23.7.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 218/46


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euroraum“

KOM(2010) 524 endg. — 2010/0278 (COD)

2011/C 218/08

Berichterstatter: Vincent FARRUGIA

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 6. Dezember 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 136 und 121 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euroraum

KOM(2010) 524 endg. — 2010/0278 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 8. April 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 471. Plenartagung am 4. und 5. Mai 2011 (Sitzung vom 5. Mai) mit 139 gegen 10 Stimmen bei 33 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) vertritt die Auffassung, dass Reformen des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) vorgenommen werden müssen, um die Probleme infolge der Krise von 2008 sowie die seit langem bestehenden Mängel zu beseitigen, die auch schon vor der Krise zutage getreten sind. Zudem weist der EWSA darauf hin, dass es mit dem SWP nicht gelungen ist, Haushaltsungleichgewichte zu vermeiden, die auf andere Ursachen wie z.B. makroökonomische Ungleichgewichte oder Mängel hinsichtlich der Praktiken und der Regulierung des Bank- und Finanzwesens zurückzuführen sind.

1.2   Der EWSA begrüßt den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung als einen Schritt hin zu der dringend nötigen Reform, hält es jedoch für erforderlich, die präventiven und korrektiven Komponenten dieses Vorschlags einer angemessenen Überprüfung zu unterziehen.

1.3   Der EWSA ist der Auffassung, dass bei den haushaltspolitischen Vorschriften folgenden Aspekten zentraler Stellenwert beigemessen werden sollte:

der Frage der Qualität haushaltspolitischer Maßnahmen im Hinblick auf einen stärkeren Beitrag der Einnahmen-/Ausgabenmechanismen zur Angebotsseite der Wirtschaft;

der Tatsache, dass sich die Nachhaltigkeit haushalts- und finanzpolitischer Positionen am besten durch eine stärkere Anwendung präventiver statt korrektiver Ansätze erzielen lässt, und

der Tatsache, dass anreizbasierte Mechanismen größere Erfolgschancen haben als Mechanismen, die ausschließlich auf Sanktionen beruhen.

Dies schmälert jedoch nicht die Bedeutung des korrektiven Ansatzes, der für die Verbesserung der Haushaltsdisziplin entscheidend ist.

1.3.1   Ein solcher Ansatz wird als voll und ganz mit den Zielen der Europa-2020-Strategie für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum übereinstimmend angesehen.

1.4   Im Einklang mit den im Jahreswachstumsbericht aufgeführten Zielen wird in Bezug auf die präventive Komponente vorgeschlagen, dass die Festlegung konkret bezifferbarer Haushaltsvorgaben auf der Grundlage eines zweigleisigen Ansatzes erfolgt, bei dem bestimmte Elemente von oben nach unten, andere hingegen von unten nach oben ausgerichtet sind. Das von oben nach unten gerichtete Element würde auf der Festlegung eines Ziels für die Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung beruhen, die für das gesamte Euro-Währungsgebiet erforderlich sind, während im Rahmen des von unten nach oben gerichteten Elements festgelegt würde, wie diese Bemühungen in Form konkreter Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Auf diese Weise könnten mittels eines formalen Ansatzes die Bemühungen der Kommission um eine stärkere Berücksichtigung der länderspezifischen Gegebenheiten bei der Anwendung des SWP unterstützt werden.

1.5   Im Rahmen eines solchen Ansatzes kann es im Hinblick auf die von einer Währungsunion erwarteten positiven Signale in Bezug auf die Glaubwürdigkeit erforderlich sein, dass die Mitglieder aufgefordert werden, entsprechend ihrer relativen Größe innerhalb des Währungsgebiets und ihrer diesbezüglichen Leistungsfähigkeit Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung zu unternehmen.

1.6   Des Weiteren schlägt der EWSA vor, dass im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Hinterlegung verzinslicher und unverzinslicher Einlagen und zur Zahlung von Geldbußen verlangt wird, dass die entsprechenden Mittel in erster Linie direkt durch die Korrektur derjenigen politischen Entscheidungen aufgebracht werden, die nicht nachhaltige Finanzlagen bewirken. Ob eine solche vorliegt, würde anhand einer Bewertung der Abweichungen der einnahmen- und ausgabenseitigen Elemente von den im Rahmen der präventiven Komponente ermittelten Vorgaben zur Gewährleistung der Konvergenz bestimmt. Ihr Wert soll im Verhältnis zur Höhe der Ausgaben und/oder Einnahmen errechnet werden, die nachweislich unmittelbar zu der mangelnden Nachhaltigkeit der Haushaltspolitik führen. Dieses Konzept würde zur Gestaltung einer besseren Haushaltspolitik beitragen.

1.7   Zudem wird vorgeschlagen, ergänzend zu den im Rahmen der korrektiven Komponente ergriffenen Sanktionen eine konsequente Folgenabschätzung durchzuführen, um sicherzustellen, dass tatsächlich Verbesserungen bei der Gestaltung der Haushaltspolitik des betreffenden Mitgliedstaats erzielt werden.

