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Document 52006IE0748

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Entwicklung und Förderung alternativer Kraftstoffe für den Straßenverkehr in der EU

ABl. C 195 vom 18.8.2006, p. 75–79 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

18.8.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 195/75


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema„Entwicklung und Förderung alternativer Kraftstoffe für den Straßenverkehr in der EU“

(2006/C 195/20)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 14. Juli 2005, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung zu erarbeiten: „Entwicklung und Förderung alternativer Kraftstoffe für den Straßenverkehr in der EU“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 24. März 2006 an. Berichterstatter war Herr RANOCCHIARI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 427. Plenartagung am 17./18. Mai 2006 (Sitzung vom 17. Mai) mit 82 gegen 2 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Empfehlungen

1.1

In den kommenden Jahrzehnten wird ein dramatischer Anstieg der Energienachfrage erwartet, und die Besorgnis der Bürger in Bezug auf die Abhängigkeit von Energielieferungen aus Drittstaaten und die Umweltbelastung wird immer größer.

1.2

Der Ausschuss ist sich dieses Problems sehr wohl bewusst und hat bereits einige wichtige Sondierungs- und Initiativstellungnahmen zu Schlüsselaspekten der Energiethematik (1) verabschiedet; einige weitere Stellungnahmen (2) werden derzeit ausgearbeitet.

1.3

All diesen Ausschussstellungnahmen sind einige grundlegende Annahmen gemein: Die herkömmlichen (fossilen) Brennstoffe werden in den nächsten zwanzig bis dreißig Jahren weiterhin den Markt beherrschen. Gleichzeitig wird der Marktanteil erneuerbarer Energieträger zweifellos steigen, allerdings nicht in einem höheren Maße als der Energieverbrauch an sich. Ihr Anteil an der Energieversorgung wird bei 15 bis 20 % des Energieverbrauchs stagnieren. Erneuerbare Energieträger müssen dennoch bevorzugt eingesetzt und daher gefördert und unterstützt werden.

1.4

Das Gleiche gilt für den Straßenverkehr, der mehr oder weniger vollkommen von Erdöl (in Form von Benzin und herkömmlichem Diesel) abhängt. Mit dieser Stellungnahme soll daher ein Beitrag zu dem ehrgeizigen Ziel der Europäischen Kommission geleistet werden, bis 2020 20 % der herkömmlichen Kraftstoffe durch alternative Kraftstoffe zu ersetzen.

1.5

Für diese Subsituierung setzt die Europäische Kommission in ihrem Aktionsplan auf Biokraftstoffe, Erdgas und Wasserstoff. Da Erdgas ein fossiler Brennstoff ist, sollte es eigentlich nicht als echter alternativer Kraftstoff angesehen werden, ist es doch kein erneuerbarer Energieträger. Sein Beitrag zur Verwirklichung des Kommissionsziels ist dennoch von grundlegender Bedeutung, da Erdgas in großen Mengen zur Verfügung steht und umweltfreundlich ist. Keine der beiden erstgenannten Optionen (Biokraftstoff und Erdgas) stellen die perfekte Lösung dar, noch sind sie vollkommen schadlos für die Umwelt und völlig energieeffizient. Wasserstoff scheint daher die richtige Wahl, doch sind noch viele Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen erforderlich, um eine sichere und kostenwirksame „Wasserstoff-Wirtschaft“ bieten zu können.

1.6

Biokraftstoffe bringen ökologische Vorteile mit sich, denn sie haben in der Regel eine wesentlich geringere, im Idealfall sogar keine Klimarelevanz. Da aus landwirtschaftlichen Rohstoffen gewonnene Kraftstoffe wie Bioethanol und FAME (Fettsäuremethylester) in gleicher Menge wie eben das Getreide selbst zur Verfügung stehen, ist die Beimischung von Bioethanol in Ottokraftstoffe und von FAME in Dieselkraftstoffe eine wirksame und umweltschonende Strategie.

1.7

Die Beimischungen müssen den u.a. vom Europäischen Normungsausschuss (CEN) festgelegten Spezifikationen entsprechen, um den störungsfreien Motorlauf zu gewährleisten und eine Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs und der Abgaswerte zu vermeiden. Für eine höhere Konzentration von FAME in Dieselkraftstoffen ist eine spezielle Umrüstung der Fahrzeuge erforderlich. Dies ist für einen zweckgebundenen Fuhrpark, beispielsweise Stadtbusse, möglich.

