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Document 52012AE0823

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Wachstum und Beschäftigung unterstützen — eine Agenda für die Modernisierung von Europas Hochschulsystemen“ COM(2011) 567 final

ABl. C 181 vom 21.6.2012, p. 143–149 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

21.6.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 181/143


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Wachstum und Beschäftigung unterstützen — eine Agenda für die Modernisierung von Europas Hochschulsystemen“

COM(2011) 567 final

2012/C 181/25

Berichterstatter: Joost VAN IERSEL

Mitberichterstatter: Juraj STERN

Die Europäische Kommission beschloss am 20. September 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Wachstum und Beschäftigung unterstützen – eine Agenda für die Modernisierung von Europas Hochschulsystemen

COM(2011) 567 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 29. Februar 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 479. Plenartagung am 28./29. März 2012 (Sitzung vom 28. März) mit 100 gegen 1 Stimme bei 8 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

1.1   Eine gut konzipierte Hochschulbildung ist entscheidend für die wirtschaftliche und geistige Zukunft Europas, da sie die Sozial- und Wirtschaftsleistung grundlegend stärkt, zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der kommenden Generation(en) beiträgt und die künftigen Werte der europäischen Gesellschaft grundlegend beeinflusst.

1.2   Der EWSA zeigt sich weitestgehend einverstanden mit der Einschätzung der Kommission sowie mit den in den kommenden Jahren umzusetzenden Empfehlungen der Kommission und des Rates (1), die zu einem großen Teil an die EWSA-Stellungnahme „Universitäten für Europa“ aus dem Jahr 2009 anknüpfen (2). Der EWSA betont, dass die Agenda der EU vervollständigt werden muss, und er erwartet mehr Ehrgeiz vonseiten des Rates.

1.3   Obwohl die Sensibilisierung weiter fortschreitet und die Standpunkte sich zusehends annähern, bleibt noch viel zu tun. Auf dem Papier erzielte Verbesserungen werden häufig nur zögerlich umgesetzt. Persönliche Interessen, (latenter) Protektionismus sowie die große Vielfalt und Zersplitterung, die die Hochschullandschaft trotz des Bologna-Prozesses nach wie vor kennzeichnen, stehen einer raschen Anpassung im Wege. Diese Frage reicht weit über den technischen Aspekt hinaus, umfasst diese Anpassung doch häufig die Überholung der bestehenden Strukturen sowie die Neubestimmung der Zuständigkeiten, Methoden, Programme und Schwerpunkte. Bei der Modernisierung muss auf diese Punkte fortwährend sowie genauer und eingehender als bisher geachtet werden.

1.4   Selbstverständlich ist eine fruchtbringende Hochschulvielfalt wünschenswert, mit klassischen Universitäten, die Lehre und Forschung vereinen, und anderen Hochschulformen wie höheren Berufsbildungseinrichtungen, vornehmlich regional – auch grenzübergreifend – ausgerichteten Lehrstätten und Einrichtungen, die nur eine begrenzte Fächerzahl anbieten. Allgemein notwendig sind eine intelligente Spezialisierung und unterschiedliche Profile. Der EWSA weist nachdrücklich darauf hin, dass es wirksame Synergieeffekte zwischen den verschiedenen Formen und auf allen Bildungsebenen flexible Bildungswege geben muss.

1.5   Die Europa-2020-Strategie muss sowohl inhaltlich als auch formal vollständig zum Tragen kommen. Die Kommission, der Rat, die Mitgliedstaaten und die Hochschulen sollten Zuständigkeiten gemeinsam wahrnehmen und wirksam miteinander abstimmen. Es bestehen Verknüpfungen zwischen der Hochschulbildung und den Europa-2020-Leitinitiativen (z.B. Innovationsunion, Industriepolitik, Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten und Jugend in Bewegung). Hochschulsysteme und -strategien sollten in den länderspezifischen Empfehlungen im Europäischen Semester berücksichtigt werden.

1.6   Autonomie (3), Rechenschaftspflicht und Transparenz der Einrichtungen sind Grundvoraussetzungen dafür, dass sie ihren Auftrag erfüllen und ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis bieten können. Sie sind zudem entscheidend, soll die Hochschulbildung einen zentralen Platz bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Vermittelbarkeit der Arbeitnehmer und der Innovation einnehmen. Durch die (nationalen) Agenden sollten eine professionellere Verwaltung, moderne Lehrpläne, Qualitätssicherung in Lehre und Forschung, Spezialisierung sowie internationale Attraktivität gewährleistet werden. Besonderer Beachtung bedarf der Unternehmergeist an Hochschulen.

1.7   Finanzmittel sind lebenswichtig. Unterfinanzierte Hochschulen und Haushaltszwänge, durch die die öffentlichen Finanzen noch stärker unter Druck geraten, sind beunruhigend und sowohl der Europa-2020-Strategie als auch der Stellung Europas in der Welt abträglich. Es sollte sichergestellt werden, dass die Hochschulen genügend Mittel erhalten, ganz gleich aus welchen Quellen. Diesbezüglich sollten bewährte Vorgehensweisen ausgetauscht werden.

1.8   Nach wie vor nehmen die Studierendenzahlen rasch zu. In allen Bereichen und auf allen Ebenen müssen Frauen und Männer gleichgestellt sein. Angesichts der wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Dynamik sind sowohl ungehinderter Zugang als auch zufriedenstellende Qualität erforderlich. Werden Studiengebühren auf nationaler Ebene eingeführt (oder angehoben), sollten flankierende Stipendien- und Darlehenprogramme durchgeführt und der Zugang zu diesen garantiert werden.

