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Document 52016AE4274

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinie 2009/101/EG“ (COM(2016) 450 final — 2016/0208 (COD))

ABl. C 34 vom 2.2.2017, p. 121–126 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

2.2.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 34/121


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinie 2009/101/EG“

(COM(2016) 450 final — 2016/0208 (COD))

(2017/C 034/19)

Berichterstatter:

Javier DOZ ORRIT

Befassung

Rat, 19.8.2016

Europäisches Parlament, 12.9.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 50 und 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

(COM(2016) 450 final — 2016/0208 (COD))

 

 

Zuständige Fachgruppe

Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

5.10.2016

Verabschiedung auf der Plenartagung

19.10.2016

Plenartagung Nr.

520

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

182/0/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist der Auffassung, dass die Bekämpfung des Terrorismus und der Terrorismusfinanzierung sowie der Geldwäsche und anderer, damit im Zusammenhang stehender Formen von Wirtschaftskriminalität eine ständige Priorität der EU-Politik sein sollte.

1.2.

Der EWSA stimmt den Maßnahmen, die der Vorschlag für eine Änderung der Richtlinie zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (1) enthält, grundsätzlich zu und hält ihre Umsetzung ebenfalls für dringlich.

1.3.

Angesichts des globalen Charakters dieser Phänomene spricht sich der Ausschuss dafür aus, dass die EU und die Mitgliedstaaten künftig noch mehr Verantwortung übernehmen und in den internationalen Gremien und Foren, die sich für die Bekämpfung der Geldwäsche und der damit verbundenen Schwerkriminalität einsetzen, als Motor fungieren. International und weltweit koordinierte Aktionen und Maßnahmen sind unabdingbar, um effektiver vorgehen zu können und bessere Ergebnisse zu erzielen, wobei Europa eine tonangebende Rolle spielen kann.

1.4.

Der Ausschuss ist sich bewusst, dass die Anpassung an die Richtlinie für die Unternehmen und Verpflichteten sowie für die Kontrollbehörden aufwändig ist. Diese Anstrengungen sind jedoch erforderlich und müssen von allen erbracht werden, um die gemeinsamen Ziele in vollem Umfang zu erreichen, das heißt u. a. dafür zu sorgen, dass das Finanzsystem und andere Verpflichtete nicht für Straftaten missbraucht werden. Der Ausschuss schlägt vor, eine Folgenabschätzung für diese Maßnahmen vorzunehmen.

1.5.

Der EWSA fürchtet, dass die praktische Wirksamkeit der vierten und der fünften Geldwäscherichtlinie durch eine Reihe von Faktoren erheblich begrenzt werden könnte. Erstens fehlen auf der am 14. Juli 2016 veröffentlichten Liste der Drittländer mit hohem Risiko viele Länder bzw. Rechtsgebiete, bei denen Grund zu der Annahme besteht, dass sie als Steueroasen zur Geldwäsche fungieren, und es taucht kein einziges der 21 in den Panama Papers genannten Länder bzw. Gebiete darin auf. Da die verstärkten Sorgfaltsmaßnahmen der fünften Geldwäscherichtlinie nur für Drittländer gelten, für die ein hohes Risiko ermittelt wurde, schlägt der EWSA vor, dass entweder eine neue Liste von Hochrisikoländern aufgestellt oder der Geltungsbereich der Maßnahmen gemäß Artikel 18a der fünften Geldwäscherichtlinie ausgeweitet wird. Der EWSA hält es für vorrangig, dass nationale öffentliche Register der tatsächlichen Inhaber bzw. wirtschaftlichen Eigentümer von Bankkonten, Unternehmen, Trusts und Transaktionen eingerichtet werden und dass die Verpflichteten Zugang zu diesen Registern haben.

1.6.

Der EWSA fordert die EU-Organe auf, ihre Maßnahmen zur Beseitigung von Steueroasen zu intensivieren. Er hält es insbesondere für notwendig, dass alle in der fünften Geldwäscherichtlinie festgelegten Pflichten, insbesondere die zur Identifizierung der wirtschaftlichen Eigentümer von Bankkonten, Unternehmen, Trusts und Transaktionen, auf alle Hoheits- oder Rechtsgebiete ausgedehnt werden, deren Souveränität von den Mitgliedstaaten abhängt.

