ISSN 1977-0642

Amtsblatt

der Europäischen Union

L 303

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Rechtsvorschriften

61. Jahrgang
28. November 2018


Inhalt

 

I   Gesetzgebungsakte

Seite

 

 

VERORDNUNGEN

 

*

Verordnung (EU) 2018/1805 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 über die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen

1

 

*

Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind

39

 

*

Verordnung (EU) 2018/1807 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 über einen Rahmen für den freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten in der Europäischen Union ( 1 )

59

 

 

RICHTLINIEN

 

*

Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten

69

 


 

(1)   Text von Bedeutung für den EWR.

DE

Bei Rechtsakten, deren Titel in magerer Schrift gedruckt sind, handelt es sich um Rechtsakte der laufenden Verwaltung im Bereich der Agrarpolitik, die normalerweise nur eine begrenzte Geltungsdauer haben.

Rechtsakte, deren Titel in fetter Schrift gedruckt sind und denen ein Sternchen vorangestellt ist, sind sonstige Rechtsakte.


I Gesetzgebungsakte

VERORDNUNGEN

28.11.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 303/1


VERORDNUNG (EU) 2018/1805 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 14. November 2018

über die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 82 Absatz 1 Buchstabe a,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Union hat sich den Aufbau und die Erhaltung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ziel gesetzt.

(2)

Die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union beruht auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen, der seit der Tagung des Europäischen Rates vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere allgemein als Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union gilt.

(3)

Die Sicherstellung und die Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten gehören zu den wirksamsten Mitteln der Kriminalitätsbekämpfung. Im Einklang mit dem „Stockholmer Programm – Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger“ setzt sich die Union für eine wirksamere Ermittlung, Einziehung und Verwertung von durch Straftaten erlangtem Vermögen ein. (2)

(4)

Da die Kriminalität häufig grenzüberschreitenden Charakter hat, ist eine wirksame grenzüberschreitende Zusammenarbeit wesentlich, um Tatwerkzeuge und Erträge aus Straftaten sicherstellen und einziehen zu können.

(5)

Den derzeitigen Rechtsrahmen der Union im Bereich der gegenseitigen Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen bilden die Rahmenbeschlüsse 2003/577/JI (3) und 2006/783/JI (4) des Rates.

(6)

Wie aus den Berichten der Kommission über die Umsetzung der Rahmenbeschlüsse 2003/577/JI und 2006/783/JI deutlich wird, sind die bestehenden Regelungen für die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen nur eingeschränkt wirksam. Diese Rahmenbeschlüsse sind in den Mitgliedstaaten bislang nicht einheitlich umgesetzt und angewandt worden, was dazu geführt hat, dass die gegenseitige Anerkennung derzeit noch unzulänglich und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit suboptimal ist.

(7)

Der Rechtsrahmen der Union für die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen hat nicht mit den jüngsten gesetzgeberischen Entwicklungen auf Ebene der Union und der Mitgliedstaaten Schritt gehalten. So enthält insbesondere die Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (5) Mindestvorschriften für die Sicherstellung und die Einziehung von Vermögensgegenständen. Diese gemeinsamen Mindestvorschriften betreffen die Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten, auch im Fall von Krankheit oder Flucht der verdächtigen oder beschuldigten Person, wenn in Bezug auf eine Straftat bereits ein Strafverfahren eingeleitet wurde, die erweiterte Einziehung und die Dritteinziehung. Diese Mindestvorschriften betreffen ferner die Sicherstellung von Vermögensgegenständen zum Zwecke ihrer etwaigen späteren Einziehung. Die in dieser Richtlinie aufgeführten Arten der Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen sollten auch in den Rechtsrahmen für die gegenseitige Anerkennung umfasst werden.

(8)

Bei der Verabschiedung der Richtlinie 2014/42/EU haben das Europäische Parlament und der Rat in einer Erklärung festgehalten, dass ein wirksames System der Sicherstellung und Einziehung in der Union untrennbar mit einer gut funktionierenden gegenseitigen Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen verknüpft ist. Da ein umfassendes System für die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Union eingerichtet werden muss, haben das Europäische Parlament und der Rat die Kommission aufgefordert, einen Gesetzgebungsvorschlag über die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen vorzulegen.

(9)

Laut der Mitteilung der Kommission vom 28. April 2015 mit dem Titel „Die Europäische Sicherheitsagenda“, beruht die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen auf wirksamen grenzübergreifenden Instrumenten und stellt die gegenseitige Anerkennung von Urteilen und gerichtlichen Entscheidungen ein Schlüsselelement des EU-Sicherheitsrahmens dar. Dort wird ferner darauf hingewiesen, dass die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen verbessert werden muss.

(10)

In ihrer Mitteilung vom 2. Februar 2016 über einen Aktionsplan für ein intensiveres Vorgehen gegen Terrorismusfinanzierung betont die Kommission, dass dafür gesorgt werden muss, dass Straftätern, die den Terrorismus finanzieren, ihr Vermögen entzogen wird. Die Kommission erklärte, dass den Straftätern die Erträge aus ihren Straftaten unbedingt entzogen werden müssen, um der organisierten Kriminalität, die der Finanzierung des Terrorismus dient, das Handwerk zu legen. Daher erklärte die Kommission, dass dafür gesorgt werden muss, dass in der gesamten EU die Möglichkeiten zur Vollstreckung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen jeglicher Art durch die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung voll ausgeschöpft werden.

(11)

Zur Gewährleistung der effektiven gegenseitigen Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen sollten die Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung dieser Entscheidungen in einem verbindlichen und unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Union festgeschrieben werden.

(12)

Es ist wichtig, die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen durch Vorschriften zu erleichtern, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen, die von einem anderen Mitgliedstaat im Rahmen von Verfahren in Strafsachen erlassen wurden, ohne weitere Formalitäten anzuerkennen und diese Entscheidungen in ihrem Hoheitsgebiet zu vollstrecken.

(13)

Diese Verordnung sollte für alle Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen gelten, die im Rahmen von Verfahren in Strafsachen ergehen. Bei dem Begriff „Verfahren in Strafsachen“ handelt es sich um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, wie er vom Gerichtshof der Europäischen Union ungeachtet der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgelegt wird. Der Begriff sollte daher für alle Arten von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen gelten, die im Anschluss an ein Verfahren im Zusammenhang mit einer Straftat ergehen, d. h. nicht nur für Entscheidungen, die unter die Richtlinie 2014/42/EU fallen. Er gilt auch für andere Arten von Entscheidungen, die ohne rechtskräftige Verurteilung ergehen. Auch wenn solche Entscheidungen im Rechtssystem eines Mitgliedstaats möglicherweise nicht existieren, sollte der betreffende Mitgliedstaat die von einem anderen Mitgliedstaat erlassene Entscheidung anerkennen und vollstrecken können. Der Begriff „Verfahren in Strafsachen“ könnte auch strafrechtliche Ermittlungen durch die Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden einschließen. Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen, die im Rahmen von Verfahren in Zivilsachen oder Verwaltungssachen ergehen, sollten vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden.

(14)

Diese Verordnung sollte für Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen im Zusammenhang mit Straftaten, die unter die Richtlinie 2014/42/EU fallen, sowie für Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen im Zusammenhang mit anderen Straftaten gelten. Die Straftaten, die unter diese Verordnung fallen, sollten deshalb nicht auf besonders schwere Straftaten mit grenzüberschreitender Dimension beschränkt sein, da nach Artikel 82 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) für Maßnahmen zur Festlegung von Regeln und Verfahren, mit denen die gegenseitige Anerkennung von Urteilen in Strafsachen sichergestellt wird, eine derartige Einschränkung nicht erforderlich ist.

(15)

Eine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung und auf der Grundlage der unmittelbaren Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen setzt voraus, dass die Mitgliedstaaten darauf vertrauen können, dass die anzuerkennenden und zu vollstreckenden Entscheidungen stets im Einklang mit den Grundsätzen der Rechtmäßigkeit, der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ergehen. Diese Zusammenarbeit setzt auch voraus, dass die Rechte der von einer Sicherstellungsentscheidung oder einer Einziehungsentscheidung betroffenen Personen gewahrt werden sollten. Zu diesen betroffenen Personen, bei denen es sich um natürliche oder juristische Personen handeln kann, sollten die Person, gegen die eine Sicherstellungsentscheidung oder eine Einziehungsentscheidung ergangen ist, und die Person, die Eigentümerin des von der Entscheidung betroffenen Vermögensgegenstands ist, sowie etwaige Dritte gehören, deren Rechte in Bezug auf diesen Vermögensgegenstand durch diese Entscheidung unmittelbar beeinträchtigt werden, einschließlich gutgläubiger Dritter. Ob diese Dritten durch eine Sicherstellungsentscheidung oder eine Einziehungsentscheidung unmittelbar beeinträchtigt werden, sollte nach dem Recht des Vollstreckungsstaats entschieden werden.

(16)

Die Pflicht zur Achtung der Grundrechte und der allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie sie in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) niedergelegt sind, wird durch diese Verordnung nicht berührt.

(17)

Diese Verordnung wahrt die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden „EMRK“) anerkannten Grundrechte und Grundsätze. Dazu gehört der Grundsatz, dass jede Form der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion, der sexuellen Ausrichtung, der Staatsangehörigkeit, der Sprache, der politischen Anschauung oder einer Behinderung verboten werden muss. Diese Verordnung sollte unter Achtung dieser Rechte und Grundsätze angewandt werden.

(18)

Die Verfahrensrechte, die in den Richtlinien 2010/64/EU (6), 2012/13/EU (7), 2013/48/EU (8), (EU) 2016/343 (9), (EU) 2016/800 (10) und (EU) 2016/1919 (11) des Europäischen Parlaments und des Rates verankert sind, sollten innerhalb des Geltungsbereichs dieser Richtlinien bei den unter diese Verordnung fallenden Strafverfahren für die Mitgliedstaaten gelten, die an diese Richtlinien gebunden sind. In jedem Fall sollten die gemäß der Charta gewährleisteten Garantien für alle unter diese Verordnung fallenden Verfahren gelten. Insbesondere sollten die in der Charta verankerten grundlegenden Garantien für Strafverfahren auf die unter diese Verordnung fallenden Verfahren in Strafsachen, die keine Strafverfahren sind, Anwendung finden.

(19)

Mit den Regeln für die Übermittlung, Anerkennung und Vollstreckung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen sollte sichergestellt werden, dass das Verfahren zur Abschöpfung von unrechtmäßig erworbenem Vermögen seinen Zweck erfüllt; zugleich müssen die Grundrechte gewahrt werden.

(20)

Bei der Beurteilung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit sollte die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats prüfen, ob die der betreffenden Straftat zugrunde liegenden Sachverhaltselemente, wie sie in der von der zuständigen Behörde des Entscheidungsstaats übermittelten Sicherstellungs- oder Einziehungsbescheinigung wiedergegeben werden, als solche auch im Vollstreckungsstaat einer strafrechtlichen Sanktion unterliegen würden, wenn sie sich zum Zeitpunkt des Beschlusses über die Anerkennung der Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidungen in dessen Hoheitsgebiet ereignet hätten.

(21)

Die Entscheidungsbehörde sollte beim Erlass einer Sicherstellungsentscheidung oder Einziehungsentscheidung dafür Sorge tragen, dass die Grundsätze der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit befolgt werden. Gemäß dieser Verordnung sollte eine Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung nur dann ergehen und an eine Vollstreckungsbehörde in einem anderen Mitgliedstaat übermittelt werden, wenn sie auch in einem rein innerstaatlichen Fall hätte ergehen und zum Einsatz kommen können. Für die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit solcher Entscheidungen sollte in jedem Fall die Entscheidungsbehörde zuständig sein, da die Anerkennung und Vollstreckung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen nur aus den in dieser Verordnung festgelegten Gründen abgelehnt werden sollte.

(22)

In manchen Fällen kann eine vom Entscheidungsstaat benannte Behörde, die für Strafsachen zuständig, aber kein Richter, Gericht oder Staatsanwalt ist, Sicherstellungsentscheidungen nach nationalem Recht vollstrecken oder durchsetzen. In solchen Fällen sollte die Sicherstellungsentscheidung vor ihrer Übermittlung an die Vollstreckungsbehörde von einem Richter, einem Gericht oder einem Staatsanwalt im Entscheidungsstaat bestätigt werden.

(23)

Die Mitgliedstaaten sollten eine Erklärung abgeben können, der zufolge die Entscheidungsbehörde ihnen bei der Übermittlung einer Sicherstellungsbescheinigung oder einer Einziehungsbescheinigung zwecks Anerkennung und Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung oder Einziehungsentscheidung das Original der Sicherstellungsentscheidung oder der Einziehungsentscheidung oder eine beglaubigte Abschrift davon zusammen mit der Sicherstellungsbescheinigung oder der Einziehungsbescheinigung übermitteln sollte. Die Mitgliedstaaten sollten es der Kommission mitteilen, wenn sie eine solche Erklärung abgeben oder zurückziehen. Die Kommission sollte derartige Informationen allen Mitgliedstaaten sowie dem durch den Beschluss 2008/976/JI des Rates (12) eingerichteten Europäischen Justiziellen Netz (EJN) zugänglich machen. Das EJN sollte diese Informationen auf der Website gemäß diesem Beschluss zugänglich machen.

(24)

Die Entscheidungsbehörde sollte eine Sicherstellungsbescheinigung oder eine Einziehungsbescheinigung gegebenenfalls zusammen mit der Sicherstellungsentscheidung oder der Einziehungsentscheidung entweder, je nach Sachlage, direkt an die Vollstreckungsbehörde oder an die zentrale Stelle des Vollstreckungsstaats in einer Weise übermitteln, die einen schriftlichen Nachweis unter Bedingungen ermöglicht, die der Vollstreckungsbehörde die Feststellung der Echtheit der Bescheinigung oder der Entscheidung gestatten, zum Beispiel per Einschreiben oder gesicherter E-Mail. Die Entscheidungsbehörde sollte von jedem einschlägigen Übermittlungsweg oder -mittel Gebrauch machen können, einschließlich des gesicherten Telekommunikationssystems des EJN, Eurojust oder sonstiger Kommunikationswege, die von den Justizbehörden genutzt werden.

(25)

Die Entscheidungsbehörde sollte die Sicherstellungsbescheinigung oder die Einziehungsbescheinigung, die sich auf eine Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung über einen Geldbetrag bezieht, dem Mitgliedstaat übermitteln, in dem die Entscheidungsbehörde aus berechtigten Gründen Vermögensgegenstände oder Einkommen der Person vermutet, gegen die die Entscheidung ergangen ist. Auf dieser Grundlage könnte die Bescheinigung beispielsweise dem Mitgliedstaat übermittelt werden, in dem die natürliche Person, gegen die die Entscheidung ergangen ist, sich aufhält oder, falls die Person keinen festen Wohnsitz hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist die Entscheidung gegen eine juristische Person ergangen, könnte die Bescheinigung dem Mitgliedstaat übermittelt werden, in dem die juristische Person ihren Sitz hat.

(26)

Für die administrative Übermittlung und Entgegennahme von Bescheinigungen mit Bezug auf Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidungen sollten die Mitgliedstaaten eine oder mehrere zentrale Stellen benennen können, wenn sich dies aufgrund des Aufbaus des einzelstaatlichen Rechtssystems als erforderlich erweist. Diese zentralen Stellen könnten auch administrative Unterstützung leisten, Koordinierungsaufgaben wahrnehmen sowie bei der Erhebung statistischer Daten helfen und auf diese Weise dazu beitragen, dass die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen leichter vonstattengeht und Verbreitung findet.

(27)

Wird eine Einziehungsbescheinigung in Bezug zu einer Einziehungsentscheidung, die einen Geldbetrag betrifft, mehr als einem Vollstreckungsstaat übermittelt, so sollte der Entscheidungsstaat versuchen, eine Lage zu vermeiden, die dazu führt, dass mehr Vermögensgegenstände als notwendig eingezogen werden und der durch die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung eingezogene Gesamtbetrag den darin angegebenen Höchstbetrag überschreiten würde. Zu diesem Zweck sollte die Entscheidungsbehörde in der Einziehungsbescheinigung, falls bekannt, den Wert der Vermögensgegenstände in jedem Vollstreckungsstaat angeben, damit die Vollstreckungsbehörden diesen berücksichtigen können, den erforderlichen Kontakt und Dialog mit den Vollstreckungsbehörden über die einzuziehenden Vermögensgegenstände aufrechterhalten, und die zuständige(n) Vollstreckungsbehörde(n) umgehend informieren, wenn ihrer Ansicht nach möglicherweise die Gefahr besteht, dass eine Vollstreckung über den Höchstbetrag hinaus erfolgen könnte. Gegebenenfalls kann Eurojust eine koordinierende Rolle innerhalb ihres Aufgabenbereichs wahrnehmen, um eine übermäßige Einziehung zu verhindern.

(28)

Den Mitgliedstaaten sollte nahegelegt werden, eine Erklärung abzugeben, der zufolge sie als Vollstreckungsstaaten Sicherstellungs-, Einziehungsbescheinigungen oder beides in einer oder mehreren anderen Amtssprachen der Union als den eigenen Amtssprachen akzeptieren.

(29)

Die Vollstreckungsbehörde sollte Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen anerkennen und die für ihre Vollstreckung erforderlichen Maßnahmen treffen. Der Beschluss über die Anerkennung und Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung oder Einziehungsentscheidung und die Durchführung der Sicherstellung oder Einziehung sollten mit der gleichen Geschwindigkeit und Dringlichkeit wie in vergleichbaren innerstaatlichen Fällen erfolgen. Es sollten Fristen festgelegt werden, die gemäß der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates (13) berechnet werden sollten und mit denen sichergestellt wird, dass die Entscheidung über die Anerkennung der Sicherstellungsentscheidung oder Einziehungsentscheidung rasch und wirksam ergeht und diese rasch und wirksam vollstreckt wird. Bei Sicherstellungsentscheidungen sollte die Vollstreckungsbehörde spätestens 48 Stunden, nachdem der Beschluss über die Anerkennung und Vollstreckung einer solchen Entscheidung gefasst wurde, die konkreten für die Vollstreckung dieser Entscheidung erforderlichen Maßnahmen einleiten.

(30)

Bei der Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung sollten die Entscheidungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde dem Gebot der Vertraulichkeit der Ermittlungen gebührend Rechnung tragen. Insbesondere sollte die Vollstreckungsbehörde die Vertraulichkeit des Sachverhalts und des Inhalts der Sicherstellungsentscheidung gewährleisten. Die Verpflichtung, die betroffenen Personen über die Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung gemäß dieser Verordnung in Kenntnis zu setzen, wird hierdurch nicht berührt.

(31)

Die Anerkennung und Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung oder Einziehungsentscheidung sollte nur aus den in dieser Verordnung festgelegten Gründen abgelehnt werden können. Diese Verordnung sollte es erlauben, dass die Vollstreckungsbehörden die Anerkennung oder Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen versagen dürfen, wenn sie gegen den Grundsatz „ne bis in idem“ verstößt oder wenn die Rechte betroffener Parteien oder das Recht auf Anwesenheit in der Verhandlung nicht gewahrt werden.

(32)

Diese Verordnung sollte es erlauben, dass die Vollstreckungsbehörden die Anerkennung oder Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen versagen dürfen, wenn die Person gegen die eine Einziehungsentscheidung ergangen ist, nicht persönlich zu der Verhandlung, die zu der Einziehungsentscheidung im Zusammenhang mit einer rechtskräftigen Verurteilung geführt hat, erschienen ist. Dieser Grund für die Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung solltet nur auf Verhandlungen Anwendung finden, die zu einer Einziehungsentscheidung im Zusammenhang mit einer rechtskräftigen Verurteilung geführt haben, jedoch nicht auf Verfahren, die zu einer Einziehungsentscheidung geführt haben, der keine Verurteilung zugrunde liegt. Damit dieser Grund zur Anwendung kommen kann, sollten jedoch eine oder mehrere Verhandlungen stattgefunden haben. Der Grund sollte keine Anwendung finden, wenn die entsprechenden nationalen Verfahrensvorschriften keine Verhandlung vorsehen. Diese nationalen Verfahrensvorschriften sollten der Charta und der EMRK entsprechen, insbesondere in Bezug auf das Recht auf ein faires Verfahren. Dies ist beispielsweise der Fall bei vereinfachten Gerichtsverfahren, die vollständig oder teilweise schriftlich durchgeführt werden oder bei denen keine mündliche Verhandlung vorgesehen ist.

(33)

Unter außergewöhnlichen Umständen sollte es möglich sein, die Anerkennung oder Vollstreckung einer Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung zu versagen, wenn eine solche Anerkennung oder Vollstreckung den Vollstreckungsstaat daran hindern würde, seine Verfassungsbestimmungen im Zusammenhang mit der Pressefreiheit oder der Freiheit der Meinungsäußerung in anderen Medien anzuwenden.

(34)

Die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts innerhalb der Union beruht auf gegenseitigem Vertrauen sowie auf der Vermutung, dass andere Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die Grundrechte einhalten. Wenn jedoch in Ausnahmefällen aufgrund genauer und objektiver Angaben berechtigte Gründe zu der Annahme bestehen, dass die Vollstreckung einer Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung unter den besonderen Umständen des Falles die offensichtliche Verletzung eines in der Charta verankerten relevanten Grundrechts zur Folge hätte, sollte die Vollstreckungsbehörde beschließen können, die betreffende Entscheidung nicht anzuerkennen und zu vollstrecken. Die Grundrechte, die in dieser Hinsicht relevant sein sollten, sind insbesondere das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren und das Recht auf Verteidigung. Das Recht auf Eigentum sollte grundsätzlich nicht relevant sein, da die Sicherstellung und Einziehung von Vermögen zwangsläufig in das Recht auf Eigentum eingreift und weil die erforderlichen diesbezüglichen Garantien bereits im Unionsrecht einschließlich dieser Verordnung vorgesehen sind.

(35)

Bevor die Vollstreckungsbehörde beschließt, eine Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung aus einem beliebigen Grund für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung nicht anzuerkennen oder zu vollstrecken, sollte sie die Entscheidungsbehörde konsultieren, um gegebenenfalls erforderliche zusätzliche Auskünfte einzuholen.

(36)

Die Entscheidungsbehörde sollte bei der Prüfung eines Ersuchens der Vollstreckungsbehörde, die Sicherstellung des Vermögensgegenstands zeitlich zu begrenzen, alle Umstände des Falles berücksichtigen, insbesondere ob der Fortbestand einer Sicherstellungsentscheidung einen nicht zu rechtfertigenden Schaden im Vollstreckungsstaat verursachen könnte. Der Vollstreckungsbehörde wird empfohlen, sich mit der Entscheidungsbehörde zu beraten, bevor sie in dieser Angelegenheit ein förmliches Ersuchen stellt.

(37)

Die Entscheidungsbehörde sollte die Vollstreckungsbehörde unterrichten, wenn eine Behörde des Entscheidungsstaats einen Geldbetrag entgegennimmt, der im Zusammenhang mit der Einziehungsentscheidung gezahlt wurde, wobei davon ausgegangen wird, dass der Vollstreckungsstaat nur in Kenntnis gesetzt werden sollte, wenn sich der im Zusammenhang mit der Entscheidung entrichtete Zahlungsbetrag auf den ausstehenden Betrag auswirkt, der gemäß der Entscheidung einzuziehen ist.

(38)

Die Vollstreckungsbehörde sollte die Möglichkeit haben, die Vollstreckung einer Sicherstellungs- oder einer Einziehungsentscheidung auszusetzen, insbesondere wenn deren Vollstreckung laufende strafrechtliche Ermittlungen beeinträchtigen könnte. Sobald die Aussetzungsgründe entfallen, sollte die Vollstreckungsbehörde die für die Vollstreckung der Entscheidung erforderlichen Maßnahmen treffen.

(39)

Nach der Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung und nach dem Beschluss über die Anerkennung und Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung sollte die Vollstreckungsbehörde soweit möglich die ihr bekannten betroffenen Personen über diese Vollstreckung oder diesen Beschluss in Kenntnis setzen. Zu diesem Zweck sollte die Vollstreckungsbehörde alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um die betroffenen Personen zu ermitteln, herauszufinden, wie diese kontaktiert werden können, und sie über die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung oder den Beschluss über die Anerkennung und Vollstreckung der Einziehungsentscheidung zu unterrichten. Bei der Wahrnehmung dieser Pflicht könnte die Vollstreckungsbehörde die Entscheidungsbehörde um Unterstützung ersuchen, beispielsweise wenn die betroffenen Personen ihren Wohnsitz im Entscheidungsstaat zu haben scheinen. Die nach dieser Verordnung bestehenden Informationspflichten der Vollstreckungsbehörde gegenüber den betroffenen Personen gelten unbeschadet der nach dem Recht des Entscheidungsstaats für die Entscheidungsbehörde geltenden Informationspflichten gegenüber Personen, beispielsweise in Bezug auf den Erlass einer Sicherstellungsentscheidung oder in Bezug auf bestehende Rechtsbehelfe nach dem Recht des Entscheidungsstaats.

(40)

Die Entscheidungsbehörde sollte unverzüglich in Kenntnis gesetzt werden, wenn eine Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung nicht vollstreckt werden kann. Grund für die Unmöglichkeit der Vollstreckung kann sein, dass der Vermögensgegenstand bereits eingezogen wurde, verschwunden ist, vernichtet wurde oder an dem von der Entscheidungsbehörde angegebenen Ort nicht aufzufinden ist oder die Angabe des Orts, an dem sich der Vermögensgegenstand befindet, trotz Abstimmungen zwischen der Vollstreckungsbehörde und der Entscheidungsbehörde zu ungenau war. Unter diesen Umständen sollte die Vollstreckungsbehörde nicht mehr zur Vollstreckung der Entscheidung verpflichtet sein. Erhält die Vollstreckungsbehörde später jedoch Informationen, aufgrund deren sie die Vermögensgegenstände ausfindig machen kann, so sollte sie die Entscheidung vollstrecken können, ohne dass dafür gemäß dieser Verordnung eine neue Bescheinigung übermittelt werden muss.

(41)

In Fällen, in denen die Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung oder einer Einziehungsentscheidung durch das Recht im Vollstreckungsstaat rechtlich unmöglich ist, sollte die Vollstreckungsbehörde die Entscheidungsbehörde kontaktieren, um das Problem zu erörtern und eine Lösung zu finden. Eine solche Lösung könnte darin bestehen, dass die Entscheidungsbehörde die betreffende Entscheidung aufhebt.

(42)

Sobald die Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung abgeschlossen ist, sollte die Vollstreckungsbehörde die Entscheidungsbehörde über die Ergebnisse der Vollstreckung unterrichten. Soweit praktisch möglich, sollte die Vollstreckungsbehörde die Entscheidungsbehörde zu diesem Zeitpunkt auch über die Vermögensgegenstände oder den Geldbetrag, die eingezogen wurden, und über andere Einzelheiten unterrichten, die sie als sachdienlich erachtet.

(43)

Für die Vollstreckung einer Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung sollte das Recht des Vollstreckungsstaats maßgebend sein, und nur die Behörden dieses Staats sollten entscheiden können, auf welche Weise die Vollstreckung erfolgt. Gegebenenfalls sollte die Entscheidungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde Eurojust oder das EJN ersuchen können, innerhalb ihres Aufgabenbereichs bei Fragen im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidungen Unterstützung zu leisten.

(44)

Voraussetzung für eine reibungslose Durchführung dieser Verordnung, insbesondere bei gleichzeitiger Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung in mehr als einem Mitgliedstaat, ist ein enger Kontakt zwischen den zuständigen nationalen Behörden. Daher sollten die zuständigen nationalen Behörden einander bei Bedarf direkt oder gegebenenfalls über Eurojust oder das EJN konsultieren.

(45)

Das Recht der geschädigten Personen auf Entschädigung und Rückgabe sollte in grenzüberschreitenden Fällen nicht beeinträchtigt werden. In den für die Verfügung über sichergestellte oder eingezogene Vermögensgegenstände geltenden Vorschriften sollte der Entschädigung und der Rückgabe der Vermögensgegenstände an die geschädigten Personen Vorrang eingeräumt werden. Der Begriff „geschädigte Person“ ist gemäß dem Recht des Entscheidungsstaats auszulegen, wonach für die Zwecke der vorliegenden Verordnung auch eine juristische Person als geschädigte Person gelten können sollte. Die vorliegende Verordnung sollte die Vorschriften über die Entschädigung und Rückgabe von Vermögensgegenständen an geschädigte Personen in innerstaatlichen Verfahren nicht berühren.

(46)

Wenn die Vollstreckungsbehörde über die von der Entscheidungsbehörde oder einer anderen zuständigen Behörde im Entscheidungsstaat erlassene Entscheidung, sichergestellte Vermögensgegenstände an die geschädigte Person zurückzugeben, informiert wird, sollte die Vollstreckungsbehörde die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit die betreffenden Vermögensgegenstände sichergestellt und der geschädigten Person so bald wie möglich zurückgegeben werden. Die Vollstreckungsbehörde sollte die Vermögensgegenstände entweder dem Entscheidungsstaat übertragen können, damit dieser in der Lage wäre, die Vermögensgegenstände der geschädigten Person zurückzugeben, oder sie vorbehaltlich der Zustimmung des Entscheidungsstaats direkt der geschädigten Person übertragen. Für die Verpflichtung zur Rückgabe sichergestellter Vermögensgegenstände an die geschädigte Person sollten folgende Bedingungen gelten: Das Eigentumsrecht der geschädigten Person an den Vermögensgegenständen sollte nicht angefochten werden, d. h., es wird anerkannt, dass die geschädigte Person die rechtmäßige Eigentümerin der Vermögensgegenstände ist, und es bestehen keine ernsthaften Ansprüche, mit denen dies infrage gestellt wird; die Vermögensgegenstände sollten im Vollstreckungsstaat nicht als Beweismittel in Strafverfahren benötigt werden und die Rechte betroffener Personen, insbesondere die Rechte gutgläubiger Dritter, sollten nicht beeinträchtigt werden. Die Vollstreckungsbehörde sollte der geschädigten Person sichergestellte Vermögensgegenstände nur zurückgeben, wenn diese Bedingungen erfüllt sind. Ist die Vollstreckungsbehörde der Auffassung, dass diese Bedingungen nicht erfüllt sind, so sollte sie sich im Hinblick auf eine Lösung mit der Entscheidungsbehörde beraten, um beispielsweise um zusätzliche Informationen zu ersuchen oder um die Lage zu erörtern. Kann keine Lösung gefunden werden, sollte die Vollstreckungsbehörde entscheiden können, die sichergestellten Vermögensgegenstände der geschädigten Person nicht zurückzugeben.

(47)

Jeder Mitgliedstaat sollte die Einrichtung einer zentralen nationalen Stelle erwägen, die für die Verwaltung sichergestellter Vermögensgegenstände im Hinblick auf eine etwaige spätere Einziehung sowie für die Verwaltung eingezogener Vermögensgegenstände verantwortlich ist. Sichergestellte und eingezogene Vermögensgegenstände könnten vorrangig Projekten im Bereich der Strafverfolgung und der Prävention der organisierten Kriminalität sowie anderen Projekten von öffentlichem Interesse und gesellschaftlichem Nutzen zugutekommen.

(48)

Jeder Mitgliedstaat sollte die Einrichtung eines nationalen Fonds erwägen, um eine angemessene Entschädigung der Opfer von Straftaten zu gewährleisten, beispielsweise der Familien von Polizeibediensteten und Beamten, die in Ausübung ihrer Pflichten getötet wurden oder eine dauerhafte Behinderung erlitten haben. Dazu weist jeder Mitgliedstaat diesem Fonds einen Teil der eingezogenen Vermögensgegenstände zu.

(49)

Die Mitgliedstaaten sollten sich gegenseitig nicht die durch die Anwendung dieser Verordnung entstandenen Kosten in Rechnung stellen können. In Fällen, in denen dem Vollstreckungsstaat jedoch erhebliche oder außergewöhnliche Kosten entstanden sind, beispielsweise da die Vermögensgegenstände für einen erheblichen Zeitraum sichergestellt waren, sollte die Entscheidungsbehörde etwaige Vorschläge der Vollstreckungsbehörde zur Kostenteilung in Betracht ziehen.

(50)

Damit Probleme, die in Bezug auf den Inhalt der Bescheinigungen in den Anhängen dieser Verordnung festgestellt werden, in Zukunft so schnell wie möglich behoben werden können, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 AEUV Rechtsakte zur Änderung dieser Bescheinigungen zu erlassen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf Sachverständigenebene, durchführt, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung (14) niedergelegt wurden. Um insbesondere eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte sicherzustellen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.

(51)

Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen seines Umfangs und seiner Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels notwendige Maß hinaus.

(52)

Für die an die Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (15) gebundenen Mitgliedstaaten wurden die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2003/577/JI in Bezug auf die Sicherstellung von Beweismitteln bereits durch die Bestimmungen jener Richtlinie ersetzt. Was die Sicherstellung von Vermögensgegenständen betrifft, sollte die vorliegende Verordnung für die an sie gebundenen Mitgliedstaaten den Rahmenbeschluss 2003/577/JI ersetzen. Für die an diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten sollte sie auch den Rahmenbeschluss 2006/783/JI ersetzen. Die die Sicherstellung von Vermögensgegenständen betreffenden Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2003/577/JI und die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2006/783/JI sollten daher nicht nur zwischen den Mitgliedstaaten, die nicht an diese Verordnung gebunden sind, sondern auch zwischen einem an diese Verordnung nicht gebundenen Mitgliedstaat und einem an diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaat weiterhin gelten.

(53)

Die Rechtsform dieses Rechtsakts sollte keinen Präzedenzfall für künftige Rechtsakte der Union auf dem Gebiet der gegenseitigen Anerkennung von Urteilen und gerichtlichen Entscheidungen in Strafsachen darstellen. Die Wahl der Rechtsform für künftige Rechtsakte der Union sollte von Fall zu Fall unter Berücksichtigung unter anderem der Wirksamkeit des Rechtsakts und der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität sorgfältig geprüft werden.

(54)

Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass ihre Vermögensabschöpfungsstellen nach Maßgabe des Beschlusses 2007/845/JI des Rates (16) zusammenarbeiten, um das Aufspüren und die Ermittlung von Erträgen aus Straftaten und anderen Vermögensgegenständen im Zusammenhang mit Straftaten, die unter Umständen zum Gegenstand einer Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung werden, zu erleichtern.

(55)

Nach Artikel 3 und Artikel 4a Absatz 1 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts hat das Vereinigte Königreich mitgeteilt, dass es sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchte.

(56)

Nach den Artikeln 1 und 2 sowie Artikel 4a Absatz 1 des Protokolls Nr. 21 und unbeschadet des Artikels 4 dieses Protokolls beteiligt sich Irland nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

(57)

Nach den Artikeln 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

KAPITEL I

GEGENSTAND, BEGRIFFSBESTIMMUNGEN UND GELTUNGSBEREICH

Artikel 1

Gegenstand

(1)   Diese Verordnung legt die Vorschriften fest, nach denen die Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen anerkennen und vollstrecken, die von anderen Mitgliedstaaten im Rahmen von Verfahren in Strafsachen erlassen wurden.

(2)   Diese Verordnung berührt nicht die Pflicht, die Grundrechte und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie sie in Artikel 6 EUV niedergelegt sind, zu achten.

(3)   Beim Erlass einer Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung gewährleistet die Entscheidungsbehörde, dass die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit befolgt werden.

(4)   Diese Verordnung gilt nicht für Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen, die im Rahmen von Verfahren in Zivilsachen oder Verwaltungssachen erlassen werden.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

(1)

„Sicherstellungsentscheidung“ eine Entscheidung, die von einer Entscheidungsbehörde erlassen oder bestätigt wird, um die Vernichtung, Veränderung, Verbringung, Übertragung oder das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen im Hinblick auf deren Einziehung zu verhindern;

(2)

„Einziehungsentscheidung“ eine rechtskräftige Strafe oder Maßnahme, die von einem Gericht im Anschluss an ein Verfahren im Zusammenhang mit einer Straftat verhängt wird und die zur endgültigen Entziehung von Vermögensgegenständen einer natürlichen oder juristischen Person führt;

(3)

„Vermögensgegenstände“ körperliche oder unkörperliche, bewegliche oder unbewegliche Vermögensgegenstände jeder Art sowie Urkunden oder rechtserhebliche Schriftstücke, die das Recht auf solche Vermögensgegenstände oder Rechte daran belegen, hinsichtlich deren die Entscheidungsbehörde der Auffassung ist, dass sie

a)

den Ertrag aus einer Straftat oder dessen Gegenwert darstellen, unabhängig davon, ob sie ganz oder nur teilweise dem Wert dieses Ertrags entsprechen;

b)

Tatwerkzeuge einer Straftat darstellen oder dem Wert der Tatwerkzeuge entsprechen;

c)

durch die im Entscheidungsstaat erfolgende Anwendung einer der in der Richtlinie 2014/42/EU genannten Einziehungsbefugnisse einzuziehen sind oder

d)

aufgrund sonstiger Bestimmungen über Einziehungsbefugnisse, einschließlich der Einziehung ohne endgültige Verurteilung, nach dem Recht des Entscheidungsstaats im Anschluss an ein Verfahren im Zusammenhang mit einer Straftat einzuziehen sind;

(4)

„Ertrag“ jeden wirtschaftlichen Vorteil, der direkt oder indirekt durch eine Straftat erlangt wird, in Vermögensgegenständen aller Art besteht und eine spätere Reinvestition oder Umwandlung direkter Erträge sowie geldwerte Vorteile mit einschließt;

(5)

„Tatwerkzeuge“ alle Gegenstände, die in irgendeiner Weise ganz oder teilweise zur Begehung einer Straftat verwendet werden oder verwendet werden sollen;

(6)

„Entscheidungsstaat“ den Mitgliedstaat, in dem eine Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung erlassen wird;

(7)

„Vollstreckungsstaat“ den Mitgliedstaat, dem eine Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung zum Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung übermittelt wird;

(8)

„Entscheidungsbehörde“

a)

bei Sicherstellungsentscheidungen:

i)

einen Richter, ein Gericht oder einen Staatsanwalt mit Zuständigkeit in dem betreffenden Fall oder

ii)

eine andere vom Entscheidungsstaat als solche benannte zuständige Behörde, die nach nationalem Recht in Strafsachen dafür zuständig ist, die Sicherstellung von Vermögensgegenständen anzuordnen oder eine Sicherstellungsentscheidung zu vollstrecken. Die Sicherstellungsentscheidung wird außerdem vor ihrer Übermittlung an die Vollstreckungsbehörde von einem Richter, einem Gericht oder einem Staatsanwalt im Entscheidungsstaat bestätigt, nachdem überprüft wurde, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Entscheidung nach dieser Verordnung gegeben sind. Ist die Entscheidung von einem Richter, einem Gericht oder einem Staatsanwalt bestätigt worden, so gilt auch diese andere zuständige Stelle für die Zwecke der Übermittlung der Entscheidung als Entscheidungsbehörde;

b)

bei Einziehungsentscheidungen eine vom Entscheidungsstaat als solche benannte Behörde, die nach nationalem Recht in Strafsachen für die Vollstreckung einer von einem Gericht erlassenen Einziehungsentscheidung zuständig ist;

(9)

„Vollstreckungsbehörde“ eine Behörde, die für die Anerkennung einer Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung und für die Gewährleistung ihrer Vollstreckung gemäß dieser Verordnung und den nach nationalem Recht für die Sicherstellung und Einziehung von Vermögensgegenständen anzuwendenden Verfahren zuständig ist; wenn nach diesen Verfahren gilt, dass ein Gericht die Entscheidung registrieren und ihre Vollstreckung genehmigen muss, gilt die Behörde, die das Ersuchen der Registrierung und Genehmigung zuständig ist, als Vollstreckungsbehörde;

(10)

„betroffene Person“ die natürliche oder juristische Person, gegen die eine Sicherstellungs- oder eine Einziehungsentscheidung ergangen ist, oder die natürliche oder juristische Person, die Eigentümerin des von der Entscheidung betroffenen Vermögensgegenstands ist, sowie etwaige Dritte, deren Rechte in Bezug auf diesen Vermögensgegenstand nach dem Recht des Vollstreckungsstaats durch diese Entscheidung unmittelbar beeinträchtigt werden.

Artikel 3

Straftaten

(1)   Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidungen werden ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit der Handlungen, die zu diesen Entscheidungen geführt haben, vollstreckt, wenn diese Handlungen im Entscheidungsstaat mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sind und nach den Rechtsvorschriften des Entscheidungsstaats eine oder mehrere der folgenden Straftaten darstellen:

1.

Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung;

2.

Terrorismus;

3.

Menschenhandel;

4.

sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornografie;

5.

illegaler Handel mit Suchtstoffen und psychotropen Substanzen;

6.

illegaler Handel mit Waffen, Munition und Sprengstoffen;

7.

Korruption;

8.

Betrugsdelikte, einschließlich Betrug und anderer Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union im Sinne der Richtlinie (EU) 2017/1371 des Europäischen Parlaments und des Rates (17);

9.

Wäsche von Erträgen aus Straftaten;

10.

Geldfälschung einschließlich Euro-Fälschung;

11.

Cyberkriminalität;

12.

Umweltkriminalität einschließlich des illegalen Handels mit bedrohten Tierarten oder mit bedrohten Pflanzen- und -Baumarten;

13.

Beihilfe zur unerlaubten Einreise und zum unerlaubten Aufenthalt;

14.

vorsätzliche Tötung oder schwere Körperverletzung;

15.

illegaler Handel mit menschlichen Organen und menschlichem Gewebe;

16.

Entführung, Freiheitsberaubung oder Geiselnahme;

17.

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit;

18.

Diebstahl in organisierter Form oder mit Waffen;

19.

illegaler Handel mit Kulturgütern einschließlich Antiquitäten und Kunstgegenständen;

20.

Betrug;

21.

Erpressung und Schutzgelderpressung;

22.

Nachahmung und Produktpiraterie;

23.

Fälschung von amtlichen Dokumenten und Handel damit;

24.

Fälschung von Zahlungsmitteln;

25.

illegaler Handel mit Hormonen und anderen Wachstumsförderern;

26.

illegaler Handel mit nuklearen oder radioaktiven Substanzen;

27.

Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen;

28.

Vergewaltigung;

29.

Brandstiftung;

30.

Verbrechen, die in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs fallen;

31.

Flugzeug- und Schiffsentführung;

32.

Sabotage.

(2)   Bei anderen Straftaten als den in Absatz 1 genannten kann der Vollstreckungsstaat die Anerkennung und Vollstreckung einer Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen oder der Klassifizierung der Straftat nach dem Recht des Entscheidungsstaats davon abhängig machen, dass die Handlungen, die zu der Sicherstellungs- oder der Einziehungsentscheidung geführt haben, eine Straftat nach dem Recht des Vollstreckungsstaats darstellen.

KAPITEL II

ÜBERMITTLUNG, ANERKENNUNG UND VOLLSTRECKUNG VON SICHERSTELLUNGSENTSCHEIDUNGEN

Artikel 4

Übermittlung von Sicherstellungsentscheidungen

(1)   Eine Sicherstellungsentscheidung wird durch eine Sicherstellungsbescheinigung übermittelt. Die Entscheidungsbehörde übermittelt die in Artikel 6 vorgesehene Sicherstellungsbescheinigung direkt der Vollstreckungsbehörde oder gegebenenfalls der in Artikel 24 Absatz 2 genannten zentralen Stelle in einer Weise, die einen schriftlichen Nachweis unter Bedingungen ermöglicht, die der Vollstreckungsbehörde die Feststellung der Echtheit der Sicherstellungsbescheinigung gestatten.

(2)   Die Mitgliedstaaten können eine Erklärung abgeben, der zufolge die Entscheidungsbehörde ihnen bei der Übermittlung einer Sicherstellungsbescheinigung zwecks Anerkennung und Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung das Original der Sicherstellungsentscheidung oder eine beglaubigte Abschrift davon zusammen mit der Sicherstellungsbescheinigung übermitteln muss. Gemäß Artikel 6 Absatz 2 muss jedoch nur die Sicherstellungsbescheinigung übersetzt werden.

(3)   Die Mitgliedstaaten können die in Absatz 2 genannte Erklärung vor dem Tag des Geltungsbeginns dieser Verordnung oder zu einem späteren Zeitpunkt abgeben. Die Mitgliedstaaten können eine solche Erklärung jederzeit zurückziehen. Die Mitgliedstaaten setzen die Kommission in Kenntnis, wenn sie eine solche Erklärung abgeben oder zurückziehen. Die Kommission macht derartige Informationen allen Mitgliedstaaten sowie dem EJN zugänglich.

(4)   Im Falle einer Entscheidung über die Sicherstellung eines Geldbetrags übermittelt die Entscheidungsbehörde die Sicherstellungsbescheinigung dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidungsbehörde aus berechtigten Gründen Vermögen oder Einkommen der Person vermutet, gegen die die Entscheidung ergangen ist.

(5)   Im Falle einer Entscheidung über die Sicherstellung bestimmter Vermögensgegenstände übermittelt die Entscheidungsbehörde die Sicherstellungsbescheinigung dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidungsbehörde aus berechtigten Gründen solche Vermögensgegenstände vermutet.

(6)   Für die Sicherstellungsbescheinigung gilt Folgendes:

a)

Ihr ist eine gemäß Artikel 14 übermittelte Einziehungsbescheinigung beizufügen; oder

b)

sie muss eine Anordnung enthalten, wonach der Vermögensgegenstand im Vollstreckungsstaat so lange sicherzustellen ist, bis die Einziehungsentscheidung gemäß Artikel 14 übermittelt und vollstreckt worden ist, wobei die Entscheidungsbehörde in der Sicherstellungsbescheinigung den voraussichtlichen Zeitpunkt dieser Übermittlung anzugeben hat.