1.8

Die Europäische Kommission hat zwar die Richtlinie 2003/30/EG zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen veröffentlicht, im Hinblick auf Erdgas hat sie jedoch bislang keine spezifischen Initiativen ergriffen, aber die Möglichkeit einer niedrigeren Besteuerung ist die gleiche wie bei Biokraftstoffen, obwohl sie den größten Einzelbeitrag für die Verwirklichung des 2020-Ziels von Erdgas erwartet. Offenbar wollte die Europäische Kommission erst einmal die Entwicklungen im Bereich Erdgas nach der Einführung steuerlicher Anreize abwarten.

1.9

Fünf Jahre nach Veröffentlichung der Kommissionsmitteilung und drei Jahre nach Verabschiedung der Alternativkraftstoffrichtlinie bleiben die Fortschritte hinter den Erwartungen zurück, da die Mitgliedstaaten hinsichtlich der vorgegebenen Zielsetzungen im Verzug sind. Dies ist möglicherweise einer der Gründe dafür, dass die Europäische Kommission vor kurzem eine Mitteilung betreffend einen Aktionsplan für Biomasse (3) vorgelegt hat.

1.9.1

Dieser Aktionsplan bezieht sich auf die Nutzung von Biomasse im Verkehr sowie zur Wärme- und Stromerzeugung. Die wesentlichen Vorschläge für den Verkehrsbereich sind: i) neue Rechtsvorschriften für den Einsatz von erneuerbaren Energieträgern, ii) eine mögliche Überarbeitung der Biokraftstoffrichtlinie im Jahr 2006 zur Festlegung nationaler Ziele für den Marktanteil von Biokraftstoffen und zur Einführung von Verpflichtungen bezüglich der Biokraftstoffbereitstellung seitens Brennstofflieferanten, iii) nationale Aktionspläne der Mitgliedstaaten für Biomasse und iv) Forschung im Zusammenhang mit der zweiten Generation von Biokraftstoffen (aus Holz und Abfall).

1.9.2

Die Europäische Kommission erwartet, dass mit diesem Aktionsplan bei direkten Kosten von 9 Mrd. EUR die Öleinfuhren um 8 % gesenkt und Treibhausgasemissionen um 209 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent verringert werden können. 6 dieser 9 Milliarden werden für Biokraftstoffe eingesetzt, die viel teurer als Kraftstoffe auf Erdölbasis sind (so ist Biodiesel erst bei einem Ölpreis von ca. 95 USD/Barrel und Bioethanol sogar erst bei einem Ölpreis von ca. 115 USD/Barrel konkurrenzfähig (4)).

1.9.3

Der Ausschuss befürwortet diesen Aktionsplan ausdrücklich, da er im Einklang mit dieser Stellungnahme steht, mit der das Ziel verfolgt wird, die anderen europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten dazu zu bewegen, geeigneten Maßnahmen zur Förderung von Alternativkraftstoffen neue Impulse zu verleihen.

1.9.4

Der Ausschuss begrüßt die jüngste Mitteilung der Europäischen Kommission „Eine EU-Strategie für Biokraftstoffe“ (5), in der neue Impulse zur Förderung der Biokraftstoff-Erzeugung gefordert werden.

1.10

Während nämlich Biokraftstoffe und Erdgas dank der Motortechnik und der Kraftstoffvertriebssysteme neue Marktanteile gewinnen können, wodurch wiederum die Substituierung von Kraftstoffen auf Erdölbasis im vorgesehenen Umfang ermöglicht wird, bedarf es für langfristige Alternativkraftstoffe wie Wasserstoff weiterer Entwicklungsanstrengungen. Das heißt, dass Biokraftstoffe und Erdgas eine Übergangslösung auf dem Weg zu dem angestrebten nachhaltigen Kraftstoffmix für die Zeit nach 2020 darstellen.

1.11

Der Ausschuss empfiehlt, dass die Europäische Kommission verbindliche Maßnahmen annimmt, sollte der für 2006 vorgesehene Evaluierungsbericht über die Biokraftstoff-Richtlinie zeigen, dass die Maßnahmen der Mitgliedstaaten unzureichend waren, um die für Biokraftstoffe und Erdgas festgelegten Zielvorgaben zu erreichen.

