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Document 52007AE1466

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG hinsichtlich der Anpassung der Sonderregelungen für die Besteuerung gewerblich genutzten Gasöls und der Koordinierung der Besteuerung von unverbleitem Benzin und Gasöl KOM(2007) 52 endg. — 2007/0023 (CNS)

ABl. C 44 vom 16.2.2008, p. 115–119 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

16.2.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 44/115


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG hinsichtlich der Anpassung der Sonderregelungen für die Besteuerung gewerblich genutzten Gasöls und der Koordinierung der Besteuerung von unverbleitem Benzin und Gasöl“

KOM(2007) 52 endg. — 2007/0023 (CNS)

(2008/C 44/25)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 19. April 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 93 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 8. Oktober 2007 an. Berichterstatter war Herr BURANI.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss verabschiedete auf seiner 439. Plenartagung am 24./25. Oktober 2007 (Sitzung vom 24. Oktober) mit 151 Ja-Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Inhalt des Richtlinienvorschlags

1.1

Mit dem Richtlinienvorschlag soll die für alle EU-Mitgliedstaaten geltende Richtlinie 2003/96/EG (1) (Energiesteuerrichtlinie) auf dem Gebiet der Kraftstoffbesteuerung geändert werden. Konkret werden die Mindestsätze für die Verbrauchsteuer auf Gasöl schrittweise erhöht, mit dem Ziel, sie nach einer Phase zeitlich gestaffelter Erhöhungen (in der Richtlinie heißt es „Koordinierung“) bis zum 1. Januar 2014den Verbrauchsteuern auf Benzin anzugleichen: 380 EUR pro 1 000 Liter für beide Kraftstoffe. Für Mitgliedstaaten, für die keine Übergangszeiten gelten, wurde diese Frist verlängert.

1.2

Innerhalb dieses allgemeinen Rahmens sind einige Unterscheidungen, zeitlich begrenzte Ausnahmeregelungen und Anpassungen der Bestimmungen vorgesehen. Zunächst wird zwischen „gewerblich genutztem Gasöl“ (für LKW über 7,5 Tonnen und für Busse) (2) und „Gasöl für den privaten Gebrauch“ unterschieden (in Ermangelung genauerer Angaben ist davon auszugehen, dass damit der von allen anderen Fahrzeugen verwendete Dieselkraftstoff gemeint ist). Die Mitgliedstaaten dürfen den Steuersatz für das gewerblich genutzte Gasöl reduzieren, soweit die in der Richtlinie festgelegten gemeinschaftlichen Mindeststeuerbeträge eingehalten werden und der Steuersatz nicht unter dem am 1. Januar 2003 geltenden nationalen Steuersatz liegt. Auf keinen Fall darf die Besteuerung von Gasöl für den privaten Gebrauch und von Benzin geringer ausfallen als die Besteuerung von gewerblich genutztem Gasöl.

1.3

Gewerblich genutztes Gasöl kann ferner mit einem Steuersatz besteuert werden, der unter dem am 1. Januar 2003 geltenden nationalen Steuersatz liegt, sofern der betreffende Mitgliedstaat ein System von Straßenbenutzungsgebühren einführt oder bereits anwendet und die Summe der verminderten Verbrauchsteuer und der Straßenbenutzungsgebühren ungefähr der am 1. Januar 2003 geltenden nationalen Besteuerung entspricht (jedoch nicht geringer als diese ausfällt).

1.4

Alternativ dazu sind Steuerermäßigungen für gewerblich genutztes Gasöl möglich, indem das gewerblich genutzte Gasöl differenziert besteuert wird, und zwar im Wege der Einführung (oder Beibehaltung) einer Erstattungsregelung, die nicht diskriminierend wirkt und so gestaltet ist, dass alle Wirtschaftsbeteiligten, die in dem betreffenden Mitgliedstaat Dieselkraftstoff getankt haben, die Erstattungsregelung unter gleichen, transparenten und einfachen Bedingungen in Anspruch nehmen können.

1.5

Der „Fahrplan“ für die Angleichung der Benzin- und Dieselkraftstoffbesteuerung sieht Folgendes vor:

für Benzin einen Steuerbetrag von 359 EUR pro 1 000 Liter ab dem 1. Januar 2004 und von 380 EUR ab dem 1. Januar 2014;

für Gasöl gestaffelt ansteigende Steuerbeträge: 302 EUR ab dem 1. Januar 2004, 330 EUR ab dem 1. Januar 2010, 359 EUR ab dem 1. Januar 2012 und schließlich 380 EUR ab dem 1. Januar 2014.

