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Document 52011XG0708(04)

Schlussfolgerungen des Rates: Hin zu modernen, bedarfsorientierten und tragfähigen Gesundheitssystemen

ABl. C 202 vom 8.7.2011, p. 10–12 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

8.7.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 202/10


Schlussfolgerungen des Rates: Hin zu modernen, bedarfsorientierten und tragfähigen Gesundheitssystemen

2011/C 202/04

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION

1.

ERINNERT DARAN, dass nach Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und -maßnahmen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sicherzustellen ist, dass die Tätigkeit der Union die Politik der Mitgliedstaaten ergänzen und auf die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung gerichtet sein soll, dass sie außerdem die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Gesundheitswesen fördern und deren Tätigkeit erforderlichenfalls unterstützen soll, wobei die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung in vollem Umfang zu wahren ist;

2.

VERWEIST auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 6. Dezember 2007 zum Weißbuch der Kommission „Gemeinsam für die Gesundheit: Ein strategischer Ansatz der EU für 2008-2013“;

3.

VERWEIST auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 2. Juni 2006 zu den gemeinsamen Werten und Prinzipien in den Gesundheitssystemen der Europäischen Union (1), in der die Universalität, der Zugang zu einer Gesundheitsversorgung von guter Qualität, die Gleichbehandlung und die Solidarität als Grundwerte bezeichnet werden;

4.

VERWEIST auf die Charta von Tallinn „Gesundheitssysteme für Gesundheit und Wohlstand“, die am 27. Juni 2008 unter der Schirmherrschaft der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterzeichnet worden ist;

5.

VERWEIST auf den Gemeinsamen Bericht der Europäischen Kommission und des Ausschusses für Wirtschaftspolitik vom 23. November 2010 über die Gesundheitssysteme sowie auf die diesbezüglichen Schlussfolgerungen des Rates vom 7. Dezember 2010;

6.

WÜRDIGT die Arbeit des Ausschusses für Sozialschutz und ERINNERT an die Ziele, die im Rahmen der offenen Koordinierungsmethode im Bereich Sozialschutz und soziale Inklusion auf der Tagung des Europäischen Rates vom März 2006 vereinbart worden sind, um eine zugängliche, hochwertige und nachhaltige Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege sicherzustellen;

7.

VERWEIST auf die Beratungen, die auf der informellen Tagung der Gesundheitsminister in Gödöllö vom 4./5. April 2011 zum Thema „Patientenwege und Karriereoptionen der Fachleute in Europa — Investitionen in Gesundheitssysteme der Zukunft“ stattgefunden haben;

8.

VERWEIST auf die Strategie „Europa 2020“ und BEGRÜSST das von der Kommission initiierte europäische Pilotprojekt einer Innovationspartnerschaft im Bereich „Aktives und gesundes Altern“ und die laufenden Arbeiten hierzu;

9.

IST SICH BEWUSST, dass die Mitgliedstaaten aufgrund der Alterung der Bevölkerung und ihrer sich wandelnden Bedürfnisse, der steigenden Patientenerwartungen, der raschen Verbreitung von Technologien und der zunehmenden Kosten der Gesundheitsversorgung sowie angesichts des derzeitigen unsicheren und prekären Wirtschaftsklimas, das insbesondere auf die jüngste weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise zurückzuführen ist und zur Folge hat, dass den Gesundheitssystemen der Mitgliedstaaten immer weniger Ressourcen zur Verfügung stehen, mit gemeinsamen Herausforderungen konfrontiert sind. Zu den größten Herausforderungen für die Gesundheitssysteme zählt die rasche Zunahme der chronischen Krankheiten;

10.

IST SICH BEWUSST, dass zwar die Gewährleistung eines gleichberechtigten Zugangs zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung trotz knapper wirtschaftlicher und sonstiger Ressourcen schon immer ein zentrales Anliegen war, dass das Problem jedoch inzwischen eine Größenordnung und Dringlichkeit erreicht hat, dass es, wenn nichts unternommen wird, zu einem entscheidenden Faktor in der künftigen wirtschaftlichen und sozialen Landschaft der EU werden könnte;

11.

HÄLT ES FÜR ERFORDERLICH, dass durchdachte und verantwortliche Innovationen, unter anderem sozialer und organisatorischer Art, entwickelt werden, mit denen sich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der künftigen Nachfrage und bezahlbaren, nachhaltigen Ressourcen erreichen lässt, damit alle genannten Herausforderungen bewältigt werden können;

12.

FORDERT, dass der Gesundheitssektor bei der Durchführung der Strategie „Europa 2020“ eine angemessene Rolle spielen muss. Es sollte anerkannt werden, dass Investitionen in die Gesundheit zum Wirtschaftswachstum beitragen. Gesundheit ist zwar ein Wert an sich, doch auch eine Vorbedingung für wirtschaftliches Wachstum;

13.