1.12

Der Ausschuss erkennt an, dass ein verstärkter Einsatz von Erdgas zum Fahrzeugantrieb in der Übergangszeit, bis die Wasserstofftechnologie einsetzbar ist, als Alternative zum Erdöl sinnvoll ist. Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten sollten deshalb diese heute schon wirtschaftliche Technologie in ihren Kommunikationsstrategien immer wieder erwähnen und auch bei der Anschaffung von eigenen Fahrzeugen durchaus mit gutem Beispiel voran gehen.

2.   Begründung

2.1

Im November 2001 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Mitteilung über alternative Kraftstoffe für den Straßenverkehr (6), die einen Nachgang zu dem Grünbuch „Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit“  (7) und dem Weißbuch „Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“  (8) bildete. Diese Kommissionsmitteilung von November 2001 enthielt einen Aktionsplan mit zwei Vorschlägen.

2.2

Der erste Vorschlag betraf den verstärkten Einsatz von Biokraftstoffen, wobei eine doppelte Strategie verfolgt wird. Einerseits sollte eine immer größere Menge an mit Biokraftstoffen vermischten Otto- und Dieselkraftstoffen auf den Markt gebracht werden, um den Weg für eine Biokraftstoff-Beimischungspflicht zu ebnen. Andererseits wurden steuerliche Anreize vorgeschlagen, um Biokraftstoffe finanziell interessanter zu machen, wobei auch Erdgas in diesen Vorschlag aufgenommen wurde. Der Ausschuss nahm am 25. April 2002 (9) zu diesem ersten Vorschlag Stellung. Letztlich wurden beide Vorschläge (10) angenommen.

2.3

Der zweite Vorschlag sah die Einrichtung einer Kontaktgruppe für alternative Kraftstoffe mit der Aufgabe vor, die Europäische Kommission im Hinblick auf die Marktentwicklung für alternative Kraftstoffe im Allgemeinen und für Erdgas und Wasserstoff im Besonderen zu beraten. Die Kontaktgruppe sollte eine Analyse für die kommenden 20 Jahre im Hinblick auf das Ziel der Europäischen Kommission vornehmen, den Markt für alternative Kraftstoffe bis 2020 derart auszubauen, dass ein Fünftel (20 %) aller Kraftstoffe auf Erdölbasis durch Alternativkraftstoffe substituiert werden können.

2.4

Im Dezember 2003 legte die Kontaktgruppe einen sorgfältig ausgearbeiteten und objektiven Bericht (11) vor.

3.   Das 2020-Ziel und seine Verwirklichung

3.1

Nach dem Aktionsplan der Europäischen Kommission sind Biokraftstoffe, Erdgas und Wasserstoff die drei alternativen Kraftstoffe, die bei der Verwirklichung einer 20 %igen Substituierung den Erwartungen zufolge die wichtigste Rolle spielen dürften, und zwar in folgendem Umfang:

Jahr

Biokraftstoffe

Erdgas

Wasserstoff

Insgesamt

2005

2

 

 

2

2010

6

2

 

8

2015

7

5

2

14

2020

8

10

5

23

3.1.1

Der Anteil von Biokraftstoffen soll ab 2005 2 % betragen und bis 2020 auf 8 % gesteigert werden. Sämtliche Kraftstoffe auf Biomasse-Basis werden im Allgemeinen als Biokraftstoff bezeichnet. Die wichtigsten Biokraftstoffarten für den Straßenverkehr sind derzeit folgende:

3.1.1.1

Bioethanol, d.h. Ethanol (EtOH) oder auch Ethylalkohol, wird durch die Fermentierung von stärkehaltigen Agrarerzeugnissen wie Getreide und Zuckerrüben gewonnen. Es wird entweder in reiner Form als Ersatzstoff für Ottokraftstoffe verwendet, beispielsweise in Brasilien, allerdings sind dann spezielle Motoren erforderlich, oder aber es wird Ottokraftstoffen beigemischt, und zwar in Reinform oder in Form des synthetisch hergestellten ETBE (Ethyl-Tertiär-Butyl-Ether). Gemäß den Spezifikationen, die die Kraftstoffqualität bestimmen, kann Ottokraftstoffen bis zu 5 % Ethanol beigemischt werden, ohne dass dies motorliche Modifizierungen erforderlich macht.

