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Document 52007AE0602

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Bericht der Kommission: Bericht über die Wettbewerbspolitik 2005 SEK(2006) 761 endg.

ABl. C 168 vom 20.7.2007, p. 22–28 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

20.7.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 168/22


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Bericht der Kommission: Bericht über die Wettbewerbspolitik 2005“

SEK(2006) 761 endg.

(2007/C 168/04)

Die Kommission beschloss am 15. Juni 2006 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Bericht der Kommission: Bericht über die Wettbewerbspolitik 2005“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 27. März 2007 an. Berichterstatter war Herr GARAI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 435. Plenartagung am 25./26. April 2007 (Sitzung vom 26. April) mit 115 gegen 40 Stimmen bei 12 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

In dieser Stellungnahme konnte nicht die gesamte Tätigkeit der Generaldirektion Wettbewerb (GD Wettbewerb) behandelt werden (1). Es konnte nur kurz auf eine begrenzte Anzahl ausgewählter Fälle eingegangen werden, während die Behandlung gerichtlicher Entscheidungen zu Kartell-, Fusions- und Beihilfefällen überhaupt nicht möglich war, da dies eine gründliche Untersuchung des genauen Marktverhaltens und dessen Wahrnehmung durch die Behörden erfordert hätte. Aus dem Bericht wird jedoch deutlich, dass die GD Wettbewerb im Umgang mit Fällen bei der Durchführung von Verfahren Beharrlichkeit an den Tag legt und darum bemüht ist, geeignete und durchführbare Problemlösungen zu finden. Kritik könnte lediglich zu einigen ausgewählten Sachverhalten vorgetragen werden, in deren Fall die Bedeutung des Sektors im Hinblick auf die Erfüllung der in der Lissabon-Strategie und den damit einhergehenden Dokumenten genannten Anforderungen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit die von der Kommission aufgebrachte Aufmerksamkeit nicht rechtfertigt. Als Beispiel hierfür möchte der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (im weiteren Text EWSA oder Ausschuss) den Follow-up-Bericht zum Bericht 2005 „Freiberufliche Dienstleistungen — Raum für weitere Reformen“ sowie das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen mit dem Titel „Fortschritte der Mitgliedstaaten bei der Überprüfung und Beseitigung von Wettbewerbsbeschränkungen im Bereich freiberuflicher Dienstleistungen“ anführen. Nach Ansicht des Ausschusses ist die Liberalisierung der Dienstleistungen im Sinne der Lissabon-Strategie in erster Linie auf Dienstleistungen von internationaler Bedeutung (wie Infrastruktur, Telekommunikation oder Verkehr) zu beziehen und in wesentlich geringerem Maße auf die so genannten freien Berufe (insbesondere Architekten, Rechtsanwälte, Ärzte, Ingenieure, Rechnungsführer und Apotheker); bei diesen handelt es sich in den meisten Fällen um Mikrounternehmen von lokaler Bedeutung, die laut Subsidiaritätsprinzip in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen (vgl. die Rechtssache Cipolla/Macrino sowie die verbundenen Rechtssachen C-94/04 und C-202/04 (2)). Der EWSA begrüßt, dass für die verschiedenen betroffenen Märkte der freien Berufe in den Mitgliedstaaten detaillierte Analysen zur Messung von Ausmaß und Intensität der bestehenden Beschränkungen durchgeführt wurden. Gleichzeitig betont der Ausschuss jedoch, dass nicht nur die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur, sondern auch die zu erwartenden Auswirkungen der vorgeschlagenen Liberalisierungen auf das soziale Gefüge geprüft werden sollten. Dieser Sachverhalt schließt jedoch nicht aus, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden Kartellverfahren durchführen müssen, die in erster Linie gegen Preisfestsetzungsversuche der Berufsverbände gerichtet sind.

1.2

Dem EWSA wurde vorgeschlagen, sich mehr auf den umfangreichen Sachverstand und die große Erfahrung der im Ausschuss vertretenen Verbände und Organisationen der Zivilgesellschaft zu stützen, um die Tätigkeit der GD Wettbewerb zu beobachten, und von Zeit zu Zeit sogar Untersuchungen im Hinblick auf die Aufnahme von Verfahren in Kartell- und Beihilfefällen einzuleiten. Die GD Wettbewerb der Kommission könnte hierzu durch regelmäßige Unterrichtung über ihre Ziele bei der Politikgestaltung und sogar — unter Wahrung der Vertraulichkeit — über ihre Tätigkeiten bei der Behandlung von Fällen beitragen.

1.3

Es sollten regelmäßige Treffen zwischen Vertretern des EWSA und dem Verbindungsbeauftragten für Verbraucherfragen der GD Wettbewerb eingeführt werden. Die gegenseitige Unterrichtung kann einen beständigen Dialog mit Verbraucherschutzorganisationen fördern. Nach der Zusammenfassung der von der GD Wettbewerb (3)durchgeführten branchenspezifischen Untersuchungen im Energiesektor (Gas und Elektrizität) und bei den Finanzdienstleistungen (Privatkundengeschäft und Unternehmensversicherungen) sollten die Befunde den Vertretern des EWSA zur weiteren Untersuchung und Kommentierung zugänglich gemacht werden (wobei möglichst eine Arbeitsgruppe gebildet werden sollte).

1.4

Der EWSA erkennt die Notwendigkeit einer Zusammenfassung seiner Ansichten über den Einfluss der Wettbewerbspolitik auf die von der Kommission formulierten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Werte an. Zu diesem Zweck wird in nächster Zeit mit der Erarbeitung einer Stellungnahme begonnen, in der im Sinne der Lissabon-Strategie die Begriffe „Wettbewerb“ und „Wettbewerbsfähigkeit“ dargelegt und ihr tatsächlicher Inhalt erklärt sowie ihre zu erwartenden Auswirkungen auf die Gesellschaften der Mitgliedstaaten erläutert werden.