1.9   In technischen Fächern werden mehr Studierende sowie in Lehre und Forschung Beschäftigte benötigt; die technische Ausbildung muss attraktiver gemacht werden. Sozialpartner und Arbeitsmarktexperten müssen gut strukturierte Beiträge leisten. Unternehmen jeder Größe sollten in der Lage sein, wesentlich zu Lehrplänen und Bildungsveranstaltungen und zur Förderung des Unternehmergeistes beizutragen.

1.10   Universitäten und Unternehmen sollten unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit und ihrer Zuständigkeiten gemeinsame strategische Innovationspläne entwickeln. In der Regel befördert das Zusammenspiel von Hochschulen und Unternehmen die Forschung, den Wissenstransfer, den Erwerb von in anderen Bereichen einsetzbaren Qualifikationen sowie die Entwicklung von Ideen erheblich. Diesbezüglich sollten bewährte Vorgehensweisen ausgetauscht werden.

1.11   Es darf nicht unterschätzt werden, wie wichtig ein Rangfolge- und Qualitätsbewertungssystem im Interesse des Kosten-Nutzen-Verhältnisses und der internationalen Mobilität im Hochschulbereich ist. Der EWSA begrüßt die Einführung eines sorgfältig durchdachten „U-Multirank“-Rangfolgesystems. Zudem müssen Fortschritte bei der Erfassung der sonstigen Voraussetzungen für die Mobilität von Studierenden und Forschenden sowie bei der Internationalisierung erzielt werden.

1.12   Durch aufeinander abgestimmte Hochschulbildungssysteme werden die Voraussetzungen für die grenzüberschreitende Mobilität Studierender und Forschender verbessert, was sowohl für die Leistungen der Einzelnen als auch für den europäischen Arbeitsmarkt und die europäische Integration vorteilhaft ist. Es sollte ein „Mobilitätssemester“ als Pilotprojekt im Rahmen des Erasmus-Programms stattfinden.

1.13   Der EWSA unterstützt die Verknüpfung der Modernisierungsagenda mit Horizont 2020, „Erasmus für alle“ und den Strukturfonds nachdrücklich.

2.   Einleitung

2.1   Bildung auf allen Ebenen ist von größter Bedeutung. Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips hat sich die Hochschulbildung in Europa auf nationaler Ebene entwickelt. Im Vertrag von Lissabon wird nur die berufliche Aus- und Weiterbildung als Bereich genannt, in dem die EU Fördermaßnahmen ergreift (4).

2.2   Die bahnbrechende Konferenz von Bologna im Jahr 1999 bewirkte die Einführung eines europaweiten Systems von Bachelor-, Master- und Doktorgraden. Die Vereinbarung von Bologna hat zur Vereinheitlichung der Hochschulsysteme in Europa beigetragen.

2.3   Unterdessen schuf die EU erfolgreiche internationale Programme für Studierende und Forschende, wie etwa Erasmus, Erasmus Mundus und die Marie-Curie-Maßnahmen, und förderte mit aufeinanderfolgenden Rahmenprogrammen systematisch grenzübergreifende Forschungsprojekte.

2.4   Innerhalb der Universitäten und zwischen ihnen dauert der Reformprozess an, und es gibt von unten nach oben gerichtete Initiativen, wie etwa Zusammenschlüsse gleichgesinnter Universitäten. Dazu zählen die Liga europäischer Forschungsuniversitäten, die Coimbra-Gruppe und weitere, die die Spezialisierung in verschiedenen Bereichen fördern, beispielsweise in der Forschung oder den Sozialwissenschaften.

2.5   Der EWSA schloss 2009: „Im derzeitigen nicht optimalen Hochschulwesen wird das große Potenzial der Hochschulen nicht genügend ausgeschöpft“ (5). Diese Ansicht vertritt auch die Kommission in ihrer Modernisierungsagenda (6). Nach Meinung des Rates ist die Qualität der Ausbildung und der Forschung die Haupttriebfeder der Modernisierung, und „die Stärkung des Wissensdreiecks zwischen Bildung, Forschung und Innovation ist eine Prämisse für [die] Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum“ (7).

2.6   Die Hochschulbildung muss in einer überaus vielfältigen Landschaft und in sehr unterschiedlichen nationalen und regionalen sozioökonomischen Zusammenhängen auf den neuesten Stand gebracht werden. Klassische Universitäten und andere Bildungseinrichtungen haben einen besonderen Auftrag. Die klassische Universität verbindet per Definition die Aus- und Weiterbildung mit der Forschung.

2.7   Mit Blick auf eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Erholung sind entschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Hochschulbildung unabdingbar.

2.8   In dem Arbeitspapier zu der Mitteilung (8) finden sich nicht nur viele Analysen wünschenswerter Reformen, sondern auch eine Zusammenfassung der Modernisierungsanstrengungen in den Mitgliedstaaten. Es müssen jedoch noch erhebliche Ungleichheiten in wesentlichen Gebieten beseitigt werden, und zwar Unterschiede

im Bereich der volkswirtschaftlichen Produktivität in den einzelnen Staaten (Anteil an Hochschulabschlüssen und Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung),

bei den Qualifikationen (mit Blick auf die Vermittelbarkeit),

hinsichtlich des vereinbarten Anteils von 40 % Hochschulabsolventen, auch wenn die Zahl der Hochschulstudierenden in ganz Europa derzeit erheblich zunimmt,

bei der Höhe der Investitionen in die Hochschulbildung, der Art der Finanzierung, der Entwicklung öffentlich und privat finanzierter Hochschulbildung,

in puncto finanzieller und institutioneller Autonomie und Rechenschaftspflicht, die trotz der „weit verbreiteten und tiefgreifenden Reform der Hochschulpolitik“ weiterhin bestehen.