1.6

Darüber hinaus sind zahlreiche Ausnahmeregelungen vorgesehen, die im Folgenden zusammengefasst werden:

Für Mitgliedstaaten, die bereits bis zum Jahr 2012 Ausnahmeregelungen in Anspruch nehmen (ES, AT, BE, LU, PT, EL, PL), endet die Übergangszeit im Jahr 2016. Diese Mitgliedstaaten können folgende Steuerbeträge erheben:

302 EUR bis zum 1. Januar 2007, um 330 EUR bis zum 1. Januar 2012, 359 EUR bis zum 1. Januar 2014 und den gemeinschaftlichen Steuerbetrag von 380 EUR zum 1. Januar 2016 zu erreichen.

Für Mitgliedstaaten, die bis zum Jahr 2013 Ausnahmeregelungen in Anspruch nehmen (LV und LT, und mit gewissen Abweichungen auch BG und RO), endet die Übergangszeit im Jahr 2017.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Eines der Ziele des Richtlinienvorschlags ist die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen, die infolge der Unterschiede zwischen den in den verschiedenen Ländern praktizierten Tankstellenabgabepreisen für Kraftstoffe, und insbesondere für gewerblich genutztes Gasöl, auf dem Markt entstehen. Die Unterschiede sind oftmals beträchtlich. So kostete am 18. Mai 2007 ein Liter Gasöl in Lettland 0,82 EUR, im Vereinigten Königreich 1,41 EUR, in Deutschland 1,12 EUR, in Luxemburg 0,90 EUR, in Italien 1,18 EUR und in Österreich 0,98 EUR. Mit Blick auf die Steuerangleichung scheint der Kommissionsvorschlag somit seine Berechtigung zu haben.

2.2

Der besondere Grund, der die Kommission zur Vorlage dieses Richtlinienvorschlags veranlasst hat, lässt sich jedoch nur im Zuge eines Vergleichs mit der Richtlinie voll nachvollziehen, die die Kommission zu ändern beabsichtigt: die Richtlinie 2003/96/EG vom 27. Oktober 2003 (Energiesteuerrichtlinie). Das Hauptaugenmerk liegt auf gewerblich genutztem Gasöl  (3), da man davon ausgeht, dass sich dieses auf den Preis der Güterbeförderung auswirkt. Nach Auffassung der Kommission sind Gasöl und Benzin für den privaten Gebrauch für diesen Zweck weniger relevant, auch wenn es in Grenzregionen zu bisweilen nicht unerheblichen Wettbewerbsverzerrungen kommt.

2.2.1

Die Maßnahmen hinsichtlich des gewerblich genutzten Gasöls stehen im Einklang mit dem Weißbuch über Verkehrspolitik, doch würden sie nach Ansicht der Kommission aufgrund der Angleichung der Mindeststeuerbeträge auch indirekt dazu beitragen, die Unterschiede zwischen Gasöl für nicht gewerbliche Zwecke und Benzin zu reduzieren.

2.3

Gemäß der Energiesteuerrichtlinie können die Mitgliedstaaten gewerblich genutztes Gasöl und Gasöl für den Privatgebrauch unterschiedlich besteuern, indem sie eine Erstattungsregelung anwenden. Diese ist für Verkehrsunternehmen aus Hochsteuerländern sicherlich von Vorteil, verwaltungstechnisch jedoch sowohl für den Fiskus als auch die Unternehmen kostspielig. Aufgrund der Modalitäten gab es bei der Inanspruchnahme dieser Erleichterung allerdings mehr Probleme als Vorteile. Abgesehen von der vorgeschriebenen Anwendung von Straßenbenutzungsgebühren (die in diesem Richtlinienvorschlag beibehalten wird) wird eine zusätzliche Voraussetzung festgelegt. So muss der am 1. Januar 2003für Gasölkraftstoff geltende nationale Steuerbetrag mindestens doppelt so hoch sein wie der am 1. Januar 2004 geltende Mindeststeuerbetrag. In der Praxis erfüllen nur wenige Länder diese Voraussetzung (darunter das Vereinigte Königreich). Für die anderen Länder bestand (und besteht) die einzig mögliche Lösung darin, das Gasöl für den privaten Gebrauch höher zu besteuern — sicherlich eine nicht sehr willkommene Option. Letztlich wurden die Unterschiede nicht weniger, und die Hochsteuerländer konnten in keiner Weise den Abstand zu den anderen Ländern verringern. Mit dem vorliegenden Richtlinienvorschlag wird diese Prozedur vereinfacht, so dass sie in der Praxis für mehr Mitgliedstaaten zugänglich sein wird. Das Konzept bleibt im Wesentlichen jedoch unverändert.