1.5

Als die GD Wettbewerb die Debatte über die Anwendung von Artikel 82 EG-Vertrag (Missbrauch beherrschender Stellungen) einleitete, veröffentlichte sie eine Studie über Verdrängungspraktiken, die sowohl für Wettbewerber als auch den Wettbewerb selbst schädliche Auswirkungen haben, die umfassend diskutiert wurde. Die Kommission kündigte eine Fortsetzung zum Thema Ausbeutungsmissbrauch an, das vom Gesichtspunkt der Verbraucher und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) als Lieferanten der marktbeherrschenden Unternehmen aus noch heikler ist. Nach Auffassung des EWSA sollte die Kommission jetzt mit der Ausarbeitung des Diskussionspapiers zu gemäß Artikel 82 EG-Vertrag als Ausbeutungsmissbrauch anzusehenden Verhaltensweisen beginnen, auf dessen Grundlage die Diskussion dann fortgesetzt werden sollte. Sobald genügend gemeinsame Merkmale für die beiden Arten von missbräuchlichem Verhalten (Verdrängung und Ausbeutung) festgestellt wurden, sollten die Schlussfolgerungen zur Auslegung der Bestimmungen zum Missbrauch beherrschender Stellungen in einer einheitlichen Leitlinie gezogen werden.

2.   Einleitung

2.1

Das freie Spiel der Marktkräfte führt nicht immer zum bestmöglichen Ergebnis. Wettbewerbsverzerrungen treffen Arbeitnehmer und Verbraucher ebenso wie Unternehmen und die Wirtschaft im Allgemeinen. Wettbewerbspolitik und Wettbewerbsrecht sind Instrumente der Regierungen zur Festlegung und Durchsetzung eines fairen Marktverhaltens durch materielle und verfahrensrechtliche Bestimmungen des Verwaltungsrechts.

2.2

In der Stellungnahme des EWSA zu dem Bericht sollte erwähnt werden, dass moderne, marktorientierte demokratische Staaten über zwei wichtige Instrumente zur Einflussnahme auf die Wirtschaft verfügen:

die Industriepolitik, die die Marktteilnehmer durch Steuererleichterungen, Subventionen und sonstige Unterstützungen beeinflusst, was einen direkten Eingriff in die Wirtschaft darstellt;

die Wettbewerbspolitik (im engeren Sinne), die nicht nur festlegt, welche Verhaltensweisen als unerwünscht gelten, sondern im Interesse fairer Marktbedingungen auch rechtliche Verfahren mit Gesetzesvollzug und Sanktionen ermöglicht.

2.2.1

Die GD Wettbewerb kann beide Politiken verfolgen: die Anwendung der Artikel 81, 82 und 86 EG-Vertrag (4) verkörpert die typischen Tätigkeiten einer Wettbewerbsbehörde.

2.3

Eine andere wichtige Überlegung betrifft die weit verbreitete Ansicht, dass ein fairer, unverzerrter und praktikabler Wettbewerb unter Marktteilnehmern wahrscheinlich die beste Garantie für Verbraucher ist, dass Qualität und Auswahlmöglichkeiten der Produkte ihren Erwartungen entsprechen. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass viele andere Umstände Einfluss auf das so genannte Verbraucherinteresse haben: die allgemeine Situation der Gesellschaft, die Lage der materiellen und geistig-moralischen Faktoren bzw. ihr Fehlen u.a. mehr. Der EWSA betrachtet den Bericht der GD Wettbewerb umfassend aus der Perspektive der Wertvorstellungen des Ausschusses, wie sie in seinem Auftrag dargelegt sind.

3.   Anwendung der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag

3.1

Wenn die Europäische Kommission ihre Befugnisse zur Durchsetzung der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag aus den kartellrechtlichen Abschnitten der Römischen Verträge ausübt, dann sind diese auf in den Mitgliedstaaten operierende Unternehmen  (5) ausgerichtet, was mit der Ausübung einer quasigerichtlichen Zuständigkeit verglichen werden kann, da sie Verhaltensweisen von Unternehmen am Markt im Nachhinein entsprechend den Vorschriften des Wettbewerbsrechts beurteilt. Diese Tätigkeit, die die GD Wettbewerb der Kommission seit Beginn der 60er Jahre ausübt, kommt in den Entscheidungen der Kommission zum Ausdruck, die gemeinsam mit den Urteilen des Gerichts erster Instanz und des Europäischen Gerichtshofs (nach Berufungen) ein Rechtssystem von maßgeblichen Präzedenzfällen über einen Zeitraum von 40 Jahren bilden. Die Rechtsprechung, die sich auf diese Art durch Beurteilung unterschiedlicher Marktsituationen herausgebildet hat, stellt eine der wertvollsten Errungenschaften des gemeinschaftlichen Besitzstands dar.

3.2

Aus dem Bericht 2005 geht hervor, dass sich die GD Wettbewerb aller wesentlichen Aspekte des wirtschaftlichen Wettbewerbs innerhalb und außerhalb der EU sowie der sich daraus ergebenden Aufgaben zur Gewährleistung der Rechtsicherheit sehr wohl bewusst ist — um so mehr, als das materielle Fallrecht der EU auch von nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichten angewendet werden kann und diese Bestimmungen somit kontinuierlich die europäische und einzelstaatliche Rechtspraxis gestalten.

In Bezug auf das Jahr 2005 sollte auf folgende Initiativen, Vorschläge und Maßnahmen hingewiesen werden:

3.2.1

Verordnung über die Regeln für die Einsicht in Kommissionsakten bei Kartell- und Fusionskontrollverfahren: Dies ist immer eine heikle Frage bei Verfahren, deren Details von der Kommission ständig verbessert werden. Die Kommission erachtet es als wichtig zu gewährleisten, dass die an Kartell- oder Fusionskontrollverfahren interessierten Unternehmen das Recht auf Einsicht in die Akten sowohl in elektronischer als auch in Papierform haben. Die neue Verordnung ersetzt eine frühere Fassung von 1997.

3.2.2

Eine Aufforderung an potenzielle Beschwerdeführer, als Beitrag zur effektiven Durchsetzung der Wettbewerbsregeln Informationen zu übermitteln: Interessanterweise wurde diese Aufforderung in dem Bericht veröffentlicht, der Gegenstand dieser Stellungnahme ist. Sie lässt die mit der Marktüberwachung durch Wettbewerbsbehörden verbundenen Schwierigkeiten erkennen und beinhaltet die Aufforderung an die Organisationen der Zivilgesellschaft und Berufsverbände, einen aktiven Beitrag (z.B. durch Sammeln von Beweisen) zur Einleitung und Durchführung von Ermittlungen zur Verfolgung erheblicher Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsvorschriften zu leisten.