3.1.1.2

Biodiesel, ein alternativer Dieselkraftstoff, wird durch Umesterung aus verschiedensten Pflanzenölen gewonnen und ist auch unter der Bezeichnung FAME (Fettsäure-Methylester) bekannt. In Europa ist Raps-Methylester (RME) die meistverbreitete Art von Biodiesel. Der Europäische Normungsausschuss (CEN) hat eine FAME-Norm festgelegt. Erzeugnisse, die den CEN-Spezifikationen entsprechen, können bereits in bis zu 5 % der Dieselfahrzeuge verwendet werden. Bis vor kurzem reichte die aus landwirtschaftlichen Rohstoffen wie Raps gewonnene Menge an FAME noch aus, um die Nachfrage zu befriedigen, wobei spezielle steuerliche Anreize in Anspruch genommen werden. In ihrer Mitteilung von November 2001 (12) brachte die Europäische Kommission ihre Bedenken hinsichtlich einer großmaßstäblichen Gewinnung von Kraftstoffen aus landwirtschaftlichen Rohstoffen und ihrer Machbarkeit zum Ausdruck.

3.1.1.3

Biogas, d.h. methanreiches Gas, wird durch anaerobe Vergärung organischen Materials wie etwa Gülle, Klärschlamm und städtischen Abfällen erzeugt und ähnelt in seinen Eigenschaften Erdgas. Biogas muss zu Erdgasqualität veredelt werden, um in erdgastauglichen Normalfahrzeugen verwendet werden zu können. In Schweden werden mehr als 5.000 Fahrzeuge mit Biogas betrieben. Die schwedische Erfahrung zeigt, dass Methan entweder in Form von Bio- oder Erdgas ein wirtschaftlich nachhaltiger Kraftstoff ist, der das Potenzial zur drastischen Senkung von Emissionen im städtischen Verkehr bietet.

3.2

In Bezug auf Erdgas hat die Europäische Kommission weniger unternommen, als der Beitrag von Erdgas zum 2020-Ziel erfordert hätte, und bislang auch keinen spezifischen Vorschlag vorgelegt.

3.3

Diese Untätigkeit der Europäischen Kommission ist insofern problematisch, als in dem Bericht, der von der von der Europäischen Kommission selbst eingerichteten Kontaktgruppe „Alternative Kraftstoffe“ vorgelegt wurde und auf einer eingehenden „Well-to-Wheels“-(„Quelle bis zum Rad“ oder WTW)-Analyse alternativer Kraftstoffe beruht, der Schluss gezogen wird, dass Erdgas als einziger Alternativkraftstoff über das Potenzial verfügt, bis 2020 einen signifikanten Marktanteil von deutlich über 5 % zu erreichen und somit mit den herkömmlichen Kraftstoffen in Bezug auf die Versorgungsrentabilität auf einem fortgeschrittenen Markt zu konkurrieren.

3.4

In ihrer Mitteilung vom November 2001 erachtete die Europäische Kommission Naturgas als denjenigen alternativen Kraftstoff, der zur Verwirklichung des 2020-Ziels als Einzelfaktor am stärksten beitragen könnte. Die Kontaktgruppe stimmte dieser Einschätzung aus folgenden Gründen zu:

3.4.1

Erdgas entspricht der Forderung nach einer erhöhten Versorgungssicherheit nicht nur durch die Kraftstoffdiversifizierung, da es nicht von Erdöl abhängig ist, sondern auch, weil die Nachfrage nicht durch die Primärversorgung eingeschränkt ist. Die Ausweitung des Einsatzes von Biokraftstoffen hingegen könnte letztlich an die Grenzen der Versorgungsmöglichkeiten stoßen, da ein 10 %iger Anteil im Straßenverkehr, d.h. das Ziel der Europäischen Kommission für 2020, rund 5 % des gesamten für diesen Zeitpunkt angenommenen Erdgasverbrauchs in der EU entsprechen würde. Diese Anmerkung unterstreicht die Notwendigkeit einer Vorgehensweise, mit der Synergieeffekte für alle drei alternativen Kraftstoffe erzielt werden.

