15.2.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 62/226


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufstellung des Programms für die Umwelt und Klimapolitik (LIFE) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1293/2013“

(COM(2018) 385 final — 2018/209 (COD))

(2019/C 62/36)

Hauptberichterstatter:

Lutz RIBBE

Befassung

Europäisches Parlament, 14.6.2018

 

Rat, 2.7.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 192 Absatz 1 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Beschluss des Plenums

22.5.2018

 

 

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Annahme in der Fachgruppe

5.10.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

18.10.2018

Plenartagung Nr.

538

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

133/7/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Natur und Umwelt befinden sich in der EU in einer ernsthaften Krise. Hierauf ist das nach Auffassung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) viel zu gering dotierte LIFE-Programm keine adäquate Antwort, und es wird an der derzeitigen Umweltkrise nichts Substanzielles ändern können. Grundsätzlich begrüßt der EWSA aber die Fortsetzung dieses Programms ausdrücklich.

1.2.

Erforderlich wäre neben einer deutlichen Aufstockung des LIFE-Programms eine viel höhere Kohärenz aller EU-Politiken. Der EWSA hat die sich zu Lasten von Natur und Umwelt auswirkende Inkohärenz schon mehrfach kritisiert, ohne dass sich hieran etwas geändert hätte.

1.3.

Der von der Kommission favorisierte Mainstreaming-Ansatz hat sich in den letzten Dekaden bei der Finanzierung des Biodiversitätsschutzes als nicht geeignet erwiesen. Deshalb bleibt der EWSA bei seinem Vorschlag, LIFE zur eigentlichen Finanzierungsfazilität für NATURA 2000 auszubauen.

1.4.

In der neuen Finanzperiode könnte der Mainstreaming-Ansatz für Klimaschutzmaßnahmen eventuell funktionieren, da mindestens 25 % der EU-Mittel für klimabezogene Maßnahmen zweckgebunden werden sollen.

1.5.

Besonders begrüßt der EWSA, dass das neue LIFE-Programm Beiträge zur Entwicklung und Umsetzung von Bottom-up-Initiativen für innovative, dezentrale und nachhaltige Wirtschaftskonzepte finanziell fördern kann.

1.6.

Der EWSA begrüßt, dass die neue LIFE-Verordnung weniger restriktiv ist und u. a. auch eine Vollfinanzierung von Projekten ermöglicht. Gleichzeitig begrüßt er, dass die Unterstützung von Organisationen, die wichtig für die Fortentwicklung und Umsetzung der europäischen Umweltpolitik sind, ermöglicht wird.

2.   Hintergrund

2.1.

Die Kommission hat ihre Vorstellungen für die mittelfristige Finanzplanung für den Zeitraum 2021-2027 vorgelegt. Diese wird mit dem Ausscheiden des Vereinigten Königreiches aus der EU sowie dem Setzen neuer Prioritäten erhebliche Auswirkungen auf die bisherige Förderpolitik der EU und insbesondere bestimmte Programmbereiche haben.

2.2.

So sah die bisherige Förderstruktur des mehrjährigen Finanzrahmens 58 verschiedene Programme vor, diese Menge soll auf 37 reduziert werden.

2.3.

Das LIFE-Programm ist von dieser strukturellen Veränderung nicht betroffen, es soll als eigenständiges, mit einer eigenen Haushaltslinie versehenes Programm bestehen bleiben und die Entwicklung und Anwendung von innovativen Lösungsmöglichkeiten für Umwelt- und Klimaprobleme wie etwa die Energiewende fördern. LIFE wird im nächsten EU-Haushalt mit eigenen Mitteln von 5,45 Mrd. EUR ausgestattet.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der EWSA hat in den vergangenen Jahren das LIFE-Programm stets als wertvollen Bestandteil der europäischen Natur- und Umweltschutzpolitik bewertet und begrüßt deshalb seinen Fortbestand als eigenständiges Programm in der neuen Finanzperiode 2021-2027.

3.2.