3.2.3

Diskussionspapier zur Anwendung der EU-Wettbewerbsregeln des Artikels 82 EG-Vertrag (Missbrauch beherrschender Stellungen): Absicht der GD Wettbewerb war es, eine sachkundige Debatte über Verdrängungspraktiken marktbeherrschender Unternehmen in Gang zu bringen, die darauf gerichtet sind, andere Wettbewerber zu beeinflussen und ihnen gegenüber einseitige Vorteile zu erlangen. Zu dem Diskussionspapier (das als Grundlage für künftige Leitlinien dient) wurden mehr als 100 Beiträge eingereicht. In den meisten Beiträgen wird die Notwendigkeit einer Wirtschaftsanalyse des betreffenden Marktes und der Marktteilnehmer hervorgehoben. Dieser Feststellung kann nur zugestimmt werden. Aber in vielen Beiträgen wird auch betont, wie wichtig es sei, den Grundsatz der Nichtbehinderung leistungsfähiger Unternehmen bei der Durchführung ihrer Marktstrategien anzuerkennen. Dies bedeutet, dass diese moderne Theorie statt für ein striktes Verbot unfairen Marktverhaltens (nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit — „Rule-of-Reason“) für mehr Nachsicht gegenüber auf den Erfolg ausgerichteten, wenngleich aggressiven Unternehmensstrategien plädiert. Gemäß der europäischen Rechtsprechung (6) kann dies jedoch zu einem Konflikt mit der vorherrschenden europäischen Ansicht führen, nach der unfaires, auf die Verdrängung unerwünschter Wettbewerber gerichtetes Marktverhalten nicht toleriert wird (7). Dieses Dilemma ist zweifelsohne der Kern der Wettbewerbspolitik: Wo sind die Grenzen, die die entscheidenden Marktteilnehmer nicht überschreiten dürfen? Da sich der EWSA für die Interessen der Zivilgesellschaft (z.B. von KMU (8), Arbeitnehmern, Verbrauchern) einsetzen möchte, ist er weiterhin lebhaft an dem Ausgang der Debatte interessiert.

3.2.4

Leitlinien für die Folgenabschätzung, die die Überprüfung aller im Jahresarbeitsprogramm der Kommission enthaltenen Rechtsetzungsinitiativen und politischen Initiativen unter dem Gesichtspunkt voraussichtlicher positiver oder negativer Auswirkungen auf den Wettbewerb vorsehen: Hierbei handelt es sich um eine Initiative zur „Vermeidung unnötiger oder unverhältnismäßiger Wettbewerbsbeschränkungen“ schon während des Rechtssetzungsprozesses der EU. Die Überlegungen zu voraussichtlichen Auswirkungen auf die Märkte (welche?) zeugen davon, wie tief der Begriff „scharfer“ bzw. „perfekter“ (d.h. fairer und unverzerrter) Wettbewerb in der Auffassung der Kommission verwurzelt ist. Der EWSA ist der Ansicht, dass der Begriff „Wettbewerb“ wesentlich weiter aufgefasst werden sollte, während besonders bei Verbrauchern, Arbeitnehmern sowie KMU die langfristigen Interessen erheblich von den unmittelbaren Interessen, eine „perfekte“ Wettbewerbssituation herzustellen, abweichen könnten (9).

3.2.5

Grünbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts: In seiner jüngsten Stellungnahme vom 26. Oktober 2006 äußerte sich der EWSA hierzu positiv. Die Vorlage des Grünbuchs der Kommission „Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“ stieß auf Zustimmung und löste eine umfassende Debatte aus, da darin gefordert wurde, den durch wettbewerbswidrige Handelspraktiken Geschädigten die Möglichkeit zu geben, ihre Verluste zurückzufordern. In seiner jüngsten Stellungnahme (INT/306) erklärt der EWSA u.a., dass das Ziel sei, alle Akteure des Binnenmarkts zu schützen. Aufgrund des freien Warenverkehrs ist in allen Ländern eine gewisse Einheitlichkeit der sich aus den Verträgen ergebenden Rechte und Pflichten erforderlich. Im Zusammenhang mit dem grenzübergreifenden Handel hingegen ist eine gewisse Harmonisierung der Rechtsetzung zu fördern.

3.2.5.1

Zudem ist den europäischen und nationalen Wettbewerbsbehörden Rechnung zu tragen, deren Aufgabe es ist, die verbotenen Handelspraktiken festzustellen und mit Sanktionen für die rechtswidrig handelnden Unternehmen zu belegen.

3.2.6

Einleitung branchenspezifischer Untersuchungen im unlängst liberalisierten Gas- und Elektrizitätssektor: Diese Untersuchungen werden sicher dazu beitragen, Klarheit über die tatsächliche Situation in diesen sehr bedeutenden und weit reichenden Sektoren zu schaffen, deren Liberalisierung relativ lange als Allheilmittel betrachtet wurde. Es ist höchste Zeit, lokale, einzelstaatliche und sogar umfassendere Märkte einer unparteiischen Untersuchung zu unterziehen, um etliche monopolistische Situationen zu verdeutlichen, die sich nachteilig für Verbraucher, Arbeitnehmer und Unternehmen auswirken.

3.2.7

Elektronische Kommunikation: Die zunehmend integrierten europäischen Märkte der elektronischen Kommunikation führen zu wachsender Unzufriedenheit. Die Gebühren von Mobilnetzbetreibern für die Bereitstellung internationaler Roaming-Dienste für Großkunden sind zu hoch. Deshalb hat die GD Wettbewerb anhand von Mitteilungen der Beschwerdepunkte gegen die Betreibergesellschaften Untersuchungen eingeleitet. Deren vorläufige Schlussfolgerungen lauten, dass zwei der drei führenden deutschen Gesellschaften ihre marktbeherrschende Stellung durch Festsetzung „unfairer und überhöhter Preise“ missbrauchen.

