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Document 52007AE0614

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste KOM(2006) 594 endg. — 2006/0196 (COD)

ABl. C 168 vom 20.7.2007, p. 74–77 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

20.7.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 168/74


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste“

KOM(2006) 594 endg. — 2006/0196 (COD)

(2007/C 168/16)

Der Rat beschloss am 1. Dezember 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 47 Absatz 2, Artikel 55 und Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 22. März 2007 an. Berichterstatter war Herr HENCKS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 435. Plenartagung am 25./26. April 2007 (Sitzung vom 26. April) mit 131 gegen 26 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Empfehlungen

1.1

Mit diesem Vorschlag für eine Richtlinie will die Kommission zum 1. Januar 2009 die letzte Stufe der Liberalisierung des Postmarktes vollenden; dabei soll in allen EU-Mitgliedstaaten ein Universaldienst im Wesentlichen in seiner derzeitigen Form beibehalten, die Exklusivrechte (reservierter Bereich) zur Finanzierung dieses Universaldienstes sollen hingegen abgeschafft werden.

1.2

Das größte Problem bei der Organisation dieser letzten Etappe besteht darin, die Maßnahmen festzulegen, die ergriffen werden müssen, um im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, die Bedürfnisse der Bürger — unabhängig von ihrem Wohnort, ihrer finanziellen oder sonstigen Situation -, die Beschäftigung und die nachhaltige Entwicklung einen leistungsstarken und wettbewerbsfähigen Postsektor aufrechtzuerhalten, der Privatpersonen und Unternehmen in Europa weiterhin einen qualitativ hochwertigen Universaldienst zu erschwinglichen Preisen bietet.

1.3

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Elemente, auf die sich der Vorschlag der Kommission stützt, nicht mit der notwendigen Sicherheit eine nachhaltige Finanzierung des Universaldienstes in allen Mitgliedstaaten, insbesondere denjenigen mit geographisch und demographisch schwierigen Bedingungen, garantieren können und infolgedessen beim jetzigen Stand der Dinge die Aufhebung der Finanzierung durch einen reservierten Bereich, dessen Effizienz und Antidiskriminierungseffekt sich in vielen Mitgliedstaaten bewährt hat, nicht zu rechtfertigen vermögen.

1.4

Der EWSA unterstützt es nicht, dass zur Deckung etwaiger Restkosten für das Netz des Universaldienstes die Nutzer der Dienstleistungen mit einer Gebühr oder Tariferhöhung belastet bzw. öffentliche Subventionen herangezogen werden, während der gegenwärtige Dienst keine spezifischen Kosten für die Nutzer/Steuerzahler mit sich bringt.

1.5

Der EWSA kann zum jetzigen Zeitpunkt weder ein System des „play or pay“ befürworten, in dem jedem Anbieter eine Universaldienstverpflichtung zukommt, von der er sich durch eine Beteiligung an der Finanzierung des Universaldienstes befreien kann, noch kann er die Schaffung eines Ausgleichsfonds gutheißen.

1.6

Die Kommission muss den Rahmen, innerhalb dessen die Liberalisierung der Postdienste ihren Fortgang nehmen könnte, näher darlegen. Diese Voraussetzung muss gegeben sein, bevor ein reservierter Bereich, der zur Finanzierung des Universaldienstes notwendig ist, abgeschafft wird.

1.7

Angesichts der Unsicherheiten und Risiken, die mit einer vollständigen Liberalisierung des Postmarktes verbunden sind, erscheint der Stichtag 1.1.2009 unrealistisch. Dies gilt umso mehr, als den Postbetreibern in den Mitgliedstaaten, die erst 2004 der EU beigetreten sind, nicht genügend Zeit zur Verfügung stünde, um sich an die neue Situation anzupassen.

1.8

Der EWSA fordert,

die gegenwärtige Richtlinie beizubehalten,

eine etwaige vollständige Liberalisierung des Postsektors zum 1.1.2012 unter dem Vorbehalt vorzusehen, dass bis zu diesem Zeitpunkt in enger Abstimmung mit allen betroffenen Seiten solide Finanzierungsvorschläge gefunden werden, die gegenüber dem reservierten Bereich einen zusätzlichen Vorteil bieten,

Sendungen, die an Blinde und Sehbehinderte und ihre Organisationen adressiert bzw. von diesen verschickt werden, als portofreie Spezialsendungen in den Universaldienst einzubeziehen.

