EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52011IE0807

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema „Staatsunternehmen aus Drittländern auf den öffentlichen Beschaffungsmärkten der EU“ (Initiativstellungnahme)

ABl. C 218 vom 23.7.2011, p. 31–37 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

23.7.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 218/31


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema „Staatsunternehmen aus Drittländern auf den öffentlichen Beschaffungsmärkten der EU“ (Initiativstellungnahme)

2011/C 218/06

Berichterstatter: Corrado ROSSITTO

Ko-Berichterstatter: Ulrich PAETZOLD

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 16. September 2010 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Staatsunternehmen aus Drittländern auf den öffentlichen Beschaffungsmärkten der EU“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten des Ausschusses in diesem Bereich beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel nahm ihre Stellungnahme am 4. April 2011 an.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss verabschiedete auf seiner 471. Plenartagung am 4./5. Mai 2011 (Sitzung vom 4. Mai) mit 152 gegen 4 Stimmen bei 9 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) erachtet die Öffnung der Ausschreibungssysteme aller Länder für den internationalen Wettbewerb auf der Grundlage des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement GPA / WTO) für einen entscheidenden Vorteil: Dadurch wird ihre vollständige Gegenseitigkeit sowie rechtliche und faktische Symmetrie gewährleistet. Außerdem können so protektionistische Maßnahmen und unlauterer Wettbewerb konterkariert werden, die trotz spezifischer Übereinkommen mit den Schwellenländern festzustellen sind, gemäß dem Primär- und Sekundärrecht der EU sowie der Rechtsprechung des EuGH in diesem Bereich.

1.2   Der EWSA ist der Ansicht, dass die EU auf der Grundlage ihres Primär- und Sekundärrechts ihre Verhandlungsposition stärken muss, um ihren Zugang zu den öffentlichen Märkten der Drittländer zu verbessern. Denn die EU hat mehr als 80 % ihres öffentlichen Beschaffungsmarkts geöffnet, während andere entwickelte Wirtschaften dies lediglich zu 20 % getan haben.

1.3   Der Ausschuss fordert das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission mit Nachdruck dazu auf, sowohl auf EU-interner als auch auf internationaler Ebene zu gewährleisten, dass die Interessen der Union in puncto Zugang zu den öffentlichen Märkten wirksamer und strategischer vertreten werden, damit sie gegenüber ihren Partnern in der Welt an Glaubwürdigkeit gewinnt und die Beständigkeit und Weiterentwicklung des europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells unterstützt wird.

1.4   Nach Ansicht des EWSA müssen für alle Auftragnehmer dieselben Wettbewerbsbedingungen gelten, um bei gleichen Ausgangsbedingungen (level playing field) einen fairen Wettbewerb auf der Grundlage der Gegenseitigkeit mit Unternehmen in Drittstaaten zu gewährleisten. Diese müssen die Grundprinzipien internationaler Aufträge in Bezug auf verbotene direkte oder indirekte staatliche Beihilfen, Preiskalkulationsmethoden und die vorsorgliche Berücksichtigung von Kosten und Risiken achten.

1.5   Der Ausschuss rät den Organen, die Rechtsvorschriften für den Binnenmarkt erlassen, und den internationalen Verhandlungsführern der EU im Bereich internationale öffentliche Ausschreibungen mit Nachdruck zu Kohärenz und einem Bewusstsein für die möglichen gegenseitigen Auswirkungen ihrer Aktivitäten. Er legt ihnen nahe, sich für Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, gegenseitige Anerkennung, Verhältnismäßigkeit, Transparenz, Bekämpfung der Korruption, Einhaltung gesellschaftlicher und ökologischer Standards und Achtung der Grundrechte einzusetzen.

1.6   Der Ausschuss hält es für unerlässlich, eine systematische Kontrolle der Kohärenz zwischen den Ergebnissen der Verhandlungen, die die Europäische Kommission auf bilateraler und multilateraler Ebene im Auftrag der Mitgliedstaaten führt, und der nachfolgenden vollständigen und effektiven Umsetzung der angenommenen Maßnahmen seitens der Mitgliedstaaten einzuführen.

1.7   Dem Ausschuss zufolge wäre es angemessen, das plurilaterale GPA-Übereinkommen ein multilaterales Übereinkommen umzuwandeln, dem neue Mitglieder beitreten und das Übergangsmaßnahmen enthält für die Bereiche Kompensationen, Preispräferenzen, Ergänzung durch neue Körperschaften oder Sektoren sowie neue Schwellenwerte. Ferner sollte wieder entschlossen der Vorschlag verfolgt werden, Unternehmen aus Ländern mit protektionistischen Maßnahmen für mit Unionsmittel finanzierte öffentliche Aufträge vorübergehend vom Geltungsbereich des GPA auszunehmen.

1.8   Der EWSA fordert eine schnelle Annahme der angekündigten „Initiative zum Zugang für Unternehmen und Waren aus Drittstaaten zum EU-Markt für öffentliche Aufträge“ (Market Access Scheme for Procurement – MASP). Ferner fordert er eindeutige, transparente und bewährte Verfahren zur gegenseitigen Öffnung der Märkte, um den symmetrischen Zugang zum öffentlichen Beschaffungswesen zu gewährleisten, wofür das Paket zum öffentlichen Auftragswesen von 2004 entsprechend angepasst werden muss.

