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Document 52015DC0236

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Siebter Halbjahresbericht zum Funktionieren des Schengen-Raums 1.November 2014 - 30. April 2015

/* COM/2015/0236 final */

Brüssel, den 29.5.2015

COM(2015) 236 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Siebter Halbjahresbericht zum Funktionieren des Schengen-Raums
1.November 2014 - 30. April 2015


1.Einleitung

Wie von der Kommission am 16. September 2011 in ihrer Mitteilung über die Stärkung des Schengen-Systems 1 angekündigt und vom Rat am 8. März 2012 bekräftigt, legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat Halbjahresberichte über das Funktionieren des Schengen-Raums vor. Der siebte Bericht bezieht sich auf den Zeitraum vom 1. November 2014 bis zum 30. April 2015. Der Bericht wird pünktlich zum Jahrestag der Unterzeichnung des Übereinkommens von Schengen am 14. Juni 1985 vorgelegt.

2.Lagebild

2.1.Migrationsströme an den Außengrenzen des Schengen-Raums

Der Berichtszeitraum wurde durch die anhaltende Migration über das Mittelmeer nach Europa, eine Reihe schlimmer Tragödien und die wachsende Bedrohung geprägt, die von radikalisierten Personen ausgeht, darunter ausländische terroristische Kämpfer, die nach Europa zurückgekehrt sind. Unterstrichen wurde dies durch die Terroranschläge in Frankreich und Dänemark und den vereitelten Anschlag in Belgien.

Die Zahl der jährlich festgestellten irregulären Grenzübertritte ist im Laufe des Jahres 2014 erheblich gestiegen. Sie erreichte den höchsten Wert, seit das FRAN (Frontex-Netzwerk für Risikoanalyse) im Jahr 2007 mit der Datensammlung begonnen hat. 2 Im vergangenen Jahr wurden fast 284 000 irreguläre Grenzübertritte festgestellt, dies entspricht dem Doppelten des bislang verzeichneten Höchststands aus dem Jahr 2011 (im Jahr 2013 lag die Zahl der Fälle bei etwa 107 000). Ebenso bedeutend ist, dass die Zahl der festgestellten irregulären Grenzübertritte in den ersten fünf Monaten des Berichtszeitraums (November 2014 bis März 2015, d. h. Monate, für die konsolidierte Daten vorlagen) mit über 111 000 Fällen mehr als dreimal höher war als im selben Zeitraum vor einem Jahr.

Italien meldete 2014 erneut die bei Weitem höchste Zahl von Festnahmen, gefolgt von Griechenland und Ungarn. Wie bereits im Jahr 2013 handelte es sich auch 2014 bei den meisten aufgegriffenen Personen um syrische oder eritreische Staatsangehörige. Die im Jahr 2014 am häufigsten genutzten Routen waren die zentrale Mittelmeerroute 3 (beinahe viermal so viele Fälle wie 2013 und ein Anteil von 60 % aller festgestellten Fälle), die östliche Mittelmeerroute (doppelt so häufig wie im selben Zeitraum des Jahres 2013, doch weniger als in den Rekordjahren 2010-2011) und die Westbalkanroute (mehr als doppelt so häufig wie im Jahr 2013). Sowohl für die zentrale Mittelmeerroute als auch für die Westbalkanroute war die Zahl der Festnahmen im Jahr 2014 die höchste seit Beginn der Datensammlung über das FRAN im Jahr 2007.

In den ersten fünf Monaten des Berichtszeitraums war die Westbalkanroute die am häufigsten genutzte (über 55 000 festgestellte Fälle), gefolgt von der zentralen und der östlichen Mittelmeerroute (über 26 000 bzw. 21 000 festgestellte Fälle). Fast 93 % aller festgestellten Fälle entfielen auf diese drei Routen.

In diesem Zusammenhang wurde auch ein erheblicher Anstieg der Zahl irregulärer Migranten aus dem Kosovo 4 verzeichnet, der im Januar und Februar 2015 seinen Höhepunkt erreichte und dazu führte, dass die Westbalkanroute an erster Stelle lag, was die Zahl der irregulären Grenzübertritte im Zeitraum von November 2014 bis Februar 2015 angeht. Als Reaktion auf die Lage an der serbisch-ungarischen Grenze unterstützte Frontex Ungarn im Rahmen der gemeinsamen Einsätze durch die Bereitstellung von Ausrüstung und die Entsendung von Beamten. Deutschland hat einige Beamte zur Unterstützung der serbischen Grenzschutzbeamten entsandt und zusammen mit Österreich und Ungarn eine Reihe gemeinsamer Initiativen unternommen, z. B. Patrouillen in Zügen. Die Kommission hat einen intensiven Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo4 initiiert, insbesondere durch die Arbeitsgruppe zu irregulärer Migration zwischen Serbien und dem Kosovo4. Dies ebnete den Weg für die Zusammenarbeit zwischen den beiden Seiten und hat dazu beigetragen, dass sich beide Seiten für eine Intensivierung von Maßnahmen zur Vermeidung und Bekämpfung der irregulären Migration aus dem Kosovo4 einsetzen. Die serbischen Behörden ergriffen Maßnahmen zur Verstärkung der Kontrollen an der serbisch-ungarischen Grenze und zur Verfolgung der Schleuserringe in der Vojvodina, während sich das Kosovo4 um den Ausbau der polizeilichen Zusammenarbeit mit Serbien sowie des Informationsaustauschs mit Serbien und der EU bemühte. Die verfügbaren Daten zeigen, dass diese Maßnahmen zu einer Umkehr des Trends beigetragen haben: Die Zahl der Festnahmen irregulärer Migranten aus dem Kosovo4 an den serbisch-ungarischen Grenzen sank von fast 12 000 im Februar auf weniger als 400 im Monat März. Ebenso ging die Zahl der Festnahmen an der Westbalkanroute von fast 15 000 im Februar auf über 5 000 im März zurück. Dennoch sind nachhaltige Anstrengungen zur Konsolidierung dieser Tendenz vonnöten.