1.8   Zur Herstellung eines Gleichgewichts zwischen anreiz- und sanktionsbasierten Ansätzen im Rahmen der korrektiven Komponente schlägt der EWSA vor, dass der jeweilige Mitgliedstaat Zinsen auf nicht verzinsliche Einlagen erhalten kann, sobald er einen Abbau der Staatsschulden erzielt hat, der der Höhe nach mindestens diesen Zinsen entspricht und voraussichtlich dauerhaft sein wird. Geldbußen würden wiederum in den Europäischen Stabilitätsmechanismus fließen.

1.9   Der EWSA ist der Ansicht, dass eine gründliche Reform der haushaltspolitischen Überwachung ein Eckpfeiler für die Stärkung der Ordnungspolitik und die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit im Euroraum sein wird.

2.   Wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euroraum

2.1   Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 hat zu einem starken Anwachsen der Haushaltsdefizite und der Schulden geführt. Dies hat die Besorgnis in Bezug auf die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte verschärft. Die unterschiedlichen Ergebnisse bei der haushaltspolitischen Konsolidierung in den einzelnen Mitgliedstaaten, wobei in einigen Fällen die Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit der öffentlichen Hand nicht auszuschließen ist, gepaart mit einer unzureichenden haushaltspolitischen Abstimmung und mangelhaften Ausgleichsmechanismen sind eine weitere große Herausforderung. Zusätzlichen Anlass zu Besorgnis geben die Unzulänglichkeiten in den Banken- und Finanzsystemen und in der Regulierungsinfrastruktur sowie die in diesem Zusammenhang möglichen Fälle von Zahlungsunfähigkeit.

2.2   Der SWP, ein Rahmen mit festen Regeln für die Koordinierung der nationalen Haushaltspolitik in der Wirtschafts- und Währungsunion, wurde eigens geschaffen, um die Haushaltsdisziplin zu gewährleisten, doch haben die Erfahrungen der jüngsten Zeit gezeigt, dass das System nach wie vor Lücken und Mängel aufweist, die die Stabilität des Euro beträchtlich schwächen können. Dies hat Diskussionen über die Bedeutung der wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU (1) in Gang gebracht, in deren Rahmen die Kommission im September 2010 ein Legislativpaket von sechs Mitteilungen vorlegte. Dabei geht es um die Stärkung des SWP durch

eine umsichtige Haushaltspolitik (2),

die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (3),

die Schaffung solider haushaltspolitischer Rahmen der Mitgliedstaaten (4) sowie

eine wirksamere Durchsetzung (5).

2.3   In dieser Stellungnahme geht es insbesondere um den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euroraum (6) und damit um Aspekte der Durchsetzung. Zudem sei darauf hingewiesen, dass der EWSA derzeit eine weitere Stellungnahme zur Kommissionsmitteilung KOM(2010) 527 endg. (7) ausarbeitet.

3.   Hintergrund

3.1   Das Hauptinstrument der haushaltspolitischen Koordinierung und Überwachung im Euroraum ist der SWP, mit dem die Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Haushaltsdisziplin umgesetzt werden. Der Europäische Rat stellte in seiner Tagung vom Juni 2010 einhellig fest, dass die Koordinierung der Wirtschaftspolitik dringend verstärkt werden muss. Dazu vereinbarte er folgende Orientierungen:

(i)

sowohl die präventive als auch die korrektive Komponente des SWP u.a. durch Sanktionen zu stärken und der besonderen Lage der Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet angehören, gebührend Rechnung zu tragen,

(ii)

den Schuldenständen und ihrer Entwicklung sowie der globalen Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen im Rahmen der haushaltspolitischen Überwachung sehr viel stärkere Beachtung zu schenken,

(iii)

zu gewährleisten, dass alle Mitgliedstaaten über nationale Haushaltsvorschriften und mittelfristige Haushaltsrahmen verfügen, die mit dem SWP in Einklang stehen,

(iv)

die Qualität der statistischen Daten sicherzustellen.

3.2   Zur wirksamen Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euroraum sollen die Verordnungen (EG) Nr. 1466/97 und (EG) Nr. 1467/97, die die Grundlage des SWP bilden, durch den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates geändert werden (8). Konkret zielt der Verordnungsvorschlag auf eine Untermauerung der präventiven und eine Stärkung der korrektiven Komponente des SWP ab.

3.2.1   Was die präventive Komponente betrifft, so soll nach dem Verordnungsvorschlag das derzeitige mittelfristige Ziel der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme sowie die Anforderung einer jährlichen BIP-Konvergenz von 0,5 % zwar beibehalten werden, gleichzeitig aber durch den neuen Grundsatz einer vorsichtigen Haushaltspolitik konkret ausgestaltet werden. Dieser Grundsatz beinhaltet dem Vorschlag zufolge, dass das jährliche Ausgabenwachstum nicht über eine vorsichtige mittelfristige Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts hinausgehen sollte, es sei denn, diese Überschreitung wird durch einen Anstieg der Staatseinnahmen in gleicher Höhe ausgeglichen oder diskretionäre Einnahmensenkungen werden durch Ausgabenkürzungen kompensiert. Wird von einer vorsichtigen Haushaltspolitik abgewichen, gibt die Kommission eine Empfehlung ab, mit der ein Durchsetzungsmechanismus gemäß Artikel 136 des Vertrags in Gang gesetzt und eine verzinsliche Einlage in Höhe von 0,2 % des BIP verlangt wird.