1.9   Nach Ansicht des EWSA sollte ein Ansatz gefördert werden, der auf Prävention und einem „Frühwarnsystem“ für Projekte und/oder die Verabschiedung restriktiver Vorschriften für öffentliche Auftragsvergaben durch Drittländer aufbaut, um mögliche Hindernisse frühzeitig erkennen und auf internationaler Ebene anzeigen zu können. Dazu ist eine Optimierung der Datenbank der Europäischen Kommission für den Marktzugang erforderlich, um über zuverlässige und rasch zugängliche Informationen über Ausschreibungen und Formalitäten und technische Spezifikationen der Leistungsverzeichnisse, insbesondere für KMU, zu verfügen.

1.10   Der Ausschuss empfiehlt die Einführung von Maßnahmen zur Verschlankung und Vereinfachung der Verfahren, die an die neuen Herausforderungen auf europäischer Ebene angepasst werden müssen. Damit soll gewährleistet werden, dass die Vergabestellen innerhalb der EU und weltweit das wirtschaftliche und innovative Potenzial der KMU voll ausschöpfen, auch mittels Schulung, Information und Unterstützung der Auftragnehmer und der Teilnehmer an internationalen Ausschreibungen und Ausschreibungen in Drittländern, insbesondere für deren leitende Angestellten und Führungskräfte.

2.   Einführung

2.1   Der Umfang der jährlichen Auftragsvergaben des öffentlichen Güter- und Dienstleistungssektors in der Europäischen Union entspricht ca. 17 % des BIP bzw. ungefähr 2 100 Mrd. EUR. Ca. 3 % davon liegen über dem Schwellenwert des GPA im Rahmen des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen der WTO (1). Der Umfang des globalen öffentlichen Beschaffungsmarkts wird auf 10-20 % des BIP geschätzt, da für verschiedene Länder, die nicht zum GPA gehören, keine vergleichbaren Daten vorliegen: Der weltweite Umfang des öffentlichen Beschaffungswesens liegt deutlich über 10 % des weltweiten BIP.

2.2   Die europäischen Unternehmen – von den weltweit tätigen Großunternehmen bis zu unternehmerisch besonders aktiven KMU – setzen sich mit ganzer Kraft dafür ein, auf den Weltmärkten zu bestehen, stoßen dabei jedoch zunehmend auf Schwierigkeiten beim Zugang zum globalen öffentlichen Beschaffungsmarkt. Diese Schwierigkeiten sind weniger auf Barrieren an den Grenzen, sondern vielmehr auf komplexere und technisch problematischere Hindernisse „hinter der Grenze“ zurückzuführen. Diese festzustellen, zu analysieren und aus dem Weg zu räumen ist langwieriger und diese Hemmnisse basieren auf restriktiven Vorschriften und Verfahren für das öffentliche Beschaffungswesen. Sie könnten die Unternehmen der EU daran hindern, erfolgreich an öffentlichen Ausschreibungen in Drittländern teilzunehmen.

2.3   Die vorliegende Initiativstellungnahme betrifft, wie im Titel ausgeführt, einen besonderen Aspekt des öffentlichen Beschaffungswesens: Es soll untersucht und deutlich gemacht werden, wie die EU in Bezug auf die Teilnahme von Staatsunternehmen aus Drittländern an Ausschreibungen auf dem Binnenmarkt

das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts im Bereich Ausschreibungen gewährleisten kann;

sicherstellen kann, dass Staatsunternehmen aus Drittstaaten auf dem Binnenmarkt operieren dürfen und dabei denselben Bedingungen und Zulassungskriterien entsprechen, die auch für alle anderen Unternehmen gelten;

ebenso Gegenseitigkeit und symmetrischen Zugang für europäische Unternehmen auf Drittstaatsmärkten sicherstellen kann.

Weitere Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens waren bereits Gegenstand von Stellungnahmen des EWSA oder werden dies in Zukunft sein.

2.4   Zwischen der Öffnung des Außenhandels und den Reformen des Binnenmarktes besteht eine Wechselbeziehung: Da es in beiden Fällen darum geht, die Kosten überflüssiger Regulierungsbarrieren zu senken, die die Freizügigkeit von Waren, Dienstleistungen und Investitionen behindern, macht es die wachsende gegenseitige Abhängigkeit zwischen dem Binnenmarkt und den internationalen Märkten erforderlich, dass sich die Organe, die Rechtsvorschriften für den EU-Binnenmarkt erlassen, und die EU-Verhandlungsführer im Bereich des internationalen Handels und des internationalen öffentlichen Beschaffungswesens der potenziellen, beiderseitigen Auswirkungen ihrer Tätigkeit bewusst sind. Sie müssen eine kohärente Strategie verfolgen, die auf die Förderung der - auch vom EuGH und in der Charta der Grundrechte bekräftigten - Grundsätze des Primär- und Sekundärrechts der EU abzielt:

Achtung der Menschenrechte,

Bekämpfung der Korruption,

Einhaltung sozialer und ökologischer Standards,

Transparenz,

Verhältnismäßigkeit,

Gleichbehandlung,

Nichtdiskriminierung,

gegenseitige Anerkennung.