Von November 2014 bis März 2015 wurde die zentrale Mittelmeerroute am zweithäufigsten genutzt. Im Berichtszeitraum zeigte das Phänomen der sogenannten Geisterschiffe (Fälle „Carolyn Assens“, „Blue Sky M“ und „Ezadeen“, in denen ein Schiff, das irreguläre Migranten an Bord hat, von der Crew verlassen wird 5 und führungslos im Meer treibt) erneut, dass Schleuser ihre Arbeitsmethoden ohne Rücksicht auf Menschenleben sehr schnell anpassen. Eine wichtige Entwicklung in Bezug auf diese Route war der Start der gemeinsamen Frontex-Operation „Triton“ im zentralen Mittelmeer am 1. November 2014. Zu diesem Zeitpunkt hatte Italien beschlossen, die von seiner Marine durchgeführte Operation „Mare Nostrum“ einzustellen. Im Rahmen der Operation 6 wurden 392 Fälle in Verbindung mit irregulärer Migration registriert. Bei 334 dieser Fälle handelte es sich um Such- und Rettungsmissionen („SAR“-Missionen). Es wurden 49 871 Personen aufgegriffen 7 , wovon 43 057 auf SAR-Fälle entfielen. 132 Schleuser wurden festgenommen. Die gemeinsame Operation zeigte zwar die Entschlossenheit aller beteiligten Partner, die anhaltende Tragödie im Mittelmeer zu beenden, es ist jedoch auch offensichtlich, dass der Grenzüberwachungseinsatz „Triton“ oder andere Operationen allein keine Lösung herbeiführen können. Sie ergänzen lediglich Maßnahmen, die nicht durch den Schengen-Besitzstand geregelt sind (die EU-Migrationspolitik an sich und die Lage in den Herkunfts- und Transitländern), und die eigenen Bemühungen der Mitgliedstaaten zur Verwaltung ihrer Grenzen. Um diese Probleme zu lösen, wurde nach der Tragödie im Mittelmeer vom 18. April 2015 8 auf einer gemeinsamen Tagung des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ und des Rates „Justiz und Inneres“ ein Zehn-Punkte-Aktionsplan zur Migration 9 beschlossen. Der Europäische Rat gab am 23. April eine Erklärung 10 heraus, in der die entsprechenden Maßnahmen ausgearbeitet wurden und in der er sich dafür einsetzte, durch eine Verdreifachung der finanziellen Mittel für die gemeinsamen Operationen „Triton“ und „Poseidon“ die Präsenz der EU auf See zu verstärken, neue Methoden zur Bekämpfung der Schlepper zu entwickeln, gemeinsame Maßnahmen mit Drittländern zu ergreifen und die Solidarität und Verantwortung innerhalb der EU zu stärken. Diese Orientierungen werden nun auf der Grundlage eines hierfür ausgearbeiteten Fahrplans umgesetzt. Der Rat und die Kommission werden dem Europäischen Rat im Juni über die Umsetzung Bericht erstatten. In der Europäischen Agenda für Migration, die am 13. Mai von der Kommission verabschiedet wurde, wurden die verschiedenen Maßnahmen zusammengestellt, die zur Bewältigung der Herausforderungen erforderlich sind.

Aufgrund eines erheblichen Anstiegs der Zahl der festgestellten Fälle an der östlichen Mittelmeerroute lag diese im Monat März an erster Stelle, was die Häufigkeit der Nutzung angeht (mehr als 2,5-mal so viele festgestellte Fälle wie im Februar). Dies kann teilweise auf jahreszeitlich bedingte Schwankungen zurückzuführen sein, spiegelt jedoch auch den zunehmenden Druck an dieser Route wider.

Die Kommission überwachte weiterhin die Situation in den von erheblichen Migrationsströmen an der europäischen Außengrenze betroffenen Mitgliedstaaten (vor allem Italien, Ungarn und Bulgarien), auch hinsichtlich der Verbesserung der Asylsysteme dieser Länder sowie zur Bewältigung von Sekundärbewegungen und um die Umsetzung der Eurodac-Verordnung (in erster Linie in Bezug auf Fingerabdruckdaten) sicherzustellen. In der Migrationsagenda wurde betont, wie wichtig es ist, dass die Vorschriften über die Abnahme von Fingerabdrücken von Migranten an den Grenzen in vollem Umfang angewandt werden. Die Mitgliedstaaten, die unter besonderem Druck stehen, profitieren von dem Brennpunktsystem für operative Unterstützung vor Ort.

Die Kommission wird auch künftig in Zusammenarbeit mit dem EASO und den betreffenden Mitgliedstaaten prüfen, ob der Mechanismus zur Frühwarnung, Vorsorge und Krisenbewältigung auf der Grundlage von Artikel 33 der Dublin-III-Verordnung 11 angewandt werden muss. Außerdem hat die Kommission die Zusammenarbeit mit Zypern mit dem Ziel fortgesetzt, Aufnahmekapazitäten für den Notfall zu schaffen, um mögliche erhebliche Migrationsströme bewältigen zu können und das Asylsystem des Landes allgemein zu verbessern. Griechenland hat den Nationalen Aktionsplan für Asyl und Migration umgesetzt, um seine systemischen Mängel im Asylbereich zu beheben. Dieser Aktionsplan ist im Dezember 2014 12 ausgelaufen. Diese Mitgliedstaaten haben zwar erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Lage zu stabilisieren und zu verbessern, dennoch bedarf es weiterer Fortschritte.

Die Kommission arbeitete eng mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) zusammen, um die Umsetzung der Neufassung der Asylverfahrensrichtlinie zu erleichtern, mit der die Vorschriften, die einen effektiven Zugang zum Asylverfahren sicherstellen sollen, darunter auch Vorschriften über die Anträge an den Außengrenzen, präzisiert und verstärkt wurden. Das EASO organisierte mehrere Schulungen zum Asylverfahren und arbeitet derzeit in Zusammenarbeit mit Frontex und der Grundrechteagentur ein neues Schulungsmodul aus, das sich auch an Grenzschutzbeamte richtet. Im Berichtszeitraum unternahm das EASO weitere Schritte, um die Erhebung genauer und verlässlicher Daten über die Asylanträge, darunter auch die an den Außengrenzen gestellten, zu ermöglichen.

Im Jahr 2014 stellten etwa 14 000 ukrainische Staatsbürger einen Antrag auf Asyl im Schengen-Raum und in den Staaten, die Schengen-Mitglieder werden wollen. 13 Dies entspricht zwar einem fast vierzehnfachen Anstieg gegenüber den rund 1000 Asylbewerbern im Gesamtjahr 2013, insgesamt liegen die Zahlen jedoch immer noch relativ niedrig. Ukrainische Antragsteller, die im Schengen-Raum und in den Staaten, die Schengen-Mitglieder werden wollen, um Asyl ersuchten, machten einen Anteil von 2 % aller Antragsteller im Jahr 2014 aus. Nahezu alle ukrainischen Antragsteller reisten legal mit Visa für kurz- oder langfristige Aufenthalte ein, und nur wenige Asylanträge wurden an den Grenzen gestellt. Die Situation in der Ukraine und ihre Auswirkungen auf die Migrations- und Asylströme sollten auch weiterhin angemessen überwacht werden, damit die EU und der Schengen-Raum so effizient wie möglich auf künftige Entwicklungen reagieren können.