(7)   Die Entscheidungsbehörde unterrichtet die Vollstreckungsbehörde, wenn sie von betroffenen Personen Kenntnis hat. Die Entscheidungsbehörde übermittelt der Vollstreckungsbehörde auf Ersuchen auch alle Informationen, die für etwaige Ansprüche relevant sind, die solche betroffenen Personen in Bezug auf den Vermögensgegenstand haben können, einschließlich Angaben zur Identifizierung dieser Personen.

(8)   Ist die zuständige Vollstreckungsbehörde trotz der gemäß Artikel 24 Absatz 3 zur Verfügung gestellten Informationen nicht bekannt, so versucht die Entscheidungsbehörde mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln — auch über die Kontaktstellen des EJN — zu bestimmen, welche Behörde für die Anerkennung und Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung zuständig ist.

(9)   Ist die Behörde im Vollstreckungsstaat, die eine Sicherstellungsbescheinigung erhält, nicht dafür zuständig, die Sicherstellungsentscheidung anzuerkennen oder die erforderlichen Maßnahmen für deren Vollstreckung zu treffen, so übermittelt sie die Sicherstellungsbescheinigung umgehend der zuständigen Vollstreckungsbehörde in ihrem Mitgliedstaat und unterrichtet die Entscheidungsbehörde entsprechend.

Artikel 5

Übermittlung einer Sicherstellungsentscheidung an einen oder mehrere Vollstreckungsstaaten

(1)   Eine Sicherstellungsbescheinigung wird gemäß Artikel 4 jeweils nur einem Vollstreckungsstaat übermittelt, es sei denn Absatz 2 oder Absatz 3 dieses Artikels sind erfüllt.

(2)   Die Sicherstellungsbescheinigung kann im Falle einer Sicherstellungsentscheidung, die bestimmte Vermögensgegenstände betrifft, gleichzeitig mehr als einem Vollstreckungsstaat übermittelt werden, wenn

a)

die Entscheidungsbehörde berechtigte Gründe zu der Annahme hat, dass sich verschiedene von der Sicherstellungsentscheidung betroffene Vermögensgegenstände in verschiedenen Vollstreckungsstaaten befinden, oder

b)

die Sicherstellung eines von der Sicherstellungsentscheidung betroffenen bestimmten Vermögensgegenstands Maßnahmen in mehr als einem Vollstreckungsstaat erfordern würde.

(3)   Die Sicherstellungsbescheinigung kann im Falle einer Sicherstellungsentscheidung, die einen Geldbetrag betrifft, gleichzeitig mehr als einem Vollstreckungsstaat übermittelt werden, wenn hierzu nach Auffassung der Entscheidungsbehörde eine besondere Notwendigkeit besteht, insbesondere wenn der geschätzte Wert des Vermögensgegenstands, der im Entscheidungsstaat und in irgendeinem Vollstreckungsstaat sichergestellt werden kann, voraussichtlich nicht zur Sicherstellung des gesamten in der Sicherstellungsentscheidung ausgewiesenen Betrags ausreicht.

Artikel 6

Standardisierte Sicherstellungsbescheinigung

(1)   Um eine Sicherstellungsentscheidung zu übermitteln, füllt die Entscheidungsbehörde die in Anhang I enthaltene Sicherstellungsbescheinigung aus, unterzeichnet sie und bestätigt die Genauigkeit und die Richtigkeit ihres Inhalts.

(2)   Die Entscheidungsbehörde stellt der Vollstreckungsbehörde eine Übersetzung der Sicherstellungsbescheinigung in eine der Amtssprachen des Vollstreckungsstaats oder in eine von dem Vollstreckungsstaat gemäß Absatz 3 akzeptierte andere Sprache.

(3)   Jeder Mitgliedstaat kann jederzeit in einer der Kommission übermittelten Erklärung angeben, dass er Übersetzungen von Sicherstellungsbescheinigungen in eine oder mehrere Amtssprachen der Union, die nicht die Amtssprache oder Amtssprachen des jeweiligen Mitgliedstaats sind, akzeptiert. Die Kommission macht die Erklärungen allen Mitgliedstaaten und dem EJN zugänglich.

Artikel 7

Anerkennung und Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen

(1)   Die Vollstreckungsbehörde erkennt jede gemäß Artikel 4 übermittelte Sicherstellungsentscheidung an und trifft die erforderlichen Maßnahmen für deren Vollstreckung auf dieselbe Weise wie bei einer von einer Behörde des Vollstreckungsstaats erlassenen innerstaatlichen Sicherstellungsentscheidung, es sei denn, die genannte Vollstreckungsbehörde macht einen der Gründe für die Versagung der Anerkennung und der Vollstreckung gemäß Artikel 8 oder einen der Aussetzungsgründe gemäß Artikel 10 geltend.

(2)   Die Vollstreckungsbehörde berichtet der Entscheidungsbehörde über die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung, wobei sie auch die sichergestellten Vermögensgegenstände beschreibt und, soweit verfügbar, eine Schätzung ihres Werts übermittelt. Diese Berichterstattung erfolgt in einer Weise, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, unverzüglich, sobald die Vollstreckungsbehörde von der Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung unterrichtet wurde.

Artikel 8

Gründe für die Versagung der Anerkennung und der Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen

(1)   Die Vollstreckungsbehörde kann die Anerkennung und die Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung nur versagen, wenn

a)

die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung dem Grundsatz „ne bis in idem“ zuwiderlaufen würde;

b)

nach dem Recht des Vollstreckungsstaats Vorrechte oder Immunitäten bestehen, die der Sicherstellung des betreffenden Vermögensgegenstands entgegenstehen, oder wenn Vorschriften zur Bestimmung und Beschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Bezug auf die Pressefreiheit oder die Freiheit der Meinungsäußerung in anderen Medien bestehen, die der Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung entgegenstehen;

c)

die Sicherstellungsbescheinigung unvollständig oder offenkundig unrichtig ausgefüllt und nach Abstimmung gemäß Absatz 2 nicht vervollständigt wurde;

d)

die Sicherstellungsentscheidung sich auf eine Straftat bezieht, die ganz oder teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets des Entscheidungsstaats und ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats begangen wurde, und die Handlung, aufgrund der die Sicherstellungsentscheidung ergangen ist, nach dem Recht des Vollstreckungsstaats keine Straftat darstellt;

e)

in einem unter Artikel 3 Absatz 2 genannten Fall die Handlung, aufgrund der die Sicherstellungsentscheidung ergangen ist, nach dem Recht des Vollstreckungsstaats keine Straftat darstellt; in Fällen, die Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen betreffen, kann die Anerkennung oder Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung jedoch nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Recht des Vollstreckungsstaats nicht dieselbe Art von Steuern vorschreibt oder nicht dieselbe Art von Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen vorsieht wie das Recht des Entscheidungsstaats;

f)

in Ausnahmefällen aufgrund genauer und objektiver Angaben berechtigte Gründe zu der Annahme bestehen, dass die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung unter den besonderen Umständen des Falles die offensichtliche Verletzung eines in der Charta verankerten relevanten Grundrechts, insbesondere des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, des Rechts auf ein faires Verfahren oder des Rechts auf Verteidigung zur Folge hätte.

(2)   Bevor die Vollstreckungsbehörde in einem der in Absatz 1 genannten Fälle beschließt, die Sicherstellungsentscheidung ganz oder teilweise nicht anzuerkennen oder nicht zu vollstrecken, hält sie in geeigneter Weise mit der Entscheidungsbehörde Rücksprache und ersucht diese gegebenenfalls um unverzügliche Übermittlung aller erforderlichen Informationen.

(3)   Der Beschluss, die Anerkennung oder Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung zu versagen, wird unverzüglich gefasst und der Entscheidungsbehörde umgehend in einer Form mitgeteilt, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.

(4)   Stellt eine Vollstreckungsbehörde, die eine Sicherstellungsentscheidung anerkannt hat, während deren Vollstreckung fest, dass einer der Gründe für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung vorliegt, so nimmt sie umgehend auf geeignete Art und Weise mit der Entscheidungsbehörde Kontakt auf, um zu erörtern, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten. Die Entscheidungsbehörde kann auf dieser Grundlage beschließen, die Sicherstellungsentscheidung zurückzuziehen. Wird im Anschluss an diese Erörterung keine Lösung erzielt, kann die Vollstreckungsbehörde beschließen, die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung einzustellen.

Artikel 9

Fristen für die Anerkennung und Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen

(1)   Nach Erhalt der Sicherstellungsbescheinigung fasst die Vollstreckungsbehörde den Beschluss über die Anerkennung und Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung und vollstreckt diese Entscheidung unverzüglich und mit der gleichen Geschwindigkeit und Dringlichkeit wie in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall.

(2)   Hat die Entscheidungsbehörde in der Sicherstellungsbescheinigung angegeben, dass die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung zu einem bestimmten Zeitpunkt durchzuführen ist, so wird dies von der Vollstreckungsbehörde möglichst weitgehend berücksichtigt. Wenn die Entscheidungsbehörde angegeben hat, dass sich die beteiligten Mitgliedstaaten abstimmen müssen, stimmen sich die Entscheidungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde zur Vereinbarung des Zeitpunkts, zu dem die Sicherstellungsentscheidung vollstreckt wird, untereinander ab. Wenn keine Einigung erreicht werden kann, entscheidet die Vollstreckungsbehörde über den Zeitpunkt der Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung, wobei sie die Interessen der Entscheidungsbehörde so weit wie möglich berücksichtigt.

(3)   Wenn die Entscheidungsbehörde in der Sicherstellungsbescheinigung angegeben hat, dass die Sicherstellung aufgrund berechtigter Gründe zu der Annahme, dass die betreffenden Vermögensgegenstände in Kürze verbracht oder vernichtet werden, oder angesichts ermittlungs- oder verfahrenstechnischer Erfordernisse im Entscheidungsstaat sofort erfolgen muss, fasst die Vollstreckungsbehörde den Beschluss über die Anerkennung der Sicherstellungsentscheidung unbeschadet des Absatzes 5 spätestens 48 Stunden nach Eingang der Sicherstellungsentscheidung bei der Vollstreckungsbehörde. Die Vollstreckungsbehörde trifft die zur Vollstreckung der Entscheidung erforderlichen konkreten Maßnahmen spätestens 48 Stunden nach diesem Beschluss.

(4)   Die Vollstreckungsbehörde informiert die Entscheidungsbehörde über den Beschluss über die Anerkennung und Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung unverzüglich in einer Weise, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.

(5)   Wenn in einem spezifischen Fall die Fristen gemäß Absatz 3 nicht eingehalten werden können, unterrichtet die Vollstreckungsbehörde umgehend die Entscheidungsbehörde in beliebiger Form, gibt dabei die Gründe an, aus denen die Fristen nicht eingehalten werden konnten, und stimmt sich mit der Entscheidungsbehörde über einen geeigneten Zeitplan für die Anerkennung oder Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung ab.

(6)   Der Ablauf der in Absatz 3 festgelegten Fristen entbindet die Vollstreckungsbehörde nicht von ihrer Verpflichtung, unverzüglich einen Beschluss über die Anerkennung und Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung zu fassen und diese Entscheidung unverzüglich zu vollstrecken.

Artikel 10

Aussetzung der Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen

(1)   Die Vollstreckungsbehörde kann die Vollstreckung einer gemäß Artikel 4 übermittelten Sicherstellungsentscheidung aussetzen, wenn

a)

deren Vollstreckung laufende strafrechtliche Ermittlungen beeinträchtigen könnte; in diesem Fall kann die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung so lange ausgesetzt werden, wie die Vollstreckungsbehörde es für angemessen hält;

b)

die Vermögensgegenstände bereits Gegenstand einer bestehenden Sicherstellungsentscheidung sind; in diesem Fall kann die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung so lange ausgesetzt werden, bis diese bestehende Entscheidung aufgehoben wird; oder

c)

die Vermögensgegenstände bereits Gegenstand einer bestehenden Entscheidung sind, die im Vollstreckungsstaat im Rahmen eines anderen Verfahrens ergangen ist; in diesem Fall kann die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung so lange ausgesetzt werden, bis diese bestehende Entscheidung aufgehoben wird. Dies gilt jedoch nur, wenn die bestehende Entscheidung nach nationalem Recht Vorrang vor späteren nationalen Sicherstellungsentscheidungen in Strafsachen hätte.

(2)   Die Vollstreckungsbehörde berichtet der Entscheidungsbehörde umgehend über die Aussetzung der Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung in einer Weise, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht unter Angabe der Gründe für die Aussetzung sowie, falls möglich, der voraussichtlichen Dauer der Aussetzung.

(3)   Sobald die Aussetzungsgründe entfallen, trifft die Vollstreckungsbehörde umgehend die zur Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung notwendigen Maßnahmen und teilt dies der Entscheidungsbehörde in einer Form mit, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.

Artikel 11

Vertraulichkeit

(1)   Während der Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung tragen die Entscheidungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde der Vertraulichkeit der Ermittlung, in deren Zusammenhang die Sicherstellungsentscheidung erlassen wurde, gebührend Rechnung.

(2)   Soweit die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung nichts anderes gebietet, gewährleistet die Vollstreckungsbehörde gemäß ihrem nationalen Recht die Vertraulichkeit des Sachverhalts und des Inhalts der Sicherstellungsentscheidung. Sobald die Sicherstellungsentscheidung vollstreckt wurde, setzt die Vollstreckungsbehörde die betroffenen Personen hiervon unbeschadet von Absatz 3 dieses Artikels und unter Beachtung von Artikel 32 in Kenntnis.

(3)   Zum Schutz laufender Ermittlungen kann die Entscheidungsbehörde die Vollstreckungsbehörde ersuchen, die Unterrichtung der betroffenen Personen über die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung gemäß Artikel 32 auszusetzen. Sobald die Unterrichtung der betroffenen Personen zum Schutz laufender Ermittlungen nicht länger ausgesetzt werden muss, setzt die Entscheidungsbehörde die Vollstreckungsbehörde darüber entsprechend in Kenntnis, sodass die Vollstreckungsbehörde die betroffenen Personen gemäß Artikel 32 über die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung unterrichten kann.

(4)   Kann die Vollstreckungsbehörde die sich aus diesem Artikel ergebenden Vertraulichkeitsverpflichtungen nicht einhalten, so teilt sie dies der Entscheidungsbehörde umgehend und nach Möglichkeit vor der Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung mit.

Artikel 12

Geltungsdauer von Sicherstellungsentscheidungen

(1)   Der von einer Sicherstellungsentscheidung betroffene Vermögensgegenstand ist im Vollstreckungsstaat so lange sicherzustellen, bis die zuständige Behörde dieses Staates einer gemäß Artikel 14 übermittelten Einziehungsentscheidung endgültig entsprochen hat oder die Entscheidungsbehörde die Vollstreckungsbehörde über einen Beschluss oder eine Maßnahme unterrichtet, aufgrund dessen oder deren die Entscheidung nicht mehr vollstreckbar oder die Vollstreckung gemäß Artikel 27 Absatz 1 aufgehoben wird.

(2)   Die Vollstreckungsbehörde kann unter Berücksichtigung der Umstände des Falles ein begründetes Ersuchen an die Entscheidungsbehörde richten, um die Sicherstellung des Vermögensgegenstands zu befristen. Ein solches Ersuchen wird zusammen mit einschlägigen Begleitinformationen in einer Weise übermittelt, die einen schriftlichen Nachweis unter Bedingungen ermöglicht, die der Entscheidungsbehörde die Feststellung der Echtheit gestatten. Bei der Prüfung eines solchen Ersuchens trägt die Entscheidungsbehörde allen Interessen, auch denen der Vollstreckungsbehörde, Rechnung. Die Entscheidungsbehörde antwortet so bald wie möglich auf das Ersuchen. Ist die Entscheidungsbehörde mit der Befristung nicht einverstanden, teilt sie der Vollstreckungsbehörde die Gründe dafür mit. In einem solchen Fall ist der Vermögensgegenstand so lange sicherzustellen, wie dies in Absatz 1 vorgesehen ist. Antwortet die Entscheidungsbehörde nicht innerhalb von sechs Wochen nach Erhalt des Ersuchens, ist die Vollstreckungsbehörde nicht länger zur Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung verpflichtet.

Artikel 13

Unmöglichkeit der Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung

(1)   Kann eine Sicherstellungsentscheidung nach Auffassung der Vollstreckungsbehörde nicht vollstreckt werden, so setzt sie die Entscheidungsbehörde unverzüglich darüber in Kenntnis.

(2)   Vor Unterrichtung der Entscheidungsbehörde nach Absatz 1 berät sich die Vollstreckungsbehörde gegebenenfalls mit der Entscheidungsbehörde.

(3)   Die Versagung der Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung gemäß diesem Artikel lässt sich nur rechtfertigen, wenn die Vermögensgegenstände

a)

bereits eingezogen wurden,

b)

verschwunden sind,

c)

vernichtet wurden,

d)

an dem in der Sicherstellungsbescheinigung angegebenen Ort nicht aufzufinden sind oder

e)

nicht aufzufinden sind, weil die Angabe des Orts, an dem sich die Vermögensgegenstände befinden, trotz der Abstimmungen nach Absatz 2 zu ungenau war.

(4)   Erhält die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf die in Absatz 3 Buchstaben b, d und e genannten Fälle später Informationen, aufgrund der sie die Vermögensgegenstände ausfindig machen kann, so kann die Vollstreckungsbehörde die Sicherstellungsentscheidung vollstrecken, ohne dass dafür eine neue Sicherstellungsbescheinigung übermittelt werden muss, sofern sie sich vor der Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung bei der Entscheidungsbehörde vergewissert hat, dass die Sicherstellungsentscheidung noch gültig ist.

(5)   Hat die Entscheidungsbehörde angegeben, dass Vermögensgegenstände mit entsprechendem Wert sichergestellt werden könnten, ist die Vollstreckungsbehörde ungeachtet des Absatzes 3 nicht verpflichtet die Sicherstellungsentscheidung zu vollstrecken, wenn einer der in Absatz 3 genannten Fälle vorliegt und keine Vermögensgegenstände mit entsprechendem Wert vorhanden sind, die sichergestellt werden können.

KAPITEL III

ÜBERMITTLUNG, ANERKENNUNG UND VOLLSTRECKUNG VON EINZIEHUNGSENTSCHEIDUNGEN

Artikel 14

Übermittlung von Einziehungsentscheidungen

(1)   Einziehungsentscheidungen werden durch eine Einziehungsbescheinigung übermittelt. Die Entscheidungsbehörde übermittelt die Einziehungsbescheinigung nach Artikel 17 direkt der Vollstreckungsbehörde oder gegebenenfalls der in Artikel 24 Absatz 2 genannten zentralen Stelle in einer Weise, die einen schriftlichen Nachweis unter Bedingungen ermöglicht, die der Vollstreckungsbehörde die Feststellung der Echtheit der Einziehungsbescheinigung gestattet.

(2)   Die Mitgliedstaaten können eine Erklärung abgeben, der zufolge die Entscheidungsbehörde ihnen bei der Übermittlung einer Einziehungsbescheinigung zwecks Anerkennung und Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung auch das Original der Einziehungsentscheidung oder eine beglaubigte Abschrift davon zusammen mit der Einziehungsbescheinigung übermitteln muss. Gemäß Artikel 17 Absatz 2 muss jedoch nur die Einziehungsbescheinigung übersetzt werden.

(3)   Die Mitgliedstaaten können die in Absatz 2 genannte Erklärung vor dem Tag des Geltungsbeginns dieser Verordnung oder zu einem späteren Zeitpunkt abgeben. Die Mitgliedstaaten können eine solche Erklärung jederzeit zurückziehen. Die Mitgliedstaaten setzen die Kommission in Kenntnis, wenn sie eine solche Erklärung abgeben oder zurückziehen. Die Kommission macht derartige Informationen allen Mitgliedstaaten und dem EJN zugänglich.

(4)   Im Falle einer Entscheidung über die Einziehung eines Geldbetrags übermittelt die Entscheidungsbehörde die Einziehungsbescheinigung dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidungsbehörde aus berechtigten Gründen Vermögen oder Einkommen der Person vermutet, gegen die die Einziehungsentscheidung ergangen ist.

(5)   Im Falle einer Entscheidung über die Einziehung bestimmter Vermögensgegenstände übermittelt die Entscheidungsbehörde die Einziehungsbescheinigung dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidungsbehörde aus berechtigten Gründen solche Vermögensgegenstände vermutet.

(6)   Die Entscheidungsbehörde unterrichtet die Vollstreckungsbehörde, wenn sie von betroffenen Personen Kenntnis hat. Die Entscheidungsbehörde übermittelt der Vollstreckungsbehörde auf Ersuchen auch alle Informationen, die für etwaige Ansprüche relevant sind, die solche betroffenen Personen in Bezug auf den Vermögensgegenstand haben können, einschließlich Angaben zur Identifizierung dieser Personen.

(7)   Ist der Entscheidungsbehörde die zuständige Vollstreckungsbehörde trotz der gemäß Artikel 24 Absatz 3 zur Verfügung gestellten Informationen nicht bekannt, so versucht die zuständige Entscheidungsbehörde mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln — auch über die Kontaktstellen des EJN — festzustellen, welche Behörde für die Anerkennung und Vollstreckung der Einziehungsentscheidung zuständig ist.

(8)   Ist die Behörde im Vollstreckungsstaat, die eine Einziehungsbescheinigung erhält, nicht dafür zuständig, die Einziehungsentscheidung anzuerkennen oder die für deren Vollstreckung erforderlichen Maßnahmen zu treffen, so übermittelt diese Behörde die Einziehungsbescheinigung umgehend der zuständigen Vollstreckungsbehörde in ihrem Mitgliedstaat und unterrichtet die Entscheidungsbehörde entsprechend.

Artikel 15

Übermittlung einer Einziehungsentscheidung an einen oder mehrere Vollstreckungsstaaten

(1)   Eine Einziehungsbescheinigung wird gemäß Artikel 14 jeweils nur einem Vollstreckungsstaat übermittelt, es sei denn, Absatz 2 oder Absatz 3 dieses Artikels sind erfüllt.

(2)   Die Einziehungsbescheinigung kann, wenn die Einziehungsentscheidung bestimmte Vermögensgegenstände betrifft, gleichzeitig mehr als einem Vollstreckungsstaat übermittelt werden, wenn

a)

die Entscheidungsbehörde berechtigte Gründe zu der Annahme hat, dass sich verschiedene von der Einziehungsentscheidung betroffene Vermögensgegenstände in verschiedenen Vollstreckungsstaaten befinden, oder

b)

die Einziehung eines von der Einziehungsentscheidung betroffenen bestimmten Vermögensgegenstands Maßnahmen in mehr als einem Vollstreckungsstaat erfordern würde.

(3)   Die Einziehungsbescheinigung kann, wenn sie einen Geldbetrag betrifft, gleichzeitig mehr als einem Vollstreckungsstaat übermittelt werden, wenn hierzu nach Auffassung der Entscheidungsbehörde eine besondere Notwendigkeit besteht; dies gilt besonders in Fällen, in denen

a)

der betreffende Vermögensgegenstand nicht gemäß dieser Verordnung sichergestellt worden ist oder

b)

der geschätzte Wert des Vermögensgegenstands, der im Entscheidungsstaat und in irgendeinem Vollstreckungsstaat eingezogen werden kann, voraussichtlich nicht zur Einziehung des gesamten in der Einziehungsentscheidung ausgewiesenen Betrags ausreicht.

Artikel 16

Folgen der Übermittlung von Einziehungsentscheidungen

(1)   Die Übermittlung einer Einziehungsentscheidung gemäß den Artikeln 14 und 15 beschränkt nicht das Recht des Entscheidungsstaats, die Entscheidung zu vollstrecken.

(2)   Der Gesamtbetrag, der sich aus der Vollstreckung der Entscheidung über die Einziehung eines Geldbetrags ergibt, darf nicht den in dieser Entscheidung festgelegten Höchstbetrag übersteigen, unabhängig davon, ob diese Entscheidung einem oder mehreren Vollstreckungsstaaten übermittelt wurde.

(3)   Die Entscheidungsbehörde unterrichtet die Vollstreckungsbehörde umgehend in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, wenn

a)

sie aufgrund von Informationen, die sie von der Vollstreckungsbehörde insbesondere gemäß Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe b erhalten hat, der Auffassung ist, dass das Risiko besteht, dass eine Einziehung über den Höchstbetrag hinaus erfolgen könnte;

b)

die Einziehungsentscheidung ganz oder teilweise im Entscheidungsstaat oder in einem anderen Vollstreckungsstaat vollstreckt wurde; in diesem Fall gibt sie an für welchen Betrag die Einziehungsentscheidung noch nicht vollstreckt wurde; oder

c)

nach Übermittlung einer Einziehungsbescheinigung gemäß Artikel 14 eine Behörde des Entscheidungsstaats einen Geldbetrag erhält, der aufgrund der Einziehungsentscheidung gezahlt wurde.

Wenn Buchstabe a des Unterabsatz 1 greift, unterrichtet die Entscheidungsbehörde die Vollstreckungsbehörde so bald wie möglich, wenn das unter diesem Buchstaben genannte Risiko nicht mehr besteht.

Artikel 17

Standardisierte Einziehungsbescheinigung

(1)   Um eine Einziehungsentscheidung zu übermitteln, füllt die Entscheidungsbehörde die in Anhang II enthaltene Einziehungsbescheinigung aus, unterzeichnet sie und bestätigt die Genauigkeit und Richtigkeit ihres Inhalts.

(2)   Die Entscheidungsbehörde stellt der Vollstreckungsbehörde eine Übersetzung der Einziehungsbescheinigung in einer der Amtssprachen des Vollstreckungsstaats oder in einer von dem Vollstreckungsstaat gemäß Absatz 3 akzeptierten anderen Sprache zur Verfügung.

(3)   Jeder Mitgliedstaat kann jederzeit in einer der Kommission übermittelten Erklärung angeben, dass er Übersetzungen von Einziehungsbescheinigungen in eine oder mehrere Amtssprachen der Union, die nicht die Amtssprache oder Amtssprachen des jeweiligen Mitgliedstaats sind, akzeptiert. Die Kommission macht die Erklärungen allen Mitgliedstaaten und dem EJN zugänglich.

Artikel 18

Anerkennung und Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen

(1)   Die Vollstreckungsbehörde erkennt jede gemäß Artikel 14 übermittelte Einziehungsentscheidung an und trifft die erforderlichen Maßnahmen für deren Vollstreckung auf dieselbe Weise wie bei einer von einer Behörde des Vollstreckungsstaats erlassenen innerstaatlichen Einziehungsentscheidung, es sei denn, die betreffende Vollstreckungsbehörde macht einen der in Artikel 19 vorgesehenen Gründe für die Versagung der Anerkennung und der Vollstreckung oder einen der in Artikel 21 vorgesehenen Aussetzungsgründe geltend.

(2)   Betrifft eine Einziehungsentscheidung einen bestimmten Vermögensgegenstand, so können die Entscheidungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde, sofern dies im Recht des Entscheidungsstaats vorgesehen ist, vereinbaren, dass die Einziehung im Vollstreckungsstaat durch die Einziehung eines Geldbetrags erfolgen kann, der dem Wert des einzuziehenden Vermögensgegenstands entspricht.

(3)   Betrifft eine Einziehungsentscheidung einen Geldbetrag und kann die Vollstreckungsbehörde keine Zahlung erwirken, so vollstreckt sie die Einziehungsentscheidung gemäß Absatz 1 unter Rückgriff auf jeden zu diesem Zweck verfügbaren Vermögensgegenstand. Gegebenenfalls rechnet die Vollstreckungsbehörde den einzuziehenden Betrag in die Währung des Vollstreckungsstaats zu dem Euro-Tageskurs um, der am Tag des Erlasses der Einziehungsentscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union, Reihe C veröffentlicht wurde.

(4)   Wird gemäß der Einziehungsentscheidung ein Teil des Geldbetrags in einem anderen Staat als dem Vollstreckungsstaat beigetrieben, so ist dieser Teil vollständig auf den im Vollstreckungsstaat einzuziehenden Betrag anzurechnen.

(5)   Hat die Entscheidungsbehörde eine Einziehungsentscheidung, aber keine Sicherstellungsentscheidung erlassen, so kann die Vollstreckungsbehörde im Rahmen der in Absatz 1 genannten Maßnahmen beschließen, den betreffenden Vermögensgegenstand im Hinblick auf die spätere Vollstreckung der Einziehungsentscheidung auf eigene Veranlassung gemäß ihrem nationalen Recht sicherzustellen. In diesem Fall unterrichtet die Vollstreckungsbehörde unverzüglich und nach Möglichkeit vor der Sicherstellung der betreffenden Vermögenswerte die Entscheidungsbehörde.

(6)   Sobald die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung abgeschlossen ist, unterrichtet die Vollstreckungsbehörde die Entscheidungsbehörde über die Ergebnisse der Vollstreckung in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.

Artikel 19

Gründe für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen

(1)   Die Vollstreckungsbehörde kann die Anerkennung oder Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung nur dann versagen, wenn

a)

die Vollstreckung der Entscheidung dem Grundsatz „ne bis in idem“ zuwiderlaufen würde;

b)

nach dem Recht des Vollstreckungsstaats Vorrechte oder Immunitäten bestehen, die der Einziehung des betreffenden Vermögensgegenstands entgegenstehen, oder wenn Vorschriften zur Bestimmung und Beschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Bezug auf die Pressefreiheit oder die Freiheit der Meinungsäußerung in anderen Medien bestehen, die der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung entgegenstehen;

c)

die Einziehungsbescheinigung unvollständig oder offenkundig unrichtig ausgefüllt und nach der in Absatz 2 vorgesehenen Abstimmung nicht vervollständigt wurde;

d)

die Einziehungsentscheidung sich auf eine Straftat bezieht, die ganz oder teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets des Entscheidungsstaats und ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats begangen wurde, und die Handlung, aufgrund deren die Einziehungsentscheidung ergangen ist, nach dem Recht des Vollstreckungsstaats keine Straftat darstellt;

e)

die Rechte betroffener Personen nach dem Recht des Vollstreckungsstaats die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung unmöglich machen würden, einschließlich wenn sich die Unmöglichkeit der Vollstreckung aus der Einlegung von Rechtsbehelfen gemäß Artikel 33 ergibt;

f)

in einem in Artikel 3 Absatz 2 genannten Fall die Handlung, aufgrund der die Einziehungsentscheidung ergangen ist, nach dem Recht des Vollstreckungsstaats keine Straftat darstellt; in Fällen, die Steuer- oder Zoll- und Währungsbestimmungen betreffen, kann die Anerkennung oder Vollstreckung der Einziehungsentscheidung jedoch nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Recht des Vollstreckungsstaats nicht dieselbe Art von Steuern vorschreibt oder nicht dieselbe Art von Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen vorsieht wie das Recht des Entscheidungsstaats;

g)

laut der Einziehungsbescheinigung die Person, gegen die die Einziehungsentscheidung ergangen ist, nicht persönlich zu der Verhandlung erschienen ist, die zu der Einziehungsentscheidung im Zusammenhang mit einer rechtskräftigen Verurteilung geführt hat, außer aus der Einziehungsbescheinigung geht hervor, dass die betroffene Person im Einklang mit weiteren verfahrensrechtlichen Vorschriften des Rechts des Entscheidungsstaates

i)

rechtzeitig persönlich vorgeladen wurde und dabei über den geplanten Termin und Ort der Verhandlung, die zu der Einziehungsentscheidung geführt hat, in Kenntnis gesetzt wurde oder auf anderem Wege tatsächlich offiziell vom geplanten Termin und Ort der Verhandlung Kenntnis erhalten hatte, und zwar in einer Weise, dass sich zweifelsfrei nachweisen ließ, dass die betroffene Person von der anberaumten Verhandlung Kenntnis hatte und rechtzeitig darüber unterrichtet wurde, dass eine Einziehungsentscheidung auch im Falle ihres Nichterscheinens zur Verhandlung ergehen kann;

ii)

in Kenntnis der anberaumten Verhandlung einem Rechtsanwalt, der entweder von der betroffenen Person selbst oder vom Staat bestellt wurde, das Mandat erteilt hat, die betroffene Person bei der Verhandlung zu verteidigen, und bei der Verhandlung von diesem Rechtsanwalt tatsächlich verteidigt wurde; oder

iii)

nachdem ihr die Einziehungsentscheidung zugestellt und sie ausdrücklich über ihr Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf ein Berufungsverfahren belehrt wurde, das ihr die Möglichkeit der Teilnahme und einer erneuten Prüfung des Sachverhalts einschließlich einer Prüfung neuer Beweismittel mit der Option der Aufhebung der ursprünglichen Einziehungsentscheidung eröffnen würde, ausdrücklich erklärt hat, dass sie die Einziehungsentscheidung nicht anficht oder innerhalb der geltenden Frist keine Wiederaufnahme des Verfahrens bzw. kein Berufungsverfahren ersucht hat;

h)

in Ausnahmefällen aufgrund genauer und objektiver Angaben berechtigte Gründe zu der Annahme bestehen, dass die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung unter den besonderen Umständen des Falles die offensichtliche Verletzung eines in der Charta verankerten relevanten Grundrechts, insbesondere des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, des Rechts auf ein faires Verfahren oder des Rechts auf Verteidigung zur Folge hätte.

(2)   Bevor die Vollstreckungsbehörde in einem der in Absatz 1 genannten Fälle beschließt, die Einziehungsentscheidung ganz oder teilweise nicht anzuerkennen oder nicht zu vollstrecken, hält sie in geeigneter Wiese mit der Entscheidungsbehörde Rücksprache und ersucht diese gegebenenfalls um unverzügliche Übermittlung aller erforderlichen Informationen.

(3)   Der Beschluss, die Anerkennung oder Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung zu versagen, wird unverzüglich gefasst und der Entscheidungsbehörde umgehend in einer Form mitgeteilt, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.

Artikel 20

Fristen für die Anerkennung und Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen

(1)   Die Vollstreckungsbehörde fasst den Beschluss über die Anerkennung und Vollstreckung der Einziehungsentscheidung unverzüglich, unbeschadet des Absatzes 4 jedoch spätestens 45 Tage nach Eingang der Einziehungsbescheinigung bei der Vollstreckungsbehörde.

(2)   Die Vollstreckungsbehörde teilt der Entscheidungsbehörde ihren Beschluss über die Anerkennung und Vollstreckung der Einziehungsentscheidung unverzüglich in einer Weise mit, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.

(3)   Sofern keine Aussetzungsgründe nach Artikel 21 vorliegen, trifft die Vollstreckungsbehörde die konkreten für die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung erforderlichen Maßnahmen unverzüglich, zumindest aber mit der gleichen Geschwindigkeit und Dringlichkeit wie in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall.

(4)   Wenn in einem spezifischen Fall die Frist gemäß Absatz 1 nicht eingehalten werden kann, unterrichtet die Vollstreckungsbehörde die Entscheidungsbehörde unverzüglich in beliebiger Form, gibt dabei die Gründe an, aus denen die Frist nicht eingehalten werden konnte, und stimmt sich mit der Entscheidungsbehörde über einen geeigneten Zeitplan für die Anerkennung und Vollstreckung der Einziehungsentscheidung ab.

(5)   Der Ablauf der in Absatz 1 festgelegten Frist entbindet die Vollstreckungsbehörde nicht von ihrer Verpflichtung, einen Beschluss über die Anerkennung und Vollstreckung der Einziehungsentscheidung zu fassen und diese Entscheidung unverzüglich zu vollstrecken.

Artikel 21

Aussetzung der Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen

(1)   Die Vollstreckungsbehörde kann die Anerkennung oder die Vollstreckung einer gemäß Artikel 14 übermittelten Einziehungsentscheidung aussetzen, wenn

a)

deren Vollstreckung laufende strafrechtliche Ermittlungen beeinträchtigen könnte; in diesem Fall kann die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung so lange ausgesetzt werden, wie die Vollstreckungsbehörde es für angemessen hält;

b)

sie bei einer Entscheidung über die Einziehung eines Geldbetrags der Auffassung ist, dass das Risiko besteht, dass der sich aus der Vollstreckung dieser Einziehungsentscheidung eingezogene Gesamtbetrag den in der Einziehungsentscheidung festgelegten Betrag aufgrund einer gleichzeitigen Vollstreckung der Einziehungsentscheidung in mehr als einem Mitgliedstaat erheblich übersteigen könnte;

c)

die Vermögensgegenstände bereits Gegenstand eines laufenden Einziehungsverfahrens im Vollstreckungsstaat sind; oder

d)

ein Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 eingelegt wurde.

(2)   Ungeachtet des Artikels 18 Absatz 5 trifft die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats für die Dauer der Aussetzung der Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung sämtliche Maßnahmen, die sie in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall ergreifen würde, um zu verhindern, dass die Vermögensgegenstände nicht mehr zum Zwecke der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung verfügbar sind.

(3)   Die Vollstreckungsbehörde berichtet der Entscheidungsbehörde über die Aussetzung der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung unverzüglich in einer Weise, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, unter Angabe der Gründe für die Aussetzung sowie, falls möglich, der voraussichtlichen Dauer der Aussetzung.

(4)   Sobald die Aussetzungsgründe entfallen, trifft die Vollstreckungsbehörde unverzüglich die für die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung erforderlichen Maßnahmen und teilt dies der Entscheidungsbehörde in einer Weise mit, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.

Artikel 22

Unmöglichkeit der Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung

(1)   Kann eine Einziehungsentscheidung nach Auffassung der Vollstreckungsbehörde nicht vollstreckt werden, so setzt sie die Entscheidungsbehörde unverzüglich davon in Kenntnis.

(2)   Vor der Unterrichtung der Entscheidungsbehörde nach Absatz 1 berät sich die Vollstreckungsbehörde gegebenenfalls mit der Entscheidungsbehörde, wobei auch den in Artikel 18 Absatz 2 oder Absatz 3 genannten Möglichkeiten Rechnung getragen wird.

(3)   Die Versagung der Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung gemäß diesem Artikel lässt sich nur rechtfertigen, wenn die Vermögensgegenstände

a)

bereits eingezogen wurden,

b)

verschwunden sind,

c)

vernichtet wurden,

d)

an dem in der Einziehungsbescheinigung angegebenen Ort nicht aufzufinden sind oder

e)

nicht aufzufinden sind, weil die Angabe des Orts, an dem sich die Vermögensgegenstände befinden, trotz der Abstimmungen nach Absatz 2 zu ungenau war.

(4)   Erhält die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf die in Absatz 3 Buchstaben b, d und e genannten Fälle später Informationen, aufgrund der sie die Vermögensgegenstände ausfindig machen kann, so kann die Vollstreckungsbehörde die Einziehungsentscheidung vollstrecken, ohne dass dafür eine neue Einziehungsbescheinigung übermittelt werden muss, sofern die Vollstreckungsbehörde sich vor der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung bei der Entscheidungsbehörde vergewissert hat, dass die Einziehungsentscheidung noch gültig ist.

(5)   Hat die Entscheidungsbehörde angegeben, dass Vermögensgegenstände mit entsprechendem Wert eingezogen werden könnten, so ist die Vollstreckungsbehörde ungeachtet des Absatzes 3 nicht dazu verpflichtet, die Einziehungsentscheidung zu vollstrecken, wenn einer der in Absatz 3 genannten Fälle vorliegt und keine Vermögensgegenstände mit entsprechendem Wert vorhanden sind, die eingezogen werden können.

KAPITEL IV

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 23

Für die Vollstreckung maßgebendes Recht

(1)   Für die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung oder Einziehungsentscheidung ist das Recht des Vollstreckungsstaats maßgebend; dessen Behörden entscheiden allein, auf welche Weise deren Vollstreckung erfolgt und welche Maßnahmen zu diesem Zweck ergriffen werden.

(2)   Eine gegen eine juristische Person ergangene Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung ist selbst dann zu vollstrecken, wenn der Grundsatz der strafrechtlichen Haftung juristischer Personen im Vollstreckungsstaat nicht anerkannt wird.

(3)   Ungeachtet des Artikels 18 Absätze 2 und 3 kann der Vollstreckungsstaat ohne Zustimmung des Entscheidungsstaats keine Ersatzmaßnahmen zu der nach dem Artikel 4 übermittelten Sicherstellungsentscheidung oder der nach dem Artikel 14 übermittelten Einziehungsentscheidung verhängen.

Artikel 24

Benennung der zuständigen Behörden

(1)   Bis zum 19. Dezember 2020 teilt jeder Mitgliedstaat der Kommission mit, welche Behörde oder Behörden im Sinne des Artikels 2 Nummern 8 und 9 nach seinem Recht zuständig ist bzw. sind, wenn dieser Mitgliedstaat entweder Entscheidungsstaat oder Vollstreckungsstaat ist.

(2)   Wenn es sich aufgrund des Aufbaus des innerstaatlichen Rechtssystems als erforderlich erweist, kann jeder Mitgliedstaat eine oder mehrere zentrale Behörden benennen, die für die administrative Übermittlung und Entgegennahme der Sicherstellungs-oder Einziehungsbescheinigungen und für die Unterstützung seiner zuständigen Behörden verantwortlich sind. Jeder Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über jede auf diese Weise benannte Behörde.

(3)   Die Kommission macht diese nach Maßgabe dieses Artikels erhaltenen Angaben allen Mitgliedstaaten und dem EJN zugänglich.

Artikel 25

Kommunikation

(1)   Die Entscheidungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde halten bei Bedarf unverzüglich unter Einsatz aller geeigneten Kommunikationsmittel miteinander Rücksprache, um die effiziente Anwendung dieser Verordnung sicherzustellen.

(2)   Alle Mitteilungen, einschließlich jener zur Lösung von Problemen im Zusammenhang mit der Übermittlung oder der Authentifikation der zur Vollstreckung der Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung erforderlichen Unterlagen, erfolgen unmittelbar zwischen der Entscheidungsbehörde und der Vollstreckungsbehörde und, wenn ein Mitgliedstaat gemäß Artikel 24 Absatz 2 eine zentrale Behörde benannt hat, gegebenenfalls unter Einschaltung dieser zentralen Behörde.

Artikel 26

Mehrfache Entscheidungen

(1)   Wenn die Vollstreckungsbehörde zwei oder mehr von verschiedenen Mitgliedstaaten ausgestellte Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidungen gegen dieselbe Person erhält und diese Person im Vollstreckungsstaat nicht über die für die Vollstreckung aller Entscheidungen ausreichenden Vermögensgegenstände verfügt oder wenn die Vollstreckungsbehörde zwei oder mehr Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidungen über ein und denselben bestimmten Vermögensgegenstand erhält, so beschließt die Vollstreckungsbehörde nach dem Recht des Vollstreckungsstaats und unbeschadet der Möglichkeit einer Aussetzung der Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung gemäß Artikel 21, welche der Entscheidungen zu vollstrecken ist.

(2)   Bei diesem Beschluss räumt die Vollstreckungsbehörde nach Möglichkeit den Interessen der geschädigten Personen Vorrang ein. Sie trägt ferner allen anderen relevanten Umständen Rechnung, einschließlich

a)

der Frage, ob die Vermögensgegenstände schon sichergestellt sind,

b)

des Zeitpunkts der jeweiligen Entscheidungen bzw. ihrer Übermittlung,

c)

der Schwere der betreffenden Straftat und

d)

des Ortes, an dem die Straftat verübt wurde.

Artikel 27

Beendigung der Vollstreckung einer Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung

(1)   Wenn die Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung nicht mehr vollstreckbar oder nicht mehr gültig ist, hebt die Entscheidungsbehörde die Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung unverzüglich auf.

(2)   Die Entscheidungsbehörde unterrichtet die Vollstreckungsbehörde in einer Weise, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, umgehend über die Aufhebung einer Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung sowie über jeden Beschluss oder jede Maßnahme, aufgrund der eine Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung aufgehoben wird.

(3)   Sobald die Vollstreckungsbehörde von der Entscheidungsbehörde nach Absatz 2 entsprechend unterrichtet wurde, beendet sie die Vollstreckung der Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung, sofern die Vollstreckung noch nicht abgeschlossen ist. Die Vollstreckungsbehörde übermittelt dem Entscheidungsstaat unverzüglich in einer Weise, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, eine Bestätigung über die Beendigung.

Artikel 28

Verwaltung sichergestellter und eingezogener Vermögensgegenstände und Verfügung darüber

(1)   Für die Verwaltung sichergestellter und eingezogener Vermögensgegenstände ist das Recht des Vollstreckungsstaats maßgebend.

(2)   Der Vollstreckungsstaat verwaltet die sichergestellten oder eingezogenen Vermögensgegenstände in einer Weise, die ihre Wertminderung verhindert. Zu diesem Zweck kann der Vollstreckungsstaat unter Berücksichtigung des Artikels 10 der Richtlinie 2014/42/EU sichergestellte Vermögensgegenstände veräußern oder übertragen.

(3)   Sichergestellte Vermögensgegenstände und infolge der Veräußerung dieser Vermögensgegenstände nach Absatz 2 erzielte Geldbeträge verbleiben unbeschadet der Möglichkeit einer Rückgabe von Vermögensgegenständen gemäß Artikel 29 so lange im Vollstreckungsstaat, bis eine Einziehungsbescheinigung übermittelt und die Einziehungsentscheidung vollstreckt wurde.