2.5   In den Bereichen Normen und Vorschriften, Dienstleistungen, Investitionen und öffentliches Beschaffungswesen sowie geistige Eigentumsrechte und Zertifizierungssysteme sind bei vielen unserer Handelspartner noch immer aufwendige Verfahren, Mangel an Transparenz und industriepolitische Maßnahmen im Sinne der Erzwingung der Substitution von Importen, des obligatorischen Technologietransfers und der Gewährung eines bevorzugten Zugangs lokaler Hersteller zu Rohstoffen festzustellen.

2.6   Während die europäischen Unternehmen einem wachsenden Wettbewerb auf dem Binnenmarkt ausgesetzt sind, dessen transparente Öffnung gefördert wurde - wobei mit großem Engagement versucht wurde, einen barrierefreien EU-Binnenmarkt zu schaffen -, ist in letzter Zeit deutlich geworden, dass diese Öffnung den Binnenmarkt jeglichen Schutzes gegenüber Marktteilnehmern aus Drittländern beraubt hat, die sich keinesfalls für eine analoge Öffnung ihrer Märkte einsetzen.

2.7   Die EU verfügt in diesem Bereich über strenge Vorschriften, die einen fairen Wettbewerb mit gleichen Ausgangsbedingungen (level playing field) gewährleisten sollen. Die Erfahrungen der letzten Zeit zeugen jedoch davon, dass keine dieser Vorschriften auf Staatsunternehmen aus Drittländern angewendet wird, vor allem auch dann nicht, wenn diese an Ausschreibungen für öffentliche Aufträge teilnehmen. Dies verstößt gegen die Grundsätze des Binnenmarkts und fügt der europäischen Industrie und Wirtschaft schwere Schäden zu.

2.8   Nach Ansicht des EWSA muss daher untersucht werden, wie die EU ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes auch in solchen Fällen gewährleisten kann, in denen es Staatsunternehmen aus Drittländern gestattet wird, auf diesem Markt tätig zu werden. Dafür muss sie weiterhin mit großer Aufmerksamkeit gegen Protektionismus vorgehen, aber auch im Interesse der europäischen Verbraucher, Unternehmen und Steuerzahler jede Form von Sozial- und Umweltdumping (2), undurchsichtige Kosten und Preise, staatliche Subventionen, Nichteinhaltung der Haushaltsvorschriften und der Regeln der freien Marktwirtschaft bekämpfen.

2.9   Das öffentliche Beschaffungswesen wurde im Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen sowie im Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen ausdrücklich von der grundlegenden Verpflichtung zur Inländerbehandlung ausgenommen. Es muss jedoch daran erinnert werden, dass bis 2015 90 % des weltweiten Wachstums außerhalb Europas generiert werden, ein Drittel davon allein in China. Wir müssen uns in den nächsten Jahren die Möglichkeiten höherer Wachstumsraten in Drittstaaten, insbesondere in Ost- und Südasien, zunutze machen (3).

2.10   Während der europäische Markt schon eine beachtliche Öffnung erfahren hat, wurden die Märkte unserer wichtigsten Handelspartner – insbesondere auf regionaler und lokaler Ebene – in viel geringerem Maße geöffnet. Dies lässt sich anhand einiger Beispiele aus unterschiedlichen Kontinenten belegen:

2.10.1   In CHINA ist das Marktöffnungspotenzial noch lange nicht ausgeschöpft. China wies im Jahr 2009 ein BIP von 3 573,8 Mrd. EUR auf und exportierte in demselben Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von 227 Mrd. EUR in die EU, während die Importe aus der EU einen Wert von 99,7 Mrd. EUR hatten. Die „buy local“-Klauseln bestehen seit 2003, wie in Artikel 10 des Gesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Law - GPL) vorgesehen. 2007 wurde diese Politik des „Buy Chinese“ durch zwei Dekrete verschärft, die die Möglichkeit der Auftragsvergabe für ausländische Waren auf Fälle beschränken, in denen einheimische Produkte im Vergleich „unverhältnismäßig“ teurer und von geringerer Qualität sind. Im Jahr 2009 wurde diese Regel noch strenger ausgelegt und jede verbleibende Möglichkeit, insbesondere für Hightechprodukte und innovative Produkte, unterbunden, während für Bauaufträge in den „internen Konjunkturpaketen“ 2008 und 2009 rigorose Kontrollen verfügt wurden. Im November 2009 führte China darüber hinaus ein nationales Akkreditierungssystem für innovative Produkte („Indigenous Innovation Product Accreditation List“) ein, und 2010 schlug der Staatsrat Veränderungen für die staatlich kontrollierten Unternehmen vor, die diese dazu bewegen sollen, ihre Aktivitäten auf den heimischen Markt zu beschränken. Gleichzeitig wurden jedoch der chinesischen Hochtechnologieindustrie staatliche Beihilfen gewährt, um sie auf den internationalen Märkten wettbewerbsfähiger zu machen (4).

