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Document 52011AE1611

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union (Neufassung)“ KOM(2011) 402 endg. — 2011/0187 (COD)

ABl. C 24 vom 28.1.2012, p. 131–133 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

28.1.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 24/131


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union (Neufassung)“

KOM(2011) 402 endg. — 2011/0187 (COD)

2012/C 24/29

Berichterstatter: Raymond HENCKS

Der Rat beschloss am 22. Juli 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union (Neufassung)

KOM(2011) 402 endg. — 2011/0187 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 7. Oktober 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 475. Plenartagung am 26./27. Oktober 2011 (Sitzung vom 26. Oktober) mit 150 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Die Verordnung (EG) Nr. 717/2007, die die Preisobergrenzen für Roaming-Gebühren auf der Vorleistungs- und Endkundenebene festlegt, läuft am 30. Juni 2012 aus, ohne dass sich ein gesunder Wettbewerb entwickelt hätte und die Kunden folglich noch immer überhöhte Preise zahlen müssen.

1.2

Deswegen sind neue EU-Maßnahmen erforderlich, wenn das im Rahmen der digitalen Agenda für Europa festgelegte Ziel der Beseitigung der Differenz zwischen Roaming- und Inlandstarifen bis 2015 erreicht werden soll.

1.3

Der EWSA begrüßt die vorgeschlagenen neuen Maßnahmen, die er als verhältnismäßig und angemessen erachtet, um zu gewährleisten, dass diese Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu erschwinglichen Preisen verfügbar und zugänglich ist. Der Vorschlag einer erneuten Senkung der Preisobergrenzen geht in die richtige Richtung, sprich dass es auf mittlere Sicht keine speziellen Roaming-Gebühren mehr gibt.

1.4

Der EWSA erklärt sich ebenfalls grundsätzlich mit der Bestimmung einverstanden, die den Kunden freien Zugang zu Sprach-, SMS- und Datenroamingdiensten aller zusammengeschalteten alternativen Roaminganbieter unter Beibehaltung ihrer Rufnummer gewährt.

1.5

Der Ausschuss bedauert jedoch, dass dem Kommissionsvorschlag keine Abschätzung der Folgen der neuen Maßnahmen für die Beschäftigung und die Arbeitsbedingungen in diesem Sektor beigefügt ist.

1.6

Bezüglich der Mindestabrechnungsdauer von abgehenden Roaminganrufen fordert der EWSA eine Senkung der derzeitigen Höchstgrenze von 30 Sekunden unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Entwicklung in einigen Mitgliedstaaten.

2.   Hintergrund

2.1

Seit 2005 ist die Senkung der Roaming-Gebühren für Mobilfunknutzer, die innerhalb der EU reisen, fester Bestandteil der EU-Politik im Bereich der elektronischen Kommunikation und der Industrie.

2.2

Da die wiederholten Aufrufe der Kommission an die Mobilfunkanbieter, ihre überhöhten Roaming-Tarife zu senken, nichts fruchteten, beschloss die EU einzugreifen und eine Preisregulierung einzuführen.

2.3

Mit der Verordnung (EG) Nr. 717/2007 hat die EU ab dem 1. September 2007 eine Preisobergrenze pro Minute („Euro-Tarif“) für abgehende und ankommende Anrufe in der EU eingeführt (auf Vorleistungs- und Endkundenebene), die bis 2010 jährlich um 0,03 EUR herabgesetzt wurde.

2.4

Obwohl der Euro-Tarif so festgelegt wurde, dass er genügend Spielraum lässt für einen gesunden Wettbewerb zwischen den Mobilfunkanbietern unterhalb der zulässigen Höchstgrenze, musste die Kommission feststellen, dass die von den Anbietern verlangten durchschnittlichen Roamingentgelte im allgemeinen nur geringfügig unterhalb der vorgeschriebenen Höchstgrenze lagen.

2.5

Daraufhin wurde die Verordnung (EG) Nr. 717/2007 bis zum 30. Juni 2012 verlängert und die Preisobergrenzen für Sprachanrufe Jahr für Jahr weiter gesenkt. Gleichzeitig wurde auch eine Höchstgrenze für SMS (auf Vorleistungs- und Endkundenebene) sowie für Datenroaming auf Vorleistungsebene eingeführt, während auf Endkundenebene hier keine Preisobergrenzen vorgeschrieben wurden.

2.6

Um die Verbraucher vor den „versteckten Kosten“ zu schützen, wurde darüber hinaus am 1. Juli 2009 eine sekundengenaue Abrechnung ab 30 Sekunden für abgehende Anrufe und eine sekundengenaue Abrechnung von Gesprächsbeginn an für ankommende Anrufe eingeführt.

