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Document 52011AE1869

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Abschluss des ersten Europäischen Semesters für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik: Orientierungen für die Politik der Mitgliedstaaten 2011-2012“ KOM(2011) 400 endg.

ABl. C 43 vom 15.2.2012, p. 8–12 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.2.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 43/8


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Abschluss des ersten Europäischen Semesters für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik: Orientierungen für die Politik der Mitgliedstaaten 2011-2012“

KOM(2011) 400 endg.

2012/C 43/02

Hauptberichterstatter: Michael SMYTH

Die Europäische Kommission beschloss am 7. Juni 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Abschluss des ersten Europäischen Semesters für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik: Orientierungen für die Politik der Mitgliedstaaten 2011-2012

KOM(2011) 400 endg.

Das Präsidium beauftragte den Lenkungsausschuss Europa 2020 am 14. Juni 2011 mit den Vorarbeiten zu diesem Thema.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 476. Plenartagung am 7./8. Dezember 2011 (Sitzung vom 8. Dezember) Michael SMYTH zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 136 Stimmen ohne Gegenstimmen bei 6 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

1.1   Die Union und ihre Bevölkerung machen zur Zeit die schwerste wirtschaftliche, soziale und politische Krise ihrer Geschichte durch, die drastische Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten und deren Bevölkerungen hat und die die wichtigsten Errungenschaften wie die Einheitswährung, den Stabilitätspakt und den Binnenmarkt bedroht. In der vorhergehenden Finanzkrise konnte eine langwierige Rezession dank eines raschen und entschlossenen gemeinsamen Handelns der Entscheidungsträger in Europa abgewendet werden. Nun steht Europa vor einer weiteren ebenso ernsten Herausforderung, die erneut eine entschlossene und kooperative politische Haltung erfordert. Kein Mitgliedstaat ist in der Lage, die Eurokrise im Alleingang zu bewältigen – die politische Option liegt auf der Hand: Entweder wird die europäische Integration gestärkt, um die Krise zu überwinden, oder die europäische Integration wird durch die Krise erheblich geschwächt und gefährdet.

1.2   Sofortmaßnahmen sind erforderlich, um Schulden abzubauen, die öffentlichen Finanzen zu konsolidieren und das Vertrauen der Bevölkerung und der Unternehmen zu stärken. Die Politiker sollten jedoch über die jetzige Krise hinausschauen. Der Schwerpunkt sollte nicht ausschließlich auf kurz- und mittelfristigen Maßnahmen liegen. Es besteht eindeutig Bedarf an langfristigen Reformen. Ein Nichttätigwerden wird kurzfristige und sogar unmittelbare Auswirkungen auf die Fremdkapitalkosten der Mitgliedstaaten haben.

1.3   Vor diesem Hintergrund hält der Ausschuss die Europa-2020-Strategie für wichtiger denn je, da sie eine umfassende Agenda für Reformen bietet, die auf die Gewährleistung eines nachhaltigen Wachstums und eine widerstandsfähigere Union in der Zukunft abzielt.

1.4   Erforderlich ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen allen Aspekten der Strategie, insbesondere zwischen dem wirtschaftlichen, dem sozialen und dem ökologischen Aspekt: Die drei Prioritätsbereiche (intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum) sind miteinander verzahnt und stärken sich gegenseitig. Den Bereichen Wirtschaftswachstum, Unternehmertum, KMU, Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Nachhaltigkeit und Umwelt, soziale Rechte, Schaffung von Arbeitsplätzen und Unterstützung der Bildung muss das gleiche Maß an Aufmerksamkeit geschenkt werden.

1.5   Vor dem Hintergrund der schwierigen Wirtschaftslage und den angespannten Finanzen in den Mitgliedstaaten besteht die Herausforderung nun mehr denn je darin, die Strategie angemessen umzusetzen.