3.2.2   Die korrektive Komponente steht im Zusammenhang mit der Verpflichtung der Mitgliedstaaten des Euroraums, ein übermäßiges Defizit und eine übermäßige Verschuldung zu vermeiden. Diese werden anhand numerischer Schwellenwerte für Defizit (3 % des BIP) und Staatsschuld (60 % des BIP oder hinreichend rückläufiger Trend) ermittelt.

3.2.2.1   Die Kommission erkennt in ihrem Vorschlag an, dass das dem jährlichen Haushaltssaldo beigemessene Gewicht dazu führen kann, dass der Schwerpunkt zu stark auf kürzerfristige Entwicklungen gelegt wird, und dass die Schulden als Indikatoren für die längerfristige Nachhaltigkeit der Haushalte mehr Aufmerksamkeit verdienen.

3.2.2.2   In dem Vorschlag für eine Verordnung heißt es in Bezug auf die korrektive Komponente, dass die Durchsetzung durch die Einführung einer Reihe neuer finanzieller Sanktionen für die Mitgliedstaaten des Euroraums, die nach einem schrittweisen Ansatz früher im Verfahren zum Einsatz kämen, gestärkt wird. Nach dem Beschluss über das Vorliegen eines übermäßigen Defizits in einem Land soll insbesondere eine unverzinsliche Einlage in Höhe von 0,2 % des BIP fällig werden, die in eine Geldbuße umgewandelt wird, falls die Empfehlung zur Korrektur des übermäßigen Defizits nicht befolgt wird.

3.2.3   Sowohl bei der präventiven als auch bei der korrektiven Komponente schlägt die Kommission ein Verfahren der „umgekehrten Abstimmung“ vor, bei der die Kommission dem Rat eine Empfehlung unterbreitet, nach der der Mitgliedstaat die Einlage zu entrichten hat. Dieser Empfehlung ist nachzukommen, es sei denn, der Rat beschließt innerhalb von zehn Tagen mit qualifizierter Mehrheit das Gegenteil.

3.2.4   Des Weiteren hält die Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag fest, dass der Rat die Höhe der Einlage einstimmig oder in Sonderfällen auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission oder eines begründeten Antrags des betreffenden Mitgliedstaats verringern kann. Im Rahmen der präventiven Komponente wird die Einlage zuzüglich der aufgelaufenen Zinsen an den betreffenden Mitgliedstaat freigegeben, sobald sich der Rat davon überzeugt hat, dass der Mitgliedstaat der zugrunde liegenden Situation abgeholfen hat. Zur unverzinsliche Einlage im Rahmen der korrektiven Komponente weist die Kommission im Verordnungsvorschlag darauf hin, dass diese nach der Korrektur des übermäßigen Defizits freigegeben wird, während die Zinsen auf solche Einlagen und die vereinnahmten Geldbußen unter den Mitgliedstaaten aufgeteilt werden, deren Währung der Euro ist und die weder ein übermäßiges Defizit zu verzeichnen haben noch Gegenstand eines Verfahrens bei einem übermäßigen Ungleichgewicht sind.

3.2.5   Der Vorschlag steht im Zusammenhang mit generellen Forderungen nach einer breiteren makroökonomischen Bewertung, um strukturelle Ungleichgewichte, die sich nachteilig auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken, einbeziehen zu können. Dazu wurden auch ein Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Euroraum (9) sowie ein Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (10) veröffentlicht.

3.3   Zur Gewährleistung der Wirksamkeit der haushaltspolitischen Überwachung im Euroraum muss auch der haushaltspolitische Rahmen der Mitgliedstaaten im Blickpunkt stehen.

3.4   Diese Vorschläge sind Teil einer breiteren Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung im Rahmen der Ziele der Europa-2020-Strategie. Die wirtschaftspolitische Koordinierung, einschließlich der Überwachung der Haushaltslage durch Einhaltung der Haushaltsregeln und Umsetzung der Strukturreformen, soll in das sogenannte Europäische Semester eingebunden werden. Dabei wird die Haushalts- und Strukturpolitik der Mitgliedstaaten innerhalb eines bestimmten Zeitraums überprüft, um Unvereinbarkeiten und drohende Ungleichgewichte zu ermitteln und die Koordinierung zu stärken, solange wichtige haushaltspolitische Entscheidungen noch nicht gefallen sind (11).

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1   Erforderlich ist eine Reform des SWP, um die Schwächen des Systems zu beseitigen, die im Zuge der beispiellosen Krise von 2008 deutlich geworden sind, aber auch die Mängel, die schon vor der Krise zutage getreten sind.

