URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

21. Januar 2021 ( *1 )

[Text berichtigt mit Beschluss vom 4. März 2021]

„Rechtsmittel – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) – Art. 5 und 6 – Allgemeine Pflicht zur Registrierung chemischer Stoffe – Art. 41 und 42 – Bewertung der Registrierungsdossiers und Prüfung der von den Registranten übermittelten Informationen auf Erfüllung der Anforderungen – Feststellung der Nichterfüllung der Anforderungen – Anfechtbare Handlung – Rechtsschutzinteresse – Klagebefugnis – Jeweilige Befugnisse der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) und der nationalen Behörden – Verpflichtung der ECHA, von den Registranten auf ihre Aufforderung hin nachgereichte Informationen auf Erfüllung der Anforderungen zu überprüfen – Befugnis der ECHA, insoweit eine geeignete Entscheidung zu erlassen – Art. 1 – Ziel des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt – Art. 13 und 25 – Durchführung von Tierversuchen – Förderung alternativer Methoden“

In der Rechtssache C‑471/18 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 18. Juli 2018,

Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch T. Henze und D. Klebs, dann durch D. Klebs und J. Möller als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Esso Raffinage mit Sitz in Courbevoie (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst H. Estreicher, Rechtsanwalt, und N. Navin-Jones, Solicitor, dann H. Estreicher, Rechtsanwalt, A. Kołtunowska, adwokat, K. Merten-Lentz, avocate, und N. Navin-Jones, Solicitor, schließlich H. Estreicher, Rechtsanwalt, A. Kołtunowska, adwokat, und K. Merten-Lentz, avocate,

Klägerin im ersten Rechtszug,

Europäische Chemikalienagentur (ECHA), vertreten durch W. Broere, C. Jacquet und M. Heikkilä als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Französische Republik, vertreten zunächst durch D. Colas, J. Traband und A.‑L. Desjonquères, dann durch E. Leclerc, J. Traband, W. Zemamta und A.‑L. Desjonquères als Bevollmächtigte,

Königreich der Niederlande, vertreten durch M. K. Bulterman und M. L. Noort als Bevollmächtigte,

Streithelfer im ersten Rechtszug,

[berichtigt mit Beschluss vom 4. März 2021] European Coalition to End Animal Experiments mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigter: D. Thomas, Solicitor,

Higher Olefins and Poly Alpha Olefins REACH Consortium mit Sitz in Brüssel (Belgien),

Higher Olefins & Poly Alpha Olefins vzw mit Sitz in Brüssel, Prozessbevollmächtigte: zunächst E. Vermulst, advocaat, dann P. Kugel, advocaat,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Dritten Kammer, der Richter N. Wahl und F. Biltgen sowie der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. September 2020

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Bundesrepublik Deutschland die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 8. Mai 2018, Esso Raffinage/ECHA (T‑283/15, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:263), mit dem das Schreiben der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) vom 1. April 2015 an das Ministère de l’Écologie, du Développement durable, des Transports et du Logement (Ministerium für Ökologie, nachhaltige Entwicklung, Verkehr und Wohnungswesen, Frankreich) mit dem Titel „Feststellung eines Verstoßes im Anschluss an eine Dossierbewertungsentscheidung nach der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006“ (im Folgenden: streitiges Schreiben) für nichtig erklärt wurde.

Rechtlicher Rahmen

2

Die Erwägungsgründe 15, 18 bis 20, 44, 47, 66, 121 und 122 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, Berichtigung im ABl. 2007, L 136, S. 3) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 (ABl. 2008, L 353, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: REACH-Verordnung) lauten:

„(15)

Es muss eine wirksame Handhabung der technischen, wissenschaftlichen und administrativen Aspekte dieser Verordnung auf [der Ebene der Europäischen Union] sichergestellt werden. Eine zentrale Stelle sollte daher eingerichtet werden, um diese Aufgabe zu übernehmen. Eine Durchführbarkeitsstudie über den Ressourcenbedarf dieser zentralen Stelle hat ergeben, dass eine unabhängige zentrale Stelle gegenüber anderen Optionen einige langfristige Vorteile bietet. Daher sollte eine Europäische Agentur für chemische Stoffe (nachstehend ‚[ECHA]‘ genannt) errichtet werden.

(18)

Die Verantwortung für das Risikomanagement im Zusammenhang mit Stoffen sollte bei den natürlichen oder juristischen Personen liegen, die diese Stoffe herstellen, einführen, in Verkehr bringen oder verwenden. …

(19)

Daher sollten die Registrierungsbestimmungen für Hersteller und Importeure die Verpflichtung vorsehen, Daten über die von ihnen hergestellten oder eingeführten Stoffe zu gewinnen, diese Daten zur Beurteilung der stoffspezifischen Risiken zu nutzen und geeignete Risikomanagementmaßnahmen zu entwickeln und zu empfehlen. Damit diese Verpflichtungen auch eingehalten werden sowie aus Gründen der Transparenz sollten sie im Rahmen der Registrierung bei der [ECHA] ein Dossier mit all diesen Informationen einreichen müssen. …

(20)

Die Bewertungsbestimmungen sollten Nacharbeiten im Anschluss an die Registrierung vorsehen, wobei die Übereinstimmung des Registrierungsdossiers mit den Anforderungen dieser Verordnung geprüft werden kann und erforderlichenfalls noch weitere Informationen über Stoffeigenschaften gewonnen werden können. Gelangt die [ECHA] in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zu der Auffassung, dass Gründe für die Annahme vorliegen, dass ein Stoff ein Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt birgt, so sollte die [ECHA] nach Aufnahme des Stoffes in den fortlaufenden Aktionsplan der [Union] für die Stoffbewertung dafür Sorge tragen, dass dieser Stoff bewertet wird, wobei sie sich auf die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten stützt.

(44)

Zur Schaffung eines harmonisierten, einfachen Systems sollten alle Registrierungen bei der [ECHA] eingereicht werden. Im Interesse eines einheitlichen Vorgehens und eines effizienten Mitteleinsatzes sollte die [ECHA] die Vollständigkeit sämtlicher Registrierungsdossiers prüfen und die Verantwortung für eine endgültige Ablehnung einer Registrierung tragen.

(47)

Es ist notwendig, Tierversuche gemäß der Richtlinie 86/609/EWG [des Rates vom 24. November 1986 zur Annäherung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (ABl. 1986, L 358, S. 1)] zu ersetzen, zu reduzieren oder erträglicher zu gestalten. Wo immer möglich, sollte die Durchführung der vorliegenden Verordnung auf der Anwendung alternativer Prüfmethoden beruhen, die für die Beurteilung der Gefahren chemischer Stoffe für die Gesundheit und die Umwelt geeignet sind. Die Verwendung von Tieren sollte durch den Einsatz alternativer Methoden vermieden werden, die von der Kommission oder internationalen Stellen validiert oder von der Kommission oder der [ECHA] als geeignet, den Informationsanforderungen dieser Verordnung gerecht zu werden, anerkannt wurden. …

(66)

Die [ECHA] sollte außerdem ermächtigt werden, auf der Grundlage von durchgeführten Bewertungen von Herstellern, Importeuren oder nachgeschalteten Anwendern weitere Informationen über Stoffe anzufordern, die im Verdacht stehen, die menschliche Gesundheit oder die Umwelt zu gefährden … Anhand der Kriterien, die die [ECHA] für die Erstellung einer Rangfolge der Stoffe in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten entwickelt hat, sollte ein fortlaufender Aktionsplan der [Union] für die Stoffbewertung aufgestellt werden, der sich darauf stützt, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die in dem Plan aufgeführten Stoffe bewerten. …

(121)

Um die Beachtung dieser Verordnung sicherzustellen, sollten die Mitgliedstaaten wirksame Maßnahmen zur Beobachtung und Kontrolle treffen. Die erforderlichen Inspektionen sollten geplant und durchgeführt werden, und über die Ergebnisse sollte Bericht erstattet werden.

(122)

Um bei der Durchführung dieser Verordnung durch die Mitgliedstaaten Transparenz, Unparteilichkeit und Einheitlichkeit zu gewährleisten, ist es erforderlich, dass die Mitgliedstaaten ein geeignetes Sanktionssystem schaffen, in dessen Rahmen wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für Verstöße verhängt werden können, da Verstöße einen Schaden für die menschliche Gesundheit und die Umwelt nach sich ziehen können.“

3

Art. 1 („Ziel und Geltungsbereich“) der REACH-Verordnung bestimmt in Abs. 1:

„Zweck dieser Verordnung ist es, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen, einschließlich der Förderung alternativer Beurteilungsmethoden für von Stoffen ausgehende Gefahren, sowie den freien Verkehr von Stoffen im Binnenmarkt zu gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zu verbessern.“

4

Titel II („Registrierung von Stoffen“) der REACH-Verordnung enthält u. a. die Artikel 5, 6, 13, 20 und 22.

5

Art. 5 („Ohne Daten kein Markt“) der REACH-Verordnung bestimmt:

„Vorbehaltlich der Artikel 6, 7, 21 und 23 dürfen Stoffe als solche, in Gemischen oder in Erzeugnissen nur dann in der [Union] hergestellt oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie nach den einschlägigen Bestimmungen dieses Titels, soweit vorgeschrieben, registriert wurden.“

6

Art. 6 („Allgemeine Registrierungspflicht für Stoffe als solche oder in Gemischen“) der REACH-Verordnung bestimmt in Abs. 1:

„Soweit in dieser Verordnung nicht anderweitig bestimmt, reicht ein Hersteller oder Importeur, der einen Stoff als solchen oder in einem oder mehreren Gemisch(en) in einer Menge von mindestens 1 Tonne pro Jahr herstellt oder einführt, bei der [ECHA] ein Registrierungsdossier ein.“

7

Art. 13 („Allgemeine Bestimmungen für die Gewinnung von Informationen über inhärente Stoffeigenschaften“) der REACH-Verordnung bestimmt in Abs. 1:

„Informationen über inhärente Stoffeigenschaften können durch andere Mittel als Versuche gewonnen werden, sofern die Bedingungen des Anhangs XI eingehalten werden. Insbesondere sind Informationen über die Toxizität für den Menschen, sofern irgend möglich, durch andere Mittel als Versuche mit Wirbeltieren zu gewinnen, also durch die Verwendung von alternativen Methoden, beispielsweise In-vitro-Methoden, oder von Modellen der qualitativen oder quantitativen Struktur-Wirkungs-Beziehung oder von Daten über strukturell verwandte Stoffe (Gruppierung oder Analogie). …“

8

Art. 20 („Pflichten der [ECHA]“) der REACH-Verordnung bestimmt:

„(1)   Die [ECHA] weist jeder Registrierung eine Eingangsnummer zu …

(2)   Die [ECHA] führt für jede Registrierung eine Vollständigkeitsprüfung durch, um sich zu vergewissern, dass alle Angaben vorliegen, die … erforderlich sind … Die Vollständigkeitsprüfung umfasst keine Beurteilung der Qualität oder der Angemessenheit vorgelegter Daten oder Begründungen.