1.7.

Es ist nötig, die Bekämpfung der Geldwäsche stärker mit den Maßnahmen zu verzahnen, die gegen Steuerhinterziehung und -umgehung, Korruption und andere verbundene Delikte — Waffen- und Drogenhandel, Schleuserkriminalität usw. — sowie gegen die Organisationen der kriminellen Wirtschaft zu ergreifen sind. Es bedarf neuer Initiativen gegen all diese Delikte und ihre Verbindungen zur Geldwäsche. Außerdem müssen Maßnahmen gegen unlauteren Steuerwettbewerb ergriffen werden.

1.8.

Der Kampf gegen Terrorismus und Geldwäsche erfordert eine engere Zusammenarbeit der verschiedenen Nachrichten- und Sicherheitsdienste der Mitgliedstaaten untereinander sowie mit Europol.

1.9.

Nach Auffassung des EWSA sollten Abkommen über Freihandel und Wirtschaftspartnerschaft auch ein Kapitel über Maßnahmen gegen Steuerbetrug und Steuerumgehung, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung enthalten. Der EWSA fordert die Kommission auf, dies als Vorschlag der EU in die laufenden Verhandlungen, insbesondere über die TTIP, sowie in bereits geltende Abkommen bei deren eventueller Überarbeitung aufzunehmen.

1.10.

Die Arbeit der Zentralstellen für Geldwäsche-Verdachtsanzeigen (FIU) der Mitgliedstaaten und ihre ständige Koordinierung auf europäischer Ebene sind unerlässlich. Aus Sicht des EWSA wäre es zweckdienlich, ein europäisches Instrument zur Überwachung, Koordinierung und Antizipierung technischer Veränderungen zu schaffen.

1.11.

Im Hinblick auf die große Bedeutung der Bekämpfung der Geldwäsche und zur Gewährleistung einer einheitlichen und wirksamen Anwendung der Bestimmungen in diesem Bereich in allen Mitgliedstaaten ist es sehr wichtig, dass die Texte und Konzepte in den vorgeschlagenen Maßnahmen so klar wie möglich sind. Das stärkt gleichzeitig die notwendige Rechtssicherheit für alle, die diese Texte umsetzen müssen.

1.12.

Anzustreben wäre eine europäische Harmonisierung der rechtlichen Behandlung — Definitionen und Strafen — aller Delikte im Zusammenhang mit Geldwäsche, Steuerbetrug, Korruption und Terrorismusfinanzierung sowie ihrer Verbindungen. Dies gilt auch für die Harmonisierung der Sanktionen für Verstöße gegen die Vorschriften der Geldwäscherichtlinien.

1.13.

Der EWSA spricht sich für die Einführung von Maßnahmen zur Kontrolle der Tochterunternehmen der Verpflichteten in Drittländern mit hohem Risiko aus; die Überwachung darf sich nicht nur auf die Kunden erstrecken.

1.14.

Der EWSA schlägt vor, dass die Kommission weitere Schritte zum Schutz der Rechte der Bürger vor einer unrechtmäßigen oder missbräuchlichen Verwendung der gespeicherten Daten durch die zuständigen Behörden oder die Verpflichteten prüft.

1.15.

Der Ausschuss begrüßt die rasche Bearbeitung dieser Vorschläge und hofft, dass sie schnell und kurzfristig rechtswirksam werden können, ohne dass dies die Qualität der Resultate schmälert. Dafür sollten ein realistischer Zeitplan für die Umsetzung der Texte und ihre Anwendung in den Mitgliedstaaten sowie klare Leitlinien vorgegeben werden.

2.   Kontext und Zusammenfassung des Kommissionsvorschlags

2.1.

Die brutalen Terroranschläge in Frankreich, Belgien und anderen europäischen Ländern und die Enthüllungen über das Waschen von aus kriminellen Tätigkeiten stammenden Geldern in Steueroasen, wie zuletzt die des ICIJ (2) über die „Panama Papers“, haben die Europäische Kommission veranlasst, neue Maßnahmen gegen die Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung vorzuschlagen. Am 5. Juli 2016 billigte die Kommission neben dem Vorschlag für die fünfte Geldwäscherichtlinie einen weiteren Vorschlag betreffend den Zugang von Steuerbehörden zu Informationen zur Bekämpfung der Geldwäsche (3) sowie eine Mitteilung über weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz und Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung (4).