4.2   Eine Reihe von Mitgliedstaaten des Euroraums wies nämlich schon einige Jahre vor der Krise ein Haushaltsdefizit über dem Referenzwert von 3 % sowie eine steigende Schuldenquote auf (12). Mit dem Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise sind die Haushaltsdefizite erheblich angewachsen, so dass das durchschnittliche Defizit im Euroraum Ende 2010 voraussichtlich 6,3 % des BIP und die Schuldenquote 84,1 % betragen wird (13). Der SWP war nicht dafür ausgelegt, derartige Ungleichgewichte zu verhindern, die in vielen Fällen auch aus starken Spannungen innerhalb des Weiteren makroökonomischen und finanziellen Umfelds resultierten.

4.3   Zwei wesentliche Punkte sind in Bezug auf den SWP in Angriff zu nehmen. Erstens kann der Durchsetzungsmechanismus verbessert werden. Zweitens wird dem Defizitkriterium übermäßiges Gewicht beigemessen, und gleichzeitig werden die Schulden zu wenig berücksichtigt. Dem Konjunkturzyklus wurde bei der Anwendung des SWP nicht ausreichend Rechnung getragen.

4.3.1   Probleme mit der Durchsetzung zeigen sich daran, dass einige Länder jahrelang gegen das Defizit- und das Schuldenstandskriterium verstoßen haben. Da keine Sanktionen folgten, kam es zu einer Haushaltspolitik, bei der nicht nur die Nachhaltigkeit des Haushalts in dem einzelnen Mitgliedstaat vernachlässigt wurde, sondern auch die Auswirkungen der nicht nachhaltigen Haushaltspolitik eines Mitglieds auf die gesamte Währungsunion unberücksichtigt blieben. Die mangelnde Durchsetzung in der Vergangenheit hat den SWP geschwächt und seine Glaubwürdigkeit untergraben.

4.3.1.1   Reformen der präventiven und der korrektiven Komponente des Pakts, flankiert von neuen, strengeren finanziellen Sanktionen, sollen diesem Mangel abhelfen. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit eine glaubwürdige Umsetzung erfolgen wird.

4.3.1.2   Einerseits ließe sich geltend machen, dass das Risiko diesmal extrem hoch ist, wenn die Maßnahmen nicht greifen. Mehr als je zuvor werden die Finanzmärkte mit besonderer Wachsamkeit verfolgen, wie die Länder des Euroraums das Haushaltsgleichgewicht und das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht überwachen. Das Fehlen einer glaubwürdigen Durchsetzung würde das Scheitern des SWP bedeuten und die Stabilität des Euroraums deshalb ernsthaft untergraben.

4.3.1.3   Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass die Vorschläge für eine verstärkte Überwachung angesichts der Auswirkungen einer beispiellosen Krise und zu einer Zeit nach wie vor schwachen Wirtschaftswachstums vorgelegt werden. Die Regierungen mussten Banken mit Kapital unter die Arme greifen, um einen vollständigen Zusammenbruch des Finanzsystems abzuwenden. Sie mussten zudem Maßnahmen ergreifen, um die wirtschaftlichen und sozialen Kosten der Krise abzufedern.

4.3.2   Angesichts des zu starken Gewichts, das dem Defizitkriterium beigemessen wird, wurde bei der Überarbeitung des SWP 2005 versucht, den Schwerpunkt auf die strukturellen Defizite zu verlagern, damit der konjunkturellen Lage in jedem Mitgliedstaat Rechnung getragen werden kann. Dabei wurde jedoch versäumt, die Haushaltsdisziplin langfristig gesehen zu berücksichtigen. Indem das Schuldenstandskriterium mehr Gewicht erhält, soll diesem Mangel bis zu einem gewissen Grade abgeholfen werden.

4.3.2.1   Bei dem Mechanismus müssen jedoch die Gründe für die Anhäufung von Schulden berücksichtigt werden. Schulden zur Finanzierung öffentlicher Investitionsprojekte, die einen hohen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen haben, sind anders zu bewerten als Schulden, die zur Deckung von Kosten aufgenommen werden, die nur eine geringe Rentabilität aufweisen.

4.3.2.2   Bei der Reform der Überwachungsmechanismen sollen länderspezifische Faktoren wie die Schuldenstruktur und damit zusammenhängende Risiken, die Verschuldung des Privatsektors sowie Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Bevölkerungsalterung berücksichtigt werden. Wichtig ist aber auch, eine Unterscheidung zwischen Auslands- und Inlandsverschuldung zu treffen, zumal letztere zur gesamtwirtschaftlichen Stabilität beiträgt.

4.3.2.3   Die Kritik am Überwachungsmechanismus zielt auch auf die Bedeutung konkreter Referenzwerte ab, deren Festlegung weitgehend willkürlich ist (14). Nichtsdestoweniger gilt es als anerkannt, dass der Wert des Referenzwerte-Ansatzes in seiner Einfachheit, in der Transparenz und der Stärkung der Governance liegt.

4.3.2.4   Abweichungen der einzelnen Mitgliedstaaten von derartigen Referenzwerten machen deutlich, wie weit die EU bisher von einer Konvergenz entfernt ist. Eine rasche Konvergenz zwischen den Ländern ist wünschenswert, und es ist richtig, dass der Europäische Rat dieser Frage kürzlich besondere Bedeutung beigemessen hat. Dies erfordert andererseits, dass in jedem Land sorgfältig abgewogen wird zwischen der erforderlichen Einhaltung der Haushaltsdisziplin und konkreten Erfordernissen an Umstrukturierung, Investitionen und Wachstum, denen durch haushaltspolitische Maßnahmen möglicherweise Rechnung getragen werden muss.