Ist das Registrierungsdossier unvollständig, so teilt die [ECHA] dem Registranten … mit, welche Informationen zur Vervollständigung nachgereicht werden müssen; hierfür ist eine angemessene Frist zu setzen. Der Registrant vervollständigt sein Registrierungsdossier und übermittelt es der [ECHA] innerhalb dieser Frist. Die [ECHA] … führt eine weitere Vollständigkeitsprüfung durch und berücksichtigt dabei die nachgereichten Informationen.

Die [ECHA] lehnt die Registrierung ab, wenn der Registrant sein Registrierungsdossier nicht fristgerecht vervollständigt. …

(3)   Sobald das Registrierungsdossier vollständig ist, weist die [ECHA] dem betreffenden Stoff eine Registrierungsnummer … zu …

(5)   Gegen Entscheidungen der [ECHA] nach Absatz 2 des vorliegenden Artikels kann Widerspruch nach den Artikeln 91, 92 und 93 eingelegt werden.

…“

9

Art. 22 („Weitere Pflichten des Registranten“) der REACH-Verordnung bestimmt in den Abs. 2 und 3:

„(2)   Ein Registrant unterbreitet der [ECHA] eine Aktualisierung des Registrierungsdossiers mit den Informationen, die mit der Entscheidung nach den Artikeln 40, 41 oder 46 verlangt werden …

(3)   Die [ECHA] führt bei jedem aktualisierten Registrierungsdossier eine Vollständigkeitsprüfung nach Artikel 20 Absatz 2 Unterabsätze 1 und 2 durch. …“

10

Titel III („Gemeinsame Nutzung von Daten und Vermeidung unnötiger Versuche“) beginnt mit Art. 25 („Ziele und allgemeine Regeln“), dessen Abs. 1 bestimmt:

„Um Tierversuche zu vermeiden, dürfen Wirbeltierversuche für die Zwecke dieser Verordnung nur als letztes Mittel durchgeführt werden. …“

11

Titel VI („Bewertung“) der REACH-Verordnung enthält vier Kapitel: Kapitel 1 („Dossierbewertung“) mit den Art. 40 bis 43, Kapitel 2 („Stoffbewertung“) mit den Art. 44 bis 48 und Kapitel 4 („Gemeinsame Bestimmungen“) mit den Art. 50 bis 54.

12

Art. 41 („Prüfung der Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen“) der REACH-Verordnung bestimmt:

„(1)   Die [ECHA] kann Registrierungsdossiers prüfen, um einen der folgenden Aspekte zu überprüfen:

a)

ob die Informationen in dem/den … technischen Dossier/Dossiers den Anforderungen der Artikel 10, 12 und 13 sowie den Anhängen III und VI bis X entsprechen;

b)

ob die Abweichungen von den erforderlichen Basisangaben und ihre in dem technischen Dossier/den technischen Dossiers vorgelegten Begründungen den einschlägigen Bestimmungen der Anhänge VII bis X und den allgemeinen Regeln des Anhangs XI entsprechen;

(3)   Auf der Grundlage einer Prüfung gemäß Absatz 1 kann die [ECHA] innerhalb von zwölf Monaten nach Beginn der Prüfung der Erfüllung der Anforderungen den Entwurf einer Entscheidung erstellen, mit der der Registrant/die Registranten dazu aufgefordert wird/werden, alle Informationen vorzulegen, die erforderlich sind, damit das Registrierungsdossier/die Registrierungsdossiers den einschlägigen Informationsanforderungen entspricht/entsprechen, und in der angemessene Fristen für die Übermittlung weiterer Informationen angegeben werden. Diese Entscheidung ist nach dem Verfahren der Artikel 50 und 51 zu treffen.

(4)   Der Registrant übermittelt der [ECHA] die angeforderten Informationen innerhalb der festgelegten Frist.

(5)   Um zu gewährleisten, dass die Registrierungsdossiers [den Bestimmungen] dieser Verordnung entsprechen, wählt die [ECHA] mindestens 5 % aus der Gesamtzahl der … bei der [ECHA] eingegangenen Dossiers zur Prüfung der Erfüllung der Anforderungen aus. …

…“

13

Art. 42 („Prüfung der vorgelegten Informationen und Weiterbehandlung der Dossierbewertung“) der REACH-Verordnung bestimmt:

„(1)   Die [ECHA] prüft alle Informationen, die im Anschluss an eine Entscheidung nach den Artikeln 40 oder 41 vorgelegt werden, und erstellt erforderlichenfalls geeignete Entscheidungsentwürfe nach Maßgabe dieser Artikel.

(2)   Sobald die Dossierbewertung abgeschlossen ist, unterrichtet die [ECHA] die Kommission und die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten über die gewonnenen Informationen und etwaige Schlussfolgerungen. …“

14

Art. 45 („Zuständige Behörde“) der REACH-Verordnung bestimmt:

„(1)   Die [ECHA] ist dafür verantwortlich, den Prozess der Stoffbewertung zu koordinieren und die Bewertung der im fortlaufenden Aktionsplan der [Union] enthaltenen Stoffe zu gewährleisten. Dabei stützt sich die [ECHA] auf die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Bei der Durchführung der Bewertung eines Stoffes können die zuständigen Behörden eine andere Stelle benennen, die in ihrem Namen tätig wird.

(2)   Ein Mitgliedstaat kann einen oder mehrere Stoffe aus dem Entwurf des fortlaufenden Aktionsplans der [Union] auswählen, um … die Rolle der zuständigen Behörde zu übernehmen.

(3)   Haben zwei oder mehr Mitgliedstaaten Interesse an der Bewertung desselben Stoffes bekundet und können sie sich nicht darüber einigen, welche Behörde zuständig sein soll, so wird die zuständige Behörde … nach folgendem Verfahren festgelegt.

(4)   Die nach den Absätzen 2 und 3 bestimmte zuständige Behörde bewertet die zugeteilten Stoffe nach Maßgabe dieses Kapitels.

…“

15

Art. 50 („Rechte des Registranten und des nachgeschalteten Anwenders“) der REACH-Verordnung bestimmt in Abs. 1:

„Die [ECHA] übermittelt jeden Entscheidungsentwurf nach den Artikeln 40, 41 oder 46 dem/den betreffenden Registranten oder nachgeschalteten Anwender/Anwendern und unterrichtet ihn/sie über sein/ihr Recht, innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Entwurfs Bemerkungen abzugeben. Möchten der betreffende Registrant/die betreffenden Registranten oder nachgeschaltete/nachgeschalteten Anwender Bemerkungen abgeben, so übermitteln sie diese der [ECHA]. Die [ECHA] unterrichtet ihrerseits die zuständige Behörde unverzüglich über die Vorlage der Bemerkungen. Die zuständige Behörde (bei Entscheidungen nach Artikel 46) und die [ECHA] (bei Entscheidungen nach den Artikeln 40 und 41) berücksichtigen sämtliche eingegangenen Bemerkungen und können gegebenenfalls den Entscheidungsentwurf entsprechend ändern.“

16

Art. 51 („Erlass von Entscheidungen im Rahmen der Dossierbewertung“) der REACH-Verordnung bestimmt:

„(1)   Die [ECHA] übermittelt ihren Entscheidungsentwurf nach den Artikeln 40 oder 41 zusammen mit den Bemerkungen des Registranten den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten.

(2)   Innerhalb von 30 Tagen nach der Übermittlung können die Mitgliedstaaten der [ECHA] Vorschläge zur Änderung des Entscheidungsentwurfs vorlegen.

(3)   Gehen innerhalb von 30 Tagen keine Vorschläge bei der [ECHA] ein, so erlässt sie die Entscheidung in der nach Absatz 1 übermittelten Fassung.

(4)   Geht bei der [ECHA] ein Änderungsvorschlag ein, so kann sie den Entscheidungsentwurf ändern. Die [ECHA] überweist einen Entscheidungsentwurf zusammen mit den vorgeschlagenen Änderungen innerhalb von 15 Tagen nach Ablauf der 30‑Tage-Frist nach Absatz 2 an den Ausschuss der Mitgliedstaaten.

(6)   Erzielt der Ausschuss der Mitgliedstaaten innerhalb von 60 Tagen nach der Überweisung einstimmig eine Einigung über den Entscheidungsentwurf, so erlässt die [ECHA] die entsprechende Entscheidung.

(7)   Gelangt der Ausschuss der Mitgliedstaaten zu keiner einstimmigen Einigung, so erstellt die Kommission den Entwurf einer Entscheidung …

(8)   Gegen Entscheidungen der [ECHA] nach den Absätzen 3 und 6 des vorliegenden Artikels kann Widerspruch nach den Artikeln 91, 92 und 93 eingelegt werden.“

17

Titel X („Die Agentur“) der REACH-Verordnung enthält u. a. die Art. 75 und 77.

18

Art. 75 („Errichtung und Überprüfung“) der REACH-Verordnung bestimmt in Abs. 1, dass „[f]ür die Verwaltung und in einigen Fällen die Durchführung der technischen, wissenschaftlichen und administrativen Aspekte dieser Verordnung und zur Gewährleistung der Einheitlichkeit in diesen Bereichen auf [Unionsebene]“ die ECHA errichtet wird.

19

Art. 77 („Aufgaben“) der REACH-Verordnung bestimmt in Abs. 1, dass die ECHA „den Mitgliedstaaten und den Organen der [Union] den bestmöglichen wissenschaftlichen und technischen Rat in Bezug auf Fragen zu chemischen Stoffen [erteilt], die in ihren Aufgabenbereich fallen“.

20

Die REACH-Verordnung setzt in Art. 89 eine Widerspruchskammer beim ECHA ein, sieht in Art. 91 vor, dass bestimmte Arten von Entscheidungen der ECHA mit einem Widerspruch vor der Widerspruchskammer anfechtbar sind, und bestimmt in Art. 94, dass zur Anfechtung einer Entscheidung der Widerspruchskammer oder im Fall nicht widerspruchsfähiger Entscheidungen der ECHA Klage beim Gericht erhoben werden kann.

21

Titel XIV („Durchsetzung“) der REACH-Verordnung enthält u. a. die Art. 125 und 126.

22

Art. 125 („Aufgaben der Mitgliedstaaten“) der REACH-Verordnung bestimmt, dass die Mitgliedstaaten „ein System amtlicher Kontrollen und anderer im Einzelfall zweckdienlicher Tätigkeiten [unterhalten]“.