Bewältigung von Sicherheitsbedrohungen durch ausländische terroristische Kämpfer

Was die ausländischen terroristischen Kämpfer, die aus Syrien in die EU zurückkehren, und ihre Aufspürung an den Außengrenzen anbelangt – ein Thema, das auch in der europäischen Sicherheitsagenda behandelt wird, die die Kommission am 28. April 2015 verabschiedete 14 –, ist es vor dem Hintergrund des aktuellen Rechtsrahmens möglich, auf Basis von Risikobewertungen systematische Kontrollen von Personen, die nach dem Unionsrecht über das Recht auf Freizügigkeit verfügen, im Abgleich mit den relevanten Datenbanken vorzunehmen. Die Kommission hat ihre Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten fortgesetzt, um einerseits zu gewährleisten, dass die vorhandenen Instrumente, insbesondere der Schengener Grenzkodex und das Schengener Informationssystem (Einzelheiten siehe Abschnitt 4.1) zur Reaktion auf die Bedrohung durch ausländische terroristische Kämpfer in vollem Umfang genutzt werden können, und um andererseits gemeinsame Risikoindikatoren zu ermitteln, die gezieltere Personenkontrollen ermöglichen.

Auf der informellen Tagung vom 12. Februar 2015 äußerten sich die Mitglieder des Europäischen Rates sehr deutlich zu den nächsten Schritten bei der Weiterentwicklung von Instrumenten, mit denen sich Reisebewegungen mit terroristischem Hintergrund
– insbesondere von ausländischen terroristischen Kämpfern – aufspüren und unterbinden lassen.
15 In diesem Zusammenhang hat die Kommission den Leitfaden für Grenzschutzbeamte (Schengen-Handbuch) in Bezug auf Mindestkontrollen und eingehende Kontrollen, allgemeine Regeln für Personen, die über das Recht auf Freizügigkeit in der Union verfügen, und Regeln für Kontrollen an Land- und Luftgrenzen angepasst.

2.2.    Lage im Schengen-Raum

Im Jahr 2014 erhöhte sich die Zahl der festgestellten Fälle von irregulärem Aufenthalt um 28 % gegenüber dem Vorjahr (auf fast 426 000 Fälle). Die meisten Fälle wurden in Deutschland verzeichnet, gefolgt von Schweden, Frankreich, Spanien und Österreich. Was den Berichtszeitraum angeht, so lag die Zahl der festgestellten Fälle von irregulärem Aufenthalt zwischen November 2014 und März 2015 (rund 184 000 Fälle) um 32 % höher als im selben Zeitraum 2013-2014.

Wie bereits in vorhergehenden Halbjahresberichten erwähnt, hat FRAN im Jahr 2014 mit der Erfassung von Daten zu Sekundärbewegungen begonnen. Trotz der Erinnerungen in früheren Berichten hat eine Reihe von Ländern (Bulgarien, Griechenland, Island, Malta, Österreich, Zypern sowie der Nicht-Schengen-Staat Irland) dazu noch keine Daten vorgelegt (Stand: Mitte April 2015). Es ist wichtig, dass alle Mitgliedstaaten vollständige Daten vorlegen, um durch eine zuverlässige Analyse die Nachverfolgung der Migrationsrouten zu ermöglichen. Die Veröffentlichung des ersten regulären gemeinsamen Berichts von Frontex und Europol über die Sekundärbewegungen, der auf den vorstehend genannten Daten basiert, ist für Juni 2015 vorgesehen.

Die Initiative des Ratsvorsitzes „Amberlight 2015“, die jüngste Datenerhebung zu Migrationsströmen in der EU und im Schengen-Raum, wurde im Zeitraum vom 1. bis zum 14. April 2015 auf Grundlage der Leitlinien im Leitfaden für Gemeinsame Polizeieinsätze 16 durchgeführt. Initiiert wurde die Operation vom lettischen Vorsitz des Rates der Europäischen Union mit dem Ziel, Grenzkontrollen zu verstärken und Drittstaatsangehörige aufzuspüren, die die genehmigte Aufenthaltsdauer überschritten haben (bei der Ausreise an den Luftgrenzen) sowie diesbezügliche Informationen zu sammeln und zu analysieren, u. a. zu gefälschten Ausweispapieren. 28 Länder nahmen an dieser Initiative teil. Zu den wichtigsten Ergebnissen zählen 825 Berichte über 1409 festgestellte Fälle von Überziehungen der Visumgültigkeit (sog. „Overstayer“) 17 und drei festgestellte Betrugsfälle 18 .

In der Zwischenzeit wurden die Ergebnisse von „Mos Maiorum“, einer ähnlichen, unter der Schirmherrschaft des italienischen Ratsvorsitzes durchgeführten Operation, veröffentlicht. An dieser Operation waren 27 Länder beteiligt. Im Wesentlichen wurden im Rahmen der Operation 19 234 irreguläre Migranten aufgegriffen, von denen 11 046 Asyl beantragt haben. Außerdem wurden ganze 257 Schleuser festgenommen und 593 Ausweispapiere beschlagnahmt. Im Rahmen der Operation konnten Informationen zu den Hauptrouten irregulärer Migranten und zu den Vorgehensweisen krimineller Netze, die Menschen in die EU einschleusen, gesammelt werden.

3.Anwendung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands

3.1.Vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen in Einzelfällen

Gemäß Artikel 23 des Schengener Grenzkodexes 19 kann ein Mitgliedstaat im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit ausnahmsweise an seinen Binnengrenzen wieder Grenzkontrollen einführen, deren Dauer nicht über das Maß hinausgehen darf, das unbedingt erforderlich ist, um gegen die schwerwiegende Bedrohung vorzugehen. Im Zeitraum vom 1. November 2014 bis zum 30. April 2015 gab es keine Fälle, in denen die Mitgliedstaaten an ihren Binnengrenzen vorübergehend wieder Grenzkontrollen eingeführt haben. Im vorherigen Berichtszeitraum hatte sich Belgien –  entgegen der entsprechenden Benachrichtigung der Kommission vor dem Hintergrund des G7-Gipfels im Juni 2014 – letztlich entschlossen, doch keine Kontrollen an seinen Binnengrenzen durchzuführen, da keine Informationen zu entscheidenden Sicherheitsrisiken vorlagen.

