15.2.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 62/274


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Auf dem Weg zur automatisierten Mobilität: eine EU-Strategie für die Mobilität der Zukunft“

(COM(2018) 283 final)

(2019/C 62/43)

Berichterstatter:

Ulrich SAMM

Befassung

Europäische Kommission, 18.6.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

4.10.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

17.10.2018

Plenartagung Nr.

538

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

207/1/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Mitteilung zur vernetzten und automatisierten Mobilität, die ein breites Spektrum an neuen Funktionen für Verbraucher und Unternehmen bietet. Der EWSA ist überzeugt, dass die automatisierte Mobilität Vorteile für unsere Gesellschaft bringen wird, da sie neue Dienstleistungen für die Mobilität im Personenverkehr sowie zusätzliche Möglichkeiten für die Sharing Economy und für die Optimierung des Verkehrs im Interesse der Umwelt sowie Mobilität für jene bietet, die nicht selbst fahren können.

1.2.

Die Automobilindustrie der EU mit all ihrem Fachwissen bei der Entwicklung von Fahrzeugtechnik verfügt über die besten Voraussetzungen, um diese Chance zu nutzen, wenn die EU denn Standards festlegt, um eine grenzübergreifende Tätigkeit und Interoperabilität zwischen verschiedenen Fahrzeugmarken zu ermöglichen.

1.3.

Ein wesentlicher Punkt ist, dass das automatisierte oder teilautomatisierte Fahren erheblich zur Verbesserung der aktiven Sicherheit von Landfahrzeugen beitragen und die Zahl der Unfalltoten beträchtlich verringern oder gar auf Null senken kann. Tödliche Unfälle mit selbstfahrenden Fahrzeugen während der Testphase könnten jedoch zu einem erheblichen Hindernis für diese Technologie werden. Der EWSA empfiehlt deshalb, alle Pilotprojekte und Tests im Bereich des autonomen Fahrens unter höchstmöglichen Sicherheitsstandards durchzuführen, auch wenn dies die Entwicklung im Vergleich zu Konkurrenten außerhalb der EU verlangsamen kann. Langfristig wird es jedoch zu besseren Ergebnissen und zu mehr Akzeptanz führen.

1.4.

Der EWSA ist der Auffassung, dass selbstfahrende Fahrzeuge (Stufe 5) nur dann angenommen werden, wenn sie den Fahrgästen dieselbe Sicherheit wie andere Verkehrssysteme bieten, etwa die Eisenbahn oder große Flugzeuge (nahezu 100-prozentige Sicherheit). Dies ist eine große Hürde, solange sich selbstfahrende und konventionelle Fahrzeuge sowie andere Straßennutzer (Fahrradfahrer, Fußgänger, Fahrzeuge mit besonderer Zweckbestimmung) auf derselben Straße bewegen. Der Aspekt der „100-prozentigen Sicherheit“ kann jedoch entscheidend für die Lösung konkreter ethischer Fragen im Zusammenhang mit autonomen Fahrzeugen sein.

1.5.

Der EWSA räumt ein, dass halbautomatische Fahrzeuge (Stufen 1 bis 4) mit einer Reihe von Fahrassistenzsystemen bereits zu einer Reduzierung der Zahl der Verkehrstoten führen können, und unterstützt deshalb den Ansatz der Kommission, im Rahmen der Überarbeitung der Verordnung über die allgemeine Fahrzeugsicherheit die Zahl der neuen Sicherheitsfunktionen für Fahrzeuge zu erhöhen. Er verweist jedoch auf zwei Problembereiche, die der öffentlichen Akzeptanz möglicherweise entgegenstehen: a) die zusätzlichen Kosten und b) die zunehmende Komplexität des Führens eines Fahrzeugs.

1.6.

In der üblichen Ausbildung zur Erlangung eines Führerscheins werden die modernsten Fahrerassistenzsysteme nicht berücksichtigt. Hier ist ganz offensichtlich eine zusätzliche Ausbildung nötig. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Automobilindustrie gemeinsam mit den Kommunen dringend Schulungen anbieten und Übungsplätze für Privatpersonen und Berufskraftfahrer zur Verfügung stellen muss, da die Einführung der neuen Sicherheitstechnologien andernfalls erheblich behindert würde.

1.7.

