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Document 52016AE6930

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank — Zweiter Bericht über die Lage der Energieunion“ (COM(2017) 53 final) — Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Fortschrittsbericht „Erneuerbare Energiequellen“ (COM(2017) 57 final)

ABl. C 288 vom 31.8.2017, p. 100–106 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/100


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank — Zweiter Bericht über die Lage der Energieunion“

(COM(2017) 53 final)

Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Fortschrittsbericht „Erneuerbare Energiequellen“

(COM(2017) 57 final)

(2017/C 288/14)

Berichterstatterin:

Tellervo KYLÄ-HARAKKA-RUONALA

Befassung

Europäische Kommission, 17.2.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

16.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

190/0/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Zweiten Bericht über die Lage der Energieunion im Zusammenhang mit der Überwachung der Durchführung und Entwicklung der Rahmenstrategie für die Energieunion. Der EWSA plädiert erneut für einen engen Energiedialog mit der Zivilgesellschaft auf EU-, nationaler, regionaler und nationaler Ebene, um konkrete Maßnahmen für eine starke Energieunion zu erleichtern und zu fördern.

1.2

Der EWSA hat stets die Meinung vertreten, dass die Energieunion außerordentlich wichtig für den Erfolg der Europäischen Union ist. Deshalb sollte der Fortschritt nicht nur an den Elementen der Energieunion selbst, sondern auch an ihren Vorteilen für die Bürger und Unternehmen einschl. KMU gemessen werden.

1.3

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, den Fortschritt aus verschiedenen Blickwinkeln — des wirtschaftlichen Nutzens, der Beschäftigungsentwicklung, des Fortschritts im Alltag der Bürger, des Energiesystems, der politischen und gesellschaftlichen Impulsgeber und der Nutzung strategischer Instrumente — zu überwachen.

1.4

Der EWSA fordert eine umstandslose Annahme der bislang aufgelegten Initiativen und vor allem ihre fristgerechte Umsetzung auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten. Die nationalen Pläne sind von maßgeblicher Bedeutung, und die Mitgliedstaaten müssen die unvermeidlichen Auswirkungen ihrer Maßnahmen auf andere Länder berücksichtigen.

1.5

Trotz der Fortschritte gibt es immer noch Defizite im Bereich der Energieinfrastruktur und auf den Energiemärkten. Ausreichende und zuverlässige Energieinfrastruktur und -erzeugungskapazitäten sowie gut funktionierende Energiemärkte und Energieeffizienz sind entscheidend für Energiesicherheit. In diesem Sinn müssen Initiativen der regionalen Zusammenarbeit weitergeführt, einheimische Energiequellen entwickelt und die geografische Diversifizierung der Energieeinfuhren fortgesetzt werden.

1.6

Der EWSA erachtet es als wichtig, weiterhin für eine positive Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energieträger zu sorgen. Markante Veränderungen im Stromsystem aufgrund der zunehmenden Nutzung fluktuierender und dezentral erzeugter erneuerbarer Energie müssen gezielt berücksichtigt und beherrscht werden.

1.7

Der EWSA begrüßt die zweite Phase des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) als Möglichkeit zur Förderung öffentlich-privater Investitionen. Vom Markt gehen derzeit nur schwache Anreize für private Investitionen aus, großenteils aufgrund inkohärenter Politiken. Um private Investoren anzuziehen, ist ein berechenbares Investitionsumfeld unverzichtbar, wofür langfristige und verlässliche politische Entscheidungen und Rechtsvorschriften entscheidend sind.

1.8

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, eine umfassende Bewertung der gegenwärtigen politischen Instrumente zur Förderung von Niedrigemission durchzuführen, um sicherzustellen, dass geeignete Instrumente genutzt werden, um die Ziele so effizient wie möglich zu erreichen. Es sollte gezielter auf Probleme eingegangen werden wie Steuern und Abgaben, durch die die Verbraucherpreise steigen, oder Subventionen, die den Wettbewerb auf den Energiemärkten verzerren und Investitionssignale verfälschen.

1.9

Die Energieunion bringt über die Schaffung von Arbeitsplätzen und die direkte und indirekte Energienutzung im Bürgeralltag soziale Vorteile. Die gewaltige Aufgabe der Umstellung auf ein emissionsarmes Energiesystem muss so bewältigt werden, dass ein gerechter Wandel sichergestellt wird.