2.9   In ihrer Gesamtanalyse weist die Kommission auch auf Veränderungen hin, insbesondere die Entwicklung des Wissensdreiecks in ganz Europa, die Intensivierung der Beziehungen zwischen Universitäten und Wirtschaftskreisen, die Fokussierung auf höchst wissensintensive Tätigkeitsbereiche, wie etwa Forschung und Entwicklung, Vermarktung und Verkauf, Wertschöpfungskettenmanagement und Finanzdienstleistungen, Dienstleistungen im Allgemeinen, IKT, unterrepräsentierte Gesellschaftsgruppen, das sich verschiebende Geschlechtergleichgewicht (Frauen stellen EU-weit mehr als die Hälfte der Bachelor- und Masterstudierenden, während bei den Doktoranden eine Tendenz in die Gegenrichtung besteht) und die beeindruckende grenzüberschreitende Lernmobilität in Europa und weltweit.

2.10   Der EWSA spricht sich dafür aus, die bestehenden Länderberichte, -analysen und –empfehlungen entsprechend der in den Fortschrittsberichten zum Bologna-Prozess angewandten länderspezifischen Systematik und den detaillierten OECD-Studien zu Hochschulbildung und Qualitätsmanagement zu vertiefen. Aus länderspezifischen Ansätzen lassen sich bewährte Verfahren gewinnen.

2.11   Der EWSA stellt fest, dass in der vorwiegend allgemein gehaltenen Analyse bestimmte wichtige Themen nicht angeschnitten werden. Hier sind zu nennen: Eingriffe staatlicher und regionaler Politik in die Hochschulbildung, die Art, in der sich die notwendige Förderung von Teilhabe und Qualität in den Mitgliedstaaten äußert, das Vorgehen der Behörden hinsichtlich der besonderen Anforderungen an Professoren, Lehrende, Forschende und Studierende, das Verhältnis zwischen den unterschiedlichen Ebenen der Hochschulbildung in den Mitgliedstaaten, die Entwicklung eines gemeinsamen Nenners für Lehre und Forschung an Universitäten und nicht zuletzt verlässliche statistische Belege.

2.12   Kommission und Rat legen großen Nachdruck auf das Verhältnis zwischen Hochschulen und Wirtschaft. Auf Gesundheits-, Sozial- und Geisteswissenschaften gehen sie nicht gesondert ein. Dies ist angesichts der insbesondere in Krisenzeiten erforderlichen Schwerpunktsetzung verständlich. Andererseits wäre es, da bei jeder Ausbildung ein optimales Verhältnis zwischen Ausbildung und Arbeit angestrebt wird, höchst wünschenswert, auch zu erörtern, wie Fakultäten oder Hochschulen, die keine engen Beziehungen zur Wirtschaft unterhalten, so wichtig diese auch sein mögen, mit der Modernisierung umgehen sollten.

2.13   Eine Zusammenarbeit zwischen der Industrie und den Gesundheitswissenschaften ist geboten, da neue kostengünstige Diagnose- und Therapiemethoden teure, kapitalintensive praktische Schulungen, hochwertige Ausbildungen und lebenslanges Lernen erforderlich machen. Dies wird geringere Sterblichkeits- und Invaliditätsquoten befördern.

3.   Europa 2020 und die Hochschulen

3.1   Im Jahr 2009 bezeichnete der EWSA die Lissabon-Strategie und die europäischen Hochschulen als die Haupttriebfedern für die Modernisierung. In ähnlicher Weise und zu Recht setzt die Kommission die Hochschulen in Beziehung zu den Zielen der Europa-2020-Strategie.

3.2   Eine der wesentlichen Neuerungen der Europa-2020-Strategie betrifft die Steuerung (Governance): Die Abstimmung innerhalb der Kommission und zwischen den Mitgliedstaaten und der EU soll auch in nicht oder nur teilweise vom Vertrag abgedeckten Bereichen verbessert werden.

3.3   Von großer Bedeutung für die Hochschulbildung sind die Leitinitiativen, vor allem Industriepolitik, Innovationsunion, Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie Jugend in Bewegung.

3.4   Zur Unterstützung der nötigen Hochschulreformen sollte die Kommission ihre Überwachungsaktivitäten verstärken, dazu zählen länderspezifische Empfehlungen im Europäischen Semester.

3.5   Die Agenda für die Modernisierung der Hochschulen muss vollständig von der Europa-2020-Strategie abgedeckt werden. Der EWSA befürwortet die zentrale Stellung der Bildung in der Europa-2020-Strategie und den Bezug auf Europa 2020 in der strategischen Planung der Kommission.

3.6   Nach Ansicht des EWSA sind folgende Punkte zentral für die Verknüpfung zwischen Europa 2020 und der Hochschulbildung:

Europa 2020 verbindet Hochschulbildung mit Innovation, Industriepolitik und Mobilität.

Es schafft eine zusätzliche Grundlage für Meinungsaustausch und Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten, zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten sowie zwischen den Bildungseinrichtungen.

Es setzt neue Modernisierungsimpulse auf nationaler Ebene.

Die Entwicklungen im Hochschulbereich müssen jährlich in den länderspezifischen Empfehlungen im Europäischen Semester berücksichtigt werden.

Durch Europa 2020 entstehen neue Kooperationsforen, und fruchttragende grenzübergreifende Netze werden gestärkt.