1.6   Der Ausschuss ist zutiefst besorgt, dass die von den Mitgliedstaaten in ihren nationalen Reformprogrammen festgelegten Verpflichtungen großteils unzureichend sind (siehe Jahreswachstumsbericht (1), um die Strategieziele zu erreichen (Ziele in den Bereichen Bildung, Beschäftigung, Forschung und Entwicklung, Armutsbekämpfung, Emissionsreduzierung - Energieeffizienz – erneuerbare Energien).

1.7   Die Mitgliedstaaten müssen ihre Anstrengungen intensivieren und ehrgeizigere nationale Anpassungen vornehmen, wenn sie die Ziele bis 2020 erreichen wollen. Der Schwerpunkt muss dabei auf wachstumsfördernde Bereiche gelegt werden (Bildung, Innovation, Energie, Verkehrsverbindungen usw.). Eine angemessene Erfüllung ihrer Verpflichtungen ist von entscheidender Bedeutung.

1.8   Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft und der Sozialpartner an der Durchführung von Reformen und der Umsetzung einer Wachstumsstrategie für deren Erfolg ausschlaggebend sein wird. Er wird die nationalen Verwaltungen und die EU dazu ermutigen, konkrete Ergebnisse zu zeitigen. Aus diesem Grund wird er seine Zusammenarbeit mit dem Netz der nationalen Wirtschafts- und Sozialräte (WSR) und vergleichbaren Organisationen im Rahmen der Europa-2020-Strategie fortsetzen. Zum einen wird der Ausschuss in den Mitgliedstaaten das Bewusstsein schärfen, und zum anderen wird er dafür Sorge tragen, dass die politischen Entscheidungsträger auf EU-Ebene die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten vor Ort kennen.

2.   Hintergrund

2.1   Das erste Europäische Semester, eine neue Steuerungsmethode, mit der die wirtschaftspolitische Koordinierung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten verbessert werden soll, begann im Januar 2011 mit dem Jahreswachstumsbericht (2) der Kommission. Dieser wurde auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rates (3) bestätigt und ergänzt.

2.2   Vor diesem Hintergrund legten die Mitgliedstaaten Ende April 2011 Stabilitäts- oder Konvergenzprogramme zur Haushaltslage und nationale Reformprogramme mit den wichtigsten Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele der Europa-2020-Strategie vor. Darüber hinaus haben die meisten Mitglieder des Euro-Plus-Pakts spezifische Verpflichtungen auf der Grundlage des Pakts (4) vorgelegt.

2.3   Nach der Bewertung dieser Programme und Verpflichtungen hat die Kommission länderspezifische Empfehlungen sowie Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet vorgelegt (5). Der Schwerpunkt lag dabei auf Bereichen, in denen weitere Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Beschleunigung der Strukturreformen erforderlich waren. Auf seiner Tagung im Juni (6) bestätigte der Europäische Rat diese Empfehlungen. Damit schloss er das erste Europäische Semester ab und läutete das „nationale Semester“ ein.

2.4   Die Grundlage des vorliegenden Dokuments bildet die Kommissionsmitteilung „Abschluss des ersten Europäischen Semesters für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik: Orientierungen für die Politik der Mitgliedstaaten 2011-2012“ (7) vom Juni 2011. Der Schwerpunkt liegt dabei auf mehreren wichtigen Aspekten:

Stärkung der Governance der Strategie,

Verbesserung der Kommunikation über die Strategie und

Verbesserung der konkreten Umsetzung der Strategie durch die Mitgliedstaaten.

2.5   Es wird in den neuen „Integrierten Bericht“ (8) einfließen, den das vom EWSA und den nationalen WSR sowie anderen vergleichbaren Partnerorganisationen aufgebaute interaktive Netz vorlegen wird.