3.2.7.1

Der EWSA möchte bei dieser Gelegenheit keinen Hehl daraus machen, dass sich der Ausdruck und das Konzept des „überhöhten“ Preises allmählich in die Auslegung von Artikel 82 EG-Vertrag (10) eingeschlichen hat, heißt es doch im Vertragstext lediglich „Erzwingung von unangemessenen Preisen“, was mit anderen Worten ungerechte oder ungerechtfertigte Preise bedeutet. Der Grund dafür, dass die Kommission es bisher abgelehnt hat, die ausbeuterischen Preiserhöhungen dominanter Unternehmen am Markt zu untersuchen und zu verurteilen, liegt darin, dass sie keine „richtigen“ und „falschen“ Preise definieren wollte (11) (die hauptsächlich in den verschiedenen Ländern vermarktete Dienstleistungen betrafen). Während die Mobilfunkbetreiber die Nachfrage nach immer umfassenderen internationalen Roaming-Diensten befriedigen, wird die Einstellung der Kunden zunehmend kostenbewusster. Diese können zu Recht sogar leichte Preiserhöhungen als „unfair“ empfinden, ohne dass diese „überhöht“ sein müssen. Der Ausschuss sieht den Feststellungen und Entscheidungen der Kommission in diesem und ähnlichen Fällen mit Interesse entgegen.

3.2.8

Entscheidung über eine Geldbuße gegen AstraZeneca wegen Missbrauch von Vorschriften: Die Kommission wählte bei der Auslegung des Artikels 82 EG-Vertrag einen neuen Ansatz, als sie gegen die AstraZeneca AB und AstraZeneca Plc („AZ“) eine Geldbuße in Höhe von 60 Mio. EUR wegen Verstoßes gegen Artikel 82 EG-Vertrag (und Artikel 54 EWR-Abkommen) verhängte. Der Missbrauch bestand darin, dass die miteinander verbundenen Unternehmen zum Schutz der geistigen Eigentumsrechte, durch den sie auf vielen Märkten einen hohen Produktpreis aufrechterhalten konnten, auf einer Verordnung des Rates fußende offizielle Verfahren missbrauchten, um ein ergänzendes Schutzzertifikat bezüglich des Patents für ihr Magengeschwürmittel Losec zu erhalten. Der Missbrauch wurde durch irreführende Angaben gegenüber den zuständigen Entscheidungsbehörden und -gremien begangen, was zu einer Erweiterung des Patentschutzes führte. Folglich konnte die Gültigkeit des Patents für Losec nicht als abgelaufen betrachtet werden. Dadurch wurde Losec nicht zu einem Generikum, und kleinere Unternehmen, die zur Vermarktung dieses Magengeschwürmittels in der Lage waren, wurden von dessen Herstellung zu wesentlich niedrigeren Preisen als die der AstraZeneca-Unternehmen abgehalten. So schadete das verzögerte Auslaufen des Patentschutzes indirekt den Verbrauchern.

3.2.8.1

Die Neuheit dieses Kartellverfahrens bestand darin, dass die Kommission in ihrer Entscheidung befand, dass bei Patentausweitungsverfahren selbst das Vorhandensein von Abhilfemaßnahmen für Wettbewerber die Anwendung von Artikel 82 EG-Vertrag nicht ausschließt. Die AstraZeneca-Unternehmen hatten auf den betreffenden europäischen (und anderen) Märkten eine beherrschende Stellung und der Missbrauch erfolgte durch betrügerisch eingeleitete Verfahren.

3.2.8.2

Der Ausschuss möchte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass solche Verhaltensweisen am Markt viel besser unter die so genannten unfairen Marktpraktiken (12) eingeordnet werden könnten, die noch nicht im Aufgabenbereich der GD Wettbewerb liegen. In diesem besonderen Fall erfolgte der Missbrauch von einer marktbeherrschenden Position aus, aber in vielen anderen Fällen werden ähnliche Praktiken von Unternehmen unabhängig von ihrer Marktstellung ausgeübt und bleiben unbestraft. Wenn wir an integrierte europäische Märkte denken, müssen wir auch einen besseren Schutz für Verbraucher und Wettbewerber — häufig KMU — vorsehen. Die Entscheidung der Kommission im Fall AstraZeneca kündigt die in diesem Bereich zu erwartenden Fortschritte an.

3.2.9

Entscheidung bezüglich eines Überwachungsbeauftragten in der Sache Microsoft: Dieser bekannte Fall hatte Konsequenzen und Lehren für amerikanische Unternehmen, die verstanden haben, dass die europäische Rechtsordnung ihre Überwachungsrolle sogar gegenüber den größten Marktakteuren außerhalb der Europäischen Union wahrnimmt. Diese jüngste Entscheidung zeigt, wie flexibel die Kommission bei der Suche und Ausarbeitung beiderseitig annehmbarer Lösungen ist, so dass Unternehmen, die EU-Recht verletzt haben, sich wieder in den normalen Wettbewerbsrahmen eingliedern können. Die Ernennung eines Beauftragten (13) zur Überwachung der Bemühungen des IT-Giganten, die durch die Entscheidung vorgeschriebenen Korrekturen vorzunehmen, ist ein Instrument, das eigentlich aus der Praxis der Fusionskontrolle übernommen wurde, und spiegelt die guten Absichten der GD Wettbewerb wider, Streitigkeiten im Wege der Zusammenarbeit beizulegen.

3.2.10

Einleitung branchenspezifischer Untersuchungen bei den Finanzdienstleistungen: Der Ausschuss unterstützt die Untersuchungen, die im Bereich der Zahlungskarten und der Leistungen im Privatkundengeschäft (Girokonten und Finanzprodukte für KMU) sowie eines speziellen Phänomens im Bereich der Unternehmensversicherung (siehe Ziffer 3.2.10.2) eingeleitet wurden.

3.2.10.1

Bezüglich der vorgenannten Bankleistungen scheint der Wettbewerb durch Marktzugangshindernisse, mangelnde echte Wahlmöglichkeiten und vermutlich auch durch vorhandene marktbeherrschende Positionen beeinträchtigt zu sein.

3.2.10.2

Die Untersuchungen im Bereich der Unternehmensversicherung betreffen insbesondere „den Grad der Zusammenarbeit zwischen den Versicherern und Versicherungsgesellschaften in Bereichen wie der Festlegung von Standardvertragsbedingungen (14). Während eine solche Zusammenarbeit in vielen Fällen zu einer effektiven Arbeitsweise führt, können möglicherweise wettbewerbsverzerrende Formen der Zusammenarbeit der Nachfrageseite nur begrenzten Raum lassen, die Versicherungsbedingungen auszuhandeln, und zudem den Wettbewerb und die Innovation auf dem Markt beschränken“ (Bericht Wettbewerbspolitik 2005, Ziffer 116).