Grundsätzlich stellt der EWSA fest, dass sich Natur und Umwelt in der EU in einer ernsthaften Krise befinden. Das hat einerseits damit zu tun, dass die EU-Finanzprogramme für den Natur- und Umweltschutz viel zu gering dotiert sind. Andererseits ist zu kritisieren, dass die verschiedenen sektoralen Politiken der EU nicht ausreichend kohärent sind. Der EWSA fordert die Kommission und den Rat dringend dazu auf, diese vom Ausschuss schon mehrfach kritisierten Missstände abzustellen. Ansonsten bleibt dem LIFE-Programm, mit dem zweifelsfrei sehr gute Projekte finanziert werden, nur eine Alibi-Funktion.

3.3.

Der EWSA erkennt einen gravierenden Widerspruch zwischen der politischen Prioritätensetzung durch Aussagen, Strategien, Konzepte und Gesetze einerseits und der Verankerung dieser angeblichen politischen Prioritäten im Haushalt andererseits. Es gilt der Grundsatz: der Haushalt spricht die Wahrheit über die tatsächlichen politischen Prioritäten.

3.4.

Der EWSA hat sich zu LIFE letztmalig in seiner Stellungnahme „Halbzeitbewertung des LIFE-Programms“ (1) geäußert und verschiedene Vorschläge zur Neugestaltung gemacht, die im neuen Verordnungsvorschlag leider keine Berücksichtigung fanden; diese betrafen u. a. den Aufgabenbereich und die Finanzausstattung von LIFE.

Finanzausstattung von LIFE

3.5.

Allein mit dem Mittelansatz für das neue Teilprogramm „Energiewende“ relativiert sich die zunächst durchaus imposant anmutende Erhöhung der Finanzausstattung des LIFE-Programms von 3,45 Mrd. EUR (im Finanzzeitraum 2014-2020) auf 5,45 Mrd. EUR (im Gesamtzeitraum 2021-2027). Zu bedenken ist auch, dass rund 2,6 Mrd. EUR — also fast die Hälfte des Ansatzes — Verpflichtungsermächtigungen sind, die nach den jetzigen Planungen erst nach 2027 ausgegeben werden könnten.

3.6.

Der Bereich „Klimapolitik“ ist in der laufenden Programmperiode mit 864 Mio. EUR ausgestattet, in der neuen Periode werden es 1,95 Mrd. EUR sein, inkl. 1 Mrd. EUR für das neue Teilprogramm „Energiewende“, das gegenwärtig unter „Horizont 2020“ gefördert wird. Die tatsächliche Erhöhung für den bisherigen Programmbereich „Klimapolitik“ fällt also mit ca. 100 Mio. EUR (für insgesamt 7 Jahre!) zu niedrig aus.

3.7.

Im Bereich „Umwelt und Ressourceneffizienz“ stehen in der derzeitigen Finanzierungsperiode 2,59 Mrd. EUR bereit, davon sind 1,15 Mrd. EUR für Biodiversität vorgesehen. Hier steht für die neue Förderperiode eine signifikante Erhöhung auf 2,15 Mrd. EUR (ein Plus von fast 100 %) an, aber auch diese Zahl muss in Relation gesetzt werden.

3.8.

Denn wie die Kommission in Erwägungsgrund 14 sehr zu Recht schreibt, ist „eine der wichtigsten Ursachen für die unzulängliche Umsetzung der Naturschutzvorschriften und der Biodiversitätsstrategie der Union das Fehlen einer angemessenen Finanzierung“. Auf die Unterfinanzierung des Biodiversitätsschutzes hat in besonderer Weise auch der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht zu Natura 2000 (2) hingewiesen.

3.9.

Dieses Problem löst sich mit der geplanten Erhöhung nicht einmal im Ansatz, im Gegenteil. Der EWSA sieht mit großer Sorge die extreme Unterfinanzierung speziell des für den europäischen Biodiversitätsschutz entscheidenden Natura-2000-Netzes, die sich in der neuen Finanzperiode 2021-2027 seiner Voraussicht nach dadurch weiter verschärfen wird, dass die Mittel für das ELER-Programm sowie für die Regionalentwicklung gekürzt werden.

3.10.

