ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 197

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

61. Jahrgang
8. Juni 2018


Inhalt

Seite

 

I   Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

 

STELLUNGNAHMEN

 

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

 

531. Plenartagung des EWSA vom 17./18. Januar 2018

2018/C 197/01

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Förderung von KMU in Europa mit besonderem Schwerpunkt auf einem horizontalen Legislativansatz für KMU und auf der Wahrung des Prinzips Vorfahrt für KMU des Small Business Act (Sondierungsstellungnahme)

1

2018/C 197/02

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Ein umfassender Ansatz für die Industriepolitik in der EU — Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie (Sondierungsstellungnahme)

10


 

III   Vorbereitende Rechtsakte

 

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

 

531. Plenartagung des EWSA vom 17./18. Januar 2018

2018/C 197/03

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Das jährliche Arbeitsprogramm 2018 der Union für europäische Normung(COM(2017) 453 final)

17

2018/C 197/04

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/413/JI des Rates(COM(2017) 489 final — 2017/0226 (COD))

24

2018/C 197/05

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Modelle(COM(2017) 335 final — 2017/0138 (CNS))

29

2018/C 197/06

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets(COM(2017) 770 final)

33

2018/C 197/07

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor(COM(2017) 281 final — 2017/0123 (COD))

38

2018/C 197/08

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/22/EG bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und zur Festlegung spezifischer Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71/EG und der Richtlinie 2014/67/EU für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor(COM(2017) 278 final — 2017/0121 (COD)) und zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hinsichtlich der Mindestanforderungen in Bezug auf die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, Mindestfahrtunterbrechungen sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten und der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 in Bezug auf die Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern(COM(2017) 277 final — 2017/0122 (COD))

45

2018/C 197/09

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Luftfahrt: Ein offenes und gut angebundenes Europa(COM(2017) 286 final) und Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Sicherstellung des Wettbewerbs im Luftverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 868/2004(COM(2017) 289 final — 2017/0116 (COD))

58

2018/C 197/10

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (Neufassung)(COM(2017) 548 final — 2017/0237 (COD))

66

2018/C 197/11

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 hinsichtlich der Festlegung des Sitzes der Europäischen Arzneimittel-Agentur(COM(2017) 735 final — 2017/0328 (COD))

71

2018/C 197/12

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1093/2010 hinsichtlich der Festlegung des Sitzes der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde(COM(2017) 734 final — 2017/0326 (COD))

72


DE

 


I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

STELLUNGNAHMEN

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

531. Plenartagung des EWSA vom 17./18. Januar 2018

8.6.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 197/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Förderung von KMU in Europa mit besonderem Schwerpunkt auf einem horizontalen Legislativansatz für KMU und auf der Wahrung des Prinzips ‚Vorfahrt für KMU‘ des Small Business Act“

(Sondierungsstellungnahme)

(2018/C 197/01)

Berichterstatterin:

Milena ANGELOVA

Mitberichterstatter:

Panagiotis GKOFAS

Befassung

Bulgarischer Ratsvorsitz, 5.9.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

18.12.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

17.1.2018

Plenartagung Nr.

531

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

241/5/8

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) betont, dass die KMU besondere Aufmerksamkeit erfordern (1), und fordert die Europäische Kommission auf, den Small Business Act (SBA) und seine Grundsätze rechtsverbindlich zu verankern. Dies muss mit raschen, sorgfältig konzipierten und abgestimmten gemeinsamen Maßnahmen der Europäischen Union (EU) und ihrer Mitgliedstaaten — auch auf regionaler und lokaler Ebene — sowie der Unternehmensverbände einhergehen, die auf eine tatsächliche Verbesserung der Situation der KMU abzielen. Alle Akteure müssen dabei bestrebt sein, die gemeinsam vereinbarten Maßnahmen umzusetzen und ihren Teil Verantwortung im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Entwicklung und dem wirtschaftlichen Fortschritt zu übernehmen.

1.2.

Die Sozialpartner und repräsentativen KMU-Verbände müssen enger in das Europäische Semester eingebunden werden, wozu auch eine einheitliche Berichterstattung und die Überwachung der Umsetzung der Ergebnisse der Partnerschaftsvereinbarungen mit den Mitgliedstaaten gehören. Der EWSA fordert die Kommission und den Rat auf, die Umsetzung des SBA als regelmäßig zu überprüfenden Bereich in das Europäische Semester und den Jahreswachstumsbericht aufzunehmen und dabei eng mit den repräsentativen KMU-Verbänden zusammenzuarbeiten.

1.3.

Der EWSA fordert eine inklusive, kohärente und wirksame horizontale europäische KMU-Politik, die auch den Bedürfnissen der verschiedenen Untergruppen des Mittelstands, z. B. wertschöpfende Unternehmen, Kleinst- und Kleinunternehmen, Familienunternehmen, traditionelle Unternehmen, Unternehmen in abgelegenen Gebieten, Selbstständige, Handwerk usw. Rechnung trägt. Er hält es für wesentlich, dass für die einzelnen Untergruppen jeweils Definitionen vorhanden sind (2). Die unternehmerische Freiheit als Wesensbestandteil des Modells der sozialen Marktwirtschaft in der EU, die auf der Wirtschaftsdemokratie in ihren verschiedenen Ausprägungen beruht, ist in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert und muss effektiv gewährleistet werden. Dabei gilt es, den Unternehmergeist und die unternehmerische Kultur und Bildung in Europa zu verbessern.

1.4.

Der EWSA empfiehlt, dass der bulgarische, der österreichische und der rumänische Ratsvorsitz eine ständige interinstitutionelle Beratungsgruppe „KMU“ mit den repräsentativen KMU-Verbänden einrichten und betreiben. Diese Gruppe sollte zunächst die spezifischen Arbeitspläne im Zeitraum 2014-2020 für bereichs- und sektorübergreifende Maßnahmen und Programme zur KMU-Förderung begleiten und darüber Bericht erstatten.

1.5.

Der EWSA betont, dass die in dieser Stellungnahme vorgebrachten konkreten Vorschläge rasch umgesetzt werden sollten, und fordert die Kommission, das Europäische Parlament (EP) und den Rat auf, umgehend entsprechende Maßnahmen einzuleiten.

2.   Kontext und derzeitige Lage

2.1.

Der künftige bulgarische EU-Ratsvorsitz hat im September 2017 um eine Sondierungsstellungnahme zur KMU-Förderung in Europa unter besonderer Berücksichtigung horizontaler Legislativansätze für KMU und der Einhaltung des SBA und des Grundsatzes „Vorfahrt für KMU“ ersucht. Der EWSA befürwortet diese Initiative nachdrücklich, da sie völlig der in seinen Stellungnahmen wiederholt vorgebrachten Forderung entspricht, den SBA und die darin enthaltenen Grundsätze rechtsverbindlich zu verankern.

2.2.

Die Kommission hatte zuvor im Juni 2017 einen Zeitplan (3) zur Einleitung von Konsultationen über die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit einer Aktualisierung der Definition von KMU veröffentlicht. Die ersten Reaktionen darauf zeigten, dass die Mehrheit der Teilnehmer an der Konsultation (18 von 22) die Definition für überholt hält und eine Aktualisierung und Anpassung fordert (4).

2.3.

Im Jahr 2011 veröffentlichte die Europäische Kommission eine „Überprüfung des SBA für Europa“ (5), um dessen Umsetzung zu beschleunigen (6), und 2014 führte sie eine öffentliche Konsultation zur Überprüfung des SBA (7) durch, doch leider gab es keine weiteren politischen Folgemaßnahmen dazu. Die jährlichen Fortschritte des SBA werden vom Netz der KMU-Beauftragten überprüft, jedoch müssen große Anstrengungen unternommen werden, damit diese Informationen tatsächlich die KMU und ihre repräsentativen Verbände erreichen.

2.4.

Der EWSA begrüßt die Anstrengungen der Europäischen Kommission zur Umsetzung des Grundsatzes „Vorfahrt für KMU“ und insbesondere den Ansatz der besonderen Berücksichtigung der KMU-Belange, wie er im Rahmen von REFIT und der Start-up- und Scale-up-Initiative verwendet wird (8).

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der EWSA bedauert, dass bei der tatsächlichen Anwendung des Grundsatzes „Vorfahrt für KMU“ nur vereinzelt Fortschritte erzielt wurden, womit das Prinzip bei weitem noch nicht als vollständig umgesetzt angesehen werden kann. Diese Verzögerung bei der Umsetzung birgt große Gefahren, sind doch die KMU derzeit mit besonders vielen Herausforderungen konfrontiert. Dazu gehören ein immer härterer Wettbewerb, ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, neue Formen der Arbeit und des Konsums, ein immer komplexerer und intensiverer Informationsfluss, beschränkte Mittel für die Innovation, die kontinuierliche Abwertung der Rolle des Unternehmers in der Gesellschaft, volatile Finanzmärkte ein schwieriger Zugang zu Finanzierungen, eine hohe Abhängigkeit von einem externen Umfeld, geringe Verhandlungsmacht (9). Die Lage der KMU wird zusätzlich verschärft durch übermäßig komplizierte Verfahren im Bereich technische Normung, die Vorschriften zum Schutz des geistigen Eigentums und die allgemeinen Datenschutzvorschriften, Marktmissbrauch durch globale Akteure und die Hindernisse für die Teilnahme an öffentlichen Aufträgen auf EU- und nationaler Ebene und an den globalen Wertschöpfungsketten. Effizientere Lösungen sollten entwickelt werden, insbesondere dort, wo KMU durch strukturelle Probleme und Marktversagen beeinträchtigt werden.

3.2.

Die Digitalisierung und die damit einhergehenden technischen Entwicklungen wie der elektronische Handel bieten den KMU nicht nur wertvolle Chancen, sondern stellen sie auch vor große Herausforderungen, zwingen sie sie doch zu Änderungen in ihrer Unternehmenskultur, ihrer Tätigkeit und ihrem Geschäftsmodell. Eine engere Einbeziehung der für KMU besonders relevanten Wirtschaftssektoren und Regionen in die Strategie „Industrie 4.0“ wäre höchst wünschenswert.

4.   Bessere Politikgestaltung und wirksamere Umsetzung

4.1.

Nach Ansicht des EWSA kann die KMU-Definition nicht die Antwort auf alle Probleme der KMU geben, sondern ist vielmehr ein Instrument für einen besseren Zugang zu Fördermaßnahmen. Als Grundlage für eine Überarbeitung der Definition sollte bewertet werden, wie sich die vorgeschlagenen Änderungen auf die EU-Maßnahmen und -Programme für KMU und insbesondere auf ihren Beitrag zum Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen auswirken würden. Bei der Aktualisierung sollten die wichtigsten Empfehlungen auf der Grundlage der Ergebnisse der Konsultation und die Entscheidung des EuGH (10) berücksichtigt werden. Der ESWA fordert weitere Anstrengungen, um zu prüfen, ob bei der Überarbeitung mindestens folgende Aspekte aufgenommen werden können (11): Flexibilität für die KMU zu entscheiden, welche zwei der drei Kriterien nach Artikel 2 des Anhangs der Empfehlung (12) sie erfüllen, anstatt die „Mitarbeiterzahl“ (13) als einziges Hauptkriterium anzusetzen; Maßnahmen zur Aktualisierung (soweit erforderlich) der in Artikel 2 festgelegten Schwellenwerte einschließlich ihrer Angleichung an den aktuellsten Ansatz gemäß der Richtlinie 2013/34/EU (14) und die Neubewertung und Überarbeitung der einschränkenden Bestimmungen in Artikel 3 (15). Die Kommission sollte, sofern sie die KMU-Definition überarbeitet, die europäischen, nationalen und regionalen KMU-Organisationen eng darin einbinden.

4.2.

Die Konzipierung von Maßnahmen zur KMU-Förderung sollte auf einem detaillierteren und stärker differenzierten Konzept beruhen, das der Heterogenität und Vielfalt der KMU und den verschiedenen Formen von Marktversagen, mit denen sie konfrontiert sind, Rechnung trägt. Die spezifischen Bedürfnisse der verschiedenen Untergruppen (16) mit dem Potenzial, zur wirtschaftlichen Entwicklung beizutragen (17), sollten — mit ihren verschiedenen Rechtsformen und Geschäftsmodellen (18) — untersucht werden, um ein geeignetes Spektrum an politischen Maßnahmen zur Förderung ihres Wachstums zu konzipieren und wirksam umzusetzen, u. a. durch Entwicklung von Definitionen für die einzelnen Untergruppen (19). Ein effizientes Marketing sollte zum Einsatz kommen, und die Förder- und Unterstützungsmaßnahmen in den Mitgliedstaaten sollten im Rahmen des Europäischen Semesters jedes Jahr auf EU-Ebene mittels objektiver Studien (einschließlich quantitativer Analysen) überwacht und bewertet werden.

5.   KMU-Finanzierung

5.1.

Die meisten KMU sind sehr kleine Betriebe und Kleinstunternehmen, wozu auch die Selbstständigen und freien Berufe gehören. Diese Gruppen haben sehr spezifische Bedürfnisse in Bezug auf die Finanzierung — sie brauchen relativ geringe Beträge, ohne Sicherheiten leisten zu müssen, und sie haben nur eine sehr begrenzte Kapazität für Verwaltungsformalitäten. Angesichts ihres erheblichen Potenzials für die Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze, insbesondere in relativ kleinen und abgelegenen Städten, fordert der EWSA die Kommission auf, ihr Augenmerk verstärkt auf die Entwicklung einfacher und leicht zugänglicher Instrumente zu legen, mit denen ihr Finanzierungsbedarf gedeckt werden kann.

5.2.    Kreditfinanzierung

5.2.1.

Die KMU-Charta und der SBA gehören zu den jüngsten EU-Prioritäten im Bereich der Bankenunion, weshalb der EWSA einen umfassenderen, gründlichen und schlüssigen Ansatz fordert, um zu messen, wie das Prinzip Vorfahrt für KMU bei den EU-Maßnahmen im Bankenbereich und in den unterschiedlichen nationalen Rechtsvorschriften für den Banken- und Finanzsektor in den Mitgliedstaaten angewandt wurde bzw. werden könnte. Der EWSA ersucht die Europäische Bankenaufsichtsbehörde, in die Interessengruppe Bankensektor und in alle anderen einschlägigen Fachgremien auch Vertreter des EWSA aufzunehmen.

5.2.2.

Der EWSA spricht sich für die Schaffung und Weiterentwicklung eines Netzwerkes von „Kredit-Ombudsleuten“ der Mitgliedstaaten unter Koordinierung der EU aus, um den Dialog zwischen KMU und Kreditinstituten weiter zu erleichtern und ausgewogen zu gestalten.

5.2.3.

Um die Informationslücke zwischen Banken und KMU zu schließen und das Finanzwissen der KMU zu verbessern, schlägt der EWSA vor, dass gemäß dem Grundsatz des Banken-Feedbacks qualitative Daten angefordert und analysiert werden, um zu sehen, wie die Finanzinstrumente von zwischengeschalteten Banken eingesetzt werden, sodass sie die KMU erreichen, die die Finanzmittel am dringendsten benötigen (20), und aus welchen Gründen KMU Kredite verwehrt werden (21).

5.2.4.

Der EWSA ist sehr besorgt über die Berichte über Bankenausfälle, die für Kleinunternehmen wegen einfacher Liquiditätsprobleme das Aus bedeutet haben, und fordert die Europäische Kommission auf, rasch Maßnahmen zu ergreifen, um solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern. Eine Unternehmens-Kreditkarte mit der Bonitätsgeschichte, die eine Anhebung des Kreditlimits auf der Grundlage eines bisherigen umsichtigen Gebrauchs ermöglicht (22), könnte eine Lösung sein.

5.2.5.

Ein großes Potenzial als alternative Finanzierungsquelle für KMU haben innovative Plattformen, über die es möglich ist, Peer-to-Peer-Kredite zu erhalten, ohne dabei die Banken einzuschalten. Ein Hemmnis für die Entfaltung des großen Potenzials dieser neuen Formen der Kreditvergabe sind jedoch die Unklarheiten in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Der EWSA fordert die politischen Entscheidungsträger, Regulierer und Interessenträger auf, für klare Vorschriften für die wichtigen Finanzintermediäre in diesem Bereich zu sorgen, ohne dadurch einen größeren Verwaltungsaufwand zu schaffen.

5.2.6.

Bewährte Verfahren der Mitgliedstaaten für einen einfachen und erschwinglichen Zugang der KMU zu Finanzierungen müssen untersucht und verbreitet werden, und es sollten Anreize für die Übernahme solcher Verfahren geschaffen werden.

5.2.7.

Die KMU in Europa haben kaum oder gar keinen Zugang zum Markt für Unternehmensanleihen, der ihnen aufgrund fehlender Liquidität, hoher Kosten für die Ausgabe von KMU-Anleihen und strenger Informationspflichten verwehrt bleibt. Der EWSA ist der Auffassung, dass für KMU passende Börsenzulassungskriterien und Offenlegungspflichten sowie die Schaffung spezifischer Anreize und die Einrichtung gesonderter Kapitalmärkte für KMU auf Mitgliedstaatsebene dazu beitragen können, diese Hindernisse zu überwinden.

5.3.    EU-Mittel

5.3.1.

Die Vorschriften über staatliche Beihilfen müssen vereinfacht und aktualisiert werden, um Ungewissheiten für KMU zu beseitigen, vor allem in Bezug auf die Gebundenheit an natürliche Personen, staatliche und kommunale Eigentümer, Holding-Strukturen und weitere Beschränkungen, die sehr schwer zu ermitteln sind. Der EWSA unterstützt die von der ESI-Fonds-Studiengruppe der Generaldirektion Interne Politikbereiche des EP 2017 veröffentlichten Schlussfolgerungen zum Gold-plating (Überregulierung), insbesondere in Bezug auf die Notwendigkeit einer weiteren Vereinfachung der Vorschriften und ihrer stärkeren Ausrichtung an den Bedingungen vor Ort sowie ihrer flexibleren Anwendung, da deren Komplexität die Verwaltungslasten und die Gefahr der Überschneidungen von Anforderungen erhöht und dazu führt, dass mehr auf die Einhaltung der Regeln und weniger auf die Leistungsfähigkeit der durchgeführten Projekte geachtet wird (23).

5.3.2.

Bei der Konzipierung der Fördermaßnahmen und -programme auf EU-Ebene sollten Kriterien berücksichtigt werden, die eine angemessene geografische Ausgewogenheit gewährleisten.

5.3.3.

Der EWSA fordert die Kommission nachdrücklich auf, das COSME-Programm fortzusetzen und auszubauen, da es sich um ein wichtiges Instrument der KMU-Förderung handelt (24).

5.3.4.

Der EWSA bedauert, dass es nur sehr wenige Daten über die genaue Wirkung der für die KMU-Förderung im Rahmen des MFR 2014-2020 bereitgestellten Mittel gibt. Der Ausschuss fordert die Kommission auf, dieses Defizit unverzüglich anzugehen und bei der Bewertung der Wirkung sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien heranzuziehen und darüber Bericht zu erstatten.

5.3.5.

Der EWSA fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, das Partnerschaftsprinzip (25) bei der Absteckung des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) wirksamer anzuwenden. Die Beteiligung die Sozialpartner am Beschlussfassungsprozess ist zwar verbindlich vorgeschrieben, in der Praxis gibt es jedoch zahlreiche Hindernisse für eine wirksame Einflussnahme der Sozialpartner auf die Entscheidungen.

5.3.6.

Die Unterstützungsmaßnahmen für KMU wurden vor allem auf die Stärkung von Forschung und Innovation und auf Startups ausgerichtet. Der EWSA möchte die Bedeutung dieser Maßnahmen keineswegs infrage stellen, betont jedoch, dass nur ein sehr geringer Teil aller KMU davon profitieren wird, und fordert daher stärker diversifizierte Förderinstrumente für alle Arten von Unternehmen in allen Phasen ihres Lebenszyklus.

5.4.    Beteiligungskapital

5.4.1.

Die Entwicklung der Kapitalmarktunion — zunehmende Verbreitung von Risikokapitalfonds, Märkte für privates Beteiligungskapital — einschließlich informeller Märkte, Business Angels und Crowdfunding hat bestimmten Kategorien von KMU den Zugang zu Risikokapital erleichtert. Doch ein sehr großer Teil der KMU dürfte davon nicht wirklich profitieren können. Diese neuen Instrumente sind selbst für innovative Unternehmen, Start-ups und mittelgroße Unternehmen nicht einfach zu verwenden, und zudem gibt es nach wie vor beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungsniveaus der lokalen Kapitalmärkte und dem Fehlen geeigneter Rechtsvorschriften.

5.4.2.

Der EWSA appelliert an die Europäische Kommission, KMU im Hinblick auf die Ausweitung ihrer strategischen Vision und die Verbesserung ihrer Fähigkeit zur Nutzung von Beteiligungskapital mit mehr Informationen und Beratung zu unterstützen. KMU haben traditionell vor allem auf die Kreditfinanzierung zurückgegriffen, weshalb sie alternative Finanzinstrumente nur begrenzt kennen und verstehen und der Beteiligungsfinanzierung sehr zurückhaltend gegenüberstehen. Der EWSA erkennt zwar die jüngsten Bemühungen der Kommission um eine Verbesserung des Kenntnisstands über die einzelnen Finanzinstrumente an, betont jedoch, dass dies nicht ausreicht, und dringt darauf, dass die Wirtschaftsverbände unterstützt und veranlasst werden, langfristige strategische Ansätze für die Unternehmensfinanzierung von KMU zu entwickeln. Die Verbände stehen tagtäglich im Kontakt mit den KMU und können diese dabei unterstützen, sich besser damit vertraut zu machen, wie die verschiedenen Finanzierungsbedürfnisse in bestimmten Phasen des Lebenszyklus ihres Unternehmens mit den einzelnen Instrumenten bedient werden können.

6.   Praktische Maßnahmen der KMU-Förderung auf Faktengrundlage sind erforderlich

6.1.

Das Netz der KMU-Beauftragten ist zwar potenziell sinnvoll (26), in einer Reihe von Ländern aber den Nachweis eines tatsächlichen Mehrwerts schuldig geblieben. Zudem ist es sehr schwierig, die Ergebnisse seiner Arbeit nachzuvollziehen. Wenn dieses von der Idee her ausgezeichnete Netz neu belebt werden soll, muss ihm eine wichtigere Rolle eingeräumt werden, wozu auch ein engerer und direkterer Kontakt zu den KMU-Verbänden auf nationaler und lokaler Ebene und der Austausch bewährter Verfahren und Berichte gehören. Der EWSA spricht sich dafür aus, dass im Rahmen des Netzes eine Plattform für den Austausch bewährter Verfahren geschaffen und bereitgestellt wird, um auf dieser Grundlage in Zusammenarbeit mit repräsentativen KMU-Verbänden auf EU- und nationaler Ebene einen jährlichen Bericht darüber zu erstellen, wie wirksam der Grundsatz „Vorfahrt für KMU“ durchgesetzt wird. Er empfiehlt zudem, dass nach dem Vorbild des nationalen KMU-Beauftragten auch von den KMU-Verbänden ein solcher Beauftragter eingesetzt wird.

6.2.

Der EWSA hält es für zweckmäßig, dass die Beauftragten an der jährlichen KMU-Leistungsüberprüfung beteiligt werden und von der Kommission allgemeine Leitlinien für eine strukturiertere und systematischere Zusammenarbeit mit den KMU-Organisationen erhalten.

6.3.

Die KMU-Versammlung wird als „Hauptversammlung der KMU“ beworben, und der EWSA unterstützt uneingeschränkt die Idee eines Forums, in dessen Rahmen KMU zusammenkommen, dringende Probleme ermitteln und nach Lösungen suchen können. Im Hinblick auf die Weiterentwicklung der KMU-Versammlung zu einem wirksameren Instrument mit einer stärkeren Rolle als Diskussionsforum und Plattform für die Beschlussfassung empfiehlt der EWSA nachdrücklich Folgendes:

die stärkere Einbindung der KMU-Verbände in die Vor- und Nachbereitung der jährlichen KMU-Versammlung, wobei sie eine echte beratende Funktion haben sollten;

mehr Sachbezug in den Sitzungen der KMU-Versammlung in Form von analytischem Material mit wichtigen Fakten, Trends und Erwartungen, die von unabhängigen Forschern — in erster Linie aus wissenschaftlichen Einrichtungen — erläutert werden;

die rasche Übernahme und Umsetzung guter Beispiele und erfolgreicher Benchmarking-Modelle von Foren vergleichbarer Größe (27);

die Annahme eines transparenten und inklusiven Verfahrens für die Teilnahmeaufforderungen unter Gewährleistung einer ausgewogenen Mischung aus Unternehmern, KMU-Verbänden, zwischengeschalteten Akteuren, wissenschaftlichen und Forschungseinrichtungen und politischen Entscheidungsträgern aus allen Mitgliedstaaten (28);

auf der Grundlage der Beratungen und der Arbeit der Versammlung müssen greifbare Ergebnisse erzielt werden, z. B. Schlussfolgerungen, Aufgabenlisten usw. Jedes Jahr sollte ein Bericht über die Umsetzung der Beschlüsse des Vorjahres erarbeitet und veröffentlicht werden;

bei der Beschlussfassung über das Programm und die auf der Versammlung zu behandelnden Themen sollten KMU und ihre Vertreter konsultiert und einbezogen werden.

6.4.

Der EWSA ist zutiefst davon überzeugt, dass die Repräsentativität die Wirksamkeit der Politik und der Maßnahmen auf EU-Ebene sowie auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene erhöht und zusätzliche Impulse für den sozialen Dialog auf Sektorebene geben kann, und fordert deshalb eine bessere Vertretung der KMU durch gemeinsame Aktionen starker und repräsentativer KMU-Verbände und den Austausch von Erfahrungen und bewährten Praktiken.

6.5.

Einige für KMU relevante Internetportale der Kommission sind nicht in alle Amtssprachen der EU übersetzt, wodurch KMU benachteiligt werden. Das Gleiche gilt für die meisten öffentlichen Konsultationen.

6.6.

Der EWSA zeigt sich besorgt darüber, dass zu viele Studien und Erhebungen der Kommission bei privaten Beratungsunternehmen in Auftrag gegeben werden, denen es an fundierten Kenntnissen über die Maßnahmen der KMU-Förderung und deren Wirkung fehlt, da sie nicht im täglichen Kontakt mit den KMU stehen und diese nicht vertreten. Nötig sind hier dringend unabhängige wissenschaftliche Einrichtungen und öffentliche/private Partnerschaften in Zusammenarbeit mit KMU-Verbänden, um für den Mittelstand auf EU-Ebene einen echten Mehrwert zu schaffen.

7.   Verwaltungs- und Regulierungsaufwand

7.1.

Übermäßiger Verwaltungsaufwand auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene bleibt für die KMU ein großes Hindernis, da sie für die Bewältigung derartiger Probleme meistens schlecht ausgestattet sind. Der EWSA spricht sich für den Abbau von Bürokratie und Belastungen aus, unter denen kleine und mittlere Unternehmen sowie Kleinstunternehmen und Bürger leiden. Die Kommission sollte ihr Augenmerk eher auf die Qualität als auf die Quantität richten und der Verringerung des Verwaltungsaufwands Vorrang einräumen, der sowohl Kosten für die Unternehmen mit sich bringt als auch deren Wettbewerbsfähigkeit einschränkt, die Innovation bremst und die Schaffung von Arbeitsplätzen hemmt. Natürlich müssen Sinn und Zweck der auferlegten Verpflichtungen dabei im Auge behalten werden. Nach Ansicht des EWSA muss unbedingt dafür gesorgt werden, dass die Verfahren und Formalitäten nicht unnötig kostspielig, komplex oder langwierig sind. Bei der Rechtsetzung auf EU-. nationaler und regionaler Ebene muss der Grundsatz gefördert werden, wonach das Schweigen der Verwaltung als behördliche Zustimmung gilt. Die Mitgliedstaaten müssen angehalten werden, die Verwaltungsgebühren gerade so zu bemessen, dass sie die Verwaltungskosten decken.

7.2.

Der Einmaligkeitsgrundsatz und der KMU-Test sollten von den einschlägigen Kommissionsdienststellen gründlich und systematisch angewendet (29) und rechtsverbindlich verankert werden, da ihre Anwendung in der Praxis derzeit dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen bleibt und daher kaum stattfindet. Und dies ist sowohl in der Rechtsetzung als auch auf Verwaltungsverfahren anzuwenden, die die KMU betreffen (z. B. durch Einführung eines einzigen Ansprechpartners und Verringerung von Berichtspflichten (30)). Der EWSA betont, dass die doppelte Anforderung von Informationen zwar verhindert werden sollte, im Interesse einer gut organisierten öffentlichen Verwaltung jedoch in den Datenregistern der Verwaltungen alle Angaben und Informationen verfügbar sein müssen, die für die Umsetzung, Kontrolle und Bewertung der Maßnahmen wesentlich und von Bedeutung sind.

7.3.

Der EWSA fordert die Kommission auf, sich auf ihre Verpflichtungen zur Bewertung der verschiedenen Rechtsvorschriften und Regelungen zu besinnen, die noch anhängig sind oder Verzug aufweisen, und die für KMU relevanten Bewertungen zügig vorzunehmen. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, die Verwaltungskapazitäten ihrer für KMU zuständigen Direktion zu stärken und auszubauen.

7.4.

Die Kommission muss sicherstellen, dass Folgenabschätzungen und das REFIT-Programm gegebenenfalls auf die besonderen Bedürfnisse von KMU ausgerichtet werden. Dies muss sich auch in den Mitgliedstaaten niederschlagen. Die von der Kommission im SBA geäußerte Absicht, „die Möglichkeit [zu] erkunden, die Übererfüllung [gold plating] durch Mitgliedstaaten zu verringern“, muss in die Praxis umgesetzt werden (31), gemäß der Mitteilung zur intelligenten Regulierung, allerdings ohne dabei die Vorschriften in Bezug auf den Schutz der Bürger, Verbraucher und Arbeitnehmer oder die Gleichstellungs- oder die Umweltschutzvorschriften (32) einzuschränken. Geschehen könnte dies unter anderem durch die Aufforderung an die Mitgliedstaaten, eine besondere zentrale Stelle mit der Überwachung dieses Aspekts zu beauftragen. Dies könnte in Form einer Frühwarn-Dienststelle erfolgen, die die Kohärenz der Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene überwacht, um Gold-plating und unnötigen Verwaltungsaufwand zu verhindern. Nach Ansicht des EWSA sollte das Arbeitsprogramm der KMU-Beauftragten zwingend die Themen enthalten, die auf der ordnungspolitischen Agenda der Kommission stehen.

7.5.

Der EWSA ersucht die politischen Entscheidungsträger auf europäischer und nationaler Ebene sicherzustellen, dass neue Rechtsvorschriften und ihre Umsetzung regelmäßig einer systematischen Prüfung durch Vertreter von Wirtschaftsverbänden der EU-, regionalen, nationalen und lokalen Ebene unterzogen werden. Die Reduzierung von unnötigen Kosten und unnötigem Verwaltungsaufwand sollte auf der Grundlage der bei einer Einzelfallbewertung gewonnenen Erkenntnisse vorgenommen werden.

7.6.

Der EWSA weist auf die entscheidende Bedeutung von Unternehmensübertragungen für KMU und insbesondere Familienunternehmen hin und fordert rasche Maßnahmen zur Erleichterung und Straffung solcher Transaktionen zu erschwinglichen Kosten.

7.7.

Die Kultur der Risikobereitschaft muss umfassend propagiert werden, wozu auch die Schaffung günstigerer rechtlicher Rahmenbedingungen für eine zweite unternehmerische Chance gehört. Projekte wie PRE-SOLVE und Early Warning Europe sollten ausgeweitet und in größerem Maßstab in allen Mitgliedstaaten vervielfältigt werden.

8.   Humanressourcen

8.1.

Die meisten neuen Arbeitsplätze in der EU werden zwar von KMU geschaffen, doch der Mittelstand hatte in letzter Zeit große Probleme, qualifizierte Arbeitskräfte und insbesondere Arbeitnehmer mit Kompetenzen für die digitale Wirtschaft zu finden, weil sich u. a. die demografische Situation in vielen Regionen in Bezug auf die Bevölkerungszahl und die Altersstruktur verschlechtert hat.

8.2.

Selbst in Regionen mit wachsender Bevölkerung ist es für KMU schwierig, höher qualifizierte Arbeitskräfte einzustellen und zu binden sowie den zunehmenden regulatorischen und bürokratischen Anforderungen der Arbeitsmarktbehörden zu entsprechen. Daher müssen KMU bei der Ermittlung, Anwerbung und Ausbildung von Humanressourcen unterstützt werden. Erforderlich sind Maßnahmen zur Unterstützung der KMU in Bezug auf Schulungen im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz und medizinische Leistungen für Arbeitnehmer, z. B. durch das Anbieten derartiger Dienstleistungen für einen Cluster oder eine Gruppe von KMU, um so die Kosten zu senken und die technischen Formalitäten zu begrenzen.

8.3.

Der EWSA fordert die Kommission auf, flankierende Maßnahmen in Form maßgeschneiderter Schulungsprogramme zur Weiterbildung der Arbeitskräfte in weniger arbeitsintensiven Zeiten zu konzipieren und die Mitgliedstaaten dazu zu bewegen, Systeme für die regelmäßige Bereitstellung solcher Programme zu schaffen, da kleine Unternehmen unter einer hohen Personalfluktuation leiden. Diese Maßnahmen werden dazu beitragen, dass die KMU die Defizite des Arbeitsmarkts, die ihre Entwicklungsaussichten hemmen, bewältigen können.

8.4.

Der EWSA betont insbesondere, dass mehr Ausbildungsplätze und Lehrstellen und besondere Programme für die Betreuung und Begleitung junger Menschen ins Arbeitsleben (Mentoring und Tutoring) notwendig sind, um die Probleme der Jugendarbeitslosigkeit zu bewältigen. Dies muss mit dem geringstmöglichen Verwaltungsaufwand für KMU umgesetzt werden.

8.5.

Der EWSA weist darauf hin, dass die Beschäftigung derzeit vor allem im KMU-Sektor und hier besonders bei mittelgroßen Unternehmen wächst. Zugleich besteht die Herausforderung darin, geeignete Mittel und Wege für den sozialen Dialog zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in diesen Unternehmen zu finden und durch spezifische Strukturen auszugestalten. Eine Initiative zur Erfassung nachahmenswerter innovativer Beispiele aus verschiedenen Ländern könnte dazu beitragen.

9.   Unternehmertum

9.1.

Im Einklang mit früheren Stellungnahmen (33) äußert sich der EWSA besorgt angesichts der jüngsten Daten, die zeigen, dass das „Unternehmertum aus Notwendigkeit“ dem „chancenorientierten Unternehmertum“ den Rang abgelaufen hat. Er fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu entwickeln, um diesen Trend umzukehren (34) und eine stärkere Kultur der unternehmerischen Initiative in Europa herauszubilden.

9.2.

Der Aktionsplan für die unternehmerische Initiative (35) ist von einer Umsetzung noch weit entfernt. Der EWSA hält hier jede weitere Verzögerung für äußerst gefährlich, da Europa in puncto Unternehmergeist im Vergleich zu anderen Regionen der Welt hinterherhinkt und die bislang ergriffenen Maßnahmen nur begrenzt Wirkung zeigen (36).

9.3.

Die KMU nutzen in ihren grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen den digitalen Binnenmarkt nur sehr wenig, was ein großes Problem für diese Unternehmen, insbesondere für Kleinstunternehmen ist. Sie sollten ermutigt werden, sich zu den gleichen Marktbedingungen und gleichberechtigt mit den großen internationalen und europäischen Online-Händlern daran zu beteiligen. Die KMU müssen ihrer Rechte versichert werden, in Bezug auf ihr Recht auf Wahl des Marktes, in dem sie tätig werden wollen, und auf die Vertragsfreiheit, um ihr Vertrauen in grenzüberschreitende Online-Geschäfte wiederherzustellen.

9.4.

Der EWSA fordert, ein positives Gesamtklima zu schaffen, das der unternehmerischen Tätigkeit in all ihren Formen einen Schub gibt, ohne dass dabei ein besonderer Schwerpunkt auf besondere Gruppen von Unternehmern gelegt wird. Zu diesem Zweck brauchen wir dringend einen Aktionsplan im Bereich Erziehung zu unternehmerischem Denken.

9.5.

Unter Hinweis auf die Bedeutung kultureller und sozialer Normen fordert der EWSA die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, nach innovativen Wegen zu suchen, um die Kultur der Risikoscheu zu bekämpfen. Der Wert von Unternehmern und Unternehmen sowie ihre entscheidende Rolle bei der Schaffung von Beschäftigung und Wachstum müssen stärker hervorgehoben werden, u. a. indem eine „Säule der Rechte der Unternehmer“ (37) für alle verschiedenen Formen des Unternehmertums entwickelt und ein „Jahres des Unternehmertums“ ausgerufen wird. Die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen die Rahmenbedingungen für das Unternehmertum verbessern, dazu gehören Zugang zu Finanzen, Rechtsrahmen und Herausbildung unternehmerischer Kompetenz.

9.6.

Der EWSA fordert die Kommission auf, Beratungsdienste und -programme zur Verbesserung der Unternehmensführung der kleinen und traditionellen Familienbetriebe, bei denen alles von der Geschäftsführung abhängt, zu unterstützen und zu fördern. Dies gilt auch für Maßnahmen im Bereich des lebenslangen Lernens, unter anderem durch die Bereitstellung von elektronischen Lehrmitteln in Bereichen wie Unternehmensplanung und Produktionsstandards, Verbraucherrecht oder andere Rechtsvorschriften.

10.   Marktzugang

10.1.

Einige Studien zeigen, dass nur ein sehr kleiner Anteil der KMU (38) den Binnenmarkt als Heimatmarkt betrachtet. Die meisten KMU sind zwar nur lokal tätig, ihre Geschäftstätigkeiten hängen jedoch in starkem Maße von den Binnenmarktvorschriften ab. Der ESWA fordert, den Binnenmarkt sowohl für Güter als auch für Dienstleistungen zu vertiefen, regulatorische Hindernisse und Verwaltungslasten abzubauen und Instrumente zu schaffen, mit denen die Expansion der KMU in den Binnenmarkt unterstützt werden kann.

10.2.

Der EWSA fordert die Kommission auf, zu evaluieren, welche KMU-Instrumente in den verschiedenen Sektoren dem Mittelstand helfen können, sich aktiver in die Verhandlungen über Handelsabkommen und Handelsschutzinstrumente einzubringen und stärker daran beteiligt zu werden, um dann die wirksamsten dieser Instrumente weiter voranzubringen, wobei der Grundsatz „Vorfahrt für KMU“ stärker in den Mittelpunkt der Handelspolitik der EU gerückt werden muss.