Die Ausbildung zum Führen halbautomatischer Fahrzeuge, das neue Fertigkeiten erfordert und neue Verantwortung mit sich bringt, ist ausschlaggebend für die Entwicklung eines modernen Berufsbildes für Kraftfahrer und für die Deckung des zunehmenden Bedarfs im Verkehrsbereich.

1.8.

Der EWSA räumt ein, dass letztlich möglicherweise zahlreiche Arbeitsplätze verlorengehen werden (etwa für Bus- oder Lkw-Fahrer), wenn die vollständige Automatisierung (Stufe 5) erfolgreich einführt wird. Er bekräftigt, dass die Vorteile der Automatisierung der ganzen Gesellschaft zugutekommen müssen, und fordert die Sozialpartner deshalb auf, künftige Entwicklungen gemeinsam zu planen und am Ende neue Tarifvereinbarungen in Bezug auf die Einführung der Automatisierung im Straßenverkehr auszuhandeln.

1.9.

Die Produkthaftungsrichtlinie sollte geändert werden und sowohl bewegliche Produkte und Dienstleistungen als auch Produkte mit integrierter Software umfassen, sodass die Verbraucher nicht erst herausfinden müssen, wer haftbar ist. Ein weiterer Aspekt, der in einem komplexeren digitalen Umfeld zu bedenken ist, ist zudem die Beweislast bei Produktfehlern, die in verbraucherfreundlicher Weise geregelt werden sollte. Der EWSA fordert die Kommission insbesondere auf, rechtzeitig Änderungen der Versicherungsrichtlinie im Zusammenhang mit selbstfahrenden Fahrzeugen ins Auge zu fassen und die Entschädigung von Unfallopfern sicherzustellen.

1.10.

Mit zunehmender Vernetzung kann von jedem Punkt der Welt aus auf Fahrzeugdaten zugegriffen werden. Vom Beispiel der Smartphones und PCs wissen wir, dass dies erhebliche Risiken und Herausforderungen in Sachen Sicherheit, Gefahrenabwehr und Schutz personenbezogener Daten mit sich bringt. An Fahrzeuge können deshalb nicht dieselben Standards angelegt werden, da hier die Gefahr von Todesfällen oder Verletzungen besteht. Der EWSA betont deshalb, dass bei jeder neuen Regelung des Datenzugangs für Fahrzeuge Sicherheit grundsätzlich Priorität haben muss.

1.11.

Der EWSA begrüßt den Ansatz der Kommission, den Schwerpunkt auf den Schutz von Fahrzeugen gegen Cyberangriffe zu legen und eine sichere und zuverlässige Kommunikation zwischen Fahrzeug und Infrastruktur und ein solides Niveau des Datenschutzes im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung zu gewährleisten.

1.12.

Der EWSA ist bereit, an der angekündigten Bewertung der sozioökonomischen und ökologischen Auswirkungen selbstfahrender Fahrzeuge durch die Kommission sowie an dem EU-Forum zu konkreten ethischen Fragen teilzunehmen.

2.   Einführung

2.1.

Die Initiative „Europa in Bewegung“ umfasst eine Reihe von Gesetzgebungsinitiativen in Form von drei Paketen. Mit dem ersten Paket verfolgte die EU das Ziel, rasche Fortschritte in Bezug auf die Schaffung eines sauberen, wettbewerbsfähigen und vernetzten Mobilitätssystems bis 2025 zu erzielen, das entscheidend für einen gut funktionierenden einheitlichen europäischen Verkehrsraum ist (1). Beim zweiten Paket ging es in erster Linie um Mittel und Wege zur Reduzierung der straßenverkehrsbedingten Emissionen (2). Der Schwerpunkt des dritten Pakets, das jetzt veröffentlicht wurde und Gegenstand dieser Stellungnahme ist, sind Sicherheitsfragen. Dazu hat die Kommission in der Mitteilung „Auf dem Weg zur automatisierten Mobilität“ (3) eine Strategie vorgelegt.

2.2.

Vor allem die Landverkehrstechnik dürfte durch die Digitalisierung revolutioniert werden. Die Mitteilung ist deshalb in einem breiteren Zusammenhang zu sehen, der auch andere Themen wie die Zukunft der Arbeit, Forschung und Innovation, Künstliche Intelligenz (KI) und die Agenda für Kompetenzen umfasst.

3.   Wesentlicher Inhalt des Vorschlags

3.1.