Die Kommission schlägt statt der aus Sicht des EWSA erforderlichen Aufstockung des LIFE-Programms eine Intensivierung des Mainstreaming-Ansatzes, sprich die Finanzierung aus anderen Haushaltslinien, vor. Der EWSA erkennt an, dass Mainstreaming funktionieren kann, wenn entsprechende zweckgebundene Haushaltsmittel an anderer Stelle vorhanden sind. Er verweist hier insbesondere auf den Klimaschutz, was u. a. damit zu tun hat, dass die Kommission vorgeschlagen hat, mindestens 25 % des EU-Haushalts für klimabezogene Maßnahmen auszugeben (3).

3.11.

Beim Biodiversitätsschutz ist allerdings der Mainstreaming-Ansatz, die Finanzierung des Natura-2000-Netzes vorrangig über die EU-Fonds für regionale Entwicklung sowie über die 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik zu organisieren, kläglich gescheitert. Der EWSA hatte sich deshalb in seiner Stellungnahme „Halbzeitbewertung des LIFE-Programms“ (4) vom 23. Februar 2017 dafür ausgesprochen, „das LIFE-Programm […] zum zentralen Instrument der Finanzierung des Natura-2000-Netzes [zu machen]“. Er verweist in diesem Zusammenhang auf diese (5) und weitere Stellungnahmen und spricht sich weiterhin für eine entsprechende zweckgebundene Aufstockung des LIFE-Programms aus. Ein weiterer Vorschlag zur Erreichung ehrgeiziger Umweltziele könnte darin bestehen, dass bei Verstößen im Rahmen der GAP etwaige ausstehende Restbeträge auf Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt umgeleitet werden.

3.12.

Legt man die Berechnungen zugrunde, die in Deutschland für die Finanzierung der Umsetzung von Natura 2000 angestellt wurden, und überträgt diese auf die EU(28), so ist mit einem Finanzbedarf zu rechnen, der bei bis zu 21 Mrd. EUR jährlich (!) liegt (6). Die Erhöhung des LIFE-Budgets im Bereich Biodiversität/Naturschutz um 1 Mrd. EUR für den Siebenjahreszeitraum ist daher nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

3.13.

Hinzu kommt, dass ein großer Teil der oben angegebenen Kosten für das Natura-2000-Netz für die dauerhafte Pflege und das Management der mehr als 27 000 Natura-2000-Gebiete aufgewendet werden muss. LIFE bietet aber auch nach dem neuen Vorschlag nur wenige Möglichkeiten, dauerhafte Pflegeaufwendungen in Natura-2000-Gebieten zu finanzieren, und wird demnach entgegen den in Erwägungsgrund 14 genannten Erfordernissen nach Auffassung des EWSA keinen ausreichenden Beitrag zur Lösung der Biodiversitätskrise in der EU leisten können.

3.14.

Insofern zeigt sich der EWSA extrem enttäuscht darüber, dass seine Anregung nicht aufgegriffen wurde. Die Kommission erklärt zwar in ihrem Verordnungsvorschlag, dass im Rahmen der Folgenabschätzung geprüft wurde, inwieweit LIFE „bei der Umsetzung der Naturschutz- und Biodiversitätspolitik der Union eine größere Rolle spielen könnte. […] Die Option eines großen Fonds mit geteilter Mittelverwaltung wurde […] als ineffizient abgetan“, ohne dass für den EWSA ersichtlich wird, wie die eklatante Unterfinanzierung für Natura 2000 gelöst werden soll. Der EWSA hat übrigens niemals einen Fonds mit geteilter Mittelverwaltung gefordert, denn ein solcher wäre in der Tat kaum effektiv zu verwalten. Er hat vielmehr empfohlen, LIFE (als das europäische Umweltfinanzierungsinstrument) insgesamt umzubauen und daraus dann die Verpflichtungen, die die EU bei der Umsetzung der entsprechenden Naturschutzrichtlinien hat, zu finanzieren.

3.15.