2.10.1.1   Im Bereich der Bauaufträge hat China das System der Vergabe von Genehmigungen für „Projektmanagement“, „Bauleitung“ und andere Baudienstleistungen aufgegeben und durch ein neues System der WFOCE („Wholly Foreign Owned Construction Enterprise“) und Joint Ventures ersetzt, durch das ausländische Unternehmen von Projekten nationaler Ausschreibungen (NCB) vollständig ausgeschlossen werden und nur an den seltenen internationalen Ausschreibungen (ICB) für Projekte innerhalb des Landes teilnehmen dürfen. Dabei müssen sowohl WFOCE als auch Joint Ventures dem chinesischen Qualifizierungssystem entsprechen, laut dem ein Stammkapital in Höhe von mindestens dem Fünffachen des Projektwerts, ein Stab von in Schlüsselpositionen beschäftigtem Personal von mindestens 300 Personen, die mindestens ein Jahr in China ansässig sind, Referenzen früherer in China ausgeführter Arbeiten und, im Fall von Joint Ventures, die Berücksichtigung des Partners mit der niedrigsten Qualifikation erforderlich sind (5).

2.10.1.2   Im derzeitigen Angebot Chinas bei den WTO-Verhandlungen im Rahmen des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) sind die Bauvorhaben, die für europäische Unternehmen von Interesse sein könnten, zum überwiegenden Teil weder auf der Ebene der Tätigkeiten noch auf der Ebene der Auftraggeber enthalten.

2.10.1.3   In RUSSLAND, das nicht dem GPA der WTO beigetreten ist, wurden mit einer Verordnung des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung vom Dezember 2008 Zugangsbeschränkungen zu Ausschreibungen der Regierung und der Kommunen auferlegt, wobei eine Präferenz für nationale Produkte und Dienstleistungen eingeräumt wird, die mit bis zu 15 % ihres Wertes überbewertet werden können. 2009 wurden zur Bekämpfung der Krise Maßnahmen zum Kauf russischer Produkte angenommen.

2.10.2   In BRASILIEN wurde das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen im Juli 2010 modifiziert, um es den Vergabebehörden zu ermöglichen, einen Anteil von 25 % für Produkte und Dienstleistungen zu reservieren, die vollständig oder teilweise aus Brasilien stammen. Brasilien verzeichnete 2009 ein BIP von 1 128,5 Mrd. EUR (6).

2.10.3   In den USA hat der Kongress die „Buy American“-Vorgaben des American Recovery and Reinvestment Act (ARRA) (7) verschärft. Das BIP der USA betrug im Jahr 2009 10 122,6 Mrd. EUR, der Export von Waren und Dienstleistungen in die EU belief sich auf ca. 286,8 Mrd. EUR und der Import aus der EU auf 323,8 Mrd. EUR (ebenfalls bezogen auf das Jahr 2009) (8).

2.10.4   In JAPAN, das als Exportmarkt für die EU bei Ausfuhren von 36 Mrd. EUR gegenüber Einfuhren aus Japan von 56,7 Mrd. EUR an 7. Stelle steht, haben europäische Unternehmen Schwierigkeiten beim Zugang zum öffentlichen Beschaffungswesen, wenngleich Japan dem GPA der WTO beigetreten ist. Nur 4 % aller öffentlichen Aufträge mit einem Volumen von ca. 22 Mrd. EUR im Jahr 2007 (weniger als 0,7 % des Japanischen BIP) waren für Unternehmen aus der EU zugänglich. Japanische Unternehmen indes hatten Zugang zu öffentlichen Aufträgen der EU mit einem Volumen von 312 Mrd. EUR (das entspricht 2,5 % des BIP der EU) (9).

2.10.5   In VIETNAM wurde im April 2010 eine Richtlinie des Premierministers über die Nutzung von nationalen Produkten und Materialien und über die durch staatliche Fonds finanzierte Auftragsvergabe für diese Produkte verabschiedet. Das vietnamesische BIP betrug 2009 66,8 Mrd. EUR bei einem Warenexport in die EU im Wert von 7,8 Mrd. EUR und einem Import aus der EU in Höhe von 3,8 Mrd. EUR.

2.10.6   In AUSTRALIEN haben zwei Bundesstaaten im Jahr 2009 Vorschriften für als strategisch erachtete öffentliche Aufträge angenommen, deren Wert 250 Mio. AUD übersteigt. Für diese Aufträge gilt im Bundesstaat Victoria die Verpflichtung, 40 % lokaler Produkte (aus Australien und Neuseeland) zu verwenden, während in New South Wales eine Preispräferenz von 20 % festgelegt wird, zu der von Fall zu Fall zusätzliche Präferenzen zwischen 2,5 und 5,0 % hinzukommen. Australien hatte 2009 ein BIP von 712,8 Mrd. EUR, bei Exporten von Waren und Dienstleistungen in die EU im Wert von 14,4 Mrd. EUR und Importen im Wert von 34,1 Mrd. EUR.

