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Document 52021DC0033

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Evaluierung des Beschlusses Nr. 534/2014/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über eine Makrofinanzhilfe für die Tunesische Republik

COM/2021/33 final

Brüssel, den 29.1.2021

COM(2021) 33 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Evaluierung des Beschlusses Nr. 534/2014/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über eine Makrofinanzhilfe für die Tunesische Republik

{SWD(2021) 8 final}


Im Mai 2014 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat 1 eine Makrofinanzhilfe (MFA) im Umfang von 300 Mio. EUR zur Unterstützung Tunesiens bei der Bewältigung seiner Zahlungsbilanzkrise, die sich nach der Jasminrevolution von 2011 und dem anschließenden politischen und wirtschaftlichen Wandel zugespitzt hatte. Die MFA wurde zwischen Mai 2015 und Juli 2017 in drei Tranchen in vollem Umfang ausgezahlt.

ICF wurde als externer Auftragnehmer damit betraut, in Zusammenarbeit mit Cambridge Econometrics in Tunesien eine Ex-post-Evaluierung der ersten Makrofinanzhilfe (MFA I) durchzuführen; diese bildete die Grundlage für die dem vorliegenden Bericht beiliegende Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen. Im Rahmen dieser externen Evaluierung sollten Relevanz, Effizienz, Wirksamkeit, Kohärenz und erzielter EU-Mehrwert der MFA-Maßnahme bewertet werden. Ferner sollten die sozialen Auswirkungen des Programms sowie seine Auswirkungen auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung Tunesiens untersucht werden. Die Evaluierung stützt sich auf Erkenntnisse, die durch verschiedene quantitative und qualitative Forschungsmethoden, wie unter anderem durch Konsultation wichtiger Interessenträger, gewonnen wurden. Es wurden eine Reihe methodischer Einschränkungen festgestellt, die sich allerdings nicht auf die Gesamtzuverlässigkeit der Evaluierungsanalyse auswirken. Durch die Verwendung vielfältiger Quellen, unterschiedlicher Evaluierungstechniken, alternativer Szenarien und mehrerer Rückmeldungsmöglichkeiten konnten die ermittelten Risiken und Einschränkungen gemindert werden.

Die externe Evaluierung und die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen sollen 1) Erkenntnisse im Hinblick auf die künftige Nutzung des MFA-Instruments liefern und 2) Transparenz und Rechenschaftspflicht gewährleisten, wie es in der Haushaltsordnung 2 und dem MFA-Beschluss zugunsten Tunesiens vorgesehen ist.

Die Bewertung ergab, dass die MFA I unter den Gesichtspunkten ihrer Zielsetzung, Finanzausstattung und strukturellen Gegebenheiten relevant war. Die mit der MFA verknüpften politischen Auflagen deckten die Bereiche ab, in denen Tunesien den größten Reformbedarf aufwies, nämlich das Steuerwesen, die öffentliche Finanzverwaltung, das Netz der sozialen Sicherheit, den Finanzsektor, das öffentliche Statistikwesen und den Handel. Zwar hat Tunesien alle vereinbarten Reformauflagen erfolgreich umgesetzt, doch traten bei den Reformen im Zusammenhang mit dem Netz der sozialen Sicherheit und dem Handel Schwierigkeiten auf. Die externe Evaluierung ergab, dass größere Fortschritte in diesen Bereichen möglich gewesen wären, wenn die im Hinblick auf Verwaltungskapazität und Eigenverantwortung noch recht unerfahrenen zuständigen tunesischen Institutionen angesichts der Herausforderungen, denen sie sich vor dem Hintergrund des instabilen politischen Umfelds gegenübersahen, über mehr Kapazitäten verfügt hätten. Diese Feststellung verdeutlichte zudem, dass Reformen so konzipiert werden müssen, dass die Reformziele tatsächlich erreicht werden können, wobei dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass ein fragiles institutionelles Umfeld und eine fragmentierte politische Landschaft die Umsetzung von Reformprogrammen verzögern könnte, wie es auch im Zeitraum 2015–2017 der Fall war. Die Tatsache, dass viele der mit der MFA I verbundenen Auflagen (in den Bereichen Steuerwesen, öffentliche Finanzverwaltung, Netz der sozialen Sicherheit und Finanzsektor) später auch für die MFA II übernommen wurden, unterstreicht die gemeinsame Absicht der EU und der tunesischen Regierung, ihre Bemühungen auf stetige Fortschritte in diesen kritischen Reformbereichen auszurichten.