In ihrer Mitteilung schlägt die Kommission ein umfassendes Konzept der EU für eine vernetzte und automatisierte Mobilität vor und gibt dabei eine ehrgeizige europäische Agenda vor, die eine gemeinsame Vision zeichnet und unterstützende Maßnahmen für die Entwicklung und den Einsatz wichtiger Schlüsseltechnologien, Dienstleistungen und Infrastrukturen beinhaltet.

3.2.

Die Kommission verfolgt das Projekt „Vision Null bis 2050“, da das automatisierte Fahren bahnbrechende Veränderungen bewirken und die Zahl der Unfalltoten erheblich verringern oder gar auf Null senken kann. Auf diese Weise trägt sie auch zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in den Bereichen gesundes Leben und Wohlergehen sowie nachhaltige Städte und Gemeinschaften bei.

3.3.

Zur Stärkung der Technik und Infrastruktur für die automatisierte Mobilität in der EU finanziert die Kommission verschiedene Instrumente und schlägt eine Reihe von Initiativen vor:

die Fazilität „Connecting Europe“ mit 450 Mio. EUR zur Förderung der Digitalisierung im Verkehr, die zu einer stärkeren Automatisierung beitragen soll,

groß angelegte Tests auf der Grundlage von grenzüberschreitenden 5G-Korridoren,

Prioritäten bei der Finanzierung von Forschung und Innovation (Horizont 2020 und das nächste Rahmenprogramm).

3.4.

Bis 2019 will die Kommission die ersten Dienste von Galileo, die eine sehr hohe Genauigkeit aufweisen, kostenlos zur Verfügung stellen, womit sie der erste Anbieter weltweit ist, der einen solchen Navigationsdienst zur Verfügung stellt.

3.5.

Zur Schaffung eines Binnenmarktes für die sichere Einführung automatisierter Mobilität schlägt die Kommission (größtenteils im Rahmen der Überarbeitung der Verordnung über die allgemeine Fahrzeugsicherheit) Folgendes vor:

Erarbeitung von Leitlinien gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, um bei den nationalen Ad-hoc-Sicherheitsprüfungen für automatisierte Fahrzeuge für einen harmonisierten Ansatz zu sorgen,

Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und beteiligten Akteuren, um ein neues Konzept für die Sicherheitszertifizierung automatisierter Fahrzeuge zu erarbeiten,

neue Sicherheitsfunktionen für automatisierte Fahrzeuge im Rahmen der Überarbeitung der Verordnung über die allgemeine Fahrzeugsicherheit,

Regulierung von Datenschreibern für automatisierte Fahrzeuge,

Regulierung des Platooning, um die Standardisierung des Datenaustauschs zwischen verschiedenen Marken sicherzustellen,

Regulierung des Schutzes von Fahrzeugen gegen Cyberangriffe,

Berücksichtigung der Notwendigkeit von Spezifikationen für den Zugang zu Fahrzeugdaten seitens staatlicher Stellen,

Verabschiedung einer delegierten Verordnung, um eine sichere und zuverlässige Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und der Infrastruktur und ein solides Datenschutzniveau in Übereinstimmung mit der Datenschutz-Grundverordnung sicherzustellen.

3.6.

Gemäß einer Schlussfolgerung des Rates beabsichtigt die Kommission, die sozioökonomischen und ökologischen Auswirkungen der Automatisierung und Digitalisierung im Bereich des Verkehrs unter Berücksichtigung der in diesem Bereich benötigten neuen Kompetenzen zu bewerten. Zu diesem Zweck wird die Kommission

sich mit interessierten Parteien über die sozioökonomischen und ökologischen Auswirkungen der fahrerlosen Mobilität beraten,

die Aneignung neuer Kompetenzen und den Erhalt sowie die Umschulung der Arbeitskräfte in diesem Sektor im Rahmen der neuen europäischen Agenda für Kompetenzen unterstützen,

ein EU-weites Forum bereitstellen, um spezifische ethische Fragen im Zusammenhang mit der fahrerlosen Mobilität zu behandeln.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1.

Digitalisierung und Automatisierung auf der Grundlage schneller und zuverlässiger Internetverbindungen bieten ein breites Spektrum an neuen Funktionen für Verbraucher und Unternehmen, die einen bequemen, flexiblen, erschwinglichen und sicheren Straßenverkehr von höherer Qualität wollen.

4.2.