(4)   Der Vollstreckungsstaat ist nicht verpflichtet, bestimmte von einer Einziehungsentscheidung betroffene Gegenstände zu veräußern oder zurückzugeben, wenn diese Gegenstände Kulturgüter nach Maßgabe des Artikels 2 Nummer 1 der Richtlinie 2014/60/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (18) sind. Diese Verordnung berührt nicht die Verpflichtung zur Rückgabe von Kulturgütern gemäß jener Richtlinie.

Artikel 29

Rückgabe sichergestellter Vermögensgegenstände an die geschädigte Person

(1)   Hat die Entscheidungsbehörde oder eine andere zuständige Behörde des Entscheidungsstaats nach ihrem nationalen Recht die Rückgabe sichergestellter Vermögensgegenstände an die geschädigte Person beschlossen, so trägt die Entscheidungsbehörde Informationen über diesen Beschluss in die Sicherstellungsbescheinigung ein oder setzt die Vollstreckungsbehörde zu einem späteren Zeitpunkt von diesem Beschluss in Kenntnis.

(2)   Wurde die Vollstreckungsbehörde gemäß Absatz 1 über einen Beschluss, sichergestellte Vermögensgegenstände der geschädigten Person zurückzugeben, informiert, so trifft sie die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die betreffenden Vermögensgegenstände nach ihrer Sicherstellung so bald wie möglich gemäß den Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsstaats, falls nötig über den Entscheidungsstaat, der geschädigten Person zurückgegeben werden, vorausgesetzt dass

a)

das Eigentumsrecht der geschädigten Person an den Vermögensgegenständen nicht angefochten wird,

b)

die Vermögensgegenstände im Vollstreckungsstaat nicht als Beweismittel in Strafverfahren benötigt werden und

c)

die Rechte betroffener Personen nicht beeinträchtigt werden.

Falls der Vermögensgegenstand direkt der geschädigten Person übertragen wird, setzt die Vollstreckungsbehörde die Entscheidungsbehörde hiervon in Kenntnis.

(3)   Ist die Vollstreckungsbehörde nicht davon überzeugt, dass die Voraussetzungen nach Absatz 2 erfüllt sind, so berät sie sich unverzüglich auf geeignete Weise mit der Entscheidungsbehörde im Hinblick auf eine Lösung. Kann keine Lösung gefunden werden, kann die Vollstreckungsbehörde entscheiden, die sichergestellten Vermögensgegenstände der geschädigten Person nicht zurückzugeben.

Artikel 30

Verfügung über eingezogene Vermögensgegenstände oder infolge der Veräußerung dieser Vermögensgegenstände erzielte Geldbeträge

(1)   Hat die Entscheidungsbehörde oder eine andere zuständige Behörde des Entscheidungsstaats nach ihrem nationalen Recht entweder die Rückgabe eingezogener Vermögensgegenstände an die geschädigte Person oder die Entschädigung der geschädigten Person beschlossen, so trägt die Entscheidungsbehörde die Informationen über diesen Beschluss in die Sicherstellungsbescheinigung ein oder setzt die Vollstreckungsbehörde zu einem späteren Zeitpunkt von diesem Beschluss in Kenntnis.

(2)   Wurde die Vollstreckungsbehörde gemäß Absatz 1 über einen Beschluss, eingezogene Vermögensgegenstände der geschädigten Person zurückzugeben, informiert, so trifft sie die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die betreffenden Vermögensgegenstände nach ihrer Einziehung so bald wie möglich erforderlichenfalls über den Entscheidungsstaat, der geschädigten Person zurückgegeben werden. Falls der Vermögensgegenstand direkt der geschädigten Person übertragen wird, setzt die Vollstreckungsbehörde die Entscheidungsbehörde hiervon in Kenntnis.

(3)   Wenn es der Vollstreckungsbehörde nicht möglich ist, die Vermögensgegenstände gemäß Absatz 2 an die geschädigte Person zurückzugeben, aus der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung in Bezug auf diesen Vermögensgegenstand jedoch ein Geldbetrag hervorgegangen ist, so wird der geschädigten Person der entsprechende Betrag zum Zwecke der Rückgabe, erforderlichenfalls über den Entscheidungsstaat, übertragen. Falls der geschädigten Person direkt ein Geldbetrag übertragen wird, setzt die Vollstreckungsbehörde die Entscheidungsbehörde hiervon in Kenntnis. Über etwaige verbleibende Vermögensgegenstände wird nach Maßgabe des Absatzes 7 verfügt.

(4)   Wurde die Vollstreckungsbehörde gemäß Absatz 1 über einen Beschluss, die geschädigte Person zu entschädigen, informiert und ist aus der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung ein Geldbetrag hervorgegangen, so wird der entsprechende Betrag, sofern er den in der Bescheinigung angegebenen Betrag nicht übersteigt, der geschädigten Person zum Zwecke der Entschädigung, erforderlichenfalls über den Entscheidungsstaat, übertragen. Falls der geschädigten Person direkt ein Geldbetrag übertragen wird, setzt die Vollstreckungsbehörde die Entscheidungsbehörde hiervon in Kenntnis. Über etwaige verbleibende Vermögensgegenstände wird nach Maßgabe des Absatzes 7 verfügt.

(5)   Sind im Entscheidungsstaat Verfahren über Rückgabe von Vermögensgegenständen an oder Entschädigung der geschädigten Person anhängig, so informiert die Entscheidungsbehörde die Vollstreckungsbehörde darüber. Der Vollstreckungsstaat trifft keine Verfügungen über die eingezogenen Vermögensgegenstände, bis die Vollstreckungsbehörde über den Beschluss über die Rückgabe von Vermögensgegenständen an oder die Entschädigung der geschädigten Person informiert wurde, auch wenn die Einziehungsentscheidung bereits vollstreckt worden ist.

(6)   Unbeschadet der Absätze 1 bis 5 wird über andere Vermögensgegenstände als Geld, die aus der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung hervorgegangen sind, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verfügt:

a)

Die Vermögensgegenstände können veräußert werden; in diesem Fall wird über die Veräußerungserlöse nach Maßgabe des Absatzes 7 verfügt,

b)

bezieht sich die Einziehungsentscheidung auf einen Geldbetrag, so können die Vermögensgegenstände dem Entscheidungsstaat unter der Voraussetzung übertragen werden, dass die Entscheidungsbehörde ihre Zustimmung erteilt hat, die Vermögensgegenstände dem Entscheidungsstaat zu übertragen;

c)

vorbehaltlich des Buchstabens d, wenn die Buchstaben a oder b nicht anwendbar sind, so kann über die Vermögensgegenstände in anderer Weise gemäß dem Recht des Vollstreckungsstaats verfügt werden; oder

d)

die Vermögensgegenstände können im Vollstreckungsstaat nach seinem Recht im öffentlichen Interesse oder für soziale Zwecke verwendet werden, sofern der Entscheidungsstaat zustimmt.

(7)   Sofern die Einziehungsentscheidung nicht mit einem Beschluss über die Rückgabe von Vermögensgegenständen an die geschädigte Person bzw. die Entschädigung der geschädigten Person gemäß den Absätzen 1 bis 5 einhergeht oder zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten nichts anderes vereinbart wurde, verfährt der Vollstreckungsstaat mit Geldern, die aus der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung stammen, wie folgt:

a)

Liegt der Betrag, der aus der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung hervorgegangen ist, bei höchstens 10 000 EUR, so fließt er dem Vollstreckungsstaat zu oder

b)

liegt der Betrag, der aus der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung hervorgegangen ist, über 10 000 EUR, so führt der Vollstreckungsstaat 50 % dieses Betrags an den Entscheidungsstaat ab.

Artikel 31

Kosten

(1)   Unbeschadet der Bestimmungen in Bezug auf die Verfügung über eingezogene Vermögensgegenstände nach Artikel 28 trägt jeder Mitgliedstaat seine eigenen Kosten, die ihm aus der Anwendung dieser Verordnung entstehen.

(2)   Die Vollstreckungsbehörde kann der Entscheidungsbehörde einen Vorschlag unterbreiten, die Kosten zu teilen, wenn entweder vor oder nach der Vollstreckung einer Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung der Eindruck entsteht, dass die Vollstreckung der Entscheidung mit erheblichen oder außergewöhnlichen Kosten verbunden wäre.

Solchen Vorschlägen fügt die Vollstreckungsbehörde eine detaillierte Aufschlüsselung der entstandenen Kosten bei. Nach einem solchen Vorschlag stimmen sich die Entscheidungsbehörde und die Vollstreckungsbehörde untereinander ab. Gegebenenfalls kann Eurojust bei diesen Abstimmungen behilflich sein.

Die Abstimmungen oder zumindest deren Ergebnisse werden in einer Weise aufgezeichnet, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.

Artikel 32

Verpflichtung zur Unterrichtung der betroffenen Personen

(1)   Unbeschadet des Artikels 11 setzt die Vollstreckungsbehörde nach der Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung oder nach dem Beschluss über die Anerkennung und Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung soweit möglich die ihr bekannten betroffenen Personen gemäß den Verfahren nach ihrem nationalen Recht unverzüglich über diese Vollstreckung und diesen Beschluss in Kenntnis.

(2)   Die nach Absatz 1 bereitzustellenden Informationen enthalten Angaben über die Bezeichnung der Entscheidungsbehörde, sowie über die nach dem Recht des Vollstreckungsstaats bestehenden Rechtsbehelfe. In den Informationen werden auch die Gründe für die Entscheidung zumindest kurz angegeben.

(3)   Gegebenenfalls kann die Vollstreckungsbehörde die Entscheidungsbehörde um Unterstützung bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 1 ersuchen.

Artikel 33

Rechtsbehelfe im Vollstreckungsstaat gegen die Anerkennung und Vollstreckung einer Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung

(1)   Betroffene Personen haben das Recht, gegen den Beschluss über die Anerkennung und Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen nach Artikel 7 und Einziehungsentscheidungen nach Artikel 18 im Vollstreckungsstaat wirksame Rechtsbehelfe einzulegen. Das Recht auf Einlegen eines Rechtsbehelfs wird vor einem Gericht des Vollstreckungsstaats nach dessen Recht ausgeübt. Im Falle von Einziehungsentscheidungen kann das Einlegen eines Rechtsbehelfs aufschiebende Wirkung haben, sofern das nach dem Recht des Vollstreckungsstaats vorgesehen ist.

(2)   Die Sachgründe für den Erlass der Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung können nicht vor einem Gericht des Vollstreckungsstaats angefochten werden.

(3)   Die zuständige Behörde des Entscheidungsstaats wird über alle gemäß Absatz 1 eingelegten Rechtsbehelfe unterrichtet.

(4)   Die Anwendung von Garantien und Rechtsbehelfen gemäß Artikel 8 der Richtlinie 2014/42/EU bleibt von diesem Artikel unberührt.

Artikel 34

Erstattung

(1)   Haftet der Vollstreckungsstaat nach Maßgabe seines Rechts für Schäden, die einer betroffenen Person aufgrund der Vollstreckung einer ihm nach Artikel 4 übermittelten Sicherstellungsentscheidung beziehungsweise einer ihm nach Artikel 14 übermittelten Einziehungsentscheidung entstanden sind, so erstattet der Entscheidungsstaat dem Vollstreckungsstaat jeglichen an die betroffene Person gezahlten Schadensersatz. Wenn der Entscheidungsstaat dem Vollstreckungsstaat jedoch nachweisen kann, dass der Schaden ganz oder teilweise ausschließlich auf das Verhalten des Vollstreckungsstaats zurückzuführen ist, einigen sich der Entscheidungs- und der Vollstreckungsstaat über den zu erstattenden Betrag.

(2)   Absatz 1 lässt die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Schadenersatzansprüche natürlicher oder juristischer Personen unberührt.

KAPITEL V

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 35

Statistik

(1)   Die Mitgliedstaaten führen eine umfassende Statistik, die sie anhand der regelmäßig bei den zuständigen Behörden erhobenen Daten erstellen. Sie übermitteln diese Statistik jedes Jahr der Kommission. Diese Statistik umfasst zusätzlich zu den in Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie 2014/42/EU genannten Daten die Anzahl der Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen, die ein Mitgliedstaat von anderen Mitgliedstaaten erhalten hat, und die anerkannt und vollstreckt wurden bzw. deren Anerkennung und Vollstreckung abgelehnt wurde.

(2)   Außerdem übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission jedes Jahr die folgenden statistischen Daten, sofern diese im betreffenden Mitgliedstaat auf zentraler Ebene verfügbar sind:

a)

die Anzahl der Fälle, in denen eine geschädigte Person gemäß dieser Verordnung aus den Vermögensgegenständen, die aus der Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung hervorgegangen sind, entschädigt oder ihr die Rückgabe dieser Vermögensgegenstände zugestanden wurde; und

b)

die durchschnittliche Dauer der Vollstreckung von Sicherstellungs-und Einziehungsentscheidungen gemäß dieser Verordnung.

Artikel 36

Änderungen der Bescheinigung und des Formblatts

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 37 delegierte Rechtsakte zur Änderung der in Anhang I bzw. II aufgeführten Bescheinigungen zu erlassen. Diese Änderungen stehen im Einklang mit dieser Verordnung und berühren diese nicht.

Artikel 37

Ausübung der Befugnisübertragung

(1)   Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.

(2)   Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 36 wird der Kommission auf unbestimmte Zeit ab dem 19. Dezember 2020 übertragen.

(3)   Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 36 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.

(4)   Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen.

(5)   Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.

(6)   Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 36 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.

Artikel 38

Berichterstattung und Überprüfung

Bis zum 20. Dezember 2025 und danach alle fünf Jahre erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung dieser Verordnung Bericht, unter anderem über

a)

die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Erklärungen gemäß Artikel 4 Absatz 2 und Artikel 14 Absatz 2 vorzulegen und zurückzuziehen;

b)

die Wechselbeziehung zwischen der Achtung der Grundrechte und der gegenseitigen Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen;

c)

die Anwendung der Artikel 28, 29 und 30 über die Verwaltung sichergestellter und eingezogener Vermögensgegenstände und die Verfügung darüber, über die Rückgabe von Vermögengegenständen an geschädigte Personen und über deren Entschädigung.

Artikel 39

Ersetzung

Diese Verordnung ersetzt die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2003/577/JI betreffend die Sicherstellung von Vermögensgegenständen für die durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten mit Wirkung vom 19. Dezember 2020.

Diese Verordnung ersetzt den Rahmenbeschluss 2006/783/JI für die durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten mit Wirkung vom 19. Dezember 2020.

Für die durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten gelten Verweise auf den Rahmenbeschluss 2003/577/JI betreffend die Sicherstellung von Vermögensgegenständen sowie Verweise auf den Rahmenbeschluss 2006/783/JI als Verweise auf diese Verordnung.

Artikel 40

Übergangsbestimmungen

(1)   Diese Verordnung gilt für Sicherstellungs- und Einziehungsbescheinigungen, die ab dem 19. Dezember 2020 übermittelt werden.

(2)   Im Fall von Sicherstellungs- und Einziehungsbescheinigungen, die vor dem 19. Dezember 2020 übermittelt werden, sind bis zur endgültigen Vollstreckung der Sicherstellung- oder Einziehungsentscheidung für die durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten weiterhin die Rahmenbeschlüsse 2003/577/JI und 2006/783/JI maßgebend.

Artikel 41

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Sie gilt ab dem 19. Dezember 2020.

Artikel 24 gilt jedoch ab dem 18. Dezember 2018.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß den Verträgen unmittelbar in den Mitgliedstaaten.

Geschehen zu Straßburg, am 14. November 2018.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

A. TAJANI

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

K. EDTSTADLER


(1)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 4. Oktober 2018 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht und Beschluss des Rates vom 6. November 2018.

(2)  ABl. C 115 vom 4.5.2010, S. 1.

(3)  Rahmenbeschluss 2003/577/JI des Rates vom 22. Juli 2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union (ABl. L 196 vom 2.8.2003, S. 45).

(4)  Rahmenbeschluss 2006/783/JI des Rates vom 6. Oktober 2006 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Einziehungsentscheidungen (ABl. L 328 vom 24.11.2006, S. 59).

(5)  Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union (ABl. L 127 vom 29.4.2014, S. 39).

(6)  Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren (ABl. L 280 vom 26.10.2010, S. 1).

(7)  Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren (ABl. L 142 vom 1.6.2012, S. 1).

(8)  Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (ABl. L 294 vom 6.11.2013, S. 1).

(9)  Richtlinie (EU) 2016/343 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren (ABl. L 65 vom 11.3.2016, S. 1).

(10)  Richtlinie (EU) 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind (ABl. L 132 vom 21.5.2016, S. 1).

(11)  Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls (ABl. L 297 vom 4.11.2016, S. 1).

(12)  Beschluss 2008/976/JI des Rates vom 16. Dezember 2008 über das Europäische Justizielle Netz (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 130).

(13)  Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (ABl. L 124 vom 8.6.1971, S. 1).

(14)  ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1.

(15)  Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (ABl. L 130 vom 1.5.2014, S. 1).

(16)  Beschluss 2007/845/JI des Rates vom 6. Dezember 2007 über die Zusammenarbeit zwischen den Vermögensabschöpfungsstellen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Aufspürens und der Ermittlung von Erträgen aus Straftaten oder anderen Vermögensgegenständen im Zusammenhang mit Straftaten (ABl. L 332 vom 18.12.2007, S. 103).

(17)  Richtlinie (EU) 2017/1371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug (ABl. L 198 vom 28.7.2017, S. 29).

(18)  Richtlinie 2014/60/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (ABl. L 159 vom 28.5.2014, S. 1).


ANHANG I

SICHERSTELLUNGSBESCHEINIGUNG

ABSCHNITT A:

Entscheidungsstaat: …

Entscheidungsbehörde: …

(Ggf.) Validierungsstelle: …

Vollstreckungsstaat: …

Vollstreckungsbehörde (sofern bekannt): …

ABSCHNITT B: Dringlichkeit und/oder ersuchter Vollstreckungstermin

1.   Besonderer Grund für die Dringlichkeit:

Es bestehen berechtigte Gründe zu der Annahme, dass die betreffenden Vermögensgegenstände in Kürze verbracht oder vernichtet werden.

Ermittlungs- oder verfahrenstechnische Erfordernisse im Entscheidungsstaat, und zwar:

2.   Vollstreckungstermin:

Ersuchter Termin: …

Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten erforderlich

Gründe für dieses Ersuchen:

ABSCHNITT C: betroffene Person(en)

Identität der Person(en), gegen die die Sicherstellungsentscheidung ergangen ist, oder der Person(en), die Eigentümer(in) des von der Sicherstellungsentscheidung betroffenen Vermögensgegenstands ist (sind)(falls mehr als eine Person betroffen ist, machen Sie bitte Angaben zu allen Personen):

1.   Angaben zur Identität

i)   Bei natürlichen Personen

Name: …

Vorname(n): …

Ggf. sonstige relevante Namen: …

Ggf. Aliasnamen: …

Geschlecht: …

Staatsangehörigkeit: …

Ausweis- oder Sozialversicherungsnummer (sofern verfügbar): …

Art und Nummer des Ausweisdokuments/der Ausweisdokumente (Personalausweis oder Reisepass), sofern verfügbar:

Geburtsdatum: …

Geburtsort: …

Wohnort und/oder bekannte Anschrift (falls die Anschrift nicht bekannt ist, zuletzt bekannte Anschrift):

Sprache(n), die die betroffene Person versteht: …

Stellung der betroffenen Person im Verfahren:

Person, gegen die die Sicherstellungsentscheidung ergangen ist

Person, die Eigentümerin des von der Entscheidung betroffenen Vermögensgegenstands ist

ii)   Bei juristischen Personen

Name: …

Rechtsform: …

Ggf. Kurzbezeichnung, üblicher Name oder Handelsname: …

Eingetragener Sitz: …

Registernummer: …

Anschrift: …

Name des Bevollmächtigten: …

Stellung der betroffenen Person im Verfahren:

Person, gegen die die Sicherstellungsentscheidung ergangen ist

Person, die Eigentümerin des von der Entscheidung betroffenen Vermögensgegenstands ist

2.   Falls von der (den) oben angegebenen Anschrift abweichend, geben Sie bitte den Ort an, an dem die Sicherstellungsentscheidung vollstreckt werden soll:

3.   Dritte, deren Rechte in Bezug auf den von der Sicherstellungsentscheidung betroffenen Vermögensgegenstand durch die Entscheidung unmittelbar beeinträchtigt werden (Identität und Gründe):

4.   Sonstige der Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung dienliche Informationen:

ABSCHNITT D: Auskünfte zu den von der Entscheidung betroffenen Vermögensgegenständen

1.   Die Entscheidung betrifft (Zutreffendes ankreuzen):

einen Geldbetrag

einen bestimmten Vermögensgegenstand/bestimmte Vermögensgegenstände (körperlich/unkörperlich, beweglich/unbeweglich)

einem Vermögensgegenstand mit entsprechendem Wert (bei wertbezogener Einziehung)

2.   Wenn die Entscheidung einen Geldbetrag oder Vermögensgegenstand mit entsprechendem Geldwert betrifft:

im Vollstreckungsstaat einzuziehender Betrag, in Ziffern und in Buchstaben (Währung angeben):

in der Entscheidung ausgewiesener einzuziehender Gesamtbetrag, in Ziffern und in Buchstaben (Währung angeben): …

Weitere Angaben:

Gründe für die Annahme, dass die betroffene Person über Vermögen/Einkommen im Vollstreckungsstaat verfügt:

Beschreibung der Vermögensgegenstände/Einkommensquelle der betroffenen Person (sofern möglich):

genauer Ort, an dem sich die Vermögensgegenstände/Einkommensquelle der betroffenen Person befinden (falls nicht bekannt, letzter bekannter Ort):

Einzelheiten zur Kontoverbindung der betroffenen Person (sofern bekannt):

3.   Wenn die Entscheidung einen bestimmten Vermögensgegenstand/bestimmte Vermögensgegenstände oder einen Vermögensgegenstand/Vermögensgegenstände mit entsprechendem Wert betrifft:

Gründe für die Übermittlung an den Vollstreckungsstaat:

der bestimmte Vermögensgegenstand ist oder die bestimmten Vermögensgegenstände sind im Vollstreckungsstaat belegen

der bestimmte Vermögensgegenstand ist oder die bestimmten Vermögensgegenstände sind im Vollstreckungsstaat registriert

der Entscheidungsbehörde hat berechtigte Gründe zu der Annahme, dass der bestimmte Vermögensgegenstand oder die Vermögensgegenstände, der/die Gegenstand der Entscheidung ist/sind, ganz oder teilweise im Vollstreckungsstaat belegen ist/sind.

Weitere Angaben:

Gründe für die Annahme, dass der bestimmte Vermögensgegenstand oder die bestimmten Vermögensgegenstände im Vollstreckungsstaat belegen ist/sind:

Beschreibung des Vermögensgegenstandes:

Ort, an dem sich der betreffende Vermögensgegenstand befindet (falls nicht bekannt, letzter bekannter Ort):

Sonstige sachdienliche Angaben (z.B. Bestellung eines Verwalters):

ABSCHNITT E: Gründe für den Erlass der Sicherstellungsentscheidung

1.   Kurze Schilderung des Sachverhalts

Erläutern Sie kurz, weshalb die Sicherstellungsentscheidung ergangen ist, einschließlich

einer Zusammenfassung des Sachverhalts und einer Beschreibung der Straftat(en):

des Ermittlungsstands:

der Gründe für die Sicherstellung:

sonstiger sachdienlicher Angaben:

2.   Art und rechtliche Würdigung der Straftat(en), die Anlass zu der Sicherstellungsentscheidung gegeben hat/haben, und anwendbare(n) Rechtsvorschrift(en):

3.   Ist die Straftat, die Anlass zu der Sicherstellungsentscheidung gegeben hat, im Entscheidungsstaat mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht und in der nachstehenden Auflistung von Straftaten enthalten? (Zutreffendes ankreuzen) Wenn sich die Sicherstellungsentscheidung auf mehrere Straftaten bezieht, geben Sie in der folgenden Liste bitte die Nummern der Straftaten an (die den unter den Nummern 1 und 2 angegebenen Straftatbeständen entsprechen).

Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung

Terrorismus

Menschenhandel

Sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornografie

Illegaler Handel mit Suchtstoffen und psychotropen Substanzen

Illegaler Handel mit Waffen, Munition und Sprengstoffen

Korruption

Betrug, einschließlich Betrug und anderer Straftaten im Sinne der Richtlinie (EU) 2017/1371, die die finanziellen Interessen der Union gefährden

Wäsche von Erträgen aus Straftaten

Geldfälschung einschließlich Euro-Fälschung

Cyberkriminalität

Umweltkriminalität einschließlich des illegalen Handels mit bedrohten Tierarten oder bedrohten Pflanzenarten und -sorten

Beihilfe zur unerlaubten Einreise und zum unerlaubten Aufenthalt

vorsätzliche Tötung oder schwere Körperverletzung

Illegaler Handel mit menschlichen Organen und menschlichem Gewebe

Entführung, Freiheitsberaubung oder Geiselnahme

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit

Organisierter oder bewaffneter Raub

Illegaler Handel mit Kulturgütern einschließlich Antiquitäten und Kunstgegenständen

Betrügerei

Erpressung und Schutzgelderpressung

Produktfälschung und Produktpiraterie

Fälschung von amtlichen Dokumenten und Handel damit

Fälschung von Zahlungsmitteln

Illegaler Handel mit Hormonen und anderen Wachstumsförderern

Illegaler Handel mit nuklearen oder radioaktiven Substanzen

Handel mit gestohlenen Fahrzeugen

Vergewaltigung

Brandstiftung

Verbrechen, die in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs fallen

Flugzeug- oder Schiffsentführung

Sabotage

4.   Sonstige sachdienliche Angaben (z. B. Beziehung zwischen Vermögensgegenstand und Straftat):

ABSCHNITT F: Vertraulichkeit der Entscheidung und/oder des Ersuchens um bestimmte Formalitäten

Notwendigkeit zur Wahrung der Vertraulichkeit der Informationen in der Entscheidung nach der Vollstreckung:

Notwendigkeit bestimmter Formalitäten zum Zeitpunkt der Vollstreckung:

ABSCHNITT G: Wenn die Sicherstellungsbescheinigung mehr als einem Vollstreckungsstaat übermittelt wurde, machen Sie bitte folgende Angaben:

1.   Eine Sicherstellungsbescheinigung wurde folgendem(n) anderen Vollstreckungsstaat(en) (Staat und Behörde) übermittelt:

2.   Die Sicherstellungsbescheinigung wurde aus folgenden Gründen mehr als einem Vollstreckungsstaat übermittelt:

Wenn sich die Sicherstellungsentscheidung auf bestimmte Vermögensgegenstände bezieht:

Es wird vermutet, dass die verschiedenen von der Entscheidung betroffenen Vermögensgegenstände in verschiedenen Vollstreckungsstaaten belegen sind.

Die Sicherstellung eines bestimmten Vermögensgegenstands erfordert Maßnahmen in mehr als einem Vollstreckungsstaat.

Wenn sich die Sicherstellungsentscheidung auf einen Geldbetrag bezieht:

Der geschätzte Wert des Vermögensgegenstands, der im Entscheidungsstaat und in irgendeinem Vollstreckungsstaat sichergestellt werden kann, reicht voraussichtlich nicht zur Sicherstellung des gesamten in der Entscheidung ausgewiesenen Betrags aus.

Sonstige besondere Gründe:

3.   Wert des Vermögens, falls bekannt, in jedem Vollstreckungsstaat:

4.   Falls die Sicherstellung eines bestimmten Vermögensgegenstands oder mehrerer bestimmter Vermögensgegenstände Maßnahmen in mehr als einem Vollstreckungsstaat erfordert, beschreiben Sie bitte die im Vollstreckungsstaat zu ergreifende Maßnahme:

ABSCHNITT H: Bezug zu einer früheren Sicherstellungsentscheidung und/oder anderen Entscheidungen oder Ersuchen

Bitte geben Sie an, ob die Sicherstellungsentscheidung in Bezug zu einer früheren Entscheidung oder einem früheren Ersuchen steht (z. B. Sicherstellungsentscheidung, Europäische Ermittlungsanordnung, Europäischer Haftbefehl oder Rechtshilfeersuchen). Sofern zutreffend, machen Sie bitte folgende Angaben, die zur Ermittlung der früheren Entscheidung oder des früheren Ersuchens nötigen sind:

Art der Entscheidung/des Ersuchens:

Ausfertigungsdatum:

Behörde, an die die Entscheidung/das Ersuchen übermittelt wurde:

Aktenzeichen der Entscheidungsbehörde:

Aktenzeichen der Vollstreckungsbehörde(n):

ABSCHNITT I: Einziehung

Bitte geben Sie an, ob

dieser Sicherstellungsbescheinigung eine im Entscheidungsstaat ergangene Einziehungsbescheinigung (Aktenzeichen der Einziehungsbescheinigung) beigefügt ist:

der Vermögensgegenstand im Vollstreckungsstaat so lange sicherzustellen ist, bis die Einziehungsentscheidung übermittelt und vollstreckt wurde (voraussichtliches Datum für die Vorlage der Einziehungsbescheinigung, falls möglich):

ABSCHNITT J: Ersatzmaßnahmen

1.   Bitte geben Sie an, ob der Entscheidungsstaat zulässt, dass im Vollstreckungsstaat Ersatzmaßnahmen angeordnet werden, wenn die Einziehungsentscheidung nicht oder nur teilweise vollstreckt werden kann:

Ja

Nein

2.   Wenn ja, geben Sie an, welche Strafen zur Anwendung kommen können:

ABSCHNITT K: RÜCKGABE SICHERGESTELLTER VERMÖGENSGEGENSTÄNDE

1.   Bitte geben Sie an, ob ein Beschluss zur Rückgabe sichergestellter Vermögensgegenstände an die geschädigte Person erlassen wurde:

Ja

Nein

Wenn ja, machen Sie folgende Angaben über den Beschluss zur Rückgabe sichergestellter Vermögensgegenstände an die geschädigte Person:

Behörde, die die Entscheidung erlassen hat (offizielle Bezeichnung)

Datum der Entscheidung:…

Aktenzeichen des Beschlusses (sofern verfügbar): …

Beschreibung der zurückzugebenden Vermögensgegenstände:…

Name der geschädigten Person: …

Anschrift der geschädigten Person: …

Falls das Eigentumsrecht der geschädigten Person an den Vermögensgegenständen angefochten wird, geben Sie bitte Einzelheiten an (von wem, warum usw.):

Falls Rechte betroffener Personen infolge der Rückgabe beeinträchtigt werden könnten, geben Sie bitte Einzelheiten an (die betroffenen Personen, Rechte, die beeinträchtigt sein könnten, aus welchen Gründen usw.):

2.   Ist im Entscheidungsstaat ein Antrag auf Rückgabe sichergestellter Vermögensgegenstände an die geschädigte Person anhängig?

Nein

Ja, das Ergebnis wird der Vollstreckungsbehörde mitgeteilt

Die Entscheidungsbehörde wird im Fall der direkten Übertragung an die geschädigte Person benachrichtigt.

ABSCHNITT L: Rechtsmittel

Behörde im Entscheidungsstaat, die weitere Auskünfte zu den Rechtsmittelverfahren im Entscheidungsstaat, zu den Möglichkeiten, Prozesskostenhilfe zu erhalten, und zur Bereitstellung von Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen erteilen kann:

die Entscheidungsbehörde (siehe Abschnitt M)

die Validierungsbehörde (siehe Abschnitt N)

Andere:

ABSCHNITT M: Angaben zu der Entscheidungsbehörde

Art der Sicherstellungsbehörde:

Richter, Gericht, Staatsanwalt

eine andere vom Entscheidungsstaat als solche benannte zuständige Behörde

Name der Behörde: …

Name des Ansprechpartner: …

Funktion (Titel/Amtsbezeichnung): …

Aktenzeichen: …

Anschrift: …

Telefonnummer (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsvorwahl): …

Faxnummer (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsvorwahl): …

E-Mail: …

Sprachen, in denen mit der Entscheidungsbehörde kommuniziert werden kann: …

Kontaktangaben zu den Personen, die Zusatzauskünfte erteilen oder zu den praktischen Vorkehrungen für die Vollstreckung der Entscheidung kontaktiert werden können (sofern von den obigen Angaben abweichend):

Name/Titel/Organisation: …

Anschrift: …

E-Mail/Telefonnummer: …

Unterschrift der Entscheidungsbehörde und/oder ihres Vertreters zur Bescheinigung der Genauigkeit und Richtigkeit des Inhalts der Sicherstellungsbescheinigung: …

Name: …

Funktion (Titel/Amtsbezeichnung): …

Datum: …

(Ggf.) Dienststempel: …

ABSCHNITT N: Angaben zu der Stelle, die die Sicherstellungsentscheidung bestätigt hat

Geben Sie bitte gegebenenfalls an, welche Stelle die Sicherstellungsentscheidung bestätigt hat:

Richter oder Gericht

Staatsanwalt

Bezeichnung der validierenden Stelle: …

Name des Ansprechpartners: …

Funktion (Titel/Amtsbezeichnung): …

Aktenzeichen: …

Anschrift: …

Telefonnummer (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsvorwahl): …

Faxnummer (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsvorwahl): …

E-Mail: …

Sprachen, in denen mit der Validierungsstelle kommuniziert werden kann: …

Geben Sie bitte den Hauptansprechpartner für die Vollstreckungsbehörde an:

die Behörde, die die Entscheidung erlassen hat

die Stelle, die die Entscheidung validiert hat

Unterschrift und Kontaktangaben der Validierungsbehörde und/oder ihres Vertreters:

Name: …

Funktion (Titel/Amtsbezeichnung): …

Datum: …

(Ggf.) Dienststempel: …

ABSCHNITT O: Zentrale Stelle

Falls eine zentrale Stelle für die administrative Übermittlung und Entgegennahme von Sicherstellungsbescheinigungen im Entscheidungsstaat benannt wurde, machen Sie bitte folgende Angaben:

Bezeichnung der zentralen Stelle: …

Name des Ansprechpartners: …

Funktion (Titel/Amtsbezeichnung): …

Aktenzeichen: …

Anschrift: …

Telefonnummer (Ländervorwahl) (Ortsvorwahl): …

Faxnummer (Ländervorwahl) (Ortsvorwahl): …

E-Mail: …

ABSCHNITT P: Anlagen

Geben Sie etwaige Anlagen zur Bescheinigung an: …


ANHANG II

EINZIEHUNGSBESCHEINIGUNG

ABSCHNITT A:

Entscheidungsstaat: …

Entscheidungsbehörde: …

Vollstreckungsstaat: …

Vollstreckungsbehörde (sofern bekannt): …

ABSCHNITT B: Einziehungsentscheidung

1.   Gericht, das die Einziehungsentscheidung erlassen hat (offizielle Bezeichnung):

2.   Aktenzeichen der Einziehungsentscheidung (sofern verfügbar):

3.   Die Einziehungsentscheidung erging am (Datum):

4.   Die Einziehungsentscheidung wurde rechtskräftig am (Datum):

ABSCHNITT C: betroffene Person(en)

Identität der Person(en), gegen die die Einziehungsentscheidung ergangen ist, oder der Person(en), die Eigentümer(in) des von der Einziehungsentscheidung betroffenen Vermögensgegenstands ist (sind) (falls mehr als eine Person betroffen ist, machen Sie bitte Angaben zu allen Personen):

1.   Angaben zur Identität

i)   Bei natürlichen Personen

Name: …

Vorname(n): …

Ggf. sonstige relevante Namen: …

Ggf. Aliasnamen: …

Geschlecht: …

Staatsangehörigkeit: …

Ausweis- oder Sozialversicherungsnummer, sofern verfügbar: …

Art und Nummer des Ausweisdokuments/der Ausweisdokumente (Personalausweis oder Reisepass), sofern verfügbar:

Geburtsdatum: …

Geburtsort: …

Wohnsitz und/oder bekannte Anschrift (falls die Anschrift nicht bekannt ist, zuletzt bekannte Anschrift):

Sprache(n), die die betroffene Person versteht: …

Stellung der betroffenen Person im Verfahren:

Person, gegen die die Einziehungsentscheidung ergangen ist

Person, die Eigentümerin des von der Entscheidung betroffenen Vermögensgegenstands ist

ii)   Bei juristischen Personen

Name: …

Rechtsform: …

Ggf. Kurzbezeichnung, üblicher Name oder Handelsname: …

Eingetragener Sitz: …

Registernummer: …

Anschrift: …

Name des Bevollmächtigten: …

Stellung der betroffenen Person im Verfahren:

Person, gegen die die Einziehungsentscheidung ergangen ist

Person, die Eigentümerin des von der Entscheidung betroffenen Vermögensgegenstands ist

2.   Falls von der oben angegebenen Anschrift abweichend, geben Sie bitte den Ort an, an dem die Einziehungsentscheidung vollstreckt werden soll:

3.   Dritte, deren Rechte in Bezug auf den von der Sicherstellungsentscheidung betroffenen Vermögensgegenstand durch die Entscheidung unmittelbar beeinträchtigt werden (Identität und Gründe):

4.   Sonstige der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung dienlichen Informationen:

ABSCHNITT D: Auskünfte zu den von der Entscheidung betroffenen Vermögensgegenständen

1.   Das Gericht ist zu dem Schluss gekommen, dass die Vermögensgegenstände

die Erträge aus einer Straftat oder deren Gegenwert darstellen, unabhängig davon, ob sie ganz oder teilweise dem Wert dieser Erträge entsprechen,

Tatwerkzeuge einer solchen Straftat darstellen oder dem Wert dieser Tatwerkzeuge entsprechen,

durch die im Entscheidungsstaat erfolgende Ausübung einer der in der Richtlinie 2014/42/EU genannten Einziehungsbefugnisse (einschließlich der erweiterten Einziehung) einzuziehen sind,

aufgrund sonstiger Bestimmungen über Einziehungsbefugnisse, einschließlich der Einziehung ohne endgültige Verurteilung, nach dem Recht des Entscheidungsstaats im Anschluss an Verfahren im Zusammenhang mit einer Straftat einzuziehen sind.

2.   Die Entscheidung betrifft:

einen Geldbetrag

einen bestimmten Vermögensgegenstand/bestimmte Vermögensgegenstände (körperlich/unkörperlich, beweglich/unbeweglich)

einen Vermögensgegenstand mit entsprechendem Wert (bei wertbezogener Einziehung)

3.   Wenn die Entscheidung einen Geldbetrag oder Vermögensgegenstand mit entsprechendem Geldwert betrifft:

im Vollstreckungsstaat einzuziehender Betrag, in Ziffern und in Buchstaben (Währung angeben):

in der Entscheidung ausgewiesener einzuziehender Gesamtbetrag, in Ziffern und in Buchstaben (Währung angeben): …

Weitere Angaben:

Gründe für die Annahme, dass die betroffene Person im Vollstreckungsstaat über Vermögen/Einkommen verfügt:

Beschreibung der Vermögensgegenstände/Einkommensquelle der betroffenen Person (sofern möglich):

genauer Ort, an dem sich die Vermögensgegenstände/Einkommensquelle der betroffenen Person befinden (falls nicht bekannt, letzter bekannter Ort): …

Einzelheiten zur Kontoverbindung der betroffenen Person (sofern bekannt):

4.   Wenn die Entscheidung einen bestimmten Vermögensgegenstand/bestimmte Vermögensgegenstände oder einen Vermögensgegenstand/Vermögensgegenstände mit entsprechendem Wert betrifft:

Gründe für die Übermittlung der Entscheidung an den Vollstreckungsstaat:

der bestimmte Vermögensgegenstand ist oder die bestimmten Vermögensgegenstände sind im Vollstreckungsstaat belegen

der bestimmte Vermögensgegenstand ist oder die bestimmten Vermögensgegenstände sind im Vollstreckungsstaat registriert

der Entscheidungsbehörde hat berechtigte Gründe zu der Annahme, dass der bestimmte Vermögensgegenstand oder die bestimmten Vermögensgegenstände, der/die Gegenstand der Entscheidung ist/sind, ganz oder teilweise im Vollstreckungsstaat belegen ist/sind.

Weitere Angaben:

Gründe für die Annahme, dass der bestimmte Vermögensgegenstand ist oder die bestimmten Vermögensgegenstände im Vollstreckungsstaat belegen ist/sind:

Beschreibung des Vermögensgegenstandes:

Ort, an dem sich der betreffende Vermögensgegenstand befindet (falls nicht bekannt, letzter bekannter Ort):

Sonstige sachdienliche Angaben (z. B. Bestellung eines Verwalters):

5.   Auskünfte zur Umwandlung und Übertragung von Vermögensgegenständen

Wenn die Entscheidung einen bestimmten Vermögensgegenstand betrifft, geben Sie bitte an, ob es nach dem Recht des Entscheidungsstaats zulässig ist, dass der Vollstreckungsstaat die Einziehung durch Einziehung eines dem Wert der einzuziehenden Vermögensgegenstände entsprechenden Geldbetrags vornehmen kann:

Ja.

Nein.

ABSCHNITT E: Sicherstellungsentscheidung

Bitte geben Sie an, ob

der Einziehungsentscheidung eine im Entscheidungsstaat ergangene Sicherstellungsentscheidung beigefügt ist (Aktenzeichen der Sicherstellungsbescheinigung):

der Vermögenswert aufgrund einer früheren, an den Vollstreckungsstaat übermittelten Sicherstellungsentscheidung sichergestellt wurde.

Ausfertigungsdatum der Sicherstellungsentscheidung: …

Übermittlungsdatum der Sicherstellungsentscheidung: …

Behörde, der die Entscheidung übermittelt wurde: …

Aktenzeichen der Entscheidungsbehörde: …

Aktenzeichen der Vollstreckungsbehörde: …

ABSCHNITT F: Gründe für den Erlass der Einziehungsentscheidung:

1.   Zusammenfassung des Sachverhalts und der Gründe für den Erlass der Einziehungsentscheidung, einschließlich einer Beschreibung der Straftat(en) und anderer sachdienlicher Informationen:

2.   Art und rechtliche Würdigung der Straftat(en), die Anlass zu der Einziehungsentscheidung gegeben hat/haben, und anwendbare Rechtsvorschrift(en):

3.   Ist die Straftat, die Anlass zu der Einziehungsentscheidung gegeben hat, im Entscheidungsstaat mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht und in der nachstehenden Auflistung von Straftaten enthalten? (Zutreffendes ankreuzen) Wenn sich die Einziehungsentscheidung auf mehrere Straftaten bezieht, geben Sie in der folgenden Liste bitte die Nummern der Straftaten an (die den unter den Nummern 1 und 2 angegebenen Straftatbeständen entsprechen).

Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung

Terrorismus

Menschenhandel

Sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornografie

Illegaler Handel mit Suchtstoffen und psychotropen Substanzen

Illegaler Handel mit Waffen, Munition und Sprengstoffen

Korruption

Betrug, einschließlich Betrug und anderer Straftaten, die die finanziellen Interessen der Union gefährden, im Sinne der Richtlinie (EU) 2017/1371

Wäsche von Erträgen aus Straftaten

Geldfälschung einschließlich Euro-Fälschung

Cyberkriminalität

Umweltkriminalität einschließlich des illegalen Handels mit bedrohten Tierarten oder bedrohten Pflanzenarten und -sorten

Beihilfe zur unerlaubten Einreise und zum unerlaubten Aufenthalt

Vorsätzliche Tötung oder schwere Körperverletzung

Illegaler Handel mit menschlichen Organen und menschlichem Gewebe

Entführung, Freiheitsberaubung oder Geiselnahme

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit

Organisierter oder bewaffneter Raub

Illegaler Handel mit Kulturgütern einschließlich Antiquitäten und Kunstgegenständen

Betrügerei

Erpressung und Schutzgelderpressung

Produktfälschung und Produktpiraterie

Fälschung von amtlichen Dokumenten und Handel damit

Fälschung von Zahlungsmitteln

Illegaler Handel mit Hormonen und anderen Wachstumsförderern

Illegaler Handel mit nuklearen oder radioaktiven Substanzen

Handel mit gestohlenen Fahrzeugen

Vergewaltigung

Brandstiftung

Verbrechen, die in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs fallen

Flugzeug- oder Schiffsentführung

Sabotage

4.   Sonstige sachdienliche Angaben (z. B. Beziehung zwischen Vermögensgegenstand und Straftat)

ABSCHNITT G: Sofern eine Einziehungsbescheinigung mehr als einem Vollstreckungsstaat übermittelt wurde, machen Sie bitte folgende Angaben:

1.   Eine Einziehungsbescheinigung wurde folgendem(n) anderen Vollstreckungsstaat(en) (Staat und Behörde) übermittelt:

2.   Eine Einziehungsbescheinigung wurde aus folgenden Gründen mehr als einem Vollstreckungsstaat übermittelt:

Wenn sich die Einziehungsentscheidung auf bestimmte Vermögensgegenstände bezieht:

Vermutlich sind die verschiedenen von der Entscheidung betroffenen Vermögensgegenstände in verschiedenen Vollstreckungsstaaten belegen.

Die Einziehung eines bestimmten Vermögensgegenstands erfordert Maßnahmen in mehr als einem Vollstreckungsstaat.

Wenn sich die Einziehungsentscheidung auf einen Geldbetrag bezieht:

Der betreffende Vermögensgegenstand wurde nicht gemäß Verordnung (EU) 2018/1805 sichergestellt

Der geschätzte Wert des Vermögensgegenstands, der im Entscheidungsstaat und in irgendeinem Vollstreckungsstaat eingezogen werden kann, reicht voraussichtlich nicht zur Einziehung des gesamten in der Entscheidung ausgewiesenen Betrags aus.