2.6   Die spezifischen Maßnahmen der Europa-2020-Strategie wurden bereits in der Stellungnahme zum Thema „Jahreswachstumsbericht: Das Gesamtkonzept der EU zur Krisenbewältigung nimmt weiter Gestalt an“ (9) ausführlicher behandelt. Nach einer Konsultation zum Jahreswachstumsbericht 2011 unterstützte der Ausschuss in seiner Stellungnahme nachdrücklich die Europa-2020-Strategie und das Europäische Semester und forderte die Kommission auf, sich für den europäischen Integrationsprozess stark zu machen. Gleichzeitig bedauerte der Ausschuss jedoch, dass in dem ersten Jahreswachstumsbericht die Chance vergeben wurde, politische Vorschläge zur Förderung des intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums zu unterbreiten. Angesichts der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage müssen diese Vorschläge nun in die Tat umgesetzt werden.

2.7   Die Stellungnahme enthielt auch mehrere konkrete Vorschläge zu den zehn von der Kommission vorgelegten Punkten: Die Haushalte konsequent konsolidieren, Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte, Stabilisierung des Finanzsektors, Arbeit attraktiver machen, Reform der Rentensysteme, Arbeitslose wieder in die Arbeit bringen, ausgewogenes Verhältnis von Sicherheit und Flexibilität, Ausschöpfung des Binnenmarktpotenzials, Beschaffung von privatem Kapital zur Finanzierung des Wachstums und kostengünstige Energieversorgung.

2.8   Nach der Veröffentlichung des Jahreswachstumsberichts 2012 (10) durch die Kommission, möchte der Ausschuss mit Blick auf die Tagung des Europäischen Rates im März 2012 eine Stellungnahme vorlegen, in der er sich vorrangig mit dem Fortschrittsbericht zur Europa-2020-Strategie befasst.

3.   Governance

3.1   Der Europa-2020-Prozess sollte ein Prozess für alle und von allen sein und nicht den politischen Entscheidungsträgern, Gesetzgebern und Sachverständigengruppen vorbehalten bleiben.

Impulse aus allen gesellschaftlichen Kreisen sind wünschenswert, um von dem Fachwissen vor Ort zu profitieren, herauszufinden, welcher Ansatz für die Bewältigung der gegenwärtigen Herausforderungen am besten geeignet ist, und um kreative Lösungen zu finden. Ein Beispiel könnte das Konzept des sozialen Unternehmertums sein, das positive Auswirkungen sowohl im wirtschaftlichen als auch im sozialen Bereich hat.

Eine angemessene Umsetzung der Strategie in den Mitgliedstaaten hängt weitgehend vom Engagement und von der Verantwortung aller interessierten Kreise ab. Deshalb ist eine gemeinsame Verantwortung für die Strategie von entscheidender Bedeutung, und zur Gewährleistung dynamischer Reformen ist eine uneingeschränkte Partnerschaft erforderlich.

3.2   Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Anhörung, Teilhabe und Mobilisierung der organisierten Zivilgesellschaft sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene gestärkt werden sollten.

3.3   Die organisierte Zivilgesellschaft in den Mitgliedstaaten sollte als aktiver Partner in die Überwachung und Umsetzung der Europa-2020-Strategie eingebunden werden.

3.4   Die europäischen Sozialpartner und die organisierte Zivilgesellschaft müssen zu den länderspezifischen Empfehlungen für jeden Mitgliedstaat konsultiert werden. In diesem Zusammenhang ist der Zeitplan von entscheidender Bedeutung, damit die organisierte Zivilgesellschaft frühzeitig an der Konzipierung der Zukunftsperspektiven für den Zyklus nach 2011 beteiligt wird. Umso mehr müssen die von den Mitgliedstaaten ratifizierten ILO-Grundlagenübereinkommen eingehalten werden, insbesondere das Übereinkommen 98 zur Gewährleistung der Tarifautonomie.

3.5   Der Ausschuss spricht sich für eine Stärkung der besonderen Rolle und des Profils der nationalen WSR und vergleichbarer Organisationen aus. Dadurch werden die bestehenden Konsultationsverfahren der Sozialpartner in den Mitgliedstaaten in keiner Weise beeinträchtigt.

3.6   Es sollten Schritte unternommen werden, um die Debatte über die Umsetzung der Europa-2020-Strategie in den Mitgliedstaaten anzukurbeln, und die Regierungen sollten in Bezug auf die Ergebnisse eines umfassenderen zivilen und sozialen Dialogs über die Strategie wirksamere Feedback-Verfahren entwickeln.

