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Document 52012AE0807

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 294/2008 zur Errichtung des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts“ COM(2011) 817 final — 2011/0384 (COD) und dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Strategische Innovationsagenda des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT): der Beitrag des EIT zu einem innovativeren Europa“ COM(2011) 822 final — 2011/0387 (COD)

ABl. C 181 vom 21.6.2012, p. 122–124 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

21.6.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 181/122


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 294/2008 zur Errichtung des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts“

COM(2011) 817 final — 2011/0384 (COD)

und dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Strategische Innovationsagenda des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT): der Beitrag des EIT zu einem innovativeren Europa“

COM(2011) 822 final — 2011/0387 (COD)

2012/C 181/21

Berichterstatter: Jacques LEMERCIER

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 13. Dezember 2011 bzw. am 16. Januar 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 173 Absatz 3 AEUV um Stellungnahme zu folgenden Vorlagen zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 294/2008 zur Errichtung des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts

COM(2011) 817 final — 2011/0384 (COD)

und

Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Strategische Innovationsagenda des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT): der Beitrag des EIT zu einem innovativeren Europa

COM(2011) 822 final — 2011/0387 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 8. März 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 479. Plenartagung am 28./29. März 2012 (Sitzung vom 28. März) mit 123 gegen 5 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürwortet allgemein den Ansatz der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit dem Europäischen Innovations- und Technologieinstitut (EIT).

1.2   Er schließt sich im Wesentlichen den Empfehlungen der Kommission an, die auf der Anhörung der verschiedenen Interessenträger, den Folgenabschätzungen und den Erfahrungswerten beruhen.

1.3   In Anbetracht des Rückstands der EU bei der Zusammenarbeit, dem Wissensaustausch und der Annäherung zwischen Forschungsinstituten und Hochschuleinrichtungen ist die Initiative der Kommission zu begrüßen.

1.4   Mit Blick auf die Globalisierung der Forschung und den entscheidenen Einfluss von Innovation auf die Produktion muss Exzellenz gefördert werden.

2.   Hintergrund

2.1   Das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) wurde 2008 eingerichtet.

2.2   Das EIT geht auf einen Vorschlag zurück, den die Europäische Kommission dem Rat am 22. Februar 2006 in einer Mitteilung unterbreitete, und wurde im Rahmen der Lissabon-Strategie zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung in der Union eingerichtet.

2.3   Sein Ziel ist vor allem, den europäischen Rückstand in Sachen innovationsbasierter Industriepolitik aufzuholen, indem Synergien zwischen Grundlagenforschung, FuE und innovativen industriellen Anwendungen in Europa, insbesondere für mittelständische Unternehmen und Gewerbebetriebe, gefördert werden.

2.4   Durch die Förderung von Exzellenz will das EIT zum Gütesiegel für Innovation, Forschung und Wachstum in der EU werden. Dazu unterstützt es die funktionelle und geografische Zusammenführung von Hochschuleinrichtungen und Forschungs- und Innovationsstrukturen.

2.5   Vorbild ist dabei das Massachusetts Institute of Technology (MIT), das auf die horizontale Integration des Wissensdreiecks setzt.

2.6   Im Juni 2008 wurde bestimmt, dass das Europäische Innovations- und Technologieinstitut seinen Sitz in Budapest hat.

2.7   Das EIT übernimmt keine Direktfinanzierung von Einzelvorhaben. Es trägt mit einem Anteil von 25 % zur Finanzierung der dezentralen „Wissens- und Innovationsgemeinschaften“ (KIC) (1) bei.

2.8   Diese KIC, in deren Rahmen Hochschulen, Wirtschaftsunternehmen und Forschungsinstitute gemeinsam an innovativen Projekten arbeiten, finanzieren zusammen mit lokalen Partnern aller Art wie Unternehmen, Innovatoren usw. zu 75 % die Projekte vor Ort.

2.9   Die ersten drei Wissens- und Innovationsgemeinschaften wurden 2009 eingerichtet, mit Kolokationszentren in Frankreich, Deutschland, im Vereinigten Königreich, in der Schweiz, in Italien, Spanien, in den Niederlanden, in Schweden, Finnland, Ungarn, Belgien und Polen.