In Erwägungsgrund 18 wird ferner ausgeführt, dass LIFE künftig auch Projekte fördern soll, die zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) beitragen. Dies begrüßt der EWSA grundsätzlich, weist aber auch hier darauf hin, dass dies ohne eine weitere Aufstockung der Mittel zu einer zusätzlichen Unterfinanzierung der wichtigen anderen Programmteile führen wird. Diesen Vorbehalt macht der EWSA auch bezüglich der in Erwägungsgrund 19 erwähnten Förderung von Projekten zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56/EG) geltend.

3.16.

Der EWSA ist verwundert darüber, dass sich die vorgelegte LIFE-Verordnung nur an einer Stelle und hier auch nur am Rande auf das zukunftsweisende Konzept der „grünen Infrastruktur“ bezieht. Da sich im mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 das in der Kommissionsmitteilung vom 6. Mai 2013 (7) vorgeschlagene Finanzierungsprogramm TEN-G für die „grüne Infrastruktur“ nicht wiederfindet, regt der EWSA an, dass LIFE — mit einer deutlich aufgestockten Ausstattung — auch explizit Projekte zur grünen Infrastruktur finanzieren sollte.

3.17.

Es zeichnet sich schon heute ab, dass die in der EU vereinbarten Biodiversitätsschutzziele 2020 nicht erreicht werden. Wenn im Finanzzeitraum 2021-2027 eher noch weniger Mittel zur Verfügung stehen, ist zu befürchten, dass die EU selbst bis 2030 keine signifikanten Verbesserungen verweisen kann. Diese gravierende Biodiversitätskrise macht es erforderlich, LIFE massiv aufzustocken. Der EWSA bittet deshalb den Rat und das Europäische Parlament, die von ihm formulierten Gedanken bei der weiteren Debatte über die mittelfristige Finanzplanung zu diskutieren und zu berücksichtigen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Die Kommission betont in ihrer Begründung zum Verordnungsvorschlag mehrfach den kleinmaßstäblichen Charakter der geförderten Projekte, was LIFE z. B. von „Horizont Europa“ unterscheidet. Es wird geschrieben, dass LIFE „den Menschen hilft, beim Klimaschutz und für ihre Gemeinschaften tätig zu werden“. Genau diesen Ansatz, die Förderung von Bottom-up-Ansätzen durch zivilgesellschaftliche Interessenträger, hält der EWSA für enorm wichtig und weiter unterstützenswert.

4.2.

Dabei muss es aber um mehr gehen, als die Kommission in den Erwägungsgründen 8 und 10 ausführt. Sicher sind Projekte, die „die Erleichterung der Übernahme bereits vorhandener Technologien“ fördern, positiv zu sehen. Doch die Rolle der „Menschen“ geht über die Umsetzung entwickelter Verfahren weit hinaus.

4.3.

Denn nicht nur der im Verordnungsvorschlag erwähnte Europäische Innovationsrat kann, wie die Kommission schreibt, „Hilfestellung geben, um neue, bahnbrechende Ideen“ zu entwickeln und „auf einen größeren Maßstab zu übertragen und zu kommerzialisieren“.

4.4.

Dies können u. a. auch KMU, kleine und größere bürgerlich organisierte Initiativgruppen, Gewerkschaften, Privatpersonen oder Kommunen tun. Und sie entwickeln bereits (zum Teil sehr einfache) Ideen, Praktiken oder innovative, angepasste Technologien, auf die bisher zum Teil weder Politik/Verwaltung noch die etablierte Wirtschaft gekommen sind oder kommen wollten.

4.5.

LIFE sollte mit dazu beitragen, gerade für diese Aufgabe fördernd zur Verfügung zu stehen, zumal es gerade diesen nicht etablierten Strukturen häufig sehr schwer fällt, Unterstützung für Innovationen zu finden.

4.6.

Dies soll an zwei Beispielen, die gut zum neuen Teilprogramm „Energiewende“ passen könnten, erläutert werden:

4.6.1.