3.2.Wahrung der Kontrollfreiheit an den Binnengrenzen

Zwei Aspekte des Schengen-Besitzstands, die häufig von mutmaßlichen Verstößen betroffen sind, sind 1) die Frage, ob die Durchführung von Polizeikontrollen in der Nähe einer Binnengrenze die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat (Artikel 21 Buchstabe a des Schengener Grenzkodexes), und 2) die Verpflichtung, alle Hindernisse für den flüssigen Verkehr, zum Beispiel Geschwindigkeitsbeschränkungen an den Straßenübergängen der Binnengrenzen zu beseitigen (Artikel 22 des Schengener Grenzkodexes). Im Zeitraum vom 1. November 2014 bis zum 30. April 2015 setzte die Kommission ihre Untersuchungen in vier Fällen (Belgien, Italien, Österreich und Slowenien) fort, in denen möglicherweise gegen die Bestimmungen zur Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen, insbesondere zur Beseitigung der Hindernisse für den flüssigen Verkehr, verstoßen wurde. Die Kommission setzte außerdem den Meinungsaustausch mit Deutschland im Anschluss an das Aufforderungsschreiben vom Oktober 2014 wegen der mutmaßlichen Nichteinhaltung von Artikel 20 und Artikel 21 Buchstabe a des Schengener Grenzkodexes durch die Bundespolizei fort. Schließlich bat die Kommission Polen um Klarstellung bezüglich der Pflicht zur Mitführung von Ausweispapieren in den Binnengrenzzonen Polens (Artikel 21 Buchstabe c des Schengener Grenzkodexes).

3.3.Entwicklung des Europäischen Grenzüberwachungssystems (Eurosur)

Im Berichtszeitraum wurde das Europäische Grenzüberwachungssystem von den ursprünglichen 19 auf alle 30 teilnehmenden Länder ausgeweitet. Frontex hat die neu eingerichteten nationalen Koordinierungszentren in den übrigen 11 teilnehmenden Ländern an das Eurosur-Kommunikationsnetz angeschlossen und das Verfahren der Sicherheitsakkreditierung des Netzes fortgesetzt, das im Laufe des Jahres 2015 abgeschlossen werden wird. Im Einklang mit den Bestimmungen der Eurosur-Verordnung haben mehrere Mitgliedstaaten die Zuständigkeiten und Workflows für die Grenzüberwachung auf nationaler Ebene rationalisiert und den Informationsaustausch sowie die Zusammenarbeit sowohl nationaler Grenzschutzbehörden als auch mit den Behörden benachbarter Mitgliedstaaten erheblich verbessert. Einige benachbarte Mitgliedstaaten haben außerdem damit begonnen, ihre nationalen Grenzüberwachungssysteme auf lokaler Ebene zu verknüpfen.

Die Kommission, Frontex und die Mitgliedstaaten haben ein Handbuch erstellt, das technische und operative Leitlinien für die Anwendung und Verwaltung von Eurosur enthält. Dieses Handbuch wird die Kommission voraussichtlich später in diesem Jahr annehmen.

Frontex baute seine Kapazität weiter aus, die allgemeine Anwendung von Überwachungsinstrumenten und „Fusion Services“ mit Eurosur zu koordinieren, um regelmäßig und kostengünstig zuverlässige Überwachungsinformationen zu den Außengrenzen und dem Grenzvorbereich zur Verfügung zu stellen. Diese Kapazität wird im Laufe des Jahres 2015 deutlich erweitert werden, sobald zu diesem Zweck Fördermittel im Rahmen des Copernicus-Programms 20 bereitgestellt werden. Derzeit stehen den Mitgliedstaaten verschiedene Dienste zur Verfügung, von Instrumenten zur Verfolgung von Schiffen und satellitengestützten Schiffortungssystemen über komplexe Algorithmen zur Vorausberechnung der Position von Schiffen bis zu genauen Wettervorhersagen und ozeanografischen Prognosen. Die „Fusion Services“ nutzen optische Hilfsmittel und Radarsatellitentechnik, um Schiffe ausfindig zu machen, die im Verdacht stehen, für Schleusungsaktivitäten genutzt zu werden, bei denen die Leben von Migranten häufig in Gefahr sind. Die Ortung und Verfolgung bestimmter Schiffe kann von den Mitgliedstaaten jederzeit verlangt werden.

Der Einsatz des Schiffsortungsdienstes, der die Operation „Triton“ bereits täglich unterstützt, wird aktuell auf die Operationen „Poseidon“ und „Indalo“ ausgeweitet. Andere Dienste wie ein maritimes Simulationsmodul oder detaillierte Wettervorhersagen zur Unterstützung operativer Tätigkeiten stehen jederzeit zur Verfügung.

3.4.Mutmaßliche Verstöße gegen andere Vorschriften des Schengen-Besitzstands

Im Berichtszeitraum setzte die Kommission ihre Untersuchung im Fall zu den estnischen Landgrenzen fort (im Hinblick auf die Anforderungen, die beim Überschreiten der Grenze gelten, im Zusammenhang mit Artikel 5 und 7 des Schengener Grenzkodexes). Darüber hinaus setzte die Kommission ihre Nachforschungen bezüglich der Griechenland und Bulgarien vorgeworfenen Push-back-Praktiken an den EU-Außengrenzen fort und leitete eine Untersuchung wegen angeblicher Schnellabschiebungen aus Spanien (Ceuta und Melilla) ein. In diesem Zusammenhang stattete die Kommission sowohl Bulgarien als auch Ceuta und Melilla einen technischen Besuch ab. Sie beobachtet die Lage in den betroffenen Ländern auch weiterhin.

In Bezug auf die weiterhin eingehenden Beschwerden über übermäßige Wartezeiten aufgrund von Kontrollen durch die spanischen Behörden an der Grenze zu Gibraltar und die an die Behörden Spaniens und Gibraltars gerichteten zusätzlichen Empfehlungen vom 30. Juli 2014, wonach die Fahrzeug- und Passagierströme besser zu steuern sind und der Schmuggel von Tabakwaren wirksamer zu bekämpfen ist, erhielt die Kommission Antworten beider Länder mit Informationen zur beabsichtigten Umsetzung dieser Empfehlungen. Ende Februar erhielt die Kommission die im Juli 2014 von den spanischen Behörden angeforderten Informationen. Die vorläufige Bewertung ergab, dass die Behörden Gibraltars bei der Einführung geeigneter Maßnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen der Kommission Fortschritte erzielt haben. Es liegen Hinweise darauf vor, dass die Zahl der Beschlagnahmen von Zigaretten/Tabak an der Grenzübergangsstelle La Línea de la Concepción zurückgeht, was darauf hindeuten könnte, dass sich die eingeführten Maßnahmen bereits positiv auswirken. Die Kommission wird die Lage genau überwachen, bis alle von Spanien angekündigten, aber noch nicht umgesetzten Maßnahmen, insbesondere die Umbauarbeiten an der Grenzübergangsstelle La Línea de la Concepción, abgeschlossen sind. Die Kommission hat die Behörden Gibraltars und Spaniens aufgefordert, die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zu verstärken, und wird den Dialog zu diesen Fragen fortsetzen.

