäischen Rechts durch parlamentarisch kontrollierte Verwaltungen der Mitgliedstaaten weder die Gewähr für Transparenz noch für hinreichende demokratische Legitimation bieten;

26.

begründet dies damit, dass der Verordnungsvorschlag durch stark abstrahierte Regelungen verbindliche und zugleich vereinheitlichte, sanktionierbare Verpflichtungen in einem für die Verwirklichung verschiedener Grundrechtspositionen zentralen Bereich schaffen soll, der bereits heute durch eine kaum überschaubaren Bandbreite unterschiedlicher Anwendungsfälle geprägt wird, die vom privaten Adressverzeichnis über öffentliche Einwohnerregister bis hin zum Datenbestand von sozialen Netzwerken oder Suchmaschinenanbieter reichen. Dabei nahezu unvermeidbare Defizite in Fragen der Normbestimmtheit, Rechtssicherheit und Vollzugstauglichkeit sollen einerseits durch eine Vielzahl von Ermächtigungen zum Erlass delegierter Rechtsakte kompensiert werden, die vielfach wesentliche Elemente des Regelungskonzepts betreffen wie dies z.B. die Ermächtigung in Artikel 6 Absatz 5 DS-GRV zeigt. Andererseits erhalten die unabhängigen Kontrollstellen weit über klassische Vollzugsaufgaben hinausgehende Befugnisse, im Rahmen allgemeiner Leitlinien zur Auslegung der Datenschutzverordnung im praktischen Ergebnis ebenfalls abstrakt-generelle Regelungen zu treffen. Sie werden dabei überdies im Rahmen des sog. Kohärenzmechanismus unangemessenen Einwirkungsrechten der Kommission unterworfen, die ihre durch Artikel 16 Absatz 2 2. Satz AEUV gewährleistete Unabhängigkeit in Frage stellen;

27.

hält es daher für geboten, die Mechanismen zur Beteiligung der Kommission im Rahmen des Kohärenzverfahrens zur Wahrung der Unabhängigkeit der Datenschutz-Aufsichtsbehörden, insbesondere ihre Befugnisse nach Artikel 60 und 62 Absatz 1 Buchstabe a) DS-GRV, sowie die in ebendiesen Artikeln gewählte Formulierung "wenn [die Kommission] ernsthaft bezweifelt", die zur Begründung eines Eingreifens dient, grundsätzlich zu modifizieren;

28.

erachtet es außerdem für zweckdienlich, dass den Mitgliedstaaten bzw. gegebenenfalls den Regionen in dem Verordnungsvorschlag ein größerer Entscheidungsspielraum eingeräumt wird, um im Einklang mit innerstaatlichem Recht die allgemeinen Bedingungen für die Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde festzulegen und deren Unabhängigkeit bei der Ausübung ihrer Aufgaben sicherzustellen;

29.

ist darüber hinaus der Auffassung, dass die auch vom Europäischen Gerichtshof anerkannten Instrumente zur Steuerung der unabhängigen Aufsichtsbehörden z.B. im Rahmen von Berichten und anderen regelmäßigen Konsultationsverfahren mit den Gesetzgebungsorganen stärker ausgebaut werden sollten, um auch Europäischem Parlament und Rat sowie dem Ausschuss der Regionen im Rahmen seiner Beteiligungsrechte einen regelmäßigen Überblick über den Vollzug des europäischen Datenschutzrechts zu vermitteln und die Möglichkeit zu geben, Initiativen für seine Fortentwicklung einzuleiten. Daneben sollten in Anlehnung an den Grundsatz des rechtlichen Gehörs die Aufsichtsbehörden sowie der Europäische Datenschutzausschuss durch ergänzende Verfahrensregelung verpflichtet werden, z.B. durch Anhörungs- oder Konsultationsverfahren die von Entscheidungen grundsätzlicher Tragweite z.B. nach Artikel 58 Absatz 2 DS-GRV betroffenen Verbänden und Interessenvertretungen in einen transparenten Prozess der Konkretisierung und Fortentwicklung des Datenschutzrechts einzubeziehen;

Grenzen der Harmonisierung beim Datenschutz von Polizei und Justiz

30.

hat Zweifel, ob eine Regelung auch ausschließlich innerstaatlicher Datenverarbeitungen im Rahmen des Richtlinienvorschlags für Polizei und Justiz mit den Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Union vereinbar sowie nach dem Prinzip der Subsidiarität und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten ist. Außerhalb der Aufgaben bei der Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität oder Cyberkriminalität bestehen nach wie vor große Datenbestände der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden, die ausschließlich auf nationaler Ebene verarbeitet werden und damit keine europäisierte Datenschutzregelung erfordern. Zu berücksichtigen bleibt außerdem, dass Regelungen des Datenschutzrechts unmittelbar auf das sonstige Polizei- und Strafverfahrensrecht zurückwirken und damit mittelbar auch dort zur Harmonisierung zwingen, obwohl hierfür keine ausreichende Kompetenz der Europäischen Union besteht;