Es ist bekannt, dass der Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge eine wichtige Aufgabe ist, der sich auch die Politik zu stellen hat. Bürgerinitiativen beginnen darüber nachzudenken, beispielsweise den Strom, der in genossenschaftlich betriebenen Windkraftanlagen gewonnen wird, direkt dezentral zu nutzen, um gemeinschaftlich betriebene Ladestationen zu betreiben bzw. private Ladestationen im eigenen Haus, im Wohnquartier oder am Arbeitsplatz zu versorgen. Was mittlerweile bei „Solartankstellen“ (sprich mit PV-Anlagen bestückte Carports) schon vielfach zu beobachten ist, könnte so auch auf Windanlagen übertragen werden. Dies würde völlig neue Beteiligungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Akteure schaffen, die sowohl für die regionalwirtschaftliche Entwicklung als auch für die Akzeptanz der zu schaffenden neuen Versorgungsstruktur bedeutsam wären (8). Damit könnte auch der Anspruch der EU, den „Bürger in den Mittelpunkt der Energiewende zu stellen“, mit Leben erfüllt werden. Solche neuen gedanklichen Ansätze werden jedoch in der Regel nicht von den etablierten Stromversorgungsakteuren entwickelt. Sie bedürfen einer Initialunterstützung, insbesondere da vielfach die rechtlichen Rahmenbedingungen und technischen Detailfragen intensiv zu beleuchten sind. LIFE sollte solche Innovationen, die eben noch nicht „marktfähig“ sind, unbedingt unterstützen.

4.6.2.

Gleiches gilt für einen innovativen Ansatz, der in der podlachischen Stadt Lapy entwickelt wurde, aber nicht umgesetzt werden kann, weil schlichtweg keine Fördertöpfe für die benötigten vertiefenden Untersuchungen gefunden werden konnten. Die Stadt leidet, wie viele andere Gemeinden in den mittel- und osteuropäischen Staaten auch, unter hohen Emissionsbelastungen, die aus kohlebefeuerten kommunalen Nahwärmesystemen resultieren. Berechnungen haben ergeben, dass eine Substitution der Kohle durch regenerative Energieträger (wie z. B. Biomasse) oder emissionsärmere Energieträger wie Gas zu höheren Verbraucherpreisen führen würde, die in der Gesellschaft nicht durchsetzbar sind. Sehr wohl könnte vermutlich ein Ansatz, eine kommunale Windkraftanlage zu bauen und zu betreiben, um den gewonnenen Strom über Wärmepumpen in Wärme umzuwandeln, zu geringeren Wärmepreisen führen. Doch für die notwendigen technischen und rechtlichen Voruntersuchungen, die für die Umsetzung eines solchen Modellprojekts dringend benötigt werden, fehlen der Gemeinde die Mittel, und es gibt bisher auch von anderer Seite keine Unterstützung.

4.7.

Deshalb begrüßt der EWSA, dass mit dem Teilprogramm „Energiewende“ ein neuer Schwerpunkt im Bereich „Klimapolitik“ des LIFE-Programms gesetzt wird, der im Zeitraum 2012-2027 mit 1 Mrd. EUR knapp 20 % des Gesamtbudgets von 5,45 Mrd. EUR umfassen soll.

4.8.

Der EWSA hält es für erforderlich, für das LIFE-Programm möglichst einfache Antrags- und Durchführungsverfahren zu wählen. Er begrüßt, dass die Kommission sich stets bemüht, den bürokratischen Aufwand bei der Projektbeantragung und -durchführung weiter zu reduzieren.

4.9.

Die neue LIFE-Verordnung enthält wesentlich weniger Restriktionen als das derzeitig gültige Programm und räumt damit der Kommission deutlich mehr Flexibilität bei der Auswahl und der Finanzierung von Projekten ein. Dies wird nach Einschätzung des EWSA zu einer deutlich effektiveren Mittelverwendung führen.

4.10.

Gute und innovative Projekte sollten nicht allein deshalb scheitern, dass die Antragsteller eventuell nicht über ausreichende Kofinanzierungsmöglichkeiten verfügen. Der EWSA nimmt positiv zur Kenntnis, dass die neue LIFE-Verordnung keinen Artikel mehr enthält, der eine Vollfinanzierung von Projekten ausschließt (siehe alte Verordnung, Art. 20).

4.11.

Der EWSA begrüßt zudem, dass sich das LIFE-Programm weiterhin ständig fortentwickelt und dass nunmehr die Katalysatorfunktion herausgestellt wird, die LIFE bzw. LIFE-geförderte Projekte haben sollen. Unklar ist dem EWSA allerdings, wie diese Katalysatorfunktion konkret entstehen soll.