Die MFA I trug wirksam zur Verbesserung der Zahlungsbilanz Tunesiens bei und unterstützte die Haushaltskonsolidierung durch äußerst günstige finanzielle Bedingungen und politische Auflagen. Durch die MFA wurden rund 11,3 % der verbleibenden Finanzierungslücke für den Zeitraum 2015–2016 gedeckt und (durch Senkung der Kosten einer marktbasierten Finanzierung und Begünstigung einer stabileren Landeswährung) das Vertrauen in die tunesische Wirtschaft gestärkt.

Die MFA I wurde effizient konzipiert und umgesetzt und war mit dem umfassenden politischen Rahmen für die Beziehungen zwischen der EU und Tunesien kohärent. Auch mit den Maßnahmen anderer internationaler Geber besteht ein hohes Maß an Kohärenz. Die MFA begünstigte nicht nur in finanzieller Hinsicht eine „Lastenteilung“ mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und anderen Gebern, sondern unterstützte auch die vom IWF und der Weltbank geförderten Reformen, da sich ihre Auflagen mit jenen letzterer überschnitten und diese ergänzten. Trotz der ursprünglichen Absicht, Überschneidungen bei den Auflagen zu verringern, bestätigte die Evaluierung, dass die Strategie, sich auf wichtige Reformbereiche zu konzentrieren, auch wenn diese bereits an anderer Stelle angegangen wurden, erfolgreich war. Ähnliche Erwägungen werden auch für künftige Maßnahmen empfohlen.

Der EU-Mehrwert zeigte sich in erster Linie in den finanziellen Vorteilen für die tunesische Wirtschaft, wobei die äußerst günstigen Bedingungen der MFA-Darlehen Haushaltseinsparungen und einen schrittweisen Abbau des öffentlichen Primärdefizits ermöglichten. In bestimmten Reformbereichen konnte die MFA den vom IWF (im Finanzsektor) und der Weltbank (in Bezug auf das Netz der sozialen Sicherheit) angestoßenen Reformen zusätzlichen Nachdruck verschaffen, was zur nachhaltigen Mobilisierung lokaler Behörden in diesen Bereichen beitrug. Darüber hinaus brachte die MFA I als einziges Instrument das vereinfachte Einkommensteuererklärungssystem („regime forfaitaire“) voran.

Eine kontrafaktische Analyse der sozialen Auswirkungen der MFA ergab, dass, wenn keine MFA gewährt, sondern die Unterstützung durch den IWF fortgesetzt worden wäre, die indirekten Auswirkungen auf die soziale Lage in Tunesien begrenzt gewesen wären. Die MFA wirkte sich stärker über direkte Kanäle aus, insbesondere über die in der Vereinbarung festgelegten Bedingungen in Bezug auf die Reformen hinsichtlich des Netzes der sozialen Sicherheit.

Schließlich ergab die Evaluierung, dass sich die MFA I positiv auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung Tunesiens auswirkte, da sie aufgrund der äußerst günstigen finanziellen Bedingungen der Maßnahme Haushaltseinsparungen ermöglichte und zudem den Anpassungspfad Tunesiens unterstützte, indem sie haushaltspolitischen Spielraum für andere Reformen und die Aufrechterhaltung der Sozialausgaben schuf. Angesichts des relativ geringen Umfangs der MFA I ist es jedoch unwahrscheinlich, dass es sich signifikant auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung Tunesiens ausgewirkt hätte, wenn sie nicht gewährt worden wäre.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die MFA I für die Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung Tunesiens nach der Jasminrevolution von 2011 und dem anschließenden politischen Wandel von Bedeutung war, da sie für Haushaltseinsparungen und finanzielle Vorteile sorgte und die Zuversicht des Privatsektors stärkte. Das an die MFA geknüpfte Auflagenpaket stand mit dem entsprechenden IWF-Programm gänzlich im Einklang und hatte zudem eine strategisch verstärkende Wirkung, die zur Mobilisierung lokaler Behörden in wichtigen Reformbereichen beitrug, und zwar auch in solchen, die nicht von anderen internationalen Geberprogrammen abgedeckt wurden. Eine ausführliche und umfassende Bewertung der MFA-Maßnahme kann der dem vorliegenden Bericht zugrunde liegenden Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen entnommen werden.

(1)

Beschluss Nr. 534/2014/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über eine Makrofinanzhilfe für die Tunesische Republik. Abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1476964844762&uri=CELEX:32014D0534

(2)

  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32018R1046

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