3.4.2

Erdgas trägt außerdem zur Verwirklichung des strategischen Ziels der Verringerung der Treibhausgasemissionen bei. Aufgrund der chemischen Struktur von Methan (CH4) enthält Erdgas weniger Kohlenstoff als andere fossile Brennstoffe wie Benzin und Diesel. Die WTW-Analyse hat ergeben, dass der Treibhausgasausstoß bei mit komprimiertem Erdgas betriebenen Fahrzeugen geringer ist als bei benzinbetriebenen Fahrzeugen und bei der heutigen Technik dem Emissionsniveau eines Dieselfahrzeugs vergleichbar ist. Man geht davon aus, dass durch die Weiterentwicklung der CNGV-Motorentechnik die Treibhausgasemissionswerte im Jahr 2010 und in den Folgejahren unter den Emissionswerten von Dieselmotoren liegen werden.

3.4.3

Neben den geringeren Treibhausgasemissionen bringt der Einsatz von Erdgas als Motorkraftstoff weitere Umweltvorteile in Bezug auf Abgasemissionen. So gibt es bei den bereits heute zum Einsatz kommenden mit komprimiertem Erdgas betriebenen Fahrzeugen nur geringe Stickstoffoxidemissionen (NOx) und keine Partikelemissionen, die ein ernstes Problem darstellen. Scharfe Höchstwerte der Europäischen Union für die Partikelbelastung der Luft sind insofern für erdgasbetriebene Fahrzeuge positiv. Erdgasbetriebene Busse haben sich für den öffentlichen Stadtverkehr als rentabel erwiesen, und die Europäische Kommission hat mit der bereits erfolgten finanziellen Unterstützung bei der Einführung von Modellfahrzeugen zur verstärkten Einführung beigetragen. Die städtische Umwelt könnte auf einfache Art und Weise durch die Förderung der Verwendung von Erdgas in öffentlichen Bussen und Fahrzeugen der Müllabfuhr als Teil eines vernünftigen „ökologieorientierten Auftragsvergabe-Konzepts“ verbessert werden.

3.4.4

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung könnte mit dem vor kurzem vorgelegten Richtlinienvorschlag über die Förderung sauberer Straßenfahrzeuge (13) getan werden. Nach Annahme dieses Vorschlags werden die Mitgliedstaaten verpflichtet sein, jährlich eine Quote von 25 % der von öffentlichen Stellen durch Kauf oder Leasing angeschafften schweren Nutzfahrzeuge (mit einem Gesamtgewicht über 3,5 t) für mit Alternativkraftstoffen betriebene Fahrzeuge zu reservieren, die den Normen für besonders umweltfreundliche Fahrzeuge (14) entsprechen. Diese Normen für besonders umweltfreundlichen Fahrzeuge (enhanced environment-friendly vehicleEEV) gelten für mit Biokraftstoffe, komprimiertem Erdgas, Flüssiggas und Wasserstoff betriebene Fahrzeuge sowie Hybrid- und elektrische Fahrzeuge.

3.5

Wasserstoff kommt in freier Form in der Natur nicht vor. In der Natur sind nur chemische Wasserstoffverbindungen zu finden, beispielsweise Wasser und Kohlenwasserstoffe. Wasser (H2O) besteht gewichtsmäßig zu 11 % aus Wasserstoff (H2) (2/18). Otto- und Dieselkraftstoffe sind Kohlenwasserstoffgemische. Methan, ein Kohlenwasserstoff, ist der Hauptbestandteil von Erd- und Biogas.

Da Wasserstoff nicht in der Natur vorkommt, muss er eigens hergestellt werden. Wasserstoff wird für die Verwendung in der chemischen und petrochemischen sowie der Mineralölindustrie und in weiteren Industriezweigen erzeugt.

Zur Gewinnung von Wasserstoff, beispielsweise durch die Elektrolyse von Wasser oder die Dampfreformierung von Erdgas, ist Energie erforderlich, und zwar Stromenergie für die Elektrolyse und Wärmeenergie für die Dampfreformierung.

Für die Erstellung einer Rangordnung der Herstellungsmöglichkeiten von der Quelle bis zum tatsächlichen Wasserstoff muss eine „Well to tank“ („Quelle bis zum Tank“ oder WTT)-Analyse für die Berechnung des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen durchgeführt werden.

Wasserstoff ist seit langem ein Industriegut, das von Industriegasunternehmen hergestellt und vermarktet bzw. für den Eigenbedarf in Ölraffinerien erzeugt wird. Seine Verwendung als Verkehrskraftstoff steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Daher ist das Ziel einer Substituierung herkömmlicher Kraftstoffe in Höhe von 2 % bis 2015 und von 5 % bis 2020 eine echte Herausforderung.