Aufgrund der Verknüpfung mit Industriepolitik und Innovation werden eingehendere Konsultationen mit dem privaten Sektor notwendig. Konsultationen mit kleinen, mittleren und Kleinstunternehmen bleiben unterbewertet. Der EWSA betont, dass die Hochschulen, die Mitgliedstaaten und die Kommission sich tatsächlich für die Nutzung der praktischen Erfahrung dieser Unternehmen bei der Gestaltung von Programmen und Lehrplänen einsetzen müssen.

3.7   Die Kommission unterscheidet zentrale Themen, in denen die Mitgliedstaaten (und die Hochschulen) tätig werden sollen, und spezielle EU-Themen. Der EWSA hingegen zieht es vor, von einer gemeinsamen Verantwortung der Mitgliedstaaten und der Kommission für die Europa-2020-Strategie zu sprechen.

4.   Aufgaben für die Mitgliedstaaten, den Rat und die Hochschulen

4.1   Die Ermittlung der zentralen Themen in den Mitgliedstaaten sollte zu gezielten Maßnahmen führen. Hier ist mehr Elan geboten. Der Rat sollte auf der Grundlage der Kommissionsvorschläge Schwerpunkte setzen, deren Umsetzung auf nationaler Ebene anschließend von der Kommission überwacht wird.

4.2   Besonderes Augenmerk sollte auf „flexiblere Steuerungs- und Finanzierungssysteme mit einem ausgewogeneren Verhältnis zwischen größerer Autonomie für die Bildungseinrichtungen und der Rechenschaftspflicht gegenüber allen Interessenträgern“ gelegt werden, die Spezialisierung, Lehr- und Forschungsleistungen sowie Diversifizierung fördern (9).

4.3   Wie der EWSA 2009 ausführte, sind ein angemessener Rahmen und Autonomie von herausragender Bedeutung (10). Zwar tragen die Mitgliedstaaten die zentrale Verantwortung für die Organisierung und damit auch für Autonomie und Finanzierung, doch ist der EWSA der Auffassung, dass diese Aspekte unbedingt unter den Mitgliedstaaten und im Rat diskutiert werden müssen, haben sie doch maßgeblichen Einfluss auf die Ergebnisse für Lehrende und Studierende.

4.4   Der EWSA erklärt sich mit den im Kasten unter Punkt 2.5 der Modernisierungsagenda aufgeführten zentralen strategischen Aspekten für Mitgliedstaaten und Hochschulen einverstanden. Die dort vorgegebenen Ziele erfordern weit mehr als nur technische Anpassungen. Sie beziehen sich in starkem Maße auf nationale politische Rahmenbedingungen. Zunächst sollten die Staaten in die Pflicht genommen werden, nicht die Hochschulen. Politische Wirkungsbeständigkeit sowie mit allen Interessengruppen abzustimmende Rechts- und Verwaltungsvorschriften sind von grundlegender Bedeutung.

4.5   Staaten und Institutionen sollten auch dazu angeregt werden, die Vorzüge größerer Autonomie im internationalen Maßstab zu vergleichen.

4.6   Im Gegensatz zu den bisherigen Gepflogenheiten, etwa der erfolgreichen „Vermassung“ der Hochschulbildung (11), muss das Hauptaugenmerk im Einklang mit der aktuellen Hochschuldebatte fürderhin auf die intelligente Spezialisierung, strategische Vielfalt und den Aufbau von Spitzenforschungszentren gerichtet werden. Wegweisend können hier Erfolgsbeispiele aus den Mitgliedstaaten sein.

4.7   Der EWSA räumt ein, dass diese Zielvorgaben weitreichende Änderungen der Bildungsphilosophien in den Mitgliedstaaten nach sich ziehen könnten. Dies ist im Rat zu erörtern, mitsamt Fahr- und Terminplänen.

4.8   In der aktuellen Wirtschaftskrise besteht augenscheinlich ein Zusammenhang zwischen der Modernisierung der Bildung und der Wirtschaft. Doch sollte der Prozess breiter angelegt sein. Der EWSA weist darauf hin, dass auch die für Geistesleben, Werte und Identität Europas wichtigen Sozial- und Geisteswissenschaften in Bezug auf Professionalisierung, Lehrpläne, akademische Grade und Mobilität auf den neuesten Stand gebracht werden müssen. Überdies profitiert auch die Wirtschaft von funktionstüchtigen Gesundheits-, Sozial- und Geisteswissenschaften.

4.9   Der EWSA unterstützt intensivere Beziehungen zwischen Hochschulen und Unternehmen. Er teilt die Auffassung, dass enge, wirksame Verknüpfungen zwischen Bildung, Forschung und Wirtschaft in Kombination mit der Hinwendung zu „offenen Innovationen“ für das Wissensdreieck von zentraler Bedeutung sind.

4.10   Dementsprechend begrüßt der EWSA Partnerschaften von Einrichtungen, die direkte oder indirekte Beziehungen zur Wirtschaft haben, mit verschiedenen Arten von Unternehmen als „Kernaufgabe von Hochschulen“ (12). Ein Schwerpunkt sollte auf Unternehmergeist, Kreativität und Innovativität der Studierenden sowie auf interaktive Lernumgebungen und Infrastrukturen für den Wissenstransfer gelegt werden. Zudem ist es nötig, dem Unternehmergeist an Hochschulen aufgeschlossen gegenüberzustehen.

4.11   Studierenden muss der unkomplizierte Wechsel von einer Bildungseinrichtungsart zu einer anderen möglich gemacht werden. Dazu zählen auch flexible Wege von der postsekundären beruflichen Aus- und Weiterbildung hin zur Hochschulbildung zur Verbesserung ihrer Qualifikationen (13). Unter solchen Bedingungen wird lebenslanges Lernen wesentlich erleichtert.