3.   Vorschläge der Europäischen Kommission

3.1   Das EIT soll zu einem Referenz- und Anziehungspol für die Hochschulen, die Forschungsinstitute, die in Forschung und Entwicklung tätigen Unternehmen und vor allem die innovativen kleinen und mittleren Unternehmen werden, die für die Entstehung neuer qualifizierter Arbeitsplätze und neuer Berufsbilder besonders relevant sind.

3.2   Das EIT wird in der Laufzeit des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation 2014 – 2020 die Zahl der KIC schrittweise erhöhen, um seine Wirkungskraft weiter zu verstärken und in neuen Bereichen gesellschaftlicher Herausforderungen Innovationen anzuregen.

3.2.1   Die bereitgestellten Mittel werden überwacht, und schlussendlich entscheiden die konkreten Ergebnisse über die Tragfähigkeit einer bestimmten KIC.

3.2.2   Dadurch, dass das EIT bei der Einrichtung neuer KIC einen graduellen Wachstumsansatz verfolgt, stellt es sicher, dass Erfahrungen vorheriger KIC-Gründungen voll berücksichtigt werden und neue KIC nur in den Bereichen eingerichtet werden, in denen ein klares Innovationspotenzial und Spitzenleistungen von Weltrang gegeben sind, worauf aufgebaut werden kann, um Talente anzuwerben und Finanzierungen zu sichern.

3.3   Im Zeitraum 2014-2020 werden in zwei Runden neue KIC eingerichtet: 2014 und 2018 werden jeweils drei neue KIC gegründet, wodurch sich die Gesamtzahl der KIC (einschl. der drei bereits bestehenden KIC) bis 2020 auf neun erhöhen wird (was der Einrichtung von 40-50 Kolokationszentren in der ganzen EU entspricht).

3.4   Dank ihrer fundierten Voraussetzungen in Wissenschaft und Forschung können sie Akteure aus den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation zusammenführen.

Sie sind allesamt in der Lage, Investitionen und langfristiges Engagement der Unternehmen zu mobilisieren sowie neue technologische Entwicklungen und soziale Innovation zu fördern:

eine KIC für Mehrwert in der Fertigung;

eine KIC für die Lebensmittelversorgungskette;

eine KIC im Bereich Innovation für gesundes Leben und aktives Altern;

eine KIC für die Förderung sicherer Gesellschaften im Kontext einer beschleunigten Digitalisierung der Wirtschaft;

eine KIC zur Entwicklung neuer Verfahren für nachhaltige Erkundung, Gewinnung, Verarbeitung, Verwertung und Substitution;

eine KIC für urbane Mobilität.

3.5   Die Einrichtung von KIC mit einer dezentralen Struktur, die vor Ort und auf regionaler Ebene alle potenziellen Partner integrieren, dürfte den Herausforderungen, denen sich die EU gegenüber sieht, angemessen sein. Angesichts der Tatsache, dass in einem annehmbaren Zeitrahmen, d.h. auf kurze Sicht keine Harmonisierung der einzelstaatlichen Forschungs-, Bildungs- und Produktionssysteme, die laut Subsidiaritätsprinzip in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fallen, absehbar ist, bieten die KIC eine gangbare Lösung zur Überwindung dieser Schwierigkeit und ein neues Entwicklungsmodell für die Industrie und den Dienstleistungsbereich.

3.6   Die den KIC eingeräumte Unabhängigkeit bei der Einstellung, Organisation und Finanzierung ermöglicht es ihnen, sich um die talentiertesten und motiviertesten Forscher zu bemühen, und wird den Erfahrungsrückfluss und die internationale Zusammenarbeit, die die Europäische Kommission anstrebt, begünstigen.

4.   Allgemeine und besondere Bemerkungen

4.1   Die von der Kommission vorgeschlagene Gesamtstruktur ist eine vielversprechende Neuerung. Der Ausschuss möchte in diesem Zusammenhang seine Stellungnahme (2) zur Einrichtung des Europäischen Technologieinstituts in Erinnerung rufen, denn seiner Meinung nach treffen seine damaligen allgemeinen Bemerkungen heute immer noch zu.

4.2   Angesichts der Zahl der einzurichtenden KIC und der Programmdauer kommt die von der Kommission vorgesehene Mittelausstattung in der Praxis einer Stagnation beziehungsweise sogar einer relativen Verringerung der bis 2020 verfügbaren Mittel gleich; dabei eröffnet das EIT den europäischen KMU eine Chance für mittel- und langfristig nachhaltiges, von Innovations- und Beschäftigungszuwachs geprägtes Wachstum, das in den vielversprechendsten Bereichen gefördert werden muss.