Sonstige besondere Gründe:

3.   Wert des Vermögens, falls bekannt, in jedem Vollstreckungsstaat:

4.   Falls die Einziehung eines bestimmten Vermögensgegenstands oder mehrerer bestimmter Vermögensgegenstände Maßnahmen in mehr als einem Vollstreckungsstaat erfordert, beschreiben Sie bitte die zu ergreifende Maßnahme:

ABSCHNITT H: Verfahren, in deren Rahmen die Einziehungsentscheidung ergangen ist

Geben Sie an, ob die Person, gegen die die Einziehungsentscheidung ergangen ist, persönlich zu der Verhandlung erschienen ist, die zu der Einziehungsentscheidung im Zusammenhang mit einer rechtskräftigen Verurteilung geführt hat:

1.

Ja, die Person ist zu der Verhandlung persönlich erschienen.

2.

Nein, die Person ist zu der Verhandlung nicht persönlich erschienen.

3.

Nein, gemäß den nationalen Verfahrensvorschriften fanden keine Verhandlungen statt.

4.

Wenn Sie Nummer 2 angekreuzt haben, geben Sie an, welcher der nachfolgenden Sacherhalte zutrifft:

4.1a. ☐

Die Person wurde am … (Tag/Monat/Jahr) persönlich vorgeladen und dabei von dem vorgesehenen Termin und Ort der Verhandlung, die zu der Einziehungsentscheidung geführt hat, sowie davon in Kenntnis gesetzt, dass eine Einziehungsentscheidung auch dann ergehen könnte, wenn sie zu der Verhandlung nicht erscheint.

ODER

4.1b. ☐

Die Person wurde nicht persönlich vorgeladen, hat aber auf andere Weise tatsächlich offiziell von dem vorgesehenen Termin und Ort der Verhandlung, die zu der Entscheidung geführt hat, Kenntnis erhalten, und zwar auf eine Weise, dass sich zweifelsfrei nachweisen ließ, dass sie von der anberaumten Verhandlung Kenntnis hatte; sie wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass eine Einziehungsentscheidung auch dann ergehen kann, wenn sie zu der Verhandlung nicht erscheint.

ODER

4.2. ☐

die Person hat in Kenntnis der anberaumten Verhandlung einem Rechtsanwalt, der entweder von der betroffenen Person oder vom Staat bestellt wurde, das Mandat erteilt, sie bei der Verhandlung zu verteidigen, und ist bei der Verhandlung von diesem Rechtsanwalt tatsächlich verteidigt worden.

ODER

4.3.

der Person wurde die Einziehungsentscheidung am … (Tag/Monat/Jahr) zugestellt und sie wurde ausdrücklich von ihrem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf ein Berufungsverfahren in Kenntnis gesetzt, an dem sie das Recht hatte teilzunehmen und bei dem der Sachverhalt, einschließlich neuer Beweismittel, erneut geprüft worden wäre und die ursprünglich ergangene Einziehungsentscheidung hätte aufgehoben werden können, und

die Person hat ausdrücklich erklärt, dass sie diese Einziehungsentscheidung nicht angefochten hat,

ODER

die Person hat innerhalb der geltenden Frist keine Wiederaufnahme des Verfahrens bzw. kein Berufungsverfahren ersucht.

5.

Wenn Sie Nummer 4.1b, 4.2 oder 4.3 angekreuzt haben, geben Sie bitte an, wie die betreffende Bedingung erfüllt wurde: …

ABSCHNITT I: Ersatzmaßnahmen, einschließlich Freiheitsstrafen

1.   Bitte geben Sie an, ob der Entscheidungsstaat zulässt, dass im Vollstreckungsstaat Ersatzmaßnahmen angeordnet werden, wenn die Einziehungsentscheidung nicht oder nur teilweise vollstreckt werden kann:

Ja

Nein

2.   Wenn ja, welche Maßnahmen können angeordnet werden:

Freiheitsstrafe (Höchstmaß):

Gemeinnützige Arbeit (oder Gleichwertiges) (Höchstmaß):

Andere Maßnahmen (Beschreibung):

ABSCHNITT J: Beschluss über Rückgabe von Vermögensgegenständen an oder Entschädigung der geschädigten Person

1.   Bitte machen Sie, soweit zutreffend, folgende Angaben:

Eine Entscheidungs- oder andere zuständige Behörde des Entscheidungsstaats hat entschieden, dass die geschädigte Person mit folgendem Betrag zu entschädigen bzw. der geschädigten Person folgender Betrag zurückzuerstatten ist: …

Eine Entscheidungs- oder andere zuständige Behörde des Entscheidungsstaats hat die Rückgabe der folgenden nicht monetären Vermögensgegenstände an die geschädigte Person angeordnet:

Im Entscheidungsstaat ist ein Verfahren über Rückgabe von Vermögensgegenständen an oder Entschädigung der geschädigten Person anhängig, dessen Ergebnis der Vollstreckungsbehörde mitgeteilt wird.

2.   Angaben zum Beschluss über die Rückgabe von Vermögensgegenständen an oder Entschädigung der geschädigten Person

Behörde, die den Beschluss erlassen hat (offizielle Bezeichnung): …

Datum des Beschlusses: …

Datum an dem der Beschluss rechtskräftig wurde: …

Aktenzeichen des Beschlusses (sofern verfügbar): …

Beschreibung der zurückzugebenden Vermögensgegenstände: …

Name der geschädigten Person: …

Anschrift der geschädigten Person: …

Die Entscheidungsbehörde wird im Fall der direkten Übertragung an die geschädigte Person benachrichtigt.

ABSCHNITT K: Angaben zur Entscheidungsbehörde

Name der Behörde: …

Name des Ansprechpartners: …

Funktion (Titel/Amtsbezeichnung): …

Aktenzeichen: …

Anschrift: …

Telefonnummer (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsvorwahl): …

Faxnummer (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsvorwahl): …

E-Mail: …

Sprachen, in denen mit der Entscheidungsbehörde kommuniziert werden kann: …

Kontaktangaben zu den Personen, die Zusatzauskünfte erteilen oder zu den praktischen Vorkehrungen für die Vollstreckung der Entscheidung oder die Übertragung von Vermögensgegenständen kontaktiert werden können (sofern von den obigen Angaben abweichend):

Name/Titel/Organisation: …

Anschrift: …

E-Mail/Telefonnummer: …

Unterschrift der Entscheidungsbehörde und/oder ihres Vertreters zur Bescheinigung der Genauigkeit und Richtigkeit des Inhalts der Einziehungsbescheinigung: …

Name: …

Funktion (Titel/Amtsbezeichnung): …

Datum: …

(Ggf.) Dienststempel: …

ABSCHNITT L: Zentralstelle

Falls eine zentrale Stelle für die administrative Übermittlung und Entgegennahme von Einziehungsbescheinigungen im Entscheidungsstaat benannt wurde, geben Sie bitte Folgendes an:

Name der Zentralstelle: …

Name des Ansprechpartners: …

Funktion (Titel/Amtsbezeichnung): …

Aktenzeichen: …

Anschrift: …

Telefonnummer (Ländervorwahl) (Ortsvorwahl): …

Faxnummer (Ländervorwahl) (Ortsvorwahl): …

E-Mail: …

ABSCHNITT M: Bankangaben des Entscheidungsstaats

IBAN: …

BIC: …

Name des Kontoinhabers: …

ABSCHNITT N: Anlagen

Geben Sie etwaige Anlagen zur Bescheinigung an:


28.11.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 303/39


VERORDNUNG (EU) 2018/1806 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 14. November 2018

zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind

(Kodifizierter Text)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe a,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates (2) ist mehrfach und in wesentlichen Punkten geändert worden (3). Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit empfiehlt es sich, die genannte Verordnung zu kodifizieren.

(2)

Diese Verordnung sieht eine vollständige Harmonisierung bezüglich der Drittländer vor, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein müssen (im Folgenden auch „Visumpflicht“), sowie der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Pflicht befreit sind.

(3)

Die Bestimmung der Drittländer, deren Staatsangehörige der Visumpflicht unterliegen oder von der Visumpflicht befreit sind, sollte auf der Grundlage einer fallweise gewichteten Bewertung mehrerer Kriterien erfolgen. Diese Bewertung sollte regelmäßig durchgeführt werden und könnte zu Gesetzgebungsvorschlägen zur Änderung des Anhangs I dieser Verordnung – der die Drittländer aufführt, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein müssen –, und des Anhangs II dieser Verordnung – der die Drittländer aufführt, deren Staatsangehörige für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, von der Pflicht, beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums zu sein, befreit sind – führen, ungeachtet der Möglichkeit, unter bestimmten Umständen länderspezifische Änderungen an den Anhängen vorzunehmen, zum Beispiel als ein Ergebnis der Liberalisierung der Visabestimmungen oder als letzte Konsequenz einer vorübergehenden Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht (im Folgenden auch „Visumbefreiung“).

(4)

Die Zusammensetzung der Listen der Drittländer in den Anhängen I und II sollte stets den Kriterien dieser Verordnung entsprechen. Verweise zu Drittländern, deren Situation sich im Hinblick auf diese Kriterien geändert hat, sollten von einem Anhang in den anderen überführt werden.

(5)

In den Anhängen I und II sollte völkerrechtlichen Entwicklungen, durch die sich der Status oder die Bezeichnung bestimmter Staaten oder Gebietskörperschaften geändert hat, Rechnung getragen werden.

(6)

Da Staatsangehörige Islands, Liechtensteins und Norwegens im Rahmen des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (4) von der Visumpflicht befreit sind, sollten diese Länder nicht in der Liste in Anhang II aufgeführt werden.

(7)

Da das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (5) vorsieht, dass sich die Staatsangehörigen der Schweiz und der Mitgliedstaaten jeweils ohne Visum im anderen Land aufhalten dürfen, sollte die Schweiz nicht in der Liste in Anhang II aufgeführt werden.

(8)

Unbeschadet der Verpflichtungen aufgrund der von den Mitgliedstaaten unterzeichneten internationalen Abkommen und insbesondere des am 20. April 1959 in Straßburg unterzeichneten Europäischen Übereinkommens des Europarats über die Aufhebung des Sichtvermerkzwangs für Flüchtlinge muss für anerkannte Flüchtlinge und für Staatenlose die Visumpflicht oder die Visumbefreiung je nach dem Drittland beschlossen werden, in dem sich diese Personen aufhalten und das ihnen die Reisedokumente ausgestellt hat. Aufgrund der Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften für anerkannte Flüchtlinge und für Staatenlose sollten die Mitgliedstaaten jedoch festlegen können, ob diese Personengruppen befreit werden sollten, wenn das Drittland, in dem sich diese Personen aufhalten und das ihnen die Reisedokumente ausgestellt hat, zu den Drittländern gehört, deren Staatsangehörige von der Visumpflicht befreit sind.

(9)

Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1931/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (6) sollte eine Befreiung von der Visumpflicht zugunsten der Inhaber einer Grenzübertrittsgenehmigung zum Zwecke des Kleinen Grenzverkehrs vorgesehen werden.

(10)

Die Mitgliedstaaten sollten für Inhaber bestimmter Pässe, bei denen es sich nicht um gewöhnliche Pässe handelt, Ausnahmen von der Visumpflicht vorsehen können.

(11)

In Einzelfällen, die eine visumpolitische Sonderregelung rechtfertigen, sollten die Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem Völkerrecht oder einer allgemein üblichen Praxis, bestimmte Personengruppen von der Visumpflicht befreien oder sie dieser Pflicht unterwerfen können.

(12)

Die Mitgliedstaaten sollten Personen mit Flüchtlingsstatus, alle Staatenlosen, sowohl jene im Sinne des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechtsstellung von Staatenlosen vom 28. September 1954 als auch jene, die nicht unter dieses Übereinkommen fallen, und an einer Schulreise teilnehmende Schüler von der Visumpflicht befreien können, wenn Personen dieser Kategorien ihren Wohnsitz in einem in der Liste in Anhang II dieser Verordnung aufgeführten Drittland haben.

(13)

Die Regelungen für die Befreiung von der Visumpflicht sollten die tatsächlichen Gepflogenheiten umfassend berücksichtigen. Einige Mitgliedstaaten befreien Staatsangehörige von in der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein müssen, aufgeführten Drittländern, die Angehörige von Streitkräften sind, für Reisen im Rahmen der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) oder der Partnerschaft für den Frieden von der Visumpflicht. Auf diese Befreiungen, die auf internationalen Verpflichtungen außerhalb des Unionsrechts beruht, sollte aus Gründen der Rechtssicherheit in dieser Verordnung verwiesen werden.

(14)

Die umfassende Anwendung der Gegenseitigkeit bei der Visumpflicht ist ein Ziel, das die Union in ihren Beziehungen zu Drittländern aktiv verfolgen sollte, um damit zu einer größeren Glaubwürdigkeit und Stimmigkeit der Außenpolitik der Union beizutragen.

(15)

Für den Fall, dass eines der in der Liste in Anhang II aufgeführten Drittländer beschließen sollte, für die Staatsangehörigen eines oder mehrerer Mitgliedstaaten eine Visumpflicht einzuführen, sollte ein Unionsmechanismus zur Umsetzung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit vorgesehen werden. Dieser Mechanismus sollte für den Fall, dass ein solches Drittland den Staatsangehörigen mindestens eines Mitgliedstaats die Visumpflicht auferlegt, eine Reaktion der Union im Sinne eines solidarischen Handelns vorsehen.

(16)

Auf die Mitteilung eines Mitgliedstaats hin, dass ein in der Liste in Anhang II aufgeführtes Drittland den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats die Visumpflicht auferlegt, sollten alle Mitgliedstaaten geschlossen reagieren und damit eine Reaktion der Union auf eine Situation geben, die die Union insgesamt betrifft und dazu führt, dass für ihre Bürger unterschiedliche Behandlungen gelten.

(17)

Um eine angemessene Beteiligung des Europäischen Parlaments und des Rates in der zweiten Phase der Anwendung des Gegenseitigkeitsmechanismus sicherzustellen, sollte der Kommission – in Anbetracht dessen, dass eine Aussetzung der Befreiung aller Staatsangehörigen eines in der Liste in Anhang II aufgeführten Drittlands von der Visumpflicht politisch besonders sensibel und mit horizontalen Auswirkungen für die Mitgliedstaaten, die assoziierten Schengen-Länder und die Union selbst verbunden ist, insbesondere hinsichtlich ihrer Außenbeziehungen und des Funktionierens des Schengen-Raums insgesamt – die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Rechtsakte hinsichtlich bestimmter Elemente des Gegenseitigkeitsmechanismus zu erlassen. Die Übertragung derartiger Befugnisse auf die Kommission trägt der Notwendigkeit zu politischen Beratungen über die Visumpolitik der Union im Schengen-Raum Rechnung. Sie spiegelt auch die Notwendigkeit wider, eine angemessene Transparenz sowie Rechtssicherheit bei der Anwendung des Gegenseitigkeitsmechanismus auf alle Staatsangehörigen des betroffenen Drittlands zu gewährleisten, insbesondere durch eine entsprechende befristete Änderung des Anhangs II dieser Verordnung. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 (7) über bessere Rechtsetzung niedergelegt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.

(18)

Diese Verordnung sollte einen Mechanismus zur vorübergehenden Aussetzung der Befreiung eines in der Liste in Anhang II aufgeführten Drittlands von der Visumpflicht vorsehen (im Folgenden „Aussetzungsmechanismus“), wenn in einer Notlage eine dringliche Reaktion erforderlich ist, um die Schwierigkeiten mindestens eines Mitgliedstaats zu beheben, wobei der Gesamtauswirkung der Notlage auf die Union als Ganzes Rechnung getragen wird.

(19)

Um eine effiziente Anwendung des Aussetzungsmechanismus und bestimmter Bestimmungen des Gegenseitigkeitsmechanismus zu gewährleisten und um insbesondere zu ermöglichen, dass alle relevanten Faktoren und die möglichen Auswirkungen der Anwendung dieser Mechanismen angemessen berücksichtigt werden, sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse in Bezug auf die Bestimmung der Gruppen von Staatsangehörigen des betreffenden Drittlands, deren Befreiung von der Visumpflicht im Rahmen des Gegenseitigkeitsmechanismus vorübergehend ausgesetzt werden sollte und auf die Festlegung der jeweiligen Dauer dieser Aussetzung sowie auf den Aussetzungsmechanismus übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (8) ausgeübt werden. Das Prüfverfahren sollte für den Erlass solcher Rechtsakte angewendet werden.

(20)

Jede Art von Missbrauch, der auf die Befreiung von der Visumpflicht bei kurzfristigen Aufenthalten von Staatsangehörigen eines Drittlands zurückzuführen ist, muss verhütet und bekämpft werden, sofern die betreffenden Personen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung („ordre public“) und die innere Sicherheit des betroffenen Mitgliedstaates darstellen.

(21)

Der Aussetzungsmechanismus sollte es ermöglichen, dass die Mitgliedstaaten Umstände melden können, die Anlass für eine etwaige Aussetzung sind, und dass die Kommission den Aussetzungsmechanismus auf eigene Initiative auslösen kann.

(22)

Insbesondere sollte die Anwendung des Aussetzungsmechanismus durch kurze Bezugszeiträume und Fristen - womit ein schnelles Verfahren ermöglicht wird - erleichtert werden und die möglichen Gründe für die Aussetzung sollten eine Verschlechterung bei der Zusammenarbeit im Bereich Rückübernahmen sowie eine erhebliche Erhöhung von Risiken für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit von Mitgliedstaaten umfassen. Diese Verschlechterung bei der Zusammenarbeit sollte einen erheblichen Anstieg der Ablehnungsrate bei Rückübernahmeersuchen, einschließlich betreffend Drittstaatsangehörige, die durch das betreffende Drittland gereist sind, wenn ein zwischen der Union oder einem Mitgliedstaat und dem betreffenden Drittland geschlossenes Rückübernahmeabkommen eine solche Verpflichtung vorsieht, umfassen. Die Kommission sollte ferner in der Lage sein, den Aussetzungsmechanismus auszulösen, wenn das Drittland nicht zur Zusammenarbeit bei der Rückübernahme bereit ist, insbesondere wenn ein Rückübernahmeabkommen zwischen dem betreffenden Drittland und der Union geschlossen wurde.

(23)

Für die Zwecke des Aussetzungsmechanismus bedeutet ein erheblicher Anstieg, dass ein Schwellenwert von 50 % überschritten wird. Ein erheblicher Anstieg könnte auch bei einem niedrigeren Wert vorliegen, sofern die Kommission der Ansicht ist, dass dies auf den konkreten, von dem betroffenen Mitgliedstaat mitgeteilten Fall zutrifft.

(24)

Für die Zwecke des Aussetzungsmechanismus bedeutet eine geringe Anerkennungsquote, dass die Anerkennungsquote bei Asylanträgen etwa 3 oder 4 % beträgt. Eine „geringe Anerkennungsquote“ könnte auch bei einer höheren Anerkennungsquote gegeben sein, sofern die Kommission der Ansicht ist, dass dies auf den konkreten, vom betroffenen Mitgliedstaat mitgeteilten Fall zutrifft.

(25)

Jede Art von Missbrauch der Befreiung von der Visumpflicht muss verhütet und bekämpft werden, sofern er zu einem höheren Migrationsdruck führt, beispielsweise aufgrund eines Anstiegs unbegründeter Asylanträge, und auch, wenn er zu unbegründeten Anträgen auf Aufenthaltstitel führt.

(26)

Um zu gewährleisten, dass die spezifischen Anforderungen, anhand deren die Angemessenheit einer infolge des erfolgreichen Abschlusses eines Dialogs über die Visaliberalisierung gewährten Befreiung von der Visumpflicht bewertet wurde, auch in Zukunft erfüllt werden, sollte die Kommission die Situation in den betreffenden Drittländern beobachten. Die Kommission sollte der Lage der Menschenrechte in den betreffenden Drittländern besondere Aufmerksamkeit widmen.

(27)

Die Kommission sollte dem Europäischen Parlament und dem Rat regelmäßig, mindestens einmal jährlich, für einen Zeitraum von sieben Jahren nach Inkrafttreten der Visumfreiheit für das betreffende Drittland und im Anschluss daran, wenn die Kommission dies für notwendig erachtet, oder auf Antrag des Europäischen Parlaments oder des Rates, Bericht erstatten.

(28)

Vor der Entscheidung über eine vorübergehende Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht für die Staatsangehörigen eines Drittlands sollte die Kommission die Menschenrechtslage in diesem Drittland und die etwaigen Auswirkungen einer Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht auf diese Lage berücksichtigen.

(29)

Die Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht im Wege eines Durchführungsrechtsakts sollte sich auf bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des betroffenen Drittlands erstrecken, indem auf die einschlägigen Arten von Reisedokumenten und gegebenenfalls weitere Kriterien wie beispielsweise die Tatsache, dass eine Person erstmals in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreist, verwiesen wird. Im Durchführungsrechtsakt sollten die Gruppen von Staatsangehörigen bestimmt werden, für die die Aussetzung gilt, wobei die konkreten Umstände, die von einem oder mehreren Mitgliedstaaten mitgeteilt oder von der Kommission gemeldet wurden, und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden sollten.

(30)

Um eine angemessene Beteiligung des Europäischen Parlaments und des Rates an der Durchführung des Aussetzungsmechanismus sicherzustellen, sollte der Kommission - in Anbetracht dessen, dass eine Aussetzung der Befreiung für alle Staatsangehörigen eines aufgeführten Drittlands der Liste in Anhang II dieser Verordnung von der Visumpflicht politisch heikel und mit horizontalen Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten und die Union selbst verbunden wäre, insbesondere hinsichtlich ihrer Außenbeziehungen und des Funktionierens des Schengen-Raums insgesamt - die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 AEUV Rechtsakte hinsichtlich der vorübergehenden Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht für die Staatsangehörigen der betroffenen Drittländer zu erlassen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung niedergelegt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.

(31)

Um die Transparenz der Visabestimmungen und die Unterrichtung der beteiligten Personen zu gewährleisten, sollten die Mitgliedstaaten der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten die Maßnahmen mitteilen, die sie aufgrund dieser Verordnung ergreifen. Aus dem gleichen Grund sollten diese Informationen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden.

(32)

Die Bedingungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder für die Visumerteilung sollten die Bestimmungen über die Anerkennung der Gültigkeit von Reisedokumenten unberührt lassen.

(33)

Gemäß dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist es für das reibungslose Funktionieren der gemeinsamen Visumpolitik notwendig und angemessen, die Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, im Wege einer Verordnung zu regeln.

(34)

Diese Verordnung sollte die Anwendung internationaler Abkommen unberührt lassen, die die Europäische Gemeinschaft vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 geschlossen hat und die ein Abweichen von der gemeinsamen Visumpolitik erforderlich machen, wobei der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Rechnung zu tragen ist.

(35)

Für Island und Norwegen stellt diese Verordnung eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Übereinkommens zwischen dem Rat der Europäischen Union sowie der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung der beiden letztgenannten Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (9) dar, die zu dem in Artikel 1 Buchstabe B des Beschlusses 1999/437/EG des Rates (10) genannten Bereich gehören.

(36)

Für die Schweiz stellt diese Verordnung eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (11) dar, die zu dem in Artikel 1 Buchstaben B und C des Beschlusses 1999/437/EG des Rates in Verbindung mit Artikel 3 des Beschlusses 2008/146/EG des Rates (12) genannten Bereich gehören.

(37)

Für Liechtenstein stellt diese Verordnung eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung letzteren Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (13) dar, die zu dem in Artikel 1 Buchstaben B und C des Beschlusses 1999/437/EG des Rates in Verbindung mit Artikel 3 des Beschlusses 2011/350/EU des Rates (14) genannten Bereich gehören.

(38)

Diese Verordnung stellt eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar, an denen sich das Vereinigte Königreich gemäß dem Beschluss 2000/365/EG des Rates (15) nicht beteiligt; das Vereinigte Königreich beteiligt sich daher nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder an diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

(39)

Diese Verordnung stellt eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar, an denen sich Irland gemäß dem Beschluss 2002/192/EG des Rates (16) nicht beteiligt; Irland beteiligt sich daher nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder an diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Diese Verordnung bestimmt die Drittländer, deren Staatsangehörige der Visumspflicht unterliegen oder von der Visumpflicht befreit sind; dies erfolgt auf der Grundlage einer fallweise gewichteten Bewertung mehrerer Kriterien, die unter anderem die illegale Einwanderung, die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die wirtschaftlichen Vorteile, insbesondere in Bezug auf Tourismus und Außenhandel, sowie die Außenbeziehungen der Union zu den entsprechenden Drittländern betreffen, wobei insbesondere Erwägungen in Bezug auf die Menschenrechte und die Grundfreiheiten und die regionale Kohärenz und der Grundsatz der Gegenseitigkeit zu berücksichtigen sind.

Artikel 2

Im Sinne dieser Verordnung bedeutet „Visum“ ein Visum gemäß Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates (17).

Artikel 3

(1)   Die Staatsangehörigen der Drittländer, die in der Liste in Anhang I aufgeführt sind, müssen beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein.

(2)   Unbeschadet der Verpflichtungen aus dem am 20. April 1959 in Straßburg unterzeichneten Europäischen Übereinkommen des Europarats über die Aufhebung des Sichtvermerkzwangs für Flüchtlinge müssen Personen mit Flüchtlingsstatus und Staatenlose beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein, wenn das Drittland, in dem sie ihren Wohnsitz haben und das ihnen ihr Reisedokument ausgestellt hat, in der Liste in Anhang I dieser Verordnung aufgeführt ist.

Artikel 4

(1)   Die Staatsangehörigen der in der Liste in Anhang II aufgeführten Drittländer sind von der Visumpflicht nach Artikel 3 Absatz 1 für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

(2)   Von der Visumpflicht befreit sind außerdem folgende Personen:

a)

Staatsangehörige eines in der Liste in Anhang I dieser Verordnung aufgeführten Drittlands, die Inhaber einer von den Mitgliedstaaten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1931/2006 ausgestellten Grenzübertrittsgenehmigung zum Zwecke des kleinen Grenzverkehrs sind, wenn diese Personen ihr Recht im Rahmen der Regelung für den kleinen Grenzverkehr wahrnehmen;

b)

Schüler, die Staatsangehörige eines in der Liste in Anhang I dieser Verordnung aufgeführten Drittlands sind, ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben, der den Beschluss 94/795/ JI des Rates (18) anwendet und als Mitglied einer Schülergruppe in Begleitung einer Lehrkraft der betreffenden Einrichtung an einer Schulreise teilnehmen;

c)

Personen mit Flüchtlingsstatus und Staatenlose sowie andere Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Landes besitzen, mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, die Inhaber eines von diesem Mitgliedstaat ausgestellten Reisedokuments sind.

Artikel 5

Staatsangehörige neuer Drittländer, die aus den in den Listen in den Anhängen I und II aufgeführten Drittländern hervorgegangen sind, unterliegen Artikel 3 beziehungsweise Artikel 4, bis der Rat nach dem Verfahren der einschlägigen Vorschrift des AEUV etwas anderes beschließt.

Artikel 6

(1)   Die Mitgliedstaaten können bei folgenden Personengruppen Ausnahmen von der Visumpflicht nach Artikel 3 oder von der Befreiung von der Visumpflicht nach Artikel 4 vorsehen:

a)

Inhaber von Diplomatenpässen, Dienst-/Amtspässen oder Sonderpässen;

b)

ziviles Flug- und Schiffspersonal in Ausübung seiner Aufgaben;

c)

ziviles Schiffspersonal bei Landgängen, wenn es im Besitz eines Personalausweises für Seeleute ist, der gemäß den Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation Nr. 108 vom 13. Mai 1958 oder Nr. 185 vom 19. Juni 2003 oder dem Übereinkommen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation zur Erleichterung des internationalen Seeverkehrs vom 9. April 1965 ausgestellt worden ist;

d)

Personal und Mitglieder von Hilfs- oder Rettungsmissionen bei Katastrophen- oder Unglücksfällen;

e)

ziviles Personal von Schiffen, die internationale Binnenwasserstraßen befahren;

f)

Inhaber von Reisedokumenten, die zwischenstaatliche internationale Organisationen, denen mindestens ein Mitgliedstaat angehört, oder sonstige Rechtspersonen, die von dem betroffenen Mitgliedstaat als Völkerrechtssubjekte anerkannt werden, den Amtsträgern dieser Organisationen oder Rechtspersonen ausstellen.

(2)   Die Mitgliedstaaten können folgende Personen von der Visumpflicht nach Artikel 3 befreien:

a)

Schüler, die Staatsangehörige eines in der Liste in Anhang I aufgeführten Drittlands sind, ihren Wohnsitz in einem in Anhang II aufgeführten Drittland oder in der Schweiz oder Liechtenstein haben und als Mitglied einer Schülergruppe in Begleitung einer Lehrkraft der betreffenden Einrichtung an einer Schulreise teilnehmen;

b)

Personen mit Flüchtlingsstatus und Staatenlose, wenn das Drittland, in dem sie ihren Wohnsitz haben und das ihnen ihr Reisedokument ausgestellt hat, in Anhang II aufgeführt ist;

c)

Angehörige von Streitkräften für Reisen im Rahmen der NATO oder der Partnerschaft für den Frieden und Inhaber von Ausweispapieren und Einsatzbefehlen, die im Abkommen der Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Streitkräfte vom 19. Juni 1951 vorgesehen sind;

d)

unbeschadet der Verpflichtungen aus dem am 20. April 1959 in Straßburg unterzeichneten Europäischen Übereinkommen des Europarats über die Aufhebung des Sichtvermerkzwangs für Flüchtlinge Personen mit Flüchtlingsstatus und Staatenlose sowie andere Personen ohne die Staatsangehörigkeit eines Landes mit Aufenthalt im Vereinigten Königreich oder in Irland, die Inhaber eines vom Vereinigten Königreich oder von Irland ausgestellten Reisedokuments sind, das von dem betroffenen Mitgliedstaat anerkannt wird.

(3)   Die Mitgliedstaaten können für Personen, die während ihres Aufenthalts einer Erwerbstätigkeit nachgehen, Ausnahmen von der Befreiung von der Visumpflicht nach Artikel 4 vorsehen.

Artikel 7

Falls ein in der Liste in Anhang II aufgeführtes Drittland Staatsangehörigen mindestens eines Mitgliedstaats eine Visumpflicht auferlegt, finden folgende Bestimmungen Anwendung:

a)

Der betroffene Mitgliedstaat macht dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission binnen 30 Tagen nach Anwendung der Visumpflicht durch das Drittland darüber schriftlich Mitteilung.

Diese Mitteilung

i)

enthält Angaben zum Zeitpunkt der Anwendung der Visumpflicht sowie zur Art der betroffenen Reisedokumente und Visa;

ii)

enthält eine ausführliche Erläuterung der vorläufigen Maßnahmen, die der betreffende Mitgliedstaat im Hinblick auf die Gewährleistung des visumfreien Reiseverkehrs mit dem betreffenden Drittland getroffen hat, sowie alle einschlägigen Informationen.

Informationen zu dieser Mitteilung werden von der Kommission unter Angabe des Zeitpunkts der Anwendung der Visumpflicht sowie der Art der betroffenen Reisedokumente und Visa unverzüglich im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Beschließt das Drittland noch vor Ablauf der in Unterabsatz 1 dieses Buchstabens genannten Frist die Aufhebung der Visumpflicht, so unterbleibt die Mitteilung oder sie wird zurückgezogen und die Informationen werden nicht veröffentlicht.

b)

Unmittelbar nach der in Buchstabe a Unterabsatz 3 genannten Veröffentlichung unternimmt die Kommission im Benehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat bei den Behörden des betreffenden Drittlands Schritte, insbesondere in den Bereichen Politik, Wirtschaft oder Handel, zur Wiedereinführung oder Einführung des visumfreien Reiseverkehrs und unterrichtet davon unverzüglich das Europäische Parlament und den Rat.

c)

Hat das Drittland die Visumpflicht nicht binnen 90 Tagen ab der in Buchstabe a Unterabsatz 3 genannten Veröffentlichung aufgehoben, obwohl sämtliche Schritte gemäß Buchstabe b unternommen wurden, so kann der betroffene Mitgliedstaat die Kommission ersuchen, die Befreiung von der Visumpflicht für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen dieses Drittlandes auszusetzen. Stellt ein Mitgliedstaat ein solches Ersuchen, so unterrichtet er das Europäische Parlament und den Rat davon.

d)

Die Kommission berücksichtigt bei der Prüfung weiterer Schritte gemäß Buchstaben e, f oder h das Ergebnis der von dem betroffenen Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen zur Gewährleistung des visumfreien Reiseverkehrs mit dem betreffenden Drittland, die gemäß Buchstabe b unternommenen Schritte sowie die Auswirkungen einer Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht auf die Außenbeziehungen der Union und ihrer Mitgliedstaaten zu dem betreffenden Drittland.

e)

Hat das betreffende Drittland die Visumpflicht nicht aufgehoben, so ergreift die Kommission spätestens sechs Monate nach der in Buchstabe a Unterabsatz 3 genannten Veröffentlichung und danach in Abständen von höchstens sechs Monaten, jedoch längstens bis zu dem Tag, an dem der in Buchstabe f genannte delegierte Rechtsakt in Kraft tritt oder ein Einwand gegen ihn erhoben wird, folgende Maßnahmen:

i)

Sie erlässt auf Ersuchen des betroffenen Mitgliedstaats oder auf eigene Initiative einen Durchführungsrechtsakt, mit dem die Befreiung von der Visumpflicht für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des betreffenden Drittlands für die Dauer von bis zu sechs Monaten vorübergehend ausgesetzt wird. In diesem Durchführungsrechtsakt wird festgelegt, zu welchem Zeitpunkt innerhalb von 90 Tagen nach seinem Inkrafttreten die Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht wirksam werden soll, wobei den Ressourcen, die den Konsulaten der Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, Rechnung getragen wird. Beim folgenden Erlass weiterer Durchführungsrechtsakte kann die Kommission den Zeitraum der Aussetzung mehrmals um jeweils bis zu sechs Monate verlängern und Änderungen hinsichtlich der Gruppen von Staatsangehörigen des betreffenden Drittlands, für die die Befreiung von der Visumpflicht ausgesetzt wird, vornehmen.

Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 11 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen. Unbeschadet der Anwendung des Artikels 6 müssen alle in dem Durchführungsrechtsakt genannten Gruppen von Staatsangehörigen des Drittlands während der Dauer der Aussetzung beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein; oder

ii)

sie unterbreitet dem in Artikel 11 Absatz 1 genannten Ausschuss einen Bericht, in dem sie die Lage bewertet und begründet, weshalb sie beschlossen hat, die Befreiung von der Visumpflicht nicht auszusetzen, und unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat hiervon.

Dieser Bericht trägt allen wichtigen Faktoren, beispielsweise den in Buchstabe d genannten Faktoren, Rechnung. Das Europäische Parlament und der Rat können eine politische Aussprache auf der Grundlage dieses Berichts führen.

f)

Hat das betreffende Drittland die Visumpflicht nicht binnen 24 Monaten ab der in Buchstabe a Unterabsatz 3 genannten Veröffentlichung aufgehoben, so erlässt die Kommission einen delegierten Rechtsakt gemäß Artikel 10, mit dem die Befreiung von der Visumpflicht in Bezug auf die Staatsangehörigen dieses Drittlands für einen Zeitraum von 12 Monaten vorübergehend ausgesetzt wird. In dem delegierten Rechtsakt wird festgelegt, zu welchem Zeitpunkt innerhalb von 90 Tagen nach seinem Inkrafttreten die Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht wirksam werden soll, wobei den Ressourcen, die den Konsulaten der Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, Rechnung getragen wird, und er ändert Anhang II entsprechend. Diese Änderung erfolgt, indem neben dem Namen des betreffenden Drittlands eine Fußnote eingefügt wird, in der darauf hingewiesen wird, dass die Befreiung von der Visumpflicht für dieses Land ausgesetzt ist und für welchen Zeitraum diese Aussetzung gilt.

An dem Tag, an dem die Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht für die Staatsangehörigen des betreffenden Drittlands wirksam wird oder an dem gemäß Artikel 10 Absatz 7 ein Einwand gegen den delegierten Rechtsakt erhoben wird, treten alle gemäß Buchstabe e des vorliegenden Artikels erlassenen Durchführungsrechtsakte, die dieses Drittland betreffen, außer Kraft. Unterbreitet die Kommission einen Gesetzgebungsvorschlag nach Buchstabe h, wird der in Unterabsatz 1 dieses Buchstabens genannte Zeitraum der Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht um sechs Monate verlängert. Die in jenem Unterabsatz genannte Fußnote wird entsprechend abgeändert.

Unbeschadet der Anwendung des Artikels 6 müssen die Staatsangehörigen des von dem delegierten Rechtsakt betroffenen Drittlands während dieser Aussetzung beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein.

g)

Alle späteren Mitteilungen, die ein anderer Mitgliedstaat gemäß Buchstabe a während des Zeitraums der Anwendung der gemäß Buchstaben e oder f erlassenen Maßnahmen auf ein Drittland zu demselben Drittland übermittelt, werden in die laufenden Verfahren einbezogen, ohne dass die in diesen Buchstaben festgelegten Fristen oder Zeiträume verlängert werden.

h)

Hat das betreffende Drittland die Visumpflicht nicht innerhalb von sechs Monaten ab dem Inkrafttreten des delegierten Rechtsakts nach Buchstabe f aufgehoben, so kann die Kommission einen Gesetzgebungsvorschlag zur Änderung dieser Verordnung vorlegen, mit der die Bezugnahme auf das Drittland von Anhang II in Anhang I überführt wird.

i)

Die in den Buchstaben e, f und h genannten Verfahren berühren nicht das Recht der Kommission, jederzeit einen Gesetzgebungsvorschlag zur Änderung dieser Verordnung vorzulegen, mit der die Bezugnahme auf das Drittland von Anhang II in Anhang I überführt wird.

j)

Hebt das betreffende Drittland die Visumpflicht auf, so teilt der betroffene Mitgliedstaat dies dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission sofort mit. Die Mitteilung wird von der Kommission unverzüglich im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Alle gemäß Buchstaben e oder f erlassenen Durchführungsrechtsakte oder delegierten Rechtsakte, die das betreffende Drittland betreffen, treten sieben Tage nach der in Unterabsatz 1 dieses Buchstabens genannten Veröffentlichung außer Kraft. Hat das betreffende Drittland die Visumpflicht für die Staatsangehörigen zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten eingeführt, so tritt der dieses Drittland betreffende Durchführungsrechtsakt oder delegierte Rechtsakt sieben Tage nach Veröffentlichung der Mitteilung für den letzten Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörige durch dieses Drittland der Visumpflicht unterworfen wurden, außer Kraft. Die in Buchstabe f Unterabsatz 1 genannte Fußnote wird bei Außerkrafttreten des betreffenden delegierten Rechtsakts gestrichen. Der Hinweis auf das Außerkrafttreten wird von der Kommission unverzüglich im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Hebt das betreffende Drittland die Visumpflicht auf, ohne dass der betroffene Mitgliedstaat dies gemäß Unterabsatz 1 dieses Buchstabens mitteilt, so nimmt die Kommission auf eigene Initiative unverzüglich die in jenem Unterabsatz genannte Veröffentlichung vor und Unterabsatz 2 dieses Buchstabens findet Anwendung.

Artikel 8

(1)   Abweichend von Artikel 4 wird die Befreiung von der Visumpflicht für Staatsangehörige eines in Anhang II aufgeführten Drittlands auf der Grundlage einschlägiger und objektiver Daten gemäß dem vorliegenden Artikel vorübergehend ausgesetzt.

(2)   Ein Mitgliedstaat kann die Kommission informieren, wenn er über einen Zeitraum von zwei Monaten im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres oder zum letzten Zweimonatszeitraum vor der Anwendung der Befreiung von der Visumpflicht für die Staatsangehörigen eines in Anhang II aufgeführten Drittlands mit einer oder mehreren der folgenden Gegebenheiten konfrontiert ist:

a)

einem erheblichen Anstieg der Zahl der Staatsangehörigen dieses Drittlands, denen die Einreise verwehrt wurde oder bei denen festgestellt wird, dass sie sich widerrechtlich im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufhalten;

b)

einem erheblichen Anstieg der Zahl der Asylanträge von Staatsangehörigen dieses Drittlands mit geringer Anerkennungsquote;

c)

einer durch geeignete Daten belegten Verschlechterung bei der Zusammenarbeit mit dem Drittland im Bereich Rückübernahmen, insbesondere einem erheblichen Anstieg der Ablehnungsrate bei Rückübernahmeersuchen, die von dem Mitgliedstaat diesem Drittland unterbreitet wurden, entweder in Bezug auf dessen eigene Staatsangehörige oder, wenn ein zwischen der Union oder dem Mitgliedstaat und dem betreffenden Drittland geschlossenes Rückübernahmeabkommen dies vorsieht, in Bezug auf Drittstaatsangehörige, die durch das betreffende Drittland durchgereist sind;

d)

einem erhöhten Risiko für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit oder einer unmittelbaren Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit von Mitgliedstaaten, insbesondere einem erheblichen Anstieg von schwerwiegenden Straftaten in Verbindung mit Staatsangehörigen dieses Drittlands, was sich durch objektive, konkrete und einschlägige Informationen und Daten, die von den zuständigen Behörden bereitgestellt werden, untermauern lässt.

Die in Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes genannte Mitteilung ist mit einer Begründung zu versehen und enthält sowohl einschlägige Daten und Statistiken als auch eine ausführliche Erläuterung der vorläufigen Maßnahmen, die der betroffene Mitgliedstaat ergriffen hat, um Abhilfe zu schaffen. Der betreffende Mitgliedstaat kann in seiner Mitteilung unter Angabe ausführlicher Gründe festlegen, welche Gruppen von Staatsangehörigen des betreffenden Drittlands unter einen Durchführungsrechtsakt nach Absatz 6 Buchstabe a fallen sollen. Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat sofort über eine derartige Mitteilung.

(3)   Liegen der Kommission unter Berücksichtigung der einschlägigen Daten, Berichte und Statistiken konkrete und zuverlässige Informationen darüber vor, dass die in Absatz 2 Buchstabe a, b, c oder d genannten Gegebenheiten in einem oder mehreren Mitgliedstaaten auftreten oder dass das Drittland, insbesondere im Falle eines zwischen dem Drittland und der Union geschlossenen Rückübernahmeabkommens, die Zusammenarbeit bei der Rückübernahme verweigert, so unterrichtet die Kommission das Europäische Parlament und den Rat unmittelbar über ihre Analyse, und die Bestimmungen des Absatzes 6 findet Anwendung.

Für die Zwecke von Unterabsatz 1 kann die Verweigerung der Zusammenarbeit bei der Rückübernahme beispielsweise in Folgendem bestehen:

der Ablehnung von Rückübernahmeersuchen oder dem Versäumnis, Rückübernahmeersuchen innerhalb einer angemessenen Frist zu bearbeiten;

dem Versäumnis, Reisedokumente für die Zwecke der Rückführung rechtzeitig und innerhalb der im Rückübernahmeabkommen vereinbarten Fristen auszustellen, oder der Weigerung, nach Ablauf der im Rückübernahmeabkommen vereinbarten Fristen ausgestellte europäische Reisedokumente anzuerkennen; oder

der Kündigung oder Aussetzung des Rückübernahmeabkommens.

(4)   Die Kommission überwacht die fortlaufende Erfüllung der zur Bewertung der Angemessenheit der Gewährung der Visaliberalisierung herangezogenen spezifischen Anforderungen nach Artikel 1 durch die Drittländer, deren Staatsangehörige aufgrund des erfolgreichen Abschlusses eines Dialogs über die Liberalisierung der Visabestimmungen zwischen der Union und dem Drittland bei der Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von der Visumpflicht befreit wurden.

Außerdem erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat regelmäßig, mindestens einmal jährlich, für einen Zeitraum von sieben Jahren nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Visumfreiheit für das betreffende Drittland und im Anschluss daran, wenn die Kommission dies für notwendig erachtet, oder auf Antrag Europäische Parlaments oder des Rates, Bericht. Im Mittelpunkt dieses Berichts stehen Drittländer, bezüglich derer die Kommission aufgrund konkreter und zuverlässiger Informationen der Ansicht ist, dass bestimmte Anforderungen nicht mehr erfüllt sind.

Zeigt ein Bericht der Kommission, dass eine oder mehrere der spezifischen Anforderungen in Bezug auf ein bestimmtes Drittland nicht mehr erfüllt ist bzw. sind, so findet Absatz 6 Anwendung.

(5)   Die Kommission prüft jede Mitteilung nach Absatz 2 unter Berücksichtigung der folgenden Aspekte:

a)

der Frage, ob eine der in Absatz 2 beschriebenen Gegebenheiten vorliegt;

b)

der Zahl der Mitgliedstaaten, die von den in Absatz 2 beschriebenen Gegebenheiten betroffen sind;

c)

der Gesamtwirkung der in Absatz 2 genannten Gegebenheiten auf die Migrationssituation in der Union, wie sie sich anhand der von den Mitgliedstaaten übermittelten oder der Kommission vorliegenden Daten darstellt;

d)

den von der Europäischen Grenz- und Küstenwache, dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen oder der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) oder einem anderen für die Belange dieser Verordnung zuständigen Organ, einer anderen solchen Einrichtung oder sonstigen Stelle der Union oder einer solchen internationalen Organisation erstellten Berichten, wenn dies angesichts der Umstände des konkreten Falles erforderlich ist;

e)

den Angaben, die der betroffene Mitgliedstaat in seiner Mitteilung in Bezug auf etwaige Maßnahmen gemäß Absatz 6 Buchstabe a eventuell gemacht hat;

f)

dem generellen Aspekt der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit nach Konsultation mit dem betroffenen Mitgliedstaat

Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat über die Ergebnisse ihrer Prüfung.