2.11   Andererseits sind auch Fälle wie die TÜRKEI zu verzeichnen. Das öffentliche Beschaffungswesen hat sich dort mit der Annahme des Gesetzes Nr. 5812 von 2008 verbessert, mit dem die türkischen Bestimmungen an die EU-Vorschriften angepasst worden sind. Die Ausschreibungen für Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge basieren auf Verfahren des offenen Wettbewerbs, auch wenn die Umsetzung der EU-Richtlinien und der Beschwerdemechanismen noch verbessert werden müssen (10). Die Aufträge, die über dem Schwellenwert der EU lagen, betrugen 2008 7 303 Mio. EUR für Bauaufträge, 8 459 Mio. EUR für Dienstleistungen und 8 042 Mio. EUR für Güter.

3.   Der derzeitige Rechtsrahmen

3.1   Der Rechtsrahmen für die Regulierung des öffentlichen Beschaffungsmarkts für europäische Unternehmen besteht derzeit aus folgenden Elementen:

die Vergaberichtlinien aus dem Jahr 2004 bilden den grundlegenden Rechtsrahmen der Union: Richtlinie 2004/18/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge; die Richtlinie 2004/17/EG zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser- Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste. Ferner die Richtlinie 2007/66/EG zur Änderung der Ausschreibungsprozeduren und die Best Practices-Vorschriften für den Zugang der KMU zu Ausschreibungsverfahren sowie die Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG (11);

der Vertrag, mit dem die Anerkennung des Rechts auf regionale und lokale Selbstverwaltung in das primäre Gemeinschaftsrecht aufgenommen und für die öffentlichen Stellen eine Möglichkeit geschaffen wurde, zur Erfüllung ihres gemeinwirtschaftlichen Auftrags auf eigene Mittel wie etwa verschiedene Formen von Partnerschaften zwischen Behörden zurückzugreifen;

die zahlreichen Urteile des EuGH zur Auftragsvergabe;

das derzeit in der Überarbeitungsphase befindliche plurilaterale WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) als zentrales Instrument für die Öffnung der internationalen öffentlichen Beschaffungsmärkte, wohingegen im Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) die zentralen Marktzugangsbestimmungen im GATS keine Anwendung auf die öffentliche Beschaffung von Dienstleistungen finden, abgesehen von einem Mandat für die derzeit geführten multilateralen Verhandlungen über die öffentliche Beschaffung von Dienstleistungen, bei dem sich die EU für einen Marktzugang und Nichtdiskriminierung im Beschaffungswesen für Dienstleistungen einsetzt, und von einem Bündel gemeinsamer Verfahrensvorschriften für Beschaffungen;

die Klauseln zur Auftragsvergabe in den Freihandelsabkommen, den Assoziierungsabkommen, den Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, den Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, den Interimsabkommen über Handel und Handelsfragen und den Abkommen über handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit;

die Anwendung der Rechtsvorschriften der Union für öffentliche Aufträge und Konzessionen auf institutionalisierte öffentlich-private Partnerschaften.

4.   Bemerkungen

Der EWSA erachtet die Öffnung der Ausschreibungssysteme sämtlicher Länder für den internationalen Wettbewerb auf der Grundlage des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement GPA / WTO) für einen entscheidenden Vorteil. Dadurch wird vollständige Gegenseitigkeit sowie rechtliche und faktische Symmetrie gewährleistet. Außerdem können so protektionistische Maßnahmen und unlauterer Wettbewerb konterkariert werden, die trotz spezifischer Übereinkommen mit den Schwellenländern festzustellen sind.

4.1   Der EWSA verweist auf die kürzlich von der Kommission bekannt gegebenen Daten: „Im Jahr 2015 werden 90 % des globalen Wachstums außerhalb Europas generiert werden, ein Drittel davon allein in China“ (12).

4.2   Der EWSA teilt die Ansicht, dass Europa zur Weiterentwicklung der eigenen Wettbewerbsvorteile in der Lage sein muss „zu gewährleisten, dass die Interessen der Union wirksamer und strategischer verteidigt werden“, wodurch die EU „gegenüber den Partnern in der Welt an Glaubwürdigkeit“ gewinnt und „die Beständigkeit und Weiterentwicklung des europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells unterstützt“ wird. Um glaubwürdiger zu werden, „muss Europa die eigene Verhandlungsposition stärken, um den Zugang auf die öffentlichen Märkte der Drittländer zu verbessern, da die EU mehr als 80 % ihres öffentlichen Beschaffungsmarkts geöffnet hat, während andere große fortgeschrittene Volkswirtschaften die ihren lediglich zu 20 % geöffnet haben“ (13).

4.3   Dem EWSA zufolge ist der derzeitige Rechtsrahmen der Union für das öffentliche Beschaffungswesen im Wesentlichen angemessen und reicht aus, um den europäischen Markt unter allen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekten zu regulieren. Leider nutzen einige Mitgliedstaaten die Möglichkeiten, die dieser Rechtsrahmen bietet, nicht vollständig aus, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, und riskieren dadurch, ihre Märkte ohne eine Basis der Gegenseitigkeit gegenüber Unternehmen aus Drittstaaten zu öffnen, die die wichtigsten Grundsätze des internationalen Beschaffungswesens nicht achten. Es ist jedoch unumgänglich, dass diese Regeln ebenso wie die Grundprinzipien des Vertrags und der Charta der Grundrechte streng eingehalten werden.