3.   Der neue Kommissionsvorschlag

3.1

Da die Verordnung (EG) Nr. 717/2007 am 30. Juni 2012 ausläuft und da im von der Kommission ausgearbeiteten Bericht über die Entwicklung des Sprachroamingmarktes festgestellt wird, dass in die Preise (abgesehen von den speziellen Roaming-Paketen) noch nicht genügend Bewegung gekommen ist, um sicherzustellen, dass die Verbraucher keine im Vergleich zu den unter Wettbewerbsbedingungen gebildeten nationalen Tarifen überhöhten Preise zahlen, hat die Kommission vor kurzem einen neuen Änderungsvorschlag zu der oben genannten Verordnung auf den Weg gebracht.

3.2

Neben weiteren beachtlichen Senkungen der Höchstgrenzen bis 2016 bzw. 2022 enthält der neue Vorschlag für eine Verordnung auch strukturelle Maßnahmen, z.B.:

die Abkoppelung des Roamings von den nationalen Diensten, um den Kunden bei Roamingdiensten (Sprachdiensten, SMS, Daten) die freie Wahl eines anderen Anbieters unter Beibehaltung ihrer Rufnummer zu lassen;

die Verpflichtung für Netzbetreiber zur Gewährung des Vorleistungszugangs zwecks Erbringung von Roamingdiensten.

3.3

Bis die strukturellen Reformen greifen, schlägt die Kommission bezüglich der Preisbestimmungen vor, die Verordnung (EG) Nr. 717/2007 um 10 Jahre, d.h. bis zum 30. Juni 2022, zu verlängern.

3.4

Auf Endkundenebene sollen die Preisobergrenzen bis zum 30. Juni 2016 gelten, während auf Vorleistungsebene die Höchstgrenzen während des gesamten Geltungszeitraums beibehalten werden sollen (es sei denn, es hätte sich bereits vorher ein ausreichend starker Wettbewerb entwickelt).

3.5

Die Roamingdienste auf Endkundenebene sind derzeit die einzigen Dienste, für die noch keine Preisregulierungen gelten. Daher finden sich hier immer noch überhöhte Preise, die teils um das Siebenfache höher liegen als auf Vorleistungsebene.

3.6

Aus diesem Grund werden Regulierungsmaßnahmen ins Auge gefasst, um die Preise pro Kilobyte beim Datenroaming auf Endkundenebene bis 2014 schrittweise zu senken. Zwischen Juli 2014 und Juli 2016 sollen die Preisobergrenzen unverändert bleiben, bevor sie ganz abgeschafft werden (es sei denn, es hätte sich bereits vorzeitig ein ausreichend starker Wettbewerb entwickelt).

3.7

Beim Datenroaming auf Vorleistungsebene werden die Höchstgrenzen bis zum 30. Juni 2015 Jahr für Jahr gesenkt, danach sollen sie unverändert bleiben, bis die neue Verordnung ausläuft (im Prinzip im Jahr 2022).

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Die Notwendigkeit, die Probleme rund um das Roaming zu lösen, um den Binnenmarkt zu verwirklichen, fällt gleichermaßen in den Rahmen der Europa-2020-Strategie, der Binnenmarktakte und der Digitalen Agenda für Europa.

4.2

Der EWSA erinnert daran, dass die elektronische Kommunikation eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ist, die definitionsgemäß flächendeckend verfügbar und zu erschwinglichen Preisen zugänglich sein muss.

4.3

Der EWSA begrüßt daher alle Maßnahmen, die darauf abzielen, die Verbraucher vor überhöhten Preisen bei abgehenden und ankommenden Roaminganrufen zu schützen. Zudem ersucht er die Kommission, mit der gleichen Entschlossenheit ebenfalls gegen die übermäßigen Gewinnspannen bei marktbeherrschenden Anbietern anderer Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse vorzugehen.

4.4

Die Roamingdienste bilden eines der Kernelemente der „Digitalen Agenda für Europa“, nämlich die Beseitigung der Differenz zwischen Roaming- und Inlandstarifen bis 2015, d.h. auf mittlere Sicht die Abschaffung jeglicher Formen von Roaming-Gebühren.

4.5

Dieses erklärte Ziel als solches ist jedoch nicht in Form einer Bestimmung der vorgeschlagenen Verordnung gefasst. Die erneuten Senkungen der Preisobergrenzen für Roamingdienste lassen jedoch so gut wie keinen Spielraum mehr zwischen den nationalen Tarifen und den Roamingpreisen.

4.6

Auch wenn der bisherige Ansatz, nämlich Preissenkungen durch die Festlegung von Preisobergrenzen zur Auflage zu machen, zu bedeutenden Preissenkungen geführt hat (s. die vom EWSA ausgearbeitete Tabelle unten), so stößt diese Maßnahme mit der vorgeschlagenen Verordnung an ihre Grenzen und ist nicht nachhaltig.