BETONT, dass für die Entwicklung moderner, bedarfsorientierter, wirksamer, effizienter und langfristig finanzierbarer Gesundheitssysteme, die allen Bürgern einen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsdiensten bieten, unbeschadet der Verhandlungen über den künftigen Finanzrahmen Gelder aus den Europäischen Strukturfonds genutzt werden können, um die Finanzmittel für den Ausbau des Gesundheitswesens in förderfähigen Regionen der Mitgliedstaaten, einschließlich Kapitalinvestitionen, zu ergänzen, insbesondere weil

der soziale Zusammenhalt, die Verringerung deutlicher Missverhältnisse und die Beseitigung des Gefälles im Gesundheitsbereich zwischen den und innerhalb der Mitgliedstaaten äußerst wichtig sind;

für die Entwicklung einer „neuen Generation“ von Konzepten für die Gesundheitsversorgung angemessene Finanzmittel erforderlich sind, die es erlauben, die Umgestaltung der Gesundheitssysteme zu fördern und die Investitionen in neue, nachhaltige Versorgungsmodelle und -einrichtungen umzulenken;

14.

BETONT, dass die Wirksamkeit der Investitionen in die Gesundheitssysteme der Zukunft von grundlegender Bedeutung ist und von den jeweiligen Mitgliedstaaten beurteilt und überwacht werden sollte;

15.

IST SICH BEWUSST, wie wichtig eine faktengestützte Politikgestaltung und Entscheidungsfindung ist, die auf adäquaten Gesundheitsinformationssystemen beruht;

16.

IST SICH BEWUSST, dass in der Europäischen Union Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Modernisierung der Gesundheitssysteme und mit neuen Konzepten der Gesundheitsversorgung weitergegeben werden müssen;

17.

IST SICH BEWUSST, dass Gesundheitsförderung und Krankheitsverhütung für die langfristige Tragfähigkeit der Gesundheitssysteme ausschlaggebend sind;

18.

BETONT, dass als zentrale Voraussetzung für den Betrieb moderner, dynamischer Gesundheitssysteme in jedem Mitgliedstaat adäquat geschultes Gesundheitspersonal in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen muss; jeder Mitgliedstaat sollte bedarfsgerecht handeln und dem Internationalen Verhaltenskodex der WHO über die grenzüberschreitende Anwerbung von Gesundheitsfachkräften beitreten;

19.

HEBT HERVOR, dass es gilt, die Kräfte zu bündeln und die Zusammenarbeit auf EU-Ebene stärker zu koordinieren, damit die Mitgliedstaaten gegebenenfalls bei ihren Bemühungen, ihre Gesundheitssysteme für die künftigen Herausforderungen zu rüsten, unterstützt werden können, wobei auf den Ergebnissen, die bereits im Rahmen von nationalen und EU-Initiativen erzielt wurden, und auf der Arbeit zwischenstaatlicher Organisationen wie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der WHO aufgebaut werden sollte;

20.

UNTERSTREICHT die Führungsrolle der Gesundheitsminister, wenn es darum geht, wirksame gesundheitspolitische Konzepte zu entwickeln und umzusetzen, mit denen den makroökonomischen, gesundheitlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen — unter anderem im Zusammenhang mit der Bevölkerungsalterung — angemessen begegnet werden kann, sowie künftige langfristige Strategien für den Gesundheitssektor, insbesondere zur Förderung der Investitionen und Humanressourcen im Gesundheitssektor, festzulegen;

21.

ERSUCHT die Mitgliedstaaten,

sich bei der Entwicklung wirksamer, gesundheitspolitischer Konzepte, mit denen den makroökonomischen, gesundheitlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen angemessen begegnet werden kann, noch stärker einzubringen;

sicherzustellen, dass der Faktor Gesundheit in den nationalen Reformprogrammen, die die Mitgliedstaaten im Rahmen der Strategie „Europa 2020“ vorlegen, in angemessener Weise berücksichtigt wird;

einen Wandel bei der Wahrnehmung der Gesundheitspolitik herbeizuführen, indem diese stärker ins Blickfeld gerückt wird, wenn es um makroökonomische Fragen geht, und sie nicht nur als Ausgabenposten, sondern als Faktor betrachtet wird, der anerkanntermaßen zu wirtschaftlichem Wachstum beiträgt;

innovative, an den anstehenden Aufgaben orientierte Konzepte und Modelle der Gesundheitsversorgung zu prüfen und künftige langfristige Strategien für den Gesundheitssektor zu entwickeln, mit besonderem Augenmerk auf wirksamen Investitionen in den Gesundheitssektor und in die Humanressourcen mit dem Ziel, von auf Krankenhäuser ausgerichteten Systemen zu integrierten Versorgungssystemen zu gelangen, den gleichberechtigten Zugang zu einer hochwertigen Versorgung zu fördern und Ungleichheiten abzubauen;