4.4   Der Ausschuss vertritt die Ansicht, dass durch die Zusammenarbeit zwischen den Behörden keine Parallelmärkte geschaffen werden dürfen, auf die die Regeln für das öffentliche Beschaffungswesen nicht angewendet werden und von denen private Anbieter ausgeschlossen sind.

4.5   Die EU ist ihrem Wesen nach eine offene Wirtschaft und tritt für den freien Handel ein. Sie bietet einen rechtssicheren, diskriminierungsfreien Zugang zu einem großen Beschaffungswesen. Gleichzeitig müssen Vertraulichkeit und Transparenz gewährleistet werden, um Innovation und einen nachhaltigen öffentlichen Beschaffungsmarkt zu fördern, auf dem

das wirtschaftlich günstigste – im Gegensatz zum preiswertesten - Angebot bevorzugt

und der gesamte Lebenszyklus des Produkts berücksichtigt wird.

4.6   Nach Auffassung des EWSA müssen für sämtliche Auftragnehmer dieselben Wettbewerbsbedingungen gelten: In diesem Zusammenhang hegt der EWSA Zweifel an den Bedingungen für die Teilnahme sogenannter „Staatsunternehmen“ aus Drittländern, insbesondere in Bezug auf verbotene direkte oder indirekte staatliche Beihilfen, Preiskalkulationsmethoden und die vorsorgliche Berücksichtigung von Kosten und Risiken. Tatsächlich gewährleistet der europäische Markt Zugang, ohne angemessene Vorkehrungen gegen unlauteren Wettbewerb zu treffen, woraus sich große Risiken in Bezug auf ein mögliches Sozial- und Umweltdumping und Nichtbeachtung der ethischen Grundsätze der Verträge und der Grundrechtecharta seitens dieser Staatsunternehmen ergeben.

4.7   Nach Auffassung des EWSA muss:

4.7.1

in den internationalen Verhandlungen und den Verhandlungen mit Drittstaaten darauf bestanden werden, dass die Werte, Rechte und Grundsätze der EU, wie sie im Primärrecht der Union – den Verträgen und der Charta der Grundrechte – verankert sind, geachtet werden und nicht verhandelbar sind;

4.7.2

in den internationalen Verhandlungen mit einer einzigen, deutlichen, kohärenten und solidarischen Stimme gesprochen werden. Nationale Alleingänge müssen vermieden werden, da sie die gemeinsame Verhandlungsposition schwächen können, und es ist ein Benchmarking der effektiven Öffnung der nationalen Märkte im Rahmen der auf Unionsebene abgeschlossenen Übereinkommen durchzuführen;

4.7.3

eine bessere Koordinierung und Kohärenz der Vorgehensweise und des Handelns zwischen den mit verschiedenen Aspekten der Verhandlungen in puncto Handel, Industrie und Kooperation befassten Dienststellen der Europäischen Kommission ins Werk gesetzt werden. Dies muss im Einklang mit den Regeln zur Auftragsvergabe auf multilateraler Ebene des Übereinkommens über das öffentliche Auftragswesen GPA aus dem Jahr 1994 (das einzige rechtsverbindliche diesbezügliche Übereinkommen der WTO, das derzeit überarbeitet wird), sowie der Freihandelsabkommen der neuen Generation, der Partnerschafts- und Kooperationsabkommen oder der Assoziierungsabkommen im Rahmen der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft erfolgen, und es sind Ansätze zu wählen, die systematischer gegen nichttarifäre Hemmnisse vorgehen und auf die Öffnung von Beschaffungsmärkten für europäische Unternehmen abzielen;

4.7.4

das plurilaterale Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) in ein multilaterales Abkommen umgewandelt werden, um dadurch neue Beitritte zu diesem – durch die Präzisierung der Übergangsmaßnahmen (Kompensationen, Preispräferenzen, Ergänzung durch neue Körperschaften oder Sektoren sowie höhere Schwellenwerte) – erneuerten Übereinkommen zu fördern;

4.7.5

ein vorübergehender Ausschluss vom GPA-Geltungsbereich von Unternehmen aus Ländern mit protektionistischen Maßnahmen von Aufträgen, die mit Gemeinschaftsmitteln finanziert werden, erfolgen. Diesen Vorschlag hat der EWSA bereits in mehreren früheren Stellungnahmen vorgebracht (14);

4.7.6

für die umfassende Anwendung der Grundsätze der Gegenseitigkeit und Verhältnismäßigkeit in einigen Sektoren gesorgt werden, gemäß den „Allgemeinen Anmerkungen und Ausnahmen zum Artikel III des Anhangs I der EG“ des GPA;

4.7.7

für Unternehmen aus Drittländern dieselbe Bedingungslage gelten, die auch für die europäischen Unternehmen auf deren Märkten gilt. Die EU kann die Verhandlungen nicht länger auf formelle Gegenseitigkeit gründen, sondern sie muss vielmehr auf die reale wirtschaftliche Gegenseitigkeit bestehen. Für Fälle von Ungleichgewichten ist eine Schutzklausel mit aufschiebender Wirkung vorzusehen;