3.7   Der EWSA spricht sich für regelmäßige Konferenzen über die Überwachung der Europa-2020-Strategie in den Mitgliedstaaten aus, an denen alle Interessenträger und Organisationen der Zivilgesellschaft beteiligt würden.

3.8   Der Ausschuss empfiehlt, in den Mitgliedstaaten einen ständigen Dialog einzurichten zwischen nationalen WSR oder vergleichbaren Organisationen und anderen Sozialpartnern und Interessenträgern wie KMU, Akteuren der Sozialwirtschaft, Vertretern von Think Tanks und Hochschulen und allen, die im Bereich der Förderung des sozialen Zusammenhalts und der Chancengleichheit tätig sind. In einigen Mitgliedstaaten existierende Vereinbarungen und Verfahrensweisen im Bereich des zivilen Dialogs sollten gebührend berücksichtigt werden.

3.9   Strukturelle Hindernisse, die einem echten Dialog mit den Sozialpartnern und zivilgesellschaftlichen Organisationen entgegenstehen, müssen beseitigt werden. Dazu zählen etwa die Vermeidung der bereits zur Regel gewordenen knappen Fristen bei der Erstellung der nationalen Reformprogramme.

3.10   Governance auf europäischer Ebene - der Mehrwert einer stärkeren europäischen Dimension

3.10.1   Es wird deutlich, dass nationale Maßnahmen alleine nicht ausreichen und dass die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene gestärkt werden sollte. Asymmetrische und isolierte makroökonomische, industrie- oder sozialpolitische Maßnahmen in den Mitgliedstaaten können die EWU und den Binnenmarkt untergraben und gravierende Ausstrahlungseffekte in anderen Mitgliedstaaten haben.

3.10.2   Der Ausschuss spricht sich für einen Dialog zwischen nationalen WSR und zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie Vertretern der Kommission über spezifische nationale Gegebenheiten aus. Ähnlich sollten die nationalen WSR stärker in die jährlichen Konsultationen der Kommission eingebunden werden. Der EWSA befürwortet einen solchen Ansatz: Er entspricht dem Ansatz des Europäischen Parlaments, der eine Ausweitung der Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten ermöglicht, sowie jenem des Ausschusses der Regionen in Bezug auf die europäischen regionalen und lokalen Gebietskörperschaften.

3.10.3   Die Durchführung des Europäischen Semesters wurde vom Europäischen Parlament aufgrund der fehlenden Legitimität, der unbedeutenden Rolle des Europäischen Parlaments, der marginalen Beteiligung der nationalen Parlamente und der fehlenden Transparenz des Prozesses kritisiert. Es wurde vorgeschlagen, die Wirksamkeit des Europäischen Semesters durch einen regelmäßigen wirtschaftspolitischen Dialog über dessen Ergebnisse zu stärken. Der Ausschuss unterstützt die Einrichtung eines EP-Unterausschusses für Fragen im Zusammenhang mit dem Europäischen Semester, und bringt seinen Wunsch zum Ausdruck, in die Arbeiten dieses Unterausschusses umfassend eingebunden zu werden.

3.10.4   Darüber hinaus möchte der Ausschuss seine Zusammenarbeit mit dem Ausschuss der Regionen im Hinblick auf die Förderung des Verantwortungsbewusstseins der Bürger für die Europa-2020-Strategie und ihre wirksame Umsetzung fortführen.

3.10.5   Der EWSA ist der Auffassung, dass die organisierte Zivilgesellschaft zur Teilnahme an den Territorialpakten (11) für die Europa-2020-Strategie eingeladen werden sollte.

3.11   Verfügbare Instrumente zur Stärkung der Governance

3.11.1   Nach Auffassung des Ausschusses muss die gesamte Palette der verfügbaren Instrumente der Union (12) zum Einsatz kommen, wenn der Erfolg der Europa-2020-Strategie gewährleistet werden soll.