10.3.

Der EWSA betont, dass die KMU für die EU immer wichtiger werden, und fordert daher rasche Maßnahmen für eine verstärkte Internationalisierung dieser Unternehmen, die in die Lage versetzt werden müssen, die sich auf Auslandsmärkten bietenden Chancen zu nutzen.

10.4.

Der EWSA fordert die Kommission auf, eine bessere und effizientere Arbeit von KMU-Förderzentren zur Unterstützung von KMU bei der Erschließung von wichtigen Exportmärkten (z. B. China, Japan usw.) zu gewährleisten. Er ersucht die Kommission, für eine bessere und wirksamere Zusammenarbeit zwischen den repräsentativen KMU-Verbänden und den Normungsstellen bezüglich bestehender und neuer technischer Normen der EU zu sorgen.

10.5.

Einige Mitgliedstaaten berichten über unlautere Handelspraktiken seitens der großen Handelsketten, die den KMU übermäßig nachteilige Handelsbedingungen aufzwingen. Diese Frage muss weiter untersucht und angemessen angegangen werden.

10.6.

Der EWSA fordert die Kommission auf, ihre Anstrengungen im Rahmen europäischer und nationaler Programme zu intensivieren, um den Anteil kleinerer Unternehmen an öffentlichen Aufträgen im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens zu erhöhen (39).

10.7.

Nach Auffassung des EWSA ist es wichtig, die KMU-Verbände in Partnerschaften einzubinden, um sie in die Lage zu versetzen, durch Ausbildungsmaßnahmen und eine bessere Koordinierung zur Bewältigung der Folgen von Natur- und anderen Katastrophen auf EU-Ebene beizutragen.

Brüssel, den 17. Januar 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Dies gilt gerade jetzt, gut 35 Jahre nach der Proklamierung des „Europäischen Jahres des Handwerks“ durch das Europäische Parlament, 25 Jahre nach der Einrichtung des Binnenmarkts und 15 Jahre nach Einführung des Euro.

(2)  ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 22, ABl. C 226 vom 16.7.2014, S. 10.

(3)  http://ec.europa.eu/growth/smes/business-friendly-environment/sme-definition_de.

(4)  http://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/initiatives/ares-2017-2868537/feedback_en?size=10&page=2. Die Kommission will die nächste Phase der Konsultation lobenswerterweise in allen EU-Amtssprachen einleiten, was eine breitere Mitwirkung ermöglicht.

(5)  COM(2011) 78 final.

(6)  COM(2008) 394 final.

(7)  https://ec.europa.eu/growth/smes/business-friendly-environment/small-business-act_de, Ref. Ares(2015)812234-25/02/2015.

(8)  COM(2016) 733 final.

(9)  Verschiedene Studien (z. B. EP, 2011; CSES, 2012; Kommission, 2008; OECD, 1998).

(10)  http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=uriserv:OJ.C_.2017.030.01.0056.01.DEU&toc=OJ:C:2017:030:FULL, http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=183329&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=687947, http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=183335&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=691887.

(11)  ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 1.

(12)  Artikel 2, Anhang, Empfehlung 2003/361/EG.

(13)  Artikel 4, Anhang, Empfehlung 2003/361/EG.

(14)  Richtlinie 2013/34/EU vom 26. Juni 2013.

(15)  Artikel 3, Anhang, Empfehlung 2003/361/EG.

(16)  ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 1.

(17)  ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 1.

(18)  ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 15, Ziffer 3.2.

(19)  ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 22, ABl. C 226 vom 16.7.2014, S. 10.

(20)  Damit soll der bestehenden negativen Praxis der Geschäftsbanken, billige EU-gestützte Finanzierungen vor allem ihren Stammkunden anzubieten und den meisten KMU vorzuenthalten, entgegengewirkt werden.

(21)  Übergeordnete Grundsätze für das Feedback von Banken bei Ablehnung von KMU-Kreditanträgen: http://www.ebf.eu/wp-content/uploads/2017/06/High-level-principles-on-feedback-given-by-banks-on-declined-SME-credit-applications.pdf.

(22)  Als Beispiel hierfür sei auf die ungarische „Széchenyi“-Karte verwiesen.

(23)  Siehe http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2017/585906/IPOL_STU(2017)585906_EN.pdf.

(24)  ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 125.

(25)  Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013, weiter ausgeführt in der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 240/2014.

(26)  http://ec.europa.eu/growth/smes/business-friendly-environment/small-business-act/sme-envoys_de. Zu den Tätigkeitsberichten und anderen Dokumenten siehe: http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm?do=groupDetail.groupDetail&groupID=2666&Lang=DE.

(27)  Beispielsweise das Eurofi-Finanzforum http://www.eurofi.net/, das Annual Financial Services Forum usw.

(28)  Die Vertretung der KMU steht derzeit in der Diskussion, denn offiziell erfolgt die Aufnahme in die KMU-Versammlung und der Zugang zum Europäischen Unternehmensförderpreis ausschließlich auf persönliche Einladung der Europäischen Kommission. Dies hat zu einer Situation geführt, in der jedes Jahr der gleiche Kreis von Teilnehmern zusammenkommt, ohne irgendeine Gewähr, dass diese den Mittelstand in ihren Ländern vertreten oder ob sie in der Lage sind, ihrem Mittelstand die Botschaften der Versammlung zu übermitteln. Es werden keine Vorschläge zu den Themenschwerpunkten erbeten und auf der Tagesordnung stehen nur vereinzelt Beispiele für unternehmerische Initiativen. In der Versammlung gibt es auch keine Aussprache über wichtige Fragen und es werden auch keine Vorschläge formuliert.

(29)  http://www.eurochambres.eu/Content/Default.asp?PageID=1&DocID=7733.

(30)  COM(2011) 78 final, S. 8.

(31)  COM(2011) 78 final, S. 8.

(32)  ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 45 (Ziffer 2.9.1).

(33)  ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 1.

(34)  Den Daten ist zu entnehmen, dass fünf Jahre nach Ausbruch der Krise 2008 die Zahl der KMU gestiegen, die Wertschöpfung sowie die Beschäftigtenzahl aber gesunken ist. Europäische Kommission, KMU-Leistungsüberprüfung, Daten (Ausgabe 2014).

(35)  COM(2012) 795 final.

(36)  EWSA-Studie „Bewertung der Wirksamkeit der EU-Politik zur Förderung von KMU 2007-2015“.

(37)  http://www.eurochambres.eu/custom/EUROCHAMBRES_proposal_for_a_European_Pillar_of_Entrepreneurial_Rights-2016-00213-01.pdf.

(38)  In Schweden liegt der Anteil bei nur 6 %.

(39)  https://ec.europa.eu/growth/single-market/public-procurement/strategy_de; https://www.ppact.eu/; www.sesamproject.eu; http://www.tenderio.com/.


8.6.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 197/10


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Ein umfassender Ansatz für die Industriepolitik in der EU — Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie“

(Sondierungsstellungnahme)

(2018/C 197/02)

Berichterstatter:

Gonçalo LOBO XAVIER

Mitberichterstatter:

Dirk BERGRATH

Befassung

Bulgarischer Ratsvorsitz, 5.9.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

18.12.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

17.1.2018

Plenartagung Nr.

531

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

134/1/0

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) schließt sich der Auffassung an, dass einer erneuerten Strategie für die Industriepolitik der EU entscheidende Bedeutung für die Steuerung des Wachstums und die rasche Anpassung der Mitgliedstaaten an die neuen Trends und ein neues Wirtschaftsmodell zukommt. Die Industrie im weiteren Sinne ist außerordentlich wichtig für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Daher fordert der EWSA die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, eine langfristige und umfassende Strategie mit einer globalen Perspektive zur Bewältigung der Herausforderungen zu erarbeiten und nicht ein Konzept, das auf kurzfristige Abhilfemaßnahmen setzt, die nicht geeignet sind, konkreter und nachhaltig für Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu sorgen. In diesem Zusammenhang wäre es hilfreich, wenn die Kommission eine vergleichende Studie zu den jüngst in den USA, in China und in Korea angenommenen Plänen zur Unterstützung des verarbeitenden Gewerbes erstellen würde.

1.2.

Schon jetzt sind die schnell expandierenden Unternehmensdienstleistungen von größter Bedeutung für das verarbeitende Gewerbe und insbesondere für KMU. Die richtige Kombination aus Unternehmensdienstleistungen und Industrieaktivitäten ist von grundlegender Bedeutung, um Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten, und muss Teil einer modernen industriepolitischen Strategie sein. Start-up-Unternehmen müssen zur Entwicklung von Lösungen ermutigt werden, die die industriellen Aktivitäten fördern und die Wettbewerbsfähigkeit stärken, insbesondere um auf lange Sicht bestehen zu können.

1.3.

Das Ziel, den Anteil des Industriesektors bis 2020 (1) von derzeit 15,1 % auf etwa 20 % des BIP anzuheben, darf nicht nur eine politische Zielsetzung sein, sondern auch eine langfristig orientierte Priorität. Die EU-Politik muss weiterhin auf dieses Ziel ausgerichtet werden, dabei jedoch auch stets der unterschiedlichen Struktur in den einzelnen Mitgliedstaaten sowie der Notwendigkeit Rechnung tragen, eine Fragmentierung des Binnenmarkts zu verhindern. Dies sollte auch künftig die Priorität der Kommission sein. Die Festlegung neuer, verlässlicher und messbarer Zielvorgaben könnte zudem dazu beitragen, dass sich die Mitgliedstaaten stärker für die industriellen Aktivitäten engagieren und für den Beitrag sensibilisiert werden, den diese zum Wohlergehen der europäischen Bürgerinnen und Bürger leisten.

1.4.

Der EWSA begrüßt das von Kommissionspräsident Juncker als zentral bezeichnete Ziel, die europäische Industrie und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die weltweite Spitzenreiterrolle bei Innovation, Digitalisierung und Dekarbonisierung zu verteidigen bzw. zu erreichen. Um dies zu verwirklichen, braucht die EU eine langfristige Strategie auf der Basis echter intelligenter Spezialisierung sowie struktureller Vielfalt und Flexibilität in ihren Mitgliedstaaten sowie der Antizipierung grundlegender, rascher und beispielloser Veränderungen in ihrem Umfeld.

1.5.

Der EWSA ist der Auffassung, dass mit den Sozialpartnern und den Organisationen der Zivilgesellschaft abgestimmte Strukturreformen durchgeführt werden müssen, um in puncto Wettbewerbsfähigkeit für mehr Ausgewogenheit zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zu sorgen. Außerdem müssen spezifische Änderungen in den Bereichen Bildung, Forschung und Entwicklung, öffentliche und private Investitionen sowie Produktivität auf die politische Agenda gesetzt werden. Bewährte Vorgehensweisen aus diesen Bereichen müssen ausgetauscht werden. Angesichts der insgesamt positiven Wirtschaftsleistung Europas ist jetzt der richtige Zeitpunkt, dies zu tun.

1.6.

Der EWSA ist überzeugt, dass die Attraktivität Europas eine vorrangige Frage in einer auf Innovation und Wettbewerbsfähigkeit basierenden Industriepolitik sein und die Rückverlagerung einiger Branchen auf die Tagesordnung gesetzt werden muss. Eine solche Rückverlagerung muss sich auf die Hauptstärken Europas stützen — sein auf Wissen, Innovation, hohe Qualifikationen sowie Forschung und Entwicklung gestütztes Wirtschaftsmodell und das unternehmerfreundliche und nachhaltige Umfeld, in dem die EU-Sozialstandards gewahrt werden. Erreicht werden kann dies nur durch eine enge Zusammenarbeit zwischen „großen“ Unternehmen und KMU, die eine positive Dynamik des Innovationszyklus anstößt. Diese Zusammenarbeit muss sich in der Zuweisung von EU-Mitteln für Forschung, Entwicklung und Innovation (FuE+I) widerspiegeln und sollte im Rahmen des Mehrjährigen Finanzrahmens 2014-2020 gestärkt werden. Ein positiver fiskalischer Kurs würde die Bereitstellung neuer Haushaltsmittel erheblich erleichtern, die unmittelbar auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie ausgerichtet sind.

1.7.

Der EWSA unterstützt nachdrücklich die jährliche Abhaltung eines „Tages der Industrie“, bei dem die Prioritäten der EU herausgestellt werden können und für dieses Ziel sensibilisiert werden kann. Der EWSA weist darauf hin, dass die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft in diesen „Tag der Industrie“ eingebunden werden müssen und einen Beitrag zur Durchführung dieses Vorhabens leisten können. Für Europa ist es unerlässlich, dass alle Bürgerinnen und Bürger die Zugkraft der Marke „Made in Europe“ verstehen und wissen, dass bei der Bewältigung dieser Herausforderung jeder Einzelne eine Rolle zu spielen hat. Der europäischen Industrie kommt auch gesellschaftliche Bedeutung zu, und das muss allen Bürgerinnen und Bürgern der EU klar sein.

1.8.

Der EWSA weist darauf hin, dass neue politische Konzepte für den Bereich Qualifikationen erarbeitet und umgesetzt werden müssen. Europa muss sich dieser Herausforderung unter Einbindung der Organisationen der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner stellen, um zu gewährleisten, dass den Arbeitnehmern von heute und ihren Rechten und Pflichten gebührend Rechnung getragen wird. Dabei muss der Blick aber auch in die Zukunft gerichtet werden, und es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Maßnahmen zur Anpassung der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung beschleunigt umgesetzt werden müssen, um Europa für die Arbeitswelt der Zukunft zu rüsten.

1.9.

Der EWSA begrüßt die neue Initiative der Kommission zur Schaffung eines europäischen Rahmens für die Qualität der Lehrlingsausbildung, die wirksam dazu beitragen kann, die Engpässe am Arbeitsmarkt zu überwinden und den Unternehmen Arbeitskräfte zu bieten, die die erforderlichen praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten besitzen (2). Die Frage der Qualität und Quantität der europäischen Arbeitskräfte ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Herausforderungen für die Wettbewerbsfähigkeit der EU, und jeder Mitgliedstaat muss sich für diese enorme Aufgabe engagieren.

1.10.

Der EWSA ist der Ansicht, dass es im Hinblick auf gleiche Wettbewerbsbedingungen von entscheidender Bedeutung ist, einen Kompromiss über die Achtung des fairen Handels zwischen den globalen Akteuren zu erzielen (3). Europa muss in Bezug auf Nachhaltigkeit, die Einhaltung der europäischen Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb mit gutem Beispiel vorangehen und andere Region aktiv einbinden. Aber es darf über die negativen Praktiken anderer globaler Akteure, die die europäischen Werte, die Wettbewerbsfähigkeit, die Arbeitsplätze und den Wohlstand in Europa bedrohen, nicht hinwegsehen. Europa muss wachsam sein und die richtigen Instrumente nutzen, um seine Werte und Industrieunternehmen zu fördern. Fragen wie Überkapazitäten, rechtswidrige staatliche Beihilfen und andere Formen unlauteren Wettbewerbs müssen durch EU-Rechtsvorschriften — unter Einhaltung der WTO-Regeln — angegangen werden. Die Antidumpingmaßnahmen der Europäischen Kommission sind von wesentlicher Bedeutung für ein faires Geschäftsumfeld, aber sie müssen besser überwacht sowie schneller und flexibler gestaltet werden, um das eigentliche Ziel ohne indirekte „Nebenwirkungen“ auf verschiedene Industriezweige zu erreichen (4).

2.   Stand der Dinge in Europa und Kommissionsmitteilung

2.1.

Das Ersuchen des bulgarischen Ratsvorsitzes ging einige Tage vor der Veröffentlichung der Kommissionsmitteilung „Investitionen in eine intelligente, innovative und nachhaltige Industrie — Eine neue Strategie für die Industriepolitik der EU“ ein.

2.2.

Am 5. Juli 2017 forderte das Europäische Parlament die Erarbeitung einer ehrgeizigen EU-Strategie für Industriepolitik einschließlich „einer Strategie der Union und eine[s] Aktionsplan[s] für eine kohärente und umfassende Industriepolitik […], die auf die Reindustrialisierung der EU abzielen und Ziele, Indikatoren, Maßnahmen und einen Zeitplan umfassen“.

2.3.

Die im Anschluss vorgelegte Mitteilung ist zumindest als Zeichen für das Interesse der Kommission an diesem Thema zu werten.

2.4.

Die Kommissionsmitteilung soll nicht im Mittelpunkt dieser Stellungnahme stehen. Folgende Punkte müssen jedoch erwähnt werden:

In der Mitteilung wird darauf hingewiesen, dass sich die europäische Industrie seit 2009 in einem steten Aufwärtstrend befindet. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Kommission auf 2009 — das schlimmste Krisenjahr — Bezug nimmt. Weder der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Wertschöpfung noch die Beschäftigung haben bislang wieder das Niveau des Vorkrisenjahres 2007 erreicht, und das trotz — oder vielmehr wegen — der Strukturreformen und angebotsorientierten Maßnahmen, die die Nachfrage in den Randgebieten Europas weiter hemmen.

Es ist schwer zu sagen, was genau am Ansatz der Kommission neu ist. Die Mitteilung besteht überwiegend aus den üblichen (angebotsorientierten) industriepolitischen Empfehlungen der Kommission: Bürokratieabbau, Vertiefung des Binnenmarkts sowie Entwicklung des Investitionskapitals (Neubelebung des Verbriefungsmarkts für Risikokapital, EFSI usw.).

Neben der Binnenmarktstrategie betont die Kommission die Notwendigkeit zusätzlicher Qualifizierungsmaßnahmen. Abgesehen von der Absicht, die Unterstützung für die Entwicklung „nationaler Kompetenzstrategien“ auf weitere Branchen (Stahl, Papier, grüne Technologien und erneuerbare Energien) auszuweiten, werden keinerlei konkrete Vorschläge unterbreitet.

In Bezug auf die Finanzierung weist die Kommission auf die bestehenden Struktur- und Investitionsfonds und Fördergremien und -programme (ESIF, EFSI, EIB, Horizont 2020 usw.) hin, wobei sie die entscheidende Frage, wie industriepolitische Initiativen aus einem nach dem Brexit gekürzten EU-Haushalt finanziert werden sollen, völlig außen vor lässt.

In den Bereichen Energie, Verkehr, Digitalisierung und Handelspolitik fasst die Kommission die bereits ergriffenen Maßnahmen zusammen.

Angesichts der Entstehung einer neuen Wirtschaft auf der Grundlage von Technologie-Start-ups mit Schwerpunkt auf Dienstleistungen wäre es wünschenswert, dass sich diese Unternehmen stärker im industriellen Bereich engagieren, und zwar nicht nur, um den einzelnen Branchen besser gerecht zu werden, sondern auch, um ihre eigene Dauerhaftigkeit zu fördern. (50 % der Unternehmer scheitern innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Firmengründung! (5))

2.5.

Die Mitteilung enthält nichts völlig Neues (6). Sie ist eine Zusammenfassung der bereits umgesetzten Maßnahmen, ohne einen neuen kohärenten strategischen Ansatz wie vom EP gefordert und wie im Titel der Mitteilung „Eine neue Strategie für die Industriepolitik der EU“ angekündigt. Europa muss jetzt unter Berücksichtigung der Interessen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Nachhaltigkeit des europäischen Modells Lehren aus der Vergangenheit ziehen und den Blick in die Zukunft richten.

2.6.

Im Rahmen einer europäischen Industriestrategie bedarf es eines abgestimmten Aktionsplans mit verbindlichen Zielen, Zeitplänen, Instrumenten und gemeinsamer Verantwortung, um die vier größten Herausforderungen der kommenden zehn Jahre — Digitalisierung, Klimawandel, Globalisierung und demografischer Wandel (und insbesondere die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Mobilität und der Bevölkerungsalterung) — bewältigen zu können.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

In der europäischen Industrie und in der Industrie weltweit vollzieht sich ein tiefgreifender Wandel. Dies birgt enorme Herausforderungen. Die europäische Industrie ist von entscheidender Bedeutung für das Wachstum in Europa und die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten. Sie generiert 80 % der europäischen Ausfuhren und fördert die privaten und öffentlichen Innovationen sowie hochqualifizierte Arbeitsplätze für die Bürgerinnen und Bürger. Auch für den Binnenmarkt spielt sie eine zentrale Rolle. Europa hat bei Produkten und Dienstleistungen mit hoher Wertschöpfung noch immer einen Wettbewerbsvorteil und muss sich diesen auch in Zukunft sichern. Aber es muss sich diesen Vorteil zu Nutzen machen und weiter auf Aktivitäten setzen, die Wachstum schaffen. Die Industrie beschäftigt direkt 36 Mio. Menschen und trägt zum hohen Lebensstandard der Unionsbürgerinnen und -bürger bei. Sie spielt eine Schlüsselrolle bei der Stützung der Führungsposition Europas in der Welt und seiner internationalen Stellung. Die europäische Industrie ist von größter Bedeutung für die Förderung von Forschung und Innovation und leistet einen sehr wichtigen Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum.

3.2.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die derzeitige industrielle Revolution auf einer dramatischen und rapiden Veränderung der globalen Akteure, einem grundlegenden Wandel der Gewohnheiten der Verbraucher sowie bahnbrechenden Entwicklungen in Wissenschaft und Technik fußt. Dies geht einher mit dem allgemein bekannten Voranschreiten der Digitalisierung, der Kreislaufwirtschaft, der Robotisierung und neuer Produktionsverfahren. Das bedeutet, dass die langfristige industriepolitische Strategie für völlig neue Bedingungen ausgelegt sein muss, die z. B. mit der Einführung der künstlichen Intelligenz und — weiter gedacht — eines neuen Konzepts „Industrie 5.0“ entstehen.

3.3.

Dieser Paradigmenwechsel verändert bereits jetzt grundlegend die Wirtschaft und die Gesellschaft und damit die Industrie in allen ihren Aspekten. Im Zentrum dieser Revolution werden die Veränderungen in den Bereichen Arbeit und Qualifikationen stehen. Diese neue industrielle Ordnung wird sich auf den Großteil der Wirtschaftszweige auswirken. Industrie 4.0 erfordert Arbeit 4.0 — einschließlich eines Rechts auf Zugang zu Bildung und lebenslanges Lernen. Nur qualifizierte Arbeitskräfte werden in der Lage sein, auf die Veränderungen auf den Märkten und innovative Arbeitsplätze zu reagieren.

3.4.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, eine Vergleichsstudie zu den jüngst in den USA, in China und in Korea angenommenen Plänen zur Unterstützung des verarbeitenden Gewerbes durchzuführen und ihm deren Ergebnisse zu übermitteln. Nur anhand einer solchen quantitativen und qualitativen Analyse der eingesetzten Ressourcen sowie der sektoralen und thematischen Prioritäten ist es möglich, „eine umfassende Strategie für die Industriepolitik der EU mit Schwerpunkt auf 2030 und darüber hinaus mit mittel- bis langfristigen strategischen Zielen und Indikatoren für die Industrie weiterzuentwickeln und dieser Strategie einen Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen beizufügen (7)“.

3.5.

Der EWSA ist der Auffassung, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Bildungsprogrammen und -einrichtungen und sozialem Zusammenhalt besteht. Dem neuesten Stand entsprechende Kompetenzen und Qualifikationen von IKT-Nutzern und Umschulungsmaßnahmen sind von maßgeblicher Bedeutung. Die Sozialpartner und Organisationen der Zivilgesellschaft sollten eng in die Aufstellung der Lehrpläne sämtlicher Schul- und Ausbildungsgänge aller Ebenen einbezogen werden. Andere globale Akteure neben Europa, insbesondere die Vereinigten Staaten („America First“), China, Japan, Indien und Korea, ergreifen bereits Maßnahmen, um die neuen Herausforderungen zu bewältigen, wobei einem Ansatz für neue Kompetenzen entscheidende Bedeutung zukommt.

3.6.

Auch die Initiative „Make in India“ zielt darauf ab, das Land darauf vorzubereiten, der nächste Standort des verarbeitenden Gewerbes zu werden. Dieser Prozess betrifft nicht nur die Technologie, sondern vor allem auch die Kompetenzen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Volksrepublik China derzeit ein staatliches Programm namens „Made in China 2025“ umsetzt, das sich auf die deutsche Initiative Industrie 4.0 und andere europäische Trends stützt. Dies bedeutet, dass Europa auch bei diesem Wandel die Führungsrolle innehat. Aber diese Führungsrolle könnte sich als nicht ausreichend erweisen. Wir müssen wir uns auch der künftigen Herausforderungen und der für den Fortschritt notwendigen Anpassungen bewusst sein und die europäische Führungsrolle dauerhaft sichern, indem wir dafür sorgen, dass die Ergebnisse und das Wachstum allen zugutekommen.

3.7.

Die industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas muss trotz der Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten auf globaler Ebene wahrgenommen werden. Mehrere Studien zeigen eine klare Aufteilung in „Mitgliedstaaten, die bei der Wettbewerbsfähigkeit führend sind“ (10), „Mitgliedstaaten, die bei der Wettbewerbsfähigkeit mithalten“ (7) und „Mitgliedstaaten, die bei der Wettbewerbsfähigkeit aufholen“ (11) (8).

3.8.

Dies bedeutet, dass die ursprünglich auf Konvergenz ausgerichteten politischen Maßnahmen der EU der weiteren Vertiefung der Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten nicht genug Rechnung tragen: Einheitslösungen sind hier unwirksam, und dies muss mutig angesprochen werden, wobei das Ziel prinzipiell stets darin bestehen muss, Wachstum für alle zu schaffen. Der Zusammenhang zwischen Wettbewerbsfähigkeit, Konvergenz und Kohäsion muss wiederhergestellt werden.

3.9.

Dies gilt ebenso für die Aktivitäten in den Bereichen FuE+I. Die Investitionen in diese Bereiche müssen unbedingt erhöht bzw. zumindest auf demselben Niveau beibehalten werden, wobei aber stets die Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigt werden muss. Die EU-Politik muss der strukturellen Vielfalt in Europa Rechnung tragen, auch in Bezug auf die Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationstätigkeit (9).

3.10.

Schließlich betont der EWSA, dass es im Hinblick auf eine umfassende Reindustrialisierung unbedingt notwendig ist, die Beziehungen zwischen den Sozialpartnern zu stärken.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.   Handel und Globalisierung (einschließlich Internationalisierungsmaßnahmen von Unternehmen)

4.1.1.

Die entscheidende Bedeutung des Binnenmarkts für das europäische Wachstum steht außer Streit, und dieser muss ein faires Umfeld für die Gründung, den Auf- und Ausbau sowie den dauerhaften Betrieb von Unternehmen bieten. Es ist sehr wichtig, die richtigen Rahmenbedingungen für den Betrieb von Unternehmen in der EU zu schaffen. Natürlich darf man dabei nicht Europas Stellung in der Welt und die Notwendigkeit, mit anderen Wirtschaftsräumen zu interagieren, außer Acht lassen. Die jüngst geschlossenen Handelsabkommen mit anderen Volkswirtschaften und die Verhandlungen mit weiteren möglichen Partnern müssen mit Weitblick geführt und als Chance für Wachstum und industrielle Entwicklung gesehen werden. Gleichzeitig kann Europa jedoch nicht über gewisse unlautere Handelspraktiken in anderen Wirtschaftsräumen der Welt hinwegsehen und muss entschlossen darauf reagieren.

4.1.2.

Die europäischen Sozialstandards müssen auch künftig im Mittelpunkt jeder Politik stehen, und obwohl Europa diese Standards der Welt nicht aufoktroyieren kann, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um sie zu verteidigen und eine konstruktive globale Kultur der sozialen Unternehmensverantwortung zu schaffen, in der Europa weltweit mit gutem Beispiel vorangeht.

4.2.   Energie und nachhaltige Industrie auf der Grundlage der Kreislaufwirtschaft

4.2.1.

Europa muss laufend in eine nachhaltige Industrie investieren, die auf Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern stößt. Eine Gesellschaft, die ihre Umweltbelastung verringern kann, indem sie dafür sorgt, dass Ressourcen möglichst lange genutzt werden, ist besser gerüstet. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft muss im Zentrum jeder Industriepolitik stehen, um ein nachhaltiges Umfeld zu schaffen, in dem neue Produkte durch Rückgewinnung, Wiederverwendung, Aufbereitung oder Recycling hergestellt werden.

4.2.2.

Der Nutzung alternativer und umweltfreundlicher Energie muss mehr denn je Priorität eingeräumt werden (10). Die Bürgerinnen und Bürger müssen für die Aktivitäten sensibilisiert werden, die Arbeitsplätze schaffen und dem verarbeitenden Gewerbe in Europa in vielen Bereichen des Wissenstransfers eine Führungsrolle verschaffen. In diesem besonderen Wirtschaftszweig zeigt sich Europas Fähigkeit, das auf der Ebene der Universitäten und anderer Institutionen erlangte Wissen mit dem verarbeitenden Gewerbe zusammenzuführen.

4.2.3.

Statt sich nur auf interne Maßnahmen zu konzentrieren, sollte die EU ein günstiges Umfeld für die EU-Wirtschaft im Hinblick auf den Export von Technologien, Produkten und Lösungen anstreben, die zu einer möglichst effizienten Bewältigung der globalen Probleme im Bereich Klima und natürliche Ressourcen beitragen.

4.3.   Forschung, Entwicklung und Innovation

4.3.1.

Europäische FuE-Projekte sollten durch öffentliche Mittel gefördert und mit den Maßnahmen in den Mitgliedstaaten abgestimmt werden. Es muss prioritär dafür gesorgt werden, dass in den einzelnen Mitgliedstaaten mehr in FuE+I investiert wird. Darüber hinaus fordert der EWSA (erneut) eine Vereinfachung des Zugangs zu EU-Finanzmitteln für Innovation (11).

4.3.2.

Außerdem ist der EWSA der Auffassung, dass EU-Investitionen in „Großunternehmen“ zur Förderung der Beteiligung von KMU einen echten Nutzen für das Innovationsökosystem darstellen. Eine positive Innovationsdynamik ist nur dann möglich, wenn die Investitionen großer Unternehmen und das Streben nach Lösungen von KMU zusammengeführt werden. In diesem Bereich sollten europäische Projekte wie COSME in den Mitgliedstaaten stärker herausgestellt werden, um die Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger zu verändern.

4.3.3.

Darüber hinaus befürwortet der EWSA die Stärkung der verantwortungsvollen Forschung und Innovation (englisch: Responsible Research and Innovation/RRI). Es handelt sich dabei um einen ganzheitlichen Ansatz, der bereits im Rahmen von Horizont 2020 festgelegt wurde und der mittels inklusiver und partizipativer Methoden die Beteiligung aller Akteure (von den Vertretern der Forschungsgemeinschaft bis hin zu den Institutionen und Regierungen) vorsieht.

4.3.4.

Nicht zu vernachlässigen sind nach Auffassung des EWSA insbesondere auch die jüngsten technischen Entwicklungen infolge der Fortschritte bei der Erforschung künstlicher Intelligenz (KI) und der Anwendung dieser Forschungsergebnisse. In diesem Zusammenhang weist der EWSA auf die Auswirkungen und Konsequenzen der Anwendung von KI nicht nur auf die industriellen Produktionsverfahren, sondern auch auf die Arbeit und den Lebensalltag der Menschen hin.

4.4.   Brexit

4.4.1.

Die Auswirkungen des Brexits werden je nach Branche unterschiedlich ausfallen und von der Vereinbarung abhängen, die das Vereinigte Königreich schlussendlich mit der EU-27 schließt. Manche Branchen werden die Auswirkungen des Brexits wohl stärker zu spüren bekommen als andere. Nichtsdestoweniger sollten die Auswirkungen nicht branchenspezifisch betrachtet werden, da die einzelnen Branchen untereinander stark verflochten sind, was die Folgen auf jede einzelne davon potenzieren könnte. Probleme in der Lebensmittel- und Getränkeproduktion werden sich z. B. auf das Hotel- und Gaststättengewerbe auswirken, und ein Rückgang im Bereich der Metallindustrie wird Folgen für den Fahrzeugbau haben.

4.4.2.

Zwei Aspekten scheinen beide Seiten besondere Bedeutung beizumessen: dem Marktzugang sowie der Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Während die Verfügbarkeit von EU-Arbeitskräften für das Vereinigte Königreich in vielen Branchen weitgehend vergleichbar ist, kommt den Exporten in die EU je nach Branche eine sehr unterschiedliche Bedeutung zu, wobei einige große Branchen wie der Bau und der Groß- und Einzelhandel eher auf den Heimatmarkt ausgerichtet sind.

4.4.3.

Nach Auffassung des EWSA kommt es darauf an, die Integrität des Binnenmarkts zu wahren. Außerdem muss für Rechtssicherheit gesorgt werden.

5.   Investitionsplan

5.1.

Investitionen spielen vor dem Hintergrund eines neuen Industriezeitalters eine Schlüsselrolle. Der EWSA ist der Meinung, dass eine Reihe von Maßnahmen ergriffen werden könnte, um die Effizienz der Investitionen zu erhöhen und Industrieunternehmen eine andere Dimension zu erschließen:

Ausweitung öffentlicher Investitionen: finanzielle Spielräume für die Mitgliedstaaten, Lockerung der Verschuldungskriterien für öffentliche Investitionen („goldene Regel“), Aufstockung der EU-Mittel für den industriellen Wandel und Investitionen in eine nachhaltige (trans-)europäische Infrastruktur;

Stärkung privater Investitionen: Stimulierung der Investitionstätigkeit der EIB, Auflegung neuer Förderprogramme nationaler Banken und Ausweitung der bestehenden Programme. Ziel ist es, den KMU einen sicheren und langfristigen Finanzierungsrahmen zu bieten, insbesondere im Hinblick auf die komplexen Transformationsprozesse;

Unterstützung der nachhaltigen Finanzierungsstrategie der Europäischen Kommission im Rahmen der Kapitalmarktunion, die langfristige Investitionen durch die Mobilisierung privater Kapitalflüsse für nachhaltige Investitionen erleichtert. In diesem Zusammenhang unterstreicht der EWSA die Bedeutung des Schlussberichts, den die Hochrangige Sachverständigengruppe für nachhaltige Finanzierung (High-Level Expert Group on Sustainable Finance) in Kürze vorlegen wird, sowie des anschließenden Aktionsplans.

5.2.

Die Zuweisung von EU-Mitteln muss vor allem auf die Umsetzung der industriepolitischen Entwicklungsziele — insbesondere solcher, die einen zusätzlichen Nutzen für die EU haben (Senkung des CO2-Ausstoßes, Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Digitalisierung usw.) — abzielen und an die EU-Sozialstandards sowie einen Leistungsvergleich geknüpft werden.

5.3.

Diese Nachhaltigkeitsziele sind von grundlegender Bedeutung für die europäische Industrie und die Führungsrolle Europas. Sie erfordern jedoch einen geeigneten Investitionsrahmen für KMU, der es ihnen ermöglicht, wettbewerbsfähig zu bleiben.

5.4.

Zudem ist der EWSA der Auffassung, dass geprüft werden sollte, ob den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt werden kann, in ihre nationalen Verfahren für die Vergabe öffentlicher Aufträge soziale und regionale Kriterien aufzunehmen (Konzept des „good content“).

5.5.

Schließlich schlägt er vor, nach neuen Denkansätzen für die Unternehmensbesteuerung zu suchen, um die Probleme mit Steuerumgehung und Steuerwettbewerb anzugehen.

Brüssel, den 17. Januar 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  COM(2017) 479 final.

(2)  COM(2017) 563 final — Ein Europäischer Rahmen für hochwertige und nachhaltige Berufsausbildungen.

(3)  Im Einklang mit dem Ziel für nachhaltige Entwicklung Nr. 9 zu Industrie, Innovation und Infrastruktur, auf das sich alle EU-Mitgliedstaaten geeinigt haben.

(4)  Die Durchführungsverordnung (EU) 2017/336 der Kommission vom 27. Februar 2017 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Grobbleche aus nicht legiertem oder anderem legierten Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China ist ein gutes Beispiel für eine Antidumpingmaßnahme, aber die Nebenwirkungen müssen beobachtet werden (http://data.europa.eu/eli/reg_impl/2017/336/oj).

(5)  http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.de.int-opinions.41082 (Ziffer 2.4).

(6)  COM(2014) 14 final.

(7)  Schlussfolgerungen des Rates Wettbewerbsfähigkeit vom 30. November/1. Dezember 2017.

(8)  Factors for Growth. Priorities for competitiveness, convergence and cohesion in the EU; Lighthouse Europe.

(9)  EWSA-Informationsbericht zur Halbzeitbewertung von Horizont 2020 (INT/807).

(10)  Laut jüngsten Ergebnissen zu den Kapazitäten im Bereich der Windenergie wurden am Donnerstag, dem 23. November 2017, 19,2 % des Energiebedarfs in Europa aus Windkraft gedeckt (https://windeurope.org/about-wind/daily-wind/). Die drei Spitzenreiter — Dänemark mit 93 %, Deutschland mit 47 % und Portugal mit 46 % — zeigen, dass es möglich ist, die Energieeffizienz zu steigern.

(11)  Die Investitionen im Rahmen von Horizont 2020 werden in einer Reihe von Schätzungen mit 74,8 Mrd. EUR beziffert, davon 16,4 Mrd. für die industrielle Führungsrolle. Im laufenden mehrjährigen Finanzrahmen belaufen sich die Mittelzuweisungen aus den Strukturfonds für Forschung und Innovation auf 43,7 Mrd. EUR, für die Wettbewerbsfähigkeit von KMU auf 63,7 Mrd. EUR und für die Schaffung einer CO2-emissionsarmen Wirtschaft auf 44,8 Mrd. EUR. Das staatliche Investitionsvolumen des Projekts „Made in China“ wird in jüngsten Schätzungen auf 1,5 Mrd. USD veranschlagt.


III Vorbereitende Rechtsakte

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

531. Plenartagung des EWSA vom 17./18. Januar 2018

8.6.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 197/17


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Das jährliche Arbeitsprogramm 2018 der Union für europäische Normung“

(COM(2017) 453 final)

(2018/C 197/03)

Alleinberichterstatter:

Juan MENDOZA CASTRO

Befassung

Kommission: 9.10.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

18.12.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

17.1.2018

Plenartagung Nr.

531

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

195/1/0

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt das Arbeitsprogramm 2018 für europäische Normung, insbesondere die Maßnahmen in den Bereichen Umwelt und Soziales, empfiehlt jedoch, in künftigen Fassungen zusammenfassend anzugeben, inwieweit frühere Programme umgesetzt wurden.