4.7.8

die EU in Fällen, in denen wichtige Handelspartner von der allgemeinen Freizügigkeit der EU profitieren, aber eindeutig keine Gegenseitigkeit anstreben, erwägen, gezielte Zugangsbeschränkungen für Teile des EU-Beschaffungsmarkts einzuführen, um diese Partner langfristig doch dazu zu bewegen, eine Marktöffnung auf Gegenseitigkeitsbasis zu gewähren;

4.7.9

möglichst rasch die angekündigte „Initiative zum Zugang für Unternehmen und Waren aus Drittstaaten zum EU-Markt für öffentliche Aufträge“ (MASP) angenommen werden, mit eindeutigen, transparenten und bewährten Verfahren zur gegenseitigen Öffnung der Märkte. Damit soll der symmetrische Zugang zum öffentlichen Beschaffungswesen in den Industriestaaten und den großen Schwellenländern für die Sektoren gewährleistet werden, die in der Richtlinie 2004/17/EG (15) und im Arbeitsprogramm 2011 (16) genannt werden;

4.7.10

die technische Zusammenarbeit in Brüssel zwischen Beamten der Mitgliedstaaten und der Kommission in Fragen der Marktöffnung intensiviert werden, und es müssen verstärkt Vertreter der Industrie zur Beratung herangezogen werden;

4.7.11

die Einführung strenger Kontrollen sowie von Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer tatsächlichen Durchführung erfolgen, um sicherzustellen, dass insbesondere bei EU-Ausschreibungsverfahren, für die Mittel der EU, der EIB, aus den Strukturfonds oder von europäischen Netze bereitgestellt werden, tatsächlich keine direkten oder indirekten staatlichen Beihilfen vorliegen – die in der EU eigentlich verboten sind –, und dass die sozialen und ökologischen Standards der Gemeinschaft umfassend garantiert werden;

4.7.12

die Marktzugangsdatenbank der Europäischen Kommission verbessert werden, wobei besondere Aufmerksamkeit zu richten ist auf zuverlässige und schnell verfügbare Informationen über Ausschreibungen, die Formalitäten und technischen Spezifikationen der Lastenhefte, die die Teilnahme in Drittländern tatsächlich verhindern, und die statistische Grundlagen und Indikatoren für die Auswirkungen von Wettbewerbsverzerrungen bieten;

4.7.13

ein auf Prävention und einem „Frühwarnsystem“ für Projekte und/oder die Verabschiedung von restriktiven Vorschriften für die Auftragsvergabe in Drittländern beruhender Ansatz gestärkt werden, um eine frühzeitige Feststellung und Anzeige von möglichen Hindernissen auf internationaler Ebene zu ermöglichen und sie an der Quelle anzugehen, indem systematisch von der Möglichkeit von Notifizierungen nach dem Übereinkommen über technische Handelshemmnisse Gebrauch gemacht wird;

4.7.14

die Einführung von Maßnahmen für KMU auf europäischer Ebene erfolgen, um zu gewährleisten, dass die Auftraggeber auf EU-interner und internationaler Ebene das wirtschaftliche und innovative Potenzial der KMU in den Ausschreibungen voll ausschöpfen;

4.7.15

die Schulung, Information und Unterstützung der an internationalen Ausschreibungen und Ausschreibungen in Drittländern teilnehmenden Auftraggeber und KMU, insbesondere ihrer leitenden Angestellten und Führungskräfte, gewährleistet werden, wobei bezüglich der handelspolitischen Schutzmaßnahmen und des Zugangs zu Märkten und Informationen anerkannt wird, dass diese Unternehmen aufgrund ihrer Größe oft vor schwerwiegenden Problemen stehen;

4.7.16

eine Änderung von Artikel 55 Absatz 3 der Richtlinie 2004/18/EG und von Artikel 57 Absatz 3 der Richtlinie 2004/17/EG bezüglich ungewöhnlich niedriger Angebote vorgesehen werden, um die Annahme von Staatsunternehmen eingereichter Angebote auszuschließen, denen keine Nachweise beiliegen, dass das Angebot nicht durch direkte oder indirekte staatliche Beihilfen gestützt wird, die nach Unionsrecht verboten sind: ein Beispiel für einen „Test auf Staatsbeihilfen“ ist in Anhang 4 der US Millennium Challenge Corporation zu finden;

4.7.17

der Verstoß gegen die Urheberrechte bzw. die illegale Nutzung von Patenten und technischen Daten als verbindliches Ausschlusskriterium in Artikel 45 (17) der Richtlinie 2004/18/EG und Artikel 54 (18) der Richtlinie 2004/17/EG aufgenommen werden;

4.7.18

sichergestellt werden, dass die zukünftigen europäischen Rechtsinstrumente bezüglich der Erleichterung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus Drittländern, über die derzeit diskutiert wird, nicht letztendlich Staatsunternehmen aus Drittländern zugutekommen, die von verbotenen staatlichen Beihilfen profitieren;