3.11.2   Der EWSA betont, dass das Europäische Semester die Grundzüge der Wirtschaftspolitik und die beschäftigungspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht ersetzen darf.

3.11.3   Der mehrjährige Finanzrahmen 2014-2020 sollte die Erreichung der Ziele der Europa-2020-Strategie unterstützen.

3.11.4   Die Strukturfonds für den Zeitraum 2014-2020 sollten in vollem Umfang an die Prioritäten der Europa-2020-Strategie (13) angepasst werden.

3.11.5   Mit einer besseren Koordinierung der Ausgaben auf europäischer und nationaler Ebene ließe sich die Wirksamkeit verbessern.

3.11.6   Öffentliche Investitionen (auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten) in ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum würden ebenfalls zur Förderung zusätzlicher privater Investitionen beitragen und damit eine Hebelwirkung haben.

4.   Kommunikation über die Europa-2020-Strategie

4.1   Die politische Resonanz der Europa-2020-Strategie sollte gestärkt und das Bewusstsein der Bürger für diese Strategie geschärft werden, insbesondere mit Blick auf die ernsthaften Herausforderungen für unsere Gesellschaften.

4.2   Die Kommunikation auf allen Ebenen (europäische, nationale und insbesondere lokale Ebene) sollte intensiviert werden, da die Europa-2020-Strategie in vielen Mitgliedstaaten der einzige neue Beitrag ist, der in gedanklicher und politischer Hinsicht einen Mehrwert darstellt und der den Menschen eine gewisse Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt. Die wichtigsten Botschaften der Europa-2020-Strategie in Bezug auf Wachstum, Beschäftigung und soziale Eingliederung müssen immer wieder neu erläutert werden.

4.3   Die nationalen Reformprogramme sollten den nationalen Parlamenten vorgelegt und von ihnen erörtert werden.

5.   Umsetzung der Europa-2020-Strategie

5.1   Der Ausschuss ruft die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Hindernisse zu ermitteln, die das Wachstum auf nationaler und internationaler Ebene behindern. Diese Hindernisse nehmen unterschiedliche Formen an, so beispielsweise:

Fragmentierung des Binnenmarkts,

unzureichender Zugang von KMU zum Binnenmarkt,

Notwendigkeit der Stärkung des Unternehmergeistes,

mangelhafte Rahmenbedingungen für Unternehmen (einschl. Regelungsumfeld),

Hindernisse im Zusammenhang mit der Beschäftigung und Verlagerung von Arbeit (Segmentierung des Arbeitsmarkts),

Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie aufgrund der fehlenden Gegenseitigkeit im Welthandel und auf den internationalen Beschaffungsmärkten,

Notwendigkeit einer stärkeren Erwerbsbeteiligung,

Unzureichende Qualität und Wirksamkeit der allgemeinen und beruflichen Bildungssysteme,

Notwendigkeit eines gut funktionierenden, regulierten und stabilen Finanzsektors, der den Bedürfnissen der Realwirtschaft gerecht wird.

5.2   Solche potenziellen Hindernisse könnten im Rahmen der vorgenannten ständigen Dialoge ermittelt werden. Es könnten auch neue Anreize für verbesserungsbedürftige Bereiche vorgeschlagen werden.

5.3   Der Ausschuss unterstützt den Einsatz moderner öffentlicher Verwaltungsinstrumente zur Gewährleistung einer wirksamen Umsetzung der Europa-2020-Strategie und einer umfassenden Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft und der Sozialpartner. Zu diesen Instrumenten gehören u.a.:

5.3.1    Festlegung von Bezugswerten, Zielen und Fristen: Der Ausschuss ist sich der Tatsache bewusst, dass derzeit in vielen Fällen konkrete und messbare Ziele fehlen und die Fristen zu knapp bemessen sind. Er spricht sich für die Festlegung von klaren und konkreten Zielen und für realistische Zeitvorgaben für deren Erreichung aus. Präzise Bezugswerte sind von wesentlicher Bedeutung, um die Messung der Wirkung der Europa-2020-Strategie zu erleichtern. Zu diesem Zweck empfiehlt der Ausschuss, verstärkt auf ESPON zurückzugreifen.