1.2.

Er empfiehlt, dass alle Maßnahmen im Bereich IKT in einem einzigen Dokument zusammengefasst werden.

1.3.

Er fordert die Kommission auf, aufmerksam darauf zu achten, dass ein möglicher Missbrauch von Patentvorschriften und geschlossenen Standards vermieden wird.

1.4.

Der EWSA unterstreicht die Rolle der Kommission im Rahmen des europäischen Normungssystems, das für die Entwicklung des Binnenmarkts von entscheidender Bedeutung ist und der EU weltweit die Führungsposition auf diesem Gebiet sichert.

1.5.

Er fordert die Kommission auf, auch weiterhin Haushaltsmittel in ausreichender Höhe zur Verfügung zu stellen und für die nötige Personalausstattung Sorge zu tragen, um die Ziele der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 zu erreichen.

1.6.

Er weist nachdrücklich darauf hin, dass die Bemühungen der wichtigsten Normungsakteure detaillierte Folgemaßnahmen erfordern. Der EWSA könnte als prioritäre Maßnahme ein Ad-hoc-Forum zur Integrativität des europäischen Normungssystems einrichten.

1.7.

Er hält die 27 für 2018 geplanten Maßnahmen im Großen und Ganzen für angemessen, unterstreicht jedoch folgende Aspekte:

Der digitale Binnenmarkt: Der EWSA ist besorgt darüber, dass die De-facto-Standards weltweit oft auf Betreiben von Industriegiganten aus Drittstaaten festgelegt werden, was negative Auswirkungen hat.

Neue Normen für Ethanol: Der EWSA empfiehlt nachdrücklich, Umweltschutzaspekte zu berücksichtigen.

Der EWSA begrüßt insbesondere die verschiedenen Maßnahmen, die auf eine deutliche Verbesserung der Umwelt und der menschlichen Gesundheit abzielen.

Standards für Medizinprodukte: Der EWSA schlägt vor, auch die Kosteneffizienz mit in Betracht zu ziehen.

Harmonisierung der Kriterien für Emissionen im Verkehrssektor: Der EWSA weist auf die dürftigen Fortschritte hin, die seit den ersten Maßnahmen im Jahr 1995 erzielt wurden.

1.8.

Der EWSA unterstützt die Kommission bezüglich der internationalen Zusammenarbeit, weist sie allerdings darauf hin, dass immer mehr Normen mittlerweile auf internationaler Ebene ohne koordinierte Mitwirkung Europas erarbeitet werden.

1.9.

Der EWSA empfiehlt den europäischen Normungsorganisationen, die Verfahren für die in Anhang III aufgeführten Organisationen zu erleichtern, damit diese sich an der Entwicklung der Normen beteiligen können und so die Hürden für eine wirksame Beteiligung aus dem Weg geräumt werden.

1.10.

Der EWSA begrüßt die verschiedenen Maßnahmen der Gemeinsamen Normungsinitiative, spricht sich allerdings dafür aus, die indirekten Auswirkungen der Festlegung von Normen auf Bereiche wie die Verlagerung von Arbeitsplätzen, die Einbeziehung der Gesellschaft, Aus- und Weiterbildung usw. zu berücksichtigen.

2.   Die Vorschläge der Kommission

2.1.

Im jährlichen Arbeitsplan der EU werden die Herausforderungen und Überlegungen in Bezug auf standardessenzielle Patente, IKT-Normung, die internationale Dimension der Normung und autonome Fahrzeuge aufgegriffen.

2.2.

Im Plan findet auch die Gemeinsame Normungsinitiative (GNI) vom Juni 2016 ihren Niederschlag (1).

2.3.

Es geht hier um Maßnahmen zur Unterstützung der folgenden strategischen Prioritäten, die ihrerseits dazu dienen, relevante Initiativen im Rahmen des Arbeitsprogramms der Kommission für 2017 und den sich daraus für 2018 ergebenden Normungsbedarf zu fördern:

Strategie für einen digitalen Binnenmarkt

Strategie für die Energieunion

Weltraumstrategie für Europa

Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft

Europäischer Verteidigungs-Aktionsplan

Vertiefter und gerechterer Binnenmarkt mit gestärkter industrieller Basis.

2.4.

Die Kommission will durch interinstitutionelle Schulungen erreichen, dass Gesetzgeber und Mitgesetzgeber besser über die Anwendung von Normen bei der Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen Bescheid wissen.

2.5.

Sie fordert die europäischen Normungsorganisationen auf, sich noch intensiver darum zu bemühen, dass die Arbeit der Organisationen nach Anhang III und aller Interessenträger erleichtert wird, wobei es in erster Linie um ihre internen Regeln und Verfahren und die Arbeit auf internationaler Ebene, insbesondere in der ISO und der IEC, geht.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der EWSA begrüßt das von der Kommission vorgelegte Arbeitsprogramm für 2018, in dem soziale Fragen und zentrale Umweltthemen behandelt werden, u. a. die wichtigen Bereiche Kreislaufwirtschaft, Klimawandel und saubere Energien. Er weist jedoch darauf hin, dass künftig darin eine Zusammenfassung enthalten sein sollte, in der dargelegt wird, inwieweit die Programmziele früherer Jahre verwirklicht wurden.

3.2.

Die Plattformen und Koordinierungsmechanismen im Bereich der IKT müssen gestrafft werden, um Überschneidungen und eine ungenügende Abstimmung zu vermeiden. Alle Normungsmaßnahmen in diesem Bereich sollten in einem einzigen Dokument zusammengefasst werden.

3.3.

Offene Standards sind wichtig für die industrielle und technische Entwicklung in der EU. Der EWSA fordert die Kommission auf, eine missbräuchliche und im Widerspruch zu den Grundsätzen des Wettbewerbs, der Patentbestimmungen und der Standards für proprietäre Software (closed source) stehende Nutzung zu verhindern. Im Fall von standardessenziellen Patenten unterstützt EWSA die Grundsätze von Lizenzen zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen (sogenannte FRAND-Bedingungen).

3.4.

Das europäische Normungssystem sichert der EU weltweit eine Führungsposition auf diesem Gebiet. Der EWSA würdigt die Arbeit der Kommission in diesem Bereich. Die Einheitlichkeit und Kohärenz der europäischen Normen wird durch den geltenden Grundsatz „Eine Norm, eine Prüfung — in ganz Europa anerkannt“ gewährleistet. Dies ermöglicht den Unternehmen Investitionen und bietet ihnen rechtliche und finanzielle Sicherheit.

3.5.

Angesichts der Besonderheit und der Bedeutung des europäischen Normungssystems für die Industrie, die KMU, die Verbraucher und Arbeitnehmer, fordert der EWSA die Kommission auf, auch weiterhin Haushaltsmittel in ausreichender Höhe zur Verfügung zu stellen und für die nötige Personalausstattung Sorge zu tragen, um die Ziele der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 zu erreichen.

3.6.

Der EWSA fordert, dass die Maßnahmen der wesentlichen Normungsakteure gründlich begleitet werden, um die Dimension der Integration des Europäischen Normungssystems zu stärken. Der EWSA könnte als prioritäre Maßnahme ein Ad-hoc-Forum zur Integrativität des europäischen Normungssystems einrichten. Dieses Gremium würde mit der Veranstaltung einer jährlichen öffentlichen Anhörung beauftragt, um die Fortschritte in diesem Bereich zu evaluieren.

3.7.

Da bisher nicht zufriedenstellend auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache James Elliott (2) reagiert wurde, in denen europäische Normen erstmals als Teil des Unionsrechts anerkannt werden, betont der EWSA, wie wichtig es ist, dass die Kommission ihre erforderliche Kontrollbefugnis über die Normungsarbeiten in enger Zusammenarbeit mit den anderen EU-Institutionen ausübt, und fordert eine interinstitutionelle Debatte über dieses Thema.

3.8.

Der EWSA empfiehlt der Europäischen Kommission, den Konsultationsprozess zum Vorentwurf des jährlichen Arbeitsprogramms der Union aufmerksam zu verfolgen, da zu den vorgelegten Vorschlägen keine strategische Perspektive, keine Struktur, kein Hintergrund und keine erläuternde Begründung angegeben wurde.

4.   Bemerkungen zu den für 2018 geplanten Maßnahmen

Neue Impulse für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen

4.1.   Festlegung einheitlicher Regelungen für die Herstellung von Düngemitteln (einschließlich organischer Düngemittel) (3)

Der EWSA hat bereits früher festgestellt, dass einige Begriffsbestimmungen und Normen für Düngemittel, die aus Sekundärrohstoffen gewonnen werden, nicht eindeutig sind. Im Hinblick auf eine bessere Umsetzung der neuen Verordnung empfiehlt der EWSA eine sorgfältigere Integration und eine Angleichung mit der bzw. an die bestehende Abfallrichtlinie (4). Auch sollten wichtige Umwelterwägungen im Zusammenhang mit Düngemitteln nicht außer Acht gelassen werden.

Digitaler Binnenmarkt

4.2.   Verbesserung der Qualität der Festnetz- und Mobilfunkdienste (5)

4.2.1.

Die Normung spielt eine unzweifelhaft wichtige Rolle auf diesem Gebiet und verhindert die Fragmentierung des Marktes, die zu wettbewerbswidrigen Praktiken führen könnte (6).

4.2.2.

Der EWSA unterstützt uneingeschränkt die Strategie der Kommission für den digitalen Binnenmarkt, möchte allerdings darauf hinweisen, dass sie erhebliche Folgen für die Organisation des europäischen Arbeitsmarkts haben wird, da eine zunehmende Zahl von „Crowdworkern“ in oftmals sehr kurzlebigen und unbeständigen Beschäftigungsverhältnissen für Plattformen arbeiten.

4.2.3.

Die Digitalisierung der Industrie ist ein weltweiter Trend, der in den nächsten Jahren noch zunehmen wird. IKT-Normen sind für die Entwicklung digitaler Technologien in zahlreichen Industriezweigen unverzichtbar. Weltweit werden De-facto-Standards jedoch oft auf Betreiben von Industriegiganten aus Drittstaaten festgelegt.

4.2.4.

Die Entwicklung nationaler, europäischer oder internationaler Normen durch die offiziellen Normungsorganisationen (CEN, Cenelec, ETSI) ist für die sich rasch verändernde digitale Technologie zu langwierig. Daher entwickeln Unternehmen ihre eigenen Standards — in viel kürzerer Zeit und nach eigenen Regeln.

4.2.5.

Es besteht die Gefahr, dass die Erarbeitung von Normen intransparent wird und andere Akteure außen vor bleiben.

4.3.   Festlegung von Regeln, die die Entwicklung der 5G-Technologie im 26-GHz-Band (24,25-27,50 GHz) und in anderen Frequenzbändern mit höheren Wellenlängen erleichtert (7)

Der EWSA hält diese Maßnahme für wesentlich, um die Führungsrolle der EU bei der Umsetzung der 5G-Technologie aufrechtzuerhalten.

4.4.   Festlegung gemeinsamer Standards zur Verbesserung der Funkkommunikationssysteme, des Austausches von Fluggastdaten und Zeitplänen sowie der IT-Sicherheit (8)

Der EWSA schlägt vor, technische Veränderungen und neue Geschäftsmodelle, die sich aus dem Fremdenverkehr ergeben, ebenfalls zu normieren und die Entwicklung integrierter intelligenter Ticket- und Informationssysteme zu fördern.

4.5.   Interoperabilität und Datenaustausch zwischen Betreibern zur Förderung effizienterer Transport- und Logistikdienste (9)

Die Kommission schlägt ergänzende Maßnahmen bezüglich der Festlegung von Normen vor. Dennoch sollte an dieser Stelle an die großen Herausforderungen erinnert werden, mit denen dieser Wirtschaftszweig derzeit konfrontiert ist: „mehrmalige Übermittlung von Daten in verschiedene Systeme aufgrund von mosaikhaften und nicht interoperablen Normen; Mangel an vernetzten Systemen und fehlendes Vertrauen in den Schutz sensibler Daten; elektronische Frachtpapiere, die von Behörden, Banken und Versicherungen nicht anerkannt werden; fehlende kritische Masse von Akteuren, die Daten teilen und neue Geschäftsmöglichkeiten testen“ (10).

Eine robuste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzpolitik

4.6.   Schaffung neuer Sensoren und Messverfahren für die Beurteilung der Luftqualität (11) ; Überwachung der Ammoniak- (NH3), Chlor- und Chlordioxidemissionen in die Atmosphäre sowie der Fluorwasserstoffemissionen (bzw. der Gesamtemissionen an gasförmigen Fluoriden) aus der Industrie (12) ; Schutz der Gesundheit vor polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (13)

Der EWSA begrüßt die Vorschläge, die wesentlich zur Verbesserung der Umwelt und der menschlichen Gesundheit beitragen. Der Kontakt der Bevölkerung mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), von denen viele bekanntlich krebserregend sind, ist schon lange ein Anlass zur Besorgnis, und es gibt mehrere EU-Rechtsvorschriften, durch die die Konzentration dieser Stoffe in Nahrungsmitteln, Wasser und in der Luft begrenzt werden.

4.7.   Ökodesign: Senkung des Verbrauchs zahlreicher Produkte (Computer usw.) (14) ; Kennzeichnung zentraler Systeme im Hinblick auf die Energieeffizienz (15) ; grüne Infrastruktur (16)

Der EWSA verweist nachdrücklich auf die Widerstandsfähigkeit wichtiger EU-Infrastrukturen gegenüber den unvermeidbaren Folgen des Klimawandels sowie auf die langsame Reaktion des Normungssystems auf dieses wichtige Problem. Normen können die Entwicklung grüner Infrastruktur fördern und somit einen Beitrag zu einer besseren Ressourceneffizienz im Gebäudesektor und zu einer stärkeren Klimaresilienz leisten.

4.8.   Entwicklung von Normen für einen 20-25 %-igen Ethanolanteil im Benzin (derzeit 10 %) (17)

Sollte die Kommission beschließen, dem CEN ein diesbezügliches Mandat zu übertragen, empfiehlt der EWSA nachdrücklich, folgende Punkte zu berücksichtigen: die ökologischen Auswirkungen von Monokulturen; Schädigung von Gewässern und Böden durch die Ausbringung von Pestiziden und Düngemitteln; Bodenerosion; Nährstoffausschwemmung; verstärkte Nutzung der Süßwasserressourcen; Verlust der Artenvielfalt und der Lebensräume für wildlebende Tiere (18).

4.9.   Harmonisierung der Kriterien für die Emissionen im Verkehrssektor (19)

Nach Auffassung des EWSA sollte die Kommission zu dieser zweifellos notwendigen Maßnahme konkretere Vorschläge machen. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die ersten Schritte zur Verringerung der Emissionen im Verkehrssektor bereits 1995 unternommen wurden. (20)

Binnenmarkt

4.10.   Stärkung der Rolle des Europäischen Ausschusses für die Ausarbeitung von Standards im Bereich der Binnenschifffahrt (CESNI) (21)

In Anbetracht des Umfangs der derzeitigen Anforderungen in Bezug auf den Kurzstreckenseeverkehr besteht zwar dringender Handlungsbedarf (22), doch sollte der Vorschlag nach Ansicht des EWSA präziser formuliert werden.

4.11.   Fahrplan für die Normung der aus dem europäischen globalen Satelliten-Navigationssystem (EGNSS) hervorgegangenen Produkte einschließlich der Umsetzung des Fahrplans sowie Verbesserung der Interoperabilität der Dienste von Galileo mit dem Luftverkehrsmarkt (23)

Der EWSA unterstützt diesen Vorschlag vorbehaltlos und weist darauf hin, dass der Wert des weltweiten Marktes für GNSS-gestützte Produkte und Dienstleistungen, der sog. nachgelagerte Markt, sich 2013 auf 200 Mrd. EUR belief (24).

4.12.   Elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge (25)

Harmonisierung ist ein wichtiger Schritt hin zur Demokratisierung eines Marktes, der angesichts der umfassenden Inanspruchnahme öffentlicher Mittel transparent und zugänglich sein muss. Zugleich gilt es, die Kosten für die Einrichtung neuer oder die Anpassung bereits bestehender Plattformen sowie für ihre Wartung möglichst gering zu halten. Der Normung kommt daher größte Bedeutung zu (26).

4.13.   Entwicklung von Normen für Drucker und sonstige Ausrüstung (27)

Der EWSA teilt die Ansicht, dass neue, harmonisierte Normen erforderlich sind, da die Verbraucher erwarten, dass neue und innovative Produkte wie 3D-Drucker, Roboter und autonome Fahrzeuge so sicher sind wie herkömmliche Produkte. Diese neuen Produkte dürfen keinesfalls die Sicherheit der Verbraucher gefährden.

4.14.   Aktualisierung der Sicherheits- und Leistungsanforderungen für medizinische Geräte (28)

Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass durch die neue Verordnung „die Sicherheits- und Leistungsanforderungen für medizinische Geräte erhöht werden, um dem technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt Rechnung zu tragen“. Darin besteht das Hauptziel, doch da neue Technologien der wichtigste Grund für die rasch steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen sind, empfiehlt der EWSA, auch die Kosteneffizienz zu berücksichtigen.

4.15.   Aktualisierung der Sicherheits- und Hygieneanforderungen für Bauprodukte, die mit Trinkwasser in Berührung kommen (29)

Der EWSA bedauert, dass auch nach zehnjähriger Diskussion europäische Standards in diesem Bereich erst noch festgelegt werden müssen. Die Entscheidung, das aktuelle Mandat (M/136) (30) zu ändern, zwingt die Normungsorganisationen dazu, bis Ende 2018 die ersten Ergebnisse vorzulegen.

4.16.   Unterstützung der Arbeit im Zusammenhang mit den grundlegenden Anforderungen für unbemannte Flugsysteme (UAS) (31)

Der EWSA stellt fest, dass die öffentliche Debatte über die Nutzung der Drohnentechnik zu Freizeit- und kommerziellen Zwecken einschließlich ihrer Sicherheit und der damit verbundenen Sicherheitsrisiken immer heftiger geworden ist. Internationale Normen sind beim Aufbau des globalen kommerziellen Marktes von entscheidender Bedeutung. Diese Normen müssen zu einem weltweit harmonisierten Luftraum führen, zu dem unbemannte Flugsysteme routinemäßig Zugang haben. Dadurch werden die Geschäftsmöglichkeiten zunehmen, ohne bei der Sicherheit und der Gesamteffizienz des Luftraums Abstriche machen zu müssen. Wichtige Normen, die derzeit erarbeitet werden, beziehen sich auch auf die Bereiche „Erkennen und Vermeiden“ sowie „Steuerung und Kontrolle“ (32).

4.17.   Überarbeitung der harmonisierten Kriterien für Explosivstoffe für zivile Zwecke (insbesondere Sprengzünder) (33)

Ziel dieser Maßnahme ist es, die Sicherheit von zivilen Explosivstoffen zu erhöhen, zumal weit verbreitete Produkte (insbesondere elektronische Sprengzünder) durch die bestehenden harmonisierten Normen in keiner Weise erfasst werden. Der EWSA hält diesen Vorschlag selbstredend für absolut angemessen.

4.18.   Interoperabilität: neue technische Spezifikationen für die Interoperabilität des Eisenbahnsystems (34)

Der EWSA begrüßt diesen Vorschlag als einen weiteren Schritt auf dem langen Weg zur Integration des Schienenverkehrs in Europa. In diesem Falle erleichtern die Normen für rollendes Material mit einer Spurweite von 1 520 mm den Anschluss an die europäische Normalspur von 1 435 mm.

4.19.   Schutz der Gesundheit von Arbeitnehmern vor Gefahren in explosionsgefährdeter Umgebung (ATEX) (35)

Der EWSA befürwortet die ATEX-Richtlinie uneingeschränkt, da in ihr eine Aktualisierung des Mandats gemäß dem neuen Rechtsrahmen gefordert wird.

4.20.   Verbesserung des Verbraucherschutzes (36)

Der EWSA hofft, dass die neuen Normen im Einklang mit dem Grundsatz stehen, demzufolge der Verbraucherschutz erfordert, dass die den Verbrauchern zugänglichen Waren und Dienstleistungen bei bestimmungs- und erwartungsgemäßem Gebrauch die Gesundheit der Menschen nicht gefährden. Widrigenfalls müssen sie mittels rascher und einfacher Verfahren vom Markt genommen werden (37).

Raum des Rechts und der Grundrechte

4.21.   Normung: Festlegung von Anforderungen für Detektoren zum Schutz vor terroristischen Anschlägen (in anderen Bereichen als dem Luftverkehr) (38)

Der EWSA unterstützt diese Maßnahme vorbehaltlos und betont, dass die Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA von wesentlicher Bedeutung ist, da beide Seiten unter dem Terrorismus leiden. (39) An dieser Stelle wäre es sinnvoll, unter anderem auf Fragen in Zusammenhang mit der Cybersicherheit und der speziellen Gefährdung des Verkehrssektors hinzuweisen.

Die EU als starker Akteur auf internationaler Bühne

4.22.   Entwicklung: Unterstützung der Mitgliedstaaten in ihren Bemühungen, gemeinsame europäische Verteidigungskapazitäten aufzubauen (Mindestnormen) (40)

In Erwartung der von der Kommission derzeit vorbereiteten Studie und dem anschließenden Beschluss unterstützt der EWSA die Entwicklung gemeinsamer Normen sowohl für Rüstungsgüter als auch für Güter von doppeltem Nutzen, ohne dabei bestehende Normen, insbesondere NATO-Normen, zu duplizieren (41).

5.   Internationale Zusammenarbeit

5.1.

Der EWSA unterstützt die Initiative der Kommission zur Intensivierung des politischen Dialogs mit den internationalen Normungsakteuren, weist allerdings darauf hin, dass immer mehr Normen mittlerweile auf internationaler Ebene ohne koordinierte Mitwirkung Europas erarbeitet werden.

5.2.

Diese Verlagerung der Normung auf die internationale Ebene hat Folgen: gesellschaftliche Interessengruppen, KMU und Marktüberprüfungsbehörden können nicht mehr teilnehmen, da sie nicht über die nötigen Ressourcen verfügen, um die internationale Festlegung von Normen zu beeinflussen.

5.3.

Da diese internationalen Normen unter Umgehung der europäischen Normungsorganisationen direkt auf nationaler Ebene übernommen werden können, wächst die Gefahr einer Entharmonisierung des Binnenmarktes.

6.   Integrativität

Der EWSA begrüßt die Maßnahmen der Kommission zur Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung eines wirklich integrativen europäischen Normungssystems. Der EWSA empfiehlt den europäischen Normungsorganisationen nachdrücklich, die Verfahren für die in Anhang III aufgeführten Organisationen zu erleichtern, damit diese sich an der Entwicklung der Normen beteiligen können und so die Hürden für eine wirksame Beteiligung aus dem Weg geräumt werden.

7.   Lancierung der gemeinsamen Normungsinitiative

7.1.

Der EWSA begrüßt die verschiedenen Maßnahmen in diesem Bereich. Im Hinblick auf eine EU-weite Studie über die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen sowie den Zugang zu Normen in der EU und den Mitgliedstaaten der EFTA schlägt er darüber hinaus vor, die indirekten Folgen der Festlegung von Normen insbesondere auf Bereiche wie die Verlagerung von Arbeitsplätzen, die Einbeziehung der Gesellschaft, Aus- und Weiterbildung usw. zu berücksichtigen.

7.2.

Der EWSA begrüßt die Initiativen, die darauf abzielen, die Festlegung von Normen zu beschleunigen. Er sorgt sich jedoch, dass dabei die Transparenz während der vorbereitenden Arbeiten der Normungstätigkeit untergraben werden könnte.

Brüssel, den 17. Januar 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  COM(2015) 550 final.

(2)  C-613/14 — James Elliott Construction.

(3)  COM(2016) 157 final.

(4)  ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 80.

(5)  COM(2016) 176 final.

(6)  BEREC (Büro des Gremiums europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation) Report on Enabling the Internet of Things, 12.2.2016.

(7)  Richtlinie 2014/53/EU (ABl. L 153 vom 22.5.2014, S. 62).

(8)  Richtlinie (EU) Nr. 2016/797 (ABl. L 138 vom 26.5.2016, S. 44).

(9)  COM(2011) 144 final, COM(2009) 8 final, COM(2013) 913 final, SWD(2013) 524 final, C(2015) 2259 final.

(10)  Forum für die Digitalisierung in Verkehr und Logistik — Background, 2015.

(11)  Richtlinie 2008/50/EG (ABl. L 152 vom 11.6.2008, S. 1); Richtlinie 2004/107/EG (ABl. L 23 vom 26.1.2005, S. 3).

(12)  Richtlinie 2010/75/EU (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17).

(13)  Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1).

(14)  Richtlinie 2009/125/EG (ABl. L 285 vom 31.10.2009, S. 10).

(15)  Richtlinie 2009/28/EG (ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 16); COM(2016) 767 final.

(16)  COM(2013) 249 final; COM(2013) 216 final; COM(2014) 445 final.

(17)  Richtlinie 2009/28/EG (ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 16).

(18)  Projekt: Biofuel Marketplace. Mai 2006.

(19)  Richtlinie 2003/87/EG (ABl. L 275 vom 25.10.2003, S. 32).

(20)  COM(95) 302 final.

(21)  Richtlinie (EU) Nr. 2016/1629 (ABl. L 252 vom 16.9.2016, S. 118).

(22)  Der Europäische Standard der technischen Vorschriften für Binnenschiffe. Ausgabe 2015/1.

(23)  COM(2016) 705 final.

(24)  Positionspapier der Galileo-Dienste über die wichtigsten Prioritäten des Arbeitsprogramms 2018-2020 von Horizont 2020 über Weltraumtätigkeiten.

(25)  COM(2013) 453 final; Richtlinien über das öffentliche Auftragswesen (2017/24/EU); COM(2015) 0192 final.

(26)  ABl. C 67 vom 6.3.2014, S. 96.

(27)  Richtlinie 2006/42/EG, Richtlinie 95/16/EG (Neufassung) (ABl. L 157 vom 9.6.2006, S. 24).

(28)  Verordnung (EU) Nr. 2017/745 (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1); Verordnung (EU) Nr. 2017/746 (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S 176).

(29)  Verordnung (EU) Nr. 305/2011 (ABl. L 88 vom 4.4.2011, S. 5); Richtlinie 98/83/EG des Rates (ABl. L 330 vom 5.12.1998, S. 32).

(30)  Überarbeitetes Mandat für CEN/Cenelec.

(31)  COM(2015) 613 final.

(32)  ISO. How standards will target the drone industry.

(33)  Richtlinie 2014/28/EU (ABl. L 96 vom 29.3.2014, S. 1).

(34)  Richtlinie (EU) 2016/797 (ABl. L 138 vom 26.5.2016, S. 44).

(35)  Richtlinie 2014/34/EU (ABl. L 96 vom 29.3.2014, S. 309).

(36)  Richtlinie 2001/95/EG (ABl. L 11 vom 15.1.2002, S. 4).

(37)  ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 81.

(38)  COM(2014) 247 final; COM(2015) 624 final; COM(2012) 417 final.

(39)  The Benefits of U.S.-European Security Standardisation (Der Nutzen der Normungstätigkeit der USA und Europas im Bereich der Sicherheit). Nationales Institut für Normen und Technologie. US-Handelsministerium, Juni 2012.

(40)  COM(2016) 950 final.

(41)  ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 62.


8.6.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 197/24


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/413/JI des Rates“

(COM(2017) 489 final — 2017/0226 (COD))

(2018/C 197/04)

Berichterstatter:

Victor ALISTAR

Befassung

Europäisches Parlament, 2.10.2017

Rat, 25.10.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 83 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

18.12.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

18.1.2018

Plenartagung Nr.

531

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

129/0/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Initiative der Kommission, die Bekämpfung der Cyberkriminalität — ein Phänomen, das die elektronischen Zahlungsmittel betrifft — zur Priorität zu erklären, selbst wenn das schon seit Langem hätte geschehen müssen. Die Vorteile der Digitalisierung sollten mit Mechanismen zur Bewältigung der einschlägigen Herausforderungen einhergehen, damit die europäische Wirtschaft und die Unionsbürgerinnen und -bürger uneingeschränkt in den Genuss der Informationsgesellschaft kommen. Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission insofern, als er darauf abzielt, die Bürger und Unternehmen vor cyberkriminellen Netze zu schützen, und als darin Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in die Nutzung der Instrumente des elektronischen Zahlungsverkehrs vorgesehen sind.

1.2.

Im Rahmen der Prüfung des Richtlinienvorschlags weist der EWSA auf mehrere Mängel hin, die angegangen und behoben werden sollten:

1.2.1.

In Artikel 11 zur Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit bei Ermittlungen ist zu präzisieren, ob das Grundprinzip die Präsenz des Täters im Hoheitsgebiet oder die des verwendeten Informationssystems ist, um einen positiven Kompetenzkonflikt zu vermeiden. In diesem Zusammenhang fordert der EWSA, einen neuen Absatz zur Lösung von Kompetenzkonflikten in den Artikel aufzunehmen, bei der eine der beiden in dieser Stellungnahme vorgeschlagenen Methoden angewandt wird.

1.2.2.

In dem Richtlinienvorschlag wird zudem weder wirksam auf den Fall eingegangen, in dem auch Rechtssysteme in Drittstaaten betroffen sind, noch auf die Modalitäten zur Verweisung auf weitere Rechtsinstrumente für die internationale justizielle Zusammenarbeit, sodass die Einführung eines vorhersehbaren und genau festgelegten Verfahrensrahmens erforderlich ist.

1.2.3.

Artikel 16 zur Prävention sollte durch spezifische in den Umsetzungsrechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vorgesehene Maßnahmen zur Informationspflicht ergänzt werden, die entweder den Anbietern elektronischer Zahlungsmittel, den nationalen Regulierungsbehörden oder auch den für die Vermittlung von Finanzwissen zuständigen Stellen zukäme.

1.2.4.

In Artikel 12 und 13 sollte außerdem der Austausch von bewährten Verfahrensweisen im Bereich der Aufdeckung, Ermittlung und Abhilfe bei Fällen von Cyberkriminalität in Form von Betrug mit elektronischen Zahlungsmitteln vorgesehen werden.

1.3.

Auch wenn die Regelungen für die Ermittlungszusammenarbeit und die justizielle Zusammenarbeit in Fällen von Computerbetrug beleuchtet werden, ist es wichtig, im Rahmen von Sensiblisierungskampagnen, die von den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten durchgeführt werden, auch Maßnahmen zur Abschreckung und zur Information der Öffentlichkeit über die Vorgehensweisen der Täter zu ergreifen.

1.4.

Um die Wirksamkeit der Maßnahmen zum Schutz von Personen zu gewährleisten und die dieser Initiative zugrunde liegenden Ziele zu erreichen, nämlich die Stärkung des Vertrauens in elektronische und digitale Zahlungsmittel sowie ein höheres Maß an Übereinstimmung und Prävention, empfiehlt es sich, zur Ergänzung der Bestimmungen von Artikel 15, im Zuge nationaler Rechtsvorschriften auch eine finanzielle Absicherung gegen Betrug vorzusehen, die in der Verpflichtung besteht, die Opfer von Computerbetrug, bei dem die Inhaber elektronischer Zahlungsmittel geschädigt werden, zu 100 % zu entschädigen. Diese Entschädigung würde nach Abschluss der Ermittlungen dem Zahlungsmittelanbieter als betroffenem Zivilkläger zukommen.

1.5.

Um die Effizienz und Wirksamkeit der Politik zur Bekämpfung der Fälschung von elektronischen Zahlungsmitteln zu gewährleisten, muss in der Richtlinie eine Meldepflicht für Vorfälle mit gefälschten elektronischen Zahlungsmitteln vorgesehen werden — nach dem Vorbild der Meldepflicht im Rahmen der Bekämpfung der Geldwäsche oder der Verordnung zum Schutz personenbezogener Daten.

1.6.

Nach Ansicht des EWSA müssen die Kapazitäten zur Aufklärung und Verhinderung des Phänomens des Betrugs mit elektronischen und digitalen Zahlungsmitteln ausgebaut werden, indem ein Mechanismus zur Erhebung von statistischen Daten eingeführt wird mit dem Ziel, die Strategien zur Prävention und Korrektur der Folgen entsprechender Betrügereien zu stärken. Auch die Bewertung der Auswirkungen der Umsetzungsmaßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten sollte kontinuierlich erfolgen und quantitative Jahresberichte sowie eine zwei- bis dreijährliche qualitative Folgenbewertung umfassen, um die Wirksamkeit der Politik einschätzen und die erforderlichen Anpassungen ermitteln zu können.

1.7.

Um mittelfristig die Wirksamkeit der Bekämpfung von Computerbetrug und Fälschung von Zahlungsmitteln zu steigern, sollte die Bestimmung von Artikel 16 gestärkt werden, indem klargestellt wird, dass die Mitgliedstaaten gehalten sind, Spezialisierungen in diesem Bereich zu entwickeln, indem sie ermittlungstechnisches Know-how aufbauen und Erfahrungen austauschen, um die allgemeinen Kompetenzen von Absolventen (im Rahmen fakultativer Kurse) sowie von Experten und Ermittlern (im Wege fachlicher Weiterbildung) zu verbessern.

1.8.

Der EWSA ist darüber hinaus der Ansicht, dass die praktische Zusammenarbeit absolut unerlässlich ist und gefördert werden sollte. Dabei geht es um die nationale und grenzübergreifende Zusammenarbeit und um die Zusammenarbeit zur Bekämpfung, aber auch zur Vermeidung dieser Art von Kriminalität. Alle Interessenträger des öffentlichen wie auch des privaten Sektors sollten darin eingebunden werden.

1.9.

Um jegliches Missverständnis in Bezug auf den Gegenstand der Richtlinie zu vermeiden, schlägt der EWSA vor, im Titel die Worte „unbare Zahlungsmittel“ durch „elektronische und digitale Zahlungsmittel“ zu ersetzen.

2.   Vorschlag der Kommission

2.1.

Mit der Richtlinie sollen die Harmonisierung der Instrumente und die Stärkung der Kapazitäten der Mitgliedstaaten für Ermittlungen bei Betrug mit elektronischen oder digitalen Zahlungsmitteln zu ermitteln, gewährleistet werden. Die vorgeschlagene Regelung zielt darauf ab, die grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen den für die Ermittlungsbehörden zu fördern, verschiedene Maßnahmen zu dieser Zusammenarbeit zu ergreifen und gemeinsame Mindeststandards für Prävention, Opferhilfe und Rechenschaftspflicht der Zahlungsmittelanbieter einzuführen. In dieser Hinsicht dient der Ansatz dazu, den Geltungsbereich des Instruments zu definieren, womit eine technologieneutrale Perspektive ermöglicht werden soll.

2.2.

Vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklungen und der Diversifizierung der Vorgehensweisen bei Computerbetrug, einschließlich Strategien krimineller Gruppen, erkennt die Kommission in der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa (1) an, dass der Rahmenbeschluss nicht ausreicht, um den neuen Herausforderungen und den technologischen Entwicklungen wie virtuellen Währungen und mobilen Zahlungen zu begegnen.

2.3.

Karten sind gemessen an der Zahl der Transaktionen das wichtigste unbare Zahlungsinstrument in der EU. Vor diesem Hintergrund haben die mit im Euro-Währungsgebiet ausgestellten Karten begangenen Betrügereien laut einer Studie der Europäischen Zentralbank 2013 eine Höhe von 1,44 Mrd. EUR erreicht (Tendenz kontinuierlich steigend) (2). Zwar liegen Daten nur für Betrügereien im Zusammenhang mit Kartenzahlungen vor, aber Karten sind — gemessen an der Zahl der Transaktionen — das wichtigste unbare Zahlungsmittel in der EU (3).

2.4.

Aus der Analyse der Kommission ergibt sich, dass eines der betrugsanfälligsten Profile mit der Nutzung von elektronischen Zahlungen für Reisekosten verbunden ist: Zug- und Flugtickets, Unterbringung und sonstige damit verbundene (aber auch darüber hinausgehende) Transaktionen.

2.5.

Hinsichtlich des Regelungsgehalts des Vorschlags beabsichtigt die Kommission, für einen soliden und technologieneutralen Rahmen zu sorgen, operative Hindernisse zu beseitigen und die Prävention von Betrug mit elektronischen Zahlungsmitteln zu verbessern.

2.6.

Um zu gewährleisten, dass wirksame Instrumente zur Bekämpfung des Betrugs mit elektronischen Zahlungsmitteln und der Computerkriminalität zu Verfügung stehen, werden in dem Richtlinienvorschlag gemeinsame Regeln für die nationalen Rechtsvorschriften zu folgenden Aspekten festgelegt: Straftaten, die im Strafrecht unter Computerbetrug mit Zahlungsmitteln fallen; die Beteiligung an Straftaten und die Strafrechtspolitik; die gesetzliche Haftung juristischer Personen und die Einheitlichkeit der Strafen zur Abschreckung. Der EWSA hebt als neues Element die ersten Rechtsvorschriften über elektronische virtuelle Währungen im Recht der Europäischen Union hervor. Die Definition des Begriffs „Straftaten“ deckt Verhaltensweisen ab, die nicht unmittelbar den eigentlichen Betrug darstellen, sondern zur Vorbereitung des Betrugs begangen werden (Diebstahl und Fälschung, aber auch Verkauf und bloßer Besitz gestohlener Zahlungsmittel).

2.7.

Zur Verbesserung von Effizienz und Wirksamkeit der europäischen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Cyberkriminalität und des Betrugs mit elektronischen Zahlungsmitteln ist in der Richtlinie vorgesehen, entsprechende konkrete Bestimmungen zu den institutionellen Mechanismen und den Ermittlungskompetenzen auf Ebene der Mitgliedstaaten sowie zum europäischen Mechanismus für den Austausch von Informationen zwischen den nationalen Behörden einzuführen.

2.8.

Ein sehr wichtiges Element des Vorschlags besteht in der Einführung der Verpflichtung, effektive Mittel zur Verteidigung der Interessen der Opfer vorzusehen, um ihren Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf sicherzustellen.

2.9.

Der Vorschlag der Kommission entspricht voll und ganz den Regelungsbefugnissen der Europäischen Union gemäß Artikel 83 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Es wird eine Mindestharmonisierung auf Ebene der Mitgliedstaaten mit einer Umsetzungsfrist von 24 Monaten gefordert.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Die gewählte Regelungsmöglichkeit ist wesentlich geeigneter, da im Wege einer Richtlinie rechtsverbindliche Regeln für alle nationalen Gerichte (mit Ausnahme Dänemarks, falls sich dieses Land nicht anschließen will) aufgestellt werden können, was weiter ginge, als die im Rahmenbeschluss 2001/413/JI vorgesehenen Verfahren — unbeschadet seines Inhalts — zu vereinheitlichen.