Die Kommission forderte die polnischen Behörden auf, die nötigen Maßnahmen zur Änderung des bilateralen Abkommens über gemeinsame Grenzübergangsstellen mit der Ukraine aus dem Jahr 2001 zu ergreifen, um die Vereinbarkeit mit den maßgeblichen Sicherheitsvorkehrungen zu gewährleisten, die in Bezug auf derartige Grenzübergangsstellen durch die Verordnung (EG) Nr. 610/2013 über den Schengener Grenzkodex eingeführt wurden.

Umsetzung der Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) in nationales Recht

Seit dem letzten Bericht verfolgt die Kommission weiter systematisch alle festgestellten Mängel und leitet erforderlichenfalls Untersuchungen ein. Sie konzentrierte sich dabei insbesondere auf die verbliebenen Mängel in verschiedenen Mitgliedstaaten und leitete bislang Verletzungsverfahren gegen vier Mitgliedstaaten ein, die mehrere Artikel der Rückführungsrichtlinie nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt haben.

Einer der wesentlichen Gründe für Verstöße ist die Inhaftnahme von Rückkehrern. Die Inhaftierungsbedingungen sowie der umfassende Gebrauch, der von der Möglichkeit der Inhaftnahme gemacht wird (einschließlich einer Inhaftierungsdauer von mehr als 18 Monaten), und das Fehlen einer angemessenen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Inhaftnahme gaben Anlass zu ernsthaften Bedenken. Zu den Gründen für die Einleitung von Verletzungsverfahren zählten neben dem Fehlen wirksamer Systeme zur Überwachung der erzwungenen Rückkehr, der Dauer und der territorial begrenzten Gültigkeit von Einreiseverboten auch die Definition des Begriffs Rückkehr. Auch Verfahrensfragen (z. B. die Übersetzung von Rückführungsentscheidungen) führten zur Einleitung von Verletzungsverfahren.

Durchführung der Verordnung über den kleinen Grenzverkehr (EG Nr. 1931/2006)

Die Kommission überwacht die Durchführung der Regelung für den kleinen Grenzverkehr seit deren Inkrafttreten im Jahr 2006. Im Zusammenhang mit den bilateralen Abkommen, die die Mitgliedstaaten mit den angrenzenden Drittländern geschlossen haben, konnte die Kommission die Untersuchung in Bezug auf Slowenien und Kroatien abschließen, während zwei Vertragsverletzungsfälle (Lettland und Polen) abgeschlossen werden, sobald die geänderten Abkommen der Kommission mitgeteilt werden. Ferner wurden auch Untersuchungen Rumäniens, der Slowakei und Kroatiens bezüglich der Vereinbarkeit von Grenzübertrittsgenehmigungen für den kleinen Grenzverkehr mit den technischen Spezifikationen und Sicherheitsmaßnahmen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 abgeschlossen. Der Informationsaustausch mit Polen zu diesem Thema wird fortgesetzt.

3.5.Im Rahmen des Schengen-Evaluierungsmechanismus ermittelte Schwachstellen

Im Anschluss an einen Zeitraum umfassender Vorbereitungen trat am 27. November 2014 der neue Schengen-Evaluierungsmechanismus 21 in Kraft. In den Monaten zuvor wurde ein besonderer Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung der Fortbildung für Evaluierungsexperten gelegt, u. a. durch die Einbindung von Grundrechtsfragen und mit der Erarbeitung eines neuen umfassenden Fortbildungspakets für Rückführungsexperten auf Grundlage eines gemeinsam beschlossenen Kernkonzepts. Die erste integrierte Fortbildung für Grenz- und Rückführungsexperten fand im März 2015 in Kroatien statt.

Die ersten Erfahrungen in Verbindung mit der Einführung der Evaluierungsbesichtigungen im Rahmen des neuen Mechanismus waren positiv. Die Vorbereitungsphase diente der Einrichtung neuer Prozesse und Instrumente zur Vorbereitung der Ortsbesichtigungen. Die kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen der Kommission und allen Mitgliedstaaten erwies sich als äußerst konstruktiv. Infolgedessen konnte dank aktiver Mitarbeit der Mitgliedstaaten bei der Benennung ihrer Experten eine ausgewogene Mischung der erforderlichen Kenntnisse in den Evaluierungsteams erreicht werden. Die Partnerschaft zwischen den führenden Experten der Kommission und aus den Mitgliedstaaten sowie die Arbeitsteilung zwischen diesen waren sehr gut und begünstigten eine reibungslose Zusammenarbeit der Evaluierungsteams.

Es ist zu bemerken, dass sich die Zusammenarbeit mit den evaluierten Mitgliedstaaten intensiv und konstruktiv gestaltete. Die Erfahrung zeigt, dass die Beteiligung von Frontex und anderen Beobachtern bei den Ortsbesichtigungen für den Evaluierungsprozess von zusätzlichem Nutzen ist.

Die ersten Evaluierungen fanden in Österreich (Februar-März 2015) und Belgien (April-Mai 2015) statt. Die Evaluierungsteams berücksichtigten die gesamte Palette von Schwierigkeiten, darunter die Umsetzung der Empfehlungen in Bezug auf das Vorgehen gegen ausländische terroristische Kämpfer. Zu den Neuerungen des neuen Evaluierungsmechanismus zählt die Tatsache, dass innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten alle Aspekte des Schengen-Besitzstands evaluiert werden (anstelle eines längeren Zeitraums wie bei der bisherigen Regelung). Auf diese Weise lässt sich in relativ kurzer Zeit ein vollständiges Bild von der Lage in einem Mitgliedstaat gewinnen. Abgesehen davon wurde das Thema Rückführungen als separater Punkt auf die Liste der evaluierten Politikbereiche aufgenommen, während sämtliche Außengrenzen eines evaluierten Mitgliedstaats Bestandteil eines einzelnen Berichts sein werden. Der neue Mechanismus sieht auch die Möglichkeit vor, unangekündigte Besichtigungen durchzuführen. Die erste Besichtigung dieser Art fand Anfang März in Schweden statt. Eine erneute Ortsbesichtigung in Polen zum Bereich SIS/SIRENE fand vom 25.-27. März 2015 statt (Einzelheiten siehe Abschnitt 4.1). Die Berichte über die vorstehend erwähnten Besichtigungen werden derzeit fertiggestellt.