2.2.

In einer neueren Studie (5) des Europäischen Parlaments heißt es: „Die Panama Papers haben gezeigt, welche Rolle Steuerparadiese für die Steuervermeidung spielen und wie aggressiv einige Steuervermeidungspraktiken sind, bei denen die Trennlinie zwischen Betrug und Hinterziehung verwischt ist. In diesem Sinne haben die aus der Geheimnistuerei resultierende Undurchsichtigkeit, die mangelnde Rückverfolgbarkeit und der unzureichende Austausch steuerlicher Informationen eine wichtige Rolle bei der Nichteinhaltung der Wirtschaftssanktionen gespielt und Informationen verschleiert, die im Hinblick auf die organisierte Kriminalität nützlich und notwendig sind, auch solche in Bezug auf Geldwäsche im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten, Korruption und Drogenhandel.“

2.3.

Die Panama Papers wurden vom ICIJ veröffentlicht. Deren Datenbank — Offshore Leaks Database  (6) — enthält Verweise auf 45 131 Gesellschaften in der EU (7). Unter den 21 Gebieten, die die Kanzlei Mossack Fonseca für Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und -umgehung und Geldwäsche nutzte, sind drei EU-Mitgliedstaaten und drei von Mitgliedstaaten anhängige Rechtsgebiete (8).

2.4.

Mit der fünften Geldwäscherichtlinie wird ein Teil der Vorschläge des Aktionsplans für ein intensiveres Vorgehen gegen Terrorismusfinanzierung  (9) konkret umgesetzt, in denen es um eine Änderung der vierten Geldwäscherichtlinie (10) und der Richtlinie über Bestimmungen für Unternehmen zum Schutz der Interessen der Gesellschafter sowie Dritter (11) geht. In dem Plan wird vorgeschlagen, den Termin für die Umsetzung der vierten Geldwäscherichtlinie vom 26. Juni 2017 auf den 1. Januar 2017 vorzuverlegen, der auch der Termin für die Umsetzung der beiden Richtlinienvorschläge vom 5. Juli 2016 sein wird.

2.5.

Zu dem vielteiligen politisch-legislativen Rahmen der fünften Geldwäscherichtlinie kamen allein 2015 zwei weitere Initiativen hinzu: die Europäische Sicherheitsagenda  (12) und der Vorschlag für eine Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung  (13), der eine neue Typisierung der mit der Finanzierung des Terrorismus zusammenhängenden Straftaten enthält.

2.6.

Am 14. Juli 2016 erließ die Kommission die delegierte Verordnung über die Ermittlung von Drittländern mit hohem Risiko und als Anhang dazu (14) eine Liste, die der von der FATF bei ihrem Treffen am 24. Juni 2016 in Busan (Korea) vereinbarten Liste entspricht.

2.7.

Im Vorschlag für die fünfte Geldwäscherichtlinie werden neue Sorgfaltspflichten festgelegt, die von den Verpflichteten — Finanzinstituten, Angehörigen damit verbundener Berufe, Dienstleistern für Trusts und Anbietern von Glücksspielen, Immobilienmaklern usw. — gegenüber ihren (neuen und bestehenden) Kunden anzuwenden sind. Insbesondere sieht Artikel 18a verstärkte Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden mit Sitz in Drittländern mit hohem Risiko vor. Die Mitgliedstaaten werden auch Maßnahmen gegen Rechtsgebiete mit hohem Risiko ergreifen können, u. a. können sie dort die Gründung von Zweigniederlassungen oder Repräsentanzen oder die Durchführung von Finanztransaktionen verwehren.

2.8.

Eine Neuerung besteht darin, dass Plattformen für den Tausch virtueller Währungen und Anbieter elektronischer Geldbörsen in den Anwendungsbereich aufgenommen und als zur Einhaltung der Sorgfaltsmaßnahmen Verpflichtete definiert werden. Die Anonymität bei der Online-Nutzung von Guthabenkarten (Prepaid-Karten) wird aufgehoben und der Schwellenwert, an dem sich der Nutzer bei Präsenznutzung identifizieren muss, wird von 250 auf 150 Euro gesenkt.