2.4

In diesem Zusammenhang stellt der EWSA fest, dass es in allen Mitgliedstaaten, neben den Verbrauchsteuern, eine Reihe anderer Steuern und Abgaben gibt, die den Gesamtsteueranteil auf bis zu 85 % des Tankstellenabgabepreises (bisweilen sogar mehr) anheben. Die Verbrauchsteuer macht zwischen 30 und 60 % des Preises aus. Der Unterschied ist auf variierende Mehrwertsteuersätze bzw. andere Belastungen (vorwiegend lokale Steuern) zurückzuführen, auf die die Kommission keinen Einfluss hat. Letztlich werden auch nach der vorgesehenen Angleichung 2016 weiterhin zahlreiche nicht angeglichene Abgaben bestehen bleiben. Darüber hinaus liegen die industriellen Kosten für Gasöl unter den industriellen Kosten für Benzin. Somit werden die Tankstellenabgabenpreise zwischen Benzin und Gasöl und zwischen den verschiedenen Ländern weiterhin variieren, auch wenn die Unterschiede (möglicherweise) geringer ausfallen als jetzt — es sei denn, es kommt zu spekulativen Aktionen, auf die man ein Auge haben sollte. Weder die Energiesteuerrichtlinie noch der vorliegende Richtlinienvorschlag stellen einen nennenswerten Beitrag zur Angleichung der Wettbewerbsbedingungen dar.

2.5

Im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit erscheint die Tragweite des Richtlinienvorschlags somit recht begrenzt. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass die Kommission nicht befugt ist, in die anderen Bestandteile der Kraftstoffpreise einzugreifen. Doch selbst dann erscheint der Vorschlag unvollständig: Erwogen werden sollte auch ein Verbrauchsteuer-Höchstsatz, der es ermöglichen würde, die Verlagerung des Verbrauchs von einem Land in ein anderes künftig einzudämmen. Der EWSA hat diesen Ansatz in der Vergangenheit unterstützt, unlängst auch in seiner Stellungnahme zur Angleichung der Verbrauchsteuersätze auf Alkohol (4), die zahlreiche konzeptionelle Ähnlichkeiten zum hier erörterten Vorschlag aufweist.

2.5.1

Auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Studien hat die Kommission diese Lösung verworfen: Die Festlegung eines Höchstsatzes würde nämlich die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten einschränken. Nach Auffassung des EWSA könnte auf der Grundlage einer solchen Argumentation auch die Verpflichtung zur Einführung eines Mindestsatzes als Verletzung der Steuerhoheit angesehen werden.

2.6

Trotz dieser Einschränkungen ist der Vorschlag der Kommission ein Schritt in Richtung Harmonisierung — rein steuerlicher Art und zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen. In dieser Hinsicht erfüllt die Kommission lediglich ein Mandat, das mit der Lissabon-Strategie im Einklang steht. Als Nebeneffekt würde die Erhöhung der Verbrauchsteuer auf Gasöl nach Auffassung der Kommission zur Bekämpfung des „Tanktourismus“ beitragen; d.h. der Gewohnheit, nach Möglichkeit in anderen Ländern aufzutanken, in denen die Gasölpreise niedriger sind. Es handelt sich hierbei um ein allgemein bekanntes Phänomen. Am häufigsten wird in diesem Zusammenhang Luxemburg genannt, doch ist dieses Phänomen allen Grenzregionen gemein, in denen Preisunterschiede bestehen. Luxemburg ist jedoch das deutlichste Beispiel: 2004 betrug hier der jährliche Gasölverbrauch 4 500 Liter pro Person, während er sich im benachbarten Belgien auf 750 Liter belief (5). Der EWSA stimmt gewiss zu, dass diese Überlegungen begründet sind. Doch macht er darauf aufmerksam, dass dem Vergleich des Pro-Kopf-Verbrauchs sehr unterschiedliche Einwohnerzahlen zugrunde liegen. So hat Belgien 10,5 Millionen Einwohner, Luxemburg 460 000.