3.5.1

Die Kontaktgruppe hat mehrere Aspekte im Hinblick auf den verstärkten Einsatz von Wasserstoff als Kraftstoff herausgearbeitet:

i)

flüssiger Wasserstoff, der bei einer Temperatur von -252oC in Kältetanks beispielsweise in einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor aufbewahrt wird, oder gasförmiger Wasserstoff, der beispielsweise komprimiert in Flaschen bei einem Druck von 700 bar in einem Brennstoffzellenfahrzeug aufbewahrt wird?

ii)

eine zentralisierte Wasserstoffherstellung in Großanlagen, die im Hinblick auf den Energieverbrauch optimiert werden können, oder eine verteilte Erzeugung in kleinen Einheiten an der Tankstelle?

iii)

da Brennstoffzellenfahrzeuge im mittleren Leistungsbereich am effizientesten sind, wäre es vielleicht sinnvoll zu unterscheiden zwischen Brennstoffzellenfahrzeugen, beispielsweise für den Stadtverkehr und Kfz mit Verbrennungsmotor für Langstrecken, d.h. für große Strecken, bei denen der Motor volle Leistung bringen muss.

iv)

Weitere Schwierigkeiten liegen in der Brennstoffzellentechnologie selbst, beispielsweise in Bezug auf das Gerät, in dem durch Oxidationsreaktion von Wasserstoff ein Elektronenfluss in Gang gesetzt, sprich elektrischer Strom erzeugt wird, der den Elektromotor und über diesen wiederum die Räder antreibt. Diese Fragen würden jedoch den Rahmen dieser Stellungnahme sprengen.

3.5.2

Zusammengefasst bringt der Einsatz von Wasserstoff als alternativer Kraftstoff zwei Herausforderungen mit sich: erstens die Kraftstoffversorgung und zweitens die entsprechende Antriebstechnik. Die Europäische Union hat im fünften und sechsten Forschungsrahmenprogramm zunehmend FuE-Mittel für Wasserstoff und Brennstoffzellentechnik bereitgestellt. Im sechsten Forschungsrahmenprogramm ist die Forschung in diesen beiden Bereichen derzeit in der nachgeordneten Priorität „Nachhaltige Energiesysteme“ mit einem Gesamthaushalt von 890 Mio. EUR erfasst. In den aktuellen Debatten über das siebente Forschungsrahmenprogramm schlägt das Europäische Parlament vor, diese Thematik unter einer neuen Schlüsselpriorität „Alle bestehenden und künftigen CO2-freien Energieträger“ mit einer höheren Mittelausstattung einzuordnen. Der Nutzen für die Umwelt rechtfertigt diese Bemühungen, fällt doch bei der Oxidierung von Wasserstoff in einer Brennstoffzelle einzig und allein Wasser als „Abfallprodukt“ an.

4.   Schlussfolgerungen

4.1

Das von der Europäischen Kommission im November 2001 festgelegte Ziel, und zwar ein Anteil von 20 % an alternativen Kraftstoffen am Gesamtkraftstoffverbrauch bis 2020, beruht auf zwei bewährten Technologien bzw. Erzeugnissen, Biokraftstoff und Erdgas, sowie auf einer vielversprechenden Entwicklung, Wasserstoff und Brennstoffzellen.

4.2

Biokraftstoffe und Erdgas sind — trotz einiger Schwierigkeiten — hier und heute verfügbar und besitzen die notwendigen Eigenschaften, um sowohl die Probleme im Zusammenhang mit der Kraftstoffvertriebslogistik als auch der Motortechnik zu meistern.

4.2.1

Da Erdgas ein fossiler Brennstoff ist, d.h. es ist nicht „erneuerbar“, sollte es eigentlich nicht als echter alternativer Kraftstoff angesehen werden, doch stellt es heute eine der realistischsten Optionen für die Substituierung von Kraftstoffen auf Erdölbasis dar, die unverzichtbar ist, um das Substituierungsziel von 20 % bis 2020 zu erreichen. Erdgas könnte eine wichtige Rolle als alternativer Kraftstoff spielen, da

die Erdgasreserven reichlich vorhanden sind und länger reichen werden als die Erdölreserven;

trotz der jüngsten Schwierigkeiten die geopolitische Verteilung der Erdgasreserven im Vergleich zu Erdöl einen relativ stabilen Markt garantiert;

es das höchste Wasserstoff/Kohlenstoff-Verhältnis der Kohlenwasserstoffe mit den niedrigsten CO2-Emissionswerten aufweist;

es eine Vorstufe zur Wasserstofftechnik im Kfz-Bau sein kann.