1.10

Im Rahmen ihres globalen Führungsanspruchs bei der Umstellung auf saubere Energie sollte die EU eine Vergrößerung ihres globalen ökologischen Handabdrucks anstreben und sich nicht nur auf ihre eigenen Emissionen konzentrieren. Dazu ist es erforderlich, die Rolle der Innovations-, Handels- und Investitionspolitik sowie die Notwendigkeit eines globalen Kohlenstoffpreises hervorzuheben.

2.   Hintergrund

2.1

Gegenstand der Stellungnahme sind der Zweite Bericht der Europäischen Kommission über die Lage der Energieunion mit den dazugehörigen Anhängen sowie der Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission „Erneuerbare Energiequellen“. In diesen Dokumenten werden die in den verschiedenen Bereichen der Energieunion erzielten Fortschritte dargelegt und die Fragestellungen und Gebiete herausgestellt, die weitere Maßnahmen erfordern.

2.2

In dem Hauptbericht wird die Lage der Energieunion unter folgenden Gesichtspunkten beurteilt: die Umstellung auf eine emissionsarme, energie- bzw. ressourceneffiziente Wirtschaft, Verbraucher als Akteure, zukunftsfähige Infrastrukturen, Investitionsbedarf und Stärkung der Außendimension der Energieunion. Bei der Beurteilung werden auch die fünf Säulen der Energieunion miteinbezogen: Sicherheit der Energieversorgung, Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz, Dekarbonisierung sowie Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.

2.3

Ferner wird in dem Bericht eine neue Besuchsreise der Europäischen Kommission in die Mitgliedstaaten in Sachen Energieunion angekündigt, die im Zusammenhang mit der Ausarbeitung der nationalen Energie- und Klimapläne steht und auch die Kontaktaufnahme zu Akteuren vor Ort zum Ziel hat.

2.4

In dem separaten Fortschrittsbericht „Erneuerbare Energiequellen“ wird die Lage in den Mitgliedstaaten und in verschiedenen Sektoren — Strom-, Wärme-, Kälte- und Verkehrssektor — beschrieben. Auch werden die administrativen Hürden, die die Durchführung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben erschweren, zur Sprache gebracht und die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen und Bioenergie erörtert.

2.5

Hinsichtlich der künftigen Entwicklungen wird in den Berichten auf die Maßnahmen verwiesen, die die Europäische Kommission im Rahmen des Pakets „Saubere Energie für alle Europäer“ vom November 2016 vorgeschlagen hat. Im Hauptbericht wird zudem ein aktualisierter Fahrplan für die Energieunion vorgelegt, der auf dem ursprünglichen, 2015 im Zuge der Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion vorgelegten Fahrplan beruht.

3.   Bemerkungen zu dem übergeordneten Energieunion-Gedanken

3.1

Der EWSA hat stets die Meinung vertreten, dass die Energieunion außerordentlich wichtig für den Erfolg der Europäischen Union ist. Die Energieunion sollte daher den Anliegen der europäischen Bürger und Unternehmen gerecht werden.

3.2

Der Energieunion liegt u. a. die Überlegung zugrunde, dass durch die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der Nutzen maximiert wird. Politikkohärenz und Einigkeit sind unerlässliche Voraussetzungen für sinnvollen Fortschritt. Dies gilt sowohl für die Entwicklung des Energiebinnenmarkts als auch für die Energieaußenbeziehungen.

3.3

Dies ist umso wichtiger, als die EU gegenwärtig zahlreichen Unwägbarkeiten, Risiken und Bedrohungen auf globaler Ebene gegenübersteht. Gleichzeitig machen sich innerhalb der EU Nationalismus und Protektionismus breit und könnten die Vollendung des Energiebinnenmarkts gefährden. Die Energieunion könnte im optimalen Fall maßgeblich zur Untermauerung der Einheit und folglich zur globalen Stärke der EU beitragen.