4.4   Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die Nachhaltigkeit des Haushalts nicht losgelöst von makroökonomischen Ungleichgewichten betrachtet werden kann. Eine umfassende makroökonomische Überwachung, die dazu dient, die Korrektur von Ungleichgewichten zu überprüfen, ist also höchst gerechtfertigt.

4.5   Die Tendenz hin zur Schaffung nationaler Haushaltsrahmen als Ergänzung zum SWP beruht auf der Anerkennung der Tatsache, dass Haushaltsdisziplin zwar alle Länder des Euroraums angeht, die Gesetzgebungsbefugnis in haushaltspolitischen Angelegenheiten jedoch bei der nationalen Ebene liegt.

4.5.1   Ein stärker dezentral ausgerichteter Ansatz in Fragen der Haushaltsdisziplin ließe sich einerseits durch eine Änderung des Vertrags erreichen, wobei die nationalen Interessen gegenüber den gemeinsamen Interessen eingeschränkt würden, sowie andererseits durch eine flexiblere Regelung auf der Grundlage von Vereinbarungen auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Wenn eine solche Änderung nicht erfolgt, werden die nationalen Interessen tendenziell dominieren – unabhängig davon, wie gerechtfertigt die gemeinsamen Interessen sind (15). Es sollte daher geprüft werden, welche Rolle die nationalen Bestimmungen über die finanzpolitische Verantwortung im Hinblick auf die Haushaltsdisziplin spielen können. Erfolgreich umgesetzt können diese nämlich den Anstoß für die Stärkung der finanzpolitischen Nachhaltigkeit im gesamten Euroraum geben.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1   Die Ziele der vorgeschlagenen Verordnung, d.h. die Stärkung des SWP durch Bereitstellung von Instrumenten für eine wirksame Durchsetzung, sind zu begrüßen, doch sollten bestimmte Aspekte der präventiven und der korrektiven Komponente des Pakts nach Auffassung des EWSA noch einmal geprüft werden.

5.2   Bei dem Ausgabenziel, das im Rahmen der präventiven Komponente beschrieben wird und das sich an einer vorsichtigen Schätzung des mittelfristig tragfähigen BIP-Wachstums orientiert, werden die verschiedenen Elemente der Staatsausgaben nicht berücksichtigt, obwohl eine Zielvorgabe in Bezug auf die Gesamtausgaben Vorteile in puncto Einfachheit und Stärkung der Governance aufweist. Dies gilt auch für die Haushaltsregeln, die sich ausschließlich auf die übergreifenden Indikatoren wie das Defizit- und das Schuldenstandskriterium konzentrieren. Bei diesem Kriterium bleibt das langfristige Wachstum auf der Angebotsseite, das durch bestimmte Arten von Staatsausgaben ausgelöst wird, ebenso unberücksichtigt wie die Entwicklungen bei der Ausgabenqualität und die Mechanismen zur Einnahmengenerierung im Allgemeinen.

5.2.1   Deshalb muss der Schwerpunkt auf die Qualität der öffentlichen Haushalte gelegt werden, indem die Struktur und die Effizienz der Staatsausgaben bewertet werden. Dies kann besonders bei Investitionen in Humanressourcen in Form von Ausgaben für Bildung und Gesundheit, Forschung und Entwicklung, öffentliche Infrastruktur und den Aufbau von Institutionen der Fall sein (16)  (17). Es wird daher vorgeschlagen, diesen Ausgabentyp insbesondere dann von der Ausgabenobergrenze auszunehmen, wenn es sich um mit EU-Mitteln getätigte Ausgaben und die entsprechende nationale Kofinanzierung handelt. Im Hinblick auf die Wahrung der Qualität der Sozialausgaben könnten auch die Pflichtleistungen im Rahmen der Arbeitslosenunterstützung ausgenommen werden. Darüber hinaus muss die Umsetzung der haushaltspolitischen Ziele im Einklang mit der Verwirklichung der Ziele der Europa-2020-Strategie für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum erfolgen, wobei die Erreichung dieser Ziele möglicherweise höhere Staatsausgaben erfordert (18).

5.2.2   Außerdem schlägt der EWSA zur Vermeidung von Unsicherheiten bezüglich der Verordnung vor, die Begriffe „vorsichtige Haushaltspolitik“, „vorsichtige Schätzung des mittelfristig tragfähigen BIP-Wachstums“ und „außergewöhnliche Umstände“ klar zu definieren.