Ein solides Erdgasvertriebsnetzwerk könnte letztlich als Katalysator für kleine lokale Wasserstoff-„Tankstellen“ dienen. Die derzeitigen Hindernisse für die Verbreitung von Erdgasfahrzeugen sind großteils auf das unzureichende und ungleichmäßige Kraftstoffvertriebsnetzwerk zurückzuführen.

4.2.2

Biokraftstoffe vereinen die positive Umweltbilanz von Erdgas mit dem Vorteil, eine erneuerbare Energiequelle zu sein, wodurch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert wird. Auch wenn dies noch nicht eindeutig bewiesen werden konnte, besteht außerdem eine echte Aussicht auf Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Landwirtschaft; zumindest aber gehen keine weiteren Arbeitsplätze verloren. Aus Forstproduktion kann ebenfalls Biokraftstoff gewonnen werden, z.B. durch Vergasung von Schwarzlauge (black liquor) oder Vergärung von Holzzellstoff-Biomasse. Diese beiden Techniken befinden sich derzeit noch im Versuchsstadium, und ihr Beitrag zur Biokraftstofferzeugung wird erst mittelfristig ins Gewicht fallen. Wenn man jedoch die derzeitige Nachfrage nach Kraftstoffen für Verkehrszwecke (15) berücksichtigt, muss ein rasanter Anstieg des Biokraftstoffanteils vor dem Hintergrund folgender ökologischer „Nebenwirkungen“ geprüft werden:

Der Anbau von Getreide für Biodiesel ist eine Nischenproduktion, mit der die EU-Kraftstoffnachfrage jedoch nicht befriedigt werden kann.

Zur Verwirklichung des 2010-Ziels, einen Anteil von 6 % zu erreichen, müssten bis zu 13 % der Gesamtagrarfläche der derzeitigen EU für den Anbau von Getreide verwendet werden. Dies könnte wiederum zu teuren Maßnahmen für den Schutz des Bodens, des Grundwassers und der Biodiversität sowie für die Vermeidung weiterer Treibhausgasemissionen führen (16). Mit Importen würde das Problem lediglich auf andere Länder abgewälzt. Außerdem wäre eine Zunahme des Seeverkehrs die Folge.

4.2.3

Offenbar will die Europäische Kommission mit ihrer am 7. Februar 2006 veröffentlichen Mitteilung (17) diese Probleme und Unsicherheiten angehen. So wurden zahlreiche Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung der Erzeugung und Verwendung von Biokraftstoffen sowohl in der EU als auch in Drittländern gebündelt. Der Ausschuss wird die Umsetzung der angekündigten Strategie mit großem Interesse verfolgen.

4.3

Zur Erreichung des 2020-Ziels für alternative Kraftstoffe bedarf es einer Vorgehensweise, mit der Synergieeffekte erzielt werden, d.h. alle drei Kraftstoffe müssen gleichzeitig gefördert werden.

4.4

Es ist eine durchaus berechtigte Annahme, dass die Anstrengungen in Bezug auf die Marktentwicklung dieser alternativen Kraftstoffe, deren Rentabilität bewiesen ist, auf weniger Schwierigkeiten stoßen werden, da sowohl das Fachwissen als auch die Technologie bereits heute verfügbar sind.

4.5

Die Europäische Kommission sollte gemeinsam mit der Wirtschaft überlegen, warum die bislang getroffenen Maßnahmen nicht ausreichend waren, um die Verbreitung von Erdgas als Fahrzeugkraftstoff zu fördern. Nach Meinung des Ausschusses sollte jeder Mitgliedstaat unter Berücksichtigung der besonderen einzelstaatlichen Gegebenheiten eine Mindestzielvorgabe festlegen.

4.6

In diesem Vorschlag sollten auch die technischen und sicherheitsmäßigen Anforderungen für Erdgastankstellen überarbeitet werden. Diese Anforderungen sind vielfach veraltet und tragen den jüngsten Entwicklungen nicht Rechnung. Eine derartige Überarbeitung sowie eine Vereinfachung der bürokratischen Verfahren könnten einer größeren Verbreitung von Erdgastankstellen förderlich sein. Die Genehmigungen für die Errichtung einer Erdgastankstelle sind oftmals über Gebühr kompliziert und zeitaufwendig.