2.   Einleitung

2.1

Den Postdiensten kommt für den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt sowie für die Umsetzung der Lissabon-Strategie eine beträchtliche sozioökonomische Bedeutung zu. Sie leisten einen direkten Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft und zur Wahrung der Grundrechte des Einzelnen, zur Vernetzung und Solidarität der Menschen und Regionen, zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und schließlich auch zur nachhaltigen Entwicklung.

2.2

Nach Schätzungen der Kommission fertigen die Postdienste in der EU jährlich 135 Milliarden Sendungen ab und erzielen somit einen Umsatz von etwa 88 Milliarden EUR, bzw. etwa 1 % des BIP der EU. Zwei Drittel dieses Umsatzes werden mit Briefsendungen erzielt, das verbleibende Drittel mit Paketdiensten, Expressdiensten und verwandten Dienstleistungen.

2.3

Ein Postuniversaldienst, der allen Bürgern, unabhängig von ihrem Wohnort, ihrer finanziellen und ihrer sonstigen Situation, den Zugang zu qualitativ hochwertigen und zuverlässigen Postdiensten zu erschwinglichen Preisen garantiert, ist ein wesentliches Element des europäischen Sozialmodells und der Lissabon-Strategie. Ein qualitativ hochwertiger Universaldienst ist eine Notwendigkeit sowohl für die Bürger als auch für die Wirtschaftsakteure: diese Hauptauftraggeber für Postdienste sind darauf angewiesen, dass jeder Brief und jedes Päckchen jedem Adressaten, unabhängig von dessen Merkmalen und dessen Wohnort, zugestellt wird.

2.4

Die Reformen, die technologischen Entwicklungen sowie ein höherer Automatisierungsgrad des Postsektors haben zu beträchtlichen qualitativen Verbesserungen sowie zu mehr Effizienz und stärkerer Berücksichtigung der Bedürfnisse der Kunden geführt.

2.5

Diese Entwicklungen, die im Gegensatz zu den pessimistischen Vorhersagen stehen, wonach die Postdienste einen kontinuierlich rückläufigen Markt darstellen, zeigen, dass die Betreiber in der Entwicklung neuer Dienste, wie Home Shopping, E-Commerce und Hybrid-Post, ein Wachstumspotenzial sehen.

2.6

Im Gegensatz zu anderen netzgebundenen Wirtschaftszweigen zeichnet sich das Postgewerbe, insbesondere das der Zustellung, immer noch durch eine ausgeprägt manuelle Tätigkeit und eine personenbezogene Dienstleistung aus und stellt der Postsektor im Hinblick auf Arbeitsplätze einen wichtigen Faktor dar; Schätzungen zufolge hängen in der EU mehr als 5 Millionen Arbeitsplätze direkt vom Postsektor ab oder stehen in enger Beziehung zu diesem. Die Arbeitskräfte, deren Kosten zumeist Fixkosten sind und den größten Teil der Gesamtkosten ausmachen (+/- 80 %), sehen sich im Rahmen der Liberalisierung und des Zwangs zur Wettbewerbsfähigkeit in besonderem Maße möglichen Rationalisierungsmaßnahmen ausgesetzt.

2.7

Schließlich möchte der EWSA noch auf die regelmäßigen Umfragen von „Eurobarometer“ hinweisen, die ergeben haben, dass die große Mehrheit der Kunden mit der Qualität der Postdienstleistungen allgemein zufrieden ist.

3.   Hintergrund

3.1

Ausgehend von dem Grünbuch über die Entwicklung des Binnenmarktes für Postdienste (11. Juni 1992) und der Mitteilung über die „Leitlinien für die Entwicklung der gemeinschaftlichen Postdienste“ (2. Juni 1993) wurde mit der als „Postrichtlinie“ bekannten Richtlinie 97/67/EG vor beinahe zehn Jahren mit der schrittweisen und kontrollierten Liberalisierung des Postsektors begonnen.

3.2

Mit der Postrichtlinie, die am 31.12.2008 ausläuft, wurden zur Entwicklung des Binnenmarktes für die folgenden Postdienste gemeinschaftliche Regelungen geschaffen:

den Universaldienst,

den reservierten Bereich (Monopol),

die Tarifierungsgrundsätze und die Transparenz der Rechnungslegung für die Leistungen des Universaldienstes,

die Qualitätsnormen,

die Harmonisierung der technischen Normen,

die Errichtung unabhängiger einzelstaatlicher Regulierungsbehörden.