5.3   Der Durchsetzungsmechanismus sollte nicht nur bei Abweichungen von den numerischen Werten ausgelöst werden, sondern es sollten auch weitergehende Aspekte wie die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Bedingungen in dem jeweiligen Mitgliedstaat berücksichtigt werden. Mit diesem Vorschlag soll die präventive Komponente nicht verwässert werden, sondern vielmehr die Berücksichtigung der in den einzelnen Ländern des Euroraums dominierenden Erwägungen ermöglicht werden. Dies steht im Übrigen im Einklang mit dem Vorschlag für eine Verordnung zu makroökonomischen Ungleichgewichten, in dem vorgesehen ist, dass nach Auslösung des Warnmechanismus eine eingehende Prüfung zur Lage des betroffenen Mitgliedstaats vorgenommen wird.

5.4   Weiter wird vorgeschlagen, dass die Verpflichtung zur Hinterlegung verzinslicher oder unverzinslicher Einlagen und die Verhängung von Geldbußen in jedem Fall so erfolgt, dass die entsprechenden Mittel direkt durch die Korrektur politischer Entscheidungen finanziert werden, die eine unvernünftige und nicht nachhaltige Haushaltslage verursachen. Ob eine solche vorliegt, wird anhand der Abweichungen von den Bestimmungen der präventiven Komponente ermittelt. Ferner würde ihr Wert im Verhältnis zur Höhe der Ausgaben und/oder Einnahmen bestimmt, die nachweislich direkt zur mangelnden Nachhaltigkeit der Haushaltspolitik führen. Auf diese Weise würde der Gefahr begegnet, dass Einlagen und Strafen durch Regierungsausgaben finanziert werden, die eine hohe Rentabilität aufweisen. Obwohl die Ermittlung nicht nachhaltiger Vorgehensweisen als schwieriges Unterfangen gilt, sollten Bemühungen unternommen werden, klare und in der Praxis anwendbare Definitionen festzulegen, die sich in diesem Zusammenhang als nützlich erweisen können.

5.4.1   Zudem ist wichtig, dass die Einlage nur dann freigegeben wird, wenn sich der Mitgliedstaat verpflichtet hat, diese Mittel wieder produktiv einzusetzen. In diesem Zusammenhang könnte es erforderlich sein, eine Kosten-Nutzen-Rechnung ähnlich jener vorzunehmen, die bei der Vergabe von Kohäsions- und Strukturfondsmitteln (19) durchgeführt wird.

5.5   Auch den Auswirkungen der Durchsetzung muss gebührend Rechnung getragen werden, etwa wenn eine unverzinsliche Einlage auferlegt oder eine Sanktion zu einem Zeitpunkt verhängt wird, an dem die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation in einem Mitgliedstaat möglicherweise nicht stabil ist. Deshalb sollten sämtliche Empfehlungen der Kommission zur Anwendung der korrektiven Komponente einer Folgenabschätzung unterliegen, aus der hervorgeht, inwiefern die Anwendung tatsächlich zu einer Verbesserung der Qualität der Finanzpolitik in dem betreffenden Mitgliedstaat und im Euroraum insgesamt führen würde. Im Hinblick auf die Durchsetzung kommt es darauf an, dass unterm Strich nicht mehr Schaden angerichtet als behoben wird.

5.6   In Artikel 7 der Verordnung ist festgelegt, dass die Einnahmen der Kommission aus Zinsen und Geldbußen auf die Mitgliedstaaten des Euroraums, bei denen weder ein übermäßiges Defizit festgestellt noch ein Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht eingeleitet wurde, entsprechend ihrem jeweiligen Anteil am Bruttonationaleinkommen aufgeteilt werden. Das System der Aufteilung kann dann zu größeren Ungleichgewichten innerhalb der Währungsunion führen, die möglicherweise beträchtliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten des Euroraums verursachen, die den Erfordernissen einer Währungsunion widersprechen.

5.7   Zur Herstellung eines Gleichgewichts zwischen anreiz- und sanktionsbasierten Ansätzen im Rahmen der korrektiven Komponente schlägt der EWSA vor, dass der jeweilige Mitgliedstaat Zinsen auf nicht verzinsliche Einlagen erhalten kann, sobald er einen Abbau der Staatsschulden erzielt hat, der der Höhe nach mindestens diesen Zinsen entspricht und voraussichtlich dauerhaft sein wird. Geldbußen würden wiederum in den Europäischen Stabilitätsmechanismus fließen.

5.8   Diesem Vorschlag liegt der Gedanke zugrunde, dass der SWP eher als Anreiz für eine nachhaltige Politik denn als ausschließlich strafendes Instrument dienen sollte.

5.9   Zwar ist unbestritten, dass die Vorgabe einer grundlegenden wirtschaftlichen und haushaltspolitischen Konvergenz auf gemeinsamen Zielstellungen beruhen muss, doch lässt sich geltend machen, dass ein „Einheitsziel“ möglicherweise flexibel umgesetzt werden muss, indem die Nachhaltigkeit der Haushalte kurzfristig bewertet wird, zumindest so lange, bis eine ausreichende wirtschaftliche Konvergenz zwischen den Ländern erzielt worden ist, aber auch indem berücksichtigt wird, dass die Mitgliedstaaten in ganz unterschiedlichem Maße von der jüngsten Rezession betroffen sind.