(6)   Beschließt die Kommission auf der Grundlage der in Absatz 3 genannten Analyse, des in Absatz 4 genannten Berichts oder der in Absatz 5 genannten Prüfung und unter Berücksichtigung der Auswirkungen einer Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht auf die Außenbeziehungen der Union und ihrer Mitgliedstaaten zu dem betroffenen Drittland sowie unter enger Zusammenarbeit mit diesem Drittland im Hinblick auf langfristige Alternativlösungen, dass Maßnahmen erforderlich sind, oder hat eine einfache Mehrheit der Mitgliedstaaten der Kommission das Vorliegen von in Absatz 2 Buchstabe a, b, c oder d genannten Gegebenheiten mitgeteilt, so gelten die folgenden Bestimmungen:

a)

Die Kommission erlässt einen Durchführungsrechtsakt, mit dem die Befreiung von Staatsangehörigen des betroffenen Drittlands von der Visumpflicht vorübergehend für einen Zeitraum von neun Monaten ausgesetzt wird. Die Aussetzung gilt für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des betroffenen Drittlands, indem auf die einschlägigen Arten von Reisedokumenten und gegebenenfalls auf weitere Kriterien verwiesen wird. Bei der Festlegung der Gruppen, für die die Aussetzung gilt, nimmt die Kommission auf Grundlage der verfügbaren Informationen Gruppen auf, die groß genug sind, um im konkreten Fall und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen wirksamen Beitrag zur Beseitigung der in den Absätzen 2, 3 und 4 genannten Gegebenheiten zu leisten. Die Kommission erlässt einen Durchführungsrechtsakt innerhalb eines Monats

i)

nach Erhalt der Mitteilung nach Absatz 2;

ii)

nachdem ihr die Informationen nach Absatz 3 zur Kenntnis gebracht wurden;

iii)

nach der Berichterstattung nach Absatz 4 oder

iv)

nachdem eine einfache Mehrheit der Mitgliedstaaten der Kommission das Vorliegen von in Absatz 2 Buchstabe a, b, c oder d genannten Gegebenheiten mitgeteilt hat.

Dieser Durchführungsrechtsakt wird gemäß dem in Artikel 11 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen. In dem Durchführungsrechtsakt wird festgelegt, zu welchem Zeitpunkt die Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht wirksam wird.

Während der Dauer der Aussetzung nimmt die Kommission mit dem betroffenen Drittland im Hinblick auf eine Abhilfe in Bezug auf die betreffenden Gegebenheiten einen verstärkten Dialog auf.

b)

Bestehen die in den Absätzen 2, 3 und 4 dieses Artikels genannten Gegebenheiten fort, so erlässt die Kommission spätestens zwei Monate vor Ablauf des unter Buchstabe a dieses Absatzes genannten Zeitraums von neun Monaten einen delegierten Rechtsakt nach Artikel 10, mit dem die Anwendung des Anhangs II für einen Zeitraum von 18 Monaten für alle Staatsangehörigen des betroffenen Drittlands vorübergehend ausgesetzt wird. Der delegierte Rechtsakt wird ab dem Tag des Ablaufs der Geltungsdauer des unter Buchstabe a dieses Absatzes genannten Durchführungsrechtsakts wirksam und ändert Anhang II entsprechend. Diese Änderung erfolgt, indem neben dem Namen des betroffenen Drittlands eine Fußnote eingefügt wird, in der angegeben wird, dass die Befreiung von der Visumpflicht für dieses Drittland ausgesetzt ist und für welchen Zeitraum diese Aussetzung gilt.

Legt die Kommission gemäß Absatz 7 einen Gesetzgebungsvorschlag vor, so wird der im delegierten Rechtsakt festgelegte Zeitraum der Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht um sechs Monate verlängert. Die Fußnote wird entsprechend geändert.

Unbeschadet der Anwendung des Artikels 6 müssen die Staatsangehörigen des betroffenen Drittlands während dieser Aussetzung beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein.

Sieht ein Mitgliedstaat gemäß Artikel 6 neue Ausnahmen von der Visumpflicht für eine Gruppe von Staatsangehörigen des Drittlands vor, das von dem Rechtsakt betroffen ist, der die Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht regelt, so muss er diese Maßnahmen gemäß Artikel 12 mitteilen.

(7)   Vor Ablauf der Gültigkeit des nach Absatz 6 Buchstabe b erlassenen delegierten Rechtsakts legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht vor. Dem Bericht kann ein Gesetzgebungsvorschlag zur Änderung dieser Verordnung beigefügt werden, mit der die Bezugnahme auf das betroffene Drittland von Anhang II in Anhang I überführt wird.

(8)   Hat die Kommission gemäß Absatz 7 einen Gesetzgebungsvorschlag vorgelegt, so kann sie die Geltungsdauer des gemäß Absatz 6 Buchstabe a dieses Artikels erlassenen Durchführungsrechtsakts um höchstens 12 Monate verlängern. Der Beschluss zur Verlängerung der Geltungsdauer des Durchführungsrechtsakts wird gemäß dem in Artikel 11 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 9

(1)   Bis zum 10. Januar 2018 unterbreitet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht, in dem sie die Wirksamkeit des Gegenseitigkeitsmechanismus nach Artikel 7 bewertet, wobei sie erforderlichenfalls einen Gesetzgebungsvorschlag zur Änderung dieser Verordnung vorlegt. Das Europäische Parlament und der Rat beschließen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren über derartige Vorschläge.

(2)   Bis zum 29. März 2021 unterbreitet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht, in dem sie die Wirksamkeit des Aussetzungsmechanismus nach Artikel 8 bewertet, und legt erforderlichenfalls einen Gesetzgebungsvorschlag zur Änderung dieser Verordnung vor. Das Europäische Parlament und der Rat beschließen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren über derartige Vorschläge.

Artikel 10

(1)   Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.

(2)   Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 7 Buchstabe f wird der Kommission für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem 9. Januar 2014 übertragen. Die Kommission erstellt spätestens neun Monate vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren einen Bericht über die Befugnisübertragung. Die Befugnisübertragung verlängert sich stillschweigend um Zeiträume gleicher Länge, es sei denn, das Europäische Parlament oder der Rat widersprechen einer solchen Verlängerung spätestens drei Monate vor Ablauf des jeweiligen Zeitraums.

(3)   Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 8 Absatz 6 Buchstabe b wird der Kommission für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem 28. März 2017 übertragen. Die Kommission erstellt spätestens neun Monate vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren einen Bericht über die Befugnisübertragung. Die Befugnisübertragung verlängert sich stillschweigend um Zeiträume gleicher Länge, es sei denn, das Europäische Parlament oder der Rat widersprechen einer solchen Verlängerung spätestens drei Monate vor Ablauf des jeweiligen Zeitraums.

(4)   Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 7 Buchstabe f und Artikel 8 Absatz 6 Buchstabe b kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.

(5)   Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen, im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen.

(6)   Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.

(7)   Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 7 Buchstabe f erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von vier Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.

(8)   Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 8 Absatz 6 Buchstabe b erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden.

Artikel 11

(1)   Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(2)   Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(3)   Gibt der Ausschuss keine Stellungnahme ab, so erlässt die Kommission den Durchführungsrechtsakt nicht, und Artikel 5 Absatz 4 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 findet Anwendung.

Artikel 12

(1)   Jeder Mitgliedstaat übermittelt den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission binnen fünf Arbeitstagen die Maßnahmen, die er gemäß Artikel 6 trifft.

(2)   Die Kommission veröffentlicht die Mitteilungen gemäß Absatz 1 informationshalber im Amtsblatt der Europäischen Union.

Artikel 13

Diese Verordnung berührt nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Anerkennung von Staaten und Gebietseinheiten sowie von Pässen, Reise- und Identitätsdokumenten, die von ihren Behörden ausgestellt werden.

Artikel 14

Die Verordnung (EG) Nr. 539/2001 wird aufgehoben.

Bezugnahmen auf die aufgehobene Verordnung gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang IV zu lesen.

Artikel 15

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß den Verträgen unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Straßburg am 14. November 2018.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

A. TAJANI

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

K. EDTSTADLER


(1)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 2. Oktober 2018 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 6. November 2018.

(2)  Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 81 vom 21.3.2001, S. 1).

(3)  Siehe Anhang III.

(4)  ABl. L 1 vom 3.1.1994, S. 3.

(5)  ABl. L 114 vom 30.4.2002, S. 6.

(6)  Verordnung (EG) Nr. 1931/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Festlegung von Vorschriften über den kleinen Grenzverkehr an den Landaußengrenzen der Mitgliedstaaten sowie zur Änderung der Bestimmungen des Übereinkommens von Schengen (ABl. L 405 vom 30.12.2006, S. 1).

(7)  ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1.

(8)  Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).

(9)  ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 36.

(10)  Beschluss des Rates 1999/437/EG vom 17. Mai 1999 zum Erlass bestimmter Durchführungsvorschriften zu den Übereinkommen zwischen dem Rat der Europäischen Union und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung dieser beiden Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 31).

(11)  ABl. L 53 vom 27.2.2008, S. 52.

(12)  Beschluss des Rates 2008/146/EG vom 28. Januar 2008 über den Abschluss - im Namen der Europäischen Gemeinschaft - des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. L 53 vom 27.2.2008, S. 1).

(13)  ABl. L 160 vom 18.6.2011, S. 21.

(14)  Beschluss 2011/350/EU des Rates vom 7. März 2011 über den Abschluss - im Namen der Europäischen Union - des Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands in Bezug auf die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen und den freien Personenverkehr (ABl. L 160 vom 18.6.2011, S. 19).

(15)  Beschluss 2000/365/EG des Rates vom 29. Mai 2000 zum Antrag des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf sie anzuwenden (ABl. L 131 vom 1.6.2000, S. 43).

(16)  Beschluss 2002/192/EG des Rates vom 28. Februar 2002 zum Antrag Irlands auf Anwendung einzelner Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf Irland (ABl. L 64 vom 7.3.2002, S. 20).

(17)  Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex) (ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1).

(18)  Beschluss 94/795/JI des Rates vom 30. November 1994 über die vom Rat aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe b) des Vertrages über die Europäische Union beschlossene gemeinsame Maßnahme über Reiseerleichterungen für Schüler von Drittstaaten mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat (ABl. L 327 vom 19.12.1994, S. 1).


ANHANG I

LISTE DER DRITTLÄNDER; DEREN STAATSANGEHÖRIGE BEIM ÜBERSCHREITEN DER AUẞENGRENZEN DER MITGLIEDSTAATEN IM BESITZ EINES VISUMS SEIN MÜSSEN

1.   STAATEN

Afghanistan

Armenien

Angola

Aserbaidschan

Bangladesch

Burkina Faso

Bahrain

Burundi

Benin

Bolivien

Bhutan

Botsuana

Belarus

Belize

Demokratische Republik Kongo

Zentralafrikanische Republik

Kongo

Côte d'Ivoire

Kamerun

China

Kuba

Cabo Verde

Dschibuti

Dominikanische Republik

Algerien

Ecuador

Ägypten

Eritrea

Eswatini

Äthiopien

Fidschi

Gabun

Ghana

Gambia

Guinea

Äquatorialguinea

Guinea-Bissau

Guyana

Haiti

Indonesien

Indien

Irak

Iran

Jamaika

Jordanien

Kenia

Kirgisistan

Kambodscha

Komoren

Nordkorea

Kuwait

Kasachstan

Laos

Libanon

Sri Lanka

Liberia

Lesotho

Libyen

Marokko

Madagaskar

Mali

Myanmar/Birma

Mongolei

Mauretanien

Malediven

Malawi

Mosambik

Namibia

Niger

Nigeria

Nepal

Oman

Papua-Neuguinea

Philippinen

Pakistan

Katar

Russland

Ruanda

Saudi-Arabien

Sudan

Sierra Leone

Senegal

Somalia

Suriname

Südsudan

São Tomé und Principe

Syrien

Tschad

Togo

Thailand

Tadschikistan

Turkmenistan

Tunesien

Türkei

Tansania

Uganda

Usbekistan

Vietnam

Jemen

Südafrika

Sambia

Simbabwe

2.   GEBIETSKÖRPERSCHAFTEN, DIE VON MINDESTENS EINEM MITGLIEDSTAAT NICHT ALS STAAT ANERKANNT WERDEN

Kosovo im Sinne der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats vom 10. Juni 1999

Die Palästinensische Behörde


ANHANG II

LISTE DER DRITTLÄNDER, DEREN STAATSANGEHÖRIGE FÜR EINEN AUFENTHALT, DER 90 TAGE JE ZEITRAUM VON 180 TAGEN NICHT ÜBERSCHREITET, VON DER PFLICHT, BEIM ÜBERSCHREITEN DER AUSSENGRENZEN DER MITGLIEDSTAATEN IM BESITZ EINES VISUMS ZU SEIN, BEFREIT SIND

1.   STAATEN

Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien (1)

Andorra

Vereinigte Arabische Emirate (2)

Antigua und Barbuda

Albanien (1)

Argentinien

Australien

Bosnien und Herzegowina (1)

Barbados

Brunei

Brasilien

Bahamas

Kanada

Chile

Kolumbien

Costa Rica

Dominica (2)

Mikronesien (2)

Grenada (2)

Georgien (3)

Guatemala

Honduras

Israel

Japan

Kiribati (2)

St. Kitts und Nevis

Südkorea

St. Lucia (2)

Monaco

Moldau (4)

Montenegro (5)

Marshallinseln (6)

Mauritius

Mexiko

Malaysia

Nicaragua

Nauru (6)

Neuseeland

Panama

Peru (6)

Palau (6)

Paraguay

Serbien (ausgenommen Inhaber serbischer Reisepässe, die von der serbischen Koordinationsdirektion (auf Serbisch: Koordinaciona uprava) ausgestellt wurden) (5)

Salomonen

Seychellen

Singapur

San Marino

El Salvador

Timor-Leste (6)

Tonga (6)

Trinidad und Tobago

Tuvalu (6)

Ukraine (7)

Vereinigte Staaten

Uruguay

Heiliger Stuhl

St. Vincent und die Grenadinen (6)

Venezuela

Vanuatu (6)

Samoa

2.   SONDERVERWALTUNGSREGIONEN DER VOLKSREPUBLIK CHINA

SAR Hongkong (8)

SAR Macau (9)

3.   BRITISCHE BÜRGER, DIE NICHT STAATSANGEHÖRIGE DES VEREINIGTEN KÖNIGREICHS GROSSBRITANNIEN UND NORDIRLAND IM SINNE DES UNIONSRECHTS SIND

britische Staatsangehörige (Überseegebiete) (British Nationals (Overseas))

Bürger der britischen Überseegebiete (British Overseas Territories Citizens)

britische Überseebürger (British Overseas Citizens)

Personen unter dem Schutz des Vereinigten Königreichs (British Protected Persons)

britische Untertanen (British Subjects)

4.   GEBIETSKÖRPERSCHAFTEN, DIE VON MINDESTENS EINEM MITGLIEDSTAAT NICHT ALS STAAT ANERKANNT WERDEN

Taiwan (10)


(1)  Die Visumbefreiung gilt nur für Inhaber biometrischer Reisepässe.

(2)  Die Visumbefreiung gilt ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens eines mit der Europäischen Union zu schließenden Abkommens über die Befreiung von der Visumpflicht.

(3)  Die Visumbefreiung gilt ausschließlich für Inhaber biometrischer Reisepässe, die von Georgien im Einklang mit den Normen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) ausgestellt wurden.

(4)  Die Visumbefreiung gilt nur für Inhaber biometrischer Reisepässe, die im Einklang mit den Normen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) von Moldau ausgestellt wurden.

(5)  Die Visumbefreiung gilt nur für Inhaber biometrischer Reisepässe.

(6)  Die Visumbefreiung gilt ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens eines mit der Europäischen Union zu schließenden Abkommens über die Befreiung von der Visumpflicht.

(7)  Die Visumbefreiung gilt ausschließlich für Inhaber biometrischer Reisepässe, die von der Ukraine im Einklang mit den Normen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) ausgestellt wurden.

(8)  Die Visumbefreiung gilt ausschließlich für Inhaber des Passes „Hong Kong Special Administrative Region“.

(9)  Die Visumbefreiung gilt ausschließlich für Inhaber des Passes „Região Administrativa Especial de Macau“.

(10)  Die Visumbefreiung gilt nur für Inhaber von durch Taiwan ausgestellten Reisepässen, die eine Personalausweisnummer enthalten.


ANHANG III

AUFGEHOBENE VERORDNUNG MIT LISTE IHRER NACHFOLGENDEN ÄNDERUNGEN

Verordnung (EG) Nr. 539/2001

(ABl. L 81 vom 21.3.2001, S. 1)

 

Verordnung (EG) Nr. 2414/2001 des Rates

(ABl. L 327 vom 12.12.2001, S. 1)

 

Verordnung (EG) Nr. 453/2003 des Rates

(ABl. L 69 vom 13.3.2003, S. 10)

 

Beitrittsakte von 2003, Anhang II Abschnitt 18 Buchstabe B

 

Verordnung (EG) Nr. 851/2005 des Rates

(ABl. L 141 vom 4.6.2005, S. 3)

 

Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates

(ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 1)

Nur der elfte Spiegelstrich von Artikel 1 Absatz 1 gemäß Verordnung (EG) Nr. 539/2001 und Anhang Abschnitt 11 Buchstabe B Nummer 3

Verordnung (EG) Nr. 1932/2006 des Rates

(ABl. L 405 vom 30.12.2006, S. 23)

 

Verordnung (EG) Nr. 1244/2009 des Rates

(ABl. L 336 vom 18.12.2009, S. 1)

 

Verordnung (EU) Nr. 1091/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates

(ABl. L 329 vom 14.12.2010, S. 1)

 

Verordnung (EU) Nr. 1211/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates

(ABl. L 339 vom 22.12.2010, S. 6)

 

Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates

(ABl. L 158 vom 10.6.2013, S. 1)

Nur Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe k vierter Spiegelstrich und Anhang Abschnitt 13 Buchstabe B Nummer 2

Verordnung (EU) Nr. 610/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates

(ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 1)

Nur Artikel 4

Verordnung (EU) Nr. 1289/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates

(ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 74)

 

Verordnung (EU) Nr. 259/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates

(ABl. L 105 vom 8.4.2014, S. 9)

 

Verordnung (EU) Nr. 509/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates

(ABl. L 149 vom 20.5.2014, S. 67)

 

Verordnung (EU) 2017/371 des Europäischen Parlaments und des Rates

(ABl. L 61 vom 8.3.2017, S. 1)

 

Verordnung (EU) 2017/372 des Europäischen Parlaments und des Rates

(ABl. L 61 vom 8.3.2017, S. 7)

 

Verordnung (EU) 2017/850 des Europäischen Parlaments und des Rates

(ABl. L 133 vom 22.5.2017, S. 1)

 


ANHANG IV

ENTSPRECHUNGSTABELLE

Verordnung (EG) Nr. 539/2001

Vorliegende Verordnung

Artikel -1

Artikel 1

Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 1

Artikel 3 Absatz 1

Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 2

Artikel 3 Absatz 2

Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 1

Artikel 4 Absatz 1

Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 2 einleitende Worte

Artikel 4 Absatz 2 einleitende Worte

Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 2 erster Spiegelstrich

Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a

Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 2 zweiter Spiegelstrich

Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b

Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 2 dritter Spiegelstrich

Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe c

Artikel 1 Absatz 3

Artikel 5

Artikel 1 Absatz 4

Artikel 7

Artikel 1a Absatz 1 und 2

Artikel 8 Absatz 1 und 2

Artikel 1a Absatz 2a

Artikel 8 Absatz 3

Artikel 1a Absatz 2b

Artikel 8 Absatz 4

Artikel 1a Absatz 3

Artikel 8 Absatz 5

Artikel 1a Absatz 4

Artikel 8 Absatz 6

Artikel 1a Absatz 5

Artikel 8 Absatz 7

Artikel 1a Absatz 6

Artikel 8 Absatz 8

Artikel 1b

Artikel 9 Absatz 1

Artikel 1c

Artikel 9 Absatz 2

Artikel 2

Artikel 2

Artikel 4

Artikel 6

Artikel 4a

Artikel 11

Artikel 4b Absatz 1 und 2

Artikel 10 Absatz 1 und 2

Artikel 4b Absatz 2a

Artikel 10 Absatz 3

Artikel 4b Absatz 3

Artikel 10 Absatz 4

Artikel 4b Absatz 3a

Artikel 10 Absatz 5

Artikel 4b Absatz 4

Artikel 10 Absatz 6

Artikel 4b Absatz 5

Artikel 10 Absatz 7

Artikel 4b Absatz 6

Artikel 10 Absatz 8

Artikel 5

Artikel 12

Artikel 6

Artikel 13

Artikel 7

Artikel 14

Artikel 8

Artikel 15

Anhang I

Anhang I

Anhang II

Anhang II

Anhang III

Anhang IV


28.11.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 303/59


VERORDNUNG (EU) 2018/1807 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 14. November 2018

über einen Rahmen für den freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten in der Europäischen Union

(Text von Bedeutung für den EWR)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (1),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Digitalisierung der Wirtschaft beschleunigt sich. Die Informations- und Kommunikationstechnologie ist nicht länger ein besonderer Wirtschaftszweig, sondern bildet die Grundlage aller modernen innovativen Wirtschaftssysteme und Gesellschaften. Elektronische Daten nehmen in diesen Systemen eine zentrale Stellung ein und können eine große Wertschöpfung schaffen, wenn sie analysiert oder mit Dienstleistungen und Produkten kombiniert werden. Gleichzeitig kommen mit der raschen Entwicklung der Datenwirtschaft und neuer Technologien wie der künstlichen Intelligenz, Produkten und Diensten im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge, autonomer Systeme und 5G neue rechtliche Fragen bezüglich des Zugangs zu und der Weiterverwendung von Daten, der Haftung, der Ethik und der Solidarität auf. Es sollte erwogen werden, in Haftungsfragen insbesondere durch die Einführung von Regeln für die Selbstregulierung und anderen bewährten Verfahren unter Berücksichtigung von Empfehlungen, Beschlüssen und Maßnahmen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Datenverarbeitung ohne menschliches Eingreifen getroffen werden, tätig zu werden. Dies könnte auch geeignete Mechanismen für die Klärung von Haftungsfragen, die Übertragung von Verantwortlichkeiten zwischen kooperierenden Diensten, für Versicherungen und für Audits umfassen.

(2)

Daten-Wertschöpfungsketten bestehen aus unterschiedlichen Datenaktivitäten: Datenerzeugung und -erhebung, Datenaggregation und -organisation, Datenverarbeitung, Datenanalyse, -vermarktung und -verbreitung, Datennutzung und -weiterverwendung. Das wirksame und effiziente Funktionieren der Datenverarbeitung ist das tragende Glied jeder Daten-Wertschöpfungskette. Das wirksame und effiziente Funktionieren der Datenverarbeitung und die Entwicklung der Datenwirtschaft in der Union werden jedoch beeinträchtigt, insbesondere durch zwei Arten von Hindernissen für die Datenmobilität und für den Binnenmarkt: die von den Behörden der Mitgliedstaaten eingeführten Datenlokalisierungsauflagen und das Modell der Anbieterabhängigkeit (vendor-lock-in) im privaten Bereich.

(3)

Die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gelten auch für Datenverarbeitungsdienste. Die Erbringung solcher Dienste wird jedoch durch bestimmte nationale, regionale oder lokale Anforderungen, wonach die Daten in einem bestimmten Gebiet zu speichern sind, behindert und bisweilen sogar verhindert.

(4)

Solche Hindernisse, die den freien Verkehr von Datenverarbeitungsdiensten wie auch das Niederlassungsrecht der Diensteanbieter beeinträchtigen, gehen auf Anforderungen im Recht der Mitgliedstaaten zurück, wonach sich die Daten zwecks Datenverarbeitung in einem bestimmten geografischen Gebiet oder Hoheitsgebiet befinden müssen. Daneben gibt es andere Vorschriften und Verwaltungspraktiken, die eine gleichartige Wirkung haben, weil sie ganz bestimmte Anforderungen enthalten, die es erschweren, die Daten außerhalb eines bestimmten geografischen Gebiets oder Hoheitsgebiets innerhalb der Union zu verarbeiten, beispielsweise eine vorgeschriebene Nutzung von technischen Anlagen, die in einem bestimmten Mitgliedstaat zertifiziert oder genehmigt worden sind. Die Wahlmöglichkeiten der Marktteilnehmer und des öffentlichen Sektors bezüglich des Standorts der Datenverarbeitung werden durch rechtliche Unsicherheiten bezüglich der Reichweite rechtmäßiger oder unrechtmäßiger Datenlokalisierungsauflagen weiter eingeschränkt. Diese Verordnung schränkt die Freiheit von Unternehmen, Verträge abzuschließen, in denen festgelegt wird, an welchem Ort Daten sich befinden sollen, in keiner Weise ein. Durch diese Verordnung soll lediglich diese Freiheit gewährleistet werden, indem sichergestellt wird, dass ein beliebiger Ort innerhalb der Union vereinbart werden kann.

(5)

Gleichzeitig wird die Mobilität der Daten in der Union auch durch private Beschränkungen behindert, nämlich durch rechtliche, vertragliche und technische Probleme, die es den Nutzern von Datenverarbeitungsdiensten erschweren oder unmöglich machen, ihre Daten von einem Diensteanbieter zu einem anderen oder zurück in ihre eigene Informationstechnologie (IT)-Systeme zu übertragen, wenn beispielsweise ihr Vertrag mit einem Diensteanbieter endet.

(6)

Das Zusammenspiel dieser Hindernisse hat zu einer Mangel an Wettbewerb zwischen Anbietern von Cloud-Diensten in der Union, zu verschiedenen Problemen im Zusammenhang mit der Anbieterabhängigkeit und zu einer äußerst eingeschränkten Datenmobilität geführt. Außerdem haben Vorgaben zur Datenlokalisierung dazu geführt, dass die Möglichkeiten von Unternehmen aus dem Forschungs- und Entwicklungsbereich eingeschränkt sind, mit Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen zusammenzuarbeiten, um die Innovationskraft zu stärken.

(7)

Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit gleicher Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Union ist ein einheitliches Regelwerk für alle Marktteilnehmer ein zentrales Element für das Funktionieren des Binnenmarktes. Um Handelshemmnisse und Wettbewerbsverzerrungen aufgrund divergierender nationaler Rechtsvorschriften zu beseitigen und das Entstehen neuer möglicher Handelshemmnisse und beträchtlicher Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ist es notwendig, einheitliche und in allen Mitgliedstaaten geltende Vorschriften zu erlassen.

(8)

Die vorliegende Verordnung lässt den Rechtsrahmen für den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, für die Achtung der Privatsphäre und für den Schutz personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation und insbesondere die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) und die Richtlinien (EU) 2016/680 (4) und 2002/58/EG (5) des Europäischen Parlaments und des Rates unberührt.

(9)

Das wachsende Internet der Dinge, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen stellen bedeutende Quellen für nicht-personenbezogene Daten dar, zum Beispiel durch ihren Einsatz in automatisierten industriellen Produktionsprozessen. Konkrete Beispiele für nicht-personenbezogene Daten umfassen aggregierte und anonymisierte Datensätze für Big-Data-Analysen, Daten im Zusammenhang mit der Präzisionslandwirtschaft, die dabei helfen können, den Einsatz von Pestiziden und Wasser zu überwachen und zu optimieren, oder Daten zum Wartungsbedarf von Industriemaschinen. Ist es durch technologische Neuentwicklungen möglich, anonymisierten Daten wieder in personenbezogene Daten umzuwandeln, müssen diese Daten als personenbezogene Daten behandelt werden, und die Verordnung (EU) 2016/679 muss entsprechend gelten.

(10)

Nach der Verordnung (EU) 2016/679 dürfen die Mitgliedstaaten den freien Verkehr personenbezogener Daten in der Union aus Gründen des Schutzes natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten weder einschränken noch verbieten. Die vorliegende Verordnung legt denselben Grundsatz des freien Verkehrs innerhalb der Union für nicht-personenbezogene Daten fest, außer wenn eine Einschränkung oder ein Verbot aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Die Verordnung (EU) 2016/679 und die vorliegende Verordnung bilden ein kohärentes Regelwerk, das auf den freien Verkehr verschiedener Arten von Daten ausgerichtet ist. Zudem wird mit dieser Verordnung nicht vorgeschrieben, dass verschiedene Arten von Daten getrennt zu speichern sind.

(11)

Zur Schaffung eines Rahmens für den freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten in der Union sowie zur Schaffung der Grundlage für die Entwicklung der Datenwirtschaft und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in der Union ist es notwendig, einen klaren, umfassenden und vorhersehbaren Rechtsrahmen für die Verarbeitung von Daten, die keine personenbezogenen Daten sind, im Binnenmarkt festzulegen. Mit einem grundsatzorientierten, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie die Selbstregulierung umfassenden Ansatz sollte dafür gesorgt werden, dass dieser Rahmen hinreichend flexibel ist, um mit den sich weiterentwickelnden Bedürfnissen der Nutzer, Diensteanbieter und nationalen Behörden in der Union Schritt zu halten. Um Überschneidungen mit bestehenden Mechanismen und somit höhere Belastungen sowohl für Mitgliedstaaten als auch Unternehmen zu vermeiden, sollten keine ausführlichen technischen Vorschriften erlassen werden.

(12)

Diese Verordnung sollte keine Datenverarbeitungsprozesse im Rahmen von Tätigkeiten betreffen, die nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fallen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die nationale Sicherheit nach Artikel 4 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) in die ausschließliche Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fällt.

(13)

Dem freien Datenverkehr innerhalb der Union wird eine entscheidende Bedeutung dabei zukommen, datengetriebenes Wachstum und Innovationen zu generieren. Behörden und Einrichtungen des öffentlichen Rechts der Mitgliedstaaten ziehen ebenso wie Unternehmen und Verbraucher Nutzen aus einer größeren Auswahl an Anbietern datenbezogener Dienste, wettbewerbsfähigeren Preisen und der effizienteren Erbringung von Diensten für die Bürger. Angesichts der großen Datenmengen, die die Behörden und Einrichtungen des öffentlichen Rechts verarbeiten, ist es von größter Bedeutung, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie Datenverarbeitungsdienste einführen, und auf Datenlokalisierungsauflagen verzichten, wenn sie Datenverarbeitungsdienste nutzen. Deshalb sollte die vorliegende Verordnung auch für Behörden und Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten. In diesem Zusammenhang sollte der in dieser Verordnung geregelte Grundsatz des freien Verkehrs nicht-personenbezogener Daten auch für allgemeine und einheitliche Verwaltungspraktiken und andere Datenlokalisierungsauflagen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gelten, unbeschadet der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (6).

(14)

Wie im Fall der Richtlinie 2014/24/EU lässt die vorliegende Verordnung Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die sich auf die interne Organisation der Mitgliedstaaten beziehen und die Übertragung von Befugnissen und Zuständigkeiten für die Datenverarbeitung zwischen Behörden und Einrichtungen des öffentlichen Rechts ohne eine vertragliche Vergütung unter Privatrechtssubjekten zu regeln, sowie Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Wahrnehmung dieser Befugnisse und Zuständigkeiten regeln, unberührt. Zwar sind die Behörden und Einrichtungen des öffentlichen Recht angehalten, den wirtschaftlichen und sonstigen Nutzen einer Auslagerung an externe Diensteanbieter zu erwägen, es kann für sie jedoch auch berechtigte Gründe dafür geben, bestimmte Dienste selbst zu erbringen oder Leistungen zu internalisieren. Deshalb werden die Mitgliedstaaten mit dieser Verordnung nicht verpflichtet, Leistungen in Auftrag zu geben oder zu externalisieren, die sie selbst erbringen oder auf anderem Wege als durch die Vergabe öffentlicher Aufträge organisieren möchten.

(15)

Diese Verordnung sollte auf natürliche und juristische Personen Anwendung finden, die Datenverarbeitungsdienste für Nutzer erbringen, die in der Union wohnhaft oder niedergelassen sind, einschließlich Anbieter, die Datenverarbeitungsdienste in der Union bereitstellen, ohne eine Niederlassung in der Union zu haben. Diese Verordnung sollte deshalb nicht für die Datenverarbeitungsdienste außerhalb der Union und die auf die betreffenden Daten bezogenen Datenlokalisierungsauflagen gelten.

(16)

In dieser Verordnung werden keine Vorschriften für die Bestimmung des anwendbaren Rechts in Handelssachen aufgestellt; somit lässt sie die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (7) unberührt. Insbesondere unterliegt ein Dienstleistungsvertrag grundsätzlich dem Recht des Landes, in dem der Diensteanbieter seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, soweit das auf einen Vertrag anwendbare Recht nicht nach der genannten Verordnung festgelegt wurde.

(17)

Diese Verordnung sollte für die Datenverarbeitung im weitesten Sinne gelten und die Verwendung aller Arten von IT-Systemen erfassen, unabhängig davon, ob diese sich in den Räumlichkeiten des Nutzers befinden oder an einen Diensteanbieter ausgelagert werden. Sie sollte die Datenverarbeitung in unterschiedlichen Intensitätsstufen erfassen, von der Datenspeicherung (Infrastructure-as-a-Service — IaaS) bis zur Verarbeitung von Daten auf Plattformen (Platform-as-a-Service — PaaS) oder in Anwendungen (Software-as-a-Service — SaaS).

(18)

Datenlokalisierungsauflagen sind ein eindeutiges Hindernis, das der Dienstleistungsfreiheit in Bezug auf Datenverarbeitungsdienste in der Union sowie auch dem Binnenmarkt entgegensteht. Sie sollten daher an sich verboten werden, soweit sie nicht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Unionsrechts, insbesondere Artikel 52 AEUV, gerechtfertigt sind und dem in Artikel 5 des EUV verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Um dem Grundsatz des freien grenzüberschreitenden Verkehrs nicht-personenbezogener Daten Geltung zu verschaffen, eine rasche Beseitigung bestehender Datenlokalisierungsauflagen zu bewirken und aus betrieblichen Gründen die Verarbeitung von Daten an mehreren Standorten in der Union zu ermöglichen, und da diese Verordnung Maßnahmen vorsieht, die die Verfügbarkeit von Daten für ordnungspolitische Kontrollzwecke gewährleisten, sollten sich die Mitgliedstaaten für die Begründung von Datenlokalisierungsauflagen nur auf die öffentliche Sicherheit berufen können.

(19)

Der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne von Artikel 52 AEUV und gemäß der Auslegung durch den Gerichtshof bezieht sich sowohl auf die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats sowie auf Fragen der Sicherheit der Bevölkerung, um insbesondere die Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten zu erleichtern. Er setzt die Existenz einer tatsächlichen erheblichen Gefahr voraus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, wie eine Bedrohung für das Funktionieren der Institutionen, der grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen und das Überleben der Bevölkerung sowie die Gefahr einer erheblichen Störung der Außenbeziehungen, der friedlichen Koexistenz der Nationen oder eine Bedrohung der militärischen Interessen. Gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollten Datenlokalisierungsauflagen, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, zur Erreichung der damit verfolgten Ziele geeignet sein und nicht über das dafür Notwendige hinausgehen.

(20)

Um die wirksame Anwendung des Grundsatzes des freien grenzüberschreitenden Verkehrs nicht-personenbezogener Daten sicherzustellen und das Entstehen neuer Hindernisse für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes zu verhindern, sollten die Mitgliedstaaten der Kommission alle Entwürfe von Vorschriften umgehend mitteilen, die neue Datenlokalisierungsauflagen einführen oder bestehende Datenlokalisierungsauflagen ändern. Diese Entwürfe von Vorschriften sollten gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates (8) übermittelt und geprüft werden.

(21)

Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten zur Beseitigung möglicher bereits bestehender Hindernisse während eines Übergangszeitraums von 24 Monaten ab dem Zeitpunkt der Anwendung dieser Verordnung eine Überprüfung bestehender allgemeiner Rechts- und Verwaltungsvorschriften, in denen Datenlokalisierungsauflagen geregelt sind, durchführen und der Kommission sämtliche dieser Datenlokalisierungsauflagen, die sie für mit dieser Verordnung vereinbar halten, samt einer Begründung mitteilen. Damit sollte die Kommission in der Lage sein, die Rechtmäßigkeit etwaiger verbleibender Datenlokalsierungsauflagen zu prüfen. Die Kommission sollte gegebenenfalls in der Lage sein, dem betreffenden Mitgliedstaat Anmerkungen zu übermitteln. Solche Anmerkungen könnten eine Empfehlung enthalten, die Datenlokalisierungsauflage zu ändern oder aufzuheben.

(22)

Die in dieser Verordnung geregelte Pflicht, der Kommission bestehende Datenlokalisierungsauflagen und Entwürfe von Vorschriften mitzuteilen, sollte für regulatorische Datenlokalisierungsauflagen und Entwürfe von Vorschriften allgemeiner Art gelten, nicht aber für Entscheidungen, die sich an bestimmte natürliche oder juristische Personen richten.

(23)

Um sicherzustellen, dass durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften geregelte Datenlokalisierungsauflagen in den Mitgliedstaaten für natürliche und juristische Personen, wie z. B. für Diensteanbieter und Nutzer von Datenverarbeitungsdiensten, transparent sind, sollten die Mitgliedstaaten die Informationen über solche Auflagen bei einer nationalen einheitlichen Online-Informationsstelle veröffentlichen und regelmäßig auf den neuesten Stand bringen. Alternativ sollten die Mitgliedstaaten einer zentralen Informationsstelle, die gemäß einem anderen Rechtsakt der Union eingerichtet wurde, aktuelle Informationen über solche Auflagen liefern. Um natürliche und juristische Personen angemessen über die in der Union bestehenden Datenlokalisierungsauflagen zu informieren, sollten die Mitgliedstaaten der Kommission die Adressen dieser einheitlichen Informationsstellen mitteilen. Die Kommission sollte diese Angaben zusammen mit einer regelmäßig aktualisierten konsolidierten Liste aller in den Mitgliedstaaten geltenden Datenlokalisierungsauflagen, einschließlich zusammenfassender Informationen über diese Auflagen, auf ihrer eigenen Website veröffentlichen.

(24)

Datenlokalisierungsauflagen sind häufig auf ein mangelndes Vertrauen in eine grenzüberschreitende Datenverarbeitung zurückzuführen, weil angenommen wird, dass Daten den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten für deren Zwecke wie Überprüfungen und Audits zu Regulierungs- und Aufsichtszwecken nicht zur Verfügung stünden. Dieses mangelnde Vertrauen lässt sich nicht allein dadurch überwinden, dass Vertragsbestimmungen, mit denen der rechtmäßige Datenzugang der zuständigen Behörden in Ausübung ihrer amtlichen Pflichten unterbunden wird, für nichtig erklärt werden. Deshalb sollte diese Verordnung eindeutig festlegen, dass die Befugnisse der zuständigen Behörden, gemäß dem Unionsrecht oder nationalem Recht Zugang zu Daten zu verlangen oder zu erhalten, unberührt bleiben und dass den zuständigen Behörden der Zugang zu den Daten nicht mit der Begründung verweigert werden darf, dass die Daten in einem anderen Mitgliedstaat verarbeitet werden. Die zuständigen Behörden könnten funktionale Anforderungen festlegen, um den Datenzugang zu unterstützen, wie beispielsweise die Anforderung, dass Systembeschreibungen in dem betreffenden Mitgliedstaat aufbewahrt werden müssen.

(25)

Natürliche oder juristische Personen, die verpflichtet sind, zuständigen Behörden Daten zur Verfügung zu stellen, können solchen Verpflichtungen dadurch nachkommen, dass sie den zuständigen Behörden einen wirksamen und zeitnahen elektronischen Zugang zu den Daten gewähren und garantieren, und zwar unabhängig von dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Daten verarbeitet werden. Ein solcher Zugang kann durch konkrete Geschäftsbestimmungen in Verträgen zwischen der natürlichen oder juristischen Person, die zur Zugangsgewährung verpflichtet ist, und dem Diensteanbieter gewährleistet werden.

(26)

Kommt eine natürliche oder juristische Person, die zur Datenübermittlung verpflichtet ist, dieser Verpflichtung nicht nach, so sollte die zuständige Behörde die zuständigen Behörden in anderen Mitgliedstaaten um Amtshilfe ersuchen können. In solchen Fällen sollten die zuständigen Behörden die besonderen Instrumente der Zusammenarbeit nutzen, die je nach Sachlage im Unionsrecht oder in internationalen Abkommen etwa für den Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit, der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen oder der Zusammenarbeit in Verwaltungsangelegenheiten vorgesehen sind, z. B. im Rahmenbeschluss 2006/960/JI des Rates (9), der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (10), dem Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität (11), der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates (12), der Richtlinie 2006/112/EG des Rates (13) und der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates (14). In Ermangelung solcher besonderen Kooperationsmechanismen sollten die zuständigen Behörden untereinander zusammenarbeiten, um den Zugang zu den gewünschten Daten über benannte einheitliche Anlaufstellen zu gewähren.

(27)

Beinhaltet ein Amtshilfeersuchen die Erlangung des Zugangs zu Räumlichkeiten einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich Datenverarbeitungsanlagen und -mittel, durch die ersuchte Behörde, so muss ein solcher Zugang im Einklang mit dem Unionsrecht oder dem nationalen Verfahrensrecht stehen und unter anderem dem Erfordernis einer vorherigen richterlichen Genehmigung genügen.

(28)

Diese Verordnung sollte Nutzern nicht den Versuch ermöglichen, geltendes nationales Recht zu umgehen. Deshalb sollte sie regeln, dass die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen gegen Nutzer verhängen, die die zuständigen Behörden daran hindern, in Ausübung ihrer amtlichen Pflichten nach Unionsrecht und nach nationalem Recht auf ihre Daten zuzugreifen. In dringenden Fällen, in denen ein Nutzer sein Recht missbraucht, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, strikt verhältnismäßige einstweilige Maßnahmen zu verhängen. Erfordern einstweilige Maßnahmen eine Relokalisierung von Daten über einen Zeitraum von mehr als 180 Tagen nach der Relokalisierung, so würde das bedeuten, dass über einen wesentlichen Zeitraum gegen den Grundsatz des freien Datenverkehrs verstoßen wird; deshalb sollten solche Maßnahmen der Kommission mitgeteilt werden, damit geprüft werden kann, ob sie mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

(29)

Die Möglichkeit der unbehinderten Übertragung von Daten ist ein Schlüsselfaktor, um die Auswahlmöglichkeiten der Nutzer und einen wirksamen Wettbewerb auf den Märkten der Datenverarbeitungsdienste zu fördern. Die tatsächlichen oder vermeintlichen Schwierigkeiten bei der grenzüberschreitenden Übertragung von Daten untergraben auch das Vertrauen beruflicher Nutzer in grenzüberschreitende Angebote und dadurch ihr Vertrauen in den Binnenmarkt. Während das geltende Unionsrecht einzelnen Verbraucher zugute kommt, wird es Nutzern, die im Rahmen ihres Gewerbes oder Berufes tätig werden, nicht erleichtert, die Möglichkeit des Wechsels zwischen Diensteanbietern in Anspruch zu nehmen. Einheitliche technische Anforderungen in der gesamten Union, sei es in Bezug auf technische Vereinheitlichung, gegenseitige Anerkennung oder freiwillige Vereinheitlichung, tragen ebenfalls zur Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Binnenmarktes für Datenverarbeitungsdienste bei.

(30)

Damit sie alle Vorteile des wettbewerbsorientierten Umfelds für sich nutzen können, sollten berufliche Nutzer in die Lage versetzt werden, sich sachkundig zu entscheiden und die einzelnen Bestandteile verschiedener Datenverarbeitungsdienste, die im Binnenmarkt angeboten werden, leicht zu vergleichen, auch bezüglich der Geschäftsbedingungen für die Übertragung von Daten bei Beendigung eines Vertrags. Um mit dem Innovationspotenzial des Marktes Schritt zu halten und die Erfahrungen und die Sachkenntnis der Diensteanbieter und beruflichen Nutzer von Datenverarbeitungsdiensten zu berücksichtigen, sollten die Einzelheiten und betrieblichen Anforderungen für die Übertragung von Daten von den Marktteilnehmern mittels Selbstregulierung festgelegt werden; die Kommission sollte die Selbstregulierung mit Verhaltensregeln der Union, die auch Mustergeschäftsbedingungen enthalten können, fördern, erleichtern und überwachen.

(31)

Um wirksam zu sein und den Anbieterwechsel und die Datenübertragung einfacher zu machen, sollten solche Verhaltensregeln umfassend sein und mindestens die zentralen Aspekte, die beim Prozess der Datenübertragung wichtig sind, abdecken, wie die Prozesse, die für die Datensicherungen benutzt werden und den Ort der Datensicherung, die verfügbaren Datenformate und Datenträger, die erforderliche IT-Konfiguration und die Mindestnetzbandbreite, die Vorlaufzeit vor Beginn des Übertragungsprozesses und die Zeitspanne, in der die Daten für eine Übertragung verfügbar bleiben, sowie die Garantien für den Zugang zu den Daten im Falle der Insolvenz des Diensteanbieters. Aus den Verhaltensregeln sollte eindeutig hervorgehen, dass eine Anbieterabhängigkeit kein akzeptables Geschäftsgebaren ist; sie sollten vertrauensfördernde Technologien vorsehen und regelmäßig aktualisiert werden, um mit den technischen Entwicklungen Schritt zu halten. Die Kommission sollte dafür sorgen, dass alle relevanten Interessenträger, darunter Verbände von kleinen und mittelständischen Unternehmen (im Folgenden „KMU“) und Startups, Nutzer und Anbieter von Cloud-Diensten, in den Konsultationsprozess einbezogen werden. Die Kommission sollte die Entwicklung und die Wirksamkeit der Umsetzung solcher Verhaltensregeln evaluieren.