3.2.11

Kommissionsvorschlag zu den Anforderungen an die öffentlichen Personenverkehrsdienste und Verträge im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr: Der überarbeitete Vorschlag zu den Anforderungen an die öffentlichen Personenverkehrsdienste und Verträge kann die Einbindung von KMU in diesen Bereich fördern, wodurch sie bessere Chancen zur Beteiligung am Nahverkehr hätten.

3.2.12

Schaffung der Direktion Kartelle, die sich auf den Kampf gegen Hardcore-Kartelle konzentriert: Der Ausschuss unterstützt voll und ganz die Forschritte, die in der professionellen Handhabung von Kartellverfahren erzielt wurden.

3.2.13

Seit dem 1. Mai 2004 wurde mit den Verordnungen Nr. 1/2003 und 773/2004 über Kartellverfahren ein neues System zur Feststellung möglicher wettbewerbswidriger Absichten und Auswirkungen von Vereinbarungen eingeführt, die Marktteilnehmer untereinander abschließen wollen. Die Anmeldung geplanter Gemeinschaftsunternehmens- und Kooperationsvereinbarungen (horizontale und vertikale Zusammenschlüsse) durch die Unternehmen, mit der eine Vorprüfung der Wettbewerbsbehörde hinsichtlich einer etwaigen Wettbewerbswidrigkeit der beabsichtigten Vereinbarung eingeholt werden soll, ist künftig weder bei der Kommission noch bei den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten möglich. Dies bedeutet, dass anstelle einer Einzelfreistellung, einer „Patronatserklärung“ oder eines „Negativtests“, die vor dem 1. Mai 2004 von der GD Wettbewerb ausgestellt wurden, die Unternehmen selbst aufmerksam alle Aspekte der geplanten Vereinbarung daraufhin untersuchen müssen, ob diese überhaupt einige (oder alle) Anforderungen gemäß Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag für eine positive Auswirkung auf die betreffenden Märkte erfüllt (15). Eine der Bedingungen lautet: Wenn auf einem bestimmten Markt eine solche Vereinbarung (meist zu einem Gemeinschaftsunternehmen) geschlossen wurde und für die Beteiligten Vorteile hat, muss sich ein Teil der Vorteile auch positiv für die Verbraucher auswirken.

3.2.13.1

Der Ausschuss möchte unterstreichen, dass die Nichterfüllung der im letzten Satz des vorherigen Absatzes genannten Bedingung Grund sein sollte, eine Verhaltensweise als wettbewerbswidrig zu qualifizieren. Bei der Bewertung von gegen Artikel 81 Absatz 1 verstoßenden Vereinbarungen sollte die Kommission jeglichen Nachweis einer absichtlich auf die Benachteiligung von Verbrauchern gerichteten Verhaltensweise als verschärfenden Umstand ansehen.

4.   Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen

4.1

Eine wichtige Aufgabe der Kommission besteht darin, die voraussichtliche Marktstruktur und beherrschende Stellung infolge von Zusammenschlüssen zu untersuchen, die von Unternehmen herbeigeführt werden, die ihre Entwicklungs-, Produktions- und Marktfähigkeiten zwecks Erzielen einer größeren Marktmacht und besserer Marktpositionen konzentrieren wollen. Nicht nur Unternehmensfusionen, sondern auch Gemeinschaftsunternehmen können als Zusammenschlüsse betrachtet werden, wenn die erforderlichen Durchführungsbefugnisse in einem einheitlichen Management gebündelt sind und die Tätigkeit der verschiedenen Teilnehmer dem Handeln eines Marktteilnehmers auf dem betreffenden Markt entspricht. Zusammenschlüsse bedeuten u.a. verbesserte Effizienz, Beschleunigung der Produktentwicklung, Kostensenkungen sowie Vorteile auf der Führungsebene. Aus wettbewerbspolitischer Sicht können Zusammenschlüsse jedoch auch schädliche Auswirkungen haben, da durch die Bündelung der Marktmacht oft beherrschende Stellungen geschaffen werden, was mit einem hohen Missbrauchsrisiko einhergeht. Manchmal gehen Zusammenschlüsse mit negativen Auswirkungen einher. In verschiedenen Studien wurde nachgewiesen, dass Fusionen Effizienz und Wachstum nicht immer fördern. Selbst langfristig können sie Gewinn und Wert des Unternehmens negativ beeinflussen. Gleichzeitig kann es zu zahlreichen Arbeitsplatzverlusten kommen. Deshalb ist es wichtig, bei der Bewertung von Zusammenschlüssen auch beschäftigungs- und sozialpolitische Fragen (z.B. die Arbeitsplätze) zu berücksichtigen. Ob die Auswirkungen eines gewünschten Zusammenschlusses den Wettbewerb verzerren können, lässt sich am besten bewerten, wenn man die Bedingungen der beabsichtigten Fusion an den Bestimmungen von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag (vgl. Fußnote 12) überprüft. Werden die dort genannten Bedingungen für die Marktstruktur und Marktmacht der an der Fusion beteiligten Unternehmen erfüllt, dann kann der Zusammenschluss akzeptiert werden. Hier besteht eine wichtige Verbindung zwischen Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (die in erster Linie zu den Instrumenten der Industriepolitik gehört) und Wettbewerbsrecht, die den Behörden bei der Anwendung der Wettbewerbspolitik im engeren Sinne helfen.

4.1.1

Ab einem bestimmten Schwellenwert des Jahresumsatzes in der EU und/oder weltweit müssen Unternehmen vor dem Zusammenschluss ihre ernsthaften Absichten, eine gemeinsame Marktmacht (einen Zusammenschluss) zu konstituieren, bei der Kommission anmelden, worauf die GD Wettbewerb die Phase I und gegebenenfalls die Phase II des Prüfverfahrens einleitet. Die Marktmacht stellt keine Bedingung für die Anmeldeverpflichtung dar: die Kommission prüft, ob der betreffende Zusammenschluss den Wettbewerb in erheblichem Maße beschränkt, z.B. durch das Entstehen oder den Ausbau einer beherrschenden Stellung.