Im Rahmen des neuen Schengen-Evaluierungsmechanismus ist die Kommission verpflichtet, jedes Jahr einen umfassenden Bericht über die vorgenommenen Evaluierungen für das Parlament und den Rat zu veröffentlichen. Um die vorstehend genannten Berichtsanforderungen zu erfüllen, wird daher beabsichtigt, in den künftigen Berichten den Schwerpunkt noch stärker auf das Ergebnis der Schengen-Evaluierungen zu legen, insbesondere unter Rückgriff auf einen der beiden Halbjahresberichte.

3.6.Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen

Der Rat sah sich bisher nicht in der Lage, über die Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen zu Bulgarien und Rumänien zu entscheiden. Die Kommission unterstützt weiterhin uneingeschränkt den Beitritt der beiden Staaten zum Schengen-Raum.

Im März 2015 hat Kroatien offiziell seine Bereitschaft für die Schengen-Evaluierung (ab 1. Juli 2015) erklärt, damit die Kontrollen an den Binnengrenzen aufgehoben werden können.

4.Flankierende Massnahmen

4.1.Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS)

Eine der wichtigsten Entwicklungen im Berichtszeitraum war, dass das Vereinigte Königreich vorläufig in das SIS integriert wurde 22 und am 13. April 2015 begann, Daten in das SIS einzugeben und die SIS-Daten zu nutzen. 23 Nach dem SIS/SIRENE-Evaluierungsbesuch, der im Juni stattfinden wird, wird der Rat – sofern die Ergebnisse der Evaluierung positiv ausfallen – in der Lage sein, die vorläufige Beteiligung des Vereinigten Königreichs in eine dauerhafte umzuwandeln.

Im Berichtszeitraum hat die Kommission mehrere Initiativen eingeleitet, um die Durchführung abzustimmen und die Nutzung des Schengener Informationssystems zu verstärken. Die Kommission hat das SIRENE-Handbuch am 29. Januar 2015 überarbeitet, und am 30. Januar 2015 trat es in Kraft. 24 Die vorgenommenen Änderungen und technischen Verbesserungen des SIS ermöglichen einen schnelleren und gezielteren Informationsaustausch über Terrorverdächtige zwischen den zuständigen Behörden der Schengen-Staaten. Des Weiteren verstärken sie die Bemühungen der Mitgliedstaaten, persönliche Ausweispapiere von Personen für ungültig zu erklären, die sich möglicherweise terroristischen Vereinigungen außerhalb der EU anschließen, und tragen erheblich zu wirksameren Grenzkontrollen bei, da im Falle von Überprüfungen von Reisepapieren an den Außengrenzen derartige Papiere zu beschlagnahmen sind.

Mit dem überarbeiteten SIRENE-Handbuch werden außerdem Rechtssicherheit und Grundrechte bekräftigt. Mit den Änderungen wurden einerseits Probleme beseitigt, die noch aus dem Vorgängersystem (SIS1+) stammten, andererseits stehen sie mit neuen Herausforderungen und Anforderungen in Zusammenhang, die im ersten Betriebsjahr des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) ermittelt wurden. Sie legen u. a. ausführliche Kriterien für die Löschung von Ausschreibungen fest und definieren einheitliche Regeln für das Konsultationsverfahren in Bezug auf Drittstaatsangehörige, die von einer Ausschreibung zwecks Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung im Schengen-Raum betroffen sind, aber gleichzeitig über eine Aufenthaltsgenehmigung verfügen.

Im Berichtszeitraum erließ die Kommission einen Beschluss 25 , mit dem einheitliche SIS-Prüfbedingungen für Mitgliedstaaten, die neu einbezogen werden, und Mitgliedstaaten, die ihre nationalen Anwendungen substanziell ändern, festgelegt wurden.

Während die Zahl der neuen Ausschreibungen zu Gegenständen und die Nutzung der Funktionalitäten in der großen Mehrheit der Mitgliedstaaten zugenommen haben, bestehen weiterhin erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern, und die Kommission überwacht die Situation nach wie vor sehr genau. Was die neuen Funktionalitäten angeht, sind einige Mitgliedstaaten immer noch nicht in der Lage, Fotografien, Fingerabdruckdaten oder Links aufzunehmen. Im Februar 2015 hat die Kommission eine Untersuchung in Bezug auf Estland eingeleitet und Informationen zum Zeitplan der vollständigen Einführung sowie zur Verwendung der neuen Gegenstandskategorien und Funktionalitäten des SIS angefordert. Die Kommission hat außerdem förmlich Einwand gegen die verzögerte Einführung der neuen Gegenstandskategorien und Funktionalitäten des SIS in der Schweiz eingelegt.

Die uneingeschränkte Verfügbarkeit des SIS an den Außengrenzen ist für die Sicherheit des Schengen-Raums von höchster Bedeutung. Die Untersuchung in Bezug auf Polen (siehe 6. Halbjahresbericht) in diesem Zusammenhang führte zu einer erneuten Ortsbesichtigung im Rahmen der SIS/SIRENE-Schengen-Evaluierung im März 2015. Das Ergebnis der Besichtigung wird derzeit ausgewertet und im nächsten Bericht erläutert. Im März hat die Kommission außerdem ein förmliches Prüfverfahren in Bezug auf Italien eingeleitet, das die Umsetzung von Artikel 24 des SIS-II-Beschlusses 26 zu Ausschreibungen zwecks Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung im Schengen-Raum und speziell zur Nutzung des SIS an den Außengrenzen sowie zur Datenqualität in Verbindung mit dieser Ausschreibungskategorie zum Gegenstand hat.

4.2.Nutzung des Visa-Informationssystems (VIS)

Entgegen der ursprünglich geplanten Einführung des VIS in Region 17 (Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und Ukraine) und Region 18 (Russland) im Berichtszeitraum wurde die weltweite Einführung des VIS vorübergehend gestoppt. Angesichts der erheblichen Auswirkungen der Visaerteilung in diesen Regionen auf die Gesamtkapazität des VIS (mehr als 55 %) war eine Voraussetzung für diese Einführung der erfolgreiche Abschluss der Kapazitätserweiterung des Systems für den Abgleich biometrischer Daten (Biometrics Matching System), das Maßnahmen wie Identifizierung und Authentifizierung auf der Grundlage von Fingerabdrücken unterstützt. Im Dezember 2014 teilte die eu-LISA mit, dass das VIS/BMS die Einführung des VIS für Region 17 und darüber hinaus unterstützen könne, da seine Gesamtkapazität bis Ende März 2015 um das 6,5-Fache gegenüber September 2014 gesteigert würde. Dennoch gab es politische, wirtschaftliche und technische Einwände mehrerer Mitgliedstaaten betreffend den Einführungszeitplan für die verbliebenen Regionen. Infolgedessen wurde für diese Regionen ein neuer Zeitrahmen vereinbart, auf den im nächsten Halbjahresbericht näher eingegangen wird.