3.3   Universaldienst

3.3.1

Nach dieser Richtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, allen Nutzern einen Universaldienst zu erschwinglichen Preisen zu garantieren, durch den an allen Werktagen, mindestens aber an fünf Tagen pro Woche, flächendeckend mindestens folgende Leistungen gewährleistet sind:

Abholung, Sortieren, Transport und Zustellung von Postsendungen bis 2 kg und von Postpaketen bis 10 kg;

die Dienste für Einschreib- und Wertsendungen;

überall in der EU angemessene Zugangsstellen zum Postnetz.

3.3.2

Die Regelungen der Gemeinschaft garantieren somit jedem in der EU ansässigen Bürger einen echten Kommunikationsdienst, unabhängig von der geographischen Lage und der demographischen Situation ihres Wohnortes.

3.3.3

Der Universaldienst in der oben definierten Form, der die inländischen ebenso wie die grenzübergreifenden Dienste umfasst, muss bestimmte Qualitätsnormen im Hinblick insbesondere auf die Fristen für die Beförderung sowie die Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit der Dienste, wie sie von den Mitgliedstaaten (Inlandsdienste) sowie dem Parlament und dem Rat (grenzüberschreitende Dienstleistungen in der Gemeinschaft) festgelegt wurden, erfüllen.

3.4   Reservierter Bereich

3.4.1

Wenn ein Mitgliedstaat der Ansicht ist, dass die Verpflichtungen aus dem Universaldienst eine unverhältnismäßige finanzielle Belastung für den betreffenden Dienstleister darstellen, kann er diesem das Monopol reservieren für die Abholung, das Sortieren, den Transport und die Zustellung von Inlandsbriefsendungen sowie, falls für die Aufrechterhaltung des Universaldienstes erforderlich, von grenzüberschreitenden Brief- und Direktwerbesendungen

bis zu einem Gewicht von 50 Gramm (bzw. deren Frankierung nicht das Zweieinhalbfache des öffentlichen Tarifs einer Briefsendung der ersten Gewichtsklasse der schnellsten Kategorie übersteigt).

4.   Der Richtlinienvorschlag der Kommission

4.1

Die Prospektivstudie, die die Kommission durch ein international tätiges Beratungsunternehmen (1) erstellen ließ, gipfelt in der Schlussfolgerung, dass die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste in allen Mitgliedstaaten im Jahr 2009 mit der Beibehaltung eines qualitativ hochwertigen Universaldienstes zu vereinbaren ist. In dieser Studie wird gleichwohl darauf hingewiesen, dass angesichts der sich hieraus für die Beibehaltung des Universaldienstes ergebenden Risiken vorausgesetzt werden muss, dass die so genannten begleitenden Maßnahmen von der Mehrheit der Mitgliedstaaten getroffen werden.

4.2

Der hier zur Debatte stehende Richtlinienvorschlag sieht die vollständige Liberalisierung des Postmarktes ab dem 1. Januar 2009 vor. Zugleich soll für alle Nutzer in allen EU-Mitgliedstaaten das gemeinsame Universaldienstniveau im Wesentlichen mit den derzeitigen Ausmaßen gewährleistet bleiben.

4.3

Ab dem 1. Januar 2009 dürfen die Mitgliedstaaten für die Einrichtung und die Erbringung von Postdiensten keine ausschließlichen oder besonderen Rechte (reservierter Bereich) mehr gewähren.

4.4

Die Mitgliedstaaten werden den oder die Anbieter des Universaldienstes nicht mehr unbedingt verbindlich bestimmen müssen, sondern können die Erbringung des besagten Dienstes — mit einer zeitlichen Begrenzung — den Kräften des Marktes überlassen. Dabei bleibt es den Mitgliedstaaten vorbehalten, zu bestimmen, bei welchen spezifischen Diensten oder Regionen die Erbringung des Universaldienstes nicht den Marktkräften überlassen werden kann, sowie diese Dienste kostenwirksam über öffentliche Ausschreibungen bereitzustellen.