(32)

Wenn eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats einen anderen Mitgliedstaat um Amtshilfe ersucht, um gemäß dieser Verordnung Zugang zu Daten zu erlangen, so sollte sie über eine benannte einheitliche Anlaufstelle einen ordnungsgemäß begründeten Antrag an die einheitliche Anlaufstelle des betreffenden Mitgliedstaats richten, der eine schriftliche Darlegung der Gründe und der Rechtsgrundlagen für das Zugangsbegehren enthalten sollte. Die einheitliche Anlaufstelle, die vom Mitgliedstaat, um dessen Amtshilfe ersucht wird, benannt wurde, sollte die Übermittlung des Antrags an die jeweils zuständige Behörde in dem ersuchten Mitgliedstaat ermöglichen. Im Interesse einer wirksamen Zusammenarbeit sollte die Behörde, der ein Antrag zugeleitet wird, unverzüglich die beantrage Amtshilfe leisten oder mitteilen, welche Schwierigkeiten sie hatte, dem Antrag nachzukommen bzw. die Gründe nennen, warum sie den Antrag ablehnt.

(33)

Durch die Stärkung des Vertrauens in eine grenzüberschreitende Datenverarbeitung sollte die Neigung von Marktteilnehmern und öffentlichen Stellen verringert werden, Datenlokalisierung stellvertretend für Datensicherheit zu verwenden. Außerdem sollten dadurch die Unternehmen mehr Rechtssicherheit in Bezug auf die Einhaltung anwendbarer Sicherheitsanforderungen erhalten, wenn sie ihre Datenverarbeitungstätigkeiten an Diensteanbieter, auch solche in anderen Mitgliedstaaten, auslagern.

(34)

Bestehende Sicherheitsanforderungen an die Datenverarbeitung, die auf der Grundlage des Unionsrechts oder nationalen Rechts in begründeter und verhältnismäßiger Weise sowie im Einklang mit dem Unionsrecht in dem Mitgliedstaat gelten, in dem die natürlichen oder juristischen Personen, deren Daten betroffen sind, ihren Wohnsitz oder ihre Niederlassung haben, sollten auch auf die Verarbeitung dieser Daten in einem anderen Mitgliedstaat weiterhin Anwendung finden. Diese natürlichen oder juristischen Personen sollten derartige Anforderungen entweder selbst oder aber durch Vertragsklauseln in ihren Verträgen mit den Diensteanbietern erfüllen können.

(35)

Auf nationaler Ebene festgelegte Sicherheitsanforderungen sollten notwendig sein und in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken für die Sicherheit der Datenverarbeitung stehen, für die das nationale Recht gilt, in dem diese Anforderungen festgelegt sind.

(36)

Die Richtlinie (EU) 2016/1148 des Europäischen Parlaments und des Rates (15) enthält rechtliche Bestimmungen zur Anhebung des allgemeinen Niveaus der Cybersicherheit in der Union. Datenverarbeitungsdienste gehören zu den von dieser Richtlinie erfassten digitalen Diensten. Nach jener Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Anbieter digitaler Dienste geeignete und verhältnismäßige technische und organisatorische Maßnahmen ermitteln und ergreifen, um die Risiken für die Sicherheit der von ihnen genutzten Netz- und Informationssysteme zu beherrschen. Diese Maßnahmen sollten ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau gewährleisten und der Sicherheit der Systeme und Anlagen, der Bewältigung von Sicherheitsvorfällen, dem Betriebskontinuitätsmanagement, der Überwachung, Audits und Erprobung sowie der Einhaltung der internationalen Normen Rechnung tragen. Diese Elemente sollten von der Kommission in gemäß jener Richtlinie zu erlassenen Durchführungsrechtsakten weiter präzisiert werden.

(37)

Die Kommission sollte einen Bericht über die Umsetzung dieser Verordnung vorlegen, um insbesondere festzustellen, ob angesichts der Entwicklung der Technologie und der Märkte Änderungsbedarf besteht. In diesem Bericht sollte insbesondere diese Verordnung, vor allem ihre Anwendung auf Datensätze, die aus personenbezogenen und nicht-personenbezogenen Daten bestehen, und die Anwendung der Ausnahme zugunsten der öffentlichen Sicherheit evaluiert werden. Bevor diese Verordnung Anwendung findet, sollte die Kommission zudem informierende Leitlinien darüber veröffentlichen, wie Datensätze, die sowohl aus personenbezogenen als auch aus nicht-personenbezogenen Daten bestehen, zu behandeln sind, damit Unternehmen einschließlich KMU das Verhältnis zwischen dieser Verordnung und der Verordnung (EU) 2016/679 besser verstehen und um sicherzustellen, dass beide Verordnungen eingehalten werden.

(38)

Diese Verordnung steht insbesondere mit den in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Grundrechten und Grundsätzen im Einklang und sollte in Übereinstimmung mit diesen Grundrechten und Grundsätzen ausgelegt und angewandt werden; dazu zählen die Rechte auf Schutz personenbezogener Daten, auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und auf unternehmerische Freiheit.

(39)

Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich den freien Verkehr von Daten, die keine personenbezogenen Daten sind, in der Union zu gewährleisten, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen seines Umfangs und seiner Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des EUV verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand

Diese Verordnung zielt darauf ab, den freien Verkehr von Daten, die keine personenbezogenen Daten sind, in der Union zu gewährleisten, indem sie Vorschriften über Datenlokalisierungsauflagen, die Verfügbarkeit von Daten für zuständige Behörden und die Übertragung von Daten für berufliche Nutzer festlegt.

Artikel 2

Anwendungsbereich

(1)   Diese Verordnung gilt für die Verarbeitung elektronischer Daten, die keine personenbezogenen Daten sind, in der Union, die

a)

als eine Dienstleistung für Nutzer erfolgt, die in der Union wohnhaft oder niedergelassen sind, ungeachtet dessen, ob der Diensteanbieter in der Union niedergelassen ist oder nicht; oder

b)

von einer natürlichen oder juristischen Person, die in der Union wohnhaft oder niedergelassen ist, für ihren eigenen Bedarf durchgeführt wird.

(2)   Bei einem Datensatz, der aus personenbezogenen und nicht-personenbezogenen Daten besteht, gilt diese Verordnung für die nicht-personenbezogenen Daten des Datensatzes. Sind personenbezogene und nicht-personenbezogene Daten in einem Datensatz untrennbar miteinander verbunden, berührt diese Verordnung nicht die Anwendung der Verordnung (EU) 2016/679.

(3)   Diese Verordnung gilt nicht für Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen.

Diese Verordnung berührt nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die sich auf die interne Organisation der Mitgliedstaten beziehen und die Behörden und Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Nummer 4 der Richtlinie 2014/24/EU die Befugnisse und Zuständigkeiten für die Datenverarbeitung ohne eine vertragliche Vergütung privater Parteien zuteilen, sowie die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Wahrnehmung dieser Befugnissen und Zuständigkeiten regeln.

Artikel 3

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.

„Daten“ bezeichnet Daten, die keine personenbezogenen Daten im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679 sind;

2.

„Verarbeitung“ bezeichnet jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit Daten in elektronischer Form wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung;

3.

„Entwürfe von Vorschriften“ bezeichnet Texte, die entworfen worden sind, um sie als allgemeine Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zu erlassen, und die sich im Stadium der Ausarbeitung befinden, in dem noch wesentliche Änderungen möglich sind;

4.

„Diensteanbieter“ bezeichnet eine natürliche oder juristische Person, die Datenverarbeitungsdienste erbringt;

5.

„Datenlokalisierungsauflage“ bezeichnet eine Verpflichtung, ein Verbot, eine Bedingung, eine Beschränkung oder eine andere Anforderung, die in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats enthalten ist oder sich aus allgemeinen und einheitlichen Verwaltungspraktiken in einem Mitgliedstaat und Einrichtungen des öffentlichen Rechts, unbeschadet der Richtlinie 2014/24/EU auch im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge, ergibt und die bestimmt, dass die Datenverarbeitung im Hoheitsgebiet eines bestimmten Mitgliedstaats stattfinden muss, oder die die Verarbeitung von Daten in einem anderen Mitgliedstaat behindert;

6.

„zuständige Behörde“ bezeichnet eine Behörde eines Mitgliedstaats oder eine andere nach nationalem Recht zur Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse oder zur Ausübung öffentlicher Gewalt ermächtigte Einrichtung, die nach Unionsrecht oder nach nationalem Recht befugt ist, zur Erfüllung ihrer amtlichen Pflichten Zugang zu Daten zu erlangen, die von einer natürlichen oder juristischen Person verarbeitet werden;

7.

„Nutzer“ bezeichnet eine natürliche oder juristische Person einschließlich einer Behörde oder einer Einrichtung des öffentlichen Rechts, die einen Datenverarbeitungsdienst benutzt oder beauftragt;

8.

„beruflicher Nutzer“ bezeichnet eine natürliche oder juristische Person, einschließlich einer Behörde oder einer Einrichtung des öffentlichen Rechts, die einen Datenverarbeitungsdienst im Zusammenhang mit ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit bzw. der Erfüllung ihrer Aufgaben benutzt oder beauftragt.

Artikel 4

Freier Datenverkehr in der Union

(1)   Datenlokalisierungsauflagen sind unzulässig, es sei denn, sie sind aus Gründen der öffentlichen Sicherheit unter Achtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt.

Absatz 3 und auf der Grundlage des bestehenden Unionsrechts festgelegte Datenlokalisierungsauflagen bleiben von Unterabsatz 1 dieses Absatzes unberührt.

(2)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission umgehend alle Entwürfe von Vorschriften mit, die neue Datenlokalisierungsauflagen enthalten oder bestehende Datenlokalisierungsauflagen ändern, gemäß den Verfahren, die in den Artikeln 5, 6 und 7 der Richtlinie (EU) 2015/1535 festgelegt sind.

(3)   Die Mitgliedstaaten sorgen bis zum 30. Mai 2021 dafür, dass alle bestehenden Datenlokalisierungsauflagen, die durch allgemeine Rechts- und Verwaltungsvorschriften geregelt sind und die nicht mit Absatz 1 des vorliegenden Artikels vereinbar sind, aufgehoben werden.

Ist ein Mitgliedstaat der Ansicht, dass eine bestehende Maßnahme mit einer Datenlokalisierungsauflage mit Absatz 1 des vorliegenden Artikels vereinbar ist und deshalb in Kraft bleiben kann, teilt er der Kommission diese Maßnahme zusammen mit einer Begründung der Aufrechterhaltung bis zum 30. Mai 2021 mit. Unbeschadet Artikel 258 AEUV prüft die Kommission binnen sechs Monaten nach Eingang einer solchen Mitteilung, ob die betreffende Vorschrift mit Absatz 1 des vorliegenden Artikels vereinbar ist, und übermittelt dem betroffenen Mitgliedstaat gegebenenfalls Anmerkungen, gegebenenfalls einschließlich der Empfehlung, die Vorschrift zu ändern oder aufzuheben.

(4)   Die Mitgliedstaaten machen die Einzelheiten sämtlicher in ihrem Hoheitsgebiet geltenden, durch allgemeine Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelten Datenlokalisierungsauflagen über eine nationale einheitliche Online-Informationsstelle öffentlich verfügbar und halten diese Informationen auf dem neuesten Stand oder übermitteln aktualisierte Einzelheiten über alle derartigen Lokalisierungsauflagen an eine zentrale Informationsstelle, die gemäß einem anderen Unionsakt eingerichtet wurde.

(5)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Adresse ihrer in Absatz 4 genannten einheitlichen Informationsstelle mit. Die Kommission veröffentlicht die Verweise auf diese Stellen zusammen mit einer regelmäßig aktualisierten konsolidierten Liste aller Datenlokalisierungsauflagen gemäß Absatz 4, einschließlich zusammenfassender Informationen über diese Auflagen, auf ihrer Website.

Artikel 5

Verfügbarkeit von Daten für zuständige Behörden

(1)   Diese Verordnung lässt die Befugnisse der zuständigen Behörden, zur Erfüllung ihrer amtlichen Pflichten, gemäß dem Unionsrecht oder nationalen Recht, Zugang zu Daten zu verlangen oder zu erhalten, unberührt. Der Zugang zuständiger Behörden zu Daten darf nicht mit der Begründung verweigert werden, dass die Daten in einem anderen Mitgliedstaat verarbeitet werden.

(2)   Wird einer zuständigen Behörde, die um Zugang zu den Daten eines Nutzers ersucht hat, kein Zugang gewährt, so kann sie, sofern im Unionsrecht oder in internationalen Abkommen kein bestimmter Kooperationsmechanismus für den Datenaustausch zwischen den zuständigen Behörden verschiedener Mitgliedstaaten vorgesehen ist, eine zuständige Behörde in einem anderen Mitgliedstaat nach dem in Artikel 7 festgelegten Verfahren um Amtshilfe ersuchen.

(3)   Beinhaltet ein Amtshilfeersuchen die Erlangung des Zugangs zu Räumlichkeiten einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich der Datenverarbeitungsanlagen und -mittel, durch die ersuchte Behörde, so muss ein solcher Zugang im Einklang mit dem Unionsrecht oder dem nationalen Verfahrensrecht stehen.

(4)   Die Mitgliedstaaten können in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen verhängen, wenn gegen eine Verpflichtung zur Bereitstellung von Daten verstoßen wird.

Im Falle von Rechtsmissbrauch durch einen Nutzer kann ein Mitgliedstaat, sofern dies durch die Dringlichkeit des Zugriffs auf die Daten und unter Berücksichtigung der Interessen der betroffenen Parteien gerechtfertigt ist, streng verhältnismäßige einstweilige Maßnahmen gegen diesen Nutzer ergreifen. Verfügt eine einstweilige Maßnahme die Relokalisierung von Daten, und dauert diese Relokalisierung länger als 180 Tage, ist dies der Kommission innerhalb dieser 180 Tage mitzuteilen. Die Kommission prüft die Maßnahme und beurteilt deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht schnellstmöglich und trifft, soweit erforderlich, geeignete Maßnahmen. Die Kommission tauscht mit den in Artikel 7 genannten einheitlichen Anlaufstellen der Mitgliedstaaten Informationen über ihre Erfahrungen in dieser Hinsicht aus.

Artikel 6

Übertragung von Daten

(1)   Die Kommission fördert und erleichtert die Entwicklung von Verhaltensregeln für die Selbstregulierung auf Unionsebene (im Folgenden „Verhaltensregeln“), um zu einer wettbewerbsfähigen Datenwirtschaft auf der Grundlage der Grundsätze der Transparenz und der Interoperabilität und unter angemessener Berücksichtigung offener Standards beizutragen, wobei unter anderem folgende Aspekte abgedeckt werden:

a)

bewährte Verfahren zur Erleichterung des Wechsels des Diensteanbieters und der Übertragung von Daten in einem strukturierten, gängigen, maschinenlesbaren Format, bei Bedarf oder auf Wunsch des Diensteanbieters, der die Daten empfängt, auch in einem offenen Standardformat;

b)

Vorschriften für Mindestangaben, damit sichergestellt ist, dass berufliche Nutzer vor dem Abschluss eines Datenverarbeitungsvertrags hinreichend genaue, klare und transparente Informationen in Bezug auf die Prozesse, technischen Anforderungen, Fristen und Entgelte erhalten, die für einen beruflichen Nutzer gelten, der zu einem anderen Diensteanbieter wechseln oder Daten in seine eigenen IT-Systeme zurückübertragen möchte;

c)

Ansätze für Zertifizierungssysteme, mit denen der Vergleich von Datenverarbeitungsprodukten und -diensten für berufliche Nutzer erleichtert wird, unter Berücksichtigung bestehender nationaler oder internationaler Normen, zur Erleichterung der Vergleichbarkeit dieser Produkte und Dienste. Diese Ansätze können sich unter anderem auf das Qualitätsmanagement, das Informationssicherheitsmanagement, das Betriebskontinuitätsmanagement und das Umweltmanagement beziehen;

d)

Kommunikationspläne mit multidisziplinärem Ansatz, um den relevanten Akteuren die Verhaltensregeln nahe zu bringen.

(2)   Die Kommission stellt sicher, dass die Verhaltensregeln in enger Zusammenarbeit mit allen relevanten Interessenträgern, einschließlich KMU-Verbänden und Startups sowie Nutzern und Anbietern von Cloud-Diensten, entwickelt werden.

(3)   Die Kommission hält die Diensteanbieter dazu an, die Entwicklung der Verhaltensregeln bis zum 29. November 2019 abzuschließen und sie bis zum 29. Mai 2020 wirksam umzusetzen.

Artikel 7

Verfahren für die Zusammenarbeit zwischen den Behörden

(1)   Jeder Mitgliedstaat benennt eine einheitliche Anlaufstelle, die bezüglich der Anwendung dieser Verordnung mit den einheitlichen Anlaufstellen der anderen Mitgliedstaaten und mit der Kommission in Verbindung steht. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die benannten einheitlichen Anlaufstellen und etwaige spätere Änderungen dieser Angaben mit.

(2)   Wenn eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats einen anderen Mitgliedstaat gemäß Artikel 5 Absatz 2 um Amtshilfe ersucht, um Zugang zu Daten zu erlangen, so richtet sie einen ordnungsgemäß begründeten Antrag an die einheitliche Anlaufstelle des betreffenden Mitgliedstaats. Der Antrag enthält eine schriftliche Darlegung der Gründe und der Rechtsgrundlagen für das Zugangsbegehren.

(3)   Die einheitliche Anlaufstelle ermittelt die jeweils zuständige Behörde ihres Mitgliedstaats und leitet den gemäß Absatz 2 erhaltenen Antrag an diese zuständige Behörde weiter.

(4)   Die auf diese Weise ersuchte jeweilige zuständige Behörde muss ohne unangemessene Verzögerung und innerhalb einer der Dringlichkeit des Ersuchens entsprechenden Frist antworten und der nachsuchenden zuständigen Behörde die angeforderten Daten zur Verfügung stellen oder mitteilen, dass sie die Voraussetzungen für die Beantragung von Amtshilfe nach dieser Verordnung für nicht erfüllt hält.

(5)   Alle Informationen, die im Zusammenhang mit einem Amtshilfeersuchen und geleisteter Amtshilfe gemäß Artikel 5 Absatz 2 ausgetauscht werden, dürfen nur im Zusammenhang mit den Zwecken des Ersuchens verwendet werden.

(6)   Die einheitlichen Anlaufstellen müssen den Nutzern allgemeine Informationen über diese Verordnung bereitstellen, darunter Angaben zu den Verhaltensregeln.

Artikel 8

Bewertung und Leitlinien

(1)   Die Kommission übermittelt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss spätestens am 29. November 2022 einen Bericht über die Bewertung der Anwendung dieser Verordnung, insbesondere hinsichtlich

a)

der Anwendung dieser Verordnung, insbesondere auf Datensätze, die aus personenbezogenen und nicht-personenbezogenen Daten bestehen, im Hinblick auf Entwicklungen der Märkte und technologische Entwicklungen, mit denen neue Möglichkeiten zur Entanonymisierung von Daten geschaffen werden könnten,

b)

der Umsetzung von Artikel 4 Absatz 1 und insbesondere der Ausnahme aus Gründen der öffentlichen Sicherheit durch die Mitgliedstaaten und

c)

der Aufstellung und wirksamen Umsetzung der Verhaltensregeln und der tatsächlichen Bereitstellung von Informationen durch Diensteanbieter.

(2)   Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission alle Informationen, die für die Ausarbeitung des in Absatz 1 genannten Berichts erforderlich sind.

(3)   Bis zum 29. Mai 2019 veröffentlicht die Kommission informierende Leitlinien über die Wechselwirkungen der vorliegenden Verordnung und der Verordnung (EU) 2016/679, insbesondere im Hinblick auf Datensätze, die sowohl aus personenbezogenen als auch aus nicht-personenbezogenen Daten bestehen.

Artikel 9

Schlussbestimmungen

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Geltungsdauer dieser Verordnung beginnt sechs Monate nach ihrer Veröffentlichung.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Straßburg am 14. November 2018.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

A. TAJANI

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

K. EDTSTADLER


(1)  ABl. C 227 vom 28.6.2018, S. 78.

(2)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 4. Oktober 2018 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 6. November 2018.

(3)  Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).

(4)  Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89).

(5)  Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).

(6)  Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65).

(7)  Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. L 177 vom 4.7.2008, S. 6).

(8)  Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1).

(9)  Rahmenbeschluss 2006/960/JI des Rates vom 18. Dezember 2006 über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. L 386 vom 29.12.2006, S. 89).

(10)  Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (ABl. L 130 vom 1.5.2014, S. 1).

(11)  Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität, SEV-Nr. 185.

(12)  Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 1).

(13)  Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1).

(14)  Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7. Oktober 2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (ABl. L 268 vom 12.10.2010, S. 1).

(15)  Richtlinie (EU) 2016/1148 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen in der Union (ABl. L 194 vom 19.7.2016, S. 1).


RICHTLINIEN

28.11.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 303/69


RICHTLINIE (EU) 2018/1808 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 14. November 2018

zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 53 Absatz 1 und Artikel 62,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (1),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen (2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die letzte inhaltliche Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates (4), die später durch die Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kodifiziert wurde, erfolgte im Jahr 2007 mit dem Erlass der Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (6). Seitdem hat sich der Markt für audiovisuelle Mediendienste durch die zunehmende Konvergenz von Fernseh- und Internetdiensten beträchtlich und schnell weiterentwickelt. Die technischen Entwicklungen haben neue Arten von Diensten und neue Benutzererfahrungen ermöglicht. Zudem haben sich die Sehgewohnheiten, insbesondere die der jüngeren Generationen, erheblich geändert. Der Hauptbildschirm des Fernsehgerätes ist zwar nach wie vor ein wichtiges Instrument des gemeinsamen audiovisuellen Erlebens, viele Zuschauer benutzen aber auch andere, tragbare Geräte, um audiovisuelle Inhalte anzusehen. Herkömmliche Fernsehinhalte machen noch immer den Hauptteil der durchschnittlichen täglichen Nutzungsdauer aus.

Allerdings haben neue Arten von Inhalten wie Videoclips oder nutzergenerierte Inhalte zunehmend an Bedeutung gewonnen, und es haben sich neue Anbieter, darunter auch Anbieter von Videoabrufdiensten und Video-Sharing-Plattformen, fest etabliert. Diese Konvergenz der Medien macht einen aktualisierten Rechtsrahmen erforderlich, um den Entwicklungen des Marktes Rechnung zu tragen und ein Gleichgewicht zwischen dem Zugang zu Online-Inhalte-Diensten, dem Verbraucherschutz und der Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen.

(2)

Am 6. Mai 2015 nahm die Kommission eine Mitteilung mit dem Titel „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa“ an, in der sie eine Überarbeitung der Richtlinie 2010/13/EU ankündigte.

(3)

Die Richtlinie 2010/13/EU sollte weiterhin nur auf jene Dienste Anwendung finden, deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung ist. Das Erfordernis des Hauptzwecks sollte auch dann als erfüllt angesehen werden, wenn der Dienst audiovisuelle Inhalte enthält und eine Form hat, die sich von der Hauptaktivität des Diensteanbieters trennen lassen, beispielsweise eigenständige Bereiche von Online-Zeitungen mit audiovisuellen Sendungen oder nutzergenerierten Videos, soweit solche Bereiche als von ihrer Haupttätigkeit trennbar angesehen werden können. Ein Dienst sollte lediglich als untrennbare Ergänzung der Haupttätigkeit angesehen werden, wenn die Verknüpfungen zwischen dem audiovisuellen Angebot und der Haupttätigkeit, wie der Bereitstellung von Nachrichten in schriftlicher Form, dies rechtfertigen. Kanäle oder andere audiovisuelle Dienste, die der redaktionellen Verantwortung eines Anbieters unterliegen, können als solche selbst audiovisuelle Mediendienste darstellen, auch wenn sie auf einer Video-Sharing-Plattform dargeboten werden, bei der es ihrerseits an einer redaktionellen Verantwortung fehlt. In solchen Fällen werden die Anbieter, die eine redaktionelle Verantwortung wahrnehmen, die Bestimmungen der Richtlinie 2010/13/EU einzuhalten haben.

(4)

Video-Sharing-Plattform-Dienste stellen audiovisuelle Inhalte bereit, die von der Allgemeinheit und insbesondere von jungen Menschen immer häufiger abgerufen werden. Dies gilt auch für soziale Netzwerke, die sich zu einem wichtigen Medium für das Teilen von Informationen sowie für Unterhaltung und Bildung entwickelt haben, auch indem sie Zugang zu Sendungen und nutzergenerierten Videos bieten. Diese sozialen Netzwerke müssen in den Geltungsbereich der Richtlinie 2010/13/EU einbezogen werden, da sie um das gleiche Publikum und um die gleichen Einnahmen wie die audiovisuellen Mediendienste konkurrieren. Außerdem üben sie einen erheblichen Einfluss aus, indem sie dazu beitragen, dass Nutzer die Möglichkeit haben, die Meinungen anderer Nutzer zu formen und zu beeinflussen. Um Minderjährige vor schädlichen Inhalten und alle Bürger vor der Aufstachelung zu Hass, Gewalt und Terrorismus zu schützen, sollten diese Dienste von der Richtlinie 2010/13/EU insoweit erfasst werden, wie sie die Begriffsbestimmung als Video-Sharing-Plattform-Dienst erfüllen.

(5)

Die Richtlinie 2010/13/EU ist zwar nicht darauf ausgerichtet, soziale Netzwerke an sich zu regulieren, aber sie sollte sich auf diese Dienste erstrecken, wenn eine wesentliche Funktion des sozialen Netzwerks in der Bereitstellung von Sendungen und von nutzergenerierten Videos besteht. Die Bereitstellung von Sendungen und nutzergenerierten Videos könnte als wesentliche Funktion des sozialen Netzwerks angesehen werden, wenn der audiovisuelle Inhalt im Rahmen der Tätigkeit des sozialen Netzwerks nicht bloß von untergeordneter Bedeutung ist oder nur einen geringfügigen Teil der Tätigkeiten des sozialen Netzwerks darstellt. Um bezüglich der Umsetzung für Klarheit, Wirksamkeit und Einheitlichkeit zu sorgen, sollte die Kommission nach Konsultation des Kontaktausschusses gegebenenfalls Leitlinien für die praktische Anwendung des in der Begriffsbestimmung „Video-Sharing-Plattform-Dienst“ enthaltenen Kriteriums der wesentlichen Funktion herausgeben. Diese Leitlinien sollten unter gebührender Beachtung der allgemeinen Ziele von öffentlichem Interesse, die durch die von Video-Sharing-Plattform-Anbietern zu treffenden Maßnahmen erreicht werden sollen, und des Rechts der freien Meinungsäußerung ausgearbeitet werden.

(6)

Stellt ein trennbarer Teil eines Dienstes einen Video-Sharing-Plattform-Dienst für die Zwecke der Richtlinie 2010/13/EU dar, so sollte nur dieser Teil von dieser Richtlinie erfasst werden und dies nur im Hinblick auf Sendungen und nutzergenerierte Videos. In die redaktionellen Inhalte elektronischer Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften eingebettete Videoclips und animierte Bilder wie Bilder im GIF-Format sollten von der Richtlinie 2010/13/EU nicht erfasst werden. Die Begriffsbestimmung „Video-Sharing-Plattform-Dienst“ sollte sich nicht auf nichtwirtschaftliche Tätigkeiten, wie die Bereitstellung audiovisueller Inhalte auf privaten Webseiten und nichtwirtschaftlichen Interessengemeinschaften, erstrecken.

(7)

Damit eine wirksame Umsetzung der Richtlinie 2010/13/EU gewährleistet werden kann, kommt es darauf an, dass die Mitgliedstaaten aktuelle Aufzeichnungen über die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbieter und Video-Sharing-Plattform-Anbieter erstellen und führen und diese regelmäßig ihren zuständigen unabhängigen Regulierungsbehörden oder -stellen und der Kommission übermitteln. Diese Aufzeichnungen sollten auch Angaben zu den Kriterien enthalten, auf denen die Rechtshoheit beruht.

(8)

Zur Feststellung der Rechtshoheit müssen die konkreten Gegebenheiten anhand der in der Richtlinie 2010/13/EU festgelegten Kriterien bewertet werden. Die Bewertung solcher konkreten Gegebenheiten könnte zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Bei der Anwendung der in der genannten Richtlinie vorgesehenen Verfahren der Zusammenarbeit ist es wichtig, dass die Kommission ihre Erkenntnisse auf verlässliche Fakten stützen kann. Die Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (ERGA) sollte daher befugt sein, auf Anfrage der Kommission Stellungnahmen zur rechtlichen Zuständigkeit abzugeben. Beschließt die Kommission in Anwendung dieser Verfahren der Zusammenarbeit, die ERGA zu konsultieren, so sollte sie den Kontaktausschuss darüber sowie über von Mitgliedstaaten im Rahmen solcher Verfahren der Zusammenarbeit eingegangene Mitteilungen und über die Stellungnahme der ERGA informieren.

(9)

Die Verfahren und Voraussetzungen, die für die Beschränkung der Freiheit, audiovisuelle Mediendienste anzubieten und zu nutzen, gelten, sollten für lineare und nichtlineare Dienste gleich sein.

(10)

Im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden „Gerichtshof“) kann die nach dem Vertrag garantierte Dienstleistungsfreiheit aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses eingeschränkt werden — beispielsweise um ein hohes Maß an Verbraucherschutz zu erreichen —, sofern diese Einschränkungen gerechtfertigt, verhältnismäßig und notwendig sind. Die Mitgliedstaaten sollten daher bestimmte Maßnahmen ergreifen können, um die Einhaltung ihrer Verbraucherschutzvorschriften, die nicht die Bereiche betreffen, die durch die Richtlinie 2010/13/EU koordiniert sind, sicherzustellen. Die von einem Mitgliedstaat zur Durchsetzung seiner nationalen Verbraucherschutzregelung ergriffenen Maßnahmen, einschließlich solcher in Bezug auf Glücksspielwerbung, müssten, wie von der Rechtsprechung des Gerichtshofs gefordert, gerechtfertigt, angesichts des angestrebten Ziels verhältnismäßig und notwendig sein. Auf jeden Fall darf der empfangende Mitgliedstaat keine Maßnahmen ergreifen, die die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus einem anderen Mitgliedstaat in seinem Hoheitsgebiet verhindern würden.

(11)

Teilt ein Mitgliedstaat der Kommission mit, dass sich ein Mediendiensteanbieter in dem die Rechtshoheit innehabenden Mitgliedstaat niedergelassen hat, um strengere Bestimmungen in den von der Richtlinie 2010/13/EU koordinierten Bereichen, denen dieser Anbieter unterliegen würde, wenn er im mitteilenden Mitgliedstaat niedergelassen wäre, zu umgehen, sollte er glaubwürdige und ordnungsgemäß begründete Belege hierfür vorlegen. Diese Belege sollten eine Reihe untermauernder Fakten enthalten, die es gestatten, eine solche Umgehung nach vernünftigem Ermessen festzustellen.

(12)

In ihrer Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat „Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung – Eine Agenda der EU“ betonte die Kommission, dass sie bei der Prüfung von Lösungsansätzen gesetzgeberische wie auch nichtgesetzgeberische Möglichkeiten, die dem Modell der praxisorientierten Gemeinschaft und den Grundsätzen für eine bessere Selbst- und Koregulierung entsprechen, in Betracht ziehen würde. Mehrere Verhaltenskodizes, die in den von der Richtlinie 2010/13/EU koordinierten Bereichen aufgestellt wurden, haben sich nach den Grundsätzen für eine bessere Selbst- und Koregulierung als gut konzipiert bewährt. Das Bestehen eines gesetzgeberischen Auffangmechanismus wurde als wichtiger Erfolgsfaktor bei der Förderung der Einhaltung von Selbst- oder Koregulierungskodizes angesehen. Genauso wichtig ist, dass solche Kodizes konkrete Zielvorgaben und Zielsetzungen enthalten, die eine regelmäßige, transparente und unabhängige Überwachung und Bewertung ihrer Zielerfüllung ermöglichen. In den Verhaltenskodizes sollte auch die wirksame Durchsetzung geregelt werden. Die Selbst- und Koregulierungskodizes, die in den von der Richtlinie 2010/13/EU koordinierten Bereichen angenommen werden, sollten diesen Grundsätzen folgen.

(13)

Die Erfahrung hat gezeigt, dass sowohl Selbst- als auch Koregulierungsinstrumente, die im Einklang mit den unterschiedlichen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten angewandt werden, bei der Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus eine wichtige Rolle spielen können. Die Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele von öffentlichem Interesse im Bereich der neuen audiovisuellen Mediendienste sind wirksamer, wenn sie mit der aktiven Unterstützung der Diensteanbieter selbst ergriffen werden.

(14)

Die Selbstregulierung stellt eine Art freiwillige Initiative dar, die Wirtschaftsteilnehmern, Sozialpartnern, Nichtregierungsorganisationen und Vereinigungen die Möglichkeit gibt, untereinander und füreinander gemeinsame Leitlinien festzulegen. Sie sind für die Ausarbeitung, Überwachung und Durchsetzung der Einhaltung dieser Leitlinien selbst zuständig. Die Mitgliedstaaten sollten im Einklang mit ihren unterschiedlichen Rechtstraditionen die Rolle, die eine wirksame Selbstregulierung als Ergänzung zu den bestehenden Gesetzgebungs-, Gerichts- und Verwaltungsverfahren spielen kann, sowie ihren wertvollen Beitrag zur Verwirklichung der Ziele der Richtlinie 2010/13/EU anerkennen. Die Selbstregulierung sollte jedoch, obwohl sie eine ergänzende Methode zur Umsetzung bestimmter Vorschriften der Richtlinie 2010/13/EU sein kann, die Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers nicht ersetzen. In ihrer Minimalform schafft Koregulierung im Einklang mit den Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten eine rechtliche Verbindung zwischen Selbstregulierung und dem nationalen Gesetzgeber. Bei der Koregulierung teilen sich die Interessenträger und die Regierung oder die nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen die Regulierungsfunktion. Zu den Aufgaben der einschlägigen öffentlichen Behörden zählen die Anerkennung des Koregulierungsprogramms, die Prüfung seiner Verfahren und die Finanzierung des Programms. Bei der Koregulierung sollten weiterhin staatliche Eingriffsmöglichkeiten für den Fall vorgesehen werden, dass ihre Ziele nicht erreicht werden. Unbeschadet der förmlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bezüglich der Umsetzung fördert die Richtlinie 2010/13/EU die Nutzung der Selbst-und Koregulierung. Dadurch werden weder die Mitgliedstaaten zur Festlegung von Regelungen zur Selbst-oder Koregulierung verpflichtet, noch werden gegenwärtige Koregulierungsinitiativen, die in den Mitgliedstaaten bereits bestehen und effektiv funktionieren, beeinträchtigt oder gefährdet.

(15)

Transparenz in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse im Medienbereich steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit, einem Eckpfeiler demokratischer Systeme. Informationen über die Eigentümerstruktur von Mediendiensteanbietern ermöglichen es Nutzern in Fällen, in denen die Eigentumsverhältnisse zu einer Kontrolle über die Inhalte der angebotenen Dienste oder zur Ausübung eines erheblichen Einflusses auf diese führen, sich ein fundiertes Urteil über die Inhalte zu bilden. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein zu bestimmen, ob und inwieweit Angaben zu den Eigentumsverhältnissen eines Mediendiensteanbieters für die Nutzer zugänglich sein sollten, sofern der Wesensgehalt der betreffenden Grundrechte und -freiheiten gewahrt wird und diese Maßnahmen notwendig und verhältnismäßig sind.

(16)

Aufgrund der Besonderheiten audiovisueller Mediendienste, insbesondere ihres Einflusses auf die Meinungsbildung der Menschen, haben die Nutzer ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wer für den Inhalt dieser Dienste verantwortlich ist. Um die Meinungsfreiheit zu stärken und in der Folge den Medienpluralismus zu fördern und Interessenkonflikte zu vermeiden, ist es wichtig, dass die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Nutzer jederzeit leicht und unmittelbar Zugang zu Informationen über Mediendiensteanbieter haben. Insbesondere im Hinblick auf die Angaben, die zur Eigentümerstruktur und zu den wirtschaftlichen Eigentümern gemacht werden können, liegt die Entscheidung bei den einzelnen Mitgliedstaaten.

(17)

Um ein kohärentes Vorgehen und Rechtssicherheit für die Unternehmen und die Behörden der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, sollte der Begriff der „Aufstachelung zu Gewalt oder Hass“ in angemessenen Umfang im Sinne des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates (7) verstanden werden.

(18)

Angesichts der Entwicklung der Mittel zur Verbreitung von Inhalten über elektronische Kommunikationsnetze ist es wichtig, die Allgemeinheit vor der Aufstachelung zu Terrorismus zu schützen. Aus diesem Grund sollte durch die Richtlinie 2010/13/EU sichergestellt werden, dass audiovisuelle Mediendienste keine öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat enthalten. Um ein kohärentes Vorgehen und Rechtssicherheit für die Unternehmen und die Behörden der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, sollte der Begriff „öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat“ im Sinne der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates (8) verstanden werden.

(19)

Damit die Zuschauer, darunter auch Eltern und Minderjährige, in der Lage sind, informierte Entscheidungen über die anzusehenden Inhalte zu treffen, ist es notwendig, dass Mediendiensteanbieter ausreichende Informationen über Inhalte geben, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können. Dies könnte beispielsweise mithilfe eines Systems von Inhaltsdeskriptoren, eines akustischen Warnhinweises, einer optischen Kennzeichnung oder eines anderen Mittels erfolgen, das die Art des Inhalts beschreibt.

(20)

Die angemessenen Maßnahmen zum Schutz Minderjähriger, die für Fernsehdienste gelten, sollten auch für audiovisuelle Mediendienste auf Abruf gelten. Dadurch sollte das Schutzniveau erhöht werden. Der Mindestharmonisierungsansatz ermöglicht es den Mitgliedstaaten, ein höheres Schutzniveau für Inhalte einzuführen, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können. Die schädlichsten Inhalte, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, die aber nicht notwendigerweise eine Straftat darstellen, sollten den strengsten Maßnahmen, wie Verschlüsselung und wirksamen Systemen zur elterlichen Kontrolle, unterliegen; dies hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, strengere Maßnahmen zu erlassen.

(21)

In der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates (9) wird festgestellt, dass Kinder hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten besonderen Schutz verdienen. Die Einrichtung von Systemen zum Schutz von Kindern durch Mediendiensteanbieter führt unweigerlich zur Verbreitung der personenbezogenen Daten von Minderjährigen. Da solche Systeme dem Schutz von Kindern dienen, sollten die personenbezogenen Daten von Minderjährigen, die im Rahmen von technischen Maßnahmen zum Schutz von Kindern verarbeitet werden, nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden.

(22)

Die Gewährleistung der Barrierefreiheit audiovisueller Inhalte ist eine wesentliche Anforderung im Zusammenhang mit den im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen eingegangenen Verpflichtungen. Im Rahmen der Richtlinie 2010/13/EU sollte der Begriff „Menschen mit Behinderungen“ in Anbetracht der Art der unter diese Richtlinie fallenden Dienstleistungen — nämlich audiovisuelle Mediendienste — ausgelegt werden. Das Recht von Menschen mit Beeinträchtigungen und von älteren Menschen auf Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Union und ihre diesbezügliche Integration ist mit der Bereitstellung barrierefreier audiovisueller Mediendienste verbunden. Daher sollten die Mitgliedstaaten ohne unangemessene Verzögerung sicherstellen, dass sich die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbieter aktiv darum bemühen, ihre Inhalte für Menschen mit Behinderungen, insbesondere für Menschen mit Seh- oder Hörstörungen, zugänglich zu machen. Die Anforderungen an die Barrierefreiheit sollten durch einen schrittweisen und fortlaufenden Prozess erfüllt werden, wobei praktische und unvermeidbare Einschränkungen, die beispielsweise im Fall von live übertragenen Sendungen oder Veranstaltungen eine vollständige Barrierefreiheit verhindern könnten, zu berücksichtigen sind. Um feststellen zu können, welche Fortschritte Mediendiensteanbieter dabei gemacht haben, ihre Dienste schrittweise für Menschen mit Seh- oder Hörstörungen zugänglich zu machen, sollten die Mitgliedstaaten die in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen Mediendiensteanbieter verpflichten, ihnen regelmäßig Bericht zu erstatten.

(23)

Die Barrierefreiheit audiovisueller Mediendienste sollte gemäß der Richtlinie 2010/13/EU unter anderem durch Gebärdensprache, Untertitelung für Gehörlose und Schwerhörige, gesprochene Untertitel und Audiobeschreibung hergestellt werden. Diese Richtlinie gilt jedoch weder für Funktionen oder Dienste, die Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten bieten, noch gilt sie für Barrierefreiheitsfunktionen elektronischer Programmführer (EPG). Diese Richtlinie lässt daher Unionsrecht zur Harmonisierung der Barrierefreiheit von Diensten, die Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten bieten — wie etwa Webseiten, Online-Anwendungen oder EPG —, oder der Bereitstellung von Informationen zu Barrierefreiheit und in barrierefreien Formaten unberührt.

(24)

In einigen Fällen ist es unter Umständen nicht möglich, Notfallinformationen so zu verbreiten, dass sie für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. Die Verbreitung von Notfallinformationen über audiovisuelle Mediendienste sollte durch solche besonderen Umstände jedoch nicht verhindert werden.

(25)

Die Richtlinie 2010/13/EU lässt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt, Verpflichtungen zur Gewährleistung der angemessenen Herausstellung von Inhalten aufzuerlegen, die nach festgelegten Zielen des allgemeinen Interesses wie Medienpluralismus, Meinungsfreiheit und kulturelle Vielfalt von allgemeinem Interesse sind. Solche Verpflichtungen sollten nur auferlegt werden, wenn sie notwendig sind, um von Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Unionsrecht eindeutig festgelegte Ziele von allgemeinem Interesse zu erreichen. Beschließen Mitgliedstaaten, Vorschriften über die angemessene Herausstellung zu erlassen, sollten sie den Unternehmen nur verhältnismäßige Verpflichtungen in Verfolgung legitimer öffentlicher Interessen auferlegen.

(26)

Um die redaktionelle Verantwortung der Mediendiensteanbieter und die audiovisuelle Wertschöpfungskette zu schützen, ist es unerlässlich, dass die Integrität der Sendungen und audiovisuellen Mediendienste der Mediendiensteanbieter sichergestellt werden kann. Sendungen und audiovisuelle Mediendienste sollten ohne Kürzung, Veränderung oder Unterbrechung und ohne Überblendung für kommerzielle Zwecke übertragen werden, es sei denn, die betreffenden Mediendienstanbieter haben dem ausdrücklich zugestimmt. Die Mitgliedstaaten sollten gewährleisten, dass die Zustimmung des Mediendiensteanbieters bei Überblendungen, die vom Empfänger des Dienstes ausschließlich zum privaten Gebrauch ausgelöst oder genehmigt werden, wie etwa Überblendungen durch Dienste für die individuelle Kommunikation, nicht erforderlich ist. Steuerungselemente von Benutzeroberflächen, die wie Lautstärkeregler, Suchfunktionen, Navigationsmenüs oder Senderübersichten für die Bedienung des Geräts oder das Anwählen des Dienstes erforderlich sind, sollten nicht erfasst werden. Zulässige Überblendungen wie Warnhinweise, Informationen von öffentlichem Interesse, Untertitel oder Überblendungen mit kommerzieller Kommunikation, die vom Mediendiensteanbieter bereitgestellt werden, sollten ebenfalls nicht unter diese Bestimmung fallen. Unbeschadet der Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates (10) sollten auch Datenkomprimierungsverfahren zur Reduzierung der Größe einer Datei und andere technische Verfahren zur Anpassung eines Dienstes an das Mittel der Verbreitung (wie Auflösung und Codierung), in deren Fall der Inhalt in keiner Weise verändert wird, nicht erfasst werden.

Maßnahmen zum Schutz der Integrität von Sendungen und audiovisuellen Mediendiensten sollten verhängt werden, wenn sie notwendig sind, um von Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Unionsrecht eindeutig festgelegte Ziele von allgemeinem Interesse zu erreichen. Durch solche Maßnahmen sollten Unternehmen verhältnismäßige Verpflichtungen in Verfolgung legitimer öffentlicher Interessen auferlegt werden.

(27)

Mit Ausnahme von Sponsoring und Produktplatzierung sollte audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke in audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf die Kriterien erfüllen, die gemäß der Richtlinie 2010/13/EU auf Fernsehwerbung und Teleshopping zugunsten alkoholischer Getränke Anwendung finden. Die ausführlichen Kriterien in Bezug auf Fernsehwerbung und Teleshopping für alkoholische Getränke beschränken sich auf Spot-Werbung, die als solche ohnehin von der Sendung getrennt sind, und schließen daher andere Arten kommerzieller Kommunikation aus, die mit der Sendung in Verbindung stehen oder ein integrierter Bestandteil der Sendung sind, wie etwa Sponsoring und Produktplatzierung. Diese Kriterien sollten folglich auf Sponsoring und Produktplatzierung in audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf keine Anwendung finden.