3.4

Aufgrund der internen und externen Entwicklungen im Energiebereich an sich hat die Energieunion zusehends an Bedeutung gewonnen. Intern machen sich die gegenseitige Abhängigkeit der Mitgliedstaaten und die Auswirkungen von energiepolitischen Entscheidungen eines Mitgliedstaats auf die anderen Mitgliedstaaten deutlich im Alltag bemerkbar, während die externen energiepolitischen Entwicklungen zunehmend unberechenbar sind.

3.5

Der EWSA stimmt der Europäischen Kommission darin zu, dass die Energieunion mehr beinhaltet als nur Klima- und Energiepolitik. Die Energieunion ist eine der Voraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung, Beschäftigungsförderung und Wohlergehen der Bürger. Insgesamt geht es um den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nutzen, sprich: die nachhaltige Entwicklung der EU.

3.6

Die Energieunion kann auf verschiedene Weise wirtschaftlichen Nutzen generieren: durch Wirtschaftstätigkeiten, die durch die Nutzung von Energie als Produktionsfaktor Mehrwert schaffen, durch den Energiesektor an sich und durch wirtschaftliche Akteure, die im Wege von Technologien, Diensten oder neuen Geschäftsmodellen energie- und klimapolitische Lösungen bereitstellen. Voraussetzung dafür ist, dass die Energieunion europäischen Unternehmen stabile und günstige Rahmenbedingungen bietet und Kostenwettbewerbsfähigkeit sowie Differenzierung durch Innovation ermöglicht, um sie in die Lage zu versetzen und ihnen Anreize zu geben, dass sie investieren und Arbeitsplätze schaffen, wobei insbesondere das Potenzial der KMU zu berücksichtigen ist.

3.7

Soziale Vorteile entstehen dadurch, dass Arbeitsplätze geschaffen werden und die Bürger in ihrem Alltag auf vielfältige Weise direkt und indirekt Energie nutzen. Die gewaltige Aufgabe der Umstellung auf ein emissionsarmes Energiesystem muss so ausgeführt werden, dass ein gerechter Wandel und die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze sichergestellt werden, vor allem in von CO2-intensiven Tätigkeiten abhängigen Regionen. Der EWSA hebt die Notwendigkeit hervor, in die nationalen Pläne Anpassungsmaßnahmen aufzunehmen, und fordert die Kommission auf, entsprechende Bemühungen zu unterstützen.

3.8

Die Verfügbarkeit und der physische Zugang zu erschwinglicher Energie sind wesentliche Voraussetzungen für die Vermeidung von Energiearmut, die ihrerseits verhindert, dass Bürger auf emissionsarme Lösungen umsteigen. Zudem sollte die Beobachtungsstelle für Energiearmut endlich ihre Arbeit aufnehmen. „In den Augen der Bürger wird sich der Erfolg der Energieunion auch an sehr konkreten Dingen messen lassen müssen, insbesondere am Preis (…), am Netzzugang, an der Versorgungssicherheit (…) und an den Verbraucherinformationen für Gebrauchsgegenstände“, hatte der EWSA bereits in seiner Stellungnahme zum (ersten) Bericht zur Lage der Energieunion 2015 festgestellt.

3.9

Was den Klimanutzen anbelangt, so gelten die Energie- und Klimaziele häufig als Selbstzweck. Indes dürfen sie nur als Mittel zum Zweck angesehen werden, um das übergeordnete Ziel zu erreichen: im Einklang mit den im Übereinkommen von Paris eingegangenen Verpflichtungen den Anliegen der Bürger gerecht zu werden und wirtschaftliches Wohlergehen bei gleichzeitiger Eindämmung des Klimawandels sicherzustellen. Zudem trägt die Energieunion zur Verringerung der Luftverschmutzung bei und bewirkt somit positive Auswirkungen für die Gesundheit.

3.10

Der EWSA stimmt der Europäischen Kommission darin zu, dass die Energieunion nicht losgelöst von anderen wichtigen europäischen Politikbereichen wie Digitalisierung, Kapitalmarkt, Investitionen, Kompetenzen, Kreislaufwirtschaft und Sicherheit betrachtet werden kann. Er betont auch den engen Zusammenhang zwischen Energieunion und Verkehrspolitik. Die Energie- und Klimaaspekte des Verkehrs sollten nicht abgekoppelt von Aspekten des Verkehrsmarkts betrachtet werden.