3.2.

Der EWSA stellt fest, dass der Richtlinienentwurf Synergien mit anderen Regelungsinstrumenten aufweist, die die Mitgliedstaaten anwenden, und andere Politikbereiche der EU ergänzt, wie etwa die Mechanismen der europaweiten Zusammenarbeit in Strafsachen sowie die Rechtsakte zur Bekämpfung von Computerbetrug und Geldwäsche. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Notwendigkeit hinzuweisen, das untersuchte Problem und die Mittel zum Schutz der personenbezogenen Daten im Besitz von Finanzinstituten sowie die Maßnahmen für Cybersicherheit zueinander in Beziehung zu setzen.

3.3.

Auf EU-Ebene gibt es zwar eine Reihe von Rechtsinstrumenten, die die notwendigen Bestimmungen für die Finanzmärkte und Finanzdienstleistungen spezifizieren, indem die Sorgfaltspflichten für die Aushändigung, Verwaltung und Sicherung von Zahlungsmitteln festgelegt werden, aber der Richtlinienvorschlag bietet eine der Lösungen, die für die Verbesserung der rechtlichen Infrastruktur mit Blick auf Berichte, Ermittlungen und Strafen für Computerbetrug mit Zahlungsmitteln unabdingbar sind.

3.4.

Nach Ansicht des EWSA müssen die Kapazitäten zur Aufklärung und Verhinderung des Phänomens des Betrugs mit elektronischen und digitalen Zahlungsmitteln ausgebaut werden, indem ein Mechanismus zur Erhebung von statistischen Daten eingeführt wird mit dem Ziel, die Strategien zur Prävention und Korrektur der Folgen entsprechender Betrügereien zu stärken. Auch die Bewertung der Auswirkungen der Umsetzungsmaßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten sollte kontinuierlich erfolgen und quantitative Jahresberichte sowie eine zwei- bis dreijährliche qualitative Folgenbewertung umfassen, um die Wirksamkeit der Politik einschätzen und die erforderlichen Anpassungen ermitteln zu können.

3.5.

Sofern als Teil eines solideren Mechanismus für die Garantie der Rechtsmittel Elemente der rechtlichen Verantwortung juristischer Personen und Sanktionen eingeführt werden, ist zudem darauf hinzuweisen, dass Instrumente zur Unterstützung der Wirtschaftsteilnehmer geschaffen werden müssen, die elektronische Zahlungsmittel anbieten oder Plattformen für den elektronischen Zahlungsverkehr nutzen, damit sie den sektorspezifischen Regelungen nachkommen können (4).

3.6.

In Bezug auf den Mechanismus für den Austausch von Informationen über die Ermittlungen in Betrugsfällen mit Zahlungsmitteln im Zusammenhang mit Cyberkriminalität, der durch die Bestimmungen der Artikel 13 und 14 des Richtlinienvorschlags festgelegt wird, ist es notwendig, eine Befugnisübertragung auf die Kommission vorzusehen mit Blick auf eine Regelung durch delegierte Rechtsakte sowohl für die Matrix des Informationsaustauschs als auch für die standardisierten Daten für die Berichte über Ermittlungsfälle.

3.7.

Was die Prävention anbelangt, verweist die Kommission in ihrer Mitteilung auf die für die Bestimmungen der Richtlinie 2011/93/EU gewählte vergleichbare Vorgehensweise. Der EWSA ist aber der Auffassung, dass es erforderlich gewesen wäre, einerseits die Verpflichtungen für die Präventionsmaßnahmen klarer zu formulieren und andererseits verschiedene Verpflichtungen im Bereich der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Ursachen, Risiken und individuelle Präventionsmöglichkeiten einzuführen, um Betrügereien mit Zahlungsmitteln zu verhindern, die von cyberkriminellen Netzen mittels entsprechender Fallen begangen werden.

3.8.

In diesem Bereich sollten durch die Aufwertung des ermittlungstechnischen Know-hows und die Nutzung des Erfahrungsaustauschs Spezialisierungen entwickelt werden, um die allgemeinen Kompetenzen von Absolventen allgemeinbildender Schulen im Rahmen fakultativer Kurse zu verbessern sowie für die Experten und Ermittler im Wege fachlicher Bildungsprogramme einen Kompetenzrahmen zu entwickeln.

3.9.

Diese Art von Kriminalität muss durch eine wirksame praktische Zusammenarbeit bekämpft werden, die sich auf mehrere Bereiche erstrecken muss, und nach Möglichkeit sollten alle Interessenträger darin eingebunden werden. Ziel muss es sein, diese schwere Form von Kriminalität nicht nur zu bekämpfen, sondern auch Präventionsmaßnahmen durchzuführen, und zwar sowohl auf nationaler Ebene als auch über Grenzen hinweg.

3.10.

In dem Richtlinienvorschlag wird zudem weder wirksam auf den Fall eingegangen, in dem auch Rechtssysteme in Drittstaaten betroffen sind, noch auf die Modalitäten zur Verweisung auf weitere Rechtsinstrumente für die internationale justizielle Zusammenarbeit, sodass die Einführung eines vorhersehbaren und genau festgelegten Verfahrensrahmens erforderlich ist.

3.11.

Auch wenn die Regelungen für die Ermittlungszusammenarbeit und die justizielle Zusammenarbeit in Fällen von Computerbetrug beleuchtet werden, ist es wichtig, im Rahmen von Sensiblisierungskampagnen, die von den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten durchgeführt werden, auch Maßnahmen zur Abschreckung und zur Information der Öffentlichkeit über die Vorgehensweisen der Täter zu ergreifen. Hier ist es notwendig, in den Schlussbestimmungen des Regelungsvorschlags auf die Instrumente der internationalen justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen zu verweisen, die in extraterritorialen Situationen und bei den Modalitäten zur Durchführung von Ermittlungen unter Nutzung dieser Mittel angeführt werden. Für das Verfahren handelt es sich um ein nützliches Regelungsinstrument, das der Klarstellung dient.

4.   Spezifische Vorschläge

4.1.

In Artikel 11 über die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit bei Ermittlungen ist zu präzisieren, ob das Grundprinzip die Präsenz des Täters im Hoheitsgebiet oder die des verwendeten Informationssystems ist, um einen positiven Kompetenzkonflikt zu vermeiden zwischen der Situation gemäß Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe a, die sich auf die physische Anwesenheit des Täters bezieht, und der gemäß Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe b, bei der der Täter seine Straftat im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats begangen, aber einen Mechanismus mit Fernsteuerung („remote shell“) benutzt hat. Daraus könnte sich die Zuständigkeit der beiden betroffenen Mitgliedstaaten der EU ergeben. In Artikel 11 sollte ein neuer Absatz zur Beilegung von Kompetenzkonflikten eingefügt werden, wobei entweder die Einrichtung benannt wird, deren Aufgabe das ist (z. B. Europol), oder auf einen vergleichbaren Mechanismus zur Konfliktbeilegung (wie z. B. der Rahmenbeschluss 2009/948/JI (5)) verwiesen wird.

4.2.

Artikel 16 zur Prävention sollte durch spezifische in den Umsetzungsrechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vorgesehene Maßnahmen zur Informationspflicht ergänzt werden, die entweder den Anbietern elektronischer Zahlungsmittel, den nationalen Regulierungsbehörden oder auch den für die Vermittlung von Finanzwissen zuständigen Stellen zukäme.

4.3.

Was die Verpflichtung zur Festlegung eines Mechanismus für den Austausch von Informationen über die Betrugsermittlungen betrifft, die in Artikel 13 des Richtlinienvorschlags vorgesehen ist, muss eine zentrale Kontaktstelle eingerichtet werden, ähnlich der, die im Bereich der Bekämpfung der Geldwäsche oder der Ernährungssicherheit besteht, um auf europäischer Ebene Einheitlichkeit zu gewährleisten. Diese zentrale Kontaktstelle könnte entweder das Justizministerium oder eine andere Stelle sein, die für die meisten Gerichte in der EU zuständig ist. Nach Auffassung des EWSA könnte die Formulierung „geeignete Kanäle“ zwar teilweise dem Erfordernis der Wirksamkeit, aber nicht dem der Harmonisierung gerecht werden.

4.4.

In Artikel 12 und 13 sollte außerdem der Austausch von bewährten Verfahrensweisen im Bereich der Aufdeckung, Ermittlung und Abhilfe bei Fällen von Cyberkriminalität in Form von Betrug mit elektronischen Zahlungsmitteln vorgesehen werden.

4.5.

Um die Wirksamkeit der Maßnahmen zum Schutz von Personen zu gewährleisten und die dieser Initiative zugrunde liegenden Ziele zu erreichen, nämlich die Stärkung des Vertrauens in elektronische Zahlungsmittel sowie ein höheres Maß an Übereinstimmung und Prävention, empfiehlt es sich, zur Ergänzung der Bestimmungen von Artikel 15, im Zuge nationaler Rechtsvorschriften auch eine finanzielle Absicherung gegen Betrug vorzusehen, die in der Verpflichtung besteht, die Opfer von Computerbetrug, bei dem die Inhaber elektronischer Zahlungsmittel geschädigt werden, zu 100 % zu entschädigen. Diese Entschädigung würde nach Abschluss der Ermittlungen dem Zahlungsmittelanbieter als betroffenem Zivilkläger zukommen. Diese Garantien sollten auch den Schaden abdecken, der Händler kleiner und mittlerer Unternehmen im Falle eines Zahlungsausfalls bis zu einer angemessenen Obergrenze entsteht, die auf Ebene der Mitgliedstaaten festgelegt wird.

4.6.

Um die Effizienz und Wirksamkeit der Politik zur Bekämpfung der Fälschung von elektronischen Zahlungsmitteln zu gewährleisten, muss in der Richtlinie eine Meldepflicht für Vorfälle mit gefälschten elektronischen Zahlungsmitteln vorgesehen werden — nach dem Vorbild der Meldepflicht im Rahmen der Bekämpfung der Geldwäsche oder der Verordnung zum Schutz personenbezogener Daten.

Brüssel, den 18. Januar 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  COM(2015) 192 final.

(2)  Europäische Zentralbank, Fourth report on card fraud („Vierter Bericht über Betrug mit Zahlungskarten“), Juli 2015 (letzte verfügbare Daten).

(3)  Siehe Fußnote 2.

(4)  ABl. L 267 vom 10.10.2009, S. 7.

(5)  ABl. L 328 vom 15.12.2009, S. 42.


8.6.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 197/29


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Modelle“

(COM(2017) 335 final — 2017/0138 (CNS))

(2018/C 197/05)

Berichterstatter:

Victor ALISTAR

Mitberichterstatter:

Petru Sorin DANDEA

Befassung

Rat der Europäischen Union, 10.7.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 113 und Artikel 115 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

20.12.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

18.1.2018

Plenartagung Nr.

531

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

184/2/7

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Vorschlag der Kommission umfasst eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU, die die Verwaltungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich der Besteuerung regelt, sowie einen Anhang, in dem charakteristische Kennzeichen einer etwaigen aggressiven Steuerplanung aufgeführt werden. Es wird vorgeschlagen, auf den Mechanismus für den automatischen Informationsaustausch (AEOI) zurückzugreifen, der von einem Mitgliedstaat genutzt werden kann, um andere Mitgliedstaaten über die Berichte der Intermediäre zu informieren.

1.2.

Der EWSA befürwortet den Vorschlag der Kommission, weil die gegenwärtigen Rechtsvorschriften es nicht zulassen, dass die Mitgliedstaaten Informationen austauschen, wenn sie Kenntnis von Steuervermeidungs- oder Hinterziehungspraktiken erlangen.

1.3.

Der EWSA begrüßt und unterstützt den Beschluss der Kommission, etwas gegen Intermediäre zu unternehmen, die aggressive Steuerplanung ermöglichen. Dadurch, dass die Arbeit der Intermediäre durch die im Richtlinienentwurf vorgeschlagene Meldepflicht transparent gemacht wird, werden die Intermediäre davon abgehalten, ihren Klienten aggressive Steuerplanungsmodelle anzubieten, was das negative Phänomen der Erosion der Steuerbemessungsgrundlage in den Mitgliedstaaten eindämmen wird. Auf diese Weise wird Wettbewerbsgleichheit und Steuergerechtigkeit zwischen solchen Unternehmen hergestellt, die über einen Rahmen für eine aggressive Steuerplanung verfügen, und solchen, die dies nicht tun und höher besteuert werden, um die Erosion der Steuerbemessungsgrundlage in den Mitgliedstaaten zu kompensieren. Somit entspricht der Vorschlag dem Wunsch der Mehrheit der europäischen Unternehmen nach einem System, das Steuergerechtigkeit zwischen den Steuerpflichtigen herstellt, und es wird der zunehmende Druck vonseiten einzelner Steuerzahler berücksichtigt.

1.4.

In diesem Zusammenhang begrüßt der EWSA den Beschluss der Kommission, die Mitgliedstaaten logistisch und technisch beim Aufbau eines sicheren Zentralverzeichnisses zur Speicherung der Informationen für die Verwaltungszusammenarbeit zu unterstützen. Da die Systeme zur aggressiven Steuerplanung mitunter sehr komplex sind, rät der EWSA der Kommission, die Mitgliedstaaten auch bei der Aus- und Fortbildung ihres für die Registrierung und den Austausch von Informationen zuständigen Personals zu unterstützen.

1.5.

Der Vorschlag hat einen sehr weiten Anwendungsbereich. Es muss dafür gesorgt werden, dass die Richtlinie zu einem wirkungsvollen Abschreckungsmittel gegen die aggressive Steuerplanung wird. Genauer festgelegt werden muss, wann Transaktionen der Meldepflicht unterliegen, um zu verhindern, dass Unternehmen unnötig Meldungen erstatten, was sowohl den Steuerbehörden als auch den Steuerpflichtigen einen großen Zeitaufwand bereiten würde.

1.6.

Der EWSA stellt fest, dass die Pflicht zur Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes oder der OECD-Verrechnungspreisleitlinien nicht exakt greifbar ist und unweigerlich eine subjektive Auslegung durch Steuerzahler und Steuerbehörden beinhaltet. Der EWSA ersucht daher die Kommission und die Mitgliedstaaten um angemessene und konstruktive Vorgaben darüber, ob Transaktionen den Kennzeichen entsprechen oder nicht.

1.7.

Der EWSA stellt fest, dass letztlich der Steuerpflichtige dafür verantwortlich ist, dass er der vorgeschlagenen Richtlinie nachkommt. Um die Anforderung der Verhältnismäßigkeit zu erfüllen, müssen die Verwaltungskosten für Unternehmen aller Größenordnungen soweit wie möglich verringert werden.

1.8.

Der EWSA ersucht die Kommission, die Frist von fünf Tagen für die Berichterstattung zu überdenken, damit sie von den Berichtspflichtigen eingehalten werden kann, womit zugleich dem Ziel der wirkungsvollen Offenlegung entsprochen würde. Dementsprechend erscheint die Verlängerung der Frist notwendig und verhältnismäßig.

1.9.

Im Richtlinienvorschlag bleiben einige Aspekte ungeklärt, darunter die Modalitäten der Anwendung auf Steuerpflichtige in der digitalen Wirtschaft. Nach wie vor besteht die Schwierigkeit, die physische Anwesenheit eines Steuerpflichtigen im Rechtsgebiet eines Mitgliedstaats festzustellen. Ein weiteres Problem ist, dass für klare Kriterien in der Gesetzgebung in Bezug auf die Einheitlichkeit der einzelstaatlichen Vorschriften für Sanktionen im Falle einer unterlassenen Berichterstattung gesorgt werden muss.

1.10.

Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Berichterstattungsverfahren nicht so angewendet werden dürfen, dass durch häufige Änderungen ein unbeständiges Steuerrecht entsteht. Außerdem ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Mitgliedstaaten für die Rechtsetzung im Bereich der direkten Steuern zuständig sind.

2.   Der Vorschlag der Kommission

2.1.

Die Globalisierung hat die Mobilität des Kapitals in bisher ungekanntem Maß gefördert. In diesem Zusammenhang und vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren publik gewordenen Skandale (1) mit Unternehmen und Rechtsgebieten, die aggressive Steuerplanung gefördert und so die Steuerbemessungsgrundlage in den Mitgliedstaaten geschmälert haben, hat die Kommission der Bekämpfung von Steuervermeidung und aggressiver Steuerplanung oberste Priorität eingeräumt.

2.2.

Der Vorschlag der Kommission umfasst eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU, die die Verwaltungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich der Besteuerung regelt, sowie einen Anhang, in dem charakteristische Kennzeichen einer etwaigen aggressiven Steuerplanung aufgeführt werden.

2.3.

Im Richtlinienentwurf wird eine Meldepflicht für Unternehmen und Steuerfachleute vorgesehen, die in der Richtlinie als Intermediäre bezeichnet werden. Dabei kann es sich um Steuerberater, Banken, Rating-Unternehmen usw. handeln, die der Definition eines „Intermediärs“ entsprechen: „jede Person, die während der Erbringung von Leistungen im Zusammenhang mit der Besteuerung gegenüber dem Steuerpflichtigen die Verantwortung für Konzeption, Vermarktung, Organisation oder Management der Umsetzung der steuerlichen Aspekte eines meldepflichtigen grenzüberschreitenden Modells oder einer Reihe solcher Modelle trägt“. Unter bestimmten Umständen kommt jedoch dem Steuerpflichtigen die Meldepflicht zu.

2.4.

Für Einrichtungen, Einzelpersonen und Unternehmen, die Beratung zur Steuerplanung anbieten, wird eine Meldepflicht binnen höchstens fünf Tagen ab dem Tag, an dem das meldepflichtige grenzüberschreitende Modell oder eine Reihe solcher Modelle umgesetzt wurde, eingeführt. Die Informationen sind der zuständigen Steuerverwaltung zur Verfügung zu stellen und werden dem automatischen Informationsaustausch zwischen den einzelstaatlichen Steuerbehörden zugeführt. Der automatische Austausch erfolgt vierteljährlich.

2.5.

Die Kommission erhofft sich von der Richtlinie eine abschreckende Wirkung auf Intermediäre, die Beratungen zur aggressiven Steuerplanung anbieten. Sie soll die aggressive Steuerplanung vermindern.

2.6.

Zur Umsetzung ihrer politischen Ziele hat die Kommission drei Optionen ins Auge gefasst: eine (nicht verbindliche) Empfehlung an die Mitgliedstaaten, eine verpflichtende Offenlegungsregelung in ihr nationales Recht einzuführen, einen EU-Verhaltenskodex für Intermediäre oder eine EU-Richtlinie, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine obligatorische Offenlegungsregelung einzuführen.

2.7.

Die Kommission hat beschlossen, die Maßnahmen auf dem Wege einer Richtlinie voranzutreiben, um die einheitliche Umsetzung in allen Mitgliedstaaten im Sinne der Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung zu gewährleisten. Die Initiative der Kommission entspricht dem Aktionspunkt zwölf des BEPS-Projekts der OECD, wonach die Tätigkeit solcher Intermediäre, die Unternehmen bei der aggressiven Steuerplanung beraten, zu begrenzen ist, wofür eine Reihe konkreter Instrumente bereitgestellt wird.

2.8.

Der Vorschlag der Kommission basiert auf dem Grundsatz des Dialogs zwischen dem Steuerpflichtigen und der Steuerverwaltung sowie dem Grundsatz ihrer loyalen Zusammenarbeit im Binnenmarkt. Der hierfür vorgesehene Mechanismus ist die Vorabmeldung solcher Operationen, die potenziell als aggressive Steuerplanung gelten können, wofür es vier Arten von Indikatoren (oder „Kennzeichen“) gibt, die im Anhang des Richtlinienvorschlags aufgeführt werden. Es sollte klar sein, dass die Meldung eines Steuerplanungsmodells an sich noch keinen Verdacht auf aggressive Steuerplanung begründet, sondern zunächst lediglich den Dialog zwischen dem Steuerpflichtigen und der Steuerjurisdiktion eröffnet. Demnach ist der Ansatz der Kommission präventiver Natur, was für die Steuerpflichtigen das Risiko mindert, wegen Verstößen bestraft zu werden.

2.9.

In der vorgeschlagenen Richtlinie erlegt die Kommission den Steuerpflichtigen eine direkte Vorab-Offenlegung potenziell aggressiver Steuerplanungsmodelle oder Transaktionen auf, wenn sie auf einen unternehmensinternen Vorschlag ohne Beteiligung eines Intermediärs oder dessen Beratung zurückgehen, oder wenn der Intermediär/Berater durch eine Vertraulichkeitserklärung gebunden ist bzw. nach nationalem Recht einem Berufsgeheimnis unterliegt, oder drittens, wenn der Vermittler oder Berater nicht der Gerichtsbarkeit eines Mitgliedstaats unterliegt.

3.   Allgemeine und besondere Bemerkungen

3.1.

Der EWSA begrüßt und unterstützt den Beschluss der Kommission, etwas gegen Intermediäre zu unternehmen, die aggressive Steuerplanung ermöglichen. Indem die Arbeit der Intermediäre durch die im Entwurf der Richtlinie vorgeschlagene Meldepflicht transparent gemacht wird, werden sie davon abgehalten, ihren Klienten Steuerplanungsmodelle anzubieten, die den zu entrichtenden Steuerbetrag künstlich verringern. Folglich dürfte die Richtlinie das negative Phänomen der Erosion der Steuerbemessungsgrundlagen in den Mitgliedstaaten eindämmen.

3.2.

Dem Vorschlag liegt die Annahme zugrunde, dass die Steuerpflichtigen in Treu und Glauben statt in der Absicht der Steuervermeidung handeln. Ebenfalls ist hervorzuheben, dass die bloße Meldung von Steuerkonstrukten, die eine aggressive Steuerplanung darstellen könnten, nicht gleichbedeutend damit ist, dass tatsächlich eine aggressive Steuerplanung stattgefunden hat.

3.3.

Der Vorschlag der Kommission stellt Wettbewerbsgleichheit und Steuergerechtigkeit zwischen solchen Unternehmen her, die über einen Rahmen für eine aggressive Steuerplanung verfügen, und solchen, die dies nicht tun und höher besteuert werden, um die Erosion der Steuerbemessungsgrundlage in den Mitgliedstaaten zu kompensieren.

3.4.

Der Vorschlag hat einen sehr weiten Anwendungsbereich. Es muss dafür gesorgt werden, dass die Richtlinie zu einem wirkungsvollen Abschreckungsmittel gegen die aggressive Steuerplanung wird. Genauer festgelegt werden muss, wann Transaktionen der Meldepflicht unterliegen, um zu verhindern, dass Unternehmen unnötig Meldungen erstatten, was sowohl den Steuerbehörden als auch den Steuerpflichtigen einen großen Zeitaufwand bereiten würde.

3.5.

Damit sich keine differierenden Auslegungen bilden, sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten klarere Vorgaben machen, damit der Vorschlag seine Wirksamkeit entfaltet. Dies ist insbesondere der Fall bezüglich der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes oder der OECD-Verrechnungspreisleitlinien.

3.6.

Weiterhin bleiben im Richtlinienvorschlag einige Aspekte ungeklärt, darunter die Modalitäten der Anwendung auf Steuerpflichtige in der digitalen Wirtschaft. Nach wie vor besteht die Schwierigkeit, die physische Anwesenheit eines Steuerpflichtigen im Rechtsgebiet eines Mitgliedstaats festzustellen. Ein weiteres Problem ist, dass für klare Kriterien in der Gesetzgebung in Bezug auf die Einheitlichkeit der einzelstaatlichen Vorschriften für Sanktionen im Falle einer unterlassenen Berichterstattung gesorgt werden muss.

3.7.

Der EWSA hält eine umfassendere Folgenabschätzung für erforderlich, um die Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Richtlinie sicherzustellen. Es muss bewertet werden, wie zeitaufwendig es für die Steuerbehörden, Intermediäre und Unternehmen wäre, die Vorschriften einzuhalten.

3.8.

Die Kommission schlägt vor, auf den Mechanismus für den automatischen Informationsaustausch (AEOI) zurückzugreifen, der von einem Mitgliedstaat genutzt werden kann, um andere Mitgliedstaaten über die Berichte der Intermediäre zu informieren. Der EWSA befürwortet den Vorschlag der Kommission, weil die gegenwärtigen Rechtsvorschriften es nicht zulassen, dass die Mitgliedstaaten Informationen austauschen, wenn sie Kenntnis von Steuervermeidungs- oder Hinterziehungspraktiken erlangen.

3.9.

Der EWSA fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Richtlinie über die außergerichtliche Streitbeilegung rasch und wirksam umzusetzen (2).

3.10.

Der EWSA ist der Ansicht, dass durch den Einsatz aggressiver Steuerplanungsmodelle bestimmte grenzübergreifend agierende Unternehmen einen erheblichen Teil ihres im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erzielten Gewinns in Niedrigsteuerländer verlagern, auf diese Weise künstlich die Steuerbemessungsgrundlagen der Mitgliedstaaten verringern und Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt hervorrufen. Der Ausschuss unterstützt daher den Vorschlag der Kommission, dass die Mitgliedstaaten in ihrem einzelstaatlichen Recht Sanktionen für Verstöße gegen die Vorschriften der Richtlinie vorsehen, die sowohl auf die Intermediäre als auch die Steuerpflichtigen abzielen, die aggressive Steuerplanung betreiben.

3.11.

In diesem Zusammenhang fordert der EWSA die Europäische Kommission auf, im Entwurf der Richtlinie klare Regeln dafür aufzustellen, ab wann Steuerpflichtige und Intermediäre für aggressive Steuerplanungsstrategien verantwortlich sind. Die Bemessung der Sanktionen sollte hingegen den Mitgliedstaaten überlassen werden.

3.12.

Es ist unbedingt erforderlich, dass die Kommission die europäische Unternehmenswelt und den freien Wettbewerb im Binnenmarkt schützt, was die gerechte Verteilung der Steuerlast einschließt. In diesem Sinne fordert der EWSA die Kommission dazu auf, dynamisch die Bereiche zu bestimmen, in denen über delegierte Rechtsakte Kategorien von Kennzeichen für eine aggressive Steuerplanung, die im Anhang der Richtlinie aufgeführt sind, anzuwenden sind.

3.13.

Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Berichterstattungsverfahren nicht so angewendet werden dürfen, dass durch häufige Änderungen ein unbeständiges Steuerrecht entsteht. Außerdem ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Mitgliedstaaten für die Rechtsetzung im Bereich der direkten Steuern zuständig sind.

3.14.

Der EWSA begrüßt den Beschluss der Kommission, die Mitgliedstaaten logistisch und technisch beim Aufbau eines sicheren Zentralverzeichnisses zur Speicherung der Informationen für die Verwaltungszusammenarbeit zu unterstützen. Da die Systeme zur aggressiven Steuerplanung mitunter sehr komplex sind, rät der EWSA der Kommission, die Mitgliedstaaten auch bei der Aus- und Fortbildung ihres für die Registrierung und den Austausch von Informationen zuständigen Personals zu unterstützen.

3.15.

Der EWSA ersucht die Kommission, die Frist von fünf Tagen für die Berichterstattung zu überdenken, damit sie von den Berichtspflichtigen eingehalten werden kann, womit zugleich dem Ziel der wirkungsvollen Offenlegung entsprochen würde. Dementsprechend erscheint die Verlängerung der Frist notwendig und verhältnismäßig.

3.16.

Der EWSA fordert die Kommission auf, den Zeitrahmen für die Bewertung der Umsetzung der Richtlinie im Sinne der Erstellung regelmäßiger Berichte im Zweijahresabstand zu überdenken, und dringt darauf, diese für die Steuerpflichtigen und EU-Bürger öffentlich zugänglich zu machen. Angesichts des erheblichen Verwaltungsaufwands ist der EWSA der Ansicht, dass der Transparenz mit dem Bericht Genüge getan wird, wenn er zweijährlich eine Zusammenfassung quantitativer Daten enthält, wobei freilich die legitimen Rechte der Unternehmen gewahrt sein müssen.

Brüssel, den 18. Januar 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  LuxLeaks, Panama Papers und Paradise Papers.

(2)  Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Verfahren zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union, und Stellungnahme des EWSA zur „Verbesserung der Verfahren zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten“ (ABl. C 173 vom 31.5.2017, S. 29).


8.6.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 197/33


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets“

(COM(2017) 770 final)

(2018/C 197/06)

Berichterstatter:

Javier DOZ ORRIT

Befassung

Europäische Kommission, 18.1.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

20.12.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

18.1.2018

Plenartagung Nr.

531

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

182/2/5

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Hervorhebung von nachhaltigem und inklusivem Wachstum, Widerstandsfähigkeit und Konvergenz als politische Ziele der Empfehlung der Europäischen Kommission zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (1).

1.2.

Der EWSA stellt fest, dass die wirtschaftliche Erholung im Euro-Währungsgebiet seit dem letzten Jahr zwar an Schwung gewonnen hat, jedoch „instabil“, „unvollständig“ und „atypisch“ bleibt, wie es die Europäische Kommission in ihrer Herbstprognose (2) beschreibt.

1.3.

Obwohl mehr Arbeitsplätze geschaffen wurden, sehen sowohl die Europäische Kommission als auch die Europäische Zentralbank zahlreiche Belege für eine weiterhin erhebliche „Unterauslastung am Arbeitsmarkt“. Hierdurch ist auch die relativ schwache Lohnentwicklung im Vergleich zur Stärke der wirtschaftlichen Erholung begründet. Die anhaltende Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung im Euro-Währungsgebiet bedeuten für diese Mitgliedstaaten einen Verlust von Kompetenzen und Produktionskapazität und bringen die soziale Inklusion, den Wohlstand und die Gleichheit ernsthaft in Gefahr.

1.4.

Darüber hinaus bleiben die Investitionen im Euro-Währungsgebiet hinter dem Niveau von 2008 zurück, was in vielen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets auch zu erheblichen Einbußen beim Produktionspotenzial beiträgt. Der anhaltende Leistungsbilanzüberschuss des Euro-Währungsgebiets gegenüber dem Rest der Welt ist ferner ein Anzeichen für eine weiterhin geringe Binnennachfrage in diesem Gebiet.

1.5.

Der EWSA räumt ein, dass eine hohe öffentliche und private Verschuldung im Euro-Währungsgebiet seine Wirtschaft anfällig macht, und ist sich der Notwendigkeit des Abbaus dieser Schulden bewusst.

1.6.

Nach sorgfältiger Abwägung der relativen Möglichkeiten und Risiken, die sich aus den oben genannten Faktoren ergeben, lehnt der EWSA den Vorschlag der Europäischen Kommission für einen insgesamt weitgehend neutralen haushaltspolitischen Kurs ab und schlägt stattdessen einen positiven fiskalischen Kurs von etwa 0,5 % des BIP vor. Die von der Kommission prognostizierte Wahrscheinlichkeit einer Abschwächung des Wachstums zwischen 2017 und 2019, die von der EZB angekündigte Änderung ihrer Geldpolitik, das anhaltende deutliche Investitionsdefizit sowie die mit dem Welthandel und der Geopolitik verbundenen Risiken würden auch eine Schwerpunktverlagerung von der Geldpolitik zur Fiskalpolitik erforderlich machen.

1.7.

Auf öffentliche Investitionen ausgerichtete steuerliche Anreize würden kurzfristig zu einem Anziehen der Nachfrage, aber auch langfristig zu einer Steigerung der Wachstumspotenziale führen, womit die Frage der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen angegangen würde. Solche öffentliche Investitionen sollten sich nicht allein auf die Infrastruktur konzentrieren, sondern auch in Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen („Sozialinvestitionen“) vorgenommen werden, wodurch sie zur Umsetzung einiger Grundsätze der kürzlich proklamierten europäischen Säule sozialer Rechte beitragen würden.

1.8.

Der EWSA empfiehlt der Europäischen Kommission, öffentliche Investitionsausgaben bei der Anwendung der Haushaltsvorschriften aus dem Anwendungsbereich des Stabilitäts- und Wachstumspakts auszuklammern.

1.9.

Der EWSA begrüßt, dass in der Empfehlung der Europäischen Kommission ausdrücklich erwähnt wird, dass vorrangig solche Strukturreformen verfolgt werden sollen, die nicht nur die Produktivität und das Wachstumspotenzial steigern, die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern und Investitionsengpässe beseitigen, sondern auch die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze unterstützen und Ungleichheiten abbauen, womit sie Forderungen aus früheren Stellungnahmen des EWSA nachkommt (3). Er bekräftigt, dass die Bürger das Projekt zur Wiederbelebung des Euro-Währungsgebiets überzeugt mittragen müssen und dass für einen Erfolg entsprechender Strukturreformen die soziale Dimension dieser Reformen verstärkt und demokratische und transparente Formen der politischen Steuerung im Euro-Währungsgebiet geschaffen werden müssen, deren Ziele wirtschaftlicher Wohlstand und ein hoher Lebensstandard sind.

1.10.

Der EWSA begrüßt die Aufforderung der Europäischen Kommission die Mitgliedstaaten, unter anderem durch die Fortsetzung der Arbeiten an der gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) gegen Steuervermeidung vorzugehen. Ferner hält er es aus wirtschaftlichen, politischen und moralischen Gründen für vorrangig, dass die Organe der Europäischen Union und die Mitgliedstaaten wirksame (bereits vereinbarte und neue) Maßnahmen gegen Steuerbetrug, Geldwäsche und die illegalen Aktivitäten von Steueroasen umsetzen.

1.11.

Der EWSA unterstützt die zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) erforderlichen Schritte, darunter die rasche Vollendung sowohl der Bankenunion — europäisches Einlagenversicherungssystem, gemeinsame Letztsicherung für den einheitlichen Abwicklungsfonds und Stärkung des Europäischen Finanzaufsichtssystems, um eine Risikokumulierung zu vermeiden — als auch der Kapitalmarktunion. Beide sollen nicht nur zu einer besseren und stärker diversifizierten Finanzierung der Wirtschaft beitragen, sondern gleichzeitig durch eine stärkere grenzüberschreitende private Risikoteilung und Finanzintegration auch das Wirtschafts- und Finanzsystem sicherer, stabiler und widerstandsfähiger gegenüber Schocks machen.

1.12.

Im Einklang mit seiner früheren Stellungnahme ECO/435 bekräftigt der EWSA seine Ansicht, dass der Euro die Währung der gesamten EU ist, und unterstreicht die Notwendigkeit,

eine Fiskalunion zu schaffen;

die Verantwortung der Mitgliedstaaten und ihr Engagement für Verpflichtungen gegenüber der WWU zu stärken;

Strukturreformen im Rahmen des Europäischen Semesters durchzuführen;

die wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung weiter zu stärken und einen Europäischen Währungsfonds einzurichten;

das System der Finanzvermittlung zu verbessern und folglich langfristige Investitionen dank einer Optimierung der Rolle der EIB, des EIF und des EFSI 2.0 zu erhöhen;

die Widerstandsfähigkeit der WWU zu steigern, um ihren Einfluss in der Welt zu vergrößern.

2.   Hintergrund

2.1.

Im Anschluss an die Einleitung der Debatte über die Zukunft Europas und die begleitenden Reflexionspapiere, insbesondere die Reflexionspapiere zur Vertiefung der WWU und zur Zukunft der sozialen Dimension der EU, sowie an die Proklamation der europäischen Säule sozialer Rechte auf dem Sozialgipfel in Göteborg veröffentlichte die Europäische Kommission ihren Jahreswachstumsbericht, der von einer Empfehlung zur Politik für das Euro-Währungsgebiet 2018 begleitet wird. Die wichtigsten Empfehlungen der Europäischen Kommission werden in den folgenden Ziffern erläutert.

2.2.

Eine Politik verfolgen, die nachhaltiges und inklusives Wachstum unterstützt, die Widerstandsfähigkeit stärkt, Ungleichgewichte abbaut und die Konvergenz erhöht. Mitgliedstaaten mit Leistungsbilanzdefiziten oder hoher Auslandsverschuldung sollten sich zusätzlich darum bemühen, den Anstieg der Lohnstückkosten zu dämpfen. Mitgliedstaaten mit Leistungsbilanzüberschüssen sollten zusätzlich das Lohnwachstum unterstützen und hierzu vorrangig Maßnahmen umsetzen, die Investitionen fördern, die Inlandsnachfrage beleben und den Abbau von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet erleichtern.

2.3.

Einen weitgehend neutralen haushaltspolitischen Kurs für das Euro-Währungsgebiet insgesamt und einen ausgewogenen Policy-Mix anstreben.

2.4.

Reformen durchführen, die die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, faire Arbeitsbedingungen sowie Sozialschutz und soziale Inklusion fördern.

2.5.

Die Arbeiten zur Vollendung der Bankenunion im Hinblick auf Risikominderung und Risikoteilung, einschließlich der Schaffung eines europäischen Einlagenversicherungssystems, fortsetzen, die gemeinsame Letztsicherung für den einheitlichen Abwicklungsfonds einführen und das Europäische Finanzaufsichtssystem stärken, um Risikokumulierung zu vermeiden.

2.6.

Maßnahmen ergreifen, um den Abbau notleidender Kredite auf der Grundlage des im Rat (Ecofin) vereinbarten Aktionsplans spürbar zu beschleunigen und in Mitgliedstaaten mit hoher Privatverschuldung einen geordneten Schuldenabbau zu fördern. Die Integration und Entwicklung der EU-Kapitalmärkte voranbringen, um das Wachstum in der Realwirtschaft zu begünstigen, ohne die Finanzmarktstabilität zu gefährden.

2.7.

Rasche Fortschritte bei der Vollendung der WWU erzielen.

3.   Allgemeine und besondere Bemerkungen

3.1.

Das Wirtschaftswachstum hat entgegen früheren Prognosen der Europäischen Kommission an Schwung gewonnen und erstreckt sich im Vergleich zum Vorjahr auf mehr Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet. Auf der anderen Seite sind die folgenden drei Punkte zu berücksichtigen.

3.2.

Erstens folgt diese beschleunigte Erholung auf eine relativ lange Zeit der Stagnation im Euro-Währungsgebiet insgesamt verglichen mit den Volkswirtschaften von Ländern wie den Vereinigten Staaten. Diese Stagnation und das Versagen der Wirtschaftspolitik im Euro-Währungsgebiet bei ihrer Überwindung hat in vielen Teilen dieses Gebiets schwere wirtschaftliche und soziale Narben hinterlassen und das Vertrauen der Bürger in die Fähigkeit der EU untergraben, für Wohlstand zu sorgen.

3.3.