5.3.1.1   Die Kommission sollte die Fortschritte mitverfolgen und von ihrem Recht zur Warnung Gebrauch machen, sollte ein Mitgliedstaat den vereinbarten Verpflichtungen nicht nachkommen.

5.3.2    Benchmarking und Indikatoren : Der Ausschuss betont erneut, wie wichtig es ist, Fortschritts- und Erfolgsindikatoren einzusetzen – ergebnisorientierte, quantitative, aber auch qualitative Indikatoren sind erforderlich.

5.3.2.1   Ein solches Benchmarking, das auf den Zielen der nationalen Reformprogramme basieren und von Interessenträgern in Zusammenarbeit mit Regierungsvertretern erstellt würde, könnte konkrete Informationen für die Messung der Fortschritte der einzelnen Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Europa-2020-Strategie liefern. Jeder nationale WSR bzw. jede vergleichbare Einrichtung müsste seine/ihre eigenen prioritären Kriterien analysieren und festlegen. Einige nationale WSR führen bereits in regelmäßigen Abständen ein Benchmarking durch und greifen dabei auf Statistiken zurück, die auf der Website von Eurostat kostenlos zugänglich sind. Andere nationale WSR könnten diesem Beispiel folgen.

5.3.2.2   Der Ausschuss erklärt sich bereit, auf seiner Website (CESLink-Website) (14) eine digitale Plattform für den Austausch von Informationen und Daten bereitzustellen.

5.3.2.3   Ferner erklärt sich der EWSA bereit, jährlich eine Konferenz zu veranstalten, auf der die Ergebnisse des Benchmarking analysiert werden könnten.

5.3.3    Regelmäßige Bewertung der Umsetzung und Auswirkung der politischen Maßnahmen : Mithilfe des Benchmarking könnten die Interessenträger die Umsetzung der Reformen stets mitverfolgen. Es würde auch angemessene Informationen für die Überarbeitung der nationalen Reformprogramme liefern und die Ermittlung bewährter Verfahrensweisen in den Mitgliedstaaten erleichtern.

6.   Verbreitung bewährter Verfahrensweisen

6.1   Nach Auffassung des Ausschusses sollte der Austausch bewährter Verfahrensweisen auf EU-Ebene nachdrücklich gefördert werden. Aus diesem Grund führt er Informationsbesuche in den Mitgliedstaaten durch, um den Austausch bewährter Verfahrensweisen und die Umsetzung der Reformen unter Beteiligung der Zivilgesellschaft zu erörtern und zu fördern.

6.2   Der EWSA vertritt den Standpunkt, dass die Interessenträger neue Formen des Austausches von bewährten Verfahrensweisen entwickeln sollten: Eine Vernetzung auf mehreren Ebenen würde bedeuten, dass ein Informationsaustausch mit den verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsebenen stattfinden kann, und im Rahmen einer engeren Zusammenarbeit zwischen Grenzregionen in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ließen sich grenzüberschreitende Ziele festlegen. Darüber hinaus ist eine Analyse der bewährten Verfahrensweisen erforderlich, um sie auch im länderspezifischen Kontext in anderen Mitgliedstaaten umsetzen zu können.

6.3   Der Ausschuss ruft die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, durch den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel neue Schritte zur Förderung des grenzüberschreitenden Austausches bewährter Verfahrensweisen zu unternehmen (z.B. Datenbanken mit Beispielen für bewährte Verfahren, Leistungsanzeiger usw.). Dies setzt jedoch voraus, dass die Mitgliedstaaten einen angemessenen europäischen Rahmen annehmen, der eine solche Vorgehensweise ermöglichen würde. Erforderlichenfalls sollte die Schaffung innovativer Instrumente in Erwägung gezogen werden.