2.7

Von dieser Tatsache ausgehend vertritt die Kommission die (durch verschiedene Untersuchungen gestützte) These, dass zahlreiche Spediteure Umwege fahren würden, um billiger zu tanken. Diese Umwegfahrten (Millionen von Kilometern!) gingen mit einem erhöhten Kraftstoffverbrauch und einer entsprechenden Umweltverschmutzung einher. Die Beseitigung der Anreize für Tanktourismusfahrten würde zum Wegfall der Umwegfahrten und zu einer Reduzierung der Umweltverschmutzung führen. Dies ist eine attraktive und sicherlich beliebte These, die jedoch nicht der Realität entspricht — zumindest nicht in Bezug auf das vorgenannte Beispiel. Wirft man einen kurzen Blick auf die Landkarte, so wird deutlich, dass für einen beachtlichen Teil des Nord-Süd- und Ost-West-Verkehrs (für den nördlichen Teil Europas) Luxemburg gezwungenermaßen ein Transitland ist. Diejenigen, die beim Tanken sparen und Umwege in Kauf nehmen wollen, müssen außer dem Zeitverlust, dem Kraftstoffverbrauch und eventuellen Straßenbenutzungsgebühren für die Umwegfahrt auch die Wartezeiten an den Tankstellen  (6) und ein starkes Verkehrsaufkommen, insbesondere zu bestimmten Tageszeiten, berücksichtigen. Allerdings kann es insbesondere in Ländern an der Peripherie der EU durchaus auch Situationen der Art geben, wie sie die Kommission entworfen hat.

2.8

Allgemein scheint es, dass die Einschätzung der Reduzierung der Tanktourismusfahrten auf das rechte Maß zurückgeführt werden muss: der Zeitfaktor ist bei der Kostenberechnung von wesentlicher Bedeutung. Den Ersparnissen an der Tanksäule stehen höhere Lohnkosten und Lieferverzögerungen gegenüber. Drei bis vier Stunden Verspätung bedeuten oftmals, dass die Ware nicht mehr am geplanten Tag ein- bzw. ausgeladen werden kann, was wiederum mit einer zusätzlichen Übernachtung einhergeht. Während die Tatsache, dass Lastwagen im Transitverkehr auf ihrer im Vorfeld festgelegten Fahrstrecke Tanktourismus betreiben, durchaus relevant ist, wurde den Umwegfahrten aus Gründen der Ersparnis beim Tanken nach Auffassung des EWSA zumindest in Bezug auf den Lastwagenverkehr eine zu große Bedeutung eingeräumt. Eine Untersuchung des gesamten durch Tanktourismus verursachten Verkehrsaufkommens könnte zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen führen. In diesem Fall sollten allerdings — wie der folgende Abschnitt zeigen wird — andere Überlegungen angestellt werden.

2.8.1

Eine Schlussfolgerung, auf die der EWSA die Entscheidungsträger aufmerksam machen möchte, ist, dass der eventuellen Gesamtreduzierung der Umweltverschmutzung als Folge geringerer Anreize für den Tanktourismus möglicherweise zu große Bedeutung beigemessen wurde.

3.   Bemerkungen zur Zweckmäßigkeit des Vorschlags

3.1

Der EWSA begrüßt den Richtlinienvorschlag zur Harmonisierung der Verbrauchsteuern, insoweit diese als steuerliche Maßnahme zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen zu betrachten ist; als solche fällt sie unter die Zuständigkeiten und Aufgaben der Kommission und steht im Einklang mit der Lissabon-Strategie. Vorbehalte sind jedoch gegen eine Reihe von damit zusammenhängenden Fragen anzumelden, von denen einige ein reifliches Nachdenken über die Zweckmäßigkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen geboten erscheinen lassen.

3.2

Die Kommission weist darauf hin, dass die Gasölpreisunterschiede in den EU-Mitgliedstaaten Wettbewerbsverzerrungen auf den Transportgewerbemärkten verursachen, da der Kraftstoff durchschnittlich zwischen 20 und 30 % der Betriebskosten eines Unternehmens ausmacht. Laut einer vom französischen Verkehrsministerium durchgeführten Studie, auf die die Kommission verweist, kann „die Entwicklung zwischen 1997 und 2001 zu zwei Dritteln drei Faktoren zugeschrieben werden […]: Unterschiedliche Gasölbesteuerung, Unterschiede in der Einkommensteuer und eine unterschiedliche Lohnentwicklung zwischen zwei vorgegebenen Ländern. Dabei erschien die unterschiedliche Gasölbesteuerung als wichtigste Determinante, die allein zu etwa 40 % die beobachteten Marktanteilsveränderungen verursacht“ (7).