Die Automobilindustrie der EU mit all ihrem Fachwissen bei der Entwicklung von Fahrzeugtechnik verfügt über die besten Voraussetzungen, um diese Chance zu nutzen. Der EWSA betont, dass generell eine Harmonisierung der Verkehrssysteme bzw. die Entwicklung technischer Lösungen für eine grenzüberschreitende Nutzung als grundlegende Voraussetzung für einen reibungslos funktionierenden Binnenmarkt angestrebt werden müssen.

4.3.

Die Vernetzung von Fahrzeugen untereinander und mit einer festen Infrastruktur ist entscheidend für die umfassende Nutzung der digitaltechnischen Möglichkeiten. Der EWSA begrüßt deshalb den Zeitplan für den Ausbau des Hochgeschwindigkeitsbreitbandnetzes auf EU-Ebene im Hinblick auf eine flächendeckende 5G-Anbindung mit leistungsfähiger Internetkonnektivität für alle wichtigen Landverkehrsstrecken (4).

4.4.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission erneut auf, das Projekt „Vision Null 2050“ weiterzuverfolgen. Ein wesentlicher Punkt ist, dass das automatisierte oder teilautomatisierte Fahren erheblich zur Verbesserung der aktiven Sicherheit von Landfahrzeugen beitragen und die Zahl der Unfalltoten beträchtlich verringern oder gar auf Null senken kann.

5.   Öffentliche Akzeptanz und sozioökonomische Auswirkungen

5.1.

Die neue Technik kann nur dann erfolgreich eingesetzt werden, wenn auch die sozioökonomischen Auswirkungen angemessene Berücksichtigung finden. Ausschlaggebend für die Einführung automatisierter Mobilität ist die öffentliche Akzeptanz.

5.2.

Der EWSA ist überzeugt, dass die vernetzte automatisierte Mobilität Vorteile für unsere Gesellschaft bringen wird, da sie neue Dienstleistungen für die Mobilität im Personenverkehr, zusätzliche Möglichkeiten für die Sharing Economy und die Umwelt sowie Mobilität für jene bietet, die nicht selbst fahren können.

5.3.

Für Sicherheits- und Haftungsfragen muss klar zwischen halbautomatischem und automatischem Fahren unterschieden werden. In halbautomatischen Fahrzeugen (Stufen 1 bis 4) unterstützen die neuen Technologien (Radar, Kamera, Laser) die Fahrer, während selbstfahrende Fahrzeuge (Stufe 5) überhaupt keinen Fahrer mehr benötigen. Im ersten Fall ist der Fahrer in jedem Fall nach wie vor verantwortlich, im zweiten Fall hingegen wäre die Haftungsfrage noch zu klären. Der EWSA ist überzeugt, dass selbstfahrende Fahrzeuge denselben Sicherheitsstandards genügen müssen wie andere Systeme für den Personenverkehr, beispielsweise die Eisenbahn oder große Flugzeuge. Wenn menschliche Fehler ausgeschlossen sind, muss das automatische Verkehrssystem zu 100 % sicher sein.

5.4.

Unsere Gesellschaft toleriert menschliche Fehler bis zu einem gewissen Grad, was erklärt, warum die Zahl von etwa 25 000 Verkehrstoten in der EU im Jahr 2016 hingenommen wird. Bei anderen Verkehrssystemen, bei denen die Passagiere passiv bleiben, sieht dies ganz anders aus. Die Forderung nach 100-prozentiger Sicherheit bei selbstfahrenden Fahrzeugen ist eine große Hürde, solange sich diese sowie konventionelle Fahrzeuge und andere Straßennutzer (Fahrradfahrer, Fußgänger, Fahrzeuge mit besonderer Zweckbestimmung) auf derselben Straße bewegen.

5.5.

Tödliche Unfälle mit selbstfahrenden Fahrzeugen könnten auch bei einer relativ geringen Unfallrate zu einem erheblichen Hindernis für diese Technologie werden. Der EWSA empfiehlt deshalb, alle Pilotprojekte und Tests im Bereich des automatisierten Fahrens unter höchstmöglichen Sicherheitsstandards durchzuführen. Diese Rahmenbedingung kann die Entwicklung im Vergleich zu Konkurrenten außerhalb der EU verlangsamen, stärkt jedoch andererseits die öffentliche Akzeptanz und führt langfristig zu besseren Produkten. Der EWSA verweist darauf, dass eine hundertprozentige Sicherheit bei selbstfahrenden Fahrzeugen nur möglich ist, wenn das Straßensystem grundlegend neu gestaltet wird.