Zweitens geht die Europäische Kommission in ihrer Herbstprognose davon aus, dass die Wachstumsrate für 2017 mit 2,2 % wahrscheinlich ein Spitzenwert im Vergleich zu 2018 und 2019 ist, wenn das Wachstum voraussichtlich leicht auf 2,1 % bzw. 1,9 % zurückgehen wird. Die Binnennachfrage im Euro-Währungsgebiet ist weiterhin verhalten, was der bemerkenswert hohe Leistungsbilanzüberschuss gegenüber dem Rest der Welt belegt: Zwar zieht der private Verbrauch gerade an, doch wird er sich voraussichtlich wieder abschwächen, während die Investitionslücke weiterhin bestehen bleibt.

3.4.

Drittens beruht die Erholung auf der Unterstützung durch von der EZB bislang durchgeführte expansive und unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen, während der Haushaltspolitik unangemessene Beschränkungen auferlegt waren. Die EZB hat vor Kurzem angekündigt, dass sie ihre unkonventionelle Politik auslaufen lässt. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass die geldpolitische Unterstützung zurückgefahren wird, die Notwendigkeit einer die Erholung stärker unterstützenden Geldpolitik bleibt durchaus bestehen.

3.5.

Neben den Änderungen bei der Geldpolitik und dem nach 2018 voraussichtlich sinkenden Wachstum sprechen weitere Gründe für einen moderat positiven haushaltspolitischen Kurs im Euro-Währungsgebiet, den der EWSA bei 0,5 % des BIP ansetzen würde: das andauernde Investitionsdefizit, das in anderen Wirtschaftsregionen der Welt so nicht besteht; eine 2017 mit 9,1 % zu hohe Arbeitslosigkeit; und die bestehenden geopolitischen Risiken sowie die mit dem Welthandel verbundenen Risiken aufgrund protektionistischer Tendenzen insbesondere seitens der USA. Der Policy-Mix muss daher alle nachhaltiges Wachstum fördernden Instrumente einbeziehen.

3.6.

Der EWSA ist der Ansicht, dass ein etwas stärker expansiver haushaltspolitischer Kurs für das Euro-Währungsgebiet als Ganzes anstatt des derzeit von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Kurses der Erholung zugutekäme und auf lange Sicht mit der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen vereinbar wäre. Die Anwendung der goldenen Investitionsregel (einschließlich Sozialinvestitionen) bei der Umsetzung der Haushaltsvorschriften könnte in dieser Hinsicht helfen und zur Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für ein stärker inklusives Wachstum und Aufwärtskonvergenz beitragen. Ebenso wichtig wäre es, sozial verantwortliche Investitionen und auf die Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele ausgerichtete Investitionen zu fördern.

3.7.

Der EWSA stimmt dem Kriterium der Kommission uneingeschränkt zu, dass die Länder mit haushaltspolitischem Spielraum und Zahlungsbilanzüberschüssen ihre öffentlichen Investitionsraten erhöhen müssen, da dies erhebliche positive Spillover-Effekte im übrigen Euro-Währungsgebiet bewirken würde. Die langfristigen BIP-Effekte würden die kurzfristige Wirkung übersteigen, da die privatwirtschaftliche Kapital- und Arbeitskräfteproduktivität durch die öffentlichen Investitionen über längere Zeit steigen würde (4).

3.8.

Der EWSA begrüßt die Forderung der Europäischen Kommission, dass die Mitgliedstaaten mit Leistungsbilanzdefiziten und hoher Auslandsverschuldung nicht nur ihre Produktivität steigern, sondern auch die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern sollten. Er stellt in diesem Zusammenhang fest, dass eine gerechte Umverteilung der Einkommen und des Reichtums aus Produktivitätsgewinnen zu mehr Gleichheit führen und eine positive Wirkung auf die Binnen- und Gesamtnachfrage im Euro-Währungsgebiet haben dürfte. Die Ankurbelung der Binnennachfrage ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Förderung des Wachstums und die Überwindung der Krise. Die Erhöhung insbesondere der niedrigsten Löhne ist heute eines der wichtigsten Instrumente, um diese Ziele in der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen.

3.9.

Die Koordinierung der haushaltspolitischen Strategien sollte durch Fortschritte bei der Steuerharmonisierung ergänzt werden, da ein wesentliches Ziel die Beendigung der Steuervermeidung in der EU ist. Der EWSA befürwortet die umgehende Annahme der GKKB-Richtlinie. Sie ist ein Instrument, das für die Durchführung der Maßnahmen gebraucht wird, mit denen der skandalösen Steuerumgehung durch mehrere multinationale Unternehmen ein Ende bereitet werden soll, durch die den öffentlichen Haushalten zwischen 40 und 60 Mrd. EUR entgehen (5), während gleichzeitig ein unlauterer Wettbewerb gegenüber steuerehrlichen Unternehmen entsteht.

3.10.

Durch Steuerbetrug, Geldwäsche oder die Summe der in Steueroasen entfalteten illegalen Tätigkeiten erhöhen sich die oben genannten Beträge, die den öffentlichen Haushalten entgehen, erheblich, und das in einer Zeit, in der dieses Geld besonders nötig gebraucht würde. Nach Auffassung des EWSA sollten es sich die Organe der EU und ihre Mitgliedstaaten zur Priorität machen, den weltweiten Kampf gegen diese Verbrechen anzuführen, und unverzüglich die bereits vereinbarten rechtlichen Instrumente umsetzen, um gegen sie vorzugehen, und alle Maßnahmen ergreifen, um sie deutlich einzudämmen.

3.11.

Nach Ansicht des EWSA sollte bei den Strukturreformen solchen Reformen Vorrang eingeräumt werden, die das Produktivitätswachstum ankurbeln und die auf der anderen Seite auch dazu beitragen, die Arbeitsplatzsicherheit und die Sozialschutzsysteme im Rahmen angemessener Unternehmensbedingungen zu stärken. Kein Land des Euro-Währungsgebiets kann heute auf der Grundlage niedriger Löhne und prekärer Beschäftigungsverhältnisse im Wettbewerb bestehen. Der Schwerpunkt sollte auf Reformen liegen, die die vereinbarte Flexibilität mit Sicherheit verbinden, um Anreize für Weiterqualifizierung und Innovationen zu schaffen und zu fördern. Arbeitsmarktreformen sollten zu mehr Stabilität bei der Beschäftigung führen. Dies würde selbst auf kurze Sicht der Wirtschaft des Euro-Währungsgebiets sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite zugutekommen. Außerdem sollten sie zur Stärkung der auf der Autonomie der Sozialpartner beruhenden Tarifverhandlungen und des sozialen Dialogs beitragen.

3.12.

Der EWSA hält die vorgeschlagenen Schritte zur Vollendung der Bankenunion für entscheidend, um die Belastung der nationalen Haushalte im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Stabilität des Bankensystems zu verringern, das ein öffentliches Gut darstellt.

3.13.

Ferner müssen Anstrengungen zur Schaffung der Kapitalmarktunion unternommen werden. Diese soll gemeinsam mit der Bankenunion eine Erweiterung und Diversifizierung der Finanzierungsquellen für die Wirtschaft bewirken. Eine stärkere grenzüberschreitende private Risikoteilung und Finanzintegration sollen das Wirtschafts- und Finanzsystem sicherer, stabiler und widerstandsfähiger gegenüber Schocks machen. Und gegebenenfalls können asymmetrische Wirtschaftsschocks durch sie besser abgefedert werden, was allen Mitgliedstaaten zugutekäme.

3.14.

Vor diesem Hintergrund weist der EWSA erneut darauf hin, dass zur Ergänzung der Maßnahmen zur Wiederankurbelung des Wachstums unbedingt eine Lösung für das Problem der notleidenden Bankkredite gefunden werden muss. Dieses Problem sollte unter Berücksichtigung von Verbraucherschutzüberlegungen umgehend angegangen werden.

Brüssel, den 18. Januar 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebietes, COM(2017) 770 final.

(2)  Wirtschaftsprognose — Herbst 2017, Europäische Kommission, November 2017.

(3)  Siehe diesbezüglich die folgenden Stellungnahmen des EWSA: Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (2016), ABl. C 177 vom 18.5.2016, S. 41; Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (2017), ABl. C 173 vom 31.5.2017, S. 33; und Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets 2017 (ergänzende Stellungnahme), ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 216.

(4)  Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen: Analysis of the Euro Area economy, Begleitdokument zu der Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets, SWD(2017) 660 final, S. 5.

(5)  Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, ebd., S. 9.


8.6.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 197/38


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor“

(COM(2017) 281 final — 2017/0123 (COD))

(2018/C 197/07)

Berichterstatter:

Stefan BACK und Pasi MOISIO

Befassung

Europäisches Parlament, 15.6.2017

Rat der Europäischen Union, 20.6.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 91 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

4.1.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

18.1.2018

Plenartagung Nr.

531

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

221/3/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) bekräftigt seine Unterstützung für das in dem Vorschlag und im Mobilitätspaket insgesamt verfolgte Ziel der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Mobilitätssektors, u. a. durch die Gewährleistung eines sozial gerechten und wettbewerbsfähigen Binnenmarkts für den Straßenverkehr (1).

1.2.

Der EWSA begrüßt, dass die Mitteilung auf eine saubere, kooperative und vernetzte Mobilität abhebt, die nachhaltige und effiziente Entscheidungen über verschiedene Verkehrsoptionen ermöglicht, und die wichtige Rolle des Straßenverkehrs anerkannt wird.

1.3.

Der EWSA begrüßt daher die Ziele des Vorschlags, gleiche Ausgangsbedingungen in einem nicht fragmentierten Straßenverkehrsbinnenmarkt zu gewährleisten, übergebührliche Verwaltungslasten für Unternehmen zu vermeiden, die Klarheit und Durchsetzung des Rechtsrahmens zu verbessern und Missbrauch wie die Nutzung von Briefkastenfirmen, undurchsichtige Geschäftsmodelle und illegale Kabotage anzugehen.

1.4.

Der EWSA befürwortet die Ziele des Vorschlags zur Aufnahme von Niederlassungsanforderungen in die Verordnung (EG) Nr. 1071/2009, mit denen die Nutzung von Briefkastenfirmen für Beförderungen im Straßenverkehr verhindert und die Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften gestärkt werden, u. a. durch die Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen den Behörden und die Einrichtung eines europäischen Registers der Kraftverkehrsunternehmen (ERRU).

Der EWSA unterstützt zudem die verbesserten Regeln für Verfahren bei Verstößen und zur Bewertung von Sanktionen, die den Verlust der Zuverlässigkeit nach sich ziehen können. Beides führt zu mehr Rechtssicherheit. Er betont, wie wichtig, eine einheitliche Anwendung der Voraussetzungen gemäß Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 3 Buchstaben a und b ist, die dazu führen, dass Verstöße sich auf die Bewertung der Zuverlässigkeit auswirken.

In Bezug auf Briefkastenfirmen kommt der EWSA zu dem Schluss, dass eine wirksame Durchsetzung auch künftig von der Effizienz der nationalen Behörden, einer wirksamen grenzübergreifenden Zusammenarbeit und einer einheitlichen Auslegung der Zulassungskriterien abhängt. Hierbei ist auch dem Fortschritt im digitalen Bereich Rechnung zu tragen.

Der EWSA begrüßt die Verbesserungen in Bezug auf die in den nationalen Registern verfügbaren Informationen sowie die Festlegung von Fristen für die Beantwortung von Auskunftsersuchen. Der EWSA würde es begrüßen, wenn den Kontrollbehörden Zugang in Echtzeit zu den elektronisch verfügbaren Informationen der nationalen Register gewährt werden könnte.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die in den nationalen elektronischen Registern zu speichernden Daten auch Informationen über die bei einem Unternehmen beschäftigten Fahrer enthalten sollten, da dies wichtig ist, um festzustellen, inwieweit sozial- und arbeitsrechtliche Vorschriften eingehalten werden, und fordert die Kommission auf, eine solche Maßnahme in Erwägung zu ziehen.

1.5.

Der EWSA weist darauf hin, dass leichte Nutzfahrzeuge nur zum Teil in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 über die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers aufgenommen wurden, und stellt den Nutzen dieser Maßnahme in Frage, da diese Fahrzeuge weiterhin nicht in den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 fallen. Er ist deshalb der Auffassung, dass leichte Nutzfahrzeuge vollständig unter die Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009 und (EG) Nr. 1072/2009 fallen sollten, wenn auch möglicherweise in abgeschwächter Form.

1.6.

Der EWSA begrüßt die grundlegende Zielsetzung der für die Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 vorgeschlagenen Änderungen, namentlich die Vereinfachung und Präzisierung von Kabotagevorschriften und die bessere Überwachung der Einhaltung der Vorschriften. Er nimmt die Möglichkeiten zur Kenntnis, die digitale Fahrtenschreiber als wirksames Instrument zur Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften bieten, und unterstützt ihren frühzeitigen Einbau, insbesondere in bestehende Fahrzeuge.

Der EWSA betont jedoch nachdrücklich, dass die vorgeschlagenen Änderungen der Kabotageregelungen nur dann erfolgreich und ordnungsgemäß eingeführt werden können, wenn klare Bestimmungen darüber existieren, wann die Erbringung von Kabotageleistungen ihren zeitweiligen Charakter verliert, und eine Niederlassungspflicht eingeführt wird und wenn alle Bestimmungen über die Entsendung von Arbeitnehmern ausnahmslos für jede Kabotagebeförderung anzuwenden sind.

1.7.

Der EWSA bedauert zudem, dass die Gelegenheit nicht genutzt wurde, um eine Reihe weiterer Punkte in Bezug auf die Kabotagevorschriften klarzustellen, die unterschiedlich ausgelegt werden. Eine wesentliche Voraussetzung für die wirksame Überwachung der Einhaltung der Vorschriften, insbesondere bei Straßenkontrollen, sind klare und einfache Vorschriften, die eine unmittelbare und sichere Bewertung der Einhaltung auf der Grundlage verfügbarer Fakten ermöglichen. Der EWSA bedauert darüber hinaus, dass die Gesetzgebung trotz der Fortschritte, die dieser Vorschlag bringt, nach wie vor unklar ist und unterschiedliche Auslegungen für eine Reihe von Punkten zulässt.

1.8.

Der EWSA bedauert abschließend, dass die Richtlinie 92/106/EWG über den kombinierten Güterverkehr, mit der in der Praxis ein paralleler Marktzugang möglich ist, nicht zum gleichen Zeitpunkt wie die Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009 und (EG) Nr. 1072/2009 überarbeitet wird. Die Rechtsvorschriften sind nur dann wirksam, wenn Kabotage in allen ihren Formen ähnlichen Regeln unterliegt.

1.9.

Der EWSA unterstützt die Einrichtung einer europäischen Straßenverkehrsagentur als effiziente Möglichkeit der Verbesserung der grenzübergreifenden Durchsetzung im Sektor.

2.   Hintergrund

2.1.

Der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor ist Teil des Mobilitätspakets, das die Europäische Kommission am 31. Mai 2017 vorgelegt hat.

2.2.

Die Hauptziele des Vorschlags lauten:

Schaffung der Voraussetzungen für eine wettbewerbsfähige und faire Mobilität, Abschaffung von Briefkastenfirmen, Vereinfachung und Präzisierung der Kabotagevorschriften und Ermöglichung einer effizienten Überwachung durch eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Behörden, auch über das europäische Register der Kraftverkehrsunternehmen (ERRU).

2.3.

Die übergeordneten Zielsetzungen dieses Pakets über die in Ziffer 2.1 und 2.2 genannten Ziele hinaus sind in der Kommissionsmitteilung „Europa in Bewegung — Agenda für einen sozial verträglichen Übergang zu sauberer, wettbewerbsfähiger und vernetzter Mobilität für alle“ erläutert (COM(2017) 283 final) (im Folgenden „die Mitteilung“).

2.4.

In dieser Mitteilung wird eine Strategie skizziert, damit Europa seine Führungsrolle bei sauberer, wettbewerbsfähiger, kooperativer und vernetzter Mobilität wahren kann, die nachhaltige und effiziente Entscheidungen über verschiedene Verkehrsoptionen ermöglicht. Dies ist angesichts der entscheidenden Bedeutung der Mobilität für ein Europa ohne Grenzen notwendig und erfordert ein modernes Mobilitätssystem, das auch der Schlüssel für die Umstellung auf eine Niedrigemissionswirtschaft ist.

2.5.

In dieser Mitteilung wird die wichtige Rolle des Straßenverkehrs anerkannt; sie wird von einer Reihe von Vorschlägen zu diesem Sektor flankiert, u. a. zu einem Rahmen für einen starken Binnenmarkt, verbesserten Arbeitsbedingungen im Güterkraftverkehr, digitalisiertem Verkehr und überarbeiteten Vorschriften für Straßennutzungsgebühren.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der EWSA unterstützt die in der Mitteilung erläuterte Mobilitätsstrategie und die Schwerpunktsetzung auf optimale Multimodalität sowie die Anerkennung der wichtigen Rolle des Straßenverkehrs.

3.2.

Der EWSA unterstützt ausdrücklich die wesentlichen Ziele des Vorschlags, namentlich Briefkastenfirmen abzuschaffen und die Vorschriften für Kabotage im Güterkraftverkehr zu vereinfachen, um sie leichter verständlich und besser durchsetzbar zu machen im Einklang mit dem Ziel der Mitteilung, einen gerechten und wettbewerbsfähigen Binnenmarkt für den Straßenverkehr zu schaffen.

3.3.

Der EWSA verweist auf seine früheren Stellungnahmen zum Thema „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum — Fortschritte und Herausforderungen“ (TEN/566) und „Der Binnenmarkt für den internationalen Straßengüterverkehr: Sozialdumping und Kabotage“ (TEN/575), in denen er die Notwendigkeit betonte, den Binnenmarkt für den Straßenverkehr zu vollenden und Betrug, Umgehung der Vorschriften und Missbrauch, auch durch die Nutzung von Briefkastenfirmen und das Umgehen der Kabotagevorschriften, zu verhindern. Er begrüßt, dass mit dem Vorschlag einige der in diesen Stellungnahmen erörterten sehr dringenden Probleme gelöst werden sollen, bedauert jedoch, dass nicht die Chance genutzt wird, ausdrücklich Sozialdumping anzugehen, das in den genannten Stellungnahmen (2) vom EWSA einvernehmlich als Form von Betrug, Umgehung der Vorschriften und Missbrauch definiert wurde (siehe auch Abschnitt I Ziffer 1 der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. September 2016 zu Sozialdumping in der Europäischen Union (2015/2255 (INI)).

3.4.

Allerdings stellt sich auch hier die Frage, ob die gewählten Mittel geeignet sind, um diese Probleme angemessen anzugehen, oder ob andere bzw. weitere Maßnahmen hätten ergriffen werden sollen und die vorgeschlagenen Maßnahmen angesichts der Zielsetzungen nicht unverhältnismäßig sind.

3.5.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Einrichtung einer europäischen Straßenverkehrsagentur von entscheidender Bedeutung sein wird, um die grenzübergreifende Durchsetzung im Straßenverkehr zu verbessern.

4.   Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 — Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers

4.1.

Der EWSA befürwortet die Änderungen an Artikel 1 insoweit, als sie den Text klarstellen bzw. einen Mehrwert im Sinne einer Verbesserung der Funktionsweise des Binnenmarktes für den Straßenverkehr bringen. Er bezweifelt, dass es sinnvoll ist, in Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b nur einen der vielen möglichen Fälle nichtgewerblicher Zwecke aufzuführen, ohne die Frage der Beweislast zu berücksichtigen, die grundsätzlich bei denen liegen sollte, die die Tätigkeit ausüben. Der Vorschlag zu diesem Punkt schafft möglicherweise mehr Probleme, als er löst. Er führt nicht zu mehr Rechtssicherheit und könnte zu verstärkten Wettbewerbsverzerrungen und dem Entstehen eines grauen Marktes führen.

4.2.

Mit dem neuen Absatz 6 Unterabsatz 1 in Artikel 1 werden Unternehmen, die leichte Nutzfahrzeuge unter 3,5 t Gesamtmasse nutzen, in den Anwendungsbereich der Verordnung aufgenommen, gleichzeitig aber von den Anforderung für die Zuverlässigkeit, die fachliche Eignung sowie den Verkehrsleiter ausgenommen.

Der EWSA meint, dass solche Ausnahmen ein falsches Signal aussenden. Er empfiehlt, leichte Nutzfahrzeuge vollständig unter die beiden Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009 und (EG) Nr. 1072/2009 fallen zu lassen, wenn auch möglicherweise in abgeschwächter Form. Nur auf diese Weise können ein einheitliches Niveau in Bezug auf die Professionalisierung des Sektors sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen sichergestellt werden.

Der EWSA betont, dass angemessene Mittel bereitgestellt werden müssen, um den zunehmenden Arbeitsumfang zu bewältigen, der erforderlich ist, um die Einhaltung des erweiterten Geltungsbereichs der Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009 und (EG) Nr. 1072/2009 zu gewährleisten.

Der EWSA wirft darüber hinaus die Frage auf, ob es sinnvoll ist, den Mitgliedstaaten die Anwendung einiger oder aller Bestimmungen betreffend die Zuverlässigkeit, die fachliche Eignung sowie den Verkehrsleiter auf leichte Nutzfahrzeuge zu erlauben. Diese Option könnte die Kohärenz des Binnenmarkts beeinträchtigen. Sie steht zudem nicht im Einklang mit dem Vorschlag, die derzeit in Artikel 3 Absatz 2 vorgesehene Möglichkeit für die Mitgliedstaaten zu streichen, zusätzliche Anforderungen für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers festzulegen.

4.3.

Der EWSA befürwortet die Streichung der in Artikel 3 Absatz 2 vorgesehenen Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, über die in Artikel 3 hinaus enthaltenen Anforderungen für den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers zusätzliche Anforderungen festzulegen.

4.4.

Die Änderungen betreffend die Niederlassungskriterien in Artikel 5 richten sich gegen Briefkastenfirmen. Die vorgeschlagenen Anforderungen sind ausführlicher als die derzeitigen Bestimmungen. In dem Vorschlag wird mehr Gewicht auf die tatsächliche Ausübung der administrativen und gewerblichen Tätigkeiten in den Räumlichkeiten des Unternehmens im Mitgliedstaat der Niederlassung gelegt, in denen auch seine wichtigsten Unternehmensunterlagen aufzubewahren sind; so wird beispielsweise hinzugefügt, dass die administrativen und gewerblichen Tätigkeiten tatsächlich und dauerhaft in dem Mitgliedstaat der Niederlassung ausgeübt werden sollten, wobei die Anforderung beibehalten wird, dass das Unternehmen tatsächlich über die Fahrzeuge verfügen muss, mit dessen Verwaltung es befasst ist. Darüber hinaus wird die Anforderung hinzugefügt, dass das Unternehmen in einem im Verhältnis zur Tätigkeit der Niederlassung angemessenen Umfang Vermögenswerte halten und Mitarbeiter beschäftigen sollte. Der EWSA unterstützt diese Änderungen und betont, wie wichtig eine einheitliche Auslegung im Interesse der Vorhersehbarkeit ist. Der EWSA geht davon aus, dass die wichtigsten Unternehmensunterlagen auch in digitaler Form aufbewahrt werden können, wenn dies rechtlich zulässig ist.

4.5.

Allerdings wird es seiner Meinung nach auch weiterhin schwierig sein, nachzuweisen, dass eine Tätigkeit über eine Briefkastenfirma durchgeführt wird. Der vorgeschlagene Wortlaut lässt einen erheblichen Ermessenspielraum, der möglicherweise ganz unterschiedlich genutzt wird. Beschlüsse, die auf solchen Artikeln beruhen, können leicht angefochten werden. In Verbindung mit Unternehmen, die Teil eines internationalen Konzerns sind oder beispielsweise bestimmte administrative Tätigkeiten auslagern, könnte dies besondere Probleme zeitigen. Außerdem besteht die offensichtliche Gefahr, dass sich die nationalen Praktiken aufgrund der abweichenden nationalen Auslegungen sehr unterschiedlich entwickeln.

4.6.

Nach Ansicht des EWSA könnte durch die Pflicht zur Vorlage von Informationen über die Eigentumsverhältnisse (3) ein besseres Bild des Status eines Unternehmens gewonnen werden.

4.7.

Der EWSA weist daher auf die Schwierigkeiten bei der Umsetzung hin und betont die Bedeutung einer effizienten grenzübergreifenden Zusammenarbeit und des Austauschs bewährter Verfahren zwischen den Durchsetzungsbehörden.

4.8.

Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die Mitgliedstaaten trotz der weiteren in Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 2 hinzugefügten Details zu dem Kreis der Personen, deren Verhalten die Bewertung der Zuverlässigkeit beeinflussen kann, weiterhin das Recht haben, andere „maßgebliche Personen“ zu bestimmen. Daher könnte es nach wie vor Unterschiede in Bezug auf den Kreis der betreffenden Personen zwischen den Mitgliedstaaten geben.

Der EWSA befürwortet die Hinzufügung einer Ziffer „Steuerrecht“ in Absatz 1 Unterabsatz 3 Buchstabe a als Kriterium für die Bewertung der Zuverlässigkeit, womit der zunehmenden Bedeutung der Einhaltung des Steuerrechts Rechnung getragen wird, sowie die Bedeutung, die der Einhaltung der Vorschriften für die Entsendung von Arbeitnehmern in Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 3 Buchstabe b Ziffer xi beigemessen wird.

In beiden Fällen wird dadurch Rechtssicherheit gewährleistet, dass nur Taten berücksichtigt werden, die zu einer Verurteilung oder zu Sanktionen wegen eines schweren Verstoßes gegen nationale oder europäische Vorschriften verhängt wurden.

4.9.

Der EWSA hinterfragt die Einführung von Sanktionen wegen schwerwiegender Verstöße gegen Unionsvorschriften betreffend auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendendes Recht, da sie die Wahl der anzuwendenden Vorschriften betreffen und keine inhaltlichen Probleme. Wird damit auf einen Verstoß gegen die Bestimmungen über die verbindliche Wahl der anzuwendenden Vorschriften abgezielt, sollte dies klar formuliert werden. Eine passendere Maßnahme könnte die Berücksichtigung von Verurteilungen in Zivilverfahren aufgrund von Verfehlungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit, Betrug oder Misswirtschaft sein.

4.10.

Der EWSA befürwortet die Änderungen zu den verfahrenstechnischen Bestimmungen in Artikel 6 Absatz 2. Angesichts der potenziellen Auswirkungen schwerwiegender Verstöße gegen EU-Vorschriften auf die Möglichkeiten für ein Unternehmen oder einen Verkehrsleiter, eine Tätigkeit auszuüben, hegt der EWSA Zweifel daran, ob die in Artikel 6 neuer Absatz 2a vorgesehene Erstellung einer Liste derartiger Verstöße durch die Europäische Kommission im Zuge von delegierten Rechtsakten angemessen ist.

4.11.

Der EWSA stellt die Verhältnismäßigkeit der einjährigen Sperrfrist für die Rehabilitierung des Verkehrsleiters ab dem Datum der Aberkennung der Zuverlässigkeit in Frage. Der Zeitpunkt und die Verhältnismäßigkeit der Wiederanerkennung der Zuverlässigkeit sollten im Einzelfall durch die zuständigen nationalen Behörden festgelegt werden.

4.11.1.

In Bezug auf die Voraussetzungen für die finanzielle Leistungsfähigkeit äußert der EWSA Zweifel an dem Vorschlag für eine neue Bestimmung in Artikel 7 Absatz 2, nach der die zuständige Behörde „ein anderes rechtlich bindendes Dokument“ als ausreichenden Nachweis für die finanzielle Leistungsfähigkeit anerkennen kann. Diese Bestimmung ist nicht zufriedenstellend, da die Natur des betreffenden Dokuments nicht präzise genug festgelegt ist.

4.12.

Der EWSA befürwortet den Vorschlag in Artikel 16, weitere Informationen in die einzelstaatlichen elektronischen Register aufzunehmen, darunter sämtliche Verstöße. Er begrüßt insbesondere die fünftägige Frist für die Beantwortung eines Auskunftsersuchens und weist darauf hin, dass die Kontrollbehörden bei Straßen- und/oder Unternehmenskontrollen Zugang in Echtzeit zu allen in elektronischer Form in den relevanten Registern verfügbaren Informationen erhalten sollten.

Der EWSA ist der auch Auffassung, dass die in den nationalen elektronischen Registern zu speichernden Daten auch Informationen über die bei einem Unternehmen beschäftigten Fahrer enthalten sollten, da dies wichtig ist, um festzustellen, inwieweit sozial- und arbeitsrechtliche Vorschriften eingehalten werden. Dies würde insbesondere zur Bekämpfung des in Ziffer 3.3 beschriebenen Betrugs beitragen. Der EWSA fordert die Kommission auf, eine solche Maßnahme in Erwägung zu ziehen (siehe Ziffer 33 der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Mai 2017 zum Straßenverkehr in der Europäischen Union (2017/2545 (RSP)).

4.13.

Der EWSA begrüßt die Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit in dem neuen Artikel 18, einschl. der Einführung klarer Verfahren und Fristen für die Beantwortung eines Auskunftsersuchens. Er schlägt jedoch folgende Verbesserungen vor:

In Absatz 3 sollte festgehalten werden, dass Kontrollen stets durchzuführen sind, wenn sie von den zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten beantragt werden. Außerdem sollte die Anforderung für glaubhafte Hinweise im letzten Satz in Absatz 3 gestrichen werden, da die Begründung des Auskunftsersuchens in Absatz 4 ausreichend behandelt wird.

Die in Absatz 5 enthaltene Frist für die Unterrichtung des ersuchenden Mitgliedstaats über Probleme bei der Einholung von Informationen sollte auf fünf Tage verkürzt werden.

4.14.

Der EWSA begrüßt die jährliche Berichterstattungspflicht betreffend die gemäß Artikel 18 Absatz 3 und 4 gestellten Ersuchen und die erhaltenen Antworten. Eine effiziente Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten ist für eine wirksame Durchsetzung entscheidend; die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften ist daher wesentlich.

5.   Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 — Marktzugang

5.1.

Der EWSA begrüßt die vorgeschlagenen Änderungen zur Präzisierung der Vorschriften für den Marktzugang betreffend Kabotage und die Verfügbarkeit von Beweisen bei Straßenkontrollen. Dennoch werfen die Vorschläge eine Reihe von Fragen auf, die im Folgenden erläutert werden. Der EWSA bedauert außerdem, dass eine Reihe von Fragen, insbesondere in Verbindung mit der Kabotage, weiterhin unbeantwortet bleibt. Diese werden ebenfalls nachstehend erläutert.

5.2.

Der EWSA verweist auf die folgenden übergeordneten Probleme:

Wie in Ziffer 4.2 dargelegt, bedauert der EWSA, dass die Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 nicht auf leichte Nutzfahrzeuge ausgedehnt wird, was eine ungerechtfertigte Marktöffnung für Fahrzeuge bedeutet, die unter die Bestimmungen über den Zugang zum Beruf fallen. Dies könnte den Wettbewerb verzerren und negative Auswirkungen etwa auf die Verkehrsüberlastung und die Umwelt haben.

Der EWSA bedauert, dass in diesem Vorschlag die Frage gänzlich ausgeklammert wird, wann eine Kabotagetätigkeit nicht mehr zeitweilig ist, sondern in eine derart kontinuierliche und dauerhafte Tätigkeit übergeht, dass das Recht nach Artikel 8, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als in dem Mitgliedstaat zu erbringen, in dem das Unternehmen niedergelassen ist, nicht mehr zutrifft.

Die gegenwärtige Situation, in der Tätigkeiten, die die formalen Kriterien für Kabotagebeförderungen nach Artikel 8 erfüllen, systematisch und regelmäßig über einen langen Zeitraum ausgeführt werden können, sogar im Rahmen eines langfristigen Vertrags, und dennoch als zeitweilig gelten, ist nicht zufriedenstellend und steht nicht im Einklang mit den Kriterien für den zeitweiligen Charakter des Rechts auf Erbringung grenzübergreifender Dienstleistungen (siehe Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes 1995, S. I-4165 und Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes 1985, S. 1513). Der EWSA hält es deshalb für entscheidend, dass eindeutig festgelegt wird, was „zeitweilig“ bedeutet.

Der EWSA verweist darauf, dass der Gesetzgeber gemäß Artikel 91 Absatz 1 Buchstabe b AEUV über einen weiten Ermessensspielraum für die Festlegung der Bedingungen für Kabotage als vorübergehende Erbringung einer Dienstleistung verfügt. Mögliche Lösungen könnten die Festlegung einer Obergrenze für die Zahl der Beförderungen oder der Tage, an denen Beförderungen erfolgen, in einem bestimmten Zeitraum oder die Festlegung einer Sperrfrist zwischen Gruppen von Kabotagebeförderungen sein. Nach Auffassung des EWSA müssen die einschlägigen Vorschriften unbedingt klar und einfach anwendbar sein, beispielsweise bei Straßenkontrollen.

Damit die Einhaltung der Vorschriften effizient überwacht werden kann, müssen die nationalen Behörden auf entsprechend geschultes Personal zurückgreifen können, um wirksame Kontrollen gemäß Artikel 10a durchführen zu können. Diese beiden Elemente sind nach Auffassung des EWSA unabdingbar; außerdem muss ein Netz für den Austausch bewährter Verfahren aufgebaut werden.

Der EWSA bedauert, dass der Vorschlag für eine Überarbeitung der Richtlinie 92/106/EWG über den kombinierten Güterverkehr nicht zum gleichen Zeitpunkt wie dieser Vorschlag vorgelegt wurde, da mit dieser Richtlinie in der Praxis ein paralleler Marktzugang für innerstaatliche Beförderungen für Unternehmen vorgesehen ist, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind. Das vollkommen legitime verkehrspolitische Ziel, den kombinierten Verkehr zu fördern, kann nach Auffassung des EWSA erreicht werden, ohne diese konkrete Bestimmung für den Marktzugang beizubehalten. Deshalb sollte der Beförderungsabschnitt auf der Straße im Rahmen des kombinierten Verkehrs nach und von Häfen bzw. Eisenbahnknotenpunkten innerhalb eines Mitgliedstaats als nationale Beförderung gewertet werden, und die Kabotagebestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 bzw. entsprechende Bestimmungen sollten Anwendung finden.

5.3.

Der EWSA nimmt die Ergänzung von Artikel 1 Absatz 1 betreffend die Beförderung von leeren Containern oder Paletten zu Kenntnis und kommt zu dem Schluss, dass ein Beförderungsvertrag entscheidend ist und aufgrund eines derartigen Vertrags auch eine sehr unbedeutende Ladung als gewerblicher Güterkraftverkehr gilt.

5.4.

Die aktuelle Beschränkung auf drei Kabotagebeförderungen im Kabotagezeitraum wird unterschiedlich dahingehend ausgelegt, was zu einer Beförderung gehört, und es hat sich als schwer bis unmöglich erwiesen, die Einhaltung dieser Vorschrift in der Praxis zu überprüfen.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag, die Beschränkung auf drei Beförderungen aufzuheben und den Zeitraum, innerhalb dessen solche Beförderungen durchgeführt werden dürfen, von sieben auf fünf Tage zu verkürzen, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind:

1.

Wie bereits in Ziffer 5.2 gefordert, wird eine präzise Definition des Begriffs Kabotage vorgelegt, durch die der zeitweilige Charakter gewährleistet wird.

2.

Die Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern (Richtlinien 96/71/EG und 2014/67/EG) gelten ab dem ersten Tag für alle Kabotagebeförderungen. Dies könnte erfolgen, indem die Richtlinien 96/71/EG und 2014/67/EG ungeachtet der Bestimmungen von Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie 96/71/EG auch auf Kabotagebeförderungen nach Artikel 9 angewandt werden.

Andernfalls sollten nach Auffassung des EWSA die geltenden Kabotageregelungen beibehalten werden, denn der Vorschlag der Kommission würde ohne Einhaltung der genannten Bedingungen in der Praxis eine fast vollständige Marktöffnung mit sich bringen, was unvorhersehbare Folgen für den Markt hätte.

Der EWSA begrüßt außerdem die Beschränkung der Kabotagebeförderungen in anderen Mitgliedstaaten als dem Mitgliedstaat, der das Ziel der grenzüberschreitenden Beförderung ist (der Aufnahmemitgliedstaat), auf angrenzende Mitgliedstaaten, was die Überprüfung der Einhaltung erleichtert. Allerdings sollte der Vorschlag geändert werden, damit klar ist, dass die neuen Kabotagerechte im Anschluss an eine neue internationale Beförderung in einen angrenzenden Mitgliedstaat bestehende Kabotagerechte ersetzen, damit es nicht zu einer Kumulation von Rechten kommt („Kettenkabotage“). Die Frage der rechtlichen Vorhersehbarkeit ist von großer Bedeutung.

5.5.

Im Rahmen der vorgeschlagenen Anpassungen an die Regeln für die Entsendung von Arbeitnehmern in Bezug auf den Verkehrssektor (COM(2017) 278) wird deutlich gemacht, dass diese Regeln ab dem ersten Tag für Kabotagebeförderungen gelten. Die Kostenschere zwischen den Mitgliedstaaten wird durch diese Vorschriften für die Entsendung von Arbeitnehmern zwar nicht vollständig beseitigt, aber doch erheblich verringert. Allerdings hält der EWSA es für fraglich, inwieweit die Erleichterung in Bezug auf die Entsendemeldung sogar für einen Sechsmonatszeitraum sowie die erleichterten Nachweisanforderungen ohne die Verpflichtung, einen Vertreter für die Kabotage zu benennen, sinnvoll sind, wie von der Kommission in ihrem Vorschlag für konkrete Regeln in Bezug auf die Richtlinie 96/71/EG und die Richtlinie 2014/67/EU angeregt, solange die Frage des zeitweiligen Charakters der Kabotage nicht gelöst ist, wie in den Ziffern 1.6 und 5.2 dargelegt.

5.6.

Die Europäische Kommission hat 2011 ihren Standpunkt zur Auslegung der Kabotagevorschriften für eine Reihe von Punkten („The New Cabotage Regime under Regulation (EC) No 1072/2009“ veröffentlicht, abrufbar in Englisch auf der Website der GD MOVE). In dem aktuellen Vorschlag wurde die Kommissionsauslegung von Kabotagebeförderungen in der vorgeschlagenen Änderung der Begriffsbestimmung in Artikel 2 Nummer 6 aufgenommen und die Frage der Verfügbarkeit von Belegen im Fahrzeug bei Straßenkontrollen in dem vorgeschlagenen neuen Absatz 4 Buchstabe a) von Artikel 8 geregelt.