23

Art. 126 („Sanktionen bei Verstößen“) der REACH-Verordnung bestimmt in den Sätzen 1 und 2:

„Die Mitgliedstaaten legen für Verstöße gegen die Bestimmungen dieser Verordnung Vorschriften über Sanktionen fest und treffen alle zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, angemessen und abschreckend sein.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

24

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 19 des angefochtenen Urteils dargestellt. Sie lässt sich wie folgt zusammenfassen.

25

Zu einem vom Gericht nicht näher bezeichneten Zeitpunkt reichte Esso Raffinage (im Folgenden: Esso) bei der ECHA ein Registrierungsdossier für einen von ihr hergestellten chemischen Stoff (im Folgenden: in Rede stehender chemischer Stoff) ein. In der Folge wurde gemäß Art. 20 Abs. 3 der REACH-Verordnung festgestellt, dass das Registrierungsdossier vollständig sei.

26

Am 9. Juli 2010 begann die ECHA mit der Bewertung des betreffenden Registrierungsdossiers gemäß Art. 41 Abs. 1 der REACH-Verordnung. Sie überprüfte, ob die in dem Dossier enthaltenen Informationen den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprachen.

27

Am 6. November 2012 erließ die ECHA gemäß dem Verfahren der Art. 50 und 51 der REACH-Verordnung eine Entscheidung gemäß Art. 41 Abs. 3 dieser Verordnung (im Folgenden: Entscheidung vom 6. November 2012), mit der sie feststellte, dass die im Registrierungsdossier enthaltenen Informationen teilweise nicht den Anforderungen entsprächen, und forderte Esso auf, ihr innerhalb einer Frist von einem Jahr alle Informationen vorzulegen, die erforderlich seien, um diesen Mangel zu beheben, u. a. eine „Studie zur pränatalen Entwicklungstoxizität [des in Rede stehenden chemischen Stoffes] bei Kaninchen, orale Verabreichung“.

28

Anstelle einer solchen Studie legte Esso am 6. November 2013 Dokumente mit Daten vor, die erhoben und zusammengestellt wurden, ohne dass Tierversuche erforderlich waren. Esso erklärte hierzu, dass die vorgelegten Daten gegenüber der angeforderten Studie alternative Informationen darstellten.

29

Am 1. April 2015 übersandte die ECHA dem Ministerium für Ökologie, nachhaltige Entwicklung, Verkehr und Wohnungswesen das streitige Schreiben, dem ein Dokument mit dem Titel „Anhang zur Feststellung eines Verstoßes im Anschluss an eine Dossierbewertungsentscheidung nach der [REACH-Verordnung]“ als Anlage beigefügt war.

30

In diesem Schreiben heißt es:

„Die [ECHA] hat gemäß Art. 41 Abs. 3 der [REACH-Verordnung] eine Prüfung des Dossiers betreffend [den in Rede stehenden chemischen Stoff] auf Erfüllung der Anforderungen durchgeführt. Die ECHA hat die dem vorliegenden Schreiben beigefügte Entscheidung [vom 6. November 2012] gemäß dem in den Art. 50 und 51 der REACH-Verordnung vorgesehenen Verfahren erlassen.

In dieser Entscheidung wurde [Esso] eine Frist gesetzt, um der ECHA die in der Entscheidung verlangten Informationen in Form einer Aktualisierung des Dossiers bis zum 6. November 2013 vorzulegen. Eine aktualisierte Fassung des Dossiers wurde am 6. November 2013 übermittelt …

Die ECHA hat die Informationen im aktualisierten Dossier geprüft. Es ist der Schluss zu ziehen, dass das aktualisierte Registrierungsdossier nicht alle in der Entscheidung der ECHA verlangten Informationen enthält. Eine spezifische Analyse der Gründe für diese Schlussfolgerung liegt bei (Anlage). …

Auf dieser Grundlage stellt die ECHA fest:

1.

[Esso] ist den Verpflichtungen aus [der Entscheidung vom 6. November 2012] nicht nachgekommen;

2.

das Registrierungsdossier verstößt gegen Art. 5 der REACH-Verordnung;

3.

[Esso] verstößt gegen Art. 41 Abs. 4 der REACH-Verordnung.

Der Verstoß gegen eine Entscheidung der ECHA und die REACH-Verordnung kann gemäß Art. 126 der REACH-Verordnung Gegenstand von Durchsetzungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten sein.

In diesem Zusammenhang werden Sie daher ersucht, die in Ihren eigenen Zuständigkeitsbereich fallenden Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen, um die Entscheidung der ECHA umzusetzen.

Die ECHA erwartet Ihre Reaktion betreffend die nationalen Maßnahmen, die in diesem Fall eines Verstoßes ergriffen werden.“

31

In der Anlage zu diesem Schreiben stellte die ECHA fest, dass sie das Vorbringen von Esso, wonach die von Esso am 6. November 2013 vorgelegten Beweise gegenüber der mit der Entscheidung vom 6. November 2012 angeforderten Toxizitätsstudie ausreichende alternative Informationen darstellten, nicht überzeugt habe.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

32

Mit Klageschrift, die am 29. Mai 2015 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Esso Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Schreibens.

33

Mit Schriftsätzen, die am 5. bzw. 24. November 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, beantragten die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich der Niederlande einerseits und die Französische Republik andererseits, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der ECHA zugelassen zu werden. Mit Beschlüssen vom 7. Juni 2016 gab der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts diesen Anträgen statt.

34

Mit dem angefochtenen Urteil erklärte das Gericht das streitige Schreiben für nichtig.

35

In den Rn. 33 bis 37 des angefochtenen Urteils hat das Gericht als Erstes angenommen, dass das streitige Schreiben keine Entscheidung darstelle, die vor der durch Art. 89 der REACH-Verordnung eingerichteten Widerspruchskammer angefochten werden könne. Das Gericht sei deshalb gemäß Art. 94 Abs. 1 der REACH-Verordnung dafür zuständig, im ersten Rechtszug über die von Esso erhobene Nichtigkeitsklage zu entscheiden.

36

In den Rn. 49 bis 83 des angefochtenen Urteils hat das Gericht als Zweites angenommen, dass es sich bei dem streitigen Schreiben um eine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 Abs. 1 AEUV handele. Die Analyse des Inhalts des Schreibens im Licht der anwendbaren Vorschriften und der der ECHA durch diese übertragenen Befugnisse habe ergeben, dass das Schreiben dazu bestimmt gewesen sei, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen. Erstens werde eine endgültige Bewertung des Registrierungsdossiers von Esso, insbesondere der von Esso auf die Entscheidung vom 6. November 2012 hin vorgelegten Informationen, vorgenommen. Zweitens werde festgestellt, dass diese Informationen teilweise nicht den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprächen und dass Esso deshalb gegen bestimmte Verpflichtungen aus der REACH-Verordnung verstoßen habe. Drittens würden die zuständigen französischen Behörden darum ersucht, die notwendigen Maßnahmen zu treffen.

37

In den Rn. 86 bis 97 des angefochtenen Urteils hat das Gericht als Drittes angenommen, dass Esso befugt sei, Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Schreibens zu erheben. Dieses betreffe Esso im Sinne von Art. 263 Abs. 4 Alt. 1 unmittelbar und individuell.

38

Als Viertes hat das Gericht in den Rn. 101 bis 117 des angefochtenen Urteils schließlich den ersten der acht Klagegründe geprüft, mit dem Esso geltend machte, dass das streitige Schreiben ultra vires oder unter Verstoß gegen die für seinen Erlass geltenden Bestimmungen der REACH-Verordnung erlassen worden sei. Das Gericht ist zu dem Schluss gelangt, dass dieser Klagegrund begründet sei. Die ECHA habe ihre Befugnisse ausgeübt, ohne die entsprechenden Modalitäten gemäß den Art. 41 und 42 der REACH-Verordnung zu beachten. Das streitige Schreiben sei daher für nichtig zu erklären, ohne dass die übrigen von Esso geltend gemachten Klagegründe geprüft zu werden bräuchten.

Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

Verfahren vor dem Gerichtshof

39

Mit Schriftsatz, der am 13. Dezember 2018 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat European Coalition to End Animal Experiments (im Folgenden: ECEAE) gemäß Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von Esso zugelassen zu werden.

40

Mit Schriftsatz, der am 17. Dezember 2018 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, haben das Higher Olefins and Poly Alpha Olefins REACH Consortium (im Folgenden: HOPA REACH) und die Higher Olefins & amp, Poly Alpha Olefins vzw (im Folgenden: HOPA) ebenfalls gemäß Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union beantragt, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge von Esso zugelassen zu werden.

41

Mit Beschluss vom 12. März 2019 hat der Präsident des Gerichtshofs ECEAE, HOPA und HOPA REACH zur Streithilfe zugelassen.

42

Mit Schreiben vom 28. Februar 2020 hat der Gerichtshof den Parteien mitgeteilt, dass er beabsichtige, eine mündliche Verhandlung abzuhalten, und sie aufgefordert, in der mündlichen Verhandlung bestimmte Fragen zu beantworten.

43

Mit Schreiben vom 3. April 2020 hat der Gerichtshof die Parteien gebeten, mitzuteilen, ob sie in Anbetracht der gesundheitlichen Notlage auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung verzichteten.

44

Mit Schreiben vom 23. April 2020 hat der Gerichtshof den Parteien mitgeteilt, dass die mündliche Verhandlung, da sie auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hätten, in Anbetracht der gesundheitlichen Notlage aufgehoben worden sei. Der Gerichtshof hat die Parteien ferner aufgefordert, die Fragen, die ihnen im Hinblick auf die mündliche Verhandlung gestellt worden seien, schriftlich zu beantworten. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgemäß nachgekommen.

Die Anträge der Parteien

45

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Bundesrepublik Deutschland unterstützt durch die Französische Republik und das Königreich der Niederlande,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

den Rechtsstreit endgültig zu entscheiden und die Klage abzuweisen;

Esso die im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen.

46

Esso beantragt unterstützt durch ECEAE, HOPA und HOPA REACH sowie die ECHA, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Bundesrepublik Deutschland die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

47

Die Bundesrepublik Deutschland macht unterstützt durch das Königreich der Niederlande und die Französische Republik zwei Rechtsmittelgründe geltend. Sie richten sich gegen die Feststellungen des Gerichts zur Zulässigkeit bzw. Begründetheit der von Esso erhobenen Nichtigkeitsklage.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

48

Die Bundesrepublik Deutschland macht unterstützt durch die Französische Republik und das Königreich der Niederlande geltend, dass die Annahme des Gerichts, die von Esso erhobene Nichtigkeitsklage sei zulässig, in dreierlei Hinsicht rechtsfehlerhaft sei.