5.6.

In Bezug auf die Entwicklung ethischer Leitlinien für hochautomatisierte Fahrzeuge verweist der EWSA auf den Grundsatz, dass der Mensch letztlich die Kontrolle haben muss, wie mehrfach in anderen Stellungnahmen betont. Nach diesem Grundsatz können nur Menschen „verantwortliche Entscheidungen“ treffen, was Folgen für die Gestaltung selbstfahrender Fahrzeuge und das Umfeld hat, in dem diese verkehren dürfen. Allerdings können sicherheitsrelevante Aktionen selbstfahrender Fahrzeuge, etwa zur Vermeidung von Unfällen, schwerwiegende „ethische Fragen“ in Bezug auf die Programmierung aufwerfen, die gelöst werden müssen.

5.7.

Der EWSA ist sich bewusst, dass halbautomatische Fahrzeuge (Stufen 1 bis 4) bereits zu einer Reduzierung der Zahl der Verkehrstoten führen können, und unterstützt deshalb den Ansatz der Kommission, im Rahmen der Überarbeitung der Verordnung über die allgemeine Fahrzeugsicherheit die Zahl der neuen Sicherheitsfunktionen für Fahrzeuge zu erhöhen. Er stellt in diesem Zusammenhang zwei Problembereiche fest, die der öffentlichen Akzeptanz entgegenstehen können: a) Zusätzliche technische Funktionen können die Kosten für ein Fahrzeug erheblich erhöhen, und b) eine zunehmende Zahl von Unterstützungssystemen kann das Fahren eines Fahrzeugs wesentlich komplexer machen.

5.8.

In der üblichen Ausbildung zur Erlangung eines Führerscheins (Leichtfahrzeuge, Lkw und Busse) wurden und werden die modernsten Fahrerassistenzsysteme nicht berücksichtigt. Hier ist ganz offensichtlich eine zusätzliche Ausbildung für Anfänger ebenso wie für erfahrene Fahrer nötig. Zudem müssen die Verbraucher zum Zeitpunkt des Kaufs, der Anmietung oder des Car-Sharings klare und eindeutige Informationen über die Merkmale eines modernen Fahrzeugs erhalten. Der EWSA schlägt vor, dass die Automobilindustrie gemeinsam mit den Kommunen Schulungen anbietet und Übungsplätze für Privatpersonen und Berufskraftfahrer zur Verfügung stellt. Die Führerscheinprüfungen für Fahranfänger sollten auch ein Sicherheitstraining in Bezug auf die Verwendung neuer Technik und automatisierter Funktionen umfassen. Die Ausbildung zum Führen halbautomatischer Fahrzeuge ist ausschlaggebend für die Entwicklung eines modernen Berufsbildes für Kraftfahrer und kann neue Fertigkeiten erfordern und neue Verantwortung mit sich bringen.

5.9.

Der EWSA räumt ein, dass letztlich möglicherweise zahlreiche Arbeitsplätze verlorengehen werden (etwa für Bus- oder Lkw-Fahrer), wenn die vollständige Automatisierung (Stufe 5) erfolgreich einführt wird. Er fordert die Kommission auf, generellen Bedenken Rechnung zu tragen, dass die Einführung einer neuen Technik/Digitalisierung/Automatisierung in zahlreichen Sektoren (Verkehr, verarbeitendes Gewerbe, Finanzdienstleistungen usw.) zu einem erheblichen Verlust an Arbeitsplätzen führen kann, an deren Stelle nur relativ wenige neue Arbeitsplätze entstehen werden. Der EWSA bekräftigt, dass die Vorteile der neuen Technik/Digitalisierung/Automatisierung der ganzen Gesellschaft zugutekommen müssen und nicht nur im Interesse privater Unternehmen zur Reduzierung der Arbeitskosten eingesetzt werden dürfen. Allerdings ist auch darauf hinzuweisen, dass die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers schon heute mehr umfasst als nur das Führen eines Fahrzeugs und die Aufgaben der in der Verkehrsbranche Tätigen künftig, wenn weniger Bedarf am Führen eines Fahrzeugs an sich besteht (Stufe 5), erweitert werden können, was die Reduzierung reiner Fahrtätigkeiten in hohem Maße kompensieren könnte.