3.2.1

Ohne die Gültigkeit der vorgelegten Daten und der von der Kommission konsultierten ökonometrischen Studien in Zweifel ziehen zu wollen, ist anzumerken, dass der erhebliche Preisunterschied zwischen den einzelnen Ländern (insbesondere was die zuletzt beigetretenen Länder betrifft) dazu führt, dass sich die relative Höhe der Kraftstoffkosten als Faktor dieser Unterschiede verringert. Durch den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten sind die Unterschiede vielleicht größer geworden, gleichzeitig hat sich aber der relative Wert des Faktors „Kraftstoff“ deutlich verringert. Unter dem Gesichtspunkt der Annäherung der Wettbewerbsbedingungen würde die Wirkung der Richtlinie daher hinter den Erwartungen zurückbleiben. Diese These wird von der Kommission nicht geteilt, die der Meinung ist, dass im Vergleich zwischen alten und neuen Mitgliedstaaten die Kraftstoffkosten zu einem wichtigen Faktor der Wettbewerbsverzerrung geworden sind; der EWSA merkt an, dass — wenn dies der Fall wäre — ernsthaft darüber nachgedacht werden müsste, ob es zweckmäßig wäre, die Kosten für wachsende Volkswirtschaften in die Höhe zu treiben.

3.2.2

Selbst wenn eine Angleichung der Kraftstoffkosten erreicht würde — was nicht der Fall sein wird, da die zusätzlichen Kosten von Land zu Land unterschiedlich sind (siehe Ziffer 2.4) -, umfassen die Verkehrskosten neben den Kraftstoffkosten noch zahlreiche weitere massiv zu Buche schlagende Faktoren, von denen keiner „harmonisierbar“ ist, zumindest nicht in naher Zukunft: Neben den drei in der französischen Studie angeführten Faktoren wären auch noch die Fahrzeugkosten (wo die Differenz bis zu 20 % betragen kann), die Kfz-Steuern, die Versicherungskosten, die Immobilien- und Ausstattungskosten usw. zu nennen. Angesichts all dieser Unterschiede leistet die Harmonisierung der Verbrauchsteuern auf Gasöl nur einen recht bescheidenen Beitrag zur Verringerung der Wettbewerbsverzerrungen.

3.2.3

Der Bericht, der dem Richtlinienvorschlag beigefügt ist, geht nicht auf die Auswirkungen ein, die der Anstieg der Kraftstoffkosten auf öffentliche oder private Personenbeförderungsunternehmen und den Tourismus generell hätte. Die in dem Begleitdokument (SEK(2007) 170/2, S. 24 und 26) zitierten ökonometrischen Untersuchungen legen den Schluss nahe, dass sich der Anstieg der Kraftstoffkosten nicht auf das gewerbliche Verkehrsaufkommen auswirken würde, aber einen leichten Rückgang im privaten Verkehrsaufkommen (weniger als 1 % über einen Zeitraum von 23 Jahren) mit einer entsprechenden Verringerung der Umweltbelastung zur Folge hätte. Die Kommission hat gründliche ökonometrische Untersuchungen durchgeführt, deren Schätzungen zufolge die Kraftstoffkosten nach und nach um 0,1 % bis 1 % steigen würden und dieser Anstieg von der Inflationsrate absorbiert würde: eine beruhigende These, die allerdings nicht dem Unterschied zwischen realer und gefühlter Inflation Rechnung trägt. Außerdem gibt es einen auf dem Markt wohlbekannten „Multiplikatoreffekt“, durch den selbst minimale Kostenerhöhungen zu überproportionalen Preisanstiegen führen. Die Kraftstoffpreise bilden mit die Basis der Preispyramide. Eine Anhebung der Ölsteuern wird die Preise sämtlicher Waren und Dienstleistungen steigen lassen und zu höheren Inflationsraten in der Gemeinschaft sowie zu einer Abnahme der Mobilität, zum Verlust von Arbeitsplätzen und zu einem Umsatzrückgang führen.

3.2.3.1

Im Hinblick auf die Besteuerung bemerkt die Kommission, dass die Energiesteuern im Allgemeinen (wie die Verbrauchsteuern im besonderen Fall der Kraftstoffe) infolge der Inflation seit der Jahrhundertwende prozentual gesunken sind, sowohl als BIP-Anteil als auch als Anteil an den Gesamtsteuereinnahmen. Die vorgeschlagene Erhöhung der Verbrauchsteuern würde somit lediglich eine Anpassung der Steuereinnahmen zwecks Berücksichtigung der voraussichtlichen Inflationsrate (von 2,2 %) bis 2017 bedeuten. Unter fiskalischen Gesichtspunkten ist sicherlich nichts dagegen einzuwenden, aber für die Beförderungsunternehmen und die Bürger bedeutet dies eine Erhöhung der Kraftstoffkosten zusätzlich zu den allgemeinen Inflationskosten.