5.9.1   Auch ist es wichtig, die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die einzelnen Mitgliedstaaten von den positiven Signalen in Bezug auf die Glaubwürdigkeit profitieren können, die die Existenz einer großen Währungsunion nach außen ausstrahlen dürfte. Es wäre deshalb überlegenswert, ob die Länder nicht dennoch aufgefordert werden sollten, Bemühungen zur Konsolidierung ihres Haushalts entsprechend ihrer relativen Größe innerhalb des Währungsgebiets und ihrer diesbezüglichen Leistungsfähigkeit zu unternehmen. Auf diese Weise ließe sich das gemeinsame übergreifende Ziel für den Euroraum kohärent verwirklichen. Dies würde allen Ländern direkt zugute kommen, da das Währungsgebiet als Ganzes und insbesondere die Politikgestaltung der leistungsstärkeren Länder wirtschaftlich vertrauenswürdiger wäre.

5.9.2   Ob ein solches Konzept funktioniert, hängt in hohem Maße von dem von der Kommission vorgeschlagenen Überwachungsmechanismus ab, der gewährleisten soll, dass die im Rückstand befindlichen Länder alles in ihren Kräften Stehende tun, um in optimalem Tempo zu den Spitzenreitern aufzuschließen. Auch muss immer wieder betont werden, wie wichtig eine korrekte statistische Erfassung ist und dass Statistiken und Berichterstattung verbessert werden müssen, damit rechtzeitig verlässliche Daten vorgelegt werden können.

5.9.3   Deshalb schlägt der Ausschuss vor, in nächster Zeit und bis eine ausreichende wirtschaftliche Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten erzielt worden ist, einen zweigleisigen Ansatz mit Top-down- und Bottom-up-Elementen anzuwenden, der die Anstrengungen, die gegenwärtig zur Wiederherstellung der Nachhaltigkeit der Haushalte im Euroraum unternommen werden, ergänzt und verstärkt, indem planvoll und geordnet eine gewisse Flexibilität eingeführt wird.

5.9.4   Das Top-down-Element beruht auf der Festlegung eines Ziels für das gesamte Gebiet, in dessen Rahmen die auf dieser Ebene erforderlichen Bemühungen zur Konsolidierung der Haushalte bestimmt werden. Die Umsetzung dieses Ziels stärkt die Glaubwürdigkeit des Euroraums insgesamt, d.h. sämtliche Länder würden davon profitieren. Das Bottom-up-Element bedeutet, dass die Anstrengungen, die im gesamten Währungsraum zu unternehmen sind, auf die einzelnen Mitgliedstaaten aufgeschlüsselt werden. Dabei sind bestimmte objektive wirtschaftliche Kriterien zu berücksichtigen, zum Beispiel der Entwicklungsstand, der Investitionsbedarf, das Ausmaß der Rentenreform, die Qualität der öffentlichen Finanzen und die Effizienz des Steuersystems. Darüber hinaus könnte mit diesem Ansatz vermieden werden, dass eine zu restriktive Handhabung des SWP das Wachstum in bestimmten Ländern dauerhaft beeinträchtigt.

5.9.5   Dieser Ansatz würde einerseits ein Element der Solidarität zwischen den Ländern des Euroraums mit sich bringen, das durchaus angebracht ist, und andererseits einen Schritt hin zu einer besseren Abstimmung und haushaltspolitischen Integration bedeuten. Wenn eine grundlegende wirtschaftliche Konvergenz in ausreichendem Maße gegeben ist, bedeutet die Aufschlüsselung der Anstrengungen auf die Mitgliedstaaten nach dem Bottom-up-Element, dass die verschiedenen Länder gemeinsame bezifferbare Ziele verfolgen. Bis dahin würde die erforderliche Flexibilität im Falle einzelner Länder nicht länger offenbar ad hoc und eventuell ungerechtfertigt gewährt, wie es in der Vergangenheit oft der Fall war, sondern Teil eines kohärenten und konsistenten Systems sein, damit die erforderlichen Anstrengungen zur Konsolidierung der Haushalte in den Ländern des Euroraums unternommen werden können. So ließe sich die Glaubwürdigkeit des Systems erheblich verbessern.

5.9.6   Dieser Ansatz ähnelt seinem Wesen nach dem der Europa-2020-Strategie im Hinblick auf die Ableitung von Zielen, bei dem die Mitgliedstaaten eigene nationale Ziele beschließen, die im Einklang mit den übergreifenden Zielen der EU stehen. Anhang 1 des Jahreswachstumsberichts, der die vorläufigen Ziele der Mitgliedstaaten enthält, bezieht sich auf die Tatsache, dass ein wichtiges Element der Strategie darin besteht, dass sich jeder Mitgliedstaat mit Blick auf die Ziele von Europa 2020 eigene Vorgaben setzt. Es wird geltend gemacht, dass sich die Mitgliedstaaten weitaus mehr mit den Zielen identifizieren, wenn diese Gegenstand einer politischen Debatte im Land waren und unter Berücksichtigung der Ausgangslage und der aktuellen Situation festgelegt wurden. In diesem Zusammenhang schlägt der EWSA zudem vor, für jene Länder, die besonders umfangreiche Konsolidierungsarbeit zu leisten haben, ausdrücklich Übergangsfristen innerhalb eines realistischen Zeitrahmens für die Konsolidierung festzulegen.