5.10.

Der EWSA teilt voll und ganz die Auffassung, dass die Einführung halbautomatischer (Stufen 1 bis 4) und vollautomatischer (Stufe 5) Systeme für Lkw und Busse Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und die Arbeitsbedingungen haben wird. Er fordert die Sozialpartner deshalb auf, künftige Entwicklungen gemeinsam zu planen und am Ende neue Tarifvereinbarungen in Bezug auf die Einführung der neuen Technik/Digitalisierung/Automatisierung im Straßenverkehr auszuhandeln. Es ist zu begrüßen, dass einige Gewerkschaften (z. B. UNITE im Vereinigten Königreich) bereits Modelle für Tarifvereinbarungen entwickelt haben, mit denen Arbeitsplätze geschützt, Umschulungen und Weiterbildungen gewährleistet und dafür gesorgt wird, dass Kosteneinsparungen in gerechter Weise auch den Arbeitnehmern zugutekommen.

5.11.

Die Produkthaftungsrichtlinie sollte geändert werden und sowohl bewegliche Produkte und Dienstleistungen als auch Produkte mit integrierter Software umfassen, sodass die Verbraucher nicht erst herausfinden müssen, wer haftbar ist (siehe auch Stellungnahme INT/857). Ein weiterer Aspekt, der in einem komplexeren digitalen Umfeld zu bedenken ist, ist zudem die Beweislast bei Produktfehlern, die in verbraucherfreundlicher Weise geregelt werden sollte.

5.12.

Der EWSA begrüßt, dass die Datenschutzvorschriften der EU auf internationaler Ebene zunehmend als zu den weltweit höchsten Datenschutzstandards gehörig anerkannt werden, und befürwortet den Ansatz der Kommission, den Schwerpunkt auf den Schutz von Fahrzeugen gegen Cyberangriffe zu legen und so eine sichere und zuverlässige Kommunikation zwischen Fahrzeug und Infrastruktur und ein solides Niveau des Datenschutzes im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung zu gewährleisten.

5.13.

Mit zunehmender Vernetzung kann von jedem Punkt der Welt aus auf Fahrzeugdaten zugegriffen werden. Dies eröffnet ungeahnte Möglichkeiten, bringt aber auch erhebliche Risiken und Herausforderungen in Sachen Sicherheit und Schutz personenbezogener Daten mit sich. Nötig sind weitaus höhere Standards für die Sicherheit und den Schutz der personenbezogenen Daten bei Fahrzeugen etwa im Vergleich zu Smartphones. Die EU wird aufgefordert, solche Standards zu entwickeln und weltweit entsprechende Abkommen darüber auszuhandeln.

5.14.

Der Zugang zu Fahrzeugdaten ist von großer Bedeutung für den Wettbewerb in Bezug auf den Kundendienst nach dem Verkauf, insbesondere für unabhängige Anbieter von Reparatur- und Wartungsleistungen, mit möglichen Folgen für Verbraucherentscheidungen und Kosten. Der EWSA fordert die Kommission auf, die Regeln für die Nutzung von Daten schnellstmöglich anzuwenden, insbesondere mit Blick auf die Tatsache, dass die EU-Automobilindustrie bereits detaillierte Vorschläge für eine faire Plattform für den sicheren und diskriminierungsfreien Datenaustausch mit Dritten vorgelegt hat, bei der auch die Datenschutzrechte der Kunden berücksichtigt werden (etwa das detaillierte „NEVADA“-Konzept, das die EU-Automobilindustrie entwickelt hat (Quelle VDA)).

5.15.

Die Kommission sollte berücksichtigen, dass sich die für den Betrieb vernetzter und selbstfahrender Fahrzeuge erforderliche Infrastruktur zwischen den Mitgliedstaaten erheblich unterscheidet. Darüber hinaus sollten die Marktüberwachungsbehörden in allen Mitgliedstaaten über ausreichende Ressourcen verfügen, um sich auf die neuen Technologien einzustellen.

Brüssel, den 17. Oktober 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  ABl. C 246 vom 28.7.2017, S. 64.

(2)  ABl. C 262 vom 25.7.2018, S. 75.

(3)  COM(2018) 283 final.

(4)  ABl. C 125 vom 21.4.2017, S. 51.