Wie im 6. Halbjahresbericht erläutert, müssen seit 11. Oktober 2014 bei allen Visuminhabern, deren Daten (einschließlich gegebenenfalls Fingerabdruckdaten) im VIS gespeichert sind, zur Überprüfung an den Grenzübergangsstellen des Schengen-Raums Fingerabdruckdaten verwendet werden. Bisherige Statistiken deuten darauf hin, dass nur ein Teil der Visuminhaber, die bei der Beantragung des Visums Fingerabdrücke abgegeben haben, an den Grenzen auf der Grundlage der Fingerabdruckdaten überprüft werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es wichtig, dass die Mitgliedstaaten die Anforderungen für die Überprüfungen in Verbindung mit dem VIS (einschließlich Fingerabdruckdaten) an den Grenzen uneingeschränkt einhalten und die Reisenden angemessen über diese neue Anforderung an der Grenze informieren.

4.3.Visumpolitik und Rückübernahmeabkommen

Aussetzungsmechanismus und geänderter Gegenseitigkeitsmechanismus gemäß der Verordnung (EG) Nr. 539/2001

Bisher hat kein Mitgliedstaat darum ersucht, dass der neue Aussetzungsmechanismus, der im Januar 2014 in Kraft trat, angewandt wird. 27 Wie bereits im 6. Halbjahresbericht erläutert, hat die Kommission den Bericht zur Bewertung von Fällen fehlender Gegenseitigkeit im Verhältnis zu Drittländern im Bereich der Visumpolitik 28 angenommen. In Anbetracht des Umstands, dass das gemeinsame Ziel eines auf Gegenseitigkeit beruhenden visumfreien Reiseverkehrs vonseiten der betreffenden Drittländer bestätigt worden ist, des positiven Engagements im Rahmen des trilateralen Konzepts 29 und der Tatsache, dass keiner der betroffenen Mitgliedstaaten bei der Kommission eine Aussetzung der Visumbefreiung für bestimmte Kategorien von Staatsangehörigen der betreffenden Drittländer beantragt hat, ist die Kommission der Auffassung, dass eine Aussetzung der Visumbefreiung zum jetzigen Zeitpunkt unangemessen wäre. Die zweite Runde der trilateralen Treffen mit Australien, Japan, den USA und Kanada fand im Januar/Februar 2015 statt.

Kontrollmechanismus für die Zeit nach der Visaliberalisierung für die westlichen Balkanstaaten

Die Zahl der Asylbewerber aus den fünf von der Visumpflicht befreiten westlichen Balkanstaaten im Schengen-Raum und in den Staaten, die Schengen-Mitglieder werden wollen, ist seit der Visaliberalisierung im Jahr 2009 stetig gestiegen. Im Jahr 2014 lag ihre Zahl 34 % über dem Wert des Jahres 2013 (zum Vergleich: Die Gesamtzahl der Asylbewerber im Schengen-Raum und in den Staaten, die Schengen-Mitglieder werden wollen, ist im letzten Jahr um 45 % gestiegen 30 ). Entsprechend wirkte sich die Situation nach wie vor auf das Funktionieren der Visumfreiheit aus. Deutschland ist mit einem Anteil der aufgenommenen Asylbewerber aus den westlichen Balkanstaaten von fast 78 % auch weiterhin der am stärksten betroffene Mitgliedstaat: Danach folgten Frankreich, Schweden und Belgien. Serbische Staatsbürger stellten weiterhin die größte Gruppe von Asylbewerbern aus den westlichen Balkanstaaten dar (45 % im Jahr 2014), gefolgt von der Gruppe der albanischen Staatsbürger (22 %). Die Asylbewerber aus den fünf westlichen Balkanstaaten machten im Jahr 2014 einen Anteil von 11 % aller Asylbewerber im Schengen-Raum und in den Staaten, die Schengen-Mitglieder werden wollen, aus; dieser Anteil ist vergleichbar mit dem im Jahr 2013 (12 %).

Am 25. Februar 2015 legte die Kommission den Fünften Bericht über die Überwachung für die Zeit nach der Visaliberalisierung für die westlichen Balkanstaaten 31   vor, in dem sie die umgesetzten Maßnahmen bewertet, die Funktionsfähigkeit überprüft und Empfehlungen in Bezug auf die Aufrechterhaltung der Regelung für visumfreies Reisen ausspricht, u. a. Maßnahmen, die von den einzelnen von der Visumpflicht befreiten westlichen Balkanstaaten sowie den EU-Mitgliedstaaten zu ergreifen sind.

Rückübernahme- und Visaerleichterungsabkommen und Visaliberalisierung

Im Anschluss an die Erklärung der Staats- und Regierungschefs zur Ukraine vom 6. März 2014 32 wurden die bilateralen Gespräche mit der Russischen Föderation über Visaangelegenheiten weiter ausgesetzt.

Im Berichtszeitraum wurde die am 28. April 2014 eingeführte Visumfreiheit für Staatsbürger der Republik Moldau, die einen biometrischen Pass besitzen, zufriedenstellend umgesetzt. Was die Rückübernahme- und Visaerleichterungsverhandlungen mit Belarus anbelangt, so fand die dritte Verhandlungsrunde am 11. und 12. März in Minsk statt. Die Chefunterhändler einigten sich auf ein „Gesamtpaket“, das beide Abkommen abdeckt, von den Mitgliedstaaten aber noch bestätigt werden muss. Anfang 2015 hat der Rat die Verhandlungsrichtlinien für das Visaerleichterungsabkommen mit Belarus geändert. Diese beinhalten nun die Möglichkeit, Inhaber von Diplomatenpässen von der Visumpflicht zu befreien. Diese Bestimmung geht mit einer Reihe von Schutzmaßnahmen einher, darunter auch einem breiteren Spektrum an Möglichkeiten zur Aussetzung einer solchen Befreiung von der Visumpflicht.