(28)

Auf nationaler und internationaler Ebene bestehen verschiedene weithin anerkannte Ernährungsleitlinien, wie beispielsweise das Nährstoffprofil-Modell des Regionalbüros für Europa der Weltgesundheitsorganisation, die es ermöglichen, Lebensmittel auf der Grundlage ihrer Nährstoffzusammensetzung im Zusammenhang mit der auf Kinder ausgerichteten Fernsehwerbung für Lebensmittel zu differenzieren. Die Mitgliedstaaten sollten angehalten werden, dafür zu sorgen, dass unter anderem mithilfe von Verhaltenskodizes auf Selbst- und Koregulierung zurückgegriffen wird, um die Einwirkung audiovisueller kommerzieller Kommunikation für Lebensmittel und Getränke, die einen hohen Gehalt an Salz, Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren oder Transfettsäuren aufweisen oder anderweitig gegen solche nationalen oder internationalen Ernährungsleitlinien verstoßen, auf Kinder wirkungsvoll zu reduzieren.

(29)

In derselben Weise sollten die Mitgliedstaaten angehalten werden, dafür zu sorgen, dass auf Selbst- und Koregulierung beruhende Verhaltenskodizes angewandt werden, um die Einwirkung audiovisueller kommerzieller Kommunikation für alkoholische Getränke auf Kinder und Jugendliche wirkungsvoll zu reduzieren. Auf Unionsebene und auf nationaler Ebene bestehen verschiedene Selbst- und Koregulierungssysteme, die auf eine verantwortungsvolle Vermarktung alkoholischer Getränke, auch mittels audiovisueller kommerzieller Kommunikation, abzielen. Derartige Systeme sollten weiter gefördert werden, insbesondere wenn sie dafür sorgen sollen, dass audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke stets mit Hinweisen auf einen verantwortungsvollen Alkoholgenuss einhergeht.

(30)

Es ist wichtig, dass Minderjährige vor der Einwirkung audiovisueller kommerzieller Kommunikation zur Bewerbung von Glücksspielen wirksam geschützt werden. Auf Unionsebene und auf nationaler Ebene bestehen diesbezüglich verschiedene Selbst- und Koregulierungssysteme zur Förderung des verantwortungsvollen Glücksspiels, auch mittels audiovisueller kommerzieller Kommunikation.

(31)

Um Hindernisse für den freien Verkehr grenzüberschreitender Dienstleistungen in der Union zu beseitigen, ist es notwendig, die Wirksamkeit von Selbst- und Koregulierungsmaßnahmen zu gewährleisten, die insbesondere auf den Schutz der Verbraucher und den Schutz der öffentlichen Gesundheit abzielen.

(32)

Der Fernsehmarkt hat sich gewandelt, und bei der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation wird daher insbesondere im Hinblick auf quantitative Vorschriften für lineare audiovisuelle Mediendienste und Produktplatzierung mehr Flexibilität benötigt. Das Aufkommen neuer Dienste, auch solcher ohne Werbung, hat zu einer größeren Auswahl für die Zuschauer geführt, die leicht zu anderen Angeboten wechseln können.

(33)

Die Liberalisierung der Produktplatzierung hat nicht zu der erwarteten Verbreitung dieser Form audiovisueller kommerzieller Kommunikation geführt. Insbesondere hat das allgemeine Verbot der Produktplatzierung, von einigen Ausnahmen abgesehen, keine Rechtssicherheit für Mediendiensteanbieter geschaffen. Deshalb sollte die Produktplatzierung in allen audiovisuellen Mediendiensten und Video-Sharing-Plattform-Diensten mit bestimmten Ausnahmen erlaubt sein.

(34)

In Nachrichtensendungen und Sendungen zur politischen Information, Verbrauchersendungen, Sendungen religiösen Inhalts und Kindersendungen sollte Produktplatzierung nicht gestattet sein. Es ist insbesondere erwiesen, dass Produktplatzierung und eingebettete Werbebotschaften das Verhalten von Kindern beeinflussen können, weil Kinder oft nicht in der Lage sind, kommerzielle Inhalte zu erkennen. Deshalb ist es notwendig, Produktplatzierung in Kindersendungen auch weiterhin zu verbieten. Verbrauchersendungen sind Sendungen, die Zuschauern Ratschläge geben oder sogar Bewertungen im Hinblick auf den Kauf von Produkten und Dienstleistungen beinhalten. Produktplatzierung in solchen Sendungen zu erlauben, ließe die Unterschiede zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt für die Zuschauer, die im Fall solcher Sendungen eine echte und ehrliche Bewertung von Produkten und Dienstleistungen erwarten dürfen, verschwimmen.

(35)

Anbieter audiovisueller Mediendienste auf Abruf sollten die Produktion und Verbreitung europäischer Werke fördern, indem sie dafür sorgen, dass ihre Kataloge einen Mindestanteil europäischer Werke enthalten und dass diese Werke darin hinreichend herausgestellt werden. Die Kennzeichnung audiovisueller Inhalte, die als europäische Werke einzustufen sind, in deren Metadaten sollte gefördert werden, damit solche Metadaten Mediendiensteanbietern zur Verfügung stehen. Zur Herausstellung gehört, dass europäische Werke durch Erleichterung des Zugangs zu diesen Werken gefördert werden. Eine Herausstellung kann durch verschiedene Mittel gewährleistet werden, beispielsweise durch einen speziellen Bereich für europäische Werke, der von der Hauptseite des Dienstes aus erreichbar ist, durch die Möglichkeit, mit dem als Bestandteil dieses Dienstes verfügbaren Suchwerkzeug nach europäischen Werken zu suchen, durch die Nutzung europäischer Werke in Kampagnen dieses Dienstes oder durch einen Mindestanteil europäischer Werke, für die im Katalog dieses Dienstes zum Beispiel mit Bannern oder ähnlichen Instrumenten geworben wird.

(36)

Um angemessene Investitionen in europäische Werke sicherzustellen, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, den in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen Mediendiensteanbietern finanzielle Verpflichtungen aufzuerlegen. Solche Verpflichtungen können in Form direkter Beiträge zur Produktion europäischer Werke und zum Erwerb von Rechten an europäischen Werken auferlegt werden. Ebenso könnten die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Umsätze, die mit in ihrem Gebiet erbrachten oder auf ihr Gebiet abzielenden audiovisuellen Mediendiensten erzielt werden, Abgaben erheben, die in einen Fonds eingezahlt werden. In dieser Richtlinie wird klargestellt, dass ein Mitgliedstaat — angesichts des direkten Zusammenhangs zwischen finanziellen Verpflichtungen und unterschiedlicher Kulturpolitik der Mitgliedstaaten — solche finanziellen Verpflichtungen auch Anbietern von auf sein Gebiet abzielenden Mediendiensten auferlegen darf, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind. In diesem Fall sollten sich die finanziellen Verpflichtungen nur auf die Umsätze beziehen, die mit Zuschauern in dem Zielmitgliedstaat erzielt werden. Mediendiensteanbieter, die verpflichtet werden, in einem Zielmitgliedstaat zu Filmförderprogrammen beizutragen, sollten von den Beihilfen, die im Rahmen der betreffenden Filmförderprogramme für Mediendiensteanbieter bereitgestellt werden, in diskriminierungsfreier Weise profitieren können, auch wenn sie keine Niederlassung in diesem Mitgliedstaat unterhalten.

(37)

Fernsehveranstalter investieren momentan stärker in europäische audiovisuelle Werke als Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf. Falls ein Zielmitgliedstaat sich entscheidet, einem der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterworfenen Fernsehveranstalter eine finanzielle Verpflichtung aufzuerlegen, sollte er daher unter gebührender Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die direkten Beiträge dieses Fernsehveranstalters zur Produktion europäischer Werke und zum Erwerb von Rechten an europäischen Werken — insbesondere Koproduktionen — berücksichtigen. Dies gilt unbeschadet der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die Höhe der finanziellen Beiträge, die ihrer Rechtshoheit unterworfene Mediendiensteanbieter entrichten müssen, im Einklang mit ihrer Kulturpolitik und vorbehaltlich der Vereinbarkeit mit Vorschriften über staatliche Beihilfen festzulegen.

(38)

Bei der einzelfallbezogenen Beurteilung, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassener audiovisueller Mediendienst auf Abruf auf Zuschauer in seinem Gebiet abzielt, sollte ein Mitgliedstaat solche Indikatoren heranziehen wie z. B. Werbung und andere verkaufsfördernde Maßnahmen, die speziell auf Verbraucher in seinem Gebiet abzielen, die Hauptsprache des Dienstes oder das Vorhandensein von Inhalten oder kommerzieller Kommunikation, die sich speziell an die Zuschauer im Zielmitgliedstaat richten.

(39)

Erlegen Mitgliedstaaten den Mediendiensteanbietern finanzielle Beiträge auf, sollte damit eine angemessene Förderung europäischer Werke angestrebt und gleichzeitig eine Doppelbesteuerung der Mediendiensteanbieter vermieden werden. Erlegt der Mitgliedstaat, in dem der Mediendiensteanbieter niedergelassen ist, einen solchen finanziellen Beitrag auf, sollte er daher etwaige von Zielmitgliedstaaten auferlegte finanzielle Verpflichtungen berücksichtigen.

(40)

Um sicherzustellen, dass durch Verpflichtungen zur Förderung europäischer Werke nicht die Marktentwicklung untergraben wird, und um neuen Marktteilnehmern den Marktzutritt zu ermöglichen, sollten Anbieter ohne erhebliche Marktpräsenz von solchen Anforderungen ausgenommen werden. Dies betrifft insbesondere Anbieter mit geringen Umsätzen oder geringen Zuschauerzahlen. Ob eine Zuschauerzahl gering ist, kann beispielsweise anhand der Nutzungsdauer oder der Verkäufe, je nach Art des Mediendienstes, festgelegt werden, während bei der Festlegung, wann ein Umsatz gering ist, die unterschiedlichen Größen der audiovisuellen Märkte in den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden sollten. Die Auferlegung solcher Verpflichtungen könnte auch dann unangemessen sein, wenn diese angesichts der Art oder des Themas der audiovisuellen Mediendienste undurchführbar oder ungerechtfertigt wären.

(41)

Es ist wichtig, dass die Fernsehveranstalter mehr Flexibilität erhalten und selbst entscheiden können, wann sie Werbung schalten, um die Nachfrage der Werbenden und die Zuschauerbindung zu maximieren. Es ist jedoch auch erforderlich, diesbezüglich ein ausreichend hohes Maß an Verbraucherschutz aufrechtzuerhalten, da eine derartige Flexibilität dazu führen könnte, dass die Zuschauer während der Hauptsendezeit einem Übermaß an Werbung ausgesetzt werden. Daher sollten für den Zeitraum von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr und für den Zeitraum von 18.00 Uhr bis 24.00 Uhr bestimmte Obergrenzen gelten.

(42)

Neutrale Einzelbilder trennen redaktionelle Inhalte von Fernsehwerbe- oder Teleshoppingspots und einzelne Spots voneinander. Sie ermöglichen es dem Fernsehzuschauer, genau zu unterscheiden, wann eine Art audiovisueller Inhalte endet und die andere Art beginnt. Es ist notwendig klarzustellen, dass neutrale Einzelbilder nicht unter die quantitative Obergrenze für Fernsehwerbung fallen. Damit soll sichergestellt werden, dass die für neutrale Einzelbilder verwendete Sendezeit nicht in die Werbezeit eingerechnet wird und dass die Werbeeinnahmen nicht beeinträchtigt werden.

(43)

Die Sendezeit für Hinweise eines Fernsehveranstalters auf seine eigenen Sendungen und auf Begleitmaterialien, die direkt von diesen Sendungen abgeleitet sind, oder für Beiträge im Dienst der Öffentlichkeit und für Spendenaufrufe zu Wohltätigkeitszwecken, die abgesehen von den Kosten, die für die Übertragung solcher Aufrufe anfallen, kostenlos sind, sollte nicht in die maximale Sendezeit für Fernsehwerbung und Teleshopping eingerechnet werden. Außerdem gehören viele Fernsehveranstalter zu größeren Sendergruppen und geben nicht nur Hinweise im Zusammenhang mit ihren eigenen Sendungen und Begleitmaterialien, die direkt von diesen Sendungen abgeleitet sind, sondern auch in Bezug auf Sendungen und audiovisuelle Mediendienste anderer Teile derselben Sendergruppe. Die Sendezeit für derartige Hinweise sollte ebenfalls nicht in die maximalen Sendezeiten für Fernsehwerbung und Teleshopping einbezogen werden.

(44)

Die unter die Richtlinie 2010/13/EU fallenden Video-Sharing-Plattform-Anbieter erbringen Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (11). Folglich unterliegen diese Anbieter den Binnenmarktvorschriften der letztgenannten Richtlinie, falls sie in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind. Es sollte gewährleistet werden, dass auch für nicht in einem Mitgliedstaat niedergelassene Video-Sharing-Plattform-Anbieter dieselben Vorschriften gelten, um die Wirksamkeit der in der Richtlinie 2010/13/EU vorgesehenen Maßnahmen zum Schutz Minderjähriger und der Allgemeinheit zu sichern und um so weit wie möglich gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, wenn solche Anbieter entweder ein Mutterunternehmen oder ein Tochterunternehmen haben, das in einem Mitgliedstaat niedergelassen ist, oder wenn solche Anbieter zu einer Gruppe gehören und ein anderes Unternehmen dieser Gruppe in einem Mitgliedstaat niedergelassen ist. Daher sollten die in der Richtlinie 2010/13/EU festgelegten Begriffsbestimmungen auf bestimmten Grundsätzen beruhen und gewährleisten, dass sich ein Unternehmen nicht selbst vom Anwendungsbereich jener Richtlinie ausnehmen kann, indem es eine vielschichtige Gruppenstruktur schafft, die innerhalb und außerhalb der Union ansässige Unternehmen auf verschiedenen Ebenen umfasst. Die Anbieter, die gemäß den Niederlassungsvorschriften der Richtlinien 2000/31/EG und 2010/13/EU der Rechtshoheit der Mitgliedstaaten unterliegen, sollten der Kommission mitgeteilt werden.

(45)

Neue Herausforderungen ergeben sich vor allem im Zusammenhang mit Video-Sharing-Plattformen, auf denen die Nutzer, insbesondere Minderjährige, zunehmend audiovisuelle Inhalte nutzen. In dieser Hinsicht geben schädliche Inhalte und Hassbotschaften, die durch Video-Sharing-Plattform-Dienste bereitgestellt werden, zunehmend Anlass zur Sorge. Zum Schutz Minderjähriger und der Allgemeinheit vor derartigen Inhalten ist es notwendig, auf diesem Gebiet verhältnismäßige Vorschriften zu erlassen.

(46)

Die kommerzielle Kommunikation über Video-Sharing-Plattform-Dienste wird bereits durch die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (12) geregelt, die unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern sowie irreführende und aggressive Praktiken in Diensten der Informationsgesellschaft verbietet.

Was die kommerzielle Kommunikation auf Video-Sharing-Plattformen in Bezug auf Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse angeht, wird durch die bestehenden Verbote der Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (13) sowie durch die für die kommerzielle Kommunikation in Bezug auf elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter geltenden Verbote der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (14) bereits ein ausreichender Schutz der Verbraucher vor Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen gewährleistet. Da die Nutzer beim Zugang zu audiovisuellen Inhalten zunehmend auf Video-Sharing-Plattform-Dienste setzen, muss — durch angemessene Angleichung der Bestimmungen für audiovisuelle kommerzielle Kommunikation zwischen allen Anbietern — ein ausreichendes Maß an Verbraucherschutz gewährleistet werden. Es ist also wichtig, dass audiovisuelle kommerzielle Kommunikation auf Video-Sharing-Plattformen eindeutig als solche gekennzeichnet wird und dass dabei qualitative Mindestanforderungen beachtet werden.

(47)

Ein bedeutender Teil der durch Video-Sharing-Plattform-Dienste bereitgestellten Inhalte unterliegt nicht der redaktionellen Verantwortung des Video-Sharing-Plattform-Anbieters. Diese Anbieter bestimmen aber normalerweise, wie die Inhalte — nämlich Sendungen, nutzergenerierte Videos und audiovisuelle kommerzielle Kommunikation — organisiert werden, auch mit automatischen Mitteln oder Algorithmen. Deshalb sollten diese Anbieter dazu verpflichtet werden, angemessene Maßnahmen zu treffen, um Minderjährige vor Inhalten zu schützen, die deren körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung beeinträchtigen können. Sie sollten ferner verpflichtet werden, angemessene Maßnahmen zu treffen, um die Allgemeinheit vor Inhalten zu schützen, die zu Gewalt oder Hass gegen eine Gruppe oder gegen ein Mitglied einer Gruppe aus einem der in Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) genannten Gründe aufstacheln oder deren Verbreitung gemäß Unionsrecht eine Straftat darstellt.

(48)

In Anbetracht dessen, wie die Anbieter mit den durch Video-Sharing-Plattform-Dienste bereitgestellten Inhalten umgehen, sollten sich die angemessenen Maßnahmen zum Schutz Minderjähriger und der Allgemeinheit auf die Organisation der Inhalte und nicht auf die Inhalte selbst beziehen. Die diesbezüglichen Anforderungen der Richtlinie 2010/13/EU sollten daher unbeschadet der Artikel 12 bis 14 der Richtlinie 2000/31/EG gelten, in der für rechtswidrige Inhalte, die von bestimmten Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft übermittelt werden oder automatisch gespeichert, zwischengespeichert und vorübergehend gespeichert werden oder generell gespeichert werden, eine Ausnahme von der Haftung vorgesehen ist. Bei der Bereitstellung von Diensten, die unter die Artikel 12 bis 14 der Richtlinie 2000/31/EG fallen, sollten die genannten Anforderungen zudem unbeschadet des Artikels 15 der letztgenannten Richtlinie gelten, wonach den genannten Anbietern keine allgemeine Verpflichtung zur Überwachung derartiger Informationen oder zur aktiven Forschung nach Tatsachen oder Umständen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen, auferlegt werden darf, was jedoch Überwachungspflichten in spezifischen Fällen und insbesondere Anordnungen, die von nationalen Behörden nach nationalem Recht erlassen werden, unberührt lässt.

(49)

Es ist zweckmäßig, die Video-Sharing-Plattform-Anbieter so weit wie möglich in die Umsetzung der nach der Richtlinie 2010/13/EU zu treffenden angemessenen Maßnahmen einzubeziehen. Koregulierung sollte daher gefördert werden. Ferner sollte es den Video-Sharing-Plattform-Anbietern möglich bleiben, im Einklang mit dem Unionsrecht und unter Achtung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, der Informationsfreiheit und des Medienpluralismus auf freiwilliger Grundlage strengere Maßnahmen zu ergreifen.

(50)

Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und das Recht auf ein faires Verfahren gehören zu den durch Artikel 47 der Charta niedergelegten Grundrechten. Daher sollten die Bestimmungen der Richtlinie 2010/13/EU nicht in einer Weise ausgelegt werden, die dazu führt, dass Parteien an der Wahrnehmung ihres Rechts auf Zugang zum Gerichtssystem gehindert werden.

(51)

Die gemäß der Richtlinie 2010/13/EU zu ergreifenden angemessenen Maßnahmen zum Schutz Minderjähriger vor schädlichen Inhalten und zum Schutz der Allgemeinheit vor Inhalten, die zu Gewalt, Hass und Terrorismus aufstacheln, sollten sorgfältig gegen die geltenden Grundrechte, die in der Charta verankert sind, abgewogen werden. Dies betrifft gegebenenfalls insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, den Schutz personenbezogener Daten, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit, die unternehmerische Freiheit, das Diskriminierungsverbot und die Rechte des Kindes.

(52)

Der Kontaktausschuss ist bestrebt, die wirksame Umsetzung der Richtlinie 2010/13/EU zu erleichtern, und sollte zu etwaigen praktischen Problemen im Zusammenhang mit der Anwendung der Richtlinie regelmäßig konsultiert werden. Der Kontaktausschuss sollte sich nicht nur mit den gegenwärtig vorliegenden Fragen der audiovisuellen Politik befassen, sondern auch mit wichtigen Entwicklungen, die sich in diesem Bereich vollziehen. Der Ausschuss setzt sich aus Vertretern der zuständigen nationalen Behörden der Mitgliedstaaten zusammen. Die Mitgliedstaaten werden ermutigt, bei der Benennung ihrer Vertreter mit Blick auf die Zusammensetzung des Kontaktausschusses ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis anzustreben.

(53)

Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass ihre nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen rechtlich von der Regierung getrennt sind. Dies sollte die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran hindern, die Aufsicht im Einklang mit ihrem nationalen Verfassungsrecht auszuüben. Es sollte davon ausgegangen werden, dass die nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen den geforderten Grad an Unabhängigkeit erreicht haben, wenn diese Behörden oder Stellen — einschließlich derjenigen, die als staatliche Behörden oder Stellen errichtet sind — funktionell und tatsächlich unabhängig von ihren jeweiligen Regierungen und von anderen öffentlichen oder privaten Einrichtungen sind. Dies wird als unabdingbar erachtet, um die Unparteilichkeit der Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörde oder -stelle zu gewährleisten. Von dem Unabhängigkeitserfordernis unberührt bleibt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Regulierungsbehörden einzurichten, die die Aufsicht über verschiedene Sektoren führen, z. B. über den audiovisuellen und den Telekommunikationsbereich. Die nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen sollten über die zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigten Durchsetzungsbefugnisse und Ressourcen in Bezug auf Personal, Sachverstand und finanzielle Mittel verfügen. Mit ihren Tätigkeiten sollten die aufgrund der Richtlinie 2010/13/EU eingerichteten nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen dafür sorgen, dass die Ziele dieser Richtlinie im Hinblick auf Medienpluralismus, kulturelle Vielfalt, Verbraucherschutz, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und die Förderung eines fairen Wettbewerbs erreicht werden.

(54)

Da einer der Zwecke audiovisueller Mediendienste darin besteht, den Interessen von Einzelnen zu dienen und die öffentliche Meinung zu prägen, ist es entscheidend, dass solche Dienste Einzelpersonen und die Gesellschaft so vollständig wie möglich und mit dem größtmöglichen Grad an Vielfalt informieren. Dies kann nur erreicht werden, wenn redaktionelle Entscheidungen frei von jeglichem staatlichem Eingriff und jeglichem Eingriff nationaler Regulierungsbehörden oder -stellen bleiben, der über die bloße Rechtsumsetzung hinausgeht und der nicht der Gewährleistung eines gesetzlich geschützten Rechts dient, das ungeachtet eines spezifischen Standpunkts gewahrt werden muss.

(55)

Auf nationaler Ebene sollten wirksame Beschwerdeverfahren bestehen. Die einschlägige Beschwerdestelle sollte von den beteiligten Parteien unabhängig sein. Diese Stelle kann ein Gericht sein. Das Beschwerdeverfahren sollte die Verteilung der Zuständigkeiten innerhalb der nationalen Rechtssysteme unberührt lassen.

(56)

Im Hinblick auf die Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung des Rechtsrahmens der Union für den audiovisuellen Bereich in allen Mitgliedstaaten hat die Kommission mit Kommissionsbeschluss vom 3. Februar 2014 (15) die ERGA eingerichtet. Aufgabe der ERGA ist es, der Kommission bei ihrer Arbeit zur kohärenten Umsetzung der Richtlinie 2010/13/EU in allen Mitgliedstaaten technischen Sachverstand zur Verfügung zu stellen und die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen untereinander sowie zwischen den nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen und der Kommission zu erleichtern.

(57)

Die ERGA hat einen positiven Beitrag zu einer einheitlichen Regulierungspraxis geleistet und die Kommission in Fragen der Umsetzung auf hoher Ebene beraten. Deshalb ist eine förmliche Anerkennung und Stärkung ihrer Rolle in der Richtlinie 2010/13/EU geboten. Die ERGA sollte daher mit jener Richtlinie eingesetzt werden.

(58)

Der Kommission sollte es freistehen, sich in allen Fragen im Zusammenhang mit audiovisuellen Mediendiensten und Video-Sharing-Plattformen an die ERGA zu wenden. Die ERGA sollte die Kommission unterstützen, indem sie ihr technischen Sachverstand und Beratung zur Verfügung stellt und den Austausch bewährter Verfahren — auch zu auf Selbst- und Koregulierung beruhenden Verhaltenskodizes — fördert. Insbesondere sollte die Kommission die ERGA zur Anwendung der Richtlinie 2010/13/EU konsultieren, um eine abgestimmte Umsetzung und Anwendung der Richtlinie zu erleichtern. Auf Anfrage der Kommission sollte die ERGA nicht bindende Stellungnahmen zur Rechtshoheit, zu Maßnahmen, die vom freien Empfang abweichen, und zu Maßnahmen zur Verhinderung der Umgehung der Rechtshoheit abgeben. Die ERGA sollte ferner in der Lage sein, technische Beratung zu allen Regulierungsfragen im Zusammenhang mit dem Rahmen für audiovisuelle Mediendienste anzubieten, darunter in den Bereichen Hassreden und Jugendschutz, sowie zu den Inhalten audiovisueller kommerzieller Kommunikation für Lebensmittel mit hohem Fett-, Salz- oder Natrium- sowie Zuckergehalt.

(59)

„Medienkompetenz“ bezieht sich auf die Fähigkeiten, Kenntnisse und das Verständnis, die es Bürgern ermöglichen, Medien wirksam und sicher zu nutzen. Damit die Bürger auf verantwortungsvolle und sichere Weise auf Informationen zugreifen und Medieninhalte verwenden, kritisch beurteilen und erstellen können, müssen sie über fortgeschrittene Medienkompetenzen verfügen. Medienkompetenz sollte sich nicht darauf beschränken, Wissen über Tools und Technologien zu erwerben, sondern das Ziel verfolgen, Bürgern Fähigkeiten des kritischen Denkens zu vermitteln, die notwendig sind, um Bewertungen vorzunehmen, komplexe Realitäten zu analysieren und zwischen Meinungen und Tatsachen zu unterscheiden. Daher müssen sowohl Mediendiensteanbieter als auch Video-Sharing-Plattform-Anbieter in Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren die Entwicklung von Medienkompetenz in allen Bereichen der Gesellschaft, bei Bürgern aller Altersgruppen und in Bezug auf alle Medien fördern und der hierbei erzielte Fortschritt muss aufmerksam verfolgt werden.

(60)

Die Richtlinie 2010/13/EU gilt unbeschadet der Pflicht der Mitgliedstaaten, die Menschenwürde zu achten und zu schützen. Sie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta anerkannt wurden. Die Richtlinie 2010/13/EU zielt insbesondere darauf ab, die vollständige Wahrung des Rechts der freien Meinungsäußerung, der unternehmerischen Freiheit und des Rechts auf gerichtliche Nachprüfung sicherzustellen und die Anwendung der in der Charta verankerten Rechte des Kindes zu fördern.

(61)

Bei jeder Maßnahme der Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2010/13/EU sind Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit und Medienpluralismus sowie kulturelle und sprachliche Vielfalt im Sinne des Unesco-Übereinkommens zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu achten.

(62)

Das Recht auf Zugang zu politischen Nachrichtensendungen ist für die vollständige und angemessene Wahrung des Grundrechts auf Information und der Zuschauerinteressen in der Union unverzichtbar. Angesichts der stetig wachsenden Bedeutung audiovisueller Mediendienste für die Gesellschaft und die Demokratie sollten politische Nachrichtensendungen im größtmöglichen Umfang und unbeschadet der Vorschriften des Urheberrechts innerhalb der Union grenzüberschreitend verfügbar gemacht werden.

(63)

Die Richtlinie 2010/13/EU betrifft nicht die Regeln des internationalen Privatrechts, insbesondere die Regeln des auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts.

(64)

Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung vom 28. September 2011 der Mitgliedstaaten und der Kommission zu Erläuternde Dokumente (16) haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt.

(65)

Die Richtlinie 2010/13/EU sollte daher entsprechend geändert werden —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Die Richtlinie 2010/13/EU wird wie folgt geändert:

1.

Artikel 1 Absatz 1 wird wie folgt geändert:

   ‚audiovisueller Mediendienst‘

a)

Buchstabe a erhält folgende Fassung:

„a)

i)

eine Dienstleistung im Sinne der Artikel 56 und 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, bei der der Hauptzweck der Dienstleistung oder ein trennbarer Teil der Dienstleistung darin besteht, unter der redaktionellen Verantwortung eines Mediendiensteanbieters der Allgemeinheit Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung über elektronische Kommunikationsnetze im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/21/EG bereitzustellen; bei diesen audiovisuellen Mediendiensten handelt es sich entweder um Fernsehprogramme gemäß der Definition unter Buchstabe e des vorliegenden Absatzes oder um audiovisuelle Mediendienste auf Abruf gemäß der Definition unter Buchstabe g des vorliegenden Absatzes;

ii)

die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation;“

b)

Folgender Buchstabe wird eingefügt:

„aa)

‚Video-Sharing-Plattform-Dienst‘ eine Dienstleistung im Sinne der Artikel 56 und 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, bei der der Hauptzweck der Dienstleistung oder eines trennbaren Teils der Dienstleistung oder eine wesentliche Funktion der Dienstleistung darin besteht, Sendungen oder nutzergenerierte Videos, für die der Video-Sharing-Plattform-Anbieter keine redaktionelle Verantwortung trägt, der Allgemeinheit über elektronische Kommunikationsnetze im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/21/EG zur Information, Unterhaltung oder Bildung bereitzustellen, und deren Organisation vom Video-Sharing-Plattform-Anbieter bestimmt wird, auch mit automatischen Mitteln oder Algorithmen, insbesondere durch Anzeigen, Tagging und Festlegung der Abfolge.“:

c)

Buchstabe b erhält folgende Fassung:

„b)

‚Sendung‘ eine Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton, die unabhängig von ihrer Länge Einzelbestandteil eines von einem Mediendiensteanbieter erstellten Sendeplans oder Katalogs ist, einschließlich Spielfilme, Videoclips, Sportberichte, Sitcoms, Dokumentationen, Kindersendungen und Originalproduktionen;“;

d)

Folgende Buchstaben werden eingefügt:

„ba)

‚nutzergeneriertes Video‘ eine Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton, die unabhängig von ihrer Länge einen Einzelbestandteil darstellt und von einem Nutzer erstellt und von diesem oder einem anderen Nutzer auf eine Video-Sharing-Plattform hochgeladen wird;

bb)

‚redaktionelle Entscheidung‘ eine Entscheidung, die regelmäßig im Zuge der Ausübung redaktioneller Verantwortung getroffen wird und in Zusammenhang mit dem Tagesgeschäft des audiovisuellen Mediendienstes steht;“.

e)

Der folgende Buchstabe wird eingefügt:

„da)

‚Video-Sharing-Plattform-Anbieter‘ die natürliche oder juristische Person, die einen Video-Sharing-Plattform-Dienst betreibt;“;

f)

Buchstabe h erhält folgende Fassung:

„h)

‚audiovisuelle kommerzielle Kommunikation‘ Bilder mit oder ohne Ton, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, dienen; diese Bilder sind einer Sendung oder einem nutzergenerierten Video gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung beigefügt oder darin enthalten. Zur audiovisuellen kommerziellen Kommunikation zählen unter anderem Fernsehwerbung, Sponsoring, Teleshopping und Produktplatzierung;“;

g)

Buchstabe k erhält folgende Fassung:

„k)

‚Sponsoring‘ jeden Beitrag von nicht im Bereich der Bereitstellung von audiovisuellen Mediendiensten oder Video-Sharing-Plattform-Diensten oder in der Produktion von audiovisuellen Werken tätigen öffentlichen oder privaten Unternehmen oder natürlichen Personen zur Finanzierung von audiovisuellen Mediendiensten, Video-Sharing-Plattform-Diensten, nutzergenerierten Videos oder Sendungen mit dem Ziel, ihren Namen, ihre Marke, ihr Image, ihre Tätigkeiten oder ihre Leistungen zu bewerben;“;

h)

Buchstabe m erhält folgende Fassung:

„m)

‚Produktplatzierung‘ jede Form audiovisueller kommerzieller Kommunikation, die darin besteht, gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung ein Produkt, eine Dienstleistung oder die entsprechende Marke einzubeziehen bzw. darauf Bezug zu nehmen, sodass diese innerhalb einer Sendung oder eines nutzergenerierten Videos erscheinen;“.

2.

Die Überschrift des Kapitels II erhält folgende Fassung:

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN FÜR AUDIOVISUELLE MEDIENDIENSTE“.

3.

Artikel 2 wird wie folgt geändert:

a)

Absatz 3 Buchstabe b erhält folgende Fassung:

„b)

hat ein Mediendiensteanbieter seine Hauptverwaltung in einem Mitgliedstaat, die redaktionellen Entscheidungen über den audiovisuellen Mediendienst jedoch in einem anderen Mitgliedstaat getroffen werden, gilt der Mediendienstanbieter als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem ein erheblicher Teil des mit der Durchführung der programmbezogenen Tätigkeiten des audiovisuellen Mediendienstes betrauten Personals tätig ist. Ist ein wesentlicher Teil des Personals des audiovisuellen Mediendienstes, das mit der Ausübung der sendungsbezogenen Tätigkeiten betraut ist, in jedem dieser Mitgliedstaaten tätig, so gilt der Mediendiensteanbieter als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem er seine Hauptverwaltung hat. Ist ein wesentlicher Teil des Personals des audiovisuellen Mediendienstes, das mit der Ausübung der sendungsbezogenen Tätigkeiten betraut ist, in keinem dieser Mitgliedstaaten tätig, so gilt der Mediendiensteanbieter als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem er zuerst mit seiner Tätigkeit nach Maßgabe des Rechts dieses Mitgliedstaats begonnen hat, sofern eine dauerhafte und tatsächliche Verbindung mit der Wirtschaft dieses Mitgliedstaats besteht;“.

b)

Die folgenden Absätze werden eingefügt:

„(5a)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Mediendiensteanbieter die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen über alle Änderungen unterrichten, die die Feststellung der Rechtshoheit gemäß den Absätzen 2, 3 und 4 berühren könnten.

(5b)   Die Mitgliedstaaten erstellen eine Liste der ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbieter, halten sie auf dem neuesten Stand und geben an, auf welchen der in den Absätzen 2 bis 5 genannten Kriterien ihre Rechtshoheit beruht. Die Mitgliedstaaten übermitteln diese Liste sowie alle Aktualisierungen dieser Liste der Kommission.

Die Kommission stellt sicher, dass solche Listen in einer zentralen Datenbank bereitgestellt werden. Im Falle von Unstimmigkeiten zwischen den Listen wendet sich die Kommission an die betreffenden Mitgliedstaaten, um eine Lösung zu finden. Die Kommission stellt sicher, dass die nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen auf diese Datenbank zugreifen können. Die Kommission macht die Informationen in der Datenbank öffentlich zugänglich.

(5c)   Können sich die betreffenden Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 3 oder 4 nicht darüber einigen, welcher Mitgliedstaat die Rechtshoheit ausübt, bringen sie diese Angelegenheit ohne unangemessene Verzögerung der Kommission zur Kenntnis. Die Kommission kann die Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (ERGA) auffordern, gemäß Artikel 30b Absatz 3 Buchstabe d zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen. ERGA nimmt innerhalb von 15 Arbeitstagen nach der Anfrage der Kommission zu der Angelegenheit Stellung. Die Kommission hält den gemäß Artikel 29 errichteten Kontaktausschuss ordnungsgemäß informiert.

Trifft die Kommission eine Entscheidung gemäß Artikel 3 Absatz 2, Artikel 3 Absatz 3 oder Artikel 4 Absatz 5, so entscheidet sie auch darüber, welcher Mitgliedstaat die Rechtshoheit ausübt.“

4.

Artikel 3 erhält folgende Fassung:

„Artikel 3

(1)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten den freien Empfang und behindern nicht die Weiterverbreitung von audiovisuellen Mediendiensten aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die Bereiche betreffen, die durch diese Richtlinie koordiniert sind.

(2)   Ein Mitgliedstaat kann vorübergehend von Absatz 1 dieses Artikels abweichen, wenn ein audiovisueller Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter erbracht wird, der der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterworfen ist, in offensichtlicher, ernster und schwerwiegender Weise gegen Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a oder Artikel 6a Absatz 1 verstößt oder eine Beeinträchtigung oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr der Beeinträchtigung für die öffentliche Gesundheit darstellt.

Die Abweichung gemäß Unterabsatz 1 ist an die folgenden Bedingungen gebunden:

a)

Der Mediendiensteanbieter hat während der vorangegangenen 12 Monate bereits mindestens zweimal eine oder mehrere der Handlungen gemäß Unterabsatz 1 begangen;

b)

der betreffende Mitgliedstaat hat dem Mediendiensteanbieter, dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit dieser Anbieter unterworfen ist, und der Kommission schriftlich die behaupteten Verstöße sowie die verhältnismäßigen Maßnahmen mitgeteilt, die er bei einem erneuten Auftreten eines derartigen Verstoßes zu ergreifen beabsichtigt;

c)

der betreffende Mitgliedstaat hat die Verteidigungsrechte des Mediendiensteanbieters gewahrt und diesem Anbieter insbesondere Gelegenheit gegeben, sich zu den behaupteten Verstößen zu äußern; und

d)

Konsultationen mit dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Mediendiensteanbieter unterworfen ist, und der Kommission haben innerhalb eines Monats nach Eingang der in Buchstabe b genannten Mitteilung bei der Kommission zu keiner gütlichen Einigung geführt.

Innerhalb von drei Monaten, nachdem die Kommission die Mitteilung der von dem betreffenden Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen erhalten hat, und nachdem sie die ERGA aufgefordert hat, gemäß Artikel 30b Absatz 3 Buchstabe d eine Stellungnahme abzugeben, trifft die Kommission eine Entscheidung über die Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Unionsrecht. Die Kommission hält den Kontaktausschuss ordnungsgemäß informiert. Entscheidet die Kommission, dass diese Maßnahmen nicht mit Unionsrecht vereinbar sind, fordert sie den betreffenden Mitgliedstaat auf, die beanstandeten Maßnahmen unverzüglich zu beenden.

(3)   Verstößt ein audiovisueller Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter erbracht wird, der der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterworfen ist, in offensichtlicher, ernster und schwerwiegender Weise gegen Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b oder stellt er eine Beeinträchtigung oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr der Beeinträchtigung für die öffentliche Sicherheit sowie für die Wahrung nationaler Sicherheits- und Verteidigungsinteressen dar, kann ein Mitgliedstaat vorübergehend von Absatz 1 dieses Artikels abweichen.

Eine Abweichung gemäß Unterabsatz 1 ist an die folgenden Bedingungen gebunden:

a)

Eine Handlung gemäß Unterabsatz 1 wurde während der vorangegangenen 12 Monate bereits mindestens einmal begangen;

und

b)

der betreffende Mitgliedstaat hat dem Mediendiensteanbieter, dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit dieser Anbieter unterworfen ist, und der Kommission schriftlich den behaupteten Verstoß sowie die verhältnismäßigen Maßnahmen mitgeteilt, die er bei einem erneuten Auftreten eines derartigen Verstoßes zu ergreifen beabsichtigt.

Der betreffende Mitgliedstaat wahrt die Verteidigungsrechte des betreffenden Mediendiensteanbieters und gibt diesem Anbieter insbesondere Gelegenheit, sich zu den behaupteten Verstößen zu äußern.

Innerhalb von drei Monaten, nachdem die Kommission die Mitteilung der von dem betreffenden Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen erhalten hat, und nachdem sie ERGA aufgefordert hat, gemäß Artikel 30b Absatz 3 Buchstabe d eine Stellungnahme abzugeben, trifft die Kommission eine Entscheidung über die Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Unionsrecht. Die Kommission hält den Kontaktausschuss ordnungsgemäß informiert. Entscheidet die Kommission, dass die Maßnahmen nicht mit Unionsrecht vereinbar sind, fordert sie den betreffenden Mitgliedstaat auf, die beanstandeten Maßnahmen unverzüglich zu beenden.

(4)   Die Absätze 2 und 3 lassen die Anwendung entsprechender Verfahren, rechtlicher Abhilfemaßnahmen oder Sanktionen bezüglich der betreffenden Verstöße in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Mediendiensteanbieter unterworfen ist, unberührt.

(5)   Die Mitgliedstaaten können in dringenden Fällen spätestens einen Monat nach dem behaupteten Verstoß von den in Absatz 3 Buchstaben a und b festgelegten Bedingungen abweichen. In diesem Fall werden die getroffenen Maßnahmen schnellstmöglich und unter Angabe der Gründe, aus denen der Mitgliedstaat der Auffassung ist, dass es sich um einen dringenden Fall handelt, der Kommission und dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Mediendiensteanbieter unterworfen ist, mitgeteilt. Die Kommission prüft schnellstmöglich, ob die mitgeteilten Maßnahmen mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Gelangt sie zu dem Schluss, dass die Maßnahmen nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sind, so fordert sie den betreffenden Mitgliedstaat auf, diese Maßnahmen unverzüglich zu beenden.

(6)   Fehlen der Kommission die zur Entscheidung gemäß Absatz 2 oder 3 notwendigen Informationen, fordert sie bei dem betreffenden Mitgliedstaat innerhalb eines Monats nach Eingang der Mitteilung alle für die Entscheidung notwendigen Informationen an. Die Frist für die Entscheidung durch die Kommission wird so lange ausgesetzt, bis dieser Mitgliedstaat die benötigten Informationen beigebracht hat. Die Fristaussetzung überschreitet in keinem Fall die Dauer von einem Monat.

(7)   Die Mitgliedstaaten und die Kommission tauschen im Rahmen des Kontaktausschusses und ERGA in Bezug auf das in diesem Artikel festgelegte Verfahren regelmäßig Erfahrungen und bewährte Verfahren aus.“

5.

Artikel 4 erhält folgende Fassung:

„Artikel 4

(1)   Die Mitgliedstaaten können Mediendiensteanbieter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, verpflichten, ausführlicheren oder strengeren Bestimmungen in den von dieser Richtlinie koordinierten Bereichen nachzukommen, sofern diese Bestimmungen mit dem Unionsrecht im Einklang stehen.

(2)   Wenn ein Mitgliedstaat

a)

sein Recht nach Absatz 1 in Anspruch genommen hat, um im öffentlichen Interesse liegende ausführlichere oder strengere Bestimmungen zu erlassen, und

b)

zu dem Schluss gelangt, dass ein der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterworfener Mediendiensteanbieter einen audiovisuellen Mediendienst erbringt, der ganz oder vorwiegend auf sein Hoheitsgebiet ausgerichtet ist,

kann er den Mitgliedstaat, der die Rechtshoheit innehat, ersuchen, sich aller in Bezug auf diesen Absatz festgestellten Schwierigkeiten anzunehmen. Beide Mitgliedstaaten arbeiten ernsthaft und zügig zusammen, um zu einer beiderseits zufriedenstellenden Lösung zu gelangen.

Bei Eingang eines begründeten Ersuchens gemäß Unterabsatz 1 fordert der Mitgliedstaat, der die Rechtshoheit innehat, den Mediendiensteanbieter zur Einhaltung der betreffenden im öffentlichen Interesse liegenden Bestimmungen auf. Der Mitgliedstaat, der die Rechtshoheit innehat, unterrichtet den ersuchenden Mitgliedstaat regelmäßig darüber, welche Schritte unternommen wurden, um sich der festgestellten Schwierigkeiten anzunehmen. Der Mitgliedstaat, der die Rechtshoheit innehat, unterrichtet den ersuchenden Mitgliedstaat und die Kommission binnen zwei Monaten ab Eingang des Ersuchens darüber, welche Ergebnisse erzielt wurden, und erläutert, falls keine Lösung gefunden werden konnte, die Gründe dafür.

Jeder der beiden Mitgliedstaaten kann den Kontaktausschuss jederzeit um Prüfung des Falles ersuchen.

(3)   Der betreffende Mitgliedstaat kann gegen den betreffenden Mediendiensteanbieter angemessene Maßnahmen ergreifen, wenn er

a)

zu dem Schluss gelangt, dass die durch Anwendung des Absatzes 2 erzielten Ergebnisse nicht zufriedenstellend sind, und

b)

Belege dafür vorgelegt hat, dass der betreffende Mediendiensteanbieter sich in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit er unterworfen ist, niedergelassen hat, um die in den von dieser Richtlinie koordinierten Bereichen geltenden strengeren Bestimmungen zu umgehen, denen er im Falle der Niederlassung im betreffenden Mitgliedstaat unterliegen würde; anhand der Belege muss eine solche Umgehung nach vernünftigem Ermessen feststellbar sein, wobei ein Nachweis der Absicht des Mediendiensteanbieters, diese strengeren Bestimmungen zu umgehen, nicht erforderlich ist.

Diese Maßnahmen müssen objektiv notwendig sein, auf nichtdiskriminierende Weise angewandt werden sowie bezüglich der damit verfolgten Ziele verhältnismäßig sein.

(4)   Ein Mitgliedstaat darf Maßnahmen gemäß Absatz 3 nur ergreifen, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)

Er hat der Kommission und dem Mitgliedstaat, in dem der Mediendiensteanbieter niedergelassen ist, seine Absicht mitgeteilt, derartige Maßnahmen zu ergreifen, und die Gründe dargelegt, auf die sich seine Beurteilung stützt;

b)

er hat die Verteidigungsrechte des betreffenden Mediendiensteanbieters gewahrt und diesem Mediendiensteanbieter insbesondere Gelegenheit gegeben, sich zu der behaupteten Umgehung und zu den vom mitteilenden Mitgliedstaat beabsichtigten Maßnahmen zu äußern; und

c)

die Kommission hat, nachdem sie bei der ERGA eine Stellungnahme gemäß Artikel 30b Absatz 3 Buchstabe d angefordert hat, entschieden, dass die Maßnahmen mit dem Unionsrecht vereinbar sind und dass insbesondere die Beurteilungen des Mitgliedstaats, der die Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels trifft, zutreffend begründet sind; die Kommission hält den Kontaktausschuss ordnungsgemäß informiert.