2.9.

In der fünften Geldwäscherichtlinie wird des Weiteren vorgeschlagen: Stärkung der Befugnisse der zentralen Meldestellen und Förderung der Zusammenarbeit unter ihnen; leichtere Ermittlung der Inhaber von Bank- und Zahlungskonten durch Schaffung automatisierter nationaler Zentralregister; Verpflichtung zur Ermittlung und Registrierung der wirtschaftlichen Eigentümer der Unternehmen (mit einer Absenkung des Aktienanteils von 25 % auf 10 %), Trusts, Stiftungen und vergleichbaren Einrichtungen, sowie Zulassung des Zugangs der Öffentlichkeit zu diesen Informationen unter bestimmten Voraussetzungen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Die verschiedenen Formen von Kriminalität, bei denen zum Schaden der Grundrechte der Gesamtbevölkerung von Geldwäsche und Steueroasen Gebrauch gemacht wird, sind sehr gravierend. Geldwäsche wird trotz aller Bemühungen der europäischen und einzelstaatlichen Behörden in immer größerem Umfang betrieben.

3.2.

Die Liberalisierung der Kapitalbewegungen in der Welt und die Geschwindigkeit, mit der neue digitale Technologien für Transaktionen eingesetzt werden, erschweren den Kampf gegen die Nutzung des Finanzsystems zu kriminellen Zwecken. Die Ermittlungen im Zuge der jüngsten Terrorangriffe von Dschihadisten in Europa haben Informationen über Formen der Finanzierung dieser Anschläge erbracht, die in der vierten Geldwäscherichtlinie nicht erfasst sind. Dies rechtfertigt den Vorschlag zur Änderung dieser Richtlinie, noch bevor sie überhaupt in Kraft getreten ist, sowie zur Vorverlegung des Endtermins für ihre Umsetzung in innerstaatliches Recht.

3.3.

Der EWSA stimmt den in der fünften Geldwäscherichtlinie vorgeschlagenen Maßnahmen grundsätzlich zu und sieht in ihnen eine gute Hilfe im Kampf gegen Terrorismus und Geldwäsche.

3.4.

Ein Vorbehalt wäre in Bezug auf die Folgen für die Grundrechte geltend zu machen, insbesondere den Schutz personenbezogener Daten, den ein inadäquater Umgang der zuständigen Behörden mit der großen Menge an sensiblen Daten haben könnte. Der Vorschlag für die fünfte Geldwäscherichtlinie enthält diesbezüglich einige Schutzbestimmungen. In Kenntnis bestimmter Verhaltensweisen staatlicher Organe, die durch die Enthüllungen von WikiLeaks (2010 und 2012) und der Snowden-Papiere (2013) ans Licht kamen, fordert der Ausschuss die Kommission auf, die Möglichkeit der Einführung zusätzlicher Maßnahmen für den Schutz der Rechte der Bürger vor einer missbräuchlichen Verwendung der gespeicherten Daten zu prüfen. Sie sollte insbesondere prüfen, ob eine Form der gemeinsamen strafrechtlichen Einstufung für die rechtswidrige Verwendung personenbezogener Informationen und Daten gefunden werden kann. Der EWSA bietet für diese Untersuchung seine Mitwirkung an.

3.5.

Abgesehen von den derzeitigen Vorschlägen sowie den weiteren Initiativen und Maßnahmen, für die der EWSA in dieser Stellungnahme auf europäischer Ebene eintritt, ist es von großer Bedeutung, dass die EU und die Mitgliedstaaten in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen. Zudem sollten sie in den internationalen Gremien und Foren auf dem Gebiet der Bekämpfung der Geldwäsche und der damit verbundenen Schwerkriminalität, bei denen es sich um globale und in der Regel grenzübergreifende Phänomene handelt, als Motor fungieren. International und weltweit koordinierte Aktionen und Maßnahmen sind unabdingbar, um effektiver vorgehen zu können und bessere Ergebnisse zu erzielen, wobei Europa eine tonangebende Rolle spielen kann.