3.2.4

Die Erstattungsregelung, die nach Aussage der Kommission nicht als Vorzugsbehandlung für die Beförderungsunternehmen als solche, sondern zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen gedacht ist, wurde bereits von einigen Mitgliedstaaten als Lösung gewählt, ist jedoch — wie bereits erwähnt — sowohl für die Mitgliedstaaten als auch für die Steuerbehörden mit großem Aufwand verbunden. Neben der bereits zuvor geäußerten Kritik hält es der EWSA für fraglich, ob diese Lösung mit der vom Rat als Wachstumsfaktor genannten Vereinfachung der Verwaltungsverfahren vereinbar ist.

3.2.5

Anlass zu Zweifel gibt außerdem auch die der Erstattungsregelung zugrunde liegende Bestimmung, dass die Steuerbeträge die festgelegten Mindestsätze unterschreiten dürfen (vgl. Ziffer 2.3), sofern der betreffende Mitgliedstaat Straßenbenutzungsgebühren für schwere Lastfahrzeuge einführt oder bereits eingeführt hat — mit anderen Worten Mautgebühren oder „Vignetten“. Beide Lösungen würden für die Steuerbehörden in jedem Fall entgangene Einnahmen bedeuten: Die Maut- und Vignetteneinnahmen fließen in die Kassen der Autobahnbetreiber oder kommen anderen Posten der öffentlichen Haushalte zugute. Der Ausgleichsmechanismus wäre definitiv weder für die Beförderungsunternehmen (die Mautgebühren gleichen die niedrigeren Steuererhöhungen aus) noch für den Fiskus von Vorteil. Noch schlimmer: Von der Einführung von Mautgebühren oder deren Erhöhung wären auch alle anderen Straßenbenutzer betroffen, sofern nicht differenzierte Gebühren oder spezielle Vignetten eingeführt werden, was wiederum entsprechende administrative Komplikationen mit sich bringen würde, die für den Transitverkehr aus anderen Mitgliedstaaten eine noch größere Belastung wären.

3.2.6

Überaus komplizierte Verfahren für die Verwaltung der Steuern öffnen Korruption und Betrug Tür und Tor. Sie verstoßen gegen das Grundprinzip der Marktwirtschaft, da für dasselbe Produkt zwei unterschiedliche Preise gelten.

3.3

Der EWSA möchte eine allgemeine Bemerkung von einiger Wichtigkeit anfügen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen schrittweise eingeführt und binnen sieben Jahren — in einigen Mitgliedstaaten binnen zehn Jahren — abgeschlossen werden. Die internationale Situation lässt weder in Bezug auf die Preise noch die Menge eine Verbesserung bei der Rohölversorgung erwarten. Unter diesen Bedingungen erscheint eine programmierte Erhöhung der Kraftstoffkosten als eine unbesonnene Maßnahme, die sich negativ auf die Verkehrskosten innerhalb der Union auswirken könnte. Sie würde auch keine spürbaren Vorteile unter dem Gesichtspunkt der Bekämpfung der Umweltverschmutzung bringen, da — wie die Kommission selbst ausführt — der Kraftstoffverbrauch nicht sinken dürfte (die Frage der Abweichungen von der üblichen Route wurde bereits im Zusammenhang mit dem „Tanktourismus“ angesprochen).

3.4

Da gerade von Zukunft die Rede ist: Ein Aspekt, der berücksichtigt werden muss, ist die schrittweise Markteinführung von alternativen Kraftstoffen, die generell befürwortet wird, da sie sowohl unter Umweltschutzgesichtspunkten als auch als Beitrag zur Verringerung der Abhängigkeit von der externen Energieversorgung eine gangbare Alternative zu konventionellen Kraftstoffen darstellt. Eine Preiserhöhung bei den konventionellen Kraftstoffen könnte ein Ansporn für die Erforschung und Produktion alternativer Kraftstoffe sein, allerdings unter der Voraussetzung, dass die künftige gemeinsame Steuerpolitik bekannt ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keinen einheitlichen Ansatz in den verschiedenen Ländern, obwohl ein genereller Konsens darüber besteht, dass die Produktion derartiger Alternativen gefördert werden muss. Die Kommission und die Regierungen müssten mit anderen Worten — über die allgemein gehaltenen Ermunterungen hinaus — kundtun, ob sie einheitliche steuerliche und nichtsteuerliche Maßnahmen für Biokraftstoffe einzuführen gedenken, und ob diese Biokraftstoffe künftig als sinnvolle „Konkurrenz“ zu herkömmlichen Kraftstoffen zu betrachten sind oder ob sie genau wie andere Kraftstoffe behandelt und folglich auch besteuert werden. Die Kraftfahrzeughersteller und der Markt dürfen darüber nicht im Unklaren gelassen werden.