5.9.7   Ziel des vorgeschlagenen Ansatzes ist es nicht, die von der Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag beschriebene präventive Komponente zu verwässern, da mit diesem eine langfristige Erreichung der bezifferten Konvergenzziele in allen Staaten des Euroraums angestrebt wird. Es soll jedoch nach dem Vorbild der von der Kommission selbst vorgeschlagenen länderspezifischen Ansätze die Möglichkeit eines formellen Rahmens geschaffen werden, innerhalb dessen die einzelnen Mitgliedstaaten des Euroraums die Konvergenzziele unterschiedlich schnell erreichen können. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Glaubwürdigkeit des Systems durch eine formale Verankerung der Flexibilität in den länderspezifischen Konvergenzplänen zu stärken.

5.10   Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass dem sozialen Dialog großes Gewicht zukommen muss. Auf nationaler Ebene ist der soziale Dialog wichtig für die Entwicklung eines nationalen politischen Rahmens, der vor allem die Haushaltspolitik und die makroökonomische Überwachung umfasst. Ein reifer und umfassender politischer und sozialer Dialog ermöglicht die Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen, vor allem langfristiger Natur wie die Rentenreform und die Gesundheitsausgaben. Damit die Regierungen Ziele wie Nachhaltigkeit der Haushalte und makroökonomisches Gleichgewicht erreichen, sind ein hohes Maß an sozialer Partnerschaft und Zusammenarbeit sowie politischer Konsens erforderlich.

5.10.1   Eine wichtige Aufgabe des EWSA besteht auch darin, einen effizienten Dialog seiner Mitglieder über Fragen der Nachhaltigkeit der Haushalte zu ermöglichen. Dazu kann er in enger Abstimmung mit dem nationalen sozialen Dialog Empfehlungen und Reformvorschläge vorlegen. Wie in der Stellungnahme „Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung für Stabilität, Wachstum und Beschäftigung - Instrumente für bessere wirtschaftspolitische Steuerung der EU“ vorgeschlagen, könnte der EWSA jährliche Sitzungen zu diesem Thema abhalten, um Empfehlungen und Reformvorschläge zu diskutieren. Darüber hinaus hat der EWSA als Vertretung der nationalen Sozialpartner die wichtige Aufgabe, zu gewährleisten, dass die nationalen Sozialbehörden im Einklang mit den gemeinschaftlichen Zielen, die der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung dienen, tätig werden.

Brüssel, den 5. Mai 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Siehe die EWSA-Stellungnahme im ABl. C 107 vom 6.4.2011, S. 7.

(2)  KOM(2010) 522 endg. und KOM(2010) 526 endg.

(3)  KOM(2010) 527 endg.

(4)  KOM(2010) 523 endg.

(5)  KOM(2010) 524 endg. und KOM(2010) 525 endg.

(6)  KOM(2010) 524 endg.

(7)  Siehe Stellungnahme des EWSA zum Thema „Makroökonomische Ungleichgewichte“, Siehe Seite 53 dieses Amtsblatts.

(8)  Diese Verordnungen wurden 2005 durch die Verordnung (EG) Nr. 1055/2005 und die Verordnung (EG). Nr. 1056/2005 geändert und durch den Bericht des Rates vom 20. März 2005 über die „Verbesserung der Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts“ ergänzt.

(9)  KOM(2010) 525 endg.

(10)  KOM(2010) 527 endg.

(11)  Das Europäische Semester wurde durch den im Januar 2011 veröffentlichten Jahreswachstumsbericht ins Leben gerufen (KOM(2011) 11 endg.). Der Jahreswachstumsbericht umfasst die verschiedenen Maßnahmen, die zur kurzfristigen Stärkung der Konjunkturbelebung erforderlich sind, wobei der Schwerpunkt jedoch auch auf den Zielen der Strategie Europa 2020 liegt.

(12)  Eurostat-Daten, 16.12.2010.

(13)  Europäische Kommission, European Economic Forecast, Herbst 2010.

(14)  WYPLOSZ, C (2002), „Fiscal Discipline in EMU: Rules or Institutions?“, Graduate Institute for International Studies, Genf und CEPR.

(15)  Generaldirektion Interne Politikbereiche der Union – Fachabteilung A: Direktion Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik, Wirtschaft und Währung, Multilaterale Überwachung (Charles WYPLOSZ).

(16)  Salvador BARRIOS und Andrea SCHÄCHTER, (2008), The Quality of Public Finances and Growth, European Commission Economic Papers 337.

(17)  António AFONSO, Werner EBERT, Ludger SCHUKNECHT und Michael THÖNE, (2005), Quality of Public Finances and Growth, ECB Working Paper Series No. 438.

(18)  Siehe EWSA-Stellungnahme ABl. C 107 vom 6.4.2011, S. 7.

(19)  Europäische Kommission, Generaldirektion für Regionalpolitik: Guide to Cost-Benefit Analysis of Investment Projects, Juni 2008.