3.11

Der EWSA betont, dass die Veränderungen in der Praxis schlussendlich von den Unternehmen, Arbeitnehmern, Verbrauchern und Bürgern realisiert werden. Deshalb bekräftigt er seine Forderung nach einem engen Energiedialog mit der Zivilgesellschaft, der auf allen Ebenen geführt werden sollte: bei der Politikgestaltung auf EU-Ebene, bei der Aufstellung der Energie- und Klimapläne auf nationaler Ebene und schließlich bei der Förderung von Maßnahmen auf lokaler Ebene.

4.   Bemerkungen zur Lage der Energieunion und zu Folgemaßnahmen

4.1   Umsetzung

4.1.1

Die Europäische Kommission bezeichnet 2016 als das „Jahr der Ergebnisse“. Sie hat die meisten der im Rahmen der Energieunion geplanten Initiativen bereits veröffentlicht, doch müssen sie erst noch angenommen und durchgeführt werden. Der EWSA fordert eine umstandslose Annahme dieser Initiativen und vor allem die fristgerechte Umsetzung der Maßnahmen auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten.

4.1.2

Die nationalen Energie- und Klimapläne sind ein wesentlicher Bestandteil der Durchführung der Energieunion-Rahmenstrategie In Anbetracht der unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten ist die Aufstellung nationaler Pläne ein rationaler Ansatz. Sie sollte auf Partizipation und Kooperation gründen. Gleichzeitig ist es wichtig, ein geeignetes Governance-System aufzubauen, um nicht nur die Durchführung, sondern auch die Kohärenz dieser Pläne und ihre Übereinstimmung mit den gemeinsamen Zielen sicherzustellen. Ferner sollten die Aufgaben und Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, der EU und der anderen Akteure klar abgegrenzt werden.

4.1.3

Die im Rahmen der Energieunion getroffenen Entscheidungen sind langfristig und teilweise unumkehrbar. Der EWSA betont deshalb, dass die langfristigen Ziele fortwährend im Auge behalten werden müssen. Gleichzeitig muss auf nationaler und EU-Ebene für ausreichende Flexibilität gesorgt sein, da die praktischen Maßnahmen nicht von Jahr zu Jahr linear weitergeführt werden und sich verändernde Voraussetzungen Anpassungsfähigkeit erfordern.

4.1.4

Bei der Bewertung der Lage der Energieunion sollten nicht ausschließlich die Umsetzung der politischen Ziele und die Durchführung der Rechtsvorschriften ins Visier genommen werden, sondern vor allem die realen Verhältnisse auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten. In Anbetracht der Vielschichtigkeit der zahlreichen Ziele, Säulen und quantifizierten Zielwerte der Energieunion ist dies von besonderem Belang. Der EWSA erwartet, dass die Europäische Kommission im nächsten Bericht über die Lage der Energieunion die erzielten praktischen Fortschritte darlegt, Beispiele für erfolgreich abgeschlossene Projekte gibt und geplante weitere Maßnahmen zur Förderung von Interkonnektivität, besser funktionierenden Märkten und sozialer Anpassung an den Wandel erläutert.

4.1.5

Der EWSA verweist an dieser Stelle auf seine Stellungnahmen zu den verschiedenen Aspekten des Maßnahmenpakets „Saubere Energie für alle Europäer“, in denen er sich eingehender mit der Governance-Thematik und den verschiedenen Bereichen der Energieunion auseinandersetzt.

4.2   Infrastruktur, Investitionen und Märkte

4.2.1

Das Energiesystem als solches, das im Mittelpunkt der Energieunion steht, muss richtig funktionieren und weiterentwickelt werden. Aus der Sicht der Bürger wie auch der Unternehmen muss es den drei grundlegenden Zielen — Energiesicherheit, vertretbare Kosten und Preise sowie Klimaschutz — gerecht werden.