4.7

Wie bereits in Ziffer 4.2.1 erwähnt, wird ein derartiges Programm dazu beitragen, den Übergang zu den Wasserstofffahrzeugen der Zukunft zu erleichtern. Technologische Fortschritte bei den Kfz-Tanks werden nämlich auch für den Einsatz von komprimiertem Wasserstoff von grundlegender Bedeutung sein. Dies gilt auch für Konzipierung der Wasserstoffbetankungs- und -mengenmesstechnik und des Tankstellen-Designs. Jede Investition in Erdgastechnik bringt auch die Wasserstofftechnik voran.

4.8

Mit der unverzüglichen Entwicklung rentabler alternativer Kraftstoffe kann außerdem eine Art Sicherheitsnetz geschaffen werden, sollten unvorhergesehene Verzögerungen bei der Umsetzung des ehrgeizigen Entwicklungsplans für Wasserstoff eintreten.

4.9

Abschließend bekräftigt der Ausschuss, dass echte Fortschritte hin zu umweltfreundlicheren Fahrzeugen mit geringerem Kraftstoffverbrauch nicht nur durch die Entwicklung von Alternativkraftstoffen, sondern auch durch die Eindämmung von Verkehrsstaus durch bessere Infrastruktur, durch die Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel und in viel stärkerem Maße noch durch einen Wandel im Verbraucherverhalten erreicht werden können. Der derzeitige Beliebtheitsgrad von SUV-Fahrzeugen (Sport Utility Vehicles) zeigt, dass die Verbraucher nicht bereit sind, sich umzustellen. Die meisten dieser Fahrzeuge haben einen sehr hohen Kraftstoffverbrauch, was wiederum entsprechend hohe CO2-Emissionen zeitigt. Die steigende Nachfrage nach solchen Fahrzeugen macht es den Automobilherstellern schwer, sich umweltfreundlicheren Fahrzeugen zuzuwenden.

Brüssel, den 17. Mai 2006

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Förderung der erneuerbaren Energieträger: Aktionsmöglichkeiten und Finanzierungsinstrumente (ABl. C 108 vom 30.4.2004); Fusions–energie (ABl. C 302 vom 7.12.2004); Situation und Perspektiven der „klassischen“ Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas im zukünftigen Energiemix (ABl. C 28 vom 3.2.2006); Erneuerbare Energieträger (ABl. C 65 vom 17.3.2006); Energieeffizienz (ABl. C 110 vom 9.5.2006).

(2)  Energieversorgung in der Europäischen Union — Optimierungsstrategie (TEN/227).

(3)  KOM(2005) 628 endg. vom 7. Dezember 2005.

(4)  Siehe „Aktionsplan für Biomasse“, Fußnote 16 (KOM(2005) 628 endg. vom 7. Dezember 2005).

(5)  KOM(2006) 34 endg. vom 7. Februar 2006.

(6)  KOM(2001) 547 endg.

(7)  KOM(2000) 769 endg.

(8)  KOM(2001) 370 endg.

(9)  ABl. C 149 vom 21.6.2002.

(10)  Richtlinie 2003/30/EG (ABl. L 123 vom 8.5.2003, S. 42) und Richtlinie 2003/96/EG (ABl. L 283 vom 27.10.2003, S. 51).

(11)  Bericht der Kontaktgruppe Alternative Kraftstoffe: „Marktentwicklung von alternativen Kraftstoffen“, Dezember 2003.

(12)  KOM(2001) 547 endg., Ziffer 2.2, „Landwirtschaftspolitik“.

(13)  KOM(2005) 634 endg. vom 21. Dezember 2005.

(14)  Siehe Richtlinie 2005/55/EG.

(15)  Biokraftstoffe machen derzeit lediglich rund 0,6 % des Otto- und Dieselkraftstoffverbrauchs in der EU aus.

(16)  Europäische Umweltagentur (EEA 2004/04). In weiteren Studien wird darauf abgezielt, festzustellen, wie viel Biomasse Europa verwenden kann, ohne dabei die Umwelt zu beeinträchtigen.

(17)  „Eine EU-Strategie für Biokraftstoffe“, KOM(2006) 34 endg.


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