49

Erstens sei das streitige Schreiben, anders als das Gericht in Rn. 72 des angefochtenen Urteils angenommen habe, keine Handlung, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein könne. Das Gericht habe in den Rn. 74, 75 und 80 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft nicht hinreichend berücksichtigt, dass die ECHA nicht die Absicht gehabt habe, mit dem streitigen Schreiben verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen. Der Betreff und der Wortlaut des streitigen Schreibens, auf die in den Rn. 64 bis 71 des angefochtenen Urteils eingegangen werde, bestätigten, dass das Schreiben für Esso und die zuständigen französischen Behörden rechtlich nicht verbindlich gewesen sei. Indem es das Gegenteil angenommen habe, habe das Gericht den Sachverhalt rechtlich nicht richtig qualifiziert. Jedenfalls seien die einschlägigen Bestimmungen der REACH-Verordnung vom Gericht in den Rn. 53 bis 63 des angefochtenen Urteils nicht richtig ausgelegt worden. Ihre Prüfung hätte das Gericht zu der Schlussfolgerung veranlassen müssen, dass das streitige Schreiben, ganz gleich, wie es formuliert sei, nicht geeignet sei, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen.

50

Zum letztgenannten Punkt trägt die Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen vor, dass das streitige Schreiben als eine Stellungnahme gegenüber den zuständigen französischen Behörden zu verstehen sei, in der sich die ECHA auf eine informelle Bewertung der von Esso vorgelegten Informationen beschränkt habe, und nicht als eine auf Art. 42 der REACH-Verordnung gestützte, für die zuständigen französischen Behörden und Esso rechtlich verbindliche Handlung, wie das Gericht festgestellt habe. Art. 42 der REACH-Verordnung ermächtige die ECHA nämlich nicht dazu, Bewertungen mit verbindlichen Rechtswirkungen für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer und für die zuständigen nationalen Behörden vorzunehmen. Vielmehr sei es ausschließlich Sache der zuständigen nationalen Behörden, auf der Grundlage der von der ECHA in einem konkreten Fall vorgenommenen Bewertung zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen sie gemäß den Art. 125 und 126 der REACH-Verordnung gegen die betreffenden Wirtschaftsteilnehmer träfen.

51

Als Zweites macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass Esso in Bezug auf das streitige Schreiben kein Rechtsschutzinteresse gehabt habe. Mit diesem Schreiben sei Esso entgegen den Feststellungen des Gerichts in den Rn. 81 und 82 des angefochtenen Urteils keine neue rechtliche Verpflichtung auferlegt worden, die über diejenigen hinausgegangen wäre, die sich bereits aus der Entscheidung vom 6. November 2012 ergeben hätten. Nach dieser Entscheidung sei Esso nämlich verpflichtet gewesen, der ECHA innerhalb einer bestimmten Frist eine Reihe von Informationen vorzulegen, mit denen ihr Registrierungsdossier mit den Anforderungen der REACH-Verordnung in Einklang gebracht werden sollte. Außerdem stelle die Nichtbeachtung dieser Verpflichtung als solche einen Verstoß gegen die Bestimmungen der REACH-Verordnung dar, wegen dessen die zuständigen französischen Behörden geeignete Maßnahmen gegen Esso erlassen könnten. Folglich hätten die Feststellung der Nichterfüllung der Anforderungen und die Feststellungen von Verstößen, wie sie in dem streitigen Schreiben enthalten seien, abgesehen davon, dass sie für die zuständigen französischen Behörden nicht bindend seien, die Rechtsstellung von Esso, wie sie bereits durch die Entscheidung vom 6. November 2012 begründet worden sei, in keiner Weise verändert.

52

Als Drittes trägt die Bundesrepublik Deutschland schließlich für den Fall, dass das streitige Schreiben als anfechtbare Handlung einzustufen sein sollte, in Bezug auf die Esso ein Rechtsschutzinteresse gehabt habe, vor, dass Esso jedenfalls nicht befugt gewesen sei, Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Schreibens zu erheben. Entgegen den Feststellungen des Gerichts in den Rn. 91 bis 94 des angefochtenen Urteils betreffe das streitige Schreiben Esso nicht unmittelbar im Sinne von Art. 263 Abs. 4 Alt. 1 AEUV. Entscheide sich die ECHA nämlich gemäß Art. 41 Abs. 3 der REACH-Verordnung dafür, von einem Wirtschaftsteilnehmer Informationen anzufordern, und stelle sie dann fest, dass die vorgelegten Informationen nicht den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprächen, sei es gemäß den Art. 125 und 126 der REACH-Verordnung allein Sache der zuständigen nationalen Behörden, hier also der französischen Behörden, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

53

In ihren Antworten auf die Fragen des Gerichtshofs hat die Bundesrepublik Deutschland ihr Vorbringen insbesondere dahin ergänzt, dass der Erlass einer Maßnahme wie des streitigen Schreibens keiner speziellen Rechtsgrundlage bedürfe. Eine solche Maßnahme erfolge im Rahmen der der ECHA durch Art. 77 Abs. 1 der REACH-Verordnung übertragenen Aufgabe der Erteilung von Rat.

54

Esso macht unterstützt durch ECEAE, HOPA und HOPA REACH als Erstes geltend, dass die Annahme des Gerichts, dass das streitige Schreiben dazu bestimmt sei, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, nicht rechtsfehlerhaft sei.

55

Als Zweites macht Esso geltend, das Gericht habe zu Recht festgestellt, dass diese verbindlichen Rechtswirkungen über die hinausgingen, die durch die Entscheidung vom 6. November 2012 erzeugt worden seien.

56

Als Drittes macht Esso schließlich geltend, dass in Bezug auf ihre Klagebefugnis kein Rechtsfehler vorliege. Esso macht insoweit im Wesentlichen geltend, dass sich das streitige Schreiben unmittelbar auf ihre Rechtsstellung auswirke, da es die Feststellung eines Verstoßes enthalte, die auch für die zuständigen französischen Behörden bindend sei.

57

Die ECHA spricht sich ebenfalls dafür aus, den Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

58

Die ECHA macht als Erstes geltend, dass das Gericht auf der Grundlage einer zutreffenden Analyse des anwendbaren rechtlichen Rahmens und der Befugnisse der ECHA festgestellt habe, dass das streitige Schreiben verbindliche Rechtswirkungen erzeuge.

59

Als Zweites macht die ECHA geltend, dass dem Gericht, indem es in Anbetracht des Inhalts des streitigen Schreibens festgestellt habe, dass dieses Esso unmittelbar betreffe, auch kein Fehler hinsichtlich der Methode oder der rechtlichen Qualifizierung des Sachverhalts unterlaufen sei.

60

Als Drittes macht die ECHA schließlich geltend, dass die Analyse des Gerichts im Einklang mit den mit der REACH-Verordnung verfolgten Zielen stehe.

Würdigung durch den Gerichtshof

61

Wie sich oben aus den Rn. 48 bis 52 ergibt, macht die Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen geltend, dass das Gericht rechtsfehlerhaft festgestellt habe, dass das streitige Schreiben eine Handlung darstelle, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein könne (angefochtenes Urteil, Rn. 49 bis 80), dass es eine Handlung darstelle, in Bezug auf die Esso ein Rechtsschutzinteresse habe (angefochtenes Urteil, Rn. 81 und 82), und dass es Esso unmittelbar betroffen habe (angefochtenes Urteil, Rn. 91 bis 94).

62

Diese drei Rügen sind nacheinander zu prüfen.

– Zum Vorliegen einer anfechtbaren Handlung

63

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs können alle Bestimmungen oder Maßnahmen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, gleich welcher Form, die dazu bestimmt sind, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, die die Interessen einer natürlichen oder juristischen Person durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung beeinträchtigen, Gegenstand einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 Abs. 1 AEUV sein (Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9, vom 12. September 2006, Reynolds Tobacco u. a./Kommission, C‑131/03 P, EU:C:2006:541, Rn. 54, und vom 31. Januar 2019, International Management Group/Kommission, C‑183/17 P und C‑184/17 P, EU:C:2019:78, Rn. 51).

64

Um im konkreten Fall festzustellen, ob die angefochtene Handlung dazu bestimmt ist, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, ist auf ihr Wesen abzustellen und sind ihre Wirkungen anhand objektiver Kriterien wie z. B. ihres Inhalts zu beurteilen, wobei gegebenenfalls der Kontext, in dem die Handlung erlassen wurde, und die Befugnisse des Organs, der Einrichtung oder sonstigen Stelle, das bzw. die sie erlassen hat, zu berücksichtigen sind (Urteile vom 13. Februar 2014, Ungarn/Kommission, C‑31/13 P, EU:C:2014:70, Rn. 55, und vom 9. Juli 2020, Tschechische Republik/Kommission,C‑575/18 P, EU:C:2020:530, Rn. 47). Letztere sind nicht abstrakt zu beurteilen, sondern als ein Anhaltspunkt im Rahmen der konkreten Analyse des Inhalts der Handlung, die von zentraler Bedeutung ist und unbedingt vorzunehmen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2017, Rumänien/Kommission, C‑599/15 P, EU:C:2017:801, Rn. 49, 51 bis 52 und 55).

65

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann zwar auch das subjektive Kriterium der Absicht berücksichtigt werden, die das Organ, die Einrichtung oder die sonstige Stelle der Union, die die angefochtene Handlung erlassen hat, verfolgt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Juli 2008, Athinaïki Techniki/Kommission, C‑521/06 P, EU:C:2008:422, Rn. 42, und vom 26. Januar 2010, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑362/08 P, EU:C:2010:40, Rn. 52). Aus der vorstehenden Randnummer ergibt sich jedoch, dass diesem subjektiven Kriterium gegenüber den dort genannten objektiven Kriterien lediglich eine ergänzende Rolle zukommen kann. Ihm kann daher weder eine größere Bedeutung beigemessen werden als diesen objektiven Kriterien noch vermag es, die auf Letzteren beruhende Beurteilung der Wirkungen der angefochtenen Handlung zu entkräften.

66

Im vorliegenden Fall ist im Hinblick auf das oben in Rn. 49 wiedergegebene Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland als Erstes festzustellen, dass sich aus den Rn. 74, 75 und 80 des angefochtenen Urteils ergibt, dass das Gericht die Absicht berücksichtigt hat, die die ECHA mit dem Erlass des streitigen Schreibens verfolgt hat. Es hat diesem subjektiven Kriterium aber eine geringere Bedeutung beigemessen als den objektiven Kriterien des Inhalts des streitigen Schreibens und der der ECHA durch die einschlägigen Bestimmungen der REACH-Verordnung übertragenen Befugnisse, die es zuvor geprüft hat.

67

Diese Beurteilung der genannten subjektiven und objektiven Kriterien ist angesichts der oben in Rn. 65 angeführten Rechtsprechung nicht als rechtsfehlerhaft einzustufen.