4.2.2

Energiesicherheit ist ein essenzielles Ziel, da die moderne Wirtschaft und Gesellschaft nicht, auch nicht nur für kurze Zeit, ohne Energie funktionieren können. Ausreichende und zuverlässige Energieinfrastruktur und -erzeugungskapazitäten sowie gut funktionierende Energiemärkte und Energieeffizienz sind entscheidend für Energiesicherheit. Energiesicherheit ist nicht mit Energieautarkie gleichzusetzen. Wie bei anderen Rohstoffen auch verbessert der grenzüberschreitende Austausch im Binnenmarkt sowie mit Drittländern die Versorgungssicherheit und trägt zu wettbewerbsfähigen Preisen bei. Dies tut indes der Tatsache keinen Abbruch, dass eine hohe Energieaußenabhängigkeit aus politischen Gründen zu vermeiden ist. Die Entwicklung einheimischer Energiequellen ist auch unter Beschäftigungsgesichtspunkten relevant.

4.2.3

Der Europäischen Kommission zufolge hat die Energieaußenabhängigkeit in einigen Mitgliedstaaten zwar abgenommen, in anderen jedoch aufgrund des Rückgangs der einheimischen Erzeugung fossil basierter Energie zugenommen. Die meisten Mitgliedstaaten können ihren Erdgasbedarf mittlerweile dank neuer Verbindungsleitungen und LNG-Terminals über alternative Versorgungswege decken. Dennoch sind nach wie vor Infrastrukturinvestitionen und Energiediplomatie als grundlegendes Instrument zur Förderung der Energiezusammenarbeit notwendig. Der EWSA nimmt an dieser Stelle Bezug auf seine früheren einschlägigen Stellungnahmen.

4.2.4

Ein gesunder Wettbewerb und der freie Fluss von insbesondere Elektrizität im Energiebinnenmarkt werden nach wie vor durch Regulierungs- und Infrastrukturengpässe behindert. Das Stromversorgungssystem durchläuft derzeit vor allem infolge des immer schnelleren Ausbaus der fluktuierenden und dezentralen erneuerbaren Energien einen tief greifenden Wandel. Zur Bewältigung der daraus erstehenden Herausforderungen sind regionale Zusammenarbeit und ein angemessener gemeinsamer Rechtsrahmen notwendig, denn in einem Mitgliedstaat ergriffene Maßnahmen wirken sich zumindest in den angrenzenden Staaten aus. Regionale Initiativen der Zusammenarbeit wie BEMIT (Verbundplan für den baltischen Energiemarkt) und CESEC (Erdgas-Verbindungsleitungen in Mittel- und Südosteuropa) sind entscheidend für die Beseitigung von Regulierungs- und Infrastrukturengpässen.

4.2.5

Die Entwicklung der digitalen Wirtschaft wirkt sich auch tief greifend auf die Energiesysteme aus. Neben der Energieinfrastruktur muss eine moderne digitale Infrastruktur ausgebaut werden. Dazu gehört eine intelligente Verbrauchserfassung als Voraussetzung für intelligente Energieversorgungsnetze. Die Digitalisierung der Energiesysteme muss Hand in Hand mit Maßnahmen zur Verbesserung der Cybersicherheit, zur Gewährleistung eines angemessenen Schutzes von personenbezogenen Daten und Privatsphäre sowie zur Sicherstellung digitaler Kompetenz gehen.

4.2.6

Mit Blick auf den Kapitalaufwand im Energiesystem sind umfangreiche Investitionen in die Energieinfrastruktur, aber auch in Energieeffizienz, u. a. durch die energetische Sanierung von Gebäuden, notwendig. Der EWSA nimmt die durch den Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) eröffneten Möglichkeiten zur Kenntnis und begrüßt, dass in der zweiten Phase die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor gefördert wird. Dabei müssen die Mitgliedstaaten dann auch öffentliche Mittel für energierelevante Investitionen bereitstellen.

4.2.7

Vom Markt gehen derzeit nur schwache Anreize für private Investitionen aus, großenteils aufgrund inkohärenter Politiken. Um private Investoren anzuziehen, ist ein stabiles und berechenbares Investitionsumfeld unverzichtbar. Der EWSA betont daher, dass dafür langfristige, verlässliche politische Entscheidungen und Rechtsvorschriften entscheidend sind.

4.2.8

Der EWSA betont die immer wichtigere Rolle der Bürger auf den Energiemärkten und die Ausweitung von Prosum und lokaler Zusammenarbeit. Maßnahmen zur Förderung der Handlungskompetenz der Verbraucher als Prosumenten müssen gefördert und verstärkt werden. Der EWSA hat sich bereits in mehreren Stellungnahmen mit diesen Maßnahmen befasst.