4.12.

Der EWSA kann sich gut vorstellen, dass die Kommission einen bestimmten Anteil der geförderten Projekte, die als besonders innovativ erschienen, auswählt und die Projektnehmer bittet, in einem kleineren Anschlussprojekt die Umstände, die besonders für den Erfolg bzw. Nichterfolg des Projekts verantwortlich waren, genauer zu beschreiben. Viele innovative Ideen (siehe Ziffer 3.8) scheitern heute z. B. an bürokratischen Auflagen oder einem fehlenden bzw. hinderlichen Gesetzesrahmen. Damit die Politik aus LIFE-geförderten Projekten lernen und Konsequenzen ziehen kann, ist es wichtig, die Erfolgs- bzw. Misserfolgsfaktoren genau zu kennen.

4.13.

In Erwägungsgrund 17 wird dargelegt, dass die Öffentlichkeit stark für die Luftverschmutzung sensibilisiert ist und erwartet, „dass die Behörden tätig werden“. Dies trifft zu, und LIFE kann hier auch zukünftig Beiträge leisten, indem entsprechende Hinweise, die aus den Projekten resultieren, in praktische Politik umgesetzt werden.

4.14.

Was LIFE nicht leisten kann und darf, ist, eine Art „Ausputzerrolle“ für das Nicht-Tätigwerden von Behörden zugewiesen zu bekommen. Die Luftreinhaltung in Europa hätte bereits wesentlich verbessert werden können, wenn zum Beispiel a) bereits beschlossene Grenzwerte konsequent eingehalten, b) die versprochene Internalisierung der externen Kosten konsequent vollzogen und c) umweltschädliche Subventionen — wie seit Jahren versprochen — abgeschafft würden.

4.15.

In Erwägungsgrund 27 werden deshalb sehr zu Recht auch die Aspekte der Rechtsumsetzung, einschließlich Überwachungs- und Genehmigungsverfahren, die Qualität der Umweltinspektion und der Vollzugsmechanismus angesprochen. Angesichts ihres Beitrags zu diesen Zielen sollten das Netz der Europäischen Union zur Durchführung und Durchsetzung des Umweltrechts (IMPEL), das Europäische Netz der im Umweltschutz tätigen Staatsanwälte (EUStA) und das Richterforum der Europäischen Union für die Umwelt (EUFJE) nach Artikel 12 des Vorschlags auch „ohne Aufruf zur Einreichung von Vorschlägen Finanzhilfen erhalten können“, sprich eine institutionelle Förderung erhalten. Der EWSA begrüßt eine solche Förderung und unterstreicht die Wichtigkeit, auch andere maßgebliche gesellschaftliche Akteure, die die Umweltpolitik der EU voranbringen können, relativ unbürokratisch unterstützen zu können, wie dies in Artikel 10 Absatz 5 des Vorschlags vorgesehen ist.

Brüssel, den 18. Oktober 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  ABl. C 173 vom 31.5.2017, S. 7.

(2)  Sonderbericht Nr. 1/2017 — „Netz ‚Natura 2000‘: Zur Ausschöpfung seines vollen Potenzials sind weitere Anstrengungen erforderlich“.

(3)  Der EWSA hält diesen Anteil noch für zu gering und hat 40 % gefordert (Stellungnahme des EWSA zum Europäischen Finanz-Klima-Pakt, (siehe Seite 8 dieses Amtsblatts).

(4)  ABl. C 173 vom 31.5.2017, S. 7.

(5)  Siehe EWSA-Stellungnahme NAT/681 „Die Biodiversitätspolitik der EU“ (ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 14).

(6)  Siehe EWSA-Stellungnahme (ABl. C 129 vom 11.4.2018, S. 90).

(7)  COM(2013) 249 final.

(8)  Siehe Stellungnahme des EWSA „Die Wirkungen einer neuen kohlenstofffreien, dezentralen und digitalisierten Energieversorgungsstruktur“ (ABl. C 367 vom 10.10.2018, S. 1).