6.4   Der Ausschuss erklärt sich erneut bereit, sowohl als Plattform (14) für den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen nationalen WSR, Sozialpartnern, Akteuren der Zivilgesellschaft und den europäischen Institutionen als auch als Plattform für den Austausch von Meinungen und Erfahrungen zwischen nationalen Interessenträgern zu fungieren. Bei dieser Gelegenheit bekräftigt der Ausschuss, dass er den Diskussionsbeiträgen der nationalen WSR und vergleichbarer Einrichtungen große Bedeutung beimisst.

Brüssel, den 8. Dezember 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Jahreswachstumsbericht 2012, KOM(2011) 815 endg. vom 23.11.2011.

(2)  „Jahreswachstumsbericht 2011: Gesamtkonzept der EU zur Krisenbewältigung nimmt weiter Gestalt an“, KOM(2011) 11, 12.1.2011. Das KOM-Dokument enthält auch den Entwurf des Gemeinsamen Beschäftigungsberichts.

(3)  Europäischer Rat 24./25. März 2011, Schlussfolgerungen, EUCO 10/1/11/rev. 1.

(4)  Anhang 1 zu den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 24./25. März 2011, EUCO 10/1/11/rev. 1.

(5)  Für einige Mitgliedstaaten, die eine Finanzhilfe vonseiten der Euro-Länder und des IWF in Anspruch nehmen, empfahl die Kommission lediglich die Umsetzung ihrer Absichtserklärung und der entsprechenden Aktualisierungen, in denen die wirtschaftspolitischen Bedingungen festgelegt sind, die als Grundlage für die Verteilung der Finanzhilfe dienen. Diese Finanzhilfe sollte mit der Erreichung der Ziele der Europa-2020-Strategie im Einklang stehen.

(6)  Europäischer Rat, 23./24. Juni 2011, Schlussfolgerungen, EUCO 23/11.

(7)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Abschluss des ersten Europäischen Semesters für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik: Orientierungen für die Politik der Mitgliedstaaten 2011-2012, KOM(2011) 400 endg.

(8)  Ein erster „Integrierter Bericht zu der Strategie für die Zeit nach 2010“ wurde vom Ausschuss mit Blick auf die Konzipierung der neuen europäischen Strategie für die Zeit nach 2010 vorgelegt. Dieser Bericht wurde von der EWSA-Beobachtungsstelle für die Lissabon-Strategie erarbeitet und enthielt Beiträge nationaler Wirtschafts- und Sozialräte (WSR) und Partnerorganisationen sowie die EWSA-Stellungnahme zum Thema „Die Lissabon-Strategie nach 2010“ (Berichterstatter: Wolfgang Greif).

(9)  EWSA-Stellungnahme zum Jahreswachstumsbericht, ABl. C 132 vom 3.5.2011, S. 26-38.

(10)  Jahreswachstumsbericht 2012, KOM(2011) 815.

(11)  Ein Territorialpakt für die Europa-2020-Strategie ist ein Abkommen zwischen den Regierungsebenen eines Landes (lokale, regionale und nationale Ebene). Alle Parteien, die sich zu einem Territorialpakt zusammenschließen, verpflichten sich zur Koordinierung und Synchronisierung ihrer politischen Agenden, um ihr politisches Handeln und ihre verfügbaren Finanzmittel auf die Ziele der Europa-2020-Strategie auszurichten. Siehe http://portal.cor.europa.eu/europe2020/news/Pages/TPUsefuldocuments.aspx

(12)  Instrumente wie Verordnungen, Richtlinien, Empfehlungen, Stellungnahmen und Normen für Leitlinien, gemeinsame Ziele, gemeinsame Programme, Strukturfonds, Koordinierung der Politiken und Instrumente des außenpolitischen Handelns der EU.

(13)  Siehe insbesondere EWSA-Stellungnahme „Die Zukunft des Europäischen Sozialfonds nach 2013“, ABl. C 132 vom 3.5.2011, S. 8.

(14)  Siehe http://www.eesc.europa.eu/ceslink/


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