4.2.9

In diesem Sinn müssen für Bürger jeden Alters angemessene und einfach verständliche Informationen über Energiebelange (wie bspw. Energieeffizienzkennzeichnung) bereitgestellt werden. Außerdem müssen der faire Zugang zum Energiemarkt und die Finanzierung kleiner Projekte verbessert werden. Die Vereinfachung der Rechtsvorschriften im Energiebereich im Rahmen der REFIT-Initiative sollte den Energieverbrauchern greifbare Vorteile bringen. Auch sollte verstärkt auf Probleme in Verbindung mit Steuern und Abgaben eingegangen werden, die — ungeachtet der Großhandelsenergiepreise — die Verbraucherpreise in die Höhe treiben und zu Energiearmut beitragen.

4.3   Erneuerbare Energie und Dekarbonisierung

4.3.1

Der EWSA begrüßt den von der Europäischen Kommission vorgelegten separaten Fortschrittsbericht „Erneuerbare Energiequellen“ und befürwortet weitgehend die darin enthaltenen Analysen und dargelegten Problemstellungen. Anstatt Empfehlungen verweist er in diesem Zusammenhang auf seine Ausführungen zu verschiedenen Aspekten erneuerbarer Energie in zahlreichen früheren und aktuellen Stellungnahmen.

4.3.2

Laut diesem Bericht ist die EU insgesamt bei der Verwirklichung der verbindlichen Ziele bis 2020 gut vorangekommen, auch wenn weitere Verbesserungen notwendig sind. Der EWSA bekräftigt, dass er es als wichtig erachtet, weiterhin für eine positive Entwicklung in diesem Bereich zu sorgen. Er weist darauf hin, dass der Wärme- und Kältesektor bei der Nutzung der Erneuerbaren in absoluten Zahlen ganz vorn liegt. Er unterstreicht ferner die maßgebliche Rolle des Verkehrssektors bei der Verwirklichung der ehrgeizigen langfristigen Emissionsziele und befürwortet den Ausbau erneuerbaren Stroms und moderner Biokraftstoffe zur Verringerung der verkehrsbedingten Emissionen.

4.3.3

Es wird darauf hingewiesen, dass die Durchführung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben nach wie vor durch bedeutende administrative Hürden erschwert wird. Mängel betreffen zentrale Anlaufstellen, Online-Antragstellung, zeitliche Obergrenzen für Verfahren, vereinfachte Verfahren für Kleinerzeuger und die Ermittlung geografischer Standorte. Der EWSA fordert, diese Hemmnisse, die auch in anderen Bereichen an der Tagesordnung sind, schleunigst auszuräumen.

4.3.4

Der EWSA begrüßt die Schlussfolgerung der Europäischen Kommission, dass die EU auch auf dem richtigen Weg ist, um ihre für 2020 gesetzten Ziele für Energieeffizienz und Treibhausgasemissionen zu erreichen. Die Wirksamkeit und Ergebnisse der politischen Instrumente zur Förderung des Wandels hin zu einer Niedrigemissionswirtschaft sind durch die unzulässige Nutzung von Subventionen (u. a. von Umweltzertifikaten), Emissionshandelssystemen und Steuern beeinträchtigt worden, da es keine marktgesteuerten Anreize für Investitionen in emissionsarme Stromerzeugung gibt.

4.3.5

Der EWSA fordert deshalb die Europäische Kommission auf, eine umfassende Bewertung der gegenwärtigen politischen Instrumente zur Förderung von Niedrigemission durchzuführen, um sicherzustellen, dass geeignete Instrumente genutzt werden, um die Ziele so effizient wie möglich und ohne ungebührliche Belastung der Energieverbraucher zu erreichen.

4.3.6

Der EWSA befürwortet das Ziel, dass die EU eine weltweite Führungsrolle bei der Umstellung auf saubere Energien übernehmen und dadurch Geschäftsmöglichkeiten und Arbeitsplätze schaffen soll. In diesem Zusammenhang sollte die EU eine Vergrößerung ihres globalen ökologischen Handabdrucks anstreben und sich nicht nur auf ihre eigenen Emissionen konzentrieren. Erreichen kann sie dies, indem sie Klimaschutzlösungen entwickelt und exportiert und emissionsärmere Produkte herstellt als ihre Konkurrenten, wobei der globale Wettbewerb scharf ist.