3.4.1

Ein besonderes Kapitel sind auch die Flüssiggase, die gegenwärtig hauptsächlich für Pkw und im öffentlichen Personenverkehr verwendet werden, jedoch dank technologischer Innovationen künftig auch gewerblich zum Einsatz kommen könnten. Derartige Kraftstoffe werden in einigen Ländern steuerlich begünstigt. Ihr Verbrauch ist im Moment noch gering, aber ebenso wie bei den Biokraftstoffen könnte sich der Markt entwickeln und darf daher auf keinen Fall im Ungewissen gelassen werden. Noch weniger verbreitet ist der elektrische Antrieb: Auch wenn er kaum über bestimmte eng gesteckte Anwendungsmöglichkeiten hinaus Verbreitung finden dürfte, sollte sich die Kommission doch zweckmäßigerweise mit der Frage beschäftigen, welche Steuerpolitik im Hinblick auf alle alternativen Kraftstoffe betrieben werden soll.

3.5

Und schließlich bliebe das Bild ohne die Berücksichtigung der Globalisierung unvollständig: Über die Erwägungen in Bezug auf den internen Wettbewerb hinaus müsste die EU ihrer Wettbewerbsposition im Vergleich mit den hoch industrialisierten Ländern und den Ländern mit sich rasch entwickelnden Volkswirtschaften größere Aufmerksamkeit widmen. Wie bereits erwähnt, liegt der durchschnittliche Kraftstoffpreis an den Tankstellen in der EU weit über dem in den meisten anderen Ländern. Eine Maßnahme — mit sehr ungewisser Wirkung — zur Abschwächung des internen Wettbewerbs, die sich jedoch in einem allgemeinen Kostenanstieg niederschlägt, würde letztendlich eine Abkehr von unserem wichtigsten Ziel bedeuten — nämlich der Verbesserung unserer bereits prekären Wettbewerbsposition.

3.5.1

Die künftige Erhöhung des Steuersatzes für Gasöl wird sowohl positive als auch negative Aspekte und Folgen haben, wobei jedoch in der Gesamtbilanz eindeutig die negativen Auswirkungen überwiegen werden. Die Erhöhung der Steuersätze für Gasöl wird zu Einbußen bei der Wettbewerbsfähigkeit und bei den Arbeitsplätzen führen. Langfristig wird der Vorschlag das Wirtschaftspotenzial der EU einschränken und gefährden und die Verwirklichung des Zusammenhalts — eines der wichtigsten Ziele der EU — aufgrund der abnehmenden Mobilität der Menschen behindern.

4.   Schlussfolgerungen

4.1

Da der Richtlinienvorschlag im Einklang mit der EU-Politik zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen steht, ist an sich nichts gegen ihn einzuwenden. Es muss allerdings bedacht werden, dass diese Lösung keine grundlegende Verbesserung bringt, da aufgrund der Unterschiede bei den anderen Belastungen, auf die die Kommission keinen Einfluss nehmen kann, die Kostenunterschiede für die Beförderungsunternehmen in den verschiedenen Ländern weiterhin groß bleiben werden.

4.2

Besondere Aufmerksamkeit schenkt die Kommission der Bekämpfung der Umweltverschmutzung als einem wichtigen Nebeneffekt der Verringerung des „Tanktourismus“. Nach Auffassung des EWSA wird dieser Effekt bei weitem überschätzt: Während zum einen die Kraftstoffnachfrage unverändert bleibt, spielen die Abweichungen von der üblichen Route mit dem Zweck, in den Genuss niedrigerer Preise zu kommen, schon jetzt keine entscheidende Rolle.

4.2.1

In der Folge wird der „Tanktourismus“ zunehmen und weiter um sich greifen. Er wird sich von einem Binnenproblem der EU (Deutschland, Frankreich und Belgien) zu einem Problem an den Außengrenzen (Österreich, Ungarn, Slowenien, Estland, Litauen, Polen, Rumänien, Bulgarien und Griechenland) entwickeln.