4.5

Für den Fall, dass die Erbringung des Universaldienstes eine externe Finanzierung erforderlich macht, könnten die Mitgliedstaaten eine der folgenden Möglichkeiten wählen:

öffentliche Ausschreibungen;

öffentliche Ausgleichszahlungen durch direkte staatliche Beihilfen;

einen durch Beiträge von Dienstanbietern und/oder Nutzern finanzierten Ausgleichsfonds;

„play or pay“-Mechanismen, bei denen die Erteilung von Genehmigungen entweder an eine Universaldienstverpflichtung oder an die Finanzierung eines Ausgleichsfonds gebunden ist.

4.6

Mit dem Richtlinienvorschlag wird auch eine neue Bestimmung eingeführt, die den Mitgliedstaaten die Auflage erteilt, zu beurteilen, ob allen Dienstanbietern ein transparenter und nichtdiskriminierender Zugang zu den Elementen der postalischen Infrastruktur sowie zu den Diensten Postleitzahlsystem, Adressendatenbank, Briefkästen, Hausbrieffachanlagen, Postfächer, Information über Adressenänderungen, Umleitung von Sendungen, Rückleitung an Absender gewährt werden muss. Der nachgelagerte Zugang zu den Diensten „Sortierung“ und „Zustellung“ ist in den genannten Bestimmungen nicht vorgesehen.

5.   Allgemeine Bemerkungen

5.1

Der EWSA hat es stets für gut befunden, dass die Liberalisierung der Postdienste im Gegensatz zu anderen Sektoren nicht abrupt, sondern bislang schrittweise und kontrolliert vonstatten ging. Er zeigt sich erfreut darüber, dass der Kommissionsvorschlag die wesentlichen Aspekte des jedem Nutzer garantierten Universaldienstes bestätigt. Ungeachtet dessen fordert der EWSA, Sendungen, die an Blinde und Sehbehinderte adressiert bzw. von diesen verschickt werden, als portofreie Spezialsendungen in den Universaldienst einzubeziehen.

5.2

Für die Kommission besteht das größte Problem bei der Organisation der letzten Etappe zur völligen Liberalisierung des gemeinschaftlichen Postmarktes in der Festlegung von Maßnahmen zur Erreichung eines leistungsfähigen und wettbewerbsfähigen Postsektors, der Privatpersonen und Unternehmen in Europa weiterhin qualitativ hochwertige Dienstleistungen zu erschwinglichen Preisen bietet.

5.3

Der EWSA ist jedoch der Auffassung, dass die Elemente, auf die sich der Vorschlag der Kommission stützt, nicht mit der notwendigen Sicherheit eine nachhaltige Finanzierung des Universaldienstes in allen Mitgliedstaaten, insbesondere denjenigen mit geographisch und demographisch schwierigen Bedingungen, garantieren können, und infolgedessen beim jetzigen Stand der Dinge die Aufhebung der Finanzierung durch einen reservierten Bereich, dessen Effizienz und Antidiskriminierungseffekt sich in vielen Mitgliedstaaten bewährt hat, nicht zu rechtfertigen vermögen.

5.4

Der EWSA unterstützt es nicht, dass zur Deckung etwaiger Restkosten für das Netz des Universaldienstes die Nutzer der Dienstleistungen mit einer Gebühr oder einer Tariferhöhung belastet werden oder eine Finanzierung durch öffentliche Subventionen erfolgt, während der gegenwärtige Universaldienst als solcher keine spezifischen Kosten für die Nutzer/Steuerzahler mit sich bringt.

5.5

Der EWSA kann zum jetzigen Zeitpunkt ein System des „play or pay“ nicht unterstützen, in dem jedem Anbieter eine Universaldienstverpflichtung zukommt, von der er sich durch eine Beteiligung an der Finanzierung des Universaldienstes befreien kann. Probeweise in die Praxis umgesetzt wurde ein solches System — ohne nennenswertes Ergebnis — nur in Finnland. Ebenso wenig angemessen erscheint die Schaffung eines Ausgleichsfonds. In dem einzigen Mitgliedstaat, in dem ein solches System getestet wurde, nämlich Italien, ist dieser Versuch gescheitert.

5.6

Das Gleiche gilt für die Finanzierung des Universaldienstes durch öffentliche Subventionen, die im Prinzip darauf hinausläuft, dass abermals die ohnehin bereits stark belasteten öffentlichen Finanzen beansprucht und letzten Endes die Nutzer/Steuerzahler zur Kasse gebeten werden.