4.2

Eines der wesentlichen Ziele der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (und eines der erhofften Ergebnisse) ist die Förderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit europäischer Erzeuger und Vertreiber (16). Das systemimmanente Problem der in der EU angewandten Verfahrensweise besteht darin, dass die Unternehmen durch die Fusion eine so starke Marktposition erlangen, dass die Versuchung besteht, den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts zu beschränken. Die Kommission ist um eine Eindämmung der Gefahr bemüht, indem sie zahlreiche Bedingungen für Genehmigungen (hierbei handelt es sich um die so genannten „Abhilfen“) einführt, wie die Forderung von Veräußerungszusagen, den Verkauf von geistigen Eigentumsrechten oder die Einstellung des Vertriebs in bestimmten Ländern. Wie dem auch sei, aus einer Untersuchung der beeindruckenden Fusionsstatistiken muss man schließen, dass sich aus ihnen nicht ableiten lässt, ob

alle oder ein größerer Teil der tatsächlich durchgeführten Zusammenschlüsse, die den Schwellenwert erreichen, durch die Unternehmen angemeldet wurden oder nicht;

die GD Wettbewerb nachweisen kann, ob Unternehmen, die genehmigte Zusammenschlüsse verwirklicht haben, in den vergangenen Jahren ihre größere Markmacht missbraucht haben oder nicht.

4.3

Im Oktober 2005 veröffentlichte die Kommission eine Studie über Verpflichtungen bei Fusionssachen, die die Verpflichtungen enthält, die den Unternehmen von der Kommission zur Verringerung mutmaßlicher wettbewerbswidriger Wirkungen als Vorbedingungen für eine Genehmigung vorgeschriebenen werden, sowie die detaillierten Ex-post-Evaluierungen. In über 40 Prozent der genehmigten Fälle traten schwere ungelöste Probleme zutage (unvollständige Übertragung von veräußerten Geschäftsbereichen, falsche Feststellung der Vermögenswerte u.a.). Dies sollte Anlass zur Erinnerung daran sein, wie wichtig es ist, bei genehmigten Fusionen angesichts der größeren Marktmacht der Beteiligten ein mögliches wettbewerbsbeschränkendes Verhalten im Sinne von Artikel 82 EG-Vertrag zu überprüfen.

5.   Staatliche Beihilfen

5.1

Eine der Hauptaufgaben der GD Wettbewerb ist es, die Tätigkeit der Mitgliedstaaten daraufhin zu überwachen, welchen Unternehmen und auf welcher Grundlage finanzielle Unterstützung gewährt wird. Da die Europäische Union gleiche Bedingungen für sämtliche im Binnenmarkt aktiven Unternehmen sicherstellen möchte, wurde der Begriff „staatliche Beihilfe“ sehr sorgsam definiert und konsequent im Hinblick auf die jeweilige staatliche Industriepolitik ausgelegt. Nicht nur direkte finanzielle Interventionen werden einer Prüfung unterzogen, sondern auch Steuervergünstigungen und Vergünstigungen aller Art, die ausgewählten Unternehmen gewährt werden, kann die Europäische Kommission als nicht tragbar einstufen, wenn sie den Wettbewerb verzerren.

5.2

Im Jahr 2005 war die GD Wettbewerb darum bemüht, die Ziele und Vorschriften der Verteilung staatlicher Beihilfen in den Mitgliedstaaten besser zu erklären, um durch den Einsatz der Mittel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der EU als Ganzes die erfolgreiche Umsetzung der Lissabon-Agenda zu fördern. In der Absicht, die Koordinierung zwischen den Betroffenen (d.h. staatlichen Gremien, Unternehmen und ihren Organisationen) zu verbessern und öffentliche Mittel gezielt in Bereichen einzusetzen, wo sie effizient genutzt werden können, startete die Kommission den Aktionsplan „Staatliche Beihilfen“ (17). Die Leitlinien des Plans brechen nicht mit der bestehenden Verfahrensweise, sondern sind darauf gerichtet, bessere Verfahren auszuarbeiten, die die Mitgliedstaaten übernehmen können. Einige Anmerkungen dazu:

5.2.1

Die in dem Bericht dargestellten „guten und schlechten“ Beispiele illustrieren die Vielfalt der Gründe für die Gewährung finanzieller Unterstützung. Selbstverständlich befürwortet der Ausschuss uneingeschränkt die Zielsetzung, dass „öffentliche Gelder tatsächlich zum Nutzen der EU-Bürger verwendet werden, die Effizienz der Wirtschaft gesteigert wird, Wachstum und Beschäftigung angekurbelt werden, der soziale und regionale Zusammenhalt gestärkt wird, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sowie die nachhaltige Entwicklung und die kulturelle Vielfalt verbessert werden“  (18). In Anbetracht der unzulänglichen Verhältnisse aufgrund schwacher Infrastrukturen und eines ungünstigen Wirtschaftsklimas für KMU, Nachteile, die besonders in den neuen Mitgliedstaaten vorhanden sind, kann der Ausschuss jedoch nicht das Ziel unterstützen, geringere staatliche Beihilfen zu gewähren.

5.2.2

Offensichtlich ist die Schaffung finanziell günstiger Bedingungen für Traditionsunternehmen in der Krise durch Gewährung von Unterstützung für deren Rettung oder Umstrukturierung in einigen Mitgliedstaaten nach wie vor von großer Bedeutung. Unter dem Gesichtspunkt der Beschäftigungspolitik kann der Ausschuss dies nicht kritisieren. Es gab jedoch auch verschiedene Fälle, in denen sogar die Kommission ihre Zweifel anbrachte, ob sich Beihilfen, die auf die Wiederherstellung einer ausgeglichenen wirtschaftlichen Position von zu rettenden Unternehmen gerichtet sind, überhaupt rentieren.

5.2.3

Gemäß einem Paket von Rechtsmaßnahmen, das im Juli in Einklang mit dem Aktionsplan „Staatliche Beihilfen“ verabschiedet wurde, dürfen „Unternehmen für die Ausführung genau umrissener öffentlicher Versorgungsaufträge in Höhe der angefallenen Kosten, einschließlich eines angemessenen Gewinns, öffentliche Gelder erhalten“. Als Hilfsmittel zur Schließung von Finanzierungslücken (höchstwahrscheinlich für KMU von lokaler Bedeutung) könnten diese Möglichkeiten gute Beispiele für die effiziente Verwendung öffentlicher Gelder zum Nutzen der EU-Bürger und Unternehmen sein.