4.3

In Bezug auf die Steuereinnahmen wären die Vorteile nicht unerheblich: Für den Zeitraum 2007-2030 hat die Kommission diese mit 35,6 Mrd. EUR (für die EU-25) beziffert — eine stattliche Summe, die eine Stärkung und Ausweitung der Umverteilungsfunktion der Verwaltung bewirken würde und erklärt, weshalb die Finanzbehörden vieler Mitgliedstaaten den Vorschlag positiv aufnehmen. Aber gerade diese Zahl zeigt, ohne dass weitere Kommentare erforderlich wären, welcher Kostenanstieg im Widerspruch zu der EU-Politik zur Verringerung des Verwaltungsaufwands auf die Unternehmen und die Verbraucher zukommen würde.

4.4

Abschließend ist festzuhalten, dass der Richtlinienvorschlagmit den verschiedenen vom Ausschuss dargelegten Vorbehaltenunter dem Blickwinkel der Steuerharmonisierung, der Wettbewerbsgrundsätze und der Verringerung der Umweltbelastung gerechtfertigt ist. Der EWSA ist jedoch der Auffassung, dass die endgültige Entscheidung der Gesetzgeber erst nach gebührender Prüfung der Nebenaspekte und der Auswirkungen auf die verschiedenen Politikfelder der EU unter Zugrundelegung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes getroffen werden sollte, wobei im Einzelnen folgende Punkte sorgfältig berücksichtigt werden sollten:

der generelle Kostenanstieg (insbesondere in den zuletzt beigetretenen Ländern) und die Eindämmung der Inflation;

die industriepolitischen Konsequenzen der Angleichung der Diesel- und Benzinpreise und die eventuelle Verlagerung der Verbrauchernachfrage von Dieselfahrzeugen auf Benzinfahrzeuge oder umgekehrt;

die gemeinsame Steuerpolitik im Hinblick auf alle bereits als Motorkraftstoff genutzten oder potenziell nutzbaren Energieträger;

die Bedingungen in den Randregionen, für die die Kosten der Güterbeförderung — sowohl bei der Einfuhr als auch bei der Ausfuhr — ein nicht zu vernachlässigendes Hemmnis für Wachstum und Beschäftigung darstellen. Für einige dieser Regionen wird ihre Wettbewerbsposition im Vergleich zu den benachbarten Drittländern geprüft werden müssen;

die Auswirkungen des Kostenanstiegs auf die externe Wettbewerbsfähigkeit der EU im Vergleich zu ihren Konkurrenten, insbesondere den Vereinigten Staaten, wo die Kraftstoffkosten und die Unternehmenssteuern deutlich niedriger sind;

die Folgen für die Beschäftigung: während im Moment beklagt wird, dass die Beförderungsunternehmen einiger Länder unter der Konkurrenz der Unternehmen aus anderen Ländern leiden, könnte sich mit der Verabschiedung der Richtlinie — sofern diese, entgegen den Erwartungen des EWSA, die von der Kommission vorhergesehene entscheidende Wirkung haben sollte — künftig der gegenteilige Effekt einstellen;

die Auswirkungen auf die Gesamtproduktivität und die Leistungsfähigkeit des Transportgewerbes, die nach Auffassung des EWSA bestenfalls neutral sein könnten;

die Vereinbarkeit der „nicht diskriminierenden“ Erstattungsregelung mit den politischen Maßnahmen zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren.

Brüssel, den 24. Oktober 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Richtlinie des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Energiesteuerrichtlinie).

(2)  Eine präzisere und ausführlichere Definition ist Artikel 7 Absatz 3 der Energiesteuerrichtlinie zu entnehmen.

(3)  „Gewerblich genutztes Gasöl“ ist Gasöl, das für die Güterbeförderung genutzt wird, und zwar insbesondere in Kraftfahrzeugen, die ein zulässiges Gesamtgewicht von nicht weniger als 7,5 Tonnen aufweisen.

(4)  ABl. C 175 vom 27.7.2007 zu den Verbrauchsteuersätzen auf Alkohol.

(5)  Quelle: Eurostat — IEA.

(6)  In Luxemburg gibt es nur vier Autobahntankstellen, jeweils zwei pro Fahrtrichtung.

(7)  Richtlinienvorschlag, „Allgemeiner Hintergrund“, S. 3.


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