3.6.

Viele EU-Bürger, die immer noch unter den Folgen der Krise und der Anpassungsmaßnahmen und der Zunahme von Armut und Ungleichheit leiden, erhalten jetzt Kenntnis davon, dass große multinationale Unternehmen Steuerumgehung und Steuerbetrug betreiben und Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Kultur oder Sport Steuern hinterziehen und Geld in Steueroasen waschen. Einige dieser Vorgehensarten und Rechtsgebiete werden auch zur Finanzierung terroristischer Organisationen genutzt, die fähig sind, die abscheulichsten Verbrechen in Europa und anderswo in der Welt zu verüben. Diese Situation ist untragbar. Die europäischen und einzelstaatlichen Behörden müssen Tatkraft zeigen, um dem ein Ende zu setzen.

3.7.

Ungeachtet der Ausführungen in Ziffer 3.2 könnte die Erreichung der Ziele der Geldwäscherichtlinien schwer unter der Schwäche des politischen Handelns zur Beseitigung von Steueroasen als den für die Geldwäsche unerlässlichen Schaltstellen leiden. Ein weiterer Hemmfaktor ist die unzureichende Verknüpfung der gegen Geldwäsche unternommenen Schritte mit den Maßnahmen zur Bekämpfung von Straftaten, die ihr Vorschub leisten (Steuerhinterziehung, Mitgliedschaft in einer terroristischen oder kriminellen Vereinigung, Waffen- und Drogenhandel, Schleuserkriminalität usw.) in einem von anhaltendem unfairem Steuerwettbewerb in der EU geprägten Kontext.

3.8.

Die Liste der Länder mit hohem Risiko, die von der Kommission am 14. Juli 2016 (15) veröffentlicht wurde, enthält kein einziges Land aus der Liste der Panama Papers. Paradoxerweise werden aber gerade die Enthüllungen der Panama Papers von der Kommission als einer der Gründe genannt, die sie zur Vorlage der fünften Geldwäscherichtlinie veranlasste. In der Liste ist nur ein Hochrisikoland verzeichnet, das nicht kooperiert: Nordkorea. In Gruppe II, die Länder umfasst, die zugesagt haben, die Mängel zu beheben, und die um technische Hilfe für die Umsetzung des FATF-Aktionsplans ersucht haben, befindet sich der Iran. Zu der Gruppe I von Ländern, die bereits einen Aktionsplan erarbeitet haben, der sie aus der Liste herausführen wird, sobald sie dessen Vorschriften erfüllen, gehören neun Länder (von denen sie vier im Krieg befinden: Afghanistan, Irak, Syrien und Jemen). Ein Teil der Gelder, aus denen sich der Terrorismus finanziert, fließt durch diese Länder. Allerdings belegen sämtliche Analysen und Untersuchungen zu dieser Frage, dass das Waschen von Geldern aus anderen Formen der Kriminalität nicht in diesen Ländern erfolgt.

3.9.

Es ist zu bedauern, dass eine Einrichtung wie die FATF, die eine für die Analyse der internationalen Finanzkriminalität und die Konzipierung von Mitteln zu ihrer Bekämpfung so wichtige Arbeit leistet, keinen geeigneten Modus für die Ausarbeitung ihrer Listen von Risikoländern gefunden hat. Natürlich stützt sich die Kommission auf die Empfehlungen (16) und sonstigen Vorschläge der FATF zur Bekämpfung der Geldwäsche. In diesem Fall jedoch kann die Übernahme der FATF-Vorschläge die fünfte Geldwäscherichtlinie teilweise ihrer Wirksamkeit berauben, weil die in Artikel 18a vorgesehenen verstärkten Maßnahmen nur für Länder mit hohem Risiko gelten.

3.10.