31.

ist erstaunt darüber, dass die Organe und Einrichtungen der EU und insbesondere Eurojust und Europol vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind;

32.

bittet ungeachtet dieser grundsätzlichen Vorbehalte im weiteren Rechtsetzungsverfahren zu prüfen,

inwieweit umfangreiche Protokollierungs- und Benachrichtigungspflichten zu Verzögerungen des polizeilichen Ermittlungs- und Strafverfahrens führen können;

ob die Bestimmungen in Artikel 7 Buchstabe b), c) und d) der Richtlinie mit Artikel 1 Absatz 1 vereinbar sind, in dem der Gegenstand und die Ziele der Richtlinie festgelegt sind;

dass der bewährte Datenaustausch mit Drittstaaten zwar nicht unangemessen einschränkt oder erschwert werden sollte, jedoch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen für Ausnahmeregelungen im Zusammenhang mit der internationalen Übermittlung in Einzelfällen angewendet werden sollten (Artikel 36);

welche Ermächtigungen für die Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte und zu Durchführungsregelungen zugunsten einer konkretisierenden Regelung bereits im Rechtsakt oder mittels einer entsprechenden Öffnungsklausel durch die Mitgliedstaaten reduziert werden können;

33.

behält sich das Recht vor, eine weitere Stellungnahme und darin insbesondere konkrete Änderungsvorschläge vorzulegen, sobald die Positionen des Rates der Europäischen Union und des Europäischen Parlaments zu den aufgeworfenen Fragen im weiteren Rechtsetzungsverfahren erkennbar geworden sind.

II.   ÄNDERUNGSVORSCHLÄGE

Änderungsvorschlag 1

Artikel 36

Kommissionsvorschlag

Änderungsvorschlag des AdR

Abweichend von den Artikeln 34 und 35 sehen die Mitgliedstaaten vor, dass personenbezogene Daten nur dann in ein Drittland oder an eine internationale Organisation übermittelt werden dürfen, wenn die Übermittlung

Abweichend von den Artikeln 34 und 35 sehen die Mitgliedstaaten vor, dass personenbezogene Daten nur dann in ein Drittland oder an eine internationale Organisation übermittelt werden dürfen, wenn die Übermittlung

a)

zur Wahrung lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person oder einer anderen Person erforderlich ist,

a)

zur Wahrung lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person oder einer anderen Person erforderlich ist,

b)

nach dem Recht des Mitgliedstaats, aus dem die personenbezogenen Daten übermittelt werden, zur Wahrung berechtigter Interessen der betroffenen Person notwendig ist,

b)

nach dem Recht des Mitgliedstaats, aus dem die personenbezogenen Daten übermittelt werden, zur Wahrung berechtigter Interessen der betroffenen Person notwendig ist,

c)

zur Abwehr einer unmittelbaren und ernsthaften Gefahr für die öffentliche Sicherheit eines Mitgliedstaats oder eines Drittlands unerlässlich ist,

c)

zur Abwehr einer unmittelbaren und ernsthaften Gefahr für die öffentliche Sicherheit eines Mitgliedstaats oder eines Drittlands unerlässlich ist,

d)

zur Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten oder zur Strafvollstreckung erforderlich ist oder

d)

zur Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten oder zur Strafvollstreckung erforderlich ist oder

e)

in Einzelfällen zur Begründung, Geltendmachung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung einer bestimmten Straftat oder der Vollstreckung einer bestimmten Strafe notwendig ist.

e)

in Einzelfällen zur Begründung, Geltendmachung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung einer bestimmten Straftat oder der Vollstreckung einer bestimmten Strafe notwendig ist.

 

Begründung

Die Formulierungen "erforderlich ist" bzw. "notwendig ist" sind viel zu vage und lassen Spielraum für eine uneingeschränkte Anwendung der Ausnahmeregelungen, was im Widerspruch zur eigentlichen Intention dieses Artikels steht.

Änderungsvorschlag 2

Artikel 86 Absatz 6

Kommissionsvorschlag

Änderungsvorschlag des AdR

 

Begründung

Die Aufnahme einer Verpflichtung der Kommission zur Konsultation des Europäischen Datenschutzausschusses im Zusammenhang mit sämtlichen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakte wäre eine äußerst wichtige Sicherheitsvorkehrung.

Brüssel, den 10. Oktober 2012

Der Präsident des Ausschusses der Regionen

Ramón Luis VALCÁRCEL SISO


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