68

Als Zweites hat das Gericht in den Rn. 64 bis 71 des angefochtenen Urteils angenommen, dass das streitige Schreiben aufgrund seines Inhalts als Handlung anzusehen sei, die dazu bestimmt sei, für Esso verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen. Im Einzelnen hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass dieses Schreiben geeignet sei, die Rechtsstellung von Esso in qualifizierter Weise zu verändern. Es enthalte erstens eine endgültige Bewertung des Registrierungsdossiers von Esso und eine endgültige Prüfung der Informationen, die der ECHA zur Vervollständigung des Registrierungsdossiers vorgelegt worden seien, zweitens die Feststellung, dass diese Informationen teilweise nicht den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprächen, und drittens mehrere Feststellungen von Verstößen von Esso gegen die Bestimmungen der REACH-Verordnung. Außerdem hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die zuständigen französischen Behörden mit dem streitigen Schreiben aufgefordert worden seien, die notwendigen Maßnahmen zu treffen.

69

Angesichts des Wortlauts des streitigen Schreibens und des ihm als Anlage beigefügten Dokuments (siehe oben, Rn. 29 bis 31) kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Gericht bei diesen Ausführungen zum Inhalt des streitigen Schreibens den Sachverhalt rechtlich nicht richtig qualifiziert hätte. Aus seinem Wortlaut und dem ihm als Anlage beigefügten Dokuments ergibt sich nämlich, dass das streitige Schreiben aus den vom Gericht zutreffend genannten Gründen nicht nur dazu bestimmt war, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, die geeignet waren, die Rechtsstellung von Esso in qualifizierter Weise zu verändern. Es war auch dazu bestimmt, verbindliche Rechtswirkungen gegenüber den zuständigen französischen Behörden zu erzeugen, da diese mit ihm aufgefordert wurden, im Hinblick auf die Rechtsstellung von Esso die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

70

Als Drittes macht die Bundesrepublik Deutschland schließlich im Wesentlichen geltend, dass das streitige Schreiben, unabhängig von der Beurteilung, die sich aus einer isolierten Betrachtung seines Inhalts ergeben könnte, im Hinblick auf die Bestimmungen der REACH-Verordnung über die betreffenden Befugnisse der ECHA in Wirklichkeit als eine an die zuständigen französischen Behörden gerichtete Stellungnahme zu verstehen sei, die als solche keinerlei verbindliche Rechtswirkungen erzeuge.

71

Hierzu ist festzustellen, dass das Gericht in Rn. 72 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass das streitige Schreiben seinem Inhalt nach, wie er oben in Rn. 68 zusammengefasst ist, einer Entscheidung gemäß Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung gleichkomme, die die ECHA im Rahmen einer Bewertung gemäß Art. 41 der REACH-Verordnung zu entwerfen und zu erlassen habe.

72

Wie aus den Rn. 54 bis 58 und 60 bis 61 des angefochtenen Urteils hervorgeht, hat das Gericht im Wesentlichen angenommen, dass diese beiden Bestimmungen nach ihrem Regelungszusammenhang dahin auszulegen seien, dass der ECHA vom Unionsgesetzgeber eine ausschließliche Zuständigkeit für die Bewertung des Registrierungsdossiers übertragen worden sei, das der Hersteller oder Importeur, der einen chemischen Stoff in einer Menge von mindestens 1 Tonne pro Jahr herstelle oder einführe, nach Art. 6 der REACH-Verordnung bei der ECHA einzureichen habe. Das Gericht hat ferner angenommen, dass die ECHA im Rahmen der Ausübung dieser Zuständigkeit nicht nur befugt sei, zu überprüfen, ob die vom Registranten vorgelegten Informationen den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprächen, sondern auch befugt sei, aus der Bewertung des Registrierungsdossiers und der Prüfung auf Erfüllung der Anforderungen rechtlich verbindliche Folgen abzuleiten. Schließlich hat das Gericht ausgeführt, dass es sich dabei um die Feststellung, dass die vom Registranten übermittelten Informationen in vollem Umfang oder teilweise nicht den Anforderungen entsprächen, die Feststellung, dass der Registrant gegen die einschlägigen Anforderungen der REACH-Verordnung verstoßen habe, oder das an die zuständigen nationalen Behörden gerichtete Ersuchen, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, handeln könne.

73

Entsprechend hat das Gericht in den Rn. 59 und 61 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die genannten Bestimmungen den Mitgliedstaaten keine Zuständigkeit im Bereich der Prüfung der Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen verliehen. Die Mitgliedstaaten seien nach den Art. 125 und 126 der REACH-Verordnung lediglich befugt, Kontrollen durchzuführen und Sanktionen zu verhängen, um die Einhaltung vorausgegangener Entscheidungen der ECHA, mit denen die Nichterfüllung der Anforderungen oder Verstöße gegen die Bestimmungen der REACH-Verordnung festgestellt worden seien, zu gewährleisten.

74

Hierzu ist festzustellen, dass die ECHA nach Art. 41 Abs. 1 der REACH-Verordnung für die Prüfung der Dossiers für die Registrierung chemischer Stoffe, die von den Herstellern oder Importeuren bei ihr einzureichen sind, zuständig ist, wie das Gericht in den Rn. 53 und 54 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat.

75

Wie sich aus Art. 41 Abs. 1 Buchst. a und b der REACH-Verordnung ergibt, kann Gegenstand der Prüfung u. a. sein, ob die Informationen in den Registrierungsdossiers den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprechen und, wenn der Registrant andere Informationen als die vorgesehenen vorgelegt hat (sogenannte „Abweichungen“), ob diese den einschlägigen Bestimmungen entsprechen.

76

Gelangt sie aufgrund dieser Prüfung zu der Auffassung, dass die im Registrierungsdossier enthaltenen Informationen teilweise nicht den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprechen, ist die ECHA befugt, gemäß Art. 41 Abs. 3 der REACH-Verordnung eine Entscheidung zu erlassen, mit der der Registrant aufgefordert wird, der ECHA innerhalb der hierfür gesetzten Frist bestimmte Informationen vorzulegen, damit das Registrierungsdossier den Anforderungen entspricht, wie das Gericht in den Rn. 55 und 56 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat.

77

Was den Fortgang des Verfahrens betrifft, sieht Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung vor, dass die ECHA alle Informationen prüft, die vom Registranten im Anschluss an eine solche Entscheidung vorgelegt werden, und erforderlichenfalls geeignete Entscheidungsentwürfe erstellt, wie das Gericht in Rn. 57 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat.

78

Nach dem klaren Wortlaut von Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung ist die ECHA nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet, alle vom Registranten im Anschluss an eine Entscheidung nach Art. 41 Abs. 3 der REACH-Verordnung vorgelegten Informationen zu prüfen.

79

Aus Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung ergibt sich außerdem, dass die ECHA nach der Prüfung der Informationen befugt ist, „erforderlichenfalls geeignete Entscheidungsentwürfe nach Maßgabe [der] Artikel [40 und 41 der REACH-Verordnung] [zu erstellen]“.

80

Hingegen ist weder in Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung noch in den Artikeln, auf die diese Bestimmung verweist, ausdrücklich bestimmt, was unter einer „geeigneten Entscheidung“ zu verstehen ist.

81

Unter diesen Umständen sind bei der Auslegung der betreffenden Vorschrift nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Regelungszusammenhang und die mit der entsprechenden Regelung verfolgten Ziele zu berücksichtigen (Urteile vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C‑17/03, EU:C:2005:362, Rn. 41, und vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma, C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74, Rn. 124). Über Letztere können gegebenenfalls die entsprechenden Vorarbeiten Aufschluss geben (vgl. entsprechend Urteile vom 19. Dezember 2019, Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers, C‑263/18, EU:C:2019:1111, Rn. 56, und vom 11. März 2020, Baltic Cable, C‑454/18, EU:C:2020:189, Rn. 48).

82

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass dem Ausdruck „geeignete Entscheidung“ in Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung zu entnehmen ist, dass der Unionsgesetzgeber der ECHA die Befugnis übertragen hat, aus dem Ergebnis der Prüfung der Informationen, die von einem Registranten vorgelegt wurden, dem eine Entscheidung gemäß Art. 41 Abs. 3 der REACH-Verordnung übermittelt worden war, rechtlich verbindliche Folgen abzuleiten, soweit diese angemessen erscheinen.

83

Da eine solche Handlung auf eine Entscheidung folgt, mit der erreicht werden soll, dass der Registrant dafür sorgt, dass die in seinem Registrierungsdossier enthaltenen Informationen den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprechen (siehe oben, Rn. 76), soll mit ihr in erster Linie darüber entschieden werden, ob die vorgelegten Informationen den einschlägigen Anforderungen der REACH-Verordnung entsprechen, und damit, ob der Registrant den entsprechenden Verpflichtungen nachgekommen ist. Wie das Gericht ausgeführt hat, handelt es sich dabei nicht lediglich um die Verpflichtung, der Entscheidung, mit der die Informationen angefordert wurden, nachzukommen. Umfasst ist letztlich auch die Verpflichtung des Herstellers oder Importeurs, der einen chemischen Stoff in einer Menge von mindestens 1 Tonne pro Jahr herstellt oder einführt, aus Art. 5 und Art. 6 Abs. 1 der REACH-Verordnung, alle für die Registrierung des chemischen Stoffs geltenden Anforderungen zu erfüllen. Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, hat der Unionsgesetzgeber das in der REACH-Verordnung vorgesehene Registrierungs- und Bewertungsverfahren nämlich eingeführt, um es der ECHA zu ermöglichen, zu überprüfen, ob die Industrie ihren Verpflichtungen nachkommt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. September 2015, FCD und FMB, C‑106/14, EU:C:2015:576, Rn. 32, und vom 17. März 2016, Canadian Oil Company Sweden und Rantén, C‑472/14, EU:C:2016:171, Rn. 25), vor allem der Verpflichtung aus Art. 5 der REACH-Verordnung, bei deren Verletzung die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gemäß Art. 126 der Verordnung mit Sanktionen belegt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2017, Pinckernelle, C‑535/15, EU:C:2017:315, Rn. 46).

84

Ferner ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang von Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung, dass, wenn die ECHA feststellt, dass im Anschluss an eine Entscheidung gemäß Art. 41 Abs. 3 der REACH-Verordnung vorgelegte Informationen nicht den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprechen und dass der betreffende Registrant gegen die entsprechenden Bestimmungen verstoßen hat, diese Feststellungen entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland nicht nur für den Registranten, sondern auch für die zuständigen nationalen Behörden bindend sind.

85

Denn zum einen bestimmt Art. 42 Abs. 2 der REACH-Verordnung, dass die ECHA die Kommission und die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, sobald die Dossierbewertung abgeschlossen ist, sowohl über die gewonnenen Informationen als auch über „etwaige Schlussfolgerungen“ unterrichtet, zu denen die genannten Feststellungen gehören. Im vorliegenden Fall ist eine solche Unterrichtung erfolgt, indem den zuständigen französischen Behörden das streitige Schreiben übermittelt wurde, wie das Gericht in den Rn. 64, 67 und 70 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt hat.