Für die praktische Wirksamkeit der fünften Geldwäscherichtlinie hält es der EWSA für nötig, entweder die Liste der Hochrisiko-Drittländer zu ändern, sodass sie auch die Länder oder Gebiete umfasst, in denen die wichtigsten Geldwäschegeschäfte vorgenommen werden, oder aber den Geltungsbereich von Artikel 18a auf alle Verpflichteten und Rechtsgebiete auszuweiten, die nach Informationen der zentralen Meldestellen im Verdacht stehen, Geldwäschevorgänge durchzuführen. Der EWSA schlägt außerdem vor, eine Einheitsliste der Rechtsgebiete aufzustellen, die bei der Verfolgung von Wirtschaftskriminalität nicht kooperieren.

3.11.

Dass ein nicht unerheblicher Teil der Geldwäsche in Rechtsgebieten erfolgt, die von Mitgliedstaaten abhängen, sollte alle EU-Organe veranlassen, eine feste politische Vereinbarung zu treffen, um den Steueroasen in der EU ein Ende zu setzen. Konkret müssten die Pflichten, insbesondere die zur Identifizierung der wirtschaftlichen Inhaber von Bankkonten, der Eigentümer von Unternehmen sowie aller Teile von Trusts und Transaktionen, die den Verpflichteten der EU in der vorgeschlagenen fünften Geldwäscherichtlinie auferlegt werden, auf alle Gebiete ausgedehnt werden, deren Souveränität von den Mitgliedstaaten abhängt, darunter auch jene, die besondere Steuerregelungen genießen. Dabei sollte es den Verpflichteten möglich sein, sich für die Erfüllung ihrer Pflichten auch auf die Daten der nationalen (amtlichen) Register zu stützen. Außerdem müssten die verstärkten Maßnahmen nach Artikel 18a für alle von EU-Mitgliedstaaten abhängigen Rechtsgebiete gelten, in denen Geldwäschegeschäfte durchgeführt werden.

3.12.

Steuerbetrug und -umgehung stehen in engem Zusammenhang mit Geldwäsche. Ein Teil des gewaschenem Geldes stammt aus Steuerhinterziehung und -umgehung. Daher ist es notwendig, die Verhütung und strafrechtliche Verfolgung beider Arten von Delikten zu koordinieren, sowohl durch gesetzgeberische Maßnahmen als auch auf politischer Ebene sowie in den Handlungen der Nachrichtendienste, der Polizei und des Justizwesens. Der EWSA hat die jüngsten Initiativen der Kommission zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung in der EU begrüßt, hält sie aber nach wie vor für unzureichend und meint, dass sie durch weitere Maßnahmen ergänzt werden sollten, die auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche abgestimmt sind.

3.13.

Der Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erfordert eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Nachrichten- und Sicherheitsdienste der Mitgliedstaaten untereinander sowie mit Europol. Festzuhalten ist, dass das derzeitige Niveau der Zusammenarbeit nicht ausreicht. Trotz der öffentlichen Erklärungen nationaler und europäischer Entscheidungsträger und der Unterstützung der Bürger für die Stärkung dieser Zusammenarbeit kommen nach jedem Terroranschlag erhebliche Koordinationsmängel ans Licht. Mitunter sind Koordinierungslücken zwischen den verschiedenen Diensten ein und desselben Mitgliedstaats festzustellen. Dagegen muss mit allen Mitteln etwas getan werden.

3.14.

In den letzten Jahren hat die EU bedeutsame Abkommen über Freihandel und Wirtschaftspartnerschaft ausgehandelt oder unterzeichnet. Gegenwärtig verhandelt sie über ein Abkommen von der Tragweite der TTIP. Diese Abkommen dürften eine sehr gute Gelegenheit bieten, bilaterale oder biregionale Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerbetrug und -umgehung, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu vereinbaren, Die Kommission sollte untersuchen, auf welche Weise ein entsprechendes Kapitel in die Abkommen, über die derzeit verhandelt wird, und in bereits bestehende Abkommen, deren Erneuerung ansteht, eingearbeitet werden kann. Der EWSA stimmt in diesem Punkt voll und ganz mit den Schlussfolgerungen der oben erwähnten Studie (17) des EP überein.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Den zentralen Meldestellen der Mitgliedstaaten kommt die wichtige Aufgabe der Information, Überwachung und Prävention zu, einschließlich der Antizipierung der raschen Veränderungen bei den Technologien, die für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung eingesetzt werden können. Notwendig ist eine rasche Reaktion vonseiten der Mitgliedstaaten und die Zusammenführung der einzelnen Analysen auf europäischer Ebene. Dabei ist die ständige, flexible Koordinierung der Meldestellen von grundlegender Bedeutung. Aus Sicht des EWSA wäre es zweckdienlich, ein europäisches Instrument zur Überwachung, Koordinierung und technischen Antizipierung zu schaffen.