Das Rückübernahme- und das Visaerleichterungsabkommen mit Kap Verde traten am 1. Dezember 2014 in Kraft. Am 15. Dezember 2014 genehmigte der Rat die Verhandlungsrichtlinien für das Rückübernahme- und das Visaerleichterungsabkommen mit Tunesien. Das erste Verhandlungstreffen für ein Visaerleichterungsabkommen mit Marokko und die Wiederaufnahme der Verhandlungen über das Rückübernahmeabkommen fand am 19. und 20. Januar statt.

Am 30. Oktober 2014 legte die Kommission Berichte über die Erfüllung der einschlägigen Kriterien durch Peru und Kolumbien im Hinblick auf die Befreiung von der Visumpflicht für den Schengen-Raum vor. 33 Insgesamt fielen die Bewertungen für beide Länder positiv aus, sodass die Kommission dem Rat am 11. März 2015 empfahl, mit beiden Ländern Verhandlungen über eine Befreiung von der Visumpflicht aufzunehmen. Nach Erhalt der Verhandlungsrichtlinien vom Rat nahm die Kommission im November 2014 Verhandlungen über die Befreiung von der Visumpflicht mit 16 kleinen karibischen und pazifischen Inselstaaten sowie mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (AE) auf. Am 5. März 2015 legte die Kommission dem Rat Beschlussentwürfe betreffend die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung sowie den Abschluss von Abkommen über die Befreiung von der Visumpflicht mit einer ersten Gruppe von Ländern (AE, Timor-Leste, Vanuatu, Samoa, Trinidad und Tobago, St. Vincent und die Grenadinen, St. Lucia, Grenada und Dominica) vor.

Die Mobilitätspartnerschaft zwischen der EU und Jordanien wurde am 9. Oktober geschlossen, und der Anhang zur gemeinsamen Erklärung über eine Mobilitätspartnerschaft wurde am 8. Dezember 2014 angenommen. Damit war der Weg frei für die zeitgleichen Verhandlungen über ein Visaerleichterungsabkommen und ein Rückübernahmeabkommen. Am 17./18. Februar 2015 fand eine Sondierungsmission in Amman statt, um diese Verhandlungen vorzubereiten. Die Ergebnisse dieser Mission sollen zur Erstellung der Verhandlungsrichtlinien genutzt werden, die die Kommission dem Rat in der zweiten Jahreshälfte 2015 mit dem Ziel vorzulegen gedenkt, Verhandlungen mit Jordanien aufzunehmen.

(1)  KOM(2011) 561 endgültig.
(2)  Sofern nichts anderes angegeben ist, stammen die Daten in Abschnitt 2 vom Informationsaustauschsystem des Frontex-Netzwerks für Risikoanalyse (FRAN) und beziehen sich auf den Schengen-Raum sowie auf Staaten, die Schengen-Mitglieder werden wollen. Die Daten betreffen nur die Drittstaatsangehörigen, die bei der illegalen Einreise oder dem Versuch der illegalen Einreise zwischen den Grenzübergangsstellen an den Außengrenzen (ausgenommen an zeitweiligen Außengrenzen) registriert wurden. Die Zahlen für Kroatien sind ab dem Tag des EU-Beitritts eingerechnet.
(3)  Im Gegensatz zum letzten Halbjahresbericht wurde die Route über Apulien und Kalabrien in die zentrale Mittelmeerroute einbezogen.
(4)  Diese Bezeichnung berührt nicht die Standpunkte zum Status und steht im Einklang mit der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovos.
(5)  In den drei genannten Fällen verließ die Crew das Schiff während des letzten Teils der Reise.
(6)  Stand der Daten: 18.5.2015.
(7)  Die fünf häufigsten Staatsangehörigkeiten waren im Jahr 2015 folgende: Eritrea, Somalia, Nigeria, Gambia und Senegal (Syrien lag an sechster Stelle).
(8)  In der Nacht vom 18. auf den 19. April 2015 kenterte ein Schiff mit irregulären Migranten an Bord. Den zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Berichts zur Verfügung stehenden Daten zufolge wurden nur 28 Migranten gerettet und 24 Leichen geborgen (laut den Angaben von einigen der geretteten Migranten hatten sich rund 700 Migranten an Bord des gekenterten Schiffs befunden).
(9)  http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-4813_de.htm
(10)  http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2015/04/23-special-euco-statement/
(11)

     Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31).

(12)  Im Oktober nahm die Kommission eine Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen zur Bewertung des Stands der Umsetzung des Plans (SWD(2014) 316 final) an.
(13)  Eurostat-Daten.
(14)  COM(2015) 185 final.
(15) http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2015/02/150212-european-council-statement-fight-against-terrorism/
(16)  Ratsdokument Nr. 16825/10 vom 23.11.2010.
(17)  „Overstayer“ sind Drittstaatsangehörige, die die Bedingungen für den Kurzaufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht oder nicht mehr erfüllen.
(18)  Personen, die unter Annahme eines falschen Namens und einer falschen Identität ein Reisedokument beantragen und erhalten, oder Personen, die ihr Aussehen verändern, um sich als eine andere Person auszugeben mit dem Ziel, das Reisedokument der betreffenden Person zu benutzen.
(19)  Verordnung (EG) Nr. 562/2006 (ABl. L 105 vom 13.4.2006, S. 1).
(20) Verordnung (EU) Nr. 377/2014 (ABl. L 122 vom 24.4.2014, S. 44).
(21)  Verordnung (EU) Nr. 1053/2013 (ABl. L 295 vom 6.11.2013, S. 27).
(22)  Ausgenommen sind die Ausschreibungen zur Einreiseverweigerung, die Teil des Schengen-Besitzstands sind, an dem sich das Vereinigte Königreich nicht beteiligt.
(23)  Durchführungsbeschluss (EU) 2015/215 des Rates (ABl. L 36 vom 12.2.2015, S. 8).
(24)  Durchführungsbeschluss (EU) 2015/219 der Kommission (bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2015) 326; ABl. L 44 vom 18.2.2015, S. 75).
(25)  Durchführungsbeschluss (EU) 2015/450 der Kommission (bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2015) 1612) (ABl. L 74 vom 18.3.2015, S. 31).
(26)  Beschluss 2007/533/JI des Rates (ABl. L 205 vom 7.8.2007, S. 63).
(27)  Verordnung (EU) Nr. 1289/2013 (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 74).
(28)  C(2014) 7218 final vom 10.10.2014.
(29) Wie in Abschnitt 4.3 des 6. Halbjahresberichts erläutert.
(30)  Eurostat-Daten (Datenauszug vom 13.4.2015).
(31)  COM(2015) 58 final.
(32)  https://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/ec/141372.pdf
(33)  COM(2014) 663 final für Peru und COM(2014) 665 final für Kolumbien.
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