86

Zum anderen sind die Mitgliedstaaten nach den Art. 125 und 126 der REACH-Verordnung, die im Licht der Erwägungsgründe 121 und 122 der Verordnung zu verstehen sind, verpflichtet, „für Verstöße gegen die Bestimmungen“ der Verordnung Vorschriften über Sanktionen festzulegen und alle zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dies setzt im konkreten Fall aber notwendigerweise voraus, dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen der REACH-Verordnung festgestellt wurde, wofür, wie bereits ausgeführt, ausschließlich die ECHA zuständig ist, es sei denn, es liegt der in Art. 51 der REACH-Verordnung vorgesehene Fall vor, der vom Gericht in Rn. 60 des angefochtenen Urteils angesprochen wird, dass diese Zuständigkeit auf die Kommission übergeht.

87

Somit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung in Verbindung mit dem Regelungszusammenhang, dass diese Bestimmung der ECHA und nicht den mit der Überwachung der Einhaltung der REACH-Verordnung betrauten nationalen Behörden die Befugnis verleiht, eine Entscheidung wie die im streitigen Schreiben enthaltene zu erlassen, wie das Gericht im angefochtenen Urteil zu Recht festgestellt hat.

88

Schließlich ist zu den mit der REACH-Verordnung verfolgten Zielen, auf die das Gericht im angefochtenen Urteil nicht eingegangen ist, festzustellen, dass der Gerichtshof insoweit bereits entschieden hat, dass hierzu, wie sich aus Art. 1 Abs. 1 der Verordnung ergibt, das Ziel gehört, durch ein integriertes System zur Kontrolle chemischer Stoffe, die in der Union hergestellt werden, in die Union eingeführt werden oder in der Union in Verkehr gebracht werden, das auf der Registrierung, der Bewertung und der Zulassung dieser Stoffe sowie gegebenenfalls Beschränkungen ihrer Verwendung basiert, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen (Urteile vom 10. September 2015, FCD und FMB, C‑106/14, EU:C:2015:576, Rn. 31 und 32, vom 17. März 2016, Canadian Oil Company Sweden und Rantén, C‑472/14, EU:C:2016:171, Rn. 24 und 25, und vom 15. März 2017, Polynt/ECHA, C‑323/15 P, EU:C:2017:207, Rn. 20).

89

Wie aus Art. 75 und dem 15. Erwägungsgrund der REACH-Verordnung hervorgeht, ist ein wesentliches Element dieses Systems die Errichtung einer unabhängigen zentralen Stelle als Einrichtung der Union, mit der Aufgabe, eine wirksame Handhabung bestimmter administrativer, technischer und wissenschaftlicher Aspekte der Verordnung sicherzustellen.

90

Wie sich insbesondere aus den Art. 6, 20, 22, 41 und 42 der REACH-Verordnung sowie deren Erwägungsgründen 19, 20 und 44, in deren Licht diese Artikel zu verstehen sind, ergibt, hat der Unionsgesetzgeber der ECHA die Zuständigkeit dafür übertragen, erstens Anträge auf Registrierung chemischer Stoffe und die Aktualisierungen dieser Anträge entgegenzunehmen, zweitens zu prüfen, ob die Anträge vollständig sind, und die Registrierung bei unvollständigen Anträgen abzulehnen und drittens zu prüfen, ob die in den Anträgen enthaltenen Informationen, gegebenenfalls nach Vervollständigung, den einschlägigen Anforderungen der REACH-Verordnung entsprechen.

91

Dieses zentralisierte Verfahren der Registrierung chemischer Stoffe und der Bewertung der entsprechenden Dossiers, für das ausschließlich die ECHA zuständig ist, unterscheidet sich von der Bewertung der chemischen Stoffe selbst, für die in erster Linie die Mitgliedstaaten zuständig sind, wie sich aus Art. 45 und den Erwägungsgründen 20 und 66 der REACH-Verordnung ergibt, unbeschadet der Koordinierungsfunktion, die diese Vorschrift der ECHA als unabhängige Stelle zuweist, und den entsprechenden Befugnissen.

92

Wie der Generalanwalt in Nr. 92 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, beruhen diese Rollenverteilung und die sich daraus ergebende Verteilung der Zuständigkeiten und Befugnisse, wie die Vorarbeiten zur REACH-Verordnung belegen, auf einer Entscheidung des Unionsgesetzgebers.

93

Die mit der REACH-Verordnung verfolgten Ziele bestätigen somit die oben in Rn. 87 vorgenommene Auslegung von Art. 42 Abs. 1 der Verordnung.

94

Daraus folgt, dass das Gericht in Anbetracht der Befugnisse, über die die ECHA nach der REACH-Verordnung im Licht des Regelungszusammenhangs der Befugnisse und der mit der Verordnung verfolgten Ziele verfügt, in Rn. 72 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt hat, dass das streitige Schreiben inhaltlich einer Entscheidung zur Durchführung von Art. 42 Abs. 1 der REACH Verordnung gleichkomme, die als solche dazu bestimmt sei, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, die geeignet seien, die Rechtsstellung von Esso in qualifizierter Weise zu ändern.

95

Folglich kann dieses Schreiben nicht als eine an die zuständigen französischen Behörden gerichtete Stellungnahme angesehen werden, die im Rahmen der der ECHA durch Art. 77 Abs. 1 der REACH-Verordnung übertragenen Aufgabe der Erteilung von Rat abgegeben worden wäre.

96

Das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, mit dem geltend gemacht wird, dass keine anfechtbare Handlung vorliege, ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

– Zum Rechtsschutzinteresse

97

Zunächst ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland formal rügt, dass das Gericht in den Rn. 81 und 82 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass Esso ein Rechtsschutzinteresse habe. In diesen Randnummern wird auf diese Frage aber gar nicht eingegangen. Das Gericht stellt dort lediglich fest, dass das streitige Schreiben eine mit einer Klage anfechtbare Handlung darstelle, da es gegenüber der Entscheidung vom 6. November 2012 neue tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte enthalte, und dass es daher nicht als eine diese Entscheidung „bestätigende Handlung“ angesehen werden könne.

98

Daher ist als Erstes festzustellen, dass, soweit die Bundesrepublik Deutschland geltend macht, dass das Gericht das streitige Schreiben als die Entscheidung vom 6. November 2012 bestätigende Handlung hätte qualifizieren müssen, eine Handlung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs als rein bestätigend anzusehen ist, wenn sie gegenüber einer vorausgegangenen Handlung keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte enthält (Urteil vom 31. Januar 2019, International Management Group/Kommission, C‑183/17 P und C‑184/17 P, EU:C:2019:78, Rn. 67 und dort angeführte Rechtsprechung).

99

Im vorliegenden Fall ist jedoch festzustellen, dass das streitige Schreiben, wie das Gericht in den Rn. 81 und 82 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, neue Beurteilungen und Schlussfolgerungen der ECHA enthielt, die die ECHA nach Prüfung der ihr von Esso auf die Entscheidung vom 6. November 2012 hin vorgelegten Informationen vorgenommen hatte.

100

Wegen dieser neuen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte war es gerechtfertigt, das streitige Schreiben nicht als eine die Entscheidung vom 6. November 2012 bestätigende Handlung anzusehen.

101

Als Zweites ist festzustellen, dass, soweit die Bundesrepublik Deutschland geltend macht, Esso habe kein Rechtsschutzinteresse, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für jede von einer natürlichen oder juristischen Person erhobene Nichtigkeitsklage ein Rechtsschutzinteresse bestehen muss (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 24. September 1987, Vlachou/Rechnungshof, 134/87, EU:C:1987:388, Rn. 8) und es sich bei dieser wesentlichen Voraussetzung, die die natürliche oder juristische Person nachzuweisen hat, um eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung handelt, die von den Unionsgerichten jederzeit von Amts wegen geprüft werden kann (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 7. Oktober 1987, G. d. M./Rat und WSA, 108/86, EU:C:1987:426, Rn. 10, und vom 21. Juli 2020, Abaco Energy u. a./Kommission, C‑436/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:606, Rn. 80), so wie die Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß Art. 263 AEUV (Beschluss vom 15. April 2010, Makhteshim-Agan Holding u. a./Kommission, C‑517/08 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2010:190, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

102

Das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, Esso habe kein Interesse daran gehabt, beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Schreibens zu erheben, ist mithin zulässig.

103

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs setzt ein Rechtsschutzinteresse voraus, dass die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung der natürlichen oder juristischen Person, die die Klage erhoben hat, als solche einen Vorteil verschaffen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. September 2009, Kommission/Koninklijke FrieslandCampina, C‑519/07 P, EU:C:2009:556, Rn. 63, und vom 31. Januar 2019, Islamic Republic of Iran Shipping Lines u. a./Rat, C‑225/17 P, EU:C:2019:82, Rn. 30).

104

Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 68 und 69), ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass das gemäß Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung erlassene streitige Schreiben gegenüber ESSO insoweit verbindliche Rechtswirkungen entfaltete, als die ECHA in ihm festgestellt hat, dass die ihm von Esso vorgelegten Informationen nicht den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprächen, und Esso deshalb eine Reihe von Verstößen gegen die entsprechenden Vorschriften der REACH-Verordnung zur Last gelegt hat.

105

Wegen der rechtlich bindenden Feststellungen, die in dem streitigen Schreiben enthalten sind, kann die Nichtigerklärung dieses Schreibens Esso daher als solche einen Vorteil verschaffen.

106

Dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, Esso habe kein Rechtsschutzinteresse, kann daher nicht gefolgt werden.

– Zur Klagebefugnis

107

Zu der Frage, ob die Feststellung des Gerichts, dass das streitige Schreiben Esso im Sinne von Art. 263 Abs. 4 Alt. 1 AEUV unmittelbar betreffe, rechtsfehlerhaft ist, ist festzustellen, dass die Voraussetzung, dass die Handlung der Union die natürliche oder juristische Person, die sie anficht, unmittelbar betrifft, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs erfordert, dass zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind: Die Handlung muss sich unmittelbar auf die Rechtsstellung der betreffenden Person auswirken, und sie darf den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lassen, ihre Umsetzung muss vielmehr rein automatisch erfolgen und sich ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften allein aus der Unionsregelung ergeben (Urteile vom 5. Mai 1998, Dreyfus/Kommission, C‑386/96 P, EU:C:1998:193, Rn. 43, und vom 3. Dezember 2019, Iccrea Banca, C‑414/18, EU:C:2019:1036, Rn. 66).