4.3   Die Finanzierungsstruktur der KIC ist ein offenkundiger Vorteil, denn das EIT kommt lediglich für 25 % des Haushalts auf und die restlichen 75 % müssen von den am jeweiligen KIC beteiligten Partnerunternehmen, KMU, Forschungszentren sowie öffentlichen und privaten Akteuren bereitgestellt werden. Diese flexible Struktur beschleunigt die Abläufe entlang der Innovationskette von der Grundlagen- und angewandten Forschung über Innovation und Anmeldung von Patenten bis zur Gründung oder Weiterentwicklung von Unternehmen zur Vermarktung einer Innovation.

4.4   Zudem können die lokalen Initiativen in den Mitgliedstaaten über einen erheblichen Handlungsspielraum verfügen.

4.5   Die Governancestrukturen der KIC und die regelmäßige Erneuerung ihrer Mitglieder sind ebenfalls unbestreitbare Vorteile. Der Ausschuss befürwortet das Entwicklungskonzept für das EIT und plädiert dafür, die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der KIC im Interesse ihrer Effizienz zu bewahren und ihre Arbeit auf der Grundlage ihrer Ergebnisse zu bewerten.

4.6   Diese zweigleisige Struktur wird die Vermarktung von Patenten und Innovationen der KIC begünstigen.

Angesichts der zunehmenden Globalisierung, die die herkömmlichen Industriestrukturen aufbricht, begrüßt der Ausschuss das Konzept der „Exzellenz“ in Bildung und Produktion als Zukunftswert und wirksames Mittel zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit.

4.7   Mehr denn je zuvor wird in der EU der Mehrwert innovierender Erzeugnisse oder Dienste mit Blick auf die angestrebte nachhaltige Entwicklung ausschlaggebend für die Schaffung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze sein und Betriebsverlagerungen in Billiglohnländer verhindern.

4.8   Der Ausschuss stellt fest, dass eine relative Konzentration der KIC vorliegt. Er plädiert für gezielte Maßnahmen, um in möglichst vielen Mitgliedstaaten Verbindungen zu Laboratorien, Unternehmen und Forschungseinrichtungen herzustellen und so das den KIC zur Verfügung stehende Potenzial an Kreativität, Human- und Technologieressourcen auszuweiten und um den Ungleichgewichten zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf Exzellenz in Forschung und Bildung entgegenzuwirken. Ferner nimmt er zur Kenntnis, dass sich über 200 Partner aus sämtlichen Mitgliedstaaten eingebracht haben.

4.9   Der Ausschuss befürwortet insbesondere die Einrichtung von Studienabschlüssen mit dem EIT-Gütesiegel, die die Mobilität der Forscher und die Entwicklung der Unternehmen und KMU außerhalb ihres jeweiligen Ursprungsgebiets erleichtern.

4.10   Der Ausschuss spricht sich dafür aus, die Institute, Unternehmen und potenziellen Partner durch möglichst umfangreiche Informationen dazu zu bewegen, dass sie die Einrichtung von KIC in den in der Strategischen Innovationsagenda bis 2020 festgelegten prioritären Bereichen unterstützen und daran teilnehmen.

In diesem Sinn muss das EIT baldmöglichst eine groß angelegte Informationskampagne über diese Themenbereiche starten, um den Unternehmen und potenziellen Partnern Gelegenheit zu geben, ihre Partnerschaftsprojekte auszuarbeiten.

4.11   In Anbetracht der möglichen Vorbehalte oder gar Erschwernisse seitens der bestehenden einzelstaatlichen Einrichtungen fordert der Ausschuss die Kommission auf, einen umfassenden Dialog zwischen dem EIT und diesen Einrichtungen zu fördern, um Synergien zu schaffen, die er auf lange Sicht als unerlässlich erachtet.

Insbesondere muss der Sorge der Forschungs- und Bildungseinrichtungen Rechnung getragen werden, dass ihre Haushaltsmittel zu Gunsten der KIC gekürzt werden könnten.

Brüssel, den 28. März 2012

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Engl. Knowledge and Innovation Communities (KIC).

(2)  ABl. C 161 vom 13.7.2007, S. 28.


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