4.12   Besondere Aufmerksamkeit gebührt der Regionalentwicklung. In vielen Regionen, insbesondere in städtischen Ballungsräumen, ist die Verflechtung von Hochschulbildung, Arbeitsmarkt, Forschung, Innovation und Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Hier schreitet die Entwicklung transnationaler und sogar globaler Spezialisierungen immer weiter voran. Die systematische Einbindung der Hochschulen ist gemeinhin förderlich für die lokale und regionale Entwicklung und stärkt die wirtschaftliche Widerstandskraft. Staatliche Behörden müssen dazu bewegt werden, Anreize für derlei regionale Prozesse zu setzen (14).

4.13   Der EWSA betont die Bedeutung der grenzübergreifenden regionalen Zusammenarbeit in der Hochschulbildung. Über EVTZ können Nachbarregionen sowie Regionen mit vergleichbaren Wirtschaftsmustern unterstützt werden (15).

4.14   Ein grundlegendes Thema ist die Finanzierung. Die Krise wirkt sich auch auf die öffentliche Finanzierung der Hochschulen aus, die im Mittel strukturell unterfinanziert zu bleiben drohen. Insgesamt werden in der EU 1,2 % des BIP für die Hochschulbildung ausgegeben, während es in den USA 2,9 und in Japan 1,5 % des BIP sind. Zudem fließen private Mittel im Vergleich mit den USA und Japan nur spärlich. Demgegenüber sind in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) wesentliche Fortschritte festzustellen. Der EWSA stellt fest, dass das einstige Ziel der EU, 2 % des BIP für die Hochschulen aufzuwenden, nicht in die Europa-2020-Strategie aufgenommen wurde.

4.15   Die benötigten Finanzmittel und Zielvorgaben wie hochwertige Studienabschlüsse, Professionalisierung der Verwaltung und ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis sollten zur Unterstützung der Europa-2020-Strategie beitragen.

4.16   Es bestehen mannigfaltige Finanzierungsarten in den Mitgliedstaaten. Dabei sind einige Länder wesentlich besser gestellt als andere. Angesichts der Wechselwirkung zwischen dem „Produktionsergebnis“ der Hochschulen und dem Arbeitsmarkt muss unbedingt eine angemessene Finanzierung sichergestellt werden. Dazu müssen mehr Finanzquellen erschlossen und etwa öffentliche Mittel zur Mobilisierung privater und anderer öffentlicher Investitionen (Ergänzungsfinanzierung) genutzt werden.

4.17   Eine strukturell gute Beziehung zwischen qualifizierten Bildungseinrichtungen und der Wirtschaft ist sicherlich hilfreich, um eine Abwärtsbewegung abzufedern. Die Hochschulen sollten von Unternehmensinnovationen profitieren. Finanzierung durch Unternehmen oder private Geldgeber sollte sich jedoch keinesfalls in ungerechtfertigter Einflussnahme auf Lehrpläne oder Grundlagenforschung niederschlagen.

4.18   Universitäten und Unternehmen sollten ihre Unabhängigkeit und Zuständigkeiten wahren, aber zugleich gemeinsame strategische Innovationspläne entwickeln. Durch Wissensallianzen können Kontakte zwischen Hochschulen und Wirtschaft intensiviert werden. Überaus hilfreich kann hier die von der EU geplante Europäische Innovationsplattform sein, die auch Schlüsseltechnologien umfasst.

4.19   In der Regel befördern das Zusammenspiel und der Austausch von Hochschulen und Unternehmen die Forschung, den Wissenstransfer, den Erwerb von in anderen Bereichen einsetzbaren Qualifikationen sowie die Entwicklung von Ideen erheblich. Diesbezüglich sollten bewährte Vorgehensweisen ausgetauscht werden.

4.20   Da Studiengebühren ausschließlich in nationaler Zuständigkeit liegen, wird in der Modernisierungsagenda zu ihnen nicht Stellung genommen. In ganz Europa gibt es verschiedene Gebührensysteme, und allgemein lässt sich ein allmählicher Anstieg der jährlichen Studiengebühren, die umstritten sind, feststellen.

4.21   Der EWSA weist darauf hin, dass sich die Dilemmata verdichten: Während die Zahl der Studierenden zunimmt, die Qualität verbessert und der Lehrstoff im Interesse der Vermittelbarkeit anspruchsvoller werden muss, stagniert die öffentliche Finanzierung in den Mitgliedstaaten, oder sie nimmt sogar ab. Dies ist ein enormes Problem. Werden Studiengebühren auf nationaler Ebene eingeführt (oder angehoben), sollten diese nach Ansicht des EWSA stets von Stipendien- und Darlehenprogrammen flankiert und der Zugang zu diesen ausdrücklich garantiert werden.

4.22   Der Anteil der Studienabbrecher ist zu hoch, und Hochschulbildung muss für breitere Gesellschaftsschichten attraktiv werden. Insbesondere das soziale und kulturelle Umfeld in Ländern, die im Rückstand sind, bedarf der Verbesserung.

4.23   Höhere Zahlen allein reichen jedoch als Kriterium nicht aus. Im Vordergrund sollten objektiv messbare Qualitätsmerkmale stehen, nicht die Zahl der Abschlüsse.

4.24   Bei den Qualifikationen sollten einige Grundsätze gelten:

Mit Blick auf die Vermittelbarkeit sollten Konsultationen mit sozialen Akteuren und Arbeitsmarktexperten stattfinden.

Konsultationen mit Unternehmen sind unabdingbar, dabei sollten neben Groß- auch Klein- und Kleinstunternehmen ständig konsultiert werden, was in Anbetracht der fortschreitenden Fragmentierung und Auslagerung industrieller Verfahren umso wichtiger ist.