108

Im vorliegenden Fall hat das Gericht zum einen festgestellt, dass sich das streitige Schreiben unmittelbar auf die Rechtsstellung von Esso auswirke, da mit ihm festgestellt werde, dass Esso dadurch gegen bestimmte Verpflichtungen aus der REACH-Verordnung verstoßen habe, dass Esso der ECHA Informationen vorgelegt habe, die nicht den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprochen hätten (angefochtenes Urteil, Rn. 92 sowie die Randnummern, auf die dort verwiesen wird).

109

Wie sich oben aus den Rn. 104 und 105 ergibt, ist diese Beurteilung rechtlich nicht zu beanstanden.

110

Zum anderen hat das Gericht in Rn. 93 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die von der ECHA getroffene Feststellung für die zuständigen französischen Behörden bindend sei, da diese nur hinsichtlich der Art und des Umfangs der Sanktionen, die gegen Esso wegen Esso zur Last gelegter Verstöße gegen die Bestimmungen der REACH-Verordnung verhängt werden könnten, über ein Ermessen verfügten.

111

Wie sich oben aus den Rn. 84 bis 87 ergibt, steht diese Beurteilung im Einklang mit der durch die REACH-Verordnung vorgenommenen Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der ECHA und den nationalen Behörden. Denn eine Entscheidung wie die streitige ist für den Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, und innerhalb dieses Mitgliedstaats für die zuständigen nationalen Behörden automatisch bindend, ohne dass es der Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften bedarf. Die zuständigen nationalen Behörden sind nach den Artikeln 125 und 126 der REACH-Verordnung lediglich dafür zuständig, Maßnahmen zur Durchsetzung einer solchen Entscheidung zu treffen.

112

Das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, die Feststellung des Gerichts, dass das streitige Schreiben Esso im Sinne von Art. 263 Abs. 4 Alt. 1 AEUV unmittelbar betreffe, sei rechtsfehlerhaft, ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

113

Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

114

Die Bundesrepublik Deutschland macht unterstützt durch die Französische Republik und das Königreich der Niederlande geltend, dass das Gericht Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung fehlerhaft angewandt habe. Dieses Vorbringen richtet sich gegen die Rn. 57, 58, 60 bis 63, 71, 78, 108 und 112 des angefochtenen Urteils.

115

Die Bundesrepublik Deutschland macht als Erstes geltend, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, dass Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung im vorliegenden Fall anwendbar sei. Es habe diese Vorschrift zu Unrecht dahin ausgelegt, dass die ECHA nach ihr grundsätzlich verpflichtet sei, alle ihr von Wirtschaftsteilnehmern im Anschluss an eine Entscheidung gemäß Art. 41 Abs. 3 der REACH-Verordnung vorgelegten Informationen im Wege einer Entscheidung auf Erfüllung der Anforderungen zu überprüfen, es sei denn, die Informationen seien offensichtlich fern jeder Vernunft. Aus dem Wortlaut der genannten Bestimmungen ergebe sich nämlich u. a., dass sich die ECHA, wenn sie einem Wirtschaftsteilnehmer eine Entscheidung übermittele, mit der dieser aufgefordert werde, ganz bestimmte Informationen vorzulegen, und ihr der Wirtschaftsteilnehmer alternative Informationen vorlege, auf die Feststellung beschränken könne, dass der betreffende Wirtschaftsteilnehmer ihrer Entscheidung nicht nachgekommen sei, ohne dass es erforderlich wäre, zu prüfen, ob die betreffenden alternativen Informationen den Anforderungen entsprächen. Im vorliegenden Fall habe das Gericht aber ausdrücklich festgestellt, dass Esso der ECHA nicht die mit der Entscheidung vom 6. November 2012 angeforderten Informationen, sondern alternative Informationen übermittelt habe, ohne aus dieser Feststellung die Rechtsfolge abzuleiten, dass keine Prüfung auf Erfüllung der Anforderungen zu erfolgen habe.

116

Als Zweites macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass die vom Gericht vorgenommene Auslegung auch nicht mit dem mit der REACH-Verordnung verfolgten Ziel des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt und dem Regelungszusammenhang von Art. 42 Abs. 1 der Verordnung vereinbar sei. Zum einen hätte sie nämlich zur Folge, dass die ECHA verpflichtet wäre, bei den Informationen, die ihr von den Wirtschaftsteilnehmern übermittelt würden, auch dann eine Prüfung auf Erfüllung der Anforderungen durchzuführen, wenn sie sich von denen, die von den Wirtschaftsteilnehmern konkret angefordert worden seien, unterschieden, wodurch das Verfahren, während dessen die potenziell für die menschliche Gesundheit gefährlichen chemischen Stoffe weiter in der Union hergestellt, in die Union eingeführt oder in der Union in Verkehr gebracht werden könnten, in die Länge gezogen werde. Zum anderen sei es nach den Vorschriften der REACH-Verordnung nicht zulässig, dass Wirtschaftsteilnehmer, die mit einer Entscheidung gemäß Art. 41 Abs. 3 der REACH-Verordnung konkret aufgefordert worden seien, eine mit Tierversuchen durchgeführte Studie vorzulegen, der ECHA alternative Informationen vorlegten.

117

Als Drittes macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass es nicht mit dem allgemeinen Verwaltungsrecht der Union zu vereinbaren sei, von der ECHA, wie es das Gericht getan habe, zu verlangen, die ihr von den Wirtschaftsteilnehmern übermittelten Informationen auch dann auf Erfüllung der Anforderungen zu überprüfen, wenn es sich um andere Informationen handele als diejenigen, die von ihnen mit einer Entscheidung gemäß Art. 41 Abs. 3 der REACH-Verordnung konkret angefordert worden seien. Dadurch würde diese Entscheidung letztlich entkräftet.

118

Als Viertes macht die Bundesrepublik Deutschland schließlich geltend, dass durch die vom Gericht vorgenommene Auslegung die Bearbeitung der Registrierungsdossiers, die die ECHA gemäß Art. 41 Abs. 5 der REACH-Verordnung auswähle, um zu überprüfen, ob sie den Anforderungen der Verordnung entsprächen, unbegrenzt in die Länge gezogen würde. Außerdem wäre sie geeignet, die nationalen Behörden in der Ausübung der Zuständigkeiten zu behindern, die ihnen durch die Art. 125 und 126 der Verordnung übertragen seien.

119

Esso und die ECHA machen unterstützt durch ECEAE, HOPA und HOPA REACH im Wesentlichen geltend, dass die Auslegung von Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung, für die sich die Bundesrepublik Deutschland ausspreche, dem Titel und dem Wortlaut dieser Bestimmung sowie dem Regelungszusammenhang und den mit der Verordnung verfolgten Zielen zuwiderlaufe.

120

Das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland zum allgemeinen Verwaltungsrecht der Union und zur Notwendigkeit, die Wirksamkeit des mit der REACH-Verordnung eingeführten Verfahrens der Bewertung der Registrierungsdossiers sicherzustellen, sei nicht stichhaltig.

Würdigung durch den Gerichtshof

121

Die Bundesrepublik Deutschland macht im Wesentlichen geltend, dass das Gericht, selbst wenn die Klage von Esso zulässig sein sollte, einen Rechtsfehler begangen habe, indem es dem ersten Klagegrund, mit dem geltend gemacht worden sei, dass die ECHA bei der Ausübung der Entscheidungsbefugnis gemäß Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung die entsprechenden Modalitäten nicht beachtet habe, stattgegeben und das streitige Schreiben infolgedessen für nichtig erklärt habe.

122

Erlasse die ECHA eine Entscheidung gemäß Art. 41 Abs. 3 der REACH-Verordnung, mit der sie einen Wirtschaftsteilnehmer auffordere, ihr eine mit Tierversuchen durchgeführte Studie vorzulegen, und lege der betreffende Wirtschaftsteilnehmer ihr dann andere Informationen als eine solche Studie vor, müsse sich die ECHA auf die Feststellung beschränken, dass es sich bei den vorgelegten Informationen nicht um die angeforderten handele. Sie sei nicht befugt, zu überprüfen, ob die vorgelegten Informationen den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprächen.

123

Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 78 und 79), ergibt sich aus Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung, dass die ECHA, wenn sie eine Entscheidung gemäß Art. 41 Abs. 3 der Verordnung erlassen hat, mit der sie einen Registranten aufgefordert hat, ihr Informationen vorzulegen, als Erstes „alle Informationen [zu prüfen]“ hat, die von dem Regsitranten im Anschluss an die Entscheidung vorgelegt werden, um festzustellen, ob sie den einschlägigen Anforderungen der Richtlinie entsprechen, und als Zweites „erforderlichenfalls geeignete Entscheidungsentwürfe [zu erstellen]“ hat.

124

Die erste dieser Verpflichtungen hat zwar allgemeinen Charakter, da sie für „alle Informationen, die … vorgelegt werden“ gilt. Der Wortlaut von Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung schließt jedoch nicht aus, diese Bestimmung, wofür sich die Bundesrepublik Deutschland ausspricht, dahin auszulegen, dass eine solche allgemeine Verpflichtung nur dann gilt, wenn die vom Registranten vorgelegten Informationen den von der ECHA angeforderten entsprechen, mithin nicht in Fällen, in denen die ECHA konkret eine mit Tierversuchen durchgeführte Studie angefordert hat und der Registrant ihr daraufhin andere Informationen als eine solche Studie übermittelt hat.

125

Nach der oben in Rn. 81 angeführten Rechtsprechung ist Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung daher im Licht des Regelungszusammenhangs und der mit der REACH-Verordnung verfolgten Ziele auszulegen.

126

Was als Erstes den Regelungszusammenhang von Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung angeht, ist zunächst festzustellen, dass nach Art. 41 Abs. 1 Buchst. a und b der REACH-Verordnung die der ECHA obliegende Verpflichtung, die bei ihr eingereichten Dossiers für die Registrierung chemischer Stoffe zu bewerten und zu überprüfen, ob die in ihnen enthaltenen Informationen den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprechen, nicht nur die Frage betrifft, ob die Informationen den „Anforderungen“ der einschlägigen Bestimmungen der REACH-Verordnung entsprechen, sondern in dem Fall, dass der Registrant „Abweichungen von den erforderlichen Basisangaben und ihre … Begründungen“ vorlegt, auch die Frage, ob diese Abweichungen und ihre Begründungen den einschlägigen Bestimmungen der Anhänge der REACH-Verordnung entsprechen.