 

Sprachanrufe

Euro/Minute

ohne MwSt

SMS

Euro/SMS

ohne MwSt

Daten

Euro/Kilobyte

ohne MwSt

 

Vorleistungspreis

Endkundenpreis – abgehende Anrufe

Endkundenpreis – ankommende Anrufe

Vorleistungspreis

Endkundenpreis

Vorleistungspreis

Endkundenpreis

Durchschnittspreis vor dem 1.9.2007

 

0,7692

0,417

Verordnung (EG) Nr. 717/2007

Höchstpreis

1.9.2007-31.8.2008

0,30

0,49

0,24

Höchstpreis

1.9.2008-30.6.2009

0,28

0,46

0,22

Höchstpreis

1.7.2009-30.6.2010

0,26

0,43

0,19

0,04

0,11

1,00

Verordnung (EG) Nr. 580/2008

Höchstpreis

1.7.2010-30.6.2011

0,22

0,39

0,15

0,04

0,11

0,80

Höchstpreis

1.7.2011-30.6.2012

0,18

0,35

0,11

0,04

0,11

0,50

Höchstpreis

1.7.2012-30.6.2013

0,14

0,32

0,11

0,03

0,10

0,30

0,90

Vorschlag für eine Verordnung KOM(2011) 402

Höchstpreis

1.7.2013-30.6.2014

0,10

0,28

0,10

0,03

0,10

0,20

0,70

Höchstpreis

1.7.2014-30.6.2015

0,06

0,24

0,10

0,02

0,10

0,10

0,50

Höchstpreis

1.7.2015-30.6.2016

0,06

0,24

0,10

0,02

0,10

0,10

0,50

Höchstpreis

1.7.2016 -30.6.2022

0,06

Höchstpreis (1) aufgehoben

Höchstpreis (1) aufgehoben

0,02

Höchstpreis (1) aufgehoben

0,10

Höchstpreis (1) aufgehoben

4.7

Durch Preissenkungen können die strukturellen Probleme, die es noch immer auf dem Roamingmarkt gibt, nicht gelöst werden. Aus diesem Grund begrüßt der EWSA, dass der neue Verordnungsvorschlag neben den Preisregelungen auch strukturelle Bestimmungen enthält, gemäß denen die Heimatanbieter ihren Kunden ab dem 1. Juli 2014 freien Zugang zu Sprach-, SMS- und Datenroamingdiensten aller zusammengeschalteten alternativen Roaminganbieter gewähren müssen.

4.8

Grundsätzlich begrüßt der EWSA diese Bestimmung, er befürchtet jedoch, dass die Maßnahme einen zu starken Kundenzufluss zu den großen marktbeherrschenden Mobilfunkanbietern auslösen wird, zu Lasten der kleineren Anbieter, umso mehr als für sie wegen der Festkosten die Kosten für die technische und kommerzielle Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahme im Verhältnis höher sein werden.

4.9

Der EWSA ersucht die Kommission, trotz der für die Errichtung eines Mobilfunkdienstes notwendigen Einbindung zusätzlicher Akteure weiterhin für Transparenz für die Endkunden zu sorgen.

4.10

Auch wenn der Vorschlag der Kommission, den Mobilfunkanbietern (Betreibern virtueller Mobilfunknetze/MVNO) auch Marktzugang zu den grenzüberschreitenden Roamingdiensten zu gewähren, zu einem verstärkten Wettbewerb führen kann, so bedauert der EWSA, dass die 2005 vom Europäischen Parlament geforderte Abschätzung der Folgen der Verordnung für die kleineren Mobilfunkanbieter in der Gemeinschaft und deren Stellung im Markt für gemeinschaftsweites Roaming nicht aufgegriffen wurde.

4.11

Außerdem muss der EWSA feststellen, dass die dem Vorschlag beigefügte Zusammenfassung der Auswirkungen und die Folgenabschätzung keinerlei Angaben zu den erwarteten Auswirkungen der neuen Maßnahmen auf die Beschäftigung und/oder die Arbeitsbedingungen in diesem Sektor enthalten. Der EWSA fordert daher zusätzliche Untersuchungen.

4.12

Bezüglich der Mindestabrechnungsdauer von abgehenden Roaminganrufen fordert der EWSA eine Senkung der derzeitigen Höchstgrenze von 30 Sekunden unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Entwicklung in einigen Mitgliedstaaten.

Brüssel, den 26. Oktober 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  unter der Voraussetzung, dass sich ein ausreichend starker Wettbewerb entwickelt hat.


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