Der EWSA begrüßt diese Klarstellungen, bedauert jedoch, dass einige andere wichtige Fragen, die in dem Dokument der Europäischen Kommission behandelt wurden, nicht in diesen Vorschlag eingeflossen sind. Dies gilt beispielsweise für die Fragen, ob sämtliche internationale Fracht vor Beginn der Kabotage entladen werden muss und wie der in Artikel 8 Absatz 2 in seiner aktuellen Form vorgeschlagene siebentätige Kabotagezeitraum zu berechnen ist.

Der EWSA bedauert darüber hinaus, dass die Gelegenheit nicht genutzt wurde, um zu präzisieren, ob Fahrtenschreiberdaten ebenfalls für die Überprüfung der Einhaltung der Kabotagevorschriften genutzt werden können. Laut dem Auslegungsdokument der Europäischen Kommission von 2011 ist dies der Fall. Nach Meinung des EWSA hätte diese Gelegenheit genutzt werden sollen, um dies dezidiert in der Verordnung klarzustellen.

Der EWSA weist darauf hin, dass digitale Fahrtenschreiber als Mittel zur Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften uneingeschränkt verfügbar sein müssen, und wünscht sich eine erhebliche Verkürzung der Frist, in der bestehende Fahrzeuge mit diesem Fahrtenschreibertyp nachzurüsten sind.

5.7.

Der EWSA begrüßt die neue Bestimmung zur Haftung in Artikel 14a, weist jedoch darauf hin, dass es schwierig sein könnte, nachzuweisen, dass illegale Dienstleistungen wissentlich erbracht wurden.

Brüssel, den 18. Januar 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 176.

(2)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 176.

(3)  ABl. L 140 vom 30.5.2012, S. 32.


8.6.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 197/45


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/22/EG bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und zur Festlegung spezifischer Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71/EG und der Richtlinie 2014/67/EU für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor“

(COM(2017) 278 final — 2017/0121 (COD))

und zum

„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hinsichtlich der Mindestanforderungen in Bezug auf die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, Mindestfahrtunterbrechungen sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten und der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 in Bezug auf die Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern“

(COM(2017) 277 final — 2017/0122 (COD))

(2018/C 197/08)

Berichterstatterin:

Tanja BUZEK (DE-II)

Befassung

Europäisches Parlament, 15.6.2017

Rat der Europäischen Union, 20.6.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 91 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

4.1.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

18.1.2018

Plenartagung Nr.

531

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

173/89/17

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist sich der wichtigen Rolle des Verkehrs als Motor der europäischen Wirtschaft bewusst und unterstützt die Europäische Kommission in ihren Bemühungen, die führende Stellung der EU für saubere, wettbewerbsfähige und vernetzte Mobilität in Zukunft zu bewahren. Der EWSA betont, dass das grundlegende Instrument zur Verwirklichung dieses Ziels nach wie vor ein gut funktionierender, vollständig umgesetzter Binnenmarkt im Verkehrssektor ist, der sozial nachhaltig ist und einen geringen Verwaltungsaufwand verursacht.

1.2.

In Bezug auf die weitere Entwicklung insbesondere des Straßenverkehrs betont der EWSA jedoch, dass es auch Grenzen gibt, die sich aus der Flächenknappheit für den Straßen- und Parkplatzbau, aus dem ökologisch motivierten Mangel an sozialer Akzeptanz in vielen Regionen Europas, aus den ungelösten Fragen der Straßenverkehrssicherheit sowie aus der Wichtigkeit der Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben der Fahrer ergeben. Diese Grenzen sollten in allen gesetzgeberischen und anderen Initiativen der EU auf diesem Gebiet berücksichtigt werden. Außerdem werden künftige Wirtschaftsmodelle möglicherweise den Straßenverkehr reduzieren, indem nachhaltigere Arten der Organisation von Produktion und Vertrieb angestrebt werden.

1.3.

Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Kommission die Initiative ergreift, die Rechtsvorschriften für den Straßenverkehr zu klären und besser durchzusetzen, für eine engere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu sorgen und gleichzeitig Sozialdumping zu bekämpfen, definiert als alle Formen inakzeptabler und illegaler Praktiken, mit denen Sozialvorschriften und Marktzugangsbestimmungen (Briefkastenfirmen) umgangen oder missachtet werden, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Diese Praktiken wurden vom EWSA in seiner Sondierungsstellungnahme TEN/575 im Einklang mit der Durchsetzungsrichtlinie 2014/67/EU einvernehmlich definiert. Damit sollen ein reibungslos funktionierender, fairer Binnenmarkt und die volle Einhaltung der Arbeitnehmerrechte in diesem Sektor gewährleistet werden.

1.4.

Der EWSA ist jedoch der Meinung, dass die vorgeschlagenen Änderungen der Rechtsvorschriften über Lenk- und Ruhezeiten sowie die Entsendung von Kraftfahrern den im Straßenverkehr ermittelten Problemen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht werden und u. a. auch nicht dazu beitragen, die Vorschriften einfacher, verständlicher und durchsetzbarer zu machen. Nach Ansicht des EWSA sind die Mängel der Vorschläge darauf zurückzuführen, dass die Probleme nur unzureichend analysiert wurden Daher bleiben seiner Meinung nach die sozialrechtlichen Vorschläge hinter den von der Europäischen Kommission selbst formulierten strategischen Zielsetzungen zurück, und es herrscht weiter Rechtsunsicherheit. Der EWSA stellt fest, dass die Standpunkte der Mitgliedstaaten, der Sozialpartner und der Straßenverkehrsunternehmen zu der Initiative auseinandergehen.

1.5.

Der EWSA unterstreicht, dass die von der Europäischen Kommission aufgestellte Agenda für einen sozial verträglichen Übergang zu sauberer, wettbewerbsfähiger und vernetzter Mobilität für alle nur umsetzbar ist, wenn die sozialen Rechte gewahrt, die Durchsetzung und Durchsetzbarkeit der Vorschriften gewährleistet, ein fairer Wettbewerb sichergestellt und Verwaltungsaufwand abgebaut werden. Der Binnenmarkt muss für alle Interessenträger und für alle Mitgliedstaaten, alte wie neue, funktionieren.

1.6.

Betreffend die Verlängerung des Bezugszeitraums für die Ruhezeiten von zwei auf vier Wochen nimmt der EWSA die Bemühungen der Europäischen Kommission zur Kenntnis, den Forderungen der Branche und der Verkehrsunternehmen nach mehr Flexibilität für Beförderungsleistungen im Straßenverkehr Rechnung zu tragen, weist jedoch darauf hin, dass dies das empfindliche Gleichgewicht zwischen fairem Wettbewerb, Fahrergesundheit und -sicherheit sowie Straßenverkehrssicherheit stören und eine gemeinsame einheitliche Auslegung der Vorschriften beeinträchtigen könnte, was ihre Durchsetzung und Kontrolle erschweren würde.

1.7.

Der EWSA fordert den Gesetzgeber außerdem auf, auch einen Ausgleich für eine verringerte wöchentliche Ruhezeit in Verbindung mit den täglichen Ruhezeiten gemäß der geltenden Verordnung in Erwägung zu ziehen. In Bezug auf Fahrtunterbrechungen schlägt er eine Folgenabschätzung betreffend die Möglichkeit einer flexibleren Verteilung der 45-minütigen Pause innerhalb der Lenkzeit von sechs Stunden nach Ermessen des Fahrers vor. Im Mittelpunkt dieser Folgenabschätzung sollte die Frage stehen, ob der Fahrer die Pause nutzen kann, um sich innerhalb der neun- bzw. zehnstündigen Fahrtzeit auszuruhen und zu erfrischen.

1.8.

Der EWSA bedauert, dass die vorgeschlagenen Änderungen in Bezug auf den Personenverkehr mit Kraftomnibussen nicht auf einer gründlichen Bewertung der Sicherheit der Fahrgäste und Fahrer sowie der Straßenverkehrssicherheit beruhen. Er würde daher eine EU-weite allgemeine Studie über die Ermüdung von Fahrern begrüßen und bedauert, dass die Europäische Kommission keine einschlägigen Lösungsansätze unterbreitet hat.

1.9.

Vor dem kritischen Hintergrund der Preisgestaltung im Verkehrssektor weist der EWSA darauf hin, dass unbedingt Regeln festgelegt werden müssen, um gleiche Ausgangsbedingungen für alle Straßenverkehrsunternehmen ungeachtet ihrer Größe und für alle mobile Arbeitnehmer sicherzustellen, ohne neue Hindernisse für den Binnenmarkt zu schaffen und Sozialvorschriften zu unterminieren.

1.10.

Der EWSA teilt den Kommissionsstandpunkt, dass die wirksame Durchsetzung der Vorschriften entscheidend ist, und verweist auf die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie einen effizienten Informationsaustausch. Seiner Meinung nach ist es daher angebracht, die bestehenden Vorschriften für Ruhezeiten zunächst konsequenter durchzusetzen, bevor eine Flexibilisierung erwogen wird, ohne dass es eine hinreichend faktengesicherte Grundlage dafür gibt.

1.11.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission außerdem auf, eine intelligente Durchsetzung voranbringen und jedwede Unterstützung für die umfassende Einführung und Nutzung von Risikoeinstufungssystemen bereitzustellen; ferner fordert er die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Durchsetzungsbehörden Echtzeit-Zugriff auf die einzelstaatlichen elektronischen Register zu gewähren und hierfür das europäische Register der Kraftverkehrsunternehmen (ERRU) optimal zu nutzen.

1.12.

Der EWSA empfiehlt, dass die Europäische Kommission klare Durchsetzungsmaßnahmen zur Verhinderung von Manipulationen an Fahrtenschreibern ergreift und dazu a) die Frist zur Einführung von „intelligenten“ Fahrtenschreiben für alle kommerziell für Kabotage und internationale Straßenverkehrsdienste genutzten Fahrzeuge verkürzt und b) alle erforderlichen innovativen technischen Lösungen vorsieht, um sicherzustellen, dass manuelle Eingaben von Fahrtenschreiberdaten korrekt sind, bspw. über den Anschluss eines Gewichtssensors an den Fahrtenschreiber als wirksameres Mittel zur Kontrolle von Be- und Entladung, die als Arbeitszeit des Fahrers zu registrieren sind.

1.13.

Der EWSA rät der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten außerdem, sich mit der Problematik der sicheren Parkplätze zu befassen, einschließlich der gegenwärtig begrenzten Verfügbarkeit von Plätzen mit geeigneten Anlagen für die Fahrer, ohne die das Mobilitätspaket Gefahr läuft, dass eine Verpflichtung zur Ruhezeit außerhalb der Fahrerkabine wirkungslos bleibt. Der EWSA fordert die Kommission auf, eine gründliche Überprüfung des bestehenden Parkplatznetzes in den Mitgliedstaaten, insbesondere an Straßen und Verkehrskorridoren in geografischen Randgebieten, vorzunehmen und ein Konzept zur Ausmerzung weißer Flecken in diesem Bereich zu erarbeiten, was für eine wirksame Umsetzung des Mobilitätpakets von entscheidender Bedeutung sein wird.

1.14.

Der EWSA fordert die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die wöchentlichen Ruhezeiten und die als Ausgleich genommenen wöchentlichen Ruhezeiten unter angemessenen Unterbringungsbedingungen mit Zugang zu individuellen Sanitäranlagen und Verpflegungsmöglichkeiten verbracht werden müssen, und gleichzeitig sicherzustellen, dass in den Bau einer hochwertigen Straßeninfrastruktur investiert wird. In diesem Zusammenhang begrüßt der EWSA nachdrücklich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20. Dezember 2017, durch das bestätigt wird, dass die wöchentliche Ruhezeit außerhalb des Fahrzeugs verbracht werden muss. Er fordert die Europäische Kommission außerdem auf, die Frage der finanziellen Verantwortung für die Rückführung der Fahrer an ihren Heimatort zu klären, denn die Kosten dafür sollten nicht den Fahrern auferlegt werden.

1.15.

Der EWSA erachtet die EU-weite Anwendung der Entsendevorschriften im Straßenverkehr als eine entscheidende Voraussetzung für die Sicherstellung jeweils gleicher Ausgangsbedingungen für Arbeitnehmer und Unternehmen. Er plädiert außerdem für einfache, wirksame und diskriminierungsfreie Durchsetzungsmaßnahmen für diese Vorschriften; Bürokratie muss auf alle Fälle vermieden werden.

1.16.

Der EWSA sieht natürlich, dass der Straßenverkehr durch eine besonders hohe Mobilität gekennzeichnet ist, betont jedoch, dass die Europäische Kommission in ihrem Vorschlag zur Entsendung von Arbeitnehmern im internationalen Straßenverkehr in seiner derzeitigen Fassung auf die Probleme nicht ganz angemessen eingeht. Erforderlich sind klare und einfache Bestimmungen für die Verkehrsunternehmen und die Fahrer. Der EWSA fordert den Gesetzgeber auf, zu präzisieren, dass die Entsendevorschriften für reine Transitfahrten keine Anwendung finden. Der EWSA fordert zudem eine Präzisierung betreffend die Anwendung der Entsendevorschriften auf Verkehrsunternehmen aus einem (Nicht-EU-)Drittland.

1.17.

Der EWSA unterstützt nachdrücklich, dass die Entsenderichtlinie bei Kabotagebeförderungen weiterhin ab dem ersten Tag angewendet werden sollte. Hingegen hegt er Bedenken, ob die neuen abgeschwächten Verwaltungsregelungen für Kabotage Anwendung finden sollten.

1.18.

Der EWSA begrüßt die Anpassung der Durchsetzungsmodalitäten an die Besonderheiten des Sektors und ist der Ansicht, dass der Verwaltungsaufwand durch die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für Mitteilungen in der EU erleichtert wird.

Betreffend die Entlohnung ist aus seiner Sicht klar, dass die vorübergehende Entsendung eines Fahrers aus einem Mitgliedstaat mit einem niedrigen Lohnniveau in einen Mitgliedstaat mit einem höheren Lohnniveau zumindest unter Wahrung des im Recht oder in den Gepflogenheiten des Aufnahmelandes verankerten Mindestlohnniveaus erfolgen muss, wenn die Voraussetzungen für eine Entsendung erfüllt sind.

1.19.

Der EWSA empfiehlt, einfache, klare, diskriminierungsfreie und wirksame EU-weite Durchsetzungsmaßnahmen festzulegen, die keinen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen, u. a.:

bei der Durchsetzung von papiergestützten Belegen auf intelligente digitale Technik umzustellen;

die Frist zur obligatorischen Einführung „intelligenter“ Fahrtenschreiber für alle gewerblich in internationalen Straßenverkehrsdiensten genutzten Fahrzeuge zu verkürzen, da nur so die Dauer bzw. der vorübergehende Charakter der Tätigkeit der Fahrer auf dem Gebiet eines jedweden Mitgliedstaats wirksam bestimmt werden kann;

eine europäische elektronische Entsendemeldung für jeden einzelnen entsandten Fahrer und ein Meldesystem über eine zentrale EU-Anlaufstelle einzuführen, auf das Aufsichtsbehörden in Echtzeit zugreifen können, denn nur so können Verwaltungslasten vermieden und gleichzeitig wirksame Kontrollen gewährleistet werden.

1.20.

Ferner plädiert der EWSA für eine möglichst umfassende Nutzung der einzelstaatlichen elektronischen Register und des europäischen Registers der Kraftverkehrsunternehmen (ERRU), indem 1) Daten über die von den Unternehmen beschäftigten Fahrer in die einzelstaatlichen elektronischen Register eingegeben werden, 2) den Durchsetzungsbehörden im Straßenverkehr Echtzeit-Zugang zu den Daten in den einzelstaatlichen elektronischen Registern und dem ERRU, einschließlich zu der elektronischen Entsendeerklärung, gewährt wird, und 3) der Zeitraum der auf der Fahrerkarte auslesbaren Daten von 28 Tagen auf mehrere Monate verlängert wird, damit die Aufsichtsbehörden auf einfache Weise die Dauer der vorübergehenden Tätigkeiten der Fahrer in unterschiedlichen Mitgliedstaaten überprüfen können.

1.21.

Schließlich fordert der EWSA die Europäische Kommission auf, zur Gewährleistung einer besseren grenzübergreifenden Durchsetzung der EU-Rechtsvorschriften im Straßenverkehr eine europäische Straßenverkehrsagentur einzurichten, die im Straßenverkehr vor allem eine Kultur der Rechtstreue fördert und die Politikgestaltung auf EU- und nationaler Ebene unterstützt. Bis dahin jedoch empfiehlt der EWSA, dass die Mitgliedstaaten sich aktiv an bestehenden Kontrolldiensten im europäischen Verkehr beteiligen (Euro Contrôle Route usw.) und in die Schulung der Mitarbeiter der nationalen Kontrollbehörden investieren.

2.   Hintergrund

2.1.

Zu Beginn ihres Mandats verpflichtete sich die Europäische Kommission zur Einleitung eines Legislativverfahrens, um die EU-Vorschriften für den Straßenverkehr einfacher, klarer und leichter durchsetzbar zu machen. Ursache waren zahlreiche Appelle seitens der Mitgliedstaaten, der europäischen Sozialpartner im Straßenverkehrs- und Logistiksektor, der Europäischen Transportarbeiter-Föderation ETF und der Internationalen Straßentransport-Union IRU, die einvernehmlich der Meinung sind, dass der geltende EU-Rechtsrahmen in mehrfacher Hinsicht unklar ist und unzureichend umgesetzt wird.

2.2.

2013 schlugen die ETF und die IRU im Rahmen gemeinsamer Initiativen vor, den Kabotagemarkt nicht weiter zu öffnen, die Durchsetzung zu verbessern und einen verbindlichen Fahrplan für eine Harmonisierung im Steuer-, Straßenverkehrssicherheits- und Sozialbereich aufzustellen (siehe das gemeinsame Strategiepapier von ETF und IRU).

2.3.

Unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen und Kostenstrukturen in den einzelnen Mitgliedstaaten haben Probleme auf dem Gebiet der Marktliberalisierung, Mindestlöhne, Entsendebedingungen und ihre Anwendbarkeit auf mobile Arbeitskräfte deutlich zu Tage treten lassen. In Verbindung mit einer unklaren Rechtslage hat dies zur Umgehung von Vorschriften sowie zum Entstehen von atypischen Beschäftigungsformen und Briefkastenfirmen und somit zu Sozialdumping geführt.

2.4.

Neue einzelstaatliche Gesetze oder Verfahren haben zu einer Reihe von Vertragsverletzungsverfahren geführt und die Notwendigkeit angemessener Maßnahmen auf EU-Ebene verdeutlicht, um die Probleme zu beheben und Rechtssicherheit für die Marktakteure wie auch die Beschäftigten zu schaffen.

2.5.

In diesem Zusammenhang bekannte sich die 2014 unter Präsident Juncker angetretene Kommission zu mehr Fairness im Binnenmarkt durch die Bekämpfung von Sozialdumping (siehe die Antrittsrede von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor dem Europäischen Parlament). In der Folge hat die Europäische Kommission diesen Willen im Zuge der Vorbereitung des Mobilitätspakets durchweg systematisch bekräftigt und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Kohärenz des Binnenmarkts gewahrt werden muss.

2.6.

Im September 2015 verabschiedete der EWSA außerdem seine Sondierungsstellungnahme „Der Binnenmarkt für den internationalen Straßengüterverkehr: Sozialdumping und Kabotage“ (TEN/575). Im September 2016 verabschiedete das Europäische Parlament seinen Initiativbericht über Sozialdumping in der Europäischen Union. In beiden Dokumenten wurde eine Reihe zweckdienlicher Vorschläge, vor allem für die Durchsetzung, unterbreitet, um einen fairen und gut funktionierenden Binnenmarkt zu gewährleisten. Im Mai 2017 nahm das Europäische Parlament eine Entschließung zum Straßenverkehr in der Europäischen Union mit dem gleichen Tenor an.

2.7.

Daraufhin legte die Europäische Kommission am 31. Mai 2017 ein Mobilitätspaket vor, das einen ursprünglichen Satz aus acht Legislativinitiativen mit Schwerpunkt auf dem Straßenpersonen- und -güterverkehr zu kommerziellen Zwecken enthält, in dem fünf Millionen Arbeitnehmer in der EU beschäftigt sind. Das Paket zielt auf eine bessere Funktionsweise des Markts für den Güterkraftverkehr und eine Verbesserung der Sozial- und Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer ab. Gemäß den Kommissionsvorschlägen sollen hierzu die Durchsetzung verstärkt, illegale Beschäftigungspraktiken bekämpft, der Verwaltungsaufwand für Unternehmen verringert und die bestehenden Vorschriften, beispielsweise die Anwendung der nationalen Mindestlohngesetze, präzisiert werden.

2.8.

Die vier Pfeiler des Pakets sind: 1) Binnenmarkt, 2) fairer Wettbewerb und Arbeitnehmerrechte, 3) Dekarbonisierung und 4) digitale Technologien. Diese Stellungnahme bezieht sich auf den Pfeiler „Fairer Wettbewerb und Arbeitnehmerrechte“ und auf die vorgeschlagenen Änderungen der Sozialvorschriften.

2.9.

Zur Lösung der oben genannten Probleme und zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit schlägt die Europäische Kommission in ihrem Mobilitätspaket Änderungen in Bezug auf die Lenk- und Ruhezeiten (Verordnung (EG) Nr. 561/2006) und die Entsendung von Arbeitnehmern (Richtlinie 96/71/EG) sowie die einschlägige Durchsetzungsrichtlinie (Richtlinie 2014/67/EU) vor.

2.10.

In Bezug auf die Regelung der Arbeitszeit von Kraftfahrern (Richtlinie 2002/15/EG) enthält das Mobilitätspaket keinen Vorschlag; vielmehr werden im Einklang mit den rechtlichen Anforderungen von Artikel 154 AEUV die Sozialpartner zu einer möglichen Überarbeitung dieser Richtlinie konsultiert.

2.11.

Im Vorfeld der Einführung des Mobilitätspakets im April 2017 verabschiedeten 27 gewerkschaftliche Organisationen aus 20 europäischen Ländern, darunter Bulgarien, Dänemark, Litauen, Niederlande, Polen, Rumänien, Spanien, die Tschechische Republik, Ungarn und das Vereinigte Königreich, die Warschauer Erklärung, in der die Europäische Kommission aufgefordert wird, konkrete Vorschläge in das Mobilitätspaket aufzunehmen, in deren Mittelpunkt die umfassende Anwendung der Entsendung von Arbeitnehmern im Straßenverkehrssektor steht.

Als Reaktion auf das von der Kommission im Oktober 2017 vorgeschlagene Mobilitätspaket wurde eine gemeinsame Erklärung gegen die Anwendung der Entsenderichtlinie auf internationale Beförderungsleistungen veröffentlicht, die von den Verkehrs- und Logistikverbänden und Handelskammern der Länder Bulgarien, Dänemark, Estland, Griechenland, Irland, Kroatien, Lettland, Litauen, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn und Vereinigtes Königreich unterzeichnet wurde.

2.12.

Der EWSA nimmt den jüngsten Standpunkt des Rates (Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz) zur Kenntnis, dass die geltenden Bestimmungen für die Entsendung von Arbeitnehmern bis zur Einführung der künftigen sektorspezifischen Rechtsvorschriften für den Straßengüterverkehr weiter Anwendung finden. Er nimmt auch zur Kenntnis, dass die Frage der Anwendbarkeit der Vorschriften für die Entsendung von Arbeitnehmern im Straßenverkehrssektor sehr umstritten ist und sowohl auf politischer Ebene als auch bei den Interessenvertretern zu abweichenden Meinungen geführt hat.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der EWSA befürwortet die Zielsetzung, auch künftig die führende Stellung der EU im Bereich saubere, wettbewerbsfähige und vernetzte Mobilität, einem der Motoren der EU-Wirtschaft, zu bewahren. Das grundlegende Instrument zur Verwirklichung dieses Ziels ist nach wie vor ein gut funktionierender, vollständig umgesetzter Binnenmarkt im Verkehrssektor, der sozial nachhaltig ist und einen geringen Verwaltungsaufwand verursacht.

3.2.

Der EWSA begrüßt das übergeordnete Ziel der Kommissionsinitiative und stellt fest, dass die Standpunkte der Mitgliedstaaten, der Sozialpartner, der Fahrer und der Verkehrsunternehmen zu der Initiative auseinandergehen. Als Vertreter der Zivilgesellschaft unterstreicht er, wie wichtig es ist, im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens Ergebnisse zu erzielen, die für die Betroffenen akzeptabel sind und Antworten auf berechtigte Bedenken geben. Dies trifft insbesondere auf den Vorschlag bezüglich der Anwendung der Vorschriften zur Entsendung von Arbeitnehmern im Straßenverkehrssektor zu, der unter den Interessenvertretern ernsthafte und widersprüchliche Bedenken hervorgerufen hat. Der EWSA unterstreicht daher die Bedeutung einer ausgewogenen, klaren und funktionalen Gesetzgebung, die weder das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes noch die Anhebung der Sozialstandards in der Branche beeinträchtigt.

3.3.

Der EWSA teilt die Schlussfolgerung der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission, dass unlauterer Wettbewerb zwischen Straßenverkehrsunternehmen und Sozialdumping, wie es in der EWSA-Sondierungsstellungnahme TEN/575 (1) verstanden und definiert wird, Hand in Hand gehen (Förderung des Wandels für Unternehmen und Menschen). Der EWSA stellt fest, dass der Folgenabschätzung teilweise qualitative und begrenzte quantitative Nachweise zugrunde liegen.

3.4.

Der EWSA stimmt außerdem der Argumentation der Europäischen Kommission zu, dass Wettbewerbsverzerrungen dann vorliegen, wenn Unternehmen die Vorschriften nicht einhalten und umgehen, um Wettbewerbsvorteile zu erhalten. Schwachstellen in den EU-Vorschriften und eine unterschiedliche Auslegung in verschiedenen Mitgliedstaaten können nach Meinung der Europäischen Kommission die gleiche Wirkung haben. Der EWSA macht darauf aufmerksam, dass zudem unzureichende Kapazitäten zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften der Lage abträglich sind. Er teilt daher den in der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission vertretenen Standpunkt, dass auch dies dafür spricht, einen klaren und leicht durchsetzbaren Rechtsrahmen zu schaffen.

3.5.

Der EWSA pflichtet der Europäischen Kommission auch in ihrer Beobachtung bei, dass der erbitterte Wettbewerb im Straßenverkehr aufgrund verschiedener Entwicklungen, die nicht in Verbindung mit den Sozialvorschriften stehen, zu Verzerrungen auf den Märkten geführt hat.

3.6.

Vor dem kritischen Hintergrund der Preisgestaltung im Straßenverkehr weist der EWSA darauf hin, dass das Mobilitätspaket unbedingt klare und leicht durchsetzbare Regeln enthalten muss, um gleiche Ausgangsbedingungen für alle Straßenverkehrsunternehmen ungeachtet ihrer Größe und für alle mobilen Arbeitnehmer sicherzustellen, ohne neue Hindernisse für den Binnenmarkt zu schaffen und Sozialvorschriften zu unterminieren. Der Binnenmarkt muss für alle Interessenträger und für alle Mitgliedstaaten, alte wie neue, funktionieren.

3.7.

Infolge des Preisverfalls kann der Straßenverkehr sozial, wirtschaftlich und ökologisch nicht nachhaltig und die faire Beteiligung anderer Verkehrsträger an der Güter- und Personenbeförderung in der EU deutlich eingeschränkt werden. Dadurch läuft die Europäische Kommission Gefahr, andere politische Ziele wie die Emissionsminderung und die Förderung der Multimodalität zu untergraben. Die von der Europäischen Kommission aufgestellte Agenda für einen sozial verträglichen Übergang zu sauberer, wettbewerbsfähiger und vernetzter Mobilität für alle ist nur umsetzbar, wenn die sozialen Rechte gewahrt, die Durchsetzung und Durchsetzbarkeit der Vorschriften gewährleistet, ein fairer Wettbewerb sichergestellt und Verwaltungsaufwand abgebaut werden.

3.8.

Der EWSA verweist erneut darauf, dass es eine Reihe illegaler Praktiken gibt, die zulasten der Unternehmen, die sich an das Gesetz halten, und letztlich auch zulasten der Fahrer im Güterkraftverkehr gehen.

3.9.

Der EWSA bedauert, dass das Mobilitätspaket insbesondere im Personenverkehr mit Kraftomnibussen eine flexiblere Gestaltung der Ruhezeiten vorsieht, ohne dass die Auswirkungen auf die Sicherheit der Fahrgäste und Fahrer sowie der Straßenverkehrssicherheit gründlich bewertet worden wären. Daher würde er eine EU-weite allgemeine Studie über die Ermüdung von Fahrern begrüßen, in der die Gründe für diese Ermüdung untersucht werden, die u. a. auf eine Mischung aus Fahrtätigkeit und Dienstleistungen für die Fahrgäste zurückzuführen sind sowie darauf, dass die Fahrer ihre Fahrten, ihre Fahrzeuge usw. während ihrer täglichen Ruhezeiten vorbereiten müssen und ihre Arbeitszeitpläne auch erhebliche Wartezeiten zwischen einzelnen Fahrten umfassen, die sie meistens in den Fahrzeugen und oftmals unter unangemessenen Umständen verbringen, auch wenn die Verkehrsunternehmen anerkanntermaßen in die Verbesserung und Modernisierung der Fahrerkabinen investiert haben. Der EWSA betont, dass jedwede neue Vorschrift diesen Aspekt aufgreifen und derartige Praktiken unterbinden sollte.

3.10.

In Bezug auf die Straßenverkehrssicherheit nimmt der EWSA zur Kenntnis, dass die EU 2010 ihren Willen zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit bekräftigt und ein Ziel zur Verringerung der Zahl der Verkehrstoten um 50 % bis 2020 im Vergleich zu 2010 festgelegt hat. Allerdings sind seit 2014 keinerlei Fortschritte mehr zu verzeichnen. Laut Europäischem Rat für Verkehrssicherheit (ETSC) war 2016 das dritte schlechte Jahr für die Straßenverkehrssicherheit in Folge. Die Zahl der Verkehrstoten in Unfällen mit Lkw-Beteiligung belief sich allein 2015 auf ca. 4 000, ohne damit implizieren zu wollen, dass Letztere Schuld hätten („Traffic Safety Basic Facts 2016 — HGVs and Buses“, Europäische Beobachtungsstelle für Straßenverkehrssicherheit). Der ETSC betont, dass Unfälle mit Beteiligung von Lkw aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts mit einem weitaus höheren Risiko tödlicher Folgen oder schwerer Verletzungen einhergehen, und empfiehlt eine umfassende Bewertung der möglichen Folgen. Der EWSA ist sich der Kommissionsbemühungen bewusst, den Forderungen des Sektors Rechnung zu tragen, bekräftigt aber seine Zweifel an neuen Flexibilitätsbestimmungen ohne vorheriger gründlicher Bewertung.

3.11.

Der EWSA ist zudem sehr enttäuscht, dass der Mangel an sicheren Parkplätzen nicht angesprochen wird und Fragen wie Frachtdiebstahl und bessere Bedingungen für die Fahrer auf den Parkplätzen nicht behandelt werden. Die Mitgliedstaaten sollten konkrete Maßnahmen ergreifen, um den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 nachzukommen und somit die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, wirksam Frachtdiebstahl und den Zugang zu Gefahrgütern zu verhindern und für angemessene Einrichtungen zu sorgen, damit die Fahrer ihre Fahrzeuge EU-weit in einem Netz sicherer Parkplätze abstellen können. Gemäß Artikel 39 Absatz 2 Buchstabe c dieser Verordnung sollten sie auch geeignete Maßnahmen ergreifen, um etwa alle 100 km auf Autobahnen des TEN-V-Kernnetzes Rastplätze zu errichten, damit für gewerbliche Straßennutzer angemessene Parkplätze mit einem angemessenen Sicherheitsniveau zur Verfügung stehen. Der EWSA fordert die Kommission auf, eine gründliche Überprüfung des bestehenden Parkplatznetzes in den Mitgliedstaaten, insbesondere an Straßen und Verkehrskorridoren in geografischen Randgebieten, vorzunehmen und ein Konzept zur Ausmerzung weißer Flecken in diesem Bereich zu erarbeiten, was für eine wirksame Umsetzung des Mobilitätpakets von entscheidender Bedeutung sein wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es nötig sein wird, neue TEN-V-Förderregeln und einen neuen Ansatz für die damit verbundene Straßeninfrastruktur zu erarbeiten. Die gegenwärtig begrenzte Verfügbarkeit von sicheren Parkplätzen mit geeigneten Anlagen für die Fahrer, einschließlich einer Unterkunft, könnte dazu führen, dass eine Verpflichtung zur Ruhezeit außerhalb der Fahrerkabine wirkungslos bleiben würde.

3.12.

Neben den Bedenken, dass Parkplätze oftmals der Nachfrage nicht entsprechen, weist der EWSA auf ihren Hauptzweck hin, nämlich Kraftfahrern, Autofahrern und Fahrgästen Gelegenheit für eine Pause und Erfrischung zu bieten. Parkplätze sind weder dafür gedacht noch ausgestattet, dass Kraftfahrer ihre wöchentlichen Ruhezeiten regelmäßig bzw. sogar dauerhaft in ihren Lkw verbringen.

3.13.

Der EWSA nimmt daher die Kommissionsanalyse des aktuellen Stands im Verkehrssektor zur Kenntnis, betont jedoch, dass die Vorschläge für die Sozialvorschriften nicht ausreichen, um die Ziele der Europäischen Kommission zu erreichen und die Probleme im Straßenverkehr wirksam anzugehen.

4.   Lenk- und Ruhezeiten

4.1.

Die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 wurde vor elf Jahren mit folgenden drei Zielen angenommen: a) Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs im Straßenverkehr; b) Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Straßenverkehr; c) Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit.

4.2.

In den letzten zehn Jahren haben sich die Bedingungen im Straßenverkehr jedoch erheblich geändert, insbesondere durch engere Liefertermine und den damit einhergehenden Termindruck für ihre Einhaltung auf zunehmend überlasteten europäischen Straßen.

4.3.

In der von der Europäischen Kommission durchgeführten Ex-post-Bewertung der Lenkzeiten-Verordnung werden diese neuen Bedingungen mit höheren beruflichen Gesundheitsrisiken im Straßenverkehr wie Ermüdung, Stress und Erkrankungen in Verbindung gebracht („Ex-post evaluation of social legislation in road transport and its enforcement“). Die Gewährleistung der Straßenverkehrssicherheit sowie der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz unter diesen neuen Bedingungen erweist sich als weitaus schwierigere Aufgabe für die Politik und die Entscheidungsträger, muss nach Meinung des EWSA jedoch bei der Erörterung der Einführung flexiblerer Regeln Priorität haben.

4.4.

Ermüdungsbedingte Erschöpfung der Fahrer (u. a. aufgrund unzureichender Pausen) ist eine der Hauptursachen für Unfälle im Schwerlastverkehr. Auch nur ein Augenblick der Unkonzentriertheit kann zur Katastrophe führen. Fernfahrer leiden aufgrund langer Fahrzeiten ohne ausreichende Pausen auch unter gesundheitlichen Problemen, u. a. Erkrankungen des Kreislaufsystems (Herzinfarkt, Schlaganfall usw.), Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (Wirbelsäulenprobleme), psychomentale Beschwerden (Stress, Angstzustände, Depression usw.) und Erkrankungen des Verdauungssystems. Voraussetzung für eine Verringerung der Erkrankungsrisiken sind eine strenge Durchsetzung der Lenk- und Arbeitszeitbeschränkungen und angemessene Ruhezeiten („OSH in figures: Occupational safety and health in the transport sector — an overview“).

4.5.

In ihrem Mobilitätspaket schlägt die Europäische Kommission nun eine Umverteilung der Ruhezeiten über einen verlängerten Bezugszeitraum von vier (statt zwei) Wochen vor. Gemäß diesem Szenario können die monatlichen Lenkzeiten in den ersten drei Wochen des Monats akkumuliert und die letzte Woche als Ruhezeit genommen werden, was bis zu 18 aufeinanderfolgende Lenktage mit lediglich zwei zwischenzeitlichen Ruhetagen bedeuten könnte.

4.6.

Die vorgeschlagene Verlängerung des Bezugszeitraums bedeutet, dass Fahrer aufgefordert werden könnten, ihre reguläre wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden um zwei weitere Wochen zu verschieben. Zwar muss diese aufgeschobene wöchentliche Ruhezeit in Form einer kumulierten Ausgleichsruhezeit genommen werden, doch kann dies dazu führen, dass Fahrer bis zu drei Wochen lang nur eine wöchentliche Ruhezeit von jeweils 24 Stunden haben, die sie nicht wirklich abseits ihres Fahrzeugs verbringen können, für das sie verantwortlich sind. Nach Ansicht des EWSA sollte dieser Vorschlag angesichts der eingeschränkten Möglichkeit für die Fahrer, das Fahrzeug zu verlassen, und der potenziellen Ermüdungserscheinungen geprüft werden.

4.7.

Der EWSA weist außerdem darauf hin, dass die vorgeschlagene flexible Gestaltung der Ruhezeiten in der Praxis durchaus zu Unvereinbarkeiten mit den geltenden Vorschriften über zulässige Lenk- und Arbeitszeiten führen könnte. Er betont in diesem Zusammenhang, dass kein Vorschlag zu einer Verlängerung der Lenkzeiten oder zu einer Verringerung der Begrenzung der Arbeitszeiten führen darf, deren vorrangiges Ziel die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ist.

4.8.

Der EWSA sieht das Bestreben der Europäischen Kommission, Maßnahmen vorzuschlagen, die der Realität im Straßenverkehr und den Erfordernissen der Unternehmen und Fahrer angemessen sind, äußert jedoch Bedenken bezüglich möglicher Auswirkungen auf das empfindliche Gleichgewicht zwischen fairem Wettbewerb, Fahrergesundheit und -sicherheit und Straßenverkehrssicherheit.

4.9.

Der EWSA fordert den Gesetzgeber außerdem auf, auch einen Ausgleich für eine verringerte wöchentliche Ruhezeit in Verbindung mit den täglichen Ruhezeiten gemäß der geltenden Verordnung in Erwägung zu ziehen. In Bezug auf Fahrtunterbrechungen schlägt er eine Folgenabschätzung betreffend die Möglichkeit einer flexibleren Verteilung der 45-minütigen Pause innerhalb der Lenkzeit von sechs Stunden nach Ermessen des Fahrers vor. Im Mittelpunkt dieser Folgenabschätzung sollte die Frage stehen, ob der Fahrer die Pause nutzen kann, um sich innerhalb der neun- bzw. zehnstündigen Fahrtzeit auszuruhen und zu erfrischen.