6.   Funktionsweise des Europäischen Wettbewerbsnetzes (ECN)

6.1

2005 war das erste vollständige Jahr, in dem die durch die Verordnung des Rates Nr. 1/2003 eingeführten Änderungen an den Kartellverfahren angewandt wurden, was Folgendes bedeutet:

Ist der Handel zwischen Mitgliedstaaten betroffen, so ist das unmittelbar auf Unternehmen anwendbare materielle Kartellrecht (Artikel 81 und 82) gemeinsam mit dem Fallrecht von den zuständigen Behörden und Gerichten der Mitgliedstaaten anzuwenden;

gleichzeitig war die Kommission bemüht, für beständige, enge und gegenseitige Kontakte mit den einzelnen nationalen Wettbewerbsbehörden (NWB) sowie zwischen den NWB untereinander zu sorgen, um über ein geeignetes Forum zur Erörterung allgemeiner Politikfragen und geeignete Instrumente für eine Kooperation bei konkreten Fällen zu verfügen.

6.2

Aus dem Bericht, auf den sich die vorliegende Stellungnahme bezieht, geht klar hervor, dass die Einbindung einzelstaatlicher Gerichte in die Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts nur selten erfolgt und auch in naher Zukunft problematisch sein wird. Ein wesentlicher Grund hierfür dürfte sein, dass sich die Gerichtsbarkeit der ersten Instanz in Wettbewerbssachen von Land zu Land unterscheidet. Ein anderer Grund besteht darin, dass bisher nur einzelstaatliches Wettbewerbsrecht verfügbar war, da, auch wenn die Harmonisierung der Rechtsvorschriften bereits weit in die Rechtssysteme der Mitgliedstaaten vorgedrungen ist, immer noch Unterschiede zwischen dem EU-Recht und dem innerstaatlichen Recht vieler Mitgliedstaaten bestehen. Bisher scheinen sich sogar prozessführende Parteien zurückzuhalten, Fälle vor nationalen Gerichten verhandeln zu lassen (19).

6.3

Ein verborgener Grund besteht darin, dass das europäische Fallrecht, das tatsächlich eine reale Quelle des Wettbewerbsrechts darstellt, den Mitgliedstaaten nicht wirklich zugänglich ist. Für das Verfahrensrecht sind knappe Zusammenfassungen verschiedener Verfahrenssituationen zusammen mit Verweisen auf Präzedenzfälle verfügbar, jedoch wurden bisher weder von der Kommission noch vom Europäischen Gerichtshof ähnliche Handbücher zum materiellen Recht zusammengestellt (20). Um eine stärkere Anwendung der aktuellen Kartellvorschriften der EU durch die Gerichte der Mitgliedstaaten zu erreichen, sollten als erster Schritt die wichtigsten (und am häufigsten zitierten) Musterfälle in einem Handbuch zusammengestellt und mit den Erklärungen der Begriffe und Definitionen sowie den Feststellungen und Schlussfolgerungen aus den Urteilen des Gerichts erster Instanz und des Europäischen Gerichtshofs ergänzt werden. Diese Zusammenstellung sollte natürlich in alle nationalen Sprachen der Mitgliedstaaten übersetzt und regelmäßig aktualisiert werden. Der Ausschuss ist davon überzeugt, dass eine korrekte Anwendung der EU-Wettbewerbsvorschriften in den Mitgliedstaaten ohne die Verfassung und Veröffentlichung von Zusammenstellungen der Rechtsprechung in allen in den Mitgliedstaaten gesprochenen Sprachen und ohne Schulungen im Wettbewerbsrecht für alle interessierten nationalen Richter, Rechtsanwälte und Sachverständigen keinen Boden gewinnen wird.

6.4

In Bezug auf die Schaffung eines Netzes für die Kommunikation und Zusammenarbeit mit nationalen Wettbewerbsbehörden ist es der Kommission (und natürlich insbesondere der GD Wettbewerb) gelungen, das ECN in einer relativ kurzen Zeit auf eine solide Basis zu stellen. Die in dem Bericht beschriebenen Foren und Arbeitsgruppen fungieren als reale Kettenglieder eines gut funktionierenden Kooperationssystems, in dem die NWB häufig direkte Kontakte zu anderen NWB knüpfen (sogar auf Ebene der Sachbearbeiter), ohne Brüssel als Vermittler einschalten zu müssen. Es wäre durchaus gerechtfertigt zu sagen, dass in allen andern Bereichen der offiziellen EU-Organisationsstrukturen noch keine so weit reichende Integration gelungen ist.

Brüssel, den 26. April 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  In diesem Zusammenhang sei auf ihre internationale Tätigkeit hingewiesen, denn für viele Bereichen und Themen entspricht sie einer „angewandten Wirtschaftsdiplomatie“ seitens der EU.

(2)  ABl. C 94 vom 17.4.2004, ABl. C 179 vom 10.7.2004.

(3)  Siehe Seite 23, Ziffer 35 und Seite 42, Ziffer 115 des Berichts.

(4)  Artikel 86 (EG-Vertrag) wird von der Kommission auf Mitgliedstaaten, nicht jedoch auf Unternehmen angewendet.

(5)  Es ist nicht erforderlich, dass sich das Unternehmen im Gebiet eines der Mitgliedstaaten befindet. Einer der enormen Vorteile des europäischen Wettbewerbsrechts besteht darin, dass allein schon aufgrund der Folgen wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen oder Vereinbarungen sanktioniert werden kann.

(6)  Vgl. Ziffer 341 des Urteils des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 28. Februar 2002 in der Sache Atlantic Container Line AB und andere gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Sammlung der Rechtsprechung 2002 Seite II-01125.

(7)  Siehe die Rechtssache AKZO. ABl. L 374/1 vom 31.12.1985, Ziffer 74-79.

(8)  Die sehr oft Opfer hemmungsloser Machenschaften von Unternehmen mit beherrschender Stellung werden.

(9)  Siehe die Stellungnahme des Zentralverbands Gewerblicher Verbundgruppen F.V. Berlin: „Stellungnahme zum Diskussionspapier der Kommission zur Anwendung von Artikel 82 EG auf Behinderungsmissbräuche“ vom 21.3.2006.