Aufgrund der Dynamik des Arbeitsmarktes benötigte Qualifikationen müssen in dualen Studiengängen erworben werden können. Voraussetzungen dafür sind auch das Engagement von und Partnerschaften mit Unternehmen.

Interdisziplinäre und fächerübergreifende Kompetenzen sollten ausgebaut werden.

Qualifikationen sollten die intelligente Spezialisierung unterstützen, durch die die (internationale) Attraktivität erhöht oder regionales Spezialwissen gefördert wird.

Ungeachtet der vielfältigen Hochschullandschaft sollten Abschlüsse so geregelt werden, dass europaweit (und weltweit) Austausch und beruflicher Werdegang erleichtert werden.

4.25   Der EWSA befürwortet entschieden die Vorschläge, die sich in der Mitteilung zu Qualifikationen, zur Qualitätssicherung und zum Zusammenhang zwischen hochwertiger Bildung und Forschenden finden. Er teilt auch die Ansicht, dass die Modernisierung der Hochschulbildung von der Kompetenz und Kreativität der Lehrenden und Forschenden abhängt (16), was oft übersehen wird. In diesem Zusammenhang sollten alle Verwaltungshürden, die akademische Karrieren behindern – etwa zusätzliche akademische Grade, wie sie in manchen Ländern (darunter in Polen) existieren, abgeschafft werden.

4.26   Angesichts der rasant gestiegenen Studierendenzahlen ist der Mangel an fähigen Lehrenden besorgniserregend. Voraussetzungen für hochwertige Lehre und Forschung sind angemessene Arbeitsbedingungen, attraktive Hochschullaufbahnen und berufliche Weiterentwicklung sowie Ausbildungsmöglichkeiten und die Belohnung herausragender Leistungen. Dies scheint auf der Hand zu liegen, doch in den meisten Mitgliedstaaten ist derzeit das Gegenteil der Fall. Der Rat sollte daher politische Leitlinien festlegen.

4.27   Die Kommission betont zu Recht, dass eine breite Vielfalt von Studienformen notwendig ist. Technische Bildung muss attraktiver werden. Viel zur Verbesserung des Ansehens der technischen Studien können die Sozialpartner auf nationaler und regionaler Ebene, aber auch Einzelunternehmen beitragen. Der EWSA verweist nachdrücklich auf das Engagement, das vor allem Klein- und Kleinstunternehmen insbesondere auf regionaler Ebene an den Tag legen.

4.28   Die Debatte in Europa muss darauf abzielen, der Hochschulbildung einen zentralen Platz bei der Innovation, der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Vermittelbarkeit der Arbeitnehmer zuzuweisen (17). Dies sollte ein Kernziel für alle Interessengruppen sein, das die Kommission, der Rat, die Mitgliedstaaten und insbesondere die Hochschulen selbst in gemeinsamer Verantwortung verfolgen.

4.29   In Anbetracht der großen Herausforderungen ist die Hochschulagenda von Kommission und Rat bei weitem nicht umfassend und nicht sonderlich wirkungsvoll. Der EWSA betont, dass der Rat, die Mitgliedstaaten und die Hochschulen in der derzeitigen Krise gezieltere, überzeugendere Schritte unternehmen müssen. Die Veränderungen mögen in Gang gekommen sein, doch sie müssen noch weiter beschleunigt werden.

4.30   Alle Akteure müssen gleichermaßen Verantwortung für Professionalisierung, Lehrpläne, Qualitätssicherung, Spezialisierung usw. übernehmen. Der Rat muss einen Fahrplan mit festen Terminen erstellen, der dem Zusammenhang zwischen Hochschulbildung, Innovation und Vermittelbarkeit Rechnung trägt. Die Hochschuleinrichtungen sollten diesen Prozess unterstützen, indem sie selbst skizzieren, welche Rolle ihnen bei der Förderung der Qualität, sozialer Innovationen und Produktinnovationen zukommt.

4.31   Die Ansichten des Ausschusses für den Europäischen Forschungsraum (ERAC) zu überaus relevanten Zielen in den Bereichen politische Steuerung und institutionelle Hochschulreform sowie zum Zusammenhang zwischen Innovation, Forschung und Bildung sollten unbedingt in die Hochschulagenda einfließen. So ließe sich der Weg für Veränderungen in zahlreichen europäischen Universitäten ebnen (18).

5.   Von der Kommission in Angriff zu nehmende Themen

5.1   Der EWSA begrüßt die selbst gesteckten Ziele der Kommission bei der Hochschulmodernisierung und die jüngsten, in den Schlussfolgerungen des Rates vom vergangenen November hervorgehobenen Ansätze.

5.2   Der EWSA erkennt die Rolle an, die der Kommission bei der Konzentration auf evidenzbasierte Politikgestaltung, u.a. hinsichtlich Leistung und Transparenz, zukommen kann und sollte. In einer Zeit, in der – häufig politisch motivierte – nationale Analysen und Ziele überwiegen, ist es unverzichtbar, dass die Kommission sich aktiv einschaltet und objektive Bewertungen abgibt. Dies betrifft auch das Mandat, das derzeit im Rat erörtert wird.

5.3   Solche Bewertungen vonseiten der EU ziehen wahrscheinlich entsprechende Bestrebungen der Mitgliedstaaten, Hochschulen und Forschungszentren nach sich, sodass der gemeinsame Rahmen gestärkt und, wie zu hoffen bleibt, auf gemeinsame Ziele zugesteuert wird.