(5)   Innerhalb von drei Monaten, nachdem die Kommission die in Absatz 4 Buchstabe a genannte Mitteilung erhalten hat, trifft die Kommission die Entscheidung über die Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Unionsrecht. Entscheidet die Kommission, dass die Maßnahmen nicht mit Unionsrecht vereinbar sind, so fordert sie den betreffenden Mitgliedstaat auf, die beabsichtigten Maßnahmen nicht zu ergreifen.

Fehlen der Kommission die zu der Entscheidung gemäß Unterabsatz 1 notwendigen Informationen, fordert sie bei dem betreffenden Mitgliedstaat innerhalb eines Monats nach Eingang der Mitteilung alle für die Entscheidung notwendigen Informationen an. Die Frist für die Beschlussfassung durch die Kommission wird so lange ausgesetzt, bis dieser Mitgliedstaat die notwendigen Informationen beigebracht hat. Die Fristaussetzung überschreitet in keinem Fall die Dauer von einem Monat.

(6)   Die Mitgliedstaaten sorgen mit angemessenen Mitteln im Rahmen ihres nationalen Rechts dafür, dass die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbieter diese Richtlinie tatsächlich einhalten.

(7)   Die Richtlinie 2000/31/EG findet Anwendung, soweit in der vorliegenden Richtlinie nichts anderes vorgesehen ist. Im Falle einer Kollision zwischen der Richtlinie 2000/31/EG und der vorliegenden Richtlinie sind die Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie maßgeblich, sofern in der vorliegenden Richtlinie nichts anderes vorgesehen ist.“

6.

Folgender Artikel wird eingefügt:

„Artikel 4a

(1)   Die Mitgliedstaaten unterstützen die Nutzung der Koregulierung und die Förderung der Selbstregulierung mithilfe von Verhaltenskodizes, die auf nationaler Ebene in den von dieser Richtlinie koordinierten Bereichen angenommen werden, soweit das nach ihrem jeweiligen Rechtssystem zulässig ist. Diese Kodizes müssen

a)

derart gestaltet sein, dass sie von den Hauptbeteiligten in den betreffenden Mitgliedstaaten allgemein anerkannt werden,

b)

ihre Ziele klar und unmissverständlich darlegen,

c)

eine regelmäßige, transparente und unabhängige Überwachung und Bewertung ihrer Zielerfüllung vorsehen und

d)

eine wirksame Durchsetzung einschließlich wirksamer und verhältnismäßiger Sanktionen vorsehen.

(2)   Die Mitgliedstaaten und die Kommission können die Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes der Union fördern, die von Mediendiensteanbietern, Video-Sharing-Plattform-Anbietern oder Organisationen, die solche Anbieter vertreten, erforderlichenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Sektoren wie Industrie-, Handels-, Berufs- und Verbraucherverbänden oder -organisationen aufgestellt werden. Solche Kodizes müssen derart gestaltet sein, dass sie von den Hauptbeteiligten auf Unionsebene allgemein anerkannt werden und mit Absatz 1 Buchstaben b bis d in Einklang stehen. Die nationalen Verhaltenskodizes bleiben von den Verhaltenskodizes der Union unberührt.

In Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten erleichtert die Kommission im Einklang mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gegebenenfalls die Erstellung von Verhaltenskodizes der Union.

Die Unterzeichner der Verhaltenskodizes der Union übermitteln die Entwürfe dieser Kodizes sowie Änderungen daran der Kommission. Die Kommission konsultiert den Kontaktausschuss zu den Entwürfen dieser Kodizes oder Änderungen daran.

Die Kommission macht die Verhaltenskodizes der Union öffentlich zugänglich und kann für sie in angemessener Weise Öffentlichkeitsarbeit betreiben.

(3)   Es steht den Mitgliedstaaten weiterhin frei, ihrer Rechtshoheit unterworfene Mediendiensteanbieter zu verpflichten, ausführlicheren oder strengeren Bestimmungen nachzukommen, die mit dieser Richtlinie und dem Unionsrecht in Einklang stehen, einschließlich wenn ihre unabhängigen nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen zu dem Schluss gelangen, dass sich ein Verhaltenskodex oder Teile desselben als nicht wirksam genug erwiesen haben. Die Mitgliedsstaaten melden solche Vorschriften ohne unangemessene Verzögerung der Kommission.“

7.

Die Überschrift des Kapitels III erhält folgende Fassung:

BESTIMMUNGEN FÜR AUDIOVISUELLE MEDIENDIENSTE“.

8.

Artikel 5 erhält folgende Fassung:

„Artikel 5

(1)   Jeder Mitgliedstaat stellt sicher, dass ein seiner Rechtshoheit unterworfener Mediendiensteanbieter den Empfängern eines Dienstes mindestens die nachstehend aufgeführten Informationen leicht, unmittelbar und ständig zugänglich macht:

a)

seinen Namen;

b)

die geografische Anschrift, unter der er niedergelassen ist;

c)

Angaben, die es ermöglichen, schnell Kontakt mit ihm aufzunehmen und unmittelbar und wirksam mit ihm zu kommunizieren, einschließlich seiner E-Mail-Adresse oder seiner Webseite;

d)

den Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit er unterworfen ist, und die zuständigen Regulierungsbehörden oder -stellen oder Aufsichtsstellen.

(2)   Die Mitgliedstaaten können Gesetzgebungsmaßnahmen erlassen, nach denen ihrer Rechtshoheit unterliegende Mediendiensteanbieter zusätzlich zu den in Absatz 1 genannten Angaben auch Informationen über ihre Eigentümerstruktur einschließlich der wirtschaftlichen Eigentümer zugänglich machen müssen. Bei solchen Maßnahmen müssen die betreffenden Grundrechte, wie etwa das Privat- und Familienleben der wirtschaftlichen Eigentümer, gewahrt werden. Solche Maßnahmen müssen notwendig und verhältnismäßig sein und einem Ziel von allgemeinem Interesse dienen.“

9.

Artikel 6 erhält folgende Fassung:

„Artikel 6

(1)   Unbeschadet der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Menschenwürde zu achten und zu schützen, sorgen die Mitgliedstaaten mit angemessenen Mitteln dafür, dass die audiovisuellen Mediendienste, die von den ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbietern bereitgestellt werden,

a)

keine Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer Gruppe aus einem der in Artikel 21 der Charta genannten Gründe enthalten;

b)

keine öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat gemäß Artikel 5 der Richtlinie (EU) 2017/541 enthalten.

(2)   Die für die Zwecke dieses Artikels ergriffenen Maßnahmen müssen notwendig und verhältnismäßig sein und im Einklang mit den in der Charta niedergelegten Rechten und Grundsätzen stehen.“

10.

Folgender Artikel wird eingefügt:

„Artikel 6a

(1)   Die Mitgliedstaaten ergreifen angemessene Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass audiovisuelle Mediendienste, die von ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbietern bereitgestellt werden und die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, nur so bereitgestellt werden, dass sichergestellt ist, dass sie von Minderjährigen üblicherweise nicht gehört oder gesehen werden können. Zu solchen Maßnahmen zählen beispielsweise die Wahl der Sendezeit, Mittel zur Altersverifikation oder andere technische Maßnahmen. Sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zu der potenziellen Schädigung durch die Sendung stehen.

Die schädlichsten Inhalte wie grundlose Gewalttätigkeiten und Pornografie müssen den strengsten Maßnahmen unterliegen.

(2)   Personenbezogene Daten von Minderjährigen, die von Mediendienstanbietern nach Absatz 1 erhoben oder anderweitig gewonnen werde, dürfen nicht für kommerzielle Zwecke wie etwa Direktwerbung, Profiling und auf das Nutzungsverhalten abgestimmte Werbung verwendet werden.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Mediendiensteanbieter den Zuschauern ausreichende Informationen über Inhalte geben, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können. Hierzu nutzen die Mediendiensteanbieter ein System, mit dem die potenzielle Schädlichkeit des Inhalts eines audiovisuellen Mediendienstes beschrieben wird.

Zur Umsetzung dieses Absatzes unterstützen die Mitgliedstaaten die Nutzung der Koregulierung gemäß Artikel 4a Absatz 1.

(4)   Die Kommission ermutigt die Mediendiensteanbieter, bewährte Verfahren bezüglich auf Koregulierung beruhender Verhaltenskodizes auszutauschen. Die Mitgliedstaaten und die Kommission können für die Zwecke dieses Artikels die Selbstregulierung mithilfe von Verhaltenskodizes der Union gemäß Artikel 4a Absatz 2 fördern.“

11.

Artikel 7 erhält folgende Fassung:

„Artikel 7

(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen ohne unangemessene Verzögerung dafür, dass der Zugang zu Diensten, die von ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbietern bereitgestellt werden, für Menschen mit Behinderungen durch geeignete Maßnahmen stetig und schrittweise verbessert wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Mediendiensteanbieter den nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen regelmäßig über die Umsetzung der in Absatz 1 genannten Maßnahmen Bericht erstatten. Bis zum 19. Dezember 2022 und anschließend alle drei Jahre berichten die Mitgliedstaaten der Kommission über die Durchführung des Absatzes 1.

(3)   Die Mitgliedstaaten ermutigen die Mediendiensteanbieter, Aktionspläne für Barrierefreiheit zu erarbeiten, die auf eine stetige und schrittweise Verbesserung des Zugangs zu ihren Diensten für Menschen mit Behinderungen ausgerichtet sind. Jeder derartige Aktionsplan wird den nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen übermittelt.

(4)   Jeder Mitgliedstaat legt eine einzige, auch für Menschen mit Behinderungen leicht zugängliche und öffentlich verfügbare Online-Anlaufstelle fest, über die Informationen bereitgestellt und Beschwerden entgegengenommen werden, die die in diesem Artikel genannten Fragen der Barrierefreiheit betreffen.

(5)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Notfallinformationen, einschließlich öffentlicher Mitteilungen und Bekanntmachungen im Fall von Naturkatastrophen, die der Öffentlichkeit mittels audiovisueller Mediendienste zugänglich gemacht werden, so bereitgestellt werden, dass sie für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind.“

12.

Folgende Artikel werden eingefügt:

„Artikel 7a

Die Mitgliedstaaten können Maßnahmen ergreifen, um eine angemessene Herausstellung audiovisueller Mediendienste von allgemeinem Interesse sicherzustellen.

Artikel 7b

Die Mitgliedstaaten ergreifen angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen, um sicherzustellen, dass von Mediendiensteanbietern bereitgestellte audiovisuelle Mediendienste nicht ohne die ausdrückliche Zustimmung dieser Anbieter zu kommerziellen Zwecken überblendet oder verändert werden.

Für die Zwecke dieses Artikels bestimmen die Mitgliedstaaten die genauen rechtlichen Bedingungen einschließlich Ausnahmen — insbesondere zur Wahrung der berechtigten Interessen der Nutzer —, wobei sie die berechtigten Interessen der Mediendiensteanbieter berücksichtigen, die die audiovisuellen Mediendienste ursprünglich bereitgestellt haben.“

13.

Artikel 9 erhält folgende Fassung:

„Artikel 9

(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation, die von den ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbietern bereitgestellt wird, folgenden Anforderungen genügt:

a)

Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation muss leicht als solche zu erkennen sein; audiovisuelle kommerzielle Kommunikation in Form von Schleichwerbung ist verboten;

b)

in der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation dürfen keine Techniken der unterschwelligen Beeinflussung eingesetzt werden;

c)

audiovisuelle kommerzielle Kommunikation darf nicht

i)

die Menschenwürde verletzen;

ii)

eine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Rasse oder ethnischer Herkunft, Staatsangehörigkeit, Religion oder Glauben, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung beinhalten oder fördern;

iii)

Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit gefährden;

iv)

Verhaltensweisen fördern, die den Schutz der Umwelt in hohem Maße gefährden;

d)

jede Form der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation für Zigaretten und andere Tabakerzeugnissen sowie elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter ist untersagt;

e)

audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke darf nicht speziell an Minderjährige gerichtet sein und darf nicht den übermäßigen Genuss solcher Getränke fördern;

f)

audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für Arzneimittel und medizinische Behandlungen, die in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Mediendiensteanbieter unterworfen ist, nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind, ist untersagt;

g)

audiovisuelle kommerzielle Kommunikation darf nicht zur körperlichen, geistigen oder sittlichen Beeinträchtigung Minderjähriger führen, daher darf sie keine direkten Aufrufe zum Kauf oder zur Miete von Waren oder Dienstleistungen an Minderjährige richten, die deren Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit ausnutzen, Minderjährige nicht unmittelbar dazu anregen, ihre Eltern oder Dritte zum Kauf der beworbenen Waren oder Dienstleistungen zu bewegen, nicht das besondere Vertrauen Minderjähriger zu Eltern, Lehrern und anderen Personen ausnutzen, oder Minderjährige nicht ohne berechtigten Grund in gefährlichen Situationen zeigen.

(2)   Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke in audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf — mit Ausnahme von Sponsoring und Produktplatzierung — muss die in Artikel 22 genannten Kriterien erfüllen.

(3)   Die Mitgliedstaaten unterstützen die Nutzung der Koregulierung und die Förderung der Selbstregulierung mithilfe von Verhaltenskodizes gemäß Artikel 4a Absatz 1, in Bezug auf unangebrachte audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke. Diese Kodizes zielen darauf ab, die Einwirkung audiovisueller kommerzieller Kommunikation für alkoholische Getränke auf Minderjährige wirkungsvoll zu verringern.

(4)   Die Mitgliedstaaten unterstützen die Nutzung der Koregulierung und die Förderung der Selbstregulierung mithilfe von Verhaltenskodizes gemäß Artikel 4a Absatz 1, in Bezug auf unangebrachte audiovisuelle kommerzielle Kommunikation, die Kindersendungen begleitet oder darin enthalten ist und Lebensmittel und Getränke betrifft, die Nährstoffe oder Substanzen mit ernährungsbezogener oder physiologischer Wirkung enthalten, insbesondere Fett, Transfettsäuren, Salz oder Natrium, sowie Zucker, deren übermäßige Aufnahme im Rahmen der Gesamternährung nicht empfohlen wird.

Diese Kodizes zielen darauf ab, die Einwirkung audiovisueller kommerzieller Kommunikation für solche Lebensmittel und Getränke auf Kinder wirkungsvoll zu verringern. Sie sehen vor, dass die positiven Ernährungseigenschaften solcher Lebensmittel und Getränke durch diese audiovisuelle kommerzielle Kommunikation nicht hervorgehoben werden.

(5)   Die Mitgliedstaaten und die Kommission können die Selbstregulierung für die Zwecke dieses Artikels mithilfe von Verhaltenskodizes der Union gemäß Artikel 4a Absatz 2 fördern.“

14.

Artikel 10 wird wie folgt geändert:

a)

Absatz 2 erhält folgende Fassung:

„(2)   Audiovisuelle Mediendienste oder Sendungen dürfen nicht von Unternehmen gesponsert werden, deren Haupttätigkeit die Herstellung oder der Verkauf von Zigaretten und anderen Tabakerzeugnissen sowie von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern ist.“

b)

Absatz 4 erhält folgende Fassung:

„(4)   Nachrichtensendungen und Sendungen zur politischen Information dürfen nicht gesponsert werden. Die Mitgliedstaaten können das Sponsoring von Kindersendungen untersagen. Die Mitgliedstaaten können sich dafür entscheiden, das Zeigen von Sponsorenlogos in Kindersendungen, Dokumentationen und Sendungen religiösen Inhalts zu untersagen.“

15.

Artikel 11 erhält folgende Fassung:

„Artikel 11

(1)   Dieser Artikel gilt nur für Sendungen, die nach dem 19. Dezember 2009 produziert werden.

(2)   Produktplatzierung ist in allen audiovisuellen Mediendiensten gestattet, außer in Nachrichtensendungen und Sendungen zur politischen Information, Verbrauchersendungen, Sendungen religiösen Inhalts und Kindersendungen.

(3)   Sendungen, die Produktplatzierung enthalten, müssen folgende Anforderungen erfüllen:

a)

Ihr Inhalt und ihre Platzierung im Sendeplan, bei Fernsehsendungen, oder in einem Katalog, im Fall von audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf, dürfen keinesfalls so beeinflusst werden, dass die Verantwortung und redaktionelle Unabhängigkeit des Mediendiensteanbieters beeinträchtigt wird;

b)

sie dürfen nicht unmittelbar zu Kauf, Miete oder Pacht von Waren oder Dienstleistungen anregen, insbesondere nicht durch spezielle verkaufsfördernde Hinweise auf diese Waren oder Dienstleistungen;

c)

sie dürfen das betreffende Produkt nicht zu stark herausstellen;

d)

die Zuschauer müssen zu Sendungsbeginn und -ende sowie bei Fortsetzung einer Sendung nach einer Werbeunterbrechung durch eine angemessene Kennzeichnung eindeutig auf das Bestehen einer Produktplatzierung hingewiesen werden, damit jede Irreführung des Zuschauers verhindert wird.

Die Mitgliedstaaten können von den Anforderungen des Buchstabens d absehen; dies gilt nicht für Sendungen, die von einem Mediendiensteanbieter oder von einem mit diesem Mediendiensteanbieter verbundenen Unternehmen produziert oder in Auftrag gegeben wurden.

(4)   Sendungen dürfen unter keinen Umständen die folgenden Produktplatzierungen enthalten:

a)

Produktplatzierung zugunsten von Zigaretten und anderen Tabakerzeugnissen sowie von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern oder zugunsten von Unternehmen, deren Haupttätigkeit die Herstellung oder der Verkauf dieser Erzeugnisse ist;

b)

Produktplatzierung zugunsten bestimmter Arzneimittel oder medizinischer Behandlungen, die in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Mediendiensteanbieter unterworfen ist, nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind.“

16.

Die Überschrift des Kapitels IV wird gestrichen.

17.

Artikel 12 wird gestrichen.

18.

Artikel 13 erhält folgende Fassung:

„Artikel 13

(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbieter audiovisueller Mediendienste auf Abruf sicherstellen, dass ihre Kataloge einen Mindestanteil europäischer Werke von 30 % enthalten und solche Werke herausgestellt werden.

(2)   Verpflichten die Mitgliedstaaten die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbieter dazu, finanziell zur Produktion europäischer Werke beizutragen, auch durch Direktinvestitionen in Inhalte und durch Beiträge zu nationalen Fonds, können sie auch Mediendiensteanbieter, die auf Zuschauer in ihrem Gebiet abzielen, aber in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, zur Leistung solcher Beiträge verpflichten, die verhältnismäßig und diskriminierungsfrei sein müssen.

(3)   Im Falle von Absatz 2 beruht der finanzielle Beitrag nur auf den Einnahmen, die in den betreffenden Zielmitgliedstaaten erzielt werden. Erlegt der Mitgliedstaat, in dem der Anbieter niedergelassen ist, einen solchen finanziellen Beitrag auf, berücksichtigt er etwaige von Zielmitgliedstaaten auferlegte finanzielle Verpflichtungen. Jeder finanzielle Beitrag muss mit dem Unionsrecht und insbesondere mit den Vorschriften für staatliche Beihilfen vereinbar sein.

(4)   Die Mitgliedstaaten berichten der Kommission bis zum 19. Dezember 2021 und anschließend alle zwei Jahre über die Durchführung der Absätze 1 und 2.

(5)   Auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten übermittelten Informationen und einer unabhängigen Studie erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat über die Anwendung der Absätze 1 und 2 Bericht und trägt dabei der Marktlage und den technischen Entwicklungen sowie dem Ziel der kulturellen Vielfalt Rechnung.

(6)   Die gemäß Absatz 1 auferlegte Verpflichtung und die Anforderung gemäß Absatz 2 an Mediendiensteanbieter, die auf Zuschauer im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats abzielen, gelten nicht für Mediendiensteanbieter mit geringen Umsätzen oder geringen Zuschauerzahlen. Die Mitgliedstaaten können von diesen Verpflichtungen oder Anforderungen auch dann absehen, wenn diese wegen der Art oder des Themas der audiovisuellen Mediendienste undurchführbar oder ungerechtfertigt wären.

(7)   Die Kommission gibt nach Konsultation des Kontaktausschusses Leitlinien für die Berechnung des Anteils europäischer Werke gemäß Absatz 1 und für die Definition einer geringen Zuschauerzahl und eines geringen Umsatzes gemäß Absatz 6 heraus.“

19.

Artikel 19 Absatz 2 erhält folgende Fassung:

„(2)   Einzeln gesendete Fernsehwerbe- und Teleshoppingspots sind im Rahmen von Sportveranstaltungen zulässig. Einzeln gesendete Fernsehwerbe- und Teleshoppingspots müssen, außer bei der Übertragung von Sportveranstaltungen, die Ausnahme bilden.“

20.

Artikel 20 Absatz 2 erhält folgende Fassung:

„(2)   Die Übertragung von Fernsehfilmen (mit Ausnahme von Serien, Reihen und Dokumentationen), Kinospielfilmen und Nachrichtensendungen darf für jeden programmierten Zeitraum von mindestens 30 Minuten einmal für Fernsehwerbung oder Teleshopping unterbrochen werden. Die Übertragung von Kindersendungen darf für jeden programmierten Zeitraum von mindestens 30 Minuten einmal für Fernsehwerbung unterbrochen werden, sofern die Gesamtdauer der Sendung nach dem Sendeplan mehr als 30 Minuten beträgt. Die Übertragung von Teleshopping ist während Kindersendungen untersagt. Die Übertragung von Gottesdiensten darf nicht durch Fernsehwerbung oder Teleshopping unterbrochen werden.“

21.

Artikel 23 erhält folgende Fassung:

„Artikel 23

(1)   Der Sendezeitanteil von Fernsehwerbespots und Teleshoppingspots darf im Zeitraum von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr 20 % dieses Zeitraums nicht überschreiten. Der Sendezeitanteil von Fernsehwerbespots und Teleshoppingspots darf im Zeitraum von 18.00 Uhr bis 24.00 Uhr 20 % dieses Zeitraums nicht überschreiten.

(2)   Absatz 1 gilt nicht für

a)

Hinweise des Fernsehveranstalters auf seine eigenen Sendungen und auf Begleitmaterialien, die direkt von diesen Sendungen abgeleitet sind, oder auf Sendungen und audiovisuelle Mediendienste anderer Teile derselben Sendergruppe;

b)

Sponsorenhinweise;

c)

Produktplatzierungen;

d)

neutrale Einzelbilder zwischen redaktionellen Inhalten und Fernsehwerbe- oder Teleshoppingspots sowie zwischen einzelnen Spots.“

22.

Kapitel VIII wird gestrichen.

23.

Folgendes Kapitel wird eingefügt:

„KAPITEL IXA

BESTIMMUNGEN FÜR VIDEO-SHARING-PLATTFORM-DIENSTE

Artikel 28a

(1)   Für die Zwecke dieser Richtlinie unterliegt ein Video-Sharing-Plattform-Anbieter, der im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 der Richtlinie 2000/31/EG im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats niedergelassen ist, der Rechtshoheit dieses Mitgliedstaats.

(2)   Ein Video-Sharing-Plattform-Anbieter, der nicht gemäß Absatz 1 im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats niedergelassen ist, gilt für die Zwecke dieser Richtlinie als im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats niedergelassen, wenn dieser Video-Sharing-Plattform-Anbieter

a)

ein Mutterunternehmen oder ein Tochterunternehmen hat, das im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats niedergelassen ist, oder

b)

Teil einer Gruppe ist und ein anderes Unternehmen dieser Gruppe im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats niedergelassen ist.

Für die Zwecke dieses Artikels bezeichnet der Ausdruck

a)

‚Mutterunternehmen‘ ein Unternehmen, das ein oder mehrere Tochterunternehmen kontrolliert;

b)

‚Tochterunternehmen‘ ein von einem Mutterunternehmen kontrolliertes Unternehmen, einschließlich jedes mittelbar kontrollierten Tochterunternehmens eines Mutterunternehmens;

c)

‚Gruppe‘ ein Mutterunternehmen, alle seine Tochterunternehmen und alle anderen mit ihnen wirtschaftlich und rechtlich verbundenen Unternehmen.

(3)   Sind das Mutterunternehmen, das Tochterunternehmen oder die anderen Unternehmen der Gruppe jeweils in verschiedenen Mitgliedstaaten niedergelassen, so gilt der Video-Sharing-Plattform-Anbieter für die Zwecke der Anwendung des Absatzes 2 als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem sein Mutterunternehmen niedergelassen ist, oder — mangels einer solchen Niederlassung — als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem sein Tochterunternehmen niedergelassen ist, oder — mangels einer solchen Niederlassung — als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem das andere Unternehmen der Gruppe niedergelassen ist.

(4)   Gibt es mehrere Tochterunternehmen und ist jedes dieser Tochterunternehmen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen, so gilt der Video-Sharing-Plattform-Anbieter für die Zwecke der Anwendung des Absatzes 3 als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem eines der Tochterunternehmen zuerst seine Tätigkeit aufgenommen hat, sofern eine dauerhafte und tatsächliche Verbindung mit der Wirtschaft dieses Mitgliedstaats besteht.

Gibt es mehrere andere Unternehmen, die Teil der Gruppe sind und von denen jedes in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, so gilt der Video-Sharing-Plattform-Anbieter als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem eines dieser Unternehmen zuerst seine Tätigkeit aufgenommen hat, sofern eine dauerhafte und tatsächliche Verbindung mit der Wirtschaft dieses Mitgliedstaats besteht.

(5)   Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten Artikel 3 und die Artikel 12 bis 15 der Richtlinie 2000/31/EG für Video-Sharing-Plattform-Anbieter, die gemäß Absatz 2 dieses Artikels als im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats niedergelassen gelten.

(6)   Die Mitgliedstaaten erstellen eine Liste der in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen oder als niedergelassen geltenden Video-Sharing-Plattform-Anbieter, halten sie auf dem neuesten Stand und geben an, auf welchen der in den Absätzen 1 bis 4 genannten Kriterien ihre Rechtshoheit beruht. Die Mitgliedstaaten übermitteln diese Liste sowie alle Aktualisierungen dieser Liste der Kommission.

Die Kommission stellt sicher, dass solche Listen in einer zentralen Datenbank bereitgestellt werden. Im Fall von Unstimmigkeiten zwischen den Listen wendet sich die Kommission an die betreffenden Mitgliedstaaten, um eine Lösung zu finden. Die Kommission stellt sicher, dass die nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen auf diese Datenbank zugreifen können. Die Kommission macht die Informationen in der Datenbank öffentlich zugänglich.

(7)   Können sich die betreffenden Mitgliedstaaten bei der Anwendung dieses Artikels nicht darüber einigen, welcher Mitgliedstaat die Rechtshoheit ausübt, bringen sie diese Angelegenheit ohne unangemessene Verzögerung der Kommission zur Kenntnis. Die Kommission kann die ERGA auffordern, gemäß Artikel 30b Absatz 3 Buchstabe d zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen. ERGA nimmt innerhalb von 15 Arbeitstagen nach der Anfrage der Kommission zu der Angelegenheit Stellung. Die Kommission hält den Kontaktausschuss ordnungsgemäß informiert.

Artikel 28b

(1)   Unbeschadet der Artikel 12 bis 15 der Richtlinie 2000/31/EG sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass ihrer Rechtshoheit unterliegende Video-Sharing-Plattform-Anbieter angemessene Maßnahmen treffen, um

a)

Minderjährige gemäß Artikel 6a Absatz 1 vor Sendungen, nutzergenerierten Videos und audiovisueller kommerzieller Kommunikation zu schützen, die ihre körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung beeinträchtigen können;

b)

die Allgemeinheit vor Sendungen, nutzergenerierten Videos und audiovisueller kommerzieller Kommunikation zu schützen, in denen zu Gewalt oder Hass gegen eine Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer Gruppe aus einem der in Artikel 21 der Charta genannten Gründe aufgestachelt wird;

c)

die Allgemeinheit vor Sendungen, nutzergenerierten Videos und audiovisueller kommerzieller Kommunikation mit Inhalten zu schützen, deren Verbreitung gemäß Unionsrecht eine Straftat darstellt, nämlich die öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie (EU) 2017/541, Straftaten im Zusammenhang mit Kinderpornografie im Sinne des Artikels 5 Absatz 4 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (*1) und rassistische und fremdenfeindliche Straftaten im Sinne des Artikels 1 des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Video-Sharing-Plattform-Anbieter die Anforderungen des Artikels 9 Absatz 1 in Bezug auf audiovisuelle kommerzielle Kommunikation, die von diesen Video-Sharing-Plattform-Anbietern vermarktet, verkauft oder zusammengestellt wird, erfüllen.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Video-Sharing-Plattform-Anbieter angemessene Maßnahmen ergreifen, um die Anforderungen nach Artikel 9 Absatz 1 in Bezug auf audiovisuelle kommerzielle Kommunikation, die nicht von diesen Video-Sharing-Plattform-Anbietern vermarktet, verkauft oder zusammengestellt wird, zu erfüllen, wobei der Tatsache, dass die Video-Sharing-Plattform-Anbieter nur eine begrenzte Kontrolle über eine solche audiovisuelle kommerzielle Kommunikation ausüben, Rechnung zu tragen ist.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Video-Sharing-Plattform-Anbieter ihre Nutzer eindeutig auf Sendungen und nutzergenerierte Videos hinweisen, die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation enthalten, vorausgesetzt, dass eine solche Kommunikation gemäß Absatz 3 Unterabsatz 3 Buchstabe c erklärt wurde oder der Anbieter Kenntnis davon hat.

Die Mitgliedstaaten unterstützen die Nutzung der Koregulierung und die Förderung der Selbstregulierung mithilfe von Verhaltenskodizes gemäß Artikel 4a Absatz 1, um die Einwirkung audiovisueller kommerzieller Kommunikation für Lebensmittel und Getränke, die Nährstoffe und Substanzen mit ernährungsbezogener oder physiologischer Wirkung enthalten — insbesondere Fett, Transfettsäuren, Salz oder Natrium, sowie Zucker —, deren übermäßige Aufnahme im Rahmen der Gesamternährung nicht empfohlen wird, auf Kinder wirkungsvoll zu verringern. Diese Kodizes sehen möglichst vor, dass die positiven Ernährungseigenschaften solcher Lebensmittel und Getränke durch diese audiovisuelle kommerzielle Kommunikation nicht hervorgehoben werden.

(3)   Für die Zwecke der Absätze 1 und 2 werden die angemessenen Maßnahmen in Anbetracht der Art der fraglichen Inhalte, des Schadens, den sie anrichten können, der Merkmale der zu schützenden Personenkategorie sowie der betroffenen Rechte und berechtigten Interessen, einschließlich derer der Video-Sharing-Plattform-Anbieter und der Nutzer, die die Inhalte erstellt oder hochgeladen haben, sowie des öffentlichen Interesses bestimmt.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle ihrer Rechtshoheit unterworfenen Video-Sharing-Plattform-Anbieter solche Maßnahmen anwenden. Diese Maßnahmen müssen durchführbar und verhältnismäßig sein und der Größe des Video-Sharing-Plattform-Dienstes und der Art des angebotenen Dienstes Rechnung tragen. Solche Maßnahmen dürfen weder zu Ex-ante-Kontrollmaßnahmen noch zur Filterung von Inhalten beim Hochladen, die nicht mit Artikel 15 der Richtlinie 2000/31/EG im Einklang stehen, führen. Zum Schutz Minderjähriger gemäß Absatz 1 Buchstabe a dieses Artikels unterliegen die schädlichsten Inhalte den strengsten Maßnahmen der Zugangskontrolle.

Solche Maßnahmen beinhalten, soweit zweckmäßig:

a)

die Aufnahme der Anforderungen gemäß Absatz 1 in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Video-Sharing-Plattform-Dienste und die Anwendung dieser Anforderungen;

b)

die Aufnahme der Anforderungen des Artikels 9 Absatz 1 für audiovisuelle kommerzielle Kommunikation, die nicht von den Video-Sharing-Plattform-Anbietern vermarktet, verkauft oder zusammengestellt wird, in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Video-Sharing-Plattform-Dienste und die Anwendung dieser Anforderungen;

c)

die Bereitstellung einer Funktion für Nutzer, die nutzergenerierte Videos hochladen, mit der sie erklären können, ob diese Videos audiovisuelle kommerzielle Kommunikation enthalten, soweit sie davon Kenntnis haben oder eine solche Kenntnis nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann;

d)

die Einrichtung und den Betrieb von transparenten und nutzerfreundlichen Mechanismen, mit denen Video-Sharing-Plattform-Nutzer dem betreffenden Video-Sharing-Plattform-Anbieter die in Absatz 1 genannten Inhalte, die auf seiner Plattform bereitgestellt werden, melden oder anzeigen können;

e)

die Einrichtung und den Betrieb von Systemen, mit denen Video-Sharing-Plattform-Anbieter den Video-Sharing-Plattform-Nutzern erklären, wie den Meldungen oder Anzeigen gemäß Buchstabe d Folge geleistet wurde;

f)

die Einrichtung und den Betrieb von Systemen zur Altersverifikation für Video-Sharing-Plattform-Nutzer in Bezug auf Inhalte, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können;

g)

die Einrichtung und den Betrieb von leicht zu handhabenden Systemen, mit denen Video-Sharing-Plattform-Nutzer die in Absatz 1 genannten Inhalte bewerten können;

h)

die Bereitstellung von Systemen zur Kontrolle durch Eltern, die der Kontrolle der Endnutzer unterliegen, in Bezug auf Inhalte, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können;

i)

die Einrichtung und den Betrieb von transparenten, leicht zu handhabenden und wirksamen Verfahren für den Umgang mit und die Beilegung von Beschwerden des Nutzers gegenüber dem Video-Sharing-Plattform-Anbieter in Bezug auf die Umsetzung der in den Buchstaben d bis h genannten Maßnahmen;

j)

das Angebot wirksamer Maßnahmen und Instrumente für Medienkompetenz und die Sensibilisierung der Nutzer für diese Maßnahmen und Instrumente.

Personenbezogene Daten von Minderjährigen, die von Video-Sharing-Plattform-Anbietern gemäß Unterabsatz 3 Buchstaben f und h erhoben oder anderweitig gewonnen werden, dürfen nicht für kommerzielle Zwecke wie etwa Direktwerbung, Profiling und auf das Nutzungsverhalten abgestimmte Werbung verwendet werden.

(4)   Zur Umsetzung der in den Absätzen 1 und 3 dieses Artikels genannten Maßnahmen unterstützen die Mitgliedstaaten die Nutzung der Koregulierung gemäß Artikel 4a Absatz 1.

(5)   Die Mitgliedstaaten schaffen die erforderlichen Mechanismen zur Beurteilung der Angemessenheit der in Absatz 3 genannten Maßnahmen der Video-Sharing-Plattform-Anbieter. Die Mitgliedstaaten betrauen die nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen mit der Beurteilung dieser Maßnahmen.

(6)   Die Mitgliedstaaten können Video-Sharing-Plattform-Anbietern Maßnahmen auferlegen, die ausführlicher oder strenger sind als die in Absatz 3 dieses Artikels genannten Maßnahmen. Erlassen sie solche Maßnahmen, halten die Mitgliedstaaten die im geltenden Unionsrecht festgelegten Anforderungen ein, darunter die Vorgaben der Artikel 12 bis 15 der Richtlinie 2000/31/EG oder des Artikels 25 der Richtlinie 2011/93/EU.

(7)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Nutzern und Video-Sharing-Plattform-Anbietern bezüglich der Anwendung der Absätze 1 und 3 außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren zur Verfügung stehen. Diese Verfahren ermöglichen eine unparteiische Streitbeilegung und entziehen dem Nutzer nicht seinen Rechtsschutz nach nationalem Recht.

(8)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Nutzer ihre Rechte gegenüber Video-Sharing-Plattform-Anbietern gemäß Absatz 1 und 3 vor Gericht geltend machen können.

(9)   Die Kommission ermutigt die Video-Sharing-Plattform-Anbieter, bewährte Verfahren bezüglich auf Koregulierung beruhender Verhaltenskodizes gemäß Absatz 4 auszutauschen.

(10)   Die Mitgliedstaaten und die Kommission können die Selbstregulierung mithilfe von Verhaltenskodizes der Union gemäß Artikel 4a Absatz 2 fördern.

(*1)  Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1).“"

24.

Die Überschrift des Kapitels XI erhält folgende Fassung:

REGULIERUNGSBEHÖRDEN UND-STELLEN DER MITGLIEDSTAATEN“.

25.

Artikel 30 erhält folgende Fassung:

„Artikel 30

(1)   Jeder Mitgliedstaat benennt eine oder mehrere nationale Regulierungsbehörde oder -stelle. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass diese rechtlich von Regierungsstellen getrennt und funktionell unabhängig von ihren jeweiligen Regierungen und anderen öffentlichen oder privaten Einrichtungen sind. Die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Regulierungsbehörden einzurichten, die die Aufsicht über verschiedene Sektoren führen, bleibt hiervon unberührt.

(2)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen ihre Befugnisse unparteiisch und transparent und im Einklang mit den Zielen dieser Richtlinie — insbesondere Medienpluralismus, kulturelle und sprachliche Vielfalt, Verbraucherschutz, Barrierefreiheit, Diskriminierungsfreiheit, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und Förderung eines fairen Wettbewerbs — ausüben.

Die nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen holen im Zusammenhang mit der Erfüllung der ihnen nach nationalem Recht zur Umsetzung des Unionsrechts übertragenen Aufgaben weder Weisungen einer anderen Stelle ein noch nehmen sie solche entgegen. Dies steht einer Aufsicht im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht nicht entgegen.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Zuständigkeiten und Befugnisse der nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen sowie die Art und Weise, wie diese zur Rechenschaft gezogen werden, eindeutig gesetzlich geregelt sind.

(4)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen angemessene finanzielle und personelle Mittel und Durchsetzungsbefugnisse haben, um ihre Aufgaben wirksam wahrzunehmen und zur Arbeit der ERGA beizutragen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen über eigene jährliche Haushaltspläne verfügen, die veröffentlicht werden.

(5)   Die Mitgliedstaaten regeln in ihrem nationalen Recht die Bedingungen und Verfahren für die Ernennung und die Entlassung sowie die Dauer der Mandate der Leiter nationaler Regulierungsbehörden und -stellen oder der Mitglieder des Kollegiums, das diese Funktion ausübt. Die Verfahren müssen transparent und diskriminierungsfrei sein, und das erforderliche Maß an Unabhängigkeit muss sichergestellt sein. Der Leiter einer nationalen Regulierungsbehörde oder -stelle oder die Mitglieder des Kollegiums, das diese Funktion innerhalb einer nationalen Regulierungsbehörde oder -stelle ausübt, dürfen entlassen werden, wenn sie die zuvor auf nationaler Ebene festgelegten Voraussetzungen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht mehr erfüllen. Eine Entlassungsentscheidung muss ausreichend begründet, vorab mitgeteilt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

(6)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass es auf nationaler Ebene wirksame Beschwerdeverfahren gibt. Die Beschwerdestelle, bei der es sich um ein Gericht handeln kann, muss von den an der Beschwerde beteiligten Parteien unabhängig sein.

Bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens bleibt die Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde oder -stelle wirksam, sofern nicht nach Maßgabe des nationalen Rechts einstweilige Maßnahmen erlassen werden.“

26.

Folgende Artikel werden eingefügt:

„Artikel 30a

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass nationale Regulierungsbehörden oder -stellen angemessene Maßnahmen ergreifen, um einander und der Kommission die Informationen zu übermitteln, die für die Anwendung dieser Richtlinie und insbesondere der Artikel 2, 3 und 4 notwendig sind.

(2)   Werden nationale Regulierungsbehörden oder -stellen im Zuge des Informationsaustauschs nach Absatz 1 von einem ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbieter darüber unterrichtet, dass er einen Dienst erbringen wird, der ganz oder vorwiegend auf Zuschauer eines anderen Mitgliedstaats ausgerichtet ist, so unterrichtet die nationale Regulierungsbehörde oder -stelle in dem die Rechtshoheit innehabenden Mitgliedstaat die nationale Regulierungsbehörde oder -stelle des Zielmitgliedstaats.

(3)   Richtet die Regulierungsbehörde oder -stelle eines Mitgliedstaats, auf dessen Hoheitsgebiet ein der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterworfener Mediendienstanbieter abzielt, ein Ersuchen betreffend die Tätigkeiten dieses Anbieters an die Regulierungsbehörde oder -stelle des Mitgliedstaats, der die Rechtshoheit über diesen Anbieter ausübt, so unternimmt die letztgenannte Regulierungsbehörde oder -stelle alles in ihrer Macht Stehende, um dem Ersuchen innerhalb von zwei Monaten — unbeschadet strengerer Fristen, die nach dieser Richtlinie anwendbar sind — nachzukommen. Die Regulierungsbehörde oder -stelle des Zielmitgliedstaats stellt der Regulierungsbehörde oder -stelle des die Rechtshoheit innehabenden Mitgliedstaats auf Ersuchen alle Informationen zur Verfügung, die sie dabei unterstützen können, dem Ersuchen nachzukommen.

Artikel 30b

(1)   Die Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (ERGA) wird hiermit eingesetzt.

(2)   Sie setzt sich zusammen aus Vertretern nationaler Regulierungsbehörden oder -stellen für den Bereich der audiovisuellen Mediendienste mit Hauptzuständigkeit für die Aufsicht über audiovisuelle Mediendienste oder — wenn es keine nationale Regulierungsbehörde oder -stelle gibt — aus anderen Vertretern, die im Wege der dafür vorgesehenen Verfahren ausgewählt werden. Ein Vertreter der Kommission nimmt an den Sitzungen der ERGA teil.

(3)   Die ERGA hat folgende Aufgaben:

a)

Bereitstellung von technischem Sachverstand für die Kommission in Bezug auf

ihre Aufgabe, eine kohärente Umsetzung dieser Richtlinie in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen, sowie

Angelegenheiten, die audiovisuelle Mediendienste betreffen und in ihre Zuständigkeit fallen;

b)

den Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren in Bezug auf die Anwendung des Rechtsrahmens für audiovisuelle Mediendienste, einschließlich Barrierefreiheit und Medienkompetenz;

c)

Zusammenarbeit und Versorgung ihrer Mitglieder mit den erforderlichen Informationen für die Anwendung dieser Richtlinie, insbesondere bezüglich der Artikel 3, 4 und 7;

d)

auf Anfrage der Kommission — Abgabe von Stellungnahmen zu den technischen und faktischen Aspekten der Fragen gemäß Artikel 2 Absatz 5c, Artikel 3 Absätze 2 und 3, Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe c und Artikel 28a Absatz 7.

(4)   Die ERGA gibt sich eine Geschäftsordnung.“

27.

Artikel 33 erhält folgende Fassung:

„Artikel 33

Die Kommission überwacht die Anwendung dieser Richtlinie durch die Mitgliedstaaten.

Spätestens am 19. Dezember 2022 und danach alle drei Jahre übermittelt die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie.

Spätestens am 19. Dezember 2026 übermittelt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat eine Ex-post-Bewertung, gegebenenfalls mit Vorschlägen für die Überarbeitung der Richtlinie, um die Wirkung dieser Richtlinie und ihren Mehrwert zu ermitteln.

Die Kommission hält den Kontaktausschuss und die ERGA ordnungsgemäß über die Arbeiten und Tätigkeiten des jeweils anderen informiert.

Die Kommission sorgt dafür, dass Informationen, die sie von den Mitgliedstaaten in Bezug auf eine von diesen erlassene Maßnahme in den von dieser Richtlinie koordinierten Bereichen erhält, dem Kontaktausschuss und der ERGA übermittelt werden.“

28.

Folgender Artikel wird eingefügt:

„Artikel 33a

(1)   Die Mitgliedstaaten fördern die Entwicklung von Medienkompetenz und ergreifen entsprechende Maßnahmen.

(2)   Bis zum 19. Dezember 2022 und anschließend alle drei Jahre berichten die Mitgliedstaaten der Kommission über die Durchführung des Absatzes 1.

(3)   Die Kommission gibt nach Konsultation des Kontaktausschusses Leitlinien zum Umfang solcher Berichte heraus.“

Artikel 2

(1)   Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 19. September 2020 nachzukommen. Sie teilen der Kommission umgehend den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf die vorliegende Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.

(2)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 3

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 4

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Straßburg am 14. November 2018.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

A. TAJANI

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

K. EDTSTADLER


(1)  ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 157.

(2)  ABl. C 185 vom 9.6.2017, S. 41.

(3)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 2. Oktober 2018 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 6. November 2018.

(4)  Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsbestimmungen der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 298 vom 17.10.1989, S. 23).

(5)  Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1).

(6)  Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 332 vom 18.12.2007, S. 27).

(7)  Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 55).

(8)  Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(9)  Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).

(10)  Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union (ABl. L 310 vom 26.11.2015, S. 1).

(11)  Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1).

(12)  Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22).

(13)  Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen (ABl. L 152 vom 20.6.2003, S. 16).

(14)  Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. L 127 vom 29.4.2014, S. 1).

(15)  Beschluss C(2014) 462 final der Kommission vom 3. Februar 2014 zur Einsetzung der Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste.

(16)  ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.