4.3.7

Eine weltweite Führungsrolle setzt verstärkte und vor allem öffentliche Investitionen, deren Anteil zurückgegangen ist, in Innovation voraus. Der EWSA hebt auch den Beitrag der Handels- und Investitionspolitik zu Energie- und Klimalösungen hervor. Um die Einführung von Niedrigemissionslösungen auf neutrale und wirksame Weise zu fördern, ist ein weltweites System für die Kohlenstoffbepreisung notwendig. Der EWSA appelliert an die Europäische Kommission, aktiv auf die Einführung eines solchen Mechanismus hinzuwirken, der gleiche Ausgangsbedingungen für die europäischen Unternehmen auf den Export- und Importmärkten begünstigen würde.

5.   Bemerkungen zum Überwachungssystem und zu den Indikatoren

5.1

Da die Lage der Energieunion durch bestimmte Schlüsselindikatoren bestimmt wird, muss sichergestellt werden, dass es sich auch um die aussagekräftigsten Indikatoren handelt. Der EWSA begrüßt das Vorhaben der Europäischen Kommission, die Indikatoren weiterzuentwickeln und bspw. auch die Handlungskompetenz der Verbraucher zu messen. In seiner Stellungnahme zum (ersten) Bericht zur Lage der Energieunion hatte der EWSA die Europäische Kommission aufgefordert, bei der Beurteilung der Energieunion und der Auswirkungen der Energiewende auch soziale Kriterien anzulegen.

5.2

Die Überwachung stützt sich derzeit im Wesentlichen auf die fünf Säulen der Energieunion und die damit verknüpften politischen und regulatorischen Ziele. „You get what you measure“ — man bekommt, was man misst. Eingedenk dessen hält der EWSA es auch für notwendig, die Fortschritte bei der Verwirklichung der grundlegenden Ziele der Energieunion zu überwachen, d. h. den für die Bürger und Unternehmen und folglich für die Zukunft der EU entstehenden Nutzen.

5.3

Der EWSA fordert die Europäische Kommission in diesem Sinne auf, die Entwicklung energierelevanter Wirtschaftstätigkeiten zu beobachten, um den wirtschaftlichen Wert der Energieunion zu verdeutlichen. Die Beschäftigungsfortschritte im Energiebereich sollten deshalb beobachtet werden. Dabei sollten auch mögliche Investitionen und die Abwanderung von Arbeitsplätzen bewertet werden.

5.4

Zur Förderung einer bürgerfreundlichen Energieunion erachtet der EWSA es als wichtig, den Fortschritt aus dem Blickwinkel des Verbraucheralltags zu verfolgen und darüber zu berichten. Zu berücksichtigen wären dabei Energierechnungen, energiebezogene Produktinformationen, der Ausbau lokaler dezentraler Energieerzeugung, intelligente Verbrauchserfassung, Stromtankstationen, finanzielle Unterstützung von Prosumenten, Anreize für energetische Gebäudesanierung usw.

5.5

Zur Ermittlung gesellschaftlicher Impulsgeber könnten Veränderungen in der Wahrnehmung von Energiefragen beobachtet werden, wie z. B. eine zunehmende Besorgnis über die Luftverschmutzung, wachsendes Interesse an energierelevanten Beschäftigungsmöglichkeiten, die Auswirkungen technologischer Entwicklungen und das Auftreten neuer Akteure.

5.6

Es wäre auch sinnvoll, die Maßnahmen der Mitgliedstaaten danach zu bewerten, ob sie Kohärenz oder Ungleichheit im Binnenmarkt und in den Außenbeziehungen förderlich sind. Als wichtigste Frage erhebt sich in diesem Zusammenhang, welche Folgen der Brexit für die Energieunion hat.

5.7

Schließlich hat die Datenqualität einen wesentlichen Anteil an der Verbesserung des Überwachungsmechanismus. Die Daten sollten aktuell, präzise, vergleichbar und zuverlässig sein. Dazu ist eine fortwährende Weiterentwicklung von Datenerfassungs- und Datenverarbeitungsverfahren erforderlich.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


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