5.4   Vor diesem Hintergrund erachtet der EWSA die Einführung von U-Multirank, des leistungsbasierten Ranking- und Informationsinstruments, als positiv. U-Multirank dürfte die Aufgaben der unterschiedlichen Einrichtungen transparenter machen und einen gerechten Vergleich der Hochschulleistungen in Europa ermöglichen. Außerdem ist es überhaupt sinnvoll, ein europäisches Ranking als Ergänzung des eindimensionalen Schanghai- und anderer Rankings zu erstellen.

5.5   Wie der EWSA bereits 2009 feststellte, ist ein Rangfolge- und Qualitätsbewertungssystem, durch das ein breites Spektrum an Themen und Institutionen abgedeckt wird, von nicht zu unterschätzendem Wert (19). Die von einer überprüfbaren, unabhängigen und überparteilichen Drittstelle ermöglichte Transparenz wird nationalen Behörden und Hochschulen dabei helfen, Qualität, Differenzierung und intelligente Spezialisierung in den Mittelpunkt zu stellen. Nach den Worten der Kommission „erlaubt dieses unabhängig zu verwendende Tool allen Interessenträgern aus dem Hochschulbereich, gut informierte Entscheidungen zu treffen (20).

5.6   Ferner dürfte die „Kartierung“ (das „Mapping“) die grenzüberschreitende Mobilität von Studenten, Dozenten, Forschern und Professoren unterstützen und durch das Knüpfen von Netzen, die Einrichtung von Partnerschaften und die Stimulierung des Wettbewerbs zwischen Hochschuleinrichtungen in ganz Europa zur Anhebung des Forschungsniveaus beitragen.

5.7   Der Rat hebt die Mobilität von Studierenden und Forschenden im Sinne des freien Verkehrs von Wissen als fünfte Grundfreiheit hervor. Die Maßnahmen der EU zur Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität Studierender und Forschender sind bereits erfolgreich. Nichtsdestotrotz müssen noch systemische Mängel beseitigt werden. Ein „Mobilitätsanzeiger“ empfiehlt sich, um Lernmobilitätshindernisse aus dem Weg zu räumen.

5.8   Beim Erasmus-Programm muss mehr Engagement von den Studierenden verlangt werden. Der EWSA empfiehlt als Pilotprojekt, das fünfte Bachelorsemester zum „Mobilitätssemester“ zu machen. Diese Maßnahme muss zudem für alle Antragsteller erschwinglich sein. Der EWSA unterstützt die Untersuchung potenzieller studentischer Mobilitätsströme und die Kommissionsvorschläge zum Europäischen System zur Anrechnung, Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen (ECTS) sowie zum Erasmus-Mobilitätsprogramm für Masterabschlüsse.

5.9   Artikel 179 Absatz 1 AEUV spricht hinsichtlich der Forschung in der EU eine deutliche Sprache (21). Für Forschende ist internationale Mobilität ein Muss. Allzu häufig jedoch bewirkt versteckter Protektionismus, dass Forschenden dauerhafte Hindernisse im Wege stehen. Dies schadet der Wissenschaft und Wettbewerbsfähigkeit Europas. Des Weiteren hindert es die staatlichen Einrichtungen, in vollem Maße von der intellektuellen Vielfalt Europas zu profitieren. Der EWSA spricht sich entschieden für den Kommissionsvorschlag zum Europäischen Rahmen für Forschungslaufbahnen aus, durch den die Mobilität Forschender gefördert werden soll.

5.10   Der EWSA befürwortet ferner den von der Kommission sowie Bildungs- und Wirtschaftsfachleuten entwickelten europäischen Rahmen, in dem vier Laufbahnprofile für Forschende beschrieben werden. Dieses System muss offen sein, um möglichst viele Chancen zu bieten.

5.11   Der EWSA betont, dass die nationalen finanziellen und sozialen Bedingungen für Forschende zur Beseitigung der verbliebenen Beeinträchtigungen des freien Verkehrs in einen gemeinsamen europäischen Rahmen gefasst werden müssen. Europaweit geltende Berufsprofile sollten entwickelt und die Institutionen dazu angehalten werden, ihr Personalwesen zu professionalisieren.

5.12   Es empfiehlt sich, die Aufgaben des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT) auszuweiten, nicht zuletzt um Anreize für weitere Wissensallianzen zu setzen, an denen Unternehmen und die betreffenden Hochschulen teilnehmen. Gleiches gilt für die Verstärkung von Marie-Curie-Maßnahmen und für einen Qualitätsrahmen für Praktika.

5.13   Die EU muss sich weltweit als hochqualifizierter Mitbewerber und Partner profilieren. Dabei spielt die Hochschulbildung eine wichtige Rolle. Der EWSA erklärt sich daher voll und ganz mit der Entscheidung des Rates einverstanden, die Kommission dazu aufzufordern, „eine spezifische Strategie für die Internationalisierung der Hochschulbildung zu entwerfen (22).

5.14   Der EWSA unterstützt die geplanten Rahmenbedingungen für die Vertiefung der Beziehungen zu Partnern in Drittländern, Mobilitätspartnerschaften und die Verbesserung der Ausstattung von Studierenden und Forschenden aus Drittländern über EU-Richtlinien und Leistungsindikatoren (23). Die Beschränkungen für nicht aus der EU stammende Studierende und Forschende müssen gelockert werden, um Talentierte und Kreative aus anderen Teilen der Welt anzuziehen.

5.15   Der EWSA plädiert dafür, den internationalen Stellenwert der EU-Hochschulbildung im Rat zu erörtern und dabei die Eigenschaften zu bestimmen, die nötig sind, um ein erfolgreicher Mitbewerber und Partner zu sein. Dies könnte den Hochschuleinrichtungen helfen, für angemessene Bedingungen zu sorgen.