(10)  Siehe Artikel 82 EG-Vertrag.

(11)  Siehe „Commission practice concerning excessive pricing in telecommunications“ (Die Kommissionspraxis im Falle überhöhter Preise im Telekommunikationssektor), Competition Policy Newsletter 1998, Nr. 2, S. 36.

(12)  Vgl. Erwägungsgrund 8 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern.

(13)  Wobei Microsoft mit der Person des Beauftragten völlig einverstanden ist und als Unternehmen sogar die Kosten deckt.

(14)  http://europa.eu.int/comm/competition/antitrust/others/sector_inquiries/financial_services/decision_insurance_de.pdf

(15)  Artikel 81 Absatz 3 Die Bestimmungen von Absatz 1 können für nicht anwendbar erklärt werden auf:

Vereinbarungen oder Gruppen von Vereinbarungen zwischen Unternehmen,

Beschlüsse oder Gruppen von Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen,

aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen oder Gruppen von solchen, die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne dass den beteiligten Unternehmen

a)

Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder

b)

Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.

(16)  Mit der Fusionskontrolle soll in erster Linie sichergestellt werden, dass der Zusammenschluss nicht zur Beschränkung des Wettbewerbs in einem wesentlichen Teil des Binnenmarkts führt. So kann nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft keine EU-intern wettbewerbsverzerrende Fusion unter Berufung darauf genehmigt werden, dass sie die Wettbewerbsfähigkeit des betreffenden Unternehmens auf dem Weltmarkt stärkt.

(17)  http://europa.eu.int/comm/competition/state_aid/others/action_plan/

(18)  SEK(2006) 761 endg.

(19)  Wenn die Streitparteien ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben und das Marktverhalten unterschiedliche Länder betrifft, kann es unter Umständen sogar fraglich sein, welche nationalen Gerichte für den Prozess zuständig sind.

(20)  Führende Anwaltskanzleien haben bereits vergleichbare Texte erstellt, jedoch sind diese natürlich für ihren Eigengebrauch bestimmt.


ANHANG

zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgende Änderungsanträge, auf die mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen entfiel, wurden im Verlauf der Beratungen abgelehnt:

Ziffer 3.2.10.1

Streichen

3.2.10.1

Bezüglich der vorgenannten Bankleistungen scheint der Wettbewerb durch Marktzugangshindernisse, mangelnde echte Wahlmöglichkeiten und vermutlich auch durch vorhandene marktbeherrschende Positionen beeinträchtigt zu sein.

Begründung von Herrn SARTORIUS

Der Wortlaut dieser Ziffer ist unklar und es wird nicht deutlich, welche Hindernisse, echte Wahlmöglichkeiten und marktbeherrschende Positionen gemeint sind. Dies kann Verwirrung stiften, es sei denn, es werden genauere Erläuterungen ohne Verallgemeinerungen abgegeben.

Das europäische Bankwesen ist zweifellos einer der wettbewerbsfähigsten europäischen Wirtschaftszweige. Dieser Wettbewerb kommt den Verbrauchern und der Branche zugute.

Wenn sich dieser Text auf die Hindernisse bezieht, die einer stärkeren innereuropäischen Integration des Einzelkundengeschäfts (Retail-Banking) im Wege stehen, so ergeben sich die größten Hindernisse aus der mangelnden Harmonisierung der Verbraucherschutzgesetze und der Steuersysteme. Der Schwerpunkt sollte auf diese Harmonisierung gelegt werden. Eine wichtige Maßnahme wird die Verwirklichung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums (Single Euro Payments Area — SEPA) sein, durch den sich grundlegende Änderungen für Kreditkarten- und grenzüberschreitende Zahlungen ergeben werden.

Begründung von Herrn PATER

Der Vorschlag, diese Ziffer zu streichen, begründet sich wie folgt:

Da der Wortlaut unpräzise ist, kann der Eindruck entstehen, dass der Ausschuss die natürlichen Hindernisse für den Zugang zum Markt für Bankleistungen, deren Zweck die Gewährleistung eines angemessenen Sicherheitsniveaus ist, in Frage stellt.

Es ist unklar, worauf sich „mangelnde echte Wahlmöglichkeiten“ bezieht — der Markt für Bankleistungen ist einer der am stärksten wettbewerbsorientierten Sektoren der europäischen Wirtschaft.

Wenn es Fälle einer marktbeherrschenden Position (zum Nachteil der Kunden) gäbe, würde die in dieser Stellungnahme mehr als 20-mal lobend erwähnte GD Wettbewerb natürlich die notwendigen Schritte zur Vermeidung negativer Folgen unternehmen.

Diese Ziffer steht nicht in Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt der Stellungnahme, deshalb führt ihre Streichung nicht etwa zu Komplikationen, sondern die Stellungnahme wird dadurch insgesamt schlüssiger und klarer.

Begründung von Herrn BURANI

Die Behauptung, dass der Wettbewerb im Bereich der Bankleistungen „beeinträchtigt“ ist, entspricht einfach nicht den Tatsachen, wie jeder leicht nachprüfen kann. Es wird nicht erklärt, um welche oder um welche Art von „Marktzugangshindernissen“ es sich handelt — auf jeden Fall gibt es keine (wenn es sie gäbe, müssten sie angegeben werden). Was die „Wahlfreiheit“ anbelangt, so gibt es Tausende von Banken in der gesamten EU, die sowohl im Hinblick auf die Dienstleistungsqualität als auch die Preise erbarmungslos miteinander konkurrieren. Hinsichtlich der „marktbeherrschenden Positionen“ können die Verbraucher stets zwischen Banken jeglicher Art und Größe, von den multinationalen Konzernen bis hin zu Privatbanken und lokalen Genossenschaften, wählen. Wenn es marktbeherrschende Positionen gäbe, wären sowohl die nationalen als auch die europäischen Wettbewerbsbehörden schon längst eingeschritten: dies ist bis heute nicht geschehen. In der gesamten Ziffer werden nur Gemeinplätze über die Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der öffentlichen Bauaufträge genannt, ohne jegliche entsprechende Beweise oder Beispiele anzuführen.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 66

Nein-Stimmen: 71

Stimmenthaltungen: 25


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