4.7.19

sichergestellt werden, dass die rasche umfassende Veröffentlichung restriktiver Vorschriften und Verfahren im öffentlichen Beschaffungswesen, die die Unternehmen der EU von der erfolgreichen Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen in Drittländern abhalten, erfolgt. Dazu zählen Gesetze über „Buy Local“ oder über einen steigenden Anteil lokaler Inhalte oder mit Anreizen für lokale Technologien und Innovationen oder zur nationalen Konjunkturbelebung, die lokale Strukturen bevorzugen und die Zugangsmöglichkeiten von Unternehmen aus anderen Ländern behindern;

4.7.20

die Kohärenz und Komplementarität zwischen der Innen- und Außenpolitik der Union, wie auf der Tagung des Europäischen Rats vom September 2010 erörtert, weiter gestärkt werden. Insbesondere ist darauf zu achten, „dass die Schnittstelle zwischen Industriepolitik und Wettbewerbspolitik unter Berücksichtigung der Globalisierung überprüft und die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen gefördert werden muss“ (19).

Brüssel, den 4. Mai 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Vgl. Quelle: Schätzungen der Europäischen Kommission in KOM(2010) 612 endg.

(2)  Vgl. KOM(2010) 612 endg.

(3)  Ebenda.

(4)  Eine Hauptsorge mit Blick auf die Vergabe öffentlicher Aufträge, aber auch auf geistiges Eigentum ist die Förderpolitik für „einheimische Innovation“, mit deren Hilfe sich chinesische Firmen in der Wertschöpfungskette nach oben arbeiten sollen. Die erstmals im November 2009 angekündigte Politik beeinträchtigt den Zugang zu öffentlichen Aufträgen in China in vielen innovativen Bereichen, von grüner Technologie bis hin zu Telekommunikation, stark (Vgl. SEC(2011) 298 endg. (nicht auf DE).

(5)  Siehe Mitteilung der Europäischen Kommission, WTO-Papier „S/C/W/286“, Absatz 15-19; darüber hinaus werden bei dem Erwerb eines chinesischen Unternehmens durch eine ausländische Gesellschaft die von dem chinesischen Unternehmen erworbenen Qualifikationen widerrufen, und es muss wieder ganz neu beginnen.

(6)  Im Juli 2010 wurde durch Zusätze zum brasilianischen Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen eine befristete „Buy Brazilian“-Klausel eingeführt.

(7)  In der Gesetzgebung sind zwei neue Buy American-Bestimmungen enthalten: Durch eine dieser Bestimmungen wird es verboten, Mittel, die durch dieses Gesetz zur Verfügung gestellt werden, für Bau-, Umbau- oder Wartungsprojekte oder für die Instandsetzung eines öffentlichen Gebäudes oder eines öffentlichen Bauwerks zu verwenden, wenn nicht die Gesamtmenge des Eisens, Stahls und der handwerklichen Güter, die im Projekt zum Einsatz kommen, aus den USA stammen; mit der zweiten Bestimmung wird verboten, Mittel, die durch dieses Gesetz zur Verfügung gestellt werden, für den Erwerb bestimmter Textilerzeugnisse durch das Ministerium für innere Sicherheit (Homeland Security) zu verwenden, wenn diese nicht aus US-amerikanischem Anbau und Verarbeitung stammen.

(8)  Ein weiteres Beispiel ist das Verbot für staatliche Stellen in den USA, Ankäufe bei „inverted companies“ zu tätigen, bei denen es sich ursprünglich um US-Firmen handelt, die das Steuergebiet gewechselt und sich dem Besteuerungssystem eines anderen Landes unterworfen haben, was ernsthafte Zweifel in Bezug auf die Kompatibilität mit den GPA-Verpflichtungen aufwirft. Das führt dazu, dass ein europäisches Unternehmen mit Sitz in der EU keine Verkäufe an die US-Regierung tätigen kann, selbst wenn sie durch das GPA gedeckt sein sollten.

(9)  Vgl. SEK(2011) 298.

(10)  Türkei – Public Procurement Assessment (Bewertung des öffentlichen Beschaffungswesens) 2009, – SIGMA - Unterstützung der Verbesserung des Regierungs- und Verwaltungssystems, eine gemeinsame Initiative der OECD und der EU.

(11)  SEK(2008) 2193, von den Dienststellen der Europäischen Kommission veröffentlichte Angaben.

(12)  Vgl. KOM(2010) 612 endg. Ziffer 1.

(13)  Gemeinsame Erklärung Frankreichs, Deutschlands, Spaniens, Portugals, Italiens und Polens für eine stärkere Gegenseitigkeit zwischen der EU und ihren Handelspartnern vom 9.2.2011.

(14)  Vgl. Stellungnahme des EWSA zu „Internationalen Beschaffungsmärkten“, ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 32.

(15)  KOM(2009) 592 endg.

(16)  Vgl. KOM(2010) 612/4 und KOM(2010) 623/II, Ziffer 36.

(17)  Artikel 45, Persönliche Lage des Bewerbers bzw. Bieters.

(18)  Artikel 54, Eignungskriterien.

(19)  Siehe Tagung des Rates (Wettbewerbsfähigkeit) vom 10. Dezember 2010 – Schlussfolgerungen zum Thema „Eine integrierte Industriepolitik für das Zeitalter der Globalisierung“, Ziffer 15.


Top