5.16   In mehreren Stellungnahmen hat sich der EWSA damit einverstanden erklärt, dass bei der Erstellung der Finanziellen Vorausschau 2014-2020 Schwerpunkte auf die Innovation und alle Aspekte intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums gelegt werden. Der EWSA unterstreicht, dass der Mehrwert der EU-Fonds vergrößert werden muss.

5.17   Vor diesem Hintergrund begrüßt der EWSA den konkreten Vorschlag der Kommission, die Erasmus-Förderung im Haushaltsplan 2014-2020 um 73 % anzuheben sowie in den Strukturfonds unmittelbar auf die (Hochschul-) Bildung zu verweisen.

5.18   Ohne im Einzelnen auf die Haushaltszahlen einzugehen, teilt der EWSA die generelle Ansicht, dass Ausgaben für Bildung, Forschung und Innovation sowie für die Kohäsionspolitik sämtlich dazu dienen, ein zukunftsorientiertes europäisches Umfeld zu schaffen. Gegebenenfalls können auch für die „Umstrukturierung von Industriestandorten“ vorgesehene Mittel hierfür genutzt werden.

5.19   Der EWSA befürwortet es zutiefst, dass die Kommission 2012 eine hochrangige Gruppe mit dem vorläufigen Mandat, zentrale Themen zur Modernisierung der Hochschulbildung zu analysieren, einsetzen möchte. Diese hochrangige Gruppe muss weitgehend aus Vertretern von Bildungseinrichtungen, Hochschulen, Unternehmen und Sozialpartnern bestehen.

6.   Zusätzliche Anregungen

6.1   Gezielte Anreize für die berufliche Weiterentwicklung an Hochschulen, wie etwa europaweite Kurse für Hochschulmanagement und -leitung, sind wünschenswert.

6.2   Spezielle Verbindungen einzelner Hochschulen – europaweite Partnerschaften – sind sinnvoll, damit diese aus den praktischen Berufs- und Managementerfahrungen der anderen lernen können. Erfahrungsaustausch in grenzübergreifenden Hochschulzusammenschlüssen, Fachkonferenzen und -seminaren sind ebenfalls von Nutzen.

6.3   Die wissenschaftlichen Leistungen und die Bildungsbilanz von Fakultäten oder Hochschulen werden in regelmäßigen Zeitabständen von unabhängigen Kommissionen bewertet. Der EWSA empfiehlt, eine gängige Praxis daraus zu machen, derlei Kommissionen mit internationalen Fachleuten zu besetzen.

6.4   Mit Blick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Hochschulbildung empfiehlt der EWSA, zu untersuchen, welche Verwaltungslasten derzeit in Europa bestehen. Für Verbesserungsvorschläge sollten bewährte Verfahren genutzt werden.

Brüssel, den 28. März 2012

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Schlussfolgerungen des Rates zur Modernisierungsagenda vom 28./29. November 2011.

(2)  ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 48-55.

(3)  Siehe die jüngste Untersuchung „University Autonomy in Europe II - the Scoreboard“, European University Association, 2011. Sie haben eine Welt zu gewinnen.

(4)  Titel XII, Allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, Artikel 165 und 166.

(5)  ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 48-55, Ziffer 1.1.

(6)  COM(2011) 567 final, S. 2.

(7)  Schlussfolgerungen des Rates vom 28./29. November 2011 zur Modernisierung der Hochschulbildung.

(8)  SEC(2011) 1063 final, S. 48.

(9)  COM(2011) 567 final, ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 48-55, Ziffer 1.4.

(10)  ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 48-55, Ziffern 1.4, 3.5.1 und 3.5.2.

(11)  Von 2000 bis 2009 nahm die Studierendenzahl in der EU um 22,3 % auf gut 19,4 Millionen zu, vgl. Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zu den Entwicklungen in den europäischen Hochschulbildungssystemen, SEC(2011) 1063 final, S. 16. Dies sagt jedoch nichts über die Qualität der Qualifikationen aus.

(12)  COM(2011) 567 final, S. 8, sowie die Schlussfolgerungen des Rates vom 28./29. November 2011, in denen Partnerschaften und Kooperationen mit Unternehmen und anderen öffentlichen oder privaten Akteuren hervorgehoben werden.

(13)  Vgl. ABl. C 68 vom 6.3.2012, S. 1, in der die Kommission aufgefordert wird, den Bologna-Prozess in einem integrierten Ansatz mit dem Kopenhagen-Prozess zu verknüpfen, sowie ABl. C 68 vom 6.3.2012, S. 11.

(14)  ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 7.

(15)  A.a.O., Ziffern 5.7 und 5.8.

(16)  COM(2011) 567 final, S. 5.

(17)  COM(2011) 567 final, S. 12, Ziffer 3.3.

(18)  Vgl. die Schlussfolgerungen des Ausschusses für den Europäischen Forschungsraum vom 24. Juni 2011.

(19)  ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 48-55, Ziffern 1.5 und 5.2.4, 5.2.5 sowie 5.2.6.

(20)  COM(2011) 567 final, Kasten zu den zentralen strategischen Aspekten, S. 11.

(21)  Vgl. den überzeugenden Vorschlag der Europäischen Kommission vom 21. Juli 2011 unter dem Titel „Towards a European framework for research careers“.

(22)  Schlussfolgerungen des Rates vom 11. Mai 2010 zur Internationalisierung der Hochschulbildung.

(23)  COM(2011) 567 final, Kasten zu den zentralen strategischen Aspekten, S. 14.


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