4.2.

Die Verpflichteten, die in der vierten und fünften Geldwäscherichtlinie definiert sind, haben Überwachungs- und Kontrollaufgaben gegenüber verdächtigen Personen und Geldbewegungen. Allerdings werden in diesen Richtlinien keine Anforderungen oder Verpflichtungen hinsichtlich der Tätigkeiten der Verpflichteten in Hochrisiko-Drittländern aufgestellt. Diese Situation, in der die Kunden stärker überwacht werden als die eigentlichen Verpflichteten, muss beendet werden.

4.3.

Besonders relevant für die vorliegende Stellungnahme sind die folgenden Empfehlungen aus der EWSA-Stellungnahme im Dossier CCMI/132 „Korruptionsbekämpfung“ (18): a) Ausarbeitung einer kohärenten und umfassenden Fünfjahresstrategie für die Korruptionsbekämpfung mit einem dazugehörigen Aktionsplan, b) Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft und Ausbau der Kapazitäten von Eurojust, und c) Verpflichtung multinationaler Unternehmen zur Mitteilung der finanziellen Eckdaten ihrer Tätigkeit in allen Staaten, in denen sie eine Geschäftstätigkeit ausüben.

4.4.

Anzustreben wäre nach Auffassung des EWSA eine europäische Harmonisierung der strafrechtlichen Behandlung — Definitionen und Strafen — aller Delikte im Zusammenhang mit Geldwäsche, Steuerbetrug, Korruption und Terrorismusfinanzierung sowie ihrer Verbindungen. Die Europäische Kommission und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde sollten ferner auf die Harmonisierung der Sanktionen bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen durch die Verpflichteten hinarbeiten.

4.5.

Die Bekämpfung der Geldwäsche ist von großer Bedeutung und sollte tatkräftig, entschlossen und effizient erfolgen. Daher ist es sehr wichtig, dass die Texte und Konzepte in den vorgeschlagenen Maßnahmen so klar wie möglich sind. Das stärkt die notwendige Rechtssicherheit für alle, die diese Texte umsetzen müssen, und fördert eine einheitliche Anwendung in der gesamten Union.

4.6.

Der Ausschuss begrüßt die rasche Bearbeitung dieser Vorschläge und hofft, dass sie schnell und kurzfristig angenommen und rechtswirksam werden können. Dies darf allerdings die Qualität der Resultate nicht schmälern. Dafür sollten ein realistischer Zeitplan für die Umsetzung der Texte und ihre Anwendung in den Mitgliedstaaten sowie klare Leitlinien vorgegeben werden.

Brüssel, den 19. Oktober 2016

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Im Folgenden kurz „Geldwäscherichtlinie“: COM(2016) 450 final.

(2)  Internationales Konsortium investigativer Journalisten.

(3)  COM(2016) 452 final.

(4)  COM(2016) 451 final.

(5)  Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments (EPRS): „The inclusion of financial services in EU free trade and association agreements: Effects on money laundering, tax evasion and avoidance. Ex-Post Impact Assessment“; S. 18.

(6)  Offshore Leaks Database.

(7)  EPRS, op.cit.; S. 19 und 20.

(8)  EPRS, op.cit., S. 21.

(9)  COM(2016) 50 final.

(10)  ABl. L 141 vom 5.6.2015, S. 73.

(11)  ABl. L 258 vom 1.10.2009, S. 11.

(12)  COM(2015) 185 final.

(13)  COM(2015) 625 final, S. 2.

(14)  C(2016) 4180 final.

(15)  Delegierte Verordnung C(2016) 4180 und Anhang mit der Länderliste: http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/3/2016/DE/3-2016-4180-DE-F1-1-ANNEX-1.PDF.

(16)  Internationale Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismus- und Proliferationsfinanzierung.

(17)  EPRS, op. cit., S. 59.

(18)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 63.


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