4.10.

Mithin bleibt die Gewährleistung der Sicherheit der Straßenverkehrsteilnehmer und Fahrgäste selbst mit den aktuellen, weitaus strengeren Vorschriften problematisch. Die schweren Verkehrsunfälle in Verbindung mit Lkw und Bussen in den letzten Jahren mit einer erheblichen Zahl an Opfern („Traffic Safety Basic Facts 2016 — HGVs and Buses“, Europäische Beobachtungsstelle für Straßenverkehrssicherheit) müssen als Alarmsignal dafür verstanden werden, dass Europa einfache, durchsetzbare und präzise Vorschriften für die Schaffung eines fairen Umfelds für Nutzer, Fahrer und Unternehmen braucht, in dessen Mittelpunkt die Sicherheit steht. Es ist notwendig, eine bessere Durchsetzung der einschlägigen Vorschriften sicherzustellen, bevor darüber nachgedacht wird, sie flexibler zu gestalten.

4.11.

Unter Durchsetzungsgesichtspunkten scheinen die Kommissionsvorschläge nach Meinung des EWSA teilweise problematisch. Zunächst einmal darf die Verlängerung des Bezugszeitraums für die Verteilung der Ruhezeiten keine negativen Auswirkungen auf eine einheitliche Auslegung der Vorschriften haben, sodass die Mitgliedstaaten gar keinen Spielraum für eigene Szenarien und Berechnungen haben. Bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit wie dem Straßenverkehr beeinflusst eine individuelle Auslegung der Vorschriften den reibungslosen Ablauf der Fahrt oder des Dienstes und sogar die Tätigkeit selbst.

4.12.

Diesbezüglich weist der EWSA darauf hin, dass die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten mehrere Jahre gebraucht hatten, um sich letztlich auf einen gemeinsamen Leitfaden für die Auslegung der Lenk- und Ruhezeiten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zu einigen (siehe die TRACE-Veröffentlichung „Transport Regulators Align Control Enforcement“, 2012). Nach Ansicht des EWSA muss ein Netz eingerichtet werden, um die Umsetzungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten zu unterstützen und die Gefahr abweichender Auslegungen zu verringern.

4.13.

Außerdem ist der EWSA der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Änderungen der Lenk- und Ruhezeitverordnung deren Durchsetzung nicht erschweren dürfen. Er ist des Weiteren der Ansicht, dass die vorgeschlagenen Änderungen den Mitgliedstaaten neue Kosten verursachen werden, beispielsweise für neue Software für Straßen- und Unternehmenskontrollen, die Aus- und Weiterbildung von Kontrollvollzugsbeamten usw. Der EWSA betont, dass angemessene Ressourcen für eine wirksame Überwachung der Einhaltung der Rechtsvorschriften bereitgestellt werden müssen.

4.14.

Betreffend die Durchsetzung betont der EWSA abschließend, dass der Gesetzgeber mehr Anstrengungen zur Einführung intelligenter und diskriminierungsfreier Durchsetzungsmethoden unternehmen muss. Diesbezüglich erachtet er die Vorschläge der Europäischen Kommission zur besseren Nutzung von Risikoeinstufungssystemen als positiv. Der EWSA betont jedoch, dass die Kontrollvollzugsbeamten Echtzeit-Zugang zu den Daten benötigen und Möglichkeiten für einen besseren Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten geschaffen werden müssen. Die Mitgliedstaaten müssen diesbezüglich die einzelstaatlichen elektronischen Register und das europäische Register der Kraftverkehrsunternehmen (ERRU) im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 über die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers besser nutzen.

4.15.

Der EWSA begrüßt die Absicht der Europäischen Kommission, die Frage der wöchentlichen Ruhezeiten der Fahrer anzugehen. Allerdings räumt der Vorschlag nicht alle Unsicherheiten aus.

4.16.

In konkreten Fällen werden die „Autobahn-Nomaden“, d. h. Fahrer, die über lange Zeiträume von ihrem Wohnort abwesend und somit direkt von dem neuen Vorschlag betroffen sind, von Verkehrsunternehmen mit Sitz in Hochlohn-Mitgliedstaaten eingestellt, die aber von den niedrigeren Arbeitskosten oder Steuern in anderen Mitgliedstaaten profitieren wollen. Es ist von großer Bedeutung, dass die praktischen Fragen im Zusammenhang mit längerer Abwesenheit von zu Hause, wie z. B. der Unterkunftsbedarf oder die Rückreisekosten, angemessen angegangen und gelöst werden, da dies nicht zulasten des Fahrers gehen darf.

4.17.

Angesichts der hohen Mobilität der Fahrer bestärkt der EWSA die Europäische Kommission in ihrer Absicht, ihre Rückreise nach Hause zu erleichtern, und weist darauf hin, dass die vorgeschlagenen Änderungen der Bestimmungen über die Lenk- und Ruhezeiten die Möglichkeit der Fahrer, am Wochenende Zeit mit ihrer Familie zu verbringen und ein gutes Sozialleben zu führen, nicht einschränken sollten. Das mögliche Szenario von drei Wochen intensiver Arbeit mit nur zwei zwischenzeitlichen Ruhetagen könnte es den Fahrern jedoch schwermachen, Berufs- und Privatleben miteinander in Einklang zu bringen.

4.18.

Der EWSA weiß, dass die Fahrerkabinen allgemein verbessert und modernisiert wurden, weist aber auch auf weiterhin bestehende Einschränkungen im Platz und in der Ausstattung der Fahrerkabinen hin. Er begrüßt daher die wichtige Klarstellung der Kommission, die durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20. Dezember 2017 bestätigt wurde und besagt, dass die Kraftfahrer eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 45 Stunden außerhalb des Fahrzeugs in einer vom Arbeitgeber bezahlten Unterkunft, zu Hause oder in einem Ort der Wahl der Kraftfahrers verbringen müssen. Der EWSA weist indes darauf hin, dass es möglicherweise schwierig ist, die Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in einer privaten Unterkunft oder zu Hause zu dokumentieren. Um jedoch dem Erfordernis zu genügen, dass die Fahrer während ihrer wöchentlichen Ruhezeit „frei über [ihre] Zeit verfügen“ können, ist es unerlässlich, dass sie ihr Fahrzeug verlassen können und eine ununterbrochene Zeitspanne lang nicht für die Sicherheit ihres Fahrzeugs verantwortlich sind. Der EWSA weist gleichzeitig darauf hin, dass hierfür auch sichere Parkplätze und weitere Einrichtungen verfügbar sein müssen, die die korrekte Anwendung der vorgeschlagenen Maßnahmen gewährleisten.

5.   Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehr

5.1.

Im Straßenverkehr bestehen aufgrund der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten enorme Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Entlohnung der Fahrer. In einer Studie des Comité National Routier (CNR), der französischen Beobachtungsstelle für den Straßengüterverkehr, auf die auch in der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission verwiesen wird, wird aufgezeigt, dass sich der Bruttolohn zwischen den Mitgliedstaaten um bis zum Elffachen unterscheiden kann.

5.2.

Der EWSA stimmt der Europäischen Kommission zu, dass angesichts dieser Lohnunterschiede Vorschriften in Kraft bleiben müssen, die im Einklang mit den Werten und Grundsätzen der EU stehen, die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankert sind, um:

Verwerfungen auf den nationalen Arbeits- und Verkehrsmärkten zu vermeiden;

jedwede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit zwischen den Arbeitnehmern in den Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und andere Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Rahmen der Freizügigkeit zu unterbinden;

ein faires Wettbewerbsumfeld für Unternehmen sicherzustellen, ungeachtet des Ortes in der EU, an dem sie niedergelassen sind, tätig sind und ihre Arbeitnehmer einstellen.

5.3.

Die Entsenderichtlinie (Richtlinie 96/71/EG) ist Teil der oben genannten Vorschriften. In seiner einschlägigen Stellungnahme vom Dezember 2016 (SOC/541 (2)) unterbreitete der EWSA einige Anliegen und Vorschläge.

5.4.

Gemäß den geltenden Vorschriften findet die Entsenderichtlinie auf Fahrer Anwendung, wenn sie vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem eigenen arbeiten und Kabotagebeförderungen durchführen. Wenn sie im internationalen Verkehr tätig sind, gelten sie nur dann als entsendet, wenn die Entsendebedingungen gemäß Artikel 1 der Richtlinie 96/71/EG zutreffen.

5.5.

Im Rahmen des Mobilitätspakets schlägt die Europäische Kommission vor, die Bestimmungen für den Mindestlohn und den bezahlten Urlaub im Rahmen einer Entsendung erst ab einer bestimmten zeitlichen Grenze auf im internationalen Verkehr tätige Fahrer anzuwenden. Nach Auffassung des EWSA sollte dieser Vorschlag mit der — von Kommissionspräsident Juncker vorgegebenen und von den Mitgliedstaaten in der „Erklärung von Rom“ bekräftigten — politischen Agenda der EU zur Bekämpfung von Sozialdumping im Einklang stehen und dem Ziel entsprechen, das sich die Europäische Kommission selbst in ihrem Mobilitätspaket gesetzt hat, nämlich der Gewährleistung eines fairen und wettbewerbsfähigen Binnenmarkts für den Straßentransport. Der Vorschlag muss die Vorschriften einfacher, klarer und besser durchsetzbar machen, um der Gefahr einer Fragmentierung der EU-Rechtvorschriften entgegenzuwirken.

5.6.

Der EWSA weist darauf hin, dass nicht klar ist, wie der Vorschlag auf Verkehrsunternehmen mit Sitz in einem (Nicht-EU-)Drittland Anwendung finden soll und wie die Verpflichtungen durchgesetzt werden sollen. Er bittet die Europäische Kommission um Klarstellung.

5.7.

Der EWSA ist sich der Bedenken in Bezug auf die Durchsetzung der Entsendebestimmungen im internationalen Verkehr bewusst, insbesondere für KMU. Es handelt sich hierbei um komplexe Verwaltungsvorgänge, bei denen die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf Mindestlöhne berücksichtigt werden müssen und komplizierte Berechnungen der Löhne und des bezahlten Urlaubs für sehr kurze Zeiträume erforderlich sind, was erhebliche Schwierigkeiten und Kosten nach ziehen könnte. Der EWSA betont daher, dass mehr Transparenz über die in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Beschäftigungsbedingungen, einschließlich der Mindestlohnsätze, erforderlich ist.

5.8.

Der EWSA weiß um die spezifischen Wesensmerkmale des Straßenverkehrs und seine hochmobilen Arbeitnehmer. Seiner Meinung nach geht die Europäische Kommission in ihrem sektorspezifischen Vorschlag zur Entsendung von Arbeitnehmern im internationalen Straßenverkehr in seiner derzeitigen Fassung auf die in diesem Kapitel angesprochenen Probleme nicht ganz angemessen ein.

5.9.

Der EWSA unterstützt nachdrücklich, dass die Entsenderichtlinie bei Kabotagebeförderungen weiterhin ab dem ersten Tag angewendet werden sollte. Hingegen hegt er Bedenken gegen die Anwendung der neuen abgeschwächten Verwaltungsregelungen für Kabotage. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, angesichts der fehlenden Rechtssicherheit zu präzisieren, dass reine Transitfahrten von den Entsendevorschriften ausgenommen sind.

5.10.

Der EWSA nimmt die Kritik der Wirtschaft zur Kenntnis, dass die Entsendevorschriften dem mobilen Charakter des Straßenverkehrs nicht gerecht werden, wie auch die Bedenken der Unternehmen, dass der Kommissionsvorschlag einen erheblichen Verwaltungsaufwand bedeuten wird. Er begrüßt daher die Anpassung der Durchsetzungsmodalitäten an die Besonderheiten des Sektors wie etwa die Aufhebung der Verpflichtung für Straßenverkehrsunternehmen, einen Ansprechpartner im Aufnahmemitgliedstaat für die dortigen Behörden zu benennen. Der EWSA ist der Ansicht, dass der Verwaltungsaufwand durch die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für Mitteilungen in der EU verringert werden könnte. Er schlägt zudem vor, dass die Fahrer nicht verpflichtet sein sollten, bei Straßenkontrollen die Entgeltsabrechnungen der letzten beiden Monate mitzuführen, sofern sie elektronisch zur Verfügung gestellt werden können. Die Kontrollbehörden sollten diese direkt von der Kontaktperson erhalten; sie sollten elektronisch in dem Niederlassungsmitgliedstaat verfügbar gemacht werden.

5.11.

Der EWSA ist sich indes darüber im Klaren, dass die vorübergehende Entsendung eines Fahrers aus einem Mitgliedstaat mit einem niedrigen Lohnniveau in einen Mitgliedstaat mit einem höheren Lohnniveau in Bezug auf die Entlohnung zumindest unter Wahrung des im Recht oder in den Gepflogenheiten des Aufnahmelandes verankerten Mindestlohnniveaus erfolgen muss.

5.12.

Die EU-weite Anwendung der Entsendevorschriften im Straßenverkehr ist eine entscheidende Voraussetzung für die Sicherstellung jeweils gleicher Ausgangsbedingungen für Arbeitnehmer und Unternehmen. Dadurch könnte auch dem verbreiteten Missbrauch und der Ausbeutung von niedrig entlohnten Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten ein Riegel vorgeschoben werden, die im internationalen Straßenverkehr mittlerweile überhandnehmen und ein wesentlicher Auslöser der Abwärtsspirale bei den Löhnen und Arbeitsbedingungen der Berufskraftfahrer sind.

5.13.

In diesem Sinne erachtet es der EWSA als unerlässlich, weiter auf eine wirtschaftliche und soziale Aufwärtskonvergenz zwischen den Mitgliedstaaten mit unterschiedlicher Wirtschaftsleistung hinzuarbeiten und gleichzeitig harmonisierte Entsendevorschriften festzulegen, die in der gesamten EU einheitlich angewendet werden. Er plädiert außerdem für einfache, wirksame und diskriminierungsfreie Durchsetzungsmaßnahmen für diese Vorschriften. Bürokratie muss auf alle Fälle vermieden werden. Der EWSA begrüßt die in dem Vorschlag vorgesehene vereinfachte Entsendemeldung. Er ist jedoch der Meinung, dass eine Entsendemeldung, die für einen Zeitraum von sechs Monaten und für mehrere Fahrer gilt, eine wirksame Durchsetzung und Kontrolle der Entsendevorschriften erschweren könnte.

5.14.

Vor allem im Zusammenhang mit der Entsendung von Fahrern ist ein intelligenter Fahrtenschreiber unbestreitbar ein weitaus sinnvolleres Instrument als die von der Kommission vorgeschlagenen manuellen Eingaben, die vor allem bei den Ländercodes Manipulationen ermöglichen.

5.15.

Schließlich fordert der EWSA die Europäische Kommission auf, zur Gewährleistung einer besseren grenzübergreifenden Durchsetzung der EU-Rechtsvorschriften im Straßenverkehr eine europäische Straßenverkehrsagentur einzurichten, die im Straßenverkehr vor allem eine Kultur der Rechtstreue fördert und die Politikgestaltung auf EU- und nationaler Ebene unterstützt. Er hebt hervor, dass der Straßenverkehr als einziger Sektor nicht über eine solche Agentur verfügt, obwohl er umfassend liberalisiert und demzufolge stark auf eine enge Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten angewiesen ist. Eine solche Agentur wäre von Vorteil für eine bessere Kontrolle der Einhaltung der Entsende-, Lenk- und Ruhezeitvorschriften wie auch für Kabotage und Zugang zum Beruf. Und nur mithilfe solch einer Agentur kann letztlich eine harmonisierte Auslegung der Vorschriften erreicht werden. Der EWSA empfiehlt gleichzeitig auch, dass die Mitgliedstaaten sich aktiv an bestehenden Kontrolldiensten im europäischen Verkehr beteiligen und in die Schulung der Mitarbeiter der nationalen Kontrollbehörden investieren.

Brüssel, den 18. Januar 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 176.

(2)  ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 81.


Anlage

zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgende abgelehnte Änderungsanträge erhielten mindestens ein Viertel der Stimmen:

Ziffer 4.18

 

Der EWSA weiß, dass die Fahrerkabinen allgemein verbessert und modernisiert wurden, weist aber auch auf weiterhin bestehende Einschränkungen im Platz und in der Ausstattung der Fahrerkabinen hin. Er begrüßt daher die von der Europäischen Kommission vorgenommene Klarstellung, dass die Kraftfahrer eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 45 Stunden außerhalb des Fahrzeugs in einer vom Arbeitgeber bezahlten Unterkunft, zu Hause oder in einem Ort der Wahl der Kraftfahrers verbringen müssen. Der EWSA weist indes darauf hin, dass es möglicherweise schwierig ist, die Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in einer privaten Unterkunft oder zu Hause zu dokumentieren. Um jedoch dem Erfordernis zu genügen, dass die Fahrer während ihrer wöchentlichen Ruhezeit „frei über [ihre] Zeit verfügen“ können, ist es unerlässlich, dass sie ihr Fahrzeug verlassen können und eine ununterbrochene Zeitspanne lang nicht für die Sicherheit ihres Fahrzeugs verantwortlich sind. Der EWSA weist gleichzeitig darauf hin, dass hierfür auch sichere Parkplätze und weitere Einrichtungen verfügbar sein müssen, die die korrekte Anwendung der vorgeschlagenen Maßnahmen gewährleisten. Der Mangel an sicheren Parkplätzen und anderen Einrichtungen wird in der Praxis dazu führen, dass eine gesetzliche Verpflichtung, die wöchentliche Ruhezeit außerhalb der Fahrerkabine zu verbringen, die Fahrer und die Verkehrsunternehmen vor das unlösbare Dilemma stellen wird, entweder Ladung und Fahrzeug zu riskieren oder die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten. Die vollziehenden Behörden müssen diesem Dilemma gebührend Rechnung tragen.

Ja-Stimmen:

105

Nein-Stimmen:

152

Enthaltungen:

22

Ziffer 5.13

 

Der Europäischen Kommission zufolge ist die EU-weite Anwendung der Entsendevorschriften im Straßenverkehr ist eine entscheidende Voraussetzung für die Sicherstellung jeweils gleicher Ausgangsbedingungen für Arbeitnehmer und Unternehmen. Dadurch könnte auch dem verbreiteten Missbrauch und der Ausbeutung von niedrig entlohnten Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten ein Riegel vorgeschoben werden, die im internationalen Straßenverkehr mittlerweile überhandnehmen und ein wesentlicher Auslöser der Abwärtsspirale bei den Löhnen und Arbeitsbedingungen der Berufskraftfahrer sind. Sie erachtet ihren Vorschlag ferner als unerlässlich für den Aufbau eines fairen, sicheren, umweltfreundlichen und sozial tragfähigen Straßenverkehrssektors. Der EWSA befürwortet diese Ziele, betont jedoch auch die Notwendigkeit, die Entsendevorschriften, wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, an die Gegebenheiten im Verkehrssektor anzupassen, damit sie greifen können. In Anbetracht des damit verbundenen hohen Verwaltungsaufwands und der Probleme bei der Kontrolle und Durchsetzung ist deshalb nach Meinung des EWSA der zusätzliche Nutzen der Anwendung von Entsendevorschriften auf den internationalen Straßenverkehr zu hinterfragen.

Ja-Stimmen:

105

Nein-Stimmen:

157

Enthaltungen:

11

Ziffer 5.14

 

In diesem Sinne erachtet es der EWSA als unerlässlich, weiter auf eine wirtschaftliche und soziale Aufwärtskonvergenz zwischen den Mitgliedstaaten mit unterschiedlicher Wirtschaftsleistung hinzuarbeiten und gleichzeitig harmonisierte Entsendevorschriften festzulegen, die in der gesamten EU einheitlich angewendet werden. Er plädiert außerdem für einfache, wirksame und diskriminierungsfreie Durchsetzungsmaßnahmen für diese Vorschriften. Bürokratie muss auf alle Fälle vermieden werden. Der EWSA begrüßt die in dem Vorschlag vorgesehene vereinfachte Entsendemeldung. Er ist jedoch der Meinung, dass eine Entsendemeldung, die für einen Zeitraum von sechs Monaten und für mehrere Fahrer gilt, eine wirksame Durchsetzung und Kontrolle der Entsendevorschriften erschweren könnte.

Ja-Stimmen:

102

Nein-Stimmen:

160

Enthaltungen:

12


8.6.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 197/58


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen:

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Luftfahrt: Ein offenes und gut angebundenes Europa“

(COM(2017) 286 final)

und „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Sicherstellung des Wettbewerbs im Luftverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 868/2004“

(COM(2017) 289 final — 2017/0116 (COD))

(2018/C 197/09)

Berichterstatter:

Jacek KRAWCZYK

Befassung

Europäische Kommission, 5.7.2017

Europäisches Parlament, 15.6.2017

Rat, 19.6.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 100 Absatz 2 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

4.1.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

17.1.2018

Plenartagung Nr.

531

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

115/1/4

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) bekräftigt den in seiner Stellungnahme „Luftverkehrspaket I“ (1) geäußerten Standpunkt, dass das übergeordnete Ziel der im Dezember 2015 von der Europäischen Kommission angenommenen Luftfahrtstrategie für Europa (im Folgenden „EU-Luftfahrtstrategie“) „die Verbesserung des Investitionsklimas sein [sollte], um mehr europäische Investitionen in die EU-Luftfahrtindustrie zu mobilisieren, die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors zu erhöhen und seine Rolle für die Wirtschaft zu stärken und so […] das allgemeine Wirtschaftswachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu fördern“.

1.2.

Der EWSA weist auf die entscheidende Bedeutung der Qualität der Umsetzung der EU-Luftverkehrsstrategie für den Erfolg der EU-Zivilluftfahrt hin. Sich rasch ändernde interne und externe Bedingungen, die Entwicklung des Marktes in verschiedene Richtungen, der steigende Druck auf Menschen und Unternehmen, der zunehmende Wettbewerb innerhalb und außerhalb der EU, neue disruptive Technologien und die schnell voranschreitende Digitalisierung — dies sind nur einige wenige der Herausforderungen, die bei der Umsetzung der EU-Luftverkehrsstrategie angegangen werden müssen. Wie der EWSA in seiner Stellungnahme „Luftverkehrspaket I“ (2) vorhergesehen hatte, hat die Strategie die politische Wahrnehmung der Zivilluftfahrt auf der EU-Agenda gefördert; dies muss aufrechterhalten werden. Diesbezüglich begrüßt der EWSA die beharrlichen Anstrengungen der Kommission zur Förderung einer global vereinbarten und angewendeten Regelung für die Dekarbonisierung des Luftverkehrs. Gleichermaßen muss auch die Notwendigkeit für einen wirksamen sektorspezifischen sozialen Dialog auf europäischer und nationaler Ebene mehr denn je betont werden. Er verweist erneut auf seine Stellungnahme „Sozialdumping in der europäischen Zivilluftfahrt“ (3) und fordert die Europäische Kommission auf, effiziente Maßnahmen zur Bekämpfung von Sozialdumping zu ergreifen.

1.3.

Der EWSA unterstützt den dualen Ansatz der Kommission zur Gewährleistung eines gerechten internationalen Wettbewerbs. So will sie zum einen ein unilaterales Instrument zum Schutz der Interessen der EU-Luftfahrt (Vorschlag für eine Verordnung zur Sicherstellung des Wettbewerbs im Luftverkehr und zur Aufhebung von Verordnung (EG) Nr. 868/2004 — im Folgenden „Kommissionvorschlag zur Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 868/2004“) stärken und strebt zum anderen Mandate an, um mit Drittländern neue Marktzugangsabkommen und in Verbindung damit einen Konsens über die Einhaltung fairer Wettbewerbsbedingungen auszuhandeln. Der EWSA ist nach wie vor überzeugt, dass gleiche Ausgangsbedingungen nur dann auf Dauer gewährleistet werden können, wenn auch die Drittländer wesentliche Grundsätze des in ILO-Normen verankerten Arbeitsschutzes oder Verbraucherschutzrechte und/oder Umweltnormen einhalten. In dem Kommissionvorschlag zur Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 868/2004 werden einige der Schwachstellen der geltenden Verordnung (EG) Nr. 868/2004 angegangen; ein reibungslos funktionierender sozialer Dialog sollte indes auch integraler Bestandteil einer gemeinsam vereinbarten Klausel für den „fairen Wettbewerb“ in den internationalen Luftverkehrsabkommen der EU werden. Der EWSA unterstützt ausdrücklich die Bemühungen der Kommission um weitere Mandate zur Aufnahme von Verhandlungen über neue umfassende Luftverkehrsabkommen und fordert den zügigen und effizienten Abschluss der laufenden Verhandlungen.

1.4.

Die Leitlinien zur Auslegung der geltenden Eigentums- und Kontrollvorschriften geben besser Aufschluss über die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008, um die Mitgliedstaaten und weiteren Interessenträger bei der laufenden Umsetzung zu unterstützen. Nach Ansicht des EWSA wird in diesen Leitlinien den Veränderungen auf dem Markt und den disruptiven und strukturellen Herausforderungen, denen die europäische Luftfahrt kurz- und mittelfristig gegenüberstehen wird, nicht ausreichend Rechnung getragen. Für eine solide Umsetzung der EU-Luftverkehrsstrategie sollte nach Auffassung des EWSA eine Folgenabschätzung auf der Grundlage einer Reihe von Szenarien vorgenommen werden, um den Weg für eine sachkundige Auseinandersetzung mit der Eigentums- und Kontrollfrage zu ebnen.

1.5.

Der EWSA befürwortet die vorgeschlagenen Leitlinien zur Auslegung der in der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 enthaltenen Vorschriften für die Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, hält indes fest, dass die langfristige Marktentwicklung — mit einem zunehmenden Anbindungsbedarf von Mitgliedstaaten an den Außengrenzen der EU oder mit kleinen Inlandsmärkten — eine tiefergehende wirtschaftliche und gesellschaftliche Analyse der Frage erfordert, wie nachhaltige Verbindungen zwischen ihren wichtigsten Flughäfen und den wesentlichen Reisezielen in der EU besser bereitgestellt werden können, um den Anforderungen der Fluggäste besser Rechnung zu tragen. Es werden weitere politische Diskussionen zu diesem Punkt notwendig sein, in denen auch der vom Netzmanager erstellte Anbindungsindex zu berücksichtigen ist, der nun auf der Kommissionswebsite veröffentlicht wurde.

1.6.

Nach Ansicht des EWSA muss die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 umfassend überarbeitet werden. Angesichts ihrer grundlegenden Bedeutung für die Branche muss bei dieser Überarbeitung das Feedback aller Interessenträger, auch der Vertreter der Zivilgesellschaft, eingeholt und dafür gesorgt werden, dass die langfristige, in der Luftverkehrsstrategie skizzierte Vision der EU-Luftfahrt Wirklichkeit wird. Vorausgesetzt, dass die Kommission eine umfassende Analyse durchführt und ihre Erkenntnisse durch die öffentliche Konsultation bestätigt werden, wäre es im besten Interesse der EU, dass die aktuelle Kommission eine Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 vorschlägt.

1.7.

Nach Ansicht des EWSA hat der Netzmanager (4) das Verfahren zur Verringerung von Störungen im Flugverkehrsmanagement (ATM) auf EU-Ebene bereits eingeleitet. Zudem verfügen die Sozialpartner bereits über Instrumente zur Verringerung der Auswirkungen, da sie in gegenseitigem Einvernehmen anwendet werden. Der EWSA bekräftigt, dass das Streikrecht ein grundlegendes Recht der Arbeitnehmer ist und nicht in den Anwendungsbereich der EU-Verträge fällt (5). Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip fällt dieses Recht in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten, die festlegen, wie es ausgeübt wird. Darüber hinaus haben die Sozialpartner ein Maßnahmenpaket entwickelt, das gemeinsam umgesetzt werden könnte, um das Risiko von Arbeitskampfmaßnahmen zu verringern („Toolbox“ (6)). Der EWSA begrüßt diese Initiative als geeignete und wirksame Vorgehensweise, um Störungen im Luftverkehr so weit wie möglich zu vermeiden, deren Nutznießer letztlich die Fluggäste und Bürger Europas sein werden.

1.8.

Zur wirksamen Umsetzung der EU-Luftverkehrsstrategie müssen die Standpunkte der organisierten Zivilgesellschaft über die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen dieser Initiativen in die politische Debatte eingebracht werden. Der EWSA ist, wie bereits bei mehreren Gelegenheiten betont, zur aktiven Mitwirkung an diesem Prozess bereit. Außerdem sind rasche Fortschritte in den weiteren Legislativarbeiten an dem Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 868/2004 im Europäischen Parlament und im Rat von entscheidender Bedeutung, um die Verzerrungen im internationalen Wettbewerb wirksam anzugehen.

1.9.

Der EWSA bekräftigt seine in der Stellungnahme „Luftverkehrspaket I“ (7) vorgebrachten Standpunkte und empfiehlt, dass „die Einbeziehung der Interessenträger in die Umsetzung der Strategie von einer Bereitstellung strukturierter und konkreter Informationen über die Art und Weise, wie die Strategie umgesetzt werden soll, begleitet wird“. Es ist nach wie vor ein Fahrplan notwendig, „in dem die Europäische Kommission darlegt, wie sie die Interessenträger erreichen will, um ihre unerlässliche Mitwirkung sicherzustellen. Die Mobilisierung aller Interessenträger in der Luftfahrt, die gemeinsam an der Umsetzung der Strategie arbeiten müssen, ist nicht einfach, aber unverzichtbar.“

2.   Einleitung

2.1.

Die am 8. Juni 2017 veröffentlichte Mitteilung der Kommission „Luftfahrt: Ein offenes und gut angebundenes Europa“ (COM(2017) 286 final) (im Folgenden „die Mitteilung“) schließt an die im Dezember 2015 von der Kommission vorgelegte Luftverkehrsstrategie für Europa (8) an, die die Agenda für eine zielgerichtete Diskussion unter den Interessenträgern der Zivilluftfahrt über die maßgebenden Bausteine einer umfassenden Luftverkehrspolitik und ihre bestmögliche Umsetzung setzt.

2.1.1.

Ziel der EU-Luftverkehrsstrategie ist es, „der europäischen Wirtschaft Impulse zu geben, die Industriebasis zu stärken und die globale Führung in der Luftfahrt auszubauen, dabei gleichzeitig Umwelt- und Klimaschutzprobleme anzugehen, um so unmittelbar einen Beitrag zu den strategischen Schwerpunkten der Kommission zu leisten“ (9). Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, rechtlichen, ökologischen, politischen und sozialen Aspekte der Luftfahrt wählte die Kommission einen ganzheitlichen Ansatz für die Luftfahrt und schlug Ziele vor, um die Herausforderungen auf dem Binnenmarkt wie auch auf internationalen Luftverkehrsmärkten zu meistern. Konkrete Ergebnisse der Umsetzung der EU-Luftverkehrsstrategie lassen indes noch auf sich warten.

2.2.

Der EWSA hat sich in den letzten Jahren sehr aktiv an der Politikgestaltung in der Zivilluftfahrt in der EU beteiligt. Er hat zahlreiche öffentliche Anhörungen, Konferenzen sowie bi- und multilaterale Veranstaltungen ausgerichtet, um für eine stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Maßnahmen in Verbindung mit der Zivilluftfahrt in der EU zu sorgen. Er hat daher ein starkes Netz von Interessenträgern der Zivilgesellschaft in der EU aufgebaut, um auf neue Kommissionsvorschläge zu reagieren und die Fähigkeit und Handlungskompetenz der Zivilgesellschaft zur Mitwirkung an dieser sehr wichtigen und hoch sensiblen Thematik zu stärken.

2.2.1.

Die Kommission beschloss am 2. März 2015, den EWSA um eine Stellungnahme zum Thema „Integrierte europäische Luftverkehrspolitik“ zu ersuchen. Viele Empfehlungen der einschlägigen EWSA-Stellungnahme (10) (September 2015) sind in den endgültigen Kommissionsvorschlag eingeflossen. Nach Veröffentlichung der EU-Luftverkehrsstrategie begrüßte der EWSA daher die Kommissionsvorschläge in seiner Stellungnahme „Luftverkehrspaket I“ (11) (Februar 2016) auch ausdrücklich.

2.3.

In der vorliegenden Mitteilung geht die Kommission auf äußerst komplexe Fragestellungen ein, von denen jede einzelne zahlreiche politische, rechtliche und wirtschaftliche Auswirkungen hat. Die Kommission hat diese Fragestellungen neben anderen Aspekten in dem Anhang zu der Luftverkehrsstrategie (12) als integrale Bestandteile des Aktionsplans zur Verwirklichung der wesentlichen strategischen Ziele aufgelistet.

2.4.

Eine der vier in der Mitteilung vorgeschlagenen Maßnahmen ist ein Legislativvorschlag, die restlichen drei Maßnahmen sind unverbindliche Leitlinien. Diese Maßnahmen sind:

ein neuer Vorschlag für eine Verordnung zur Sicherstellung des Wettbewerbs im Luftverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 868/2004;

Auslegungsleitlinien zu den in der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 enthaltenen Eigentums- und Kontrollvorschriften für EU-Luftfahrtunternehmen;

Auslegungsleitlinien zu den in der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 enthaltenen Vorschriften für die Auflegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen;

Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen: Vorgehensweisen zur Verbesserung der Kontinuität der Flugverkehrsmanagementdienste (13).

3.   Legislativvorschlag: eine neue Verordnung zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 868/2004 (Überarbeitungsvorschlag)

3.1.

In von der Kommission gleichzeitig mit der Mitteilung veröffentlichten Dokumenten wird betont, dass weitere Maßnahmen für einen besseren Schutz der EU-Luftfahrtunternehmen gegenüber Praktiken von Konkurrenten aus Drittländern notwendig sind, die als wettbewerbsverzerrend erachtet werden. Wichtige Organisationen aus der EU-Luftfahrt haben die Kommission aufgefordert, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, da ihrer Meinung nach nicht wirksam gegen Luftfahrtunternehmen aus Drittländern vorgegangen wird, in denen es keine angemessenen Bestimmungen für fairen Wettbewerb gibt. Die Sozialpartner haben ähnliche Forderungen in Verbindung mit der mangelnden Einhaltung vergleichbarer Sozial- und Arbeitsnormen erhoben. Mit der Vorlage eines neuen Verordnungsvorschlags hat die Kommission diesen ausdrücklichen Forderungen Rechnung getragen.

3.2.

Die EU muss bei einer Gefährdung ihrer Verkehrsanbindung und des Wettbewerbs in der Lage sein, wirksam tätig zu werden und zu gewährleisten, dass es zu keinerlei Wettbewerbsverzerrungen auf den internationalen Luftverkehrsmärken kommt, die Interessen der EU-Luftfahrt nicht beeinträchtigt werden sowie die Rechte und Interessen der Verbraucher im Einklang mit den EU-Rechtsvorschriften zu den Verbraucher- und den Fluggastrechten gesichert und gestärkt werden. Mit der Verordnung (EG) Nr. 868/2004 sollten diese Probleme durch einseitige Maßnahmen der EU überwunden werden.

3.3.

Die Verordnung (EG) Nr. 868/2004 wies erhebliche Mängel auf (14): Es werden Instrumente, Verfahren und Kriterien aus dem Handelsrecht verwendet, der internationale Luftverkehrsmarkt wird jedoch von Luftverkehrsabkommen geregelt. Aufgrund ihrer unzureichenden Sanktionen hagelte es auch Kritik an der Verordnung (EG) Nr. 868/2004, die als zahnlos erachtet wird.

3.4.

Rat und Kommission teilten das Ziel, die Verordnung (EG) Nr. 868/2004 zu überarbeiten oder zu ersetzen. Auch das Europäische Parlament forderte die Überarbeitung dieser Verordnung.

3.5.

Die Interessenträger wurden zu einem Vorschlag für einen besseren Schutz vor Schädigung durch Subventionierung und unlautere Preisbildungspraktiken konsultiert. Darüber hinaus wurden sie auch im Rahmen der öffentlichen Konsultation zur Ausarbeitung der EU-Luftfahrtstrategie der Kommission konsultiert. Als Ergebnis dieser Konsultationen schlug die Kommission einen integrierten Ansatz vor, mit dem die ermittelten Probleme am besten anzugehen seien. Die drei sich gegenseitig ergänzenden Bausteine (Internationale Verhandlungen, Bestimmungen für einen fairen Wettbewerb in internationalen Abkommen, Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 868/2004) schaffen Synergien, ermöglichen einen wirksamen Schutz der EU-Verkehrsanbindung und fördern einen offenen und fairen Wettbewerb zwischen allen Luftfahrtunternehmen.

3.6.

Von diesem Ansatz wird auch wirtschaftlicher Nutzen erwartet, da er den EU-Luftfahrtunternehmen einen fairen Wettbewerb mit den Luftfahrtunternehmen aus Drittländern ermöglicht; darüber hinaus kommt diese Option durch ein größeres Verkehrsangebot und mehr Auswahlmöglichkeiten auch den EU-Flughäfen und den Flugreisenden zugute.

3.7.

In der Kommissionsvorlage zur Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 868/2004 wird vorgeschlagen, der Kommission die Befugnis zu erteilen, als die federführende EU-Institution entschieden zu handeln, um die Einhaltung internationaler Verpflichtungen durch Drittländer im Rahmen der EU-Rechtsvorschriften und Grundsätze für Transparenz, Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sicherzustellen. Ziele der vorgeschlagenen Änderungen sind die Vereinfachung des Verfahrens und, wenn möglich, die Förderung der Nutzung von Streitbeilegungsverfahren zwischen den betroffenen Parteien. Mit diesem Kommissionsvorschlag würden, sofern er angenommen wird, die Schwachstellen der geltenden Verordnung (EG) Nr. 868/2004 wirksam angegangen.

3.7.1.

Allerdings sind einige Aspekte weiterhin unklar, so insbesondere die Frage, mit welchen Maßnahmen die Kommission die Einhaltung internationaler Verpflichtungen durch Drittländer sicherstellen könnte (15).

3.7.2.

Sorge bereitet den Interessenträgern auch, dass keine Maßnahmen für Fälle vorgesehen sind, in denen Dritte wesentliche Grundsätze des in ILO-Normen verankerten Arbeitsschutzes oder Verbraucherschutzrechte und/oder Umweltnormen nicht einhalten. Angesichts des von der Kommission verfolgten umfassenden Ansatzes muss ein Ausgleich von freiem Marktzugang nach WTO-Vorbild und nachhaltigem internationalen Wettbewerb im Interesse der Arbeitnehmer und Verbraucher gewährleistet werden.