127

Diese Bewertungs- und Prüfungspflicht ist das Gegenstück zu der dem Registranten nach den Anhängen der REACH-Verordnung zustehenden Möglichkeit, in seinem Registrierungsdossier andere Informationen als die nach den einschlägigen Bestimmungen der REACH-Verordnung vorgeschriebenen „Basisangaben“ (sogenannte „Abweichungen“) vorzulegen, sofern die für solche Abweichungen geltenden Anforderungen beachtet werden. In dieser Möglichkeit kommt, wie aus den Erwägungsgründen 18 und 19 der REACH-Verordnung hervorgeht, die Entscheidung des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck, ein System zur Registrierung und Bewertung chemischer Stoffe einzurichten, in dem die Verantwortung für die Risiken im Zusammenhang mit diesen Stoffen und die Verpflichtung, alle Informationen vorzulegen, die für ihre Registrierung und Bewertung erforderlich sind, die natürlichen oder juristischen Personen treffen, die die Stoffe in der Union herstellen, in die Union einführen oder in der Union in Verkehr bringen.

128

Ferner ist festzustellen, dass in der REACH-Verordnung nicht speziell geregelt ist, ob die den Registranten auf diese Weise eingeräumte Möglichkeit, im Anfangsstadium des Verfahrens der Registrierung und Bewertung chemischer Stoffe, d. h. der Einreichung eines Registrierungsdossiers bei der ECHA, „Abweichungen“ vorzunehmen, auch für die späteren Abschnitte dieses Verfahrens gilt, insbesondere wenn die ECHA eine Entscheidung gemäß Art. 41 Abs. 3 der REACH-Verordnung erlassen hat, mit der ein Registrant aufgefordert wird, sein Registrierungsdossier durch eine mit Tierversuchen durchgeführte Studie zu vervollständigen.

129

Wie der Generalanwalt in Nr. 153 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich diese Möglichkeit jedoch aus den einschlägigen allgemeinen Bestimmungen der REACH-Verordnung und dem Leitprinzip der Beschränkung von Tierversuchen, das darin zum Ausdruck kommt.

130

Insbesondere sieht Art. 13 („Allgemeine Bestimmungen für die Gewinnung von Informationen über inhärente Stoffeigenschaften“) der REACH-Verordnung in seinem Abs. 1 ausdrücklich vor, dass „Informationen über inhärente Stoffeigenschaften … durch andere Mittel als [Tierversuche] gewonnen werden [können], sofern die Bedingungen des Anhangs XI [der REACH-Verordnung] eingehalten werden“. Weiter heißt es dort, dass „[i]nsbesondere … Informationen über die Toxizität für den Menschen, sofern irgend möglich, durch andere Mittel als Versuche mit Wirbeltieren zu gewinnen [sind], also durch die Verwendung von alternativen Methoden, beispielsweise In-vitro-Methoden, oder von Modellen der qualitativen oder quantitativen Struktur-Wirkungs-Beziehung oder von Daten über strukturell verwandte Stoffe (Gruppierung oder Analogie)“.

131

Ebenso heißt es in Art. 25 („Ziele und allgemeine Regeln“) der REACH-Verordnung in Abs. 1, dass, „[u]m Tierversuche zu vermeiden, … Wirbeltierversuche für die Zwecke dieser Verordnung nur als letztes Mittel durchgeführt werden [dürfen]“.

132

Aus diesen allgemeinen Bestimmungen, die im Licht des 47. Erwägungsgrundes der REACH-Verordnung zu sehen sind, wonach „[e]s … notwendig ist, Tierversuche … zu ersetzen, zu reduzieren oder erträglicher zu gestalten“, geht hervor, dass der Registrant generell und somit insbesondere auch dann, wenn das ECHA ihm eine Entscheidung übermittelt, mit der er aufgefordert wird, sein Registrierungsdossier durch eine mit Tierversuchen durchgeführte Studie zu vervollständigen, nicht nur die Möglichkeit hat, sondern verpflichtet ist, „sofern irgend möglich“, durch andere Mittel als Tierversuche gewonnene Informationen vorzulegen und Tierversuche „nur als letztes Mittel“ durchzuführen.

133

Als Zweites ist hinsichtlich der mit der REACH-Verordnung verfolgten Ziele festzustellen, dass hierzu u. a. das Ziel gehört, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen, einschließlich der Förderung alternativer Beurteilungsmethoden für von chemischen Stoffen ausgehende Gefahren, wie sich aus Art. 1 Abs. 1 der REACH-Verordnung ergibt.

134

Aus dieser Bestimmung geht jedoch hervor, dass der Rückgriff auf alternative Methoden zur Durchführung von Tierversuchen eines der von der REACH-Verordnung bevorzugten Mittel zur Bewertung der Toxizität chemischer Stoffe für den Menschen darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juli 2011, Etimine, C‑15/10, EU:C:2011:504, Rn. 108) und damit zur Verwirklichung des Ziels des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt beiträgt, das dem gesamten Registrierungs- und Bewertungsverfahren, wie es durch die REACH-Verordnung eingerichtet wurde, zugrunde liegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2009, S.P.C.M. u. a., C‑558/07, EU:C:2009:430, Rn. 45 bis 47).

135

Somit hat das Gericht in Rn. 62 des angefochtenen Urteils zu Recht darauf hingewiesen, dass ein Registrant, den die ECHA dazu aufgefordert hat, sein Registrierungsdossier durch eine mit Tierversuchen durchgeführte Studie zu vervollständigen, die Möglichkeit hat, der Verpflichtung aus den Artikeln 13 und 25 der REACH-Verordnung nachzukommen, indem er auf diese Aufforderung hin andere Informationen als eine solche Studie übermittelt.

136

Ebenso hat das Gericht in den Rn. 62 und 63 sowie durch Verweis in Rn. 108 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass für die ECHA die entsprechende Verpflichtung gilt, zu überprüfen, ob diese alternativen Informationen den einschlägigen Anforderungen entsprechen, insbesondere zu ermitteln, ob sie als Abweichungen einzustufen sind, die den Bestimmungen der betreffenden Anhänge der REACH-Verordnung entsprechen.

137

Schließlich hat das Gericht in den Rn. 108, 109 und 112 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass die ECHA, wenn es sich als „geeignet“ erweist, eine Entscheidung nach Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung vorzubereiten, verpflichtet ist, die einschlägigen Anforderungen, wie sie in den Art. 50 und 51 dieser Verordnung vorgesehen sind, zu beachten.

138

Folglich kann die Bundesrepublik Deutschland nicht mit Erfolg geltend machen, dass das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen habe, dass es Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung in einer Weise ausgelegt habe, die nicht mit dem Regelungszusammenhang und den mit der Verordnung verfolgten Zielen vereinbar sei, und auf der Grundlage dieser Auslegung entschieden habe, dass der erste Klagegrund von Esso begründet sei.

139

Im Hinblick auf das oben in den Rn. 117 und 118 zusammengefasste Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland ist zum einen zu ergänzen, dass diese Auslegung auch nicht gegen das allgemeine Verwaltungsrecht der Union verstößt. Da sich nämlich aus der REACH-Verordnung ergibt, dass ein Registrant allgemein verpflichtet ist, auf Tierversuche nur als letztes Mittel zurückzugreifen, und dass er, falls die ECHA sich dafür entschieden hat, von ihm eine mit Tierversuchen durchgeführte Studie anzufordern, dieser Verpflichtung durch Vorlage alternativer Informationen nachkommen kann, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung der ECHA dadurch, dass der Registrant von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, entkräftet würde. Vielmehr bleibt der Registrant nach der Entscheidung der ECHA verpflichtet, die angeforderte Studie innerhalb der gesetzten Frist vorzulegen, es sei denn, er kann Informationen vorlegen, die zwar alternativen Charakter haben, aber den Anforderungen genügen, um als „Abweichungen“ im Sinne der betreffenden Anhänge der REACH-Verordnung eingestuft werden zu können.

140

Zum anderen hat die vom Gericht vorgenommene Auslegung weder zur Folge, dass die Bearbeitung der Registrierungsdossiers, die die ECHA gemäß Art. 41 Abs. 5 der REACH-Verordnung auswählt, um zu überprüfen, ob sie den Anforderungen der Verordnung entsprechen, unbegrenzt in die Länge gezogen würde, noch, dass die nationalen Behörden in der Ausübung der Zuständigkeiten behindert würden, die ihnen durch die Art. 125 und 126 der Verordnung übertragen sind.

141

Wie sich nämlich oben aus den Rn. 79, 82 und 83 ergibt, ist die ECHA nach Abschluss dieser Überprüfung nicht nur befugt, endgültig festzustellen, dass die ihr vorgelegten Informationen nicht den Anforderungen entsprechen. Sie ist auch befugt, zu entscheiden, dass der Registrant dadurch gegen bestimmte seiner Verpflichtungen aus der REACH-Verordnung verstoßen hat, insbesondere gegen seine Verpflichtung, den chemischen Stoff, den er in der Union herstellt, in die Union einführt oder in der Union in Verkehr bringt, den Anforderungen der Verordnung entsprechend zu registrieren. Wie sich aus Art. 5 der REACH-Verordnung ergibt, darf der Hersteller oder Importeur den chemischen Stoff nur dann weiter in der Union herstellen, in die Union einführen oder in der Union in Verkehr bringen, wenn er dieser Verpflichtung nachgekommen ist.

142

Dies hat die ECHA im Übrigen mit dem Erlass des streitigen Schreibens getan.

143

Die nationalen Behörden sind ihrerseits gemäß den Art. 125 und 126 der REACH-Verordnung verpflichtet, für die Durchführung und Einhaltung einer solchen Entscheidung zu sorgen und zu diesem Zweck u. a. Kontrollen durchzuführen und wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen zu verhängen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2017, Pinckernelle, C‑535/15, EU:C:2017:315, Rn. 46).

144

Nach alledem ist der zweite Rechtsmittelgrund unbegründet.

145

Folglich ist das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.

Kosten

146

Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs sieht u. a. vor, dass der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist, über die Kosten entscheidet.

147

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

148

Da im vorliegenden Fall Esso und die ECHA beantragt haben, der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen, und diese unterlegen ist, sind der Bundesrepublik Deutschland die Kosten dieser beiden Parteien aufzuerlegen.

149

Nach Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs kann dieser einer erstinstanzlichen Streithilfepartei, die am Rechtsmittelverfahren teilnimmt, ihre eigenen Kosten auferlegen.

150

Im vorliegenden Fall ist zu entscheiden, dass die Französische Republik und das Königreich der Niederlande ihre eigenen Kosten tragen.

151

Art. 140 Abs. 3 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, bestimmt u. a., dass der Gerichtshof entscheiden kann, dass ein anderer Streithelfer als ein Mitgliedstaat oder ein Organ der Union seine eigenen Kosten trägt.

152

Im vorliegenden Fall ist zu entscheiden, dass ECEAE, HOPA und HOPA REACH ihre eigenen Kosten tragen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Esso Raffinage und der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA).

 

3.

Die Französische Republik, das Königreich der Niederlande, die European Coalition to End Animal Experiments, das Higher Olefins and Poly Alpha Olefins REACH Consortium und die Higher Olefins & Poly Alpha Olefins vzw tragen ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.