die Gesundheitsförderung und Vorsorge im Sinne des Konzepts „Gesundheitsfragen in allen Politikbereichen“ in integrierter Weise weiter zu verstärken;

die Bewertung von Gesundheitstechnologien zu fördern und eine intelligentere Verwendung der Möglichkeiten der elektronischen Gesundheitsversorgung (e-Health) sicherzustellen, um ein gutes Preis-Leistungsverhältnis und Vorteile für die Gesundheit und die Gesundheitssysteme zu erzielen;

die Finanzierungsprogramme der EU, unter anderem die Strukturfonds, die zu einer Innovation der Gesundheitssysteme und zu einer Verringerung von Ungleichheiten im Gesundheitsbereich sowie zu weiterem Wirtschaftswachstum beitragen können, intelligenter zu nutzen;

22.

ERSUCHT die Mitgliedstaaten und die Kommission,

einen Reflexionsprozess unter der Leitung der hochrangigen Gruppe „Gesundheitswesen“ einzuleiten, um zu ermitteln, wie am besten in den Gesundheitssektor investiert werden sollte, damit moderne, bedarfsgerechte und tragfähige Gesundheitssysteme entstehen;

mit Blick auf die Einleitung dieses Reflexionsprozesses und die Umsetzung seiner Ziele

die hochrangige Gruppe „Gesundheitswesen“ aufzufordern, den Reflexionsprozess zu lenken, einen entsprechenden Vorgehensplan aufzustellen und die Modalitäten festzulegen;

die hochrangige Gruppe „Gesundheitswesen“ aufzufordern, einen regelmäßigen Dialog mit dem Ausschuss für Wirtschaftspolitik und dem Ausschuss für Sozialschutz zu führen;

den Zugang der Mitgliedstaaten zu informeller und unabhängiger Beratung durch Experten aus Politikbereichen, die für diesen Reflexionsprozess relevant sind, zu erleichtern;

in diesem Prozess insbesondere die folgenden Ziele mit zu berücksichtigen:

eine angemessenere Vertretung des Gesundheitssektors im Rahmen der Strategie „Europa 2020“ und des „Europäischen Semesters“,

Weitergabe und Analyse von Erfahrungen und bewährten Praktiken, um günstige Voraussetzungen für die wirksame Nutzung der Strukturfonds für Investitionen im Gesundheitssektor zu schaffen;

Weitergabe von Erfahrungen, bewährten Praktiken und Fachwissen, was das Verständnis der wachsenden und sich verändernden Bedürfnisse der Gesellschaft im Gesundheitswesen, insbesondere aufgrund der Bevölkerungsalterung, und die angemessene Reaktion auf diesen Wandel betrifft, sowie eine wirksame und effiziente Konzeption der Investitionen im Gesundheitssektor,

Zusammenarbeit bei der Erfassung und Überwachung der Wirksamkeit der Investitionen im Gesundheitssektor;

Berücksichtigung von Programmen, Daten, Know-how, wissenschaftlichen Erkenntnissen und Expertenwissen, die in der EU, bei zwischenstaatlichen Organisationen, insbesondere der WHO und der OECD, und in den Mitgliedstaaten bereits vorhanden sind, um Doppelarbeit zu vermeiden;

23.

ERSUCHT die Kommission,

die Mitgliedstaaten bei der Einleitung und Durchführung des Reflexionsprozesses zu unterstützen;

den Reflexionsprozess durch zweckdienliche Maßnahmen — einschließlich eines erleichterten Zugangs zu informeller und unabhängiger multisektoraler Beratung durch Experten, die die Mitgliedstaaten und/oder die hochrangige Gruppe „Gesundheitswesen“ auf Antrag in Anspruch nehmen können — zu unterstützen;

sich für eine angemessene Berücksichtigung des Gesundheitssektors bei der Umsetzung der Strategie „Europa 2020“ einzusetzen und regelmäßige Diskussionen mit den Mitgliedstaaten über den Sachstand und das weitere Vorgehen zu fördern;

die wichtige wirtschaftliche Rolle des Gesundheitssektors hervorzuheben, damit dieser nicht lediglich als Ausgabenposten, sondern vielmehr als Faktor wahrgenommen wird, der anerkanntermaßen zu wirtschaftlichem Wachstum beiträgt;

den Mitgliedstaaten wirksame Instrumente und Methoden zur Bewertung der Leistung der Gesundheitssysteme zur Verfügung zu stellen;

sich für neue Wege einzusetzen, um die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, ihrem künftigen Investitionsbedarf im Gesundheitssektor Rechnung zu tragen;

dem Rat als Beitrag zu dem Reflexionsprozess regelmäßig — erstmals Ende 2012 — Bericht zu erstatten.


(1)  ABl. C 146 vom 22.6.2006, S.1.


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