5.7

Schließlich weist der EWSA darauf hin, dass die Vorschläge der Kommission für eine alternative Finanzierung nicht auf ihre Praktikabilität und ihren Nutzeffekt hin untersucht wurden. Kämen sie unter diesen Voraussetzungen zur Durchführung, so wäre das für die Mitgliedstaaten mit dem Risiko einer unumkehrbaren Situation verbunden, in der der Markt vollständig liberalisiert und der Universaldienst nicht mehr garantiert ist.

5.8

Bevor eine neue Etappe der Liberalisierung eingeleitet wird, müssen daher Regeln sowie ein eindeutiger und gesicherter Rahmen festgelegt werden. Der reservierte Bereich darf gegebenenfalls erst aufgehoben werden, nachdem dieser Rahmen, der insbesondere eindeutig definierte und für jeden Mitgliedstaat geprüfte, tatsächlich wirksame und nachhaltige Maßnahmen zur Finanzierung des Universaldienstes enthalten soll, feststeht. Diese Voraussetzung muss gegeben sein, bevor die einzige Finanzierungsart, die sich bis heute als wirksam erwiesen hat, nämlich ein angemessener reservierter Bereich, abgeschafft wird.

5.9

Innerhalb von rund zehn Jahren hat die Zahl der Beschäftigten im Postsektor um mehrere zehntausend abgenommen (laut Kommission 0,7 %), während zahlreiche weitere Arbeitsplätze durch prekäre Arbeitsplatzverhältnisse bzw. Stellen mit schlechten Arbeitsbedingungen ersetzt wurden.

5.10

Wenngleich sich ein Teil dieser Entwicklung durch diverse Faktoren wie die neuen Technologien und die Konkurrenz durch andere Kommunikationsmittel wie die elektronische Kommunikation erklären lässt, ist doch die Liberalisierung des Marktes eine der Hauptursachen.

5.11

Die Behauptung der Kommission, durch die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste könne aufgrund der damit verbundenen größeren Konkurrenz ein Potenzial zur Schaffung von Arbeitsplätzen freigesetzt werden, mit dem sich der Verlust von Arbeitsplätzen bei den traditionellen Anbietern auffangen ließe, muss erst noch bewiesen werden.

5.12

In Bezug auf das Wachstumspotenzial des Sektors bietet der Kommissionstext nichts anderes als den Vorschlag, den offenkundig als irreversibel betrachteten Rückgang der traditionellen Postdienste zu „managen“, ohne ihnen entsprechend den mit der Lissabon-Strategie und der Wissensgesellschaft verbundenen Kommunikationserfordernissen einen neuen Platz zuzuweisen und ohne die Auswirkungen hinsichtlich der Energieeffizienz zu prüfen.

5.13

Mit den Vorschlägen der Kommission bleibt den Mitgliedstaaten die Gewährleistung der wichtigsten Regulierungsaufgaben überlassen, so dass der europäische Binnenmarkt für Postdienste letztlich nichts weiter als ein Nebeneinander von 27 Organisationen und nationalen Märkten ohne gemeinschaftlichen Zusammenhalt sein wird. Der EWSA bekräftigt erneut, dass er an dem Ziel eines vergemeinschafteten Postsektors mit gemeinschaftsweit geltenden Regeln für den Wettbewerb und die Erbringung von Universaldienstleistungen festhält.

5.14

Angesichts der Unsicherheiten und Risiken, die mit einer vollständigen Liberalisierung des Postmarktes verbunden sind, spricht sich der EWSA gegen die Festsetzung des 1.1.2009 als Stichtag aus. Dies gilt umso mehr, als den Postbetreibern in den Mitgliedstaaten, die erst 2004 der EU beigetreten sind, nicht genügend Zeit zur Verfügung stünde, um sich an die neue Situation anzupassen.

5.15

Der EWSA fordert, die gegenwärtige Richtlinie beizubehalten sowie eine etwaige vollständige Liberalisierung des Postsektors zum 1.1.2012 unter dem Vorbehalt vorzusehen, dass bis zu diesem Zeitpunkt in enger Abstimmung mit allen betroffenen Seiten solide Finanzierungsvorschläge gefunden werden, die gegenüber dem reservierten Bereich einen zusätzlichen Vorteil bieten.

Brüssel, den 26. April 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  The Impact on Universal Service of the Full Market Accomplishment of the Postal Internal Market in 2009/Price Waterhouse & Coopers.


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