3.7.3.

Der Kommissionsvorschlag für die Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 868/2004 sieht eine zweite Möglichkeit vor, Wettbewerbsverzerrungen abzuhelfen. Die Kommission könnte tätig werden und sich mit unlauteren Marktpraktiken befassen, die einzelne EU-Luftfahrtunternehmen schädigen, wenn Anscheinsbeweise dafür vorgelegt werden, dass derartige unlautere Praktiken bestehen und ursächliche und nachteilige Auswirkungen auf ein oder mehrere EU-Luftverkehrsunternehmen haben. Die Mitgliedstaaten und die Luftfahrtunternehmen können ebenfalls Beschwerde einreichen.

3.7.4.

Damit der Kommissionsvorschlag zur Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 868/2004 als Katalysator für freiwillige Streitbeilegungsverfahren wirken kann, müssen etwaige Sanktionen für Dritte wirklich relevant sein. Daher sind in dem Kommissionsvorschlag Maßnahmen wie die Aussetzung von Zugeständnissen, von geschuldeten Leistungen oder anderen Rechten von Luftfahrtunternehmen aus Drittländern enthalten, sofern damit nicht gegen ein mit dem betreffenden Drittland geschlossenes Luftverkehrsabkommen oder andere internationale Verpflichtungen verstoßen wird (16).

3.8.

Daher kann argumentiert werden, dass mit dem Kommissionsvorschlag in seiner derzeitigen Fassung die wichtigsten Bedenken gegenüber Verordnung (EG) Nr. 868/2004 wirksam ausgeräumt werden; damit der Kommissionsvorschlag zur Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 868/2004 Drittländer oder Luftfahrtunternehmen aus Drittländern wie erwünscht auch tatsächlich von Wettbewerbsverzerrungen in der internationalen Luftfahrt abschreckt, wäre es vielleicht angebracht, die Maßnahmen zu präzisieren, die die Kommission hierfür ergreifen könnte, sowie den umfassenderen Ansatz, der der Begriffsbestimmung von „unlauterer Wettbewerb“ zugrunde gelegt werden sollte, genauer herauszuarbeiten.

3.9.

Der EWSA unterstützt zwar den Kommissionsansatz, betont jedoch, dass einige Details verschärft werden könnten, um die Wirksamkeit der überarbeiteten Verordnung sicherzustellen; so sollte der Untersuchungszeitraum gekürzt werden, und es sollte nicht möglich sein, Untersuchungen ohne ausreichende Begründung einzustellen wie beispielsweise eine Vereinbarung zwischen den Parteien über Abhilfemaßnahmen und die Umsetzung dieser Maßnahmen. Außerdem sollte eine Übergangslösung vorgesehen werden.

3.10.

Zum Schutz der EU-Luftfahrt vor unlauterem Wettbewerb durch Betreiber aus Drittländern muss eine neue Verordnung zur Überarbeitung der geltenden Verordnung über einen besseren Schutz gegen Subventionierung und unlautere Preisbildungspraktiken hinausgehen und der Notwendigkeit Rechnung tragen, dass die Frage der Arbeitsbedingungen, die gegen ILO-Übereinkommen verstoßen, in geeigneter internationaler Form aufzugreifen ist.

4.   Nichtlegislative Vorschläge

4.1.   Leitlinien zur Auslegung der geltenden Eigentums- und Kontrollvorschriften

4.1.1.

In seiner letzten Stellungnahme zur EU-Luftverkehrsstrategie (17) teilte der EWSA die Auffassung, dass das übergeordnete Ziel der Strategie die Förderung des Wirtschaftswachstums insgesamt und der Schaffung von Arbeitsplätzen sein sollte. Für ihr Wachstum benötigen europäische Luftfahrtunternehmen Zugang auch zu ausländischen Investitionen. Gleichzeitig muss auch berücksichtigt werden, dass einige Drittländer Investitionen in einer Weise als strategisches Instrument nutzen, die womöglich nicht dem Geist und dem Wortlaut der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 entspricht.

4.1.2.

Gemäß den geltenden EU-Investitionsvorschriften für ausländische Luftfahrtunternehmen sind derartige Investitionen auf einen Eigentumsanteil von 49 % beschränkt (18). Außerdem muss die tatsächliche Kontrolle über das Unternehmen in der Hand der Mitgliedstaaten oder ihrer Staatsangehörigen verbleiben (19). In den letzten Jahren hat diese Bestimmung zur Überprüfung mehrerer ausländischer Investitionen seitens der Genehmigungsbehörden der Mitgliedstaaten und der Kommission geführt (20).

4.1.3.

Die Leitlinien zur Auslegung der geltenden Eigentums- und Kontrollvorschriften ändern die geltenden Bestimmungen in diesen zwei Punkten nicht; sie erläutern jedoch verschiedene grundlegende Verfahrensaspekte. Außerdem wird darin präzisiert, welche Investitionen annehmbar sind, damit Luftfahrtunternehmen weiterhin mit ihrer EU-Lizenz operieren können.

4.1.4.

Diverse Fälle strategischer Minderheitsbeteiligungen von Luftfahrtunternehmen aus Drittländern haben eine ziemlich kontroverse Debatte über die Frage angefacht, ob diese gegen die in der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 festgelegten Eigentums- und Kontrollvorschriften verstoßen. Sie sind Ausdruck der grundlegenden Veränderungen in der internationalen Luftfahrt (21). Der EWSA begrüßt zwar die vorgeschlagenen Leitlinien zur Auslegung der geltenden Eigentums- und Kontrollvorschriften, ist jedoch der Meinung, dass nicht nur die Frage wichtig ist, wie die geltenden Vorschriften auszulegen sind, sondern auch bewertet werden muss, ob diese jetzt angesichts der aktuellen und prognostizierten Markttrends überarbeitet werden sollten. In diesem Kontext ist die gegenseitige Gewährung von Investitionsmöglichkeiten eine der Hauptstoßrichtungen, die weiterverfolgt werden sollte. Zur Beurteilung der mittel- und langfristigen Auswirkungen der Marktentwicklungen auf die europäische Wettbewerbsfähigkeit sollte eine Folgenabschätzung auf der Grundlage einer Reihe von Szenarien vorgenommen werden. Dies könnte den Weg für eine sachkundige Auseinandersetzung mit der Eigentums- und Kontrollfrage ebnen.

4.2.   Leitlinien zur Auslegung der Vorschriften für die Auflegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen

4.2.1.

Den Interessenträgern in der EU ist bewusst, dass in den Fällen Lösungen herbeigeführt werden müssen, in denen aufgrund besonderer Bedingungen, einer unzureichenden Nachfrage oder von Marktversagen auf bestimmten Strecken nicht genügend Flüge angeboten werden, um den örtlichen Bedarf zu decken. In diesen Fällen kann mit der Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, die sehr präzisen, in der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 geregelten Auflagen unterliegen, dafür gesorgt werden, dass vor allem Rand- und Entwicklungsregionen an das restliche Europa angebunden werden.

4.2.2.

Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen werden von den Mitgliedstaaten im Allgemeinen genutzt, um innerhalb ihres Landes Verbindungen zu schlecht angebundenen Regionen zu gewährleisten. Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen unterliegen einer Beurteilung der Notwendigkeit auf der Grundlage folgender Kriterien: Verhältnismäßigkeit (22), Zugriff auf andere Verkehrsträger, Flugpreise und Bedingungen sowie Angebot aller Luftfahrtunternehmen zusammen, die diese Strecke bedienen oder zu bedienen beabsichtigen (23).

4.2.3.

Die geltenden Vorschriften für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen werden nicht immer einheitlich umgesetzt, was womöglich sowohl die Anbindung als auch den Wettbewerb auf einigen Strecken beeinträchtigt hat. Die Mitgliedstaaten haben Fragen betreffend den Inhalt der Verfahrensbestimmungen dieser Leitlinien aufgeworfen.

4.2.4.

In diesen Leitlinien werden die vorgeschlagenen Beurteilungskriterien der Kommission für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen erläutert. Sie umfassen alle Aspekte von der Festlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen und den damit verbundenen Verfahren bis zu Erläuterungen zu exklusiven Dienstleistungskonzessionen und Ausgleichsleistungen (betreffend Vorschriften für staatliche Beihilfen).

4.2.5.

Diese Leitlinien werden zu einer transparenteren und kohärenteren Umsetzung und Durchsetzung der geltenden der geltenden Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 beitragen. Der EWSA fordert die Kommission jedoch auf, seine Stellungnahme zum Thema „Anwendung des Beschlusses über Ausgleichszahlungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (2012/21/EU)“ (24) sorgfältig zu berücksichtigen, in der weniger aufwändige Anforderungen für nationale oder lokale Behörden betreffend die Einhaltung und Berichterstattung in Bezug auf die Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen gefordert werden, insbesondere dort, wo die Notwendigkeit eines öffentliches Eingreifens zur Unterstützung von Luftverkehrsdiensten, die für die Bürger notwendig, aber wirtschaftlich nicht tragbar sind, offenkundig ist (beispielsweise für die Anbindung abgelegener Gebiete, Inseln usw.). Gleichzeitig sollte die Einhaltung von Sozialnormen ein Kriterium für die Bereitstellung öffentlicher Unterstützung werden.

4.2.6.

Mitgliedstaaten an den Außengrenzen der EU oder mit kleinen Inlandsmärkten haben zunehmend Probleme bei der Sicherung ihrer innerstaatlichen Verbindungen wie auch der Verbindungen zwischen ihrem wichtigsten Flughafen und grundlegenden Reisezielen in der EU und darüber hinaus. Daher geht es nicht nur um Rechtsklarheit, sondern auch um die wirtschaftliche und politische Frage, wie eine angemessene Anbindung abgelegener Ziele in der EU gewährleistet und somit den Anforderungen der Fluggäste besser Rechnung getragen werden kann. Die betroffenen Mitgliedstaaten sind an nachhaltigen und zuverlässigen Luftverkehrsdiensten interessiert, um eine langfristige Planungsstabilität ungeachtet etwaiger Opportunitätskosten für die Luftfahrtunternehmen zu sichern.

4.2.7.

Der Anbindungsindex sollte Aufschluss darüber geben, ob derartig übergreifende Ansätze für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, die möglicherweise ein stärkeres Wirtschaftswachstum gewährleisten, gerechtfertigt wären. Langfristig könnte darüber diskutiert werden, ob die Bestimmungen der Leitlinien zu den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen in einem sich schnell verändernden Luftverkehrsmarkt weiterhin relevant und wirksam sein können.

4.3.   Kontinuität der Flugverkehrsmanagementdienste

4.3.1.

Flugsicherungsdienste spielen bei der Sicherstellung zuverlässiger Luftverkehrsverbindungen eine entscheidende Rolle, da sie die sichere Abwicklung des Flugverkehrs garantieren. In den verkehrsreichsten Zeiten des Jahres muss das europäische Flugverkehrsmanagement (ATM) mehr als 30 000 Flüge pro Tag abwickeln. Die Arbeitnehmer sind von grundlegender Bedeutung für die Erbringung derartiger ATM-Dienste. In Europa insgesamt sind in dieser Branche insgesamt 56 300 Personen beschäftigt: 17 370 Fluglotsen und 38 930 weitere Arbeitnehmer im Bereich Flugsicherungsdienste. Für die Arbeit in dieser Branche sind nicht nur die neuesten Technologien, sondern auch sehr hohe berufliche und persönliche Kompetenzen erforderlich. Die Effizienz und Resilienz des ATM-Systems hat sich in der jüngsten Vergangenheit erheblich verbessert; das ATM konnte eine Zunahme des Verkehrsaufkommens um 68 % in den letzten zwanzig Jahren (von 5,8 Mio. Flügen 1995 auf 9,74 Mio. 2014) bewältigen. Diese Verbesserung der Effizienz bei gleichzeitiger Einhaltung der höchsten Sicherheitsnormen konnte nur dank des starken Engagements aller Interessenträger in der Wertschöpfungskette der Luftfahrt im einheitlichen europäischen Luftraum erzielt werden.

4.3.2.

Im Rahmen der vom EWSA veranstalteten öffentlichen Anhörung zur Kontinuität des Flugverkehrsmanagements in einem offenen und vernetzten Europa skizzierte der Netzmanager das Verfahren, mit dem die Auswirkungen von jedweder Art von Störung in Europa minimiert werden sollen. Für diese Maßnahmen ist die Mitwirkung der Flugsicherungsdienste, Luftfahrtunternehmen und Mitgliedstaaten erforderlich. Sie haben sich als sehr wirksames Mittel erwiesen, um die Auswirkungen von Störungen auf die Fluggäste zu minimieren.

4.3.3.

Eine der möglichen Ursachen für Störungen sind Arbeitskampfmaßnahmen im Luftverkehr. Das Streikrecht ist ein grundlegendes Recht der Arbeitnehmer und fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-Verträge (25). Es ist daher Sache der Mitgliedstaaten, festzulegen, wie das Streikrecht ausgeübt werden kann, und die meisten Mitgliedstaaten haben spezifische Gesetze oder Vorschriften zu den Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Streik im Flugverkehrsmanagement und in anderen Teilen der Wertschöpfungskette der EU-Luftfahrt erlassen.

4.3.4.

Die zwischen den Sozialpartnern vereinbarte „Toolbox für einen erfolgreichen sozialen Dialog im Flugverkehrsmanagement“ (26) ist ein gutes Beispiel für ein effizientes Vorgehen zur Festlegung von Mechanismen, um das Risiko von Störungen zu minimieren. Die Maßnahmen werden im gegenseitigen Einvernehmen umgesetzt. Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Sozialpartner, die Zahl der Unterzeichner auszuweiten, und ist bereit, sich an einer derartigen Initiative zu beteiligen.

5.   Weitere Vorschläge

5.1.

Zur Bekämpfung wettbewerbsverzerrender Praktiken — und in Ergänzung ihres Vorschlags für eine neue Verordnung Nr. 868 — befürwortet die Kommission die Aufnahme weitreichender Wettbewerbsvorschriften in umfassende Luftverkehrsabkommen mit Drittländern (27). Sie fordert den Rat auf, ihr ein neues Mandat zur Eröffnung von Verhandlungen über weitere derartige Abkommen mit Bahrain, China, Kuwait, Mexiko, Oman und Saudi-Arabien zu erteilen. Die Kommission drängt richtigerweise auch auf die unverzügliche Unterzeichnung des umfassenden EU-Luftverkehrsabkommens mit der Ukraine.

5.2.

In dem ersten umfassenden derartigen Luftverkehrsabkommen, das 2007 zwischen der EU und den Vereinigten Staaten geschlossen wurde, wird die Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden zur Eindämmung unlauteren Wettbewerbs verankert und ein Koordinierungsrahmen geschaffen. Artikel 14 des EU-US-Luftverkehrsabkommens behandelt das Vorgehen im Fall staatlicher Beihilfen und Unterstützung (28) und enthält auch Bestimmungen, mit denen dem Gemeinsamen Ausschuss das Recht zur Lösung potenzieller Konflikte, einschl. der Möglichkeit der Nutzung eines neutralen Schiedsverfahrens, übertragen wird. Der zusätzliche Nutzen derartiger umfassender Luftverkehrsabkommen liegt in der Annäherung der Rechtsvorschriften in vielen grundlegenden Bereichen (Sicherheitsnormen, Zulassungen und Lizenzen sowie der sensible Bereich der Sicherheit). In diesem Kontext steht er auch in Verbindung mit staatlichen Beihilfen und staatlicher Unterstützung.

5.3.

Außerdem wurde auch bereits ein umfassendes Luftverkehrsabkommen mit Kanada geschlossen. Das Abkommen mit Brasilien wird derzeit neu verhandelt, und die EU hat die Verhandlungen mit Israel, Jordanien, Marokko, der Republik Moldau und Georgien abgeschlossen. Mit Australien und Neuseeland werden derzeit Verhandlungen geführt. Nach Genehmigung der Mandate durch den Rat im Jahr 2016 wurden Verhandlungen mit dem Verband südostasiatischer Nationen (ASEAN), Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Türkei aufgenommen. In allen Fällen waren Klauseln betreffend den fairen Wettbewerb Teil der Verhandlungen (29).

5.4.

Vorbehaltlich des erfolgreichen Abschlusses der laufenden Verhandlungen über Luftverkehrsabkommen nimmt der EWSA die Bemühungen der Kommission um weitere Mandate zur Aufnahme von Verhandlungen über neue umfassende Luftverkehrsabkommen zur Kenntnis und fordert zügige und effiziente Verhandlungen für die laufenden Mandate. Erfahrungen mit Arbeitspraktiken in bestimmten Ländern und ihren Luftfahrtunternehmen geben jedoch Anlass zur Sorge und könnten den fairen Wettbewerb auf dem internationalen Luftverkehrsmarkt beeinträchtigen. Der EWSA fordert die Kommission daher auf, sicherzustellen, dass die europäischen Luftfahrtunternehmen gerecht behandelt und gleiche Ausgangsbedingungen gewährleistet werden. Er empfiehlt, dass Rat und Kommission anerkennen, dass angemessene verbindliche Sozialklauseln im Rahmen aller EU-Luftverkehrsabkommen mit Drittländern ausgehandelt werden sollten.

Brüssel, den 17. Januar 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 86.

(2)  ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 86.

(3)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 110.

(4)  Der Netzmanager ist eine Direktion innerhalb von Eurocontrol, die für die Planung der Netzkapazitäten zuständig ist. Er muss sicherstellen, dass Luftverkehrskapazitäten verfügbar sind und im täglichen Betrieb des gesamteuropäischen Netzes bestmöglich genutzt werden. Hierfür arbeitet er eng mit den Mitgliedstaaten und ihren Flugsicherungsdiensten zusammen.

(5)  Artikel 153 Absatz 5 AEUV.

(6)  ATCEUC, CANSO und ETF (2016): „Toolbox for successful social dialogue in air traffic management“, abrufbar unter: http://www.etf-europe.org/files/extranet/-75/45567/Brochure%20ETF%20Toolbox%20March%202016.pdf.

(7)  ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 86.

(8)  COM (2015) 598 final.

(9)  COM(2017) 286 final, S. 2.

(10)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 169.

(11)  ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 86.

(12)  COM(2015) 598 final.

(13)  SWD (2017) 207 final.

(14)  Siehe Studie der Kommission von April 2013 „268/2004 — A Case for Better Regulation“.

(15)  Ein Beispiel für eine derart missbräuchliche Praxis könnte der Fall sein, dass ein wirtschaftlich wichtiges Drittland EU-Luftverkehrsunternehmen de facto den Zugang zu kommerziell wichtigen Zeitnischen auf seinen wichtigsten Flughäfen verweigert.

(16)  COM(2017) 289 final, Artikel 13.

(17)  ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 86.

(18)  Verordnung (EG) Nr. 1008/2008, Artikel 4 Buchstabe f (ABl. L 293 vom 31.10.2008, S. 3).

(19)  Verordnung (EG) Nr. 1008/2008, Artikel 4 Buchstabe f (ABl. L 293 vom 31.10.2008, S. 3).

(20)  SWD(2017) 207 final, S. 4.

(21)  Beispiel: Minderheitsbeteiligung von Etihad Airways an Air Berlin als Teil einer Strategie, eine starke Partnerschaft zwischen mehreren europäischen Luftfahrtunternehmen und Etihad Airways aufzubauen.

(22)  Die Verpflichtung bezüglich der Bedürfnisse der wirtschaftlichen Entwicklung des betroffenen Gebiets.

(23)  Verordnung (EG) Nr. 1008/2008, Artikel 16 Absatz 3 (ABl. L 293 vom 31.10.2008, S. 3).

(24)  ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 45.

(25)  Artikel 153 Absatz 5 AEUV.

(26)  http://www.etf-europe.org/files/extranet/-75/45567/Brochure%20ETF%20Toolbox%20March%202016.pdf.

(27)  SWD(2017) 182 final, Ziffer 3.4.4.

(28)  EU-US-Luftverkehrsabkommen, unterzeichnet am 25. und 30. April 2007, Artikel 14.

(29)  SWD(2017) 182 final, Ziffer 2.2.1.3.


8.6.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 197/66


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (Neufassung)“

(COM(2017) 548 final — 2017/0237 (COD))

(2018/C 197/10)

Berichterstatter:

Jan SIMONS (NL-I)

Befassung

Europäisches Parlament, 5.10.2017

Rat der Europäischen Union, 10.10.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 91 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

4.1.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

18.1.2018

Plenartagung Nr.

531

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

164/1/4

1.   Schlussfolgerungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) begrüßt die Vorschläge der Europäischen Kommission, insbesondere die Vorschläge zur Präzisierung der geltenden Bestimmungen, zur Bereitstellung besserer Informationen für die Reisenden und zur Förderung der einheitlichen Anwendung der Passagierrechte in der gesamten EU durch die Abschaffung nationaler Ausnahmen. Darüber hinaus ist die Aufnahme einer Klausel über höhere Gewalt insoweit gerechtfertigt, als damit eine Anpassung an die anderen Verkehrsträger erfolgt.

1.2.

Eine neue Bestimmung (Artikel 22 Absatz 4 über Hilfeleistung an Bahnhöfen für Menschen mit Behinderungen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität) könnte jedoch problematisch sein. Der EWSA empfiehlt daher ausdrücklich die Hinzufügung des folgenden Wortlauts in Artikel 22 Absatz 4: „mit Ausnahme von nicht mit Personal ausgestatteten Bahnhöfen, die in Absatz 3 geregelt sind“.

1.3.

Der EWSA bringt noch eine Reihe weiterer Vorschläge zur Verschärfung des Verordnungsvorschlags vor, die ebenfalls in Ziffer 4.3 erläutert sind, auf die hier aus Gründen der Kürze aber nur verwiesen wird.

2.   Einleitung

2.1.

Der Schutz der Passagierrechte bei allen Verkehrsträgern, d. h. auch im Schienenverkehr, wurde bereits im Verkehrsweißbuch aus dem Jahr 2001 als EU-Ziel genannt. Eine 2007 angenommene diesbezügliche Verordnung für den Eisenbahnverkehr (1) trat 2009 in Kraft.

2.2.

Diese Verordnung bietet Fahrgästen ein Mindestmaß an Schutz bei Bahnreisen. Durch die Verordnung werden die Mitgliedstaaten, ihre jeweiligen Behörden und die Eisenbahnunternehmen verpflichtet, diese Bestimmungen in der Praxis umzusetzen, um die Rechte der Fahrgäste zu wahren. In diesem Zusammenhang ist die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 ein wichtiges Instrument zur Harmonisierung, durch das sichergestellt werden soll, dass alle Fahrgäste, die in der EU mit der Bahn reisen, die gleichen Rechte haben.

2.3.

In der Mitteilung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2011 „Eine europäische Perspektive für Reisende: Mitteilung über die Rechte der Benutzer aller Verkehrsträger“ (2) ist festgehalten, dass die Passagierrechte auf drei Eckpfeilern ruhen: Diskriminierungsfreiheit, genaue, zeitgerechte und zugängliche Informationen, unverzügliche und angemessene Hilfeleistungen.

2.3.1.

Außerdem werden zehn grundlegende EU-Passagierrechte, die auf alle Verkehrsträger Anwendung finden, ausführlich erläutert:

1.

Diskriminierungsfreier Zugang zu Verkehrsdiensten;

2.

Recht auf Mobilität;

3.

Recht auf Information;

4.

Rücktrittsrecht (Erstattung des vollen Fahrscheinpreises);

5.

Recht auf Erfüllung des Beförderungsvertrags bei Verkehrsproblemen;

6.

Recht auf Unterstützungsleistungen;

7.

Recht auf Ausgleichsleistungen;

8.

Haftung der Beförderungsunternehmen für Reisende und deren Gepäck;

9.

Recht auf ein zügig funktionierendes, zugängliches System zur Bearbeitung von Beschwerden;

10.

Recht auf die uneingeschränkte und wirksame Durchsetzung der EU-Vorschriften.

2.3.2.

Die in der Verordnung von 2007 enthaltenen Rechte für Zugreisende spiegeln die oben genannten zehn grundlegenden Passagierrechte wider, die auf alle Verkehrsträger Anwendung finden.

2.3.3.

Allerdings wird den Mitgliedstaaten ein sehr großer Ermessensspielraum betreffend die Anwendung ihrer Bestimmungen eingeräumt. Die Mitgliedstaaten dürfen umfassende Ausnahmen von der Anwendung der Verordnung gewähren. Obwohl diese Ausnahmen befristet gewährt werden und einen Zeitraum von höchstens 15 Jahren nicht überschreiten dürfen, haben sie beträchtliche Auswirkungen auf die einheitliche Anwendung der Verordnung.

2.3.4.

Derzeit wenden nur vier Mitgliedstaaten die Verordnung ohne jede Ausnahme an, während die verbleibenden 24 Mitgliedstaaten zahlreiche Ausnahmen für ihre Inlands-, Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste gewährt haben. Auch wenn die umfassende Anwendung dieser Ausnahmen rechtlich zulässig ist, wird die einheitliche Anwendung und Durchsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 dadurch behindert. Bahnreisende haben daher in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Rechte.

2.3.5.

In ihrem Bericht von 2013 über die Anwendung der Verordnung (3) stellte die Kommission einige Problembereiche heraus, die sich in einer im Zeitraum 2016/2017 durchgeführten Folgenabschätzung (4) bestätigt haben.

2.4.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat 2013 entschieden (Rechtssache C 509/11 ÖBB-Personenverkehr), dass Eisenbahnunternehmen nach dem geltenden Artikel 17 der Verordnung nicht von ihrer Pflicht zur Fahrpreisentschädigung bei Verspätungen befreit werden können, selbst wenn die Verspätung durch höhere Gewalt verursacht wurde. Darin unterscheidet sich die Bahn von anderen Verkehrsträgern.

2.5.

Abschließend ist auch noch zu berücksichtigen, dass nur Eisenbahnunternehmen betroffen sind, die über eine Genehmigung gemäß der Richtlinie 95/18/EG verfügen, d. h. Straßen- und U-Bahnen sind nicht betroffen. Zudem sind die einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck (CIV) als Grundlage heranzuziehen.

3.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

3.1.

Der Neufassungs-Vorschlag sorgt für ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der Stärkung der Rechte der Bahnreisenden auf der einen Seite und der Entlastung der Eisenbahnunternehmen auf der anderen.

3.2.

Die Ausnahmen für den inländischen Fernverkehr werden bis 2020 abgeschafft. Für Verkehrsdienste, die außerhalb der EU betrieben werden, dürfen die Mitgliedstaaten nur dann Ausnahmen vorsehen, wenn sie nachweisen können, dass die Fahrgäste in ihrem Hoheitsgebiet einen angemessenen Schutz genießen. Um in länderübergreifenden Regionen für Rechtssicherheit zu sorgen, wird die Verordnung uneingeschränkt für grenzüberschreitende Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste gelten.

3.3.

Im Einklang mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen werden die Rechte von Personen mit Behinderungen und Personen mit eingeschränkter Mobilität gestärkt. Die Mitgliedstaaten dürfen für die Bereitstellung von Hilfeleistung und die Entschädigung für beschädigte Mobilitätshilfen keine Ausnahmen mehr vorsehen (5). Informationen müssen gemäß den Anforderungen des vorgeschlagenen europäischen Rechtsakts zur Barrierefreiheit (6) in barrierefrei zugänglichen Formaten bereitgestellt werden. Das Eisenbahnpersonal muss entsprechend geschult werden.

3.4.

Fahrgäste erhalten bei der Buchung grundlegende Informationen über ihre Rechte. Informationen über die Rechte der Reisenden müssen an exponierter Stelle in Bahnhöfen und in den Zügen angebracht werden.

3.5.

Gemäß den Leitlinien von 2015 (7) und den Bestimmungen des 4. Eisenbahnpakets von 2016 (8) müssen sich die Eisenbahnunternehmen und Fahrkartenverkäufer darum bemühen, Durchgangsfahrkarten anzubieten. Sie können aber auch nachweisen, dass sie die Fahrgäste entsprechend informiert haben, falls deren Rechte nicht für die gesamte Fahrt gelten.

3.6.

Der Vorschlag bestimmt die Zuständigkeiten der nationalen Durchsetzungsstellen auch in grenzüberschreitenden Fällen und verpflichtet sie zur wirksamen Zusammenarbeit.

3.7.

Der Vorschlag enthält eine allgemeine Klausel, die wie bei anderen Verkehrsträgern jegliche Form der Diskriminierung untersagt.

3.8.

Zur Entlastung der Eisenbahnunternehmen werden nun auch die Bahnhofs- und die Infrastrukturbetreiber zur Bereithaltung von Notfallplänen verpflichtet.

3.9.

Eisenbahnunternehmen wird das Recht eingeräumt, Regressansprüche geltend zu machen, wenn Verspätungen durch einen Dritten schuldhaft oder fahrlässig verursacht wurden. Die Rechte von Bahnreisenden werden so an die Fluggastrechte (9) angeglichen.

3.10.

Damit Eisenbahnunternehmen für Situationen, die sie nicht verursacht haben bzw. nicht verhindern konnten, keine Entschädigung zahlen müssen, enthält der Vorschlag eine Klausel über höhere Gewalt (10), die nur in sehr außergewöhnlichen Situationen aufgrund von schlechten Witterungsbedingungen und Naturkatastrophen zum Tragen kommt.

3.11.

Die Verordnung wird im Anhang der überarbeiteten Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (11) aufgeführt werden.

3.12.

In dem Vorschlag wird auf das COTIF (ER-CIV) Bezug genommen und dessen Vorschriften werden auf inländische Schienenverkehrsdienste in der EU ausgeweitet.

4.   Bemerkungen

4.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) begrüßt die Vorschläge der Europäischen Kommission im Allgemeinen, insbesondere die Vorschläge zur Präzisierung der geltenden Bestimmungen, zur Bereitstellung besserer Informationen für die Reisenden und zur Förderung der einheitlichen Anwendung der Passagierrechte in der gesamten EU durch die Abschaffung nationaler Ausnahmen. Darüber hinaus ist die Aufnahme einer Klausel über höhere Gewalt insoweit gerechtfertigt, als damit eine Anpassung an die anderen Verkehrsträger erfolgt.

4.2.

Eine Neufassung auf der Grundlage des geltenden Rechtsinstruments (12) muss kein unumstößliches Dogma sein. In manchen Fällen, insbesondere wenn eine Richtlinie von den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt und umgesetzt wird, ist die Wahl eines anderen Rechtsinstruments, in diesem Fall einer Verordnung, die angemessenste Lösung. Da es sich hier bereits um eine Verordnung handelt, sollen mit der Neufassung nun deutliche, nicht unterschiedlich auslegbare Bestimmungen festgelegt werden, die einheitlich anzuwenden sind, wobei auch neue Erkenntnisse berücksichtigt werden, was großteils der Fall ist. Zur Verschärfung der restlichen Bestimmungen bringt der EWSA folgende Bemerkungen vor.

4.3.   Empfehlungen

4.3.1.

Für Eisenbahnmitarbeiter kann es manchmal schwierig sein, Personen mit Behinderungen zu erkennen, zumal in der Begriffsbestimmung für Personen mit eingeschränkter Mobilität nun auch geistige und psychische Behinderungen erfasst werden sollen. Insbesondere bei Verdacht auf Betrug kann dies zu kritischen Situationen und zu beträchtlichen praktischen Problemen führen. Dieser Aspekt sollte auch bei der Schulung des Personals (Artikel 26) gebührend berücksichtigt werden.

4.3.2.

Die verbleibenden Ausnahmen für inländische Fernverkehrsdienste sollten im Einklang mit der Anforderung der geltenden Verordnung schrittweise bis 2024 abgeschafft werden. Eine Abschaffung schon bis 2020, wie von der Kommission vorgeschlagen, könnte für einige Mitgliedstaaten noch zu früh sein. Für diesen Fall müssten angemessene Lösungen für den Einzelfall gefunden werden, um einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen.

4.3.3.

Die Mindestentschädigung (Artikel 17 Absatz 1) wird erst ab einer Verspätung von 60 Minuten gewährt. In der geltenden Praxis gibt es allerdings Fälle von geringeren Mindestverspätungszeiträumen. Diese Möglichkeit muss beibehalten werden, indem sie in dem Artikel auch ausdrücklich erwähnt wird.

4.3.4.

Betreffend die zu erteilenden Reiseinformationen muss hinzugefügt werden, dass in dem Fall, in dem der Mindestverspätungszeitraum für eine Entschädigung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erreicht oder überschritten wird, die Reisenden darüber informiert und nach Möglichkeit die einschlägigen Formulare für den Antrag auf Entschädigung auch tatsächlich zur Verfügung gestellt werden müssen.

4.3.5.

In Artikel 22 wird die Hilfeleistung in Bahnhöfen geregelt. Absatz 3 enthält Bestimmungen über angemessene Hilfeleistung auf nicht mit Personal ausgestatteten Bahnhöfen. In dem Vorschlag für einen neuen Absatz 4 wird dem ungerechtfertigterweise nicht Rechnung getragen. Der EWSA empfiehlt, in Absatz 4 folgenden Wortlaut nach dem Wort „Bahnhöfen“ hinzuzufügen: „mit Ausnahme von den in Absatz 3 erfassten nicht mit Personal ausgestatteten Bahnhöfen“.

Brüssel, den 18. Januar 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Verordnung (EG) Nr. 1371/2007.

(2)  COM(2011) 898 final.

(3)  COM(2013) 587 final.

(4)  SWD(2017) 317 final.

(5)  COM(2017) 548 final — 2017/0237 (COD).

(6)  COM(2015) 615 final — 2015/0278 (COD).

(7)  ABl. C 220 vom 4.7.2015, S. 1.

(8)  ABl. L 352 vom 23.12.2016, S. 1.

(9)  ABl. L 46 vom 17.2.2004, S. 1.

(10)  SWD(2017) 318 final.

(11)  COM(2016) 283 final.

(12)  COM(2017) 548 final — 2017/0237 (COD).


Anhang

zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Die folgenden Ziffern der Stellungnahme der Fachgruppe wurden gemäß den vom Plenum angenommenen Änderungsanträgen geändert, obwohl ihre Beibehaltung in der ursprünglichen Fassung mit mehr als einem Viertel der abgegebenen Stimmen unterstützt wurde (Artikel 54 Absatz 4 der Geschäftsordnung):

4.3.6.

Einige der im Vorschlag enthaltenen Bestimmungen könnten problematisch, irreführend und/oder verwirrend sein, und eine Bestimmung ist sogar widersprüchlich.

Ergebnis der Abstimmung über den Änderungsantrag:

Ja-Stimmen:

73

Nein-Stimmen:

50

Enthaltungen:

24

4.3.6.1.

Beispielsweise könnte das (in Artikel 10 Absatz 5 vorgesehene) Recht, Fahrkarten im Zug ohne Aufpreis zu kaufen, dann infrage gestellt werden, wenn grundsätzlich keine Fahrkarten im Zug verkauft werden und Informationen über den Fahrkartenverkauf in allen Abfahrtsbahnhöfen bereitgestellt wird; dies ist bereits in Artikel 10 Absatz 2, 3 und 4 geregelt.

Ergebnis der Abstimmung über den Änderungsantrag:

Ja-Stimmen:

80

Nein-Stimmen:

51

Enthaltungen:

13

4.3.6.2.

Auch die Bestimmung (Artikel 23 Absatz 4), dass Hilfeleistung in Zügen zu allen Zeiten erbracht werden muss, könnte in den Fällen ein Problem sein, in denen die Züge grundsätzlich ohne Zugpersonal fahren; dieser Fall ist bereits in Artikel 23 Absatz 2 geregelt.

Ergebnis der Abstimmung über den Änderungsantrag:

Ja-Stimmen:

91

Nein-Stimmen:

48

Enthaltungen:

12

4.3.6.3.

Um unnötige Streitfälle und unangemessene Verpflichtungen zu vermeiden, empfiehlt der EWSA ausdrücklich die Streichung von Artikel 10 Absatz 5 und Artikel 23 Absatz 4.

Ergebnis der Abstimmung über den Änderungsantrag:

Ja-Stimmen:

90

Nein-Stimmen:

48

Enthaltungen:

14

Die folgende Ziffer der Stellungnahme der Fachgruppe wurde gemäß den vom Plenum angenommenen Änderungsanträgen geändert.

1.2.

Einige der neuen Bestimmungen (die in Artikel 10 Absatz 5 über den Kauf von Fahrkarten im Zug, in Artikel 22 Absatz 4 über Hilfeleistung an Bahnhöfen und in Artikel 23 Absatz 4 über Hilfeleistung im Zug vorgeschlagen werden und allesamt Menschen mit Behinderungen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität betreffen) könnten jedoch problematisch, irreführend und/oder verwirrend sein; eine Bestimmung steht sogar in Widerspruch zu den vorhergehenden Absätzen der oben genannten Artikel, und zwar in Bezug auf nicht mit Personal ausgestattete Bahnhöfe und Züge. Der EWSA empfiehlt daher ausdrücklich die Streichung von Artikel 10 Absatz 5 und Artikel 23 Absatz 4 sowie die Hinzufügung des folgenden Wortlauts in Artikel 22 Absatz 4: „mit Ausnahme von nicht mit Personal ausgestatteten Bahnhöfen, die in Absatz 3 geregelt sind“.

8.6.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 197/71


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 hinsichtlich der Festlegung des Sitzes der Europäischen Arzneimittel-Agentur“

(COM(2017) 735 final — 2017/0328 (COD))

(2018/C 197/11)

Befassung

Europäisches Parlament, 11.12.2017

Rat, 14.12.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 114, Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe c und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Verabschiedung auf der Plenartagung

17.1.2018

Plenartagung Nr.

531

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

167/0/0

Da der Ausschuss dem Inhalt des Vorschlags zustimmt und keine Bemerkungen dazu vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 531. Plenartagung am 17./18. Januar 2018 (Sitzung vom 17. Januar) einstimmig, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

Brüssel, den 17. Januar 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


8.6.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 197/72


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1093/2010 hinsichtlich der Festlegung des Sitzes der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde“

(COM(2017) 734 final — 2017/0326 (COD))

(2018/C 197/12)

Befassung

Rat der Europäischen Union, 14.12.2017

Europäisches Parlament, 11.12.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 114 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Verabschiedung auf der Plenartagung

17.1.2018

Plenartagung Nr.

531

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

167/0/1

Da der Ausschuss dem Vorschlag zustimmt und keine Bemerkungen zu dieser Thematik vorzubringen hat, beschloss er einstimmig, auf eine allgemeine Aussprache zu verzichten und sofort zur Abstimmung überzugehen (Artikel 50 Absatz 4 und Artikel 56 Absatz 3 der Geschäftsordnung).

Brüssel, den 17. Januar 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS