ISSN 1725-2407

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 53

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

48. Jahrgang
3. März 2005


Informationsnummer

Inhalt

Seite

 

I   Mitteilungen

 

Rat

2005/C 053/1

Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union

1

2005/C 053/2

Beschluss des Rates vom 17. Februar 2005 über die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle)

15

 

Kommission

2005/C 053/3

Euro-Wechselkurs

16

2005/C 053/4

Keine Einwände gegen einen angemeldeten Zusammenschluss (Sache COMP/M.3702 — CVC/CSM) ( 1 )

17

2005/C 053/5

Staatliche Beihilfen — Deutschland — Staatliche Beihilfen Nr. C 40/2004 (ex N 42/2004) — Grunderwerbsteuerbefreiung bei Fusionen von Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften in den neuen Ländern — Aufforderung zur Stellungnahme gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag ( 1 )

18

 


 

(1)   Text von Bedeutung für den EWR

DE

 


I Mitteilungen

Rat

3.3.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 53/1


HAAGER PROGRAMM ZUR STÄRKUNG VON FREIHEIT, SICHERHEIT UND RECHT IN DER EUROPÄISCHEN UNION

(2005/C 53/01)

I.   EINLEITUNG

Der Rat bekräftigt, dass er dem Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, der einem zentralen Anliegen der Bevölkerung der in der Union vereinigten Staaten entspricht, vorrangige Bedeutung beimisst.

In den letzten Jahren hat die Europäische Union ihre Rolle bei der Gewährleistung der Zusammenarbeit im Polizei-, Zoll- und Justizbereich sowie bei der Herausbildung einer koordinierten Asyl-, Einwanderungs- und Grenzsicherungspolitik ausgebaut. Diese Entwicklung wird sich aufgrund des am 29. Oktober 2004 in Rom unterzeichneten Vertrags über eine Verfassung für Europa, der festere Vorgaben für einen gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts enthält, noch fortsetzen. Mit diesem Vertrag und den vorausgegangenen Verträgen von Maastricht, Amsterdam und Nizza ist nach und nach ein gemeinsamer rechtlicher Rahmen im Bereich der Justiz und des Inneren entstanden und die Verzahnung dieses Politikbereichs mit anderen Politikbereichen der Union bewirkt worden.

Seit der Tagung des Europäischen Rates in Tampere im Jahre 1999 wurde die Unionspolitik im Bereich Justiz und Inneres im Rahmen eines allgemeinen Programms fortentwickelt. Auch wenn nicht alle ursprünglichen Ziele erreicht wurden, so sind doch umfassende und koordinierte Fortschritte gemacht worden. Der Europäische Rat begrüßt die Ergebnisse, die während des ersten Fünfjahreszeitraums erzielt wurden: Das Fundament einer gemeinsamen Asyl- und Einwanderungspolitik wurde gelegt, die Harmonisierung der Grenzkontrollen vorbereitet, die polizeiliche Zusammenarbeit verbessert und das Terrain für eine auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen beruhende justizielle Zusammenarbeit weitgehend vorbereitet.

Die Sicherheit der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten ist dringlicher denn je, insbesondere in Anbetracht der Terroranschläge, die am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten und am 11. März 2004 in Madrid verübt wurden. Die Bürger Europas erwarten zu Recht von der Europäischen Union, dass sie im Hinblick auf die grenzüberschreitenden Probleme wie illegale Einwanderung, Menschenhandel und -schmuggel, Terrorismus sowie organisierte Kriminalität und deren Verhütung gemeinsam und noch wirksamer vorgeht, dabei jedoch die Achtung der Grundfreiheiten und -rechte sicherstellt. Die Koordinierung und Kohärenz zwischen der inneren und der äußeren Dimension ist insbesondere im Bereich der Sicherheit wichtiger geworden; sie muss weiterhin energisch verfolgt werden.

Fünf Jahre nach der Tagung des Europäischen Rates in Tampere ist die Zeit reif für eine neue Agenda, welche die Union in die Lage versetzt, auf dem Erreichten aufzubauen und die neuen Herausforderungen, die auf sie zukommen, zu meistern. Zu diesem Zweck hat der Europäische Rat dieses neue Mehrjahresprogramm — das so genannte „Haager Programm“ — angenommen. Das Programm entspricht den ehrgeizigen Zielen, die im Vertrag über eine Verfassung für Europa gesteckt wurden, und trägt dazu bei, die Union auf das Inkrafttreten dieses Vertrags vorzubereiten. Es trägt der Bewertung der Kommission (1), die der Europäische Rat im Juni 2004 begrüßt hat, sowie der Empfehlung des Europäischen Parlaments vom 14. Oktober 2004 (2) Rechnung, insbesondere was den Übergang zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit und zur Mitentscheidung gemäß Artikel 67 Absatz 2 EGV betrifft.

Ziel des Haager Programms ist die Verbesserung der gemeinsamen Fähigkeit der Union und ihrer Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der Grundrechte, der Mindestnormen für Verfahrensgarantien und des Zugangs zur Justiz im Hinblick auf den Schutz von schutzbedürftigen Menschen in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention und anderen internationalen Verträgen, zur Regulierung von Wanderungsbewegungen und zur Kontrolle der Außengrenzen der Union, zum Kampf gegen organisierte grenzüberschreitende Kriminalität und zur Bekämpfung der Bedrohung durch den Terrorismus, zur Realisierung des Potenzials von Europol und Eurojust, zur Weiterentwicklung der gegenseitigen Anerkennung von Gerichtsentscheidungen und Urkunden sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen sowie zur Beseitigung rechtlicher und gerichtlicher Hindernisse bei Rechtsstreitigkeiten in Zivil- und Familiensachen mit grenzüberschreitenden Bezügen. Dieses Ziel muss im Interesse unserer Bürger erreicht werden, indem eine gemeinsame Asylregelung festgelegt wird und der Zugang zu den Gerichten, die praktische Zusammenarbeit von Polizei und Justizbehörden, die Rechtsangleichung und die Ausarbeitung einer gemeinsamen Politik in verschiedenen Bereichen verbessert werden.

Eine zentrale Rolle wird in der nahen Zukunft der Verhütung und der Bekämpfung des Terrorismus zukommen. Eine gemeinsame Herangehensweise in diesem Bereich sollte auf dem Grundsatz beruhen, dass die Mitgliedstaaten bei der Gewährleistung der nationalen Sicherheit auch der Sicherheit der Union insgesamt uneingeschränkt Rechnung zu tragen haben. Der Europäische Rat wird im Dezember 2004 außerdem die neue Europäische Drogenstrategie für den Zeitraum 2005-2012 zu billigen haben, die dieses Programm ergänzen soll.

Der Europäische Rat ist der Auffassung, dass das gemeinsame Vorhaben der Stärkung des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts von entscheidender Bedeutung für die Gewährleistung der Sicherheit der Gemeinwesen, des gegenseitigen Vertrauens und der Rechtsstaatlichkeit in der gesamten Union ist. Freiheit, Recht, Sicherung der Außengrenzen, innere Sicherheit und Verhütung des Terrorismus sollten daher als ein für die Union insgesamt unteilbares Ganzes betrachtet werden. Für einen optimalen Schutz des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist ein multidisziplinäres und abgestimmtes Vorgehen sowohl auf der Ebene der EU als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten zwischen den zuständigen Strafverfolgungsbehörden, insbesondere Polizei, Zoll und Grenzschutz, erforderlich.

Der Europäische Rat ersucht die Kommission, dem Rat im Jahr 2005 auf der Grundlage dieses Programms einen Aktionsplan vorzulegen, mit dem die Ziele und Prioritäten des Programms in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Der Plan wird einen Zeitplan für die Annahme und Durchführung aller Maßnahmen enthalten. Der Europäische Rat fordert den Rat auf, dafür zu sorgen, dass der Zeitplan bei jeder einzelnen Maßnahme eingehalten wird. Die Kommission wird ersucht, dem Rat jährlich einen Bericht über die Umsetzung des Haager Programms („Fortschrittsanzeiger“) vorzulegen.

II.   ALLGEMEINE AUSRICHTUNG

1.   Allgemeine Grundsätze

Das im Folgenden dargelegte Programm ist eine Antwort auf die bestehende Herausforderung und auf die Erwartungen unserer Bürger. Es beruht auf einem pragmatischen Ansatz und baut auf der laufenden Arbeit aus dem Tampere-Programm, auf den geltenden Aktionsplänen und auf einer Bewertung der Maßnahmen der ersten Generation auf. Es beruht ferner auf den allgemeinen Grundsätzen der Subsidiarität, der Verhältnismäßigkeit, der Solidarität sowie auf der Achtung der unterschiedlichen Rechtssysteme und Traditionen der Mitgliedstaaten.

Der Vertrag über eine Verfassung für Europa (im Folgenden „Verfassungsvertrag“) hat dabei als Leitlinie für das anzustrebende Ziel gedient, jedoch stellen die geltenden Verträge bis zum Inkrafttreten des Verfassungsvertrages die rechtliche Grundlage für Maßnahmen des Rates dar. Daher sind die verschiedenen Politikbereiche daraufhin geprüft worden, ob bereits vorbereitende Arbeiten oder Studien durchgeführt werden können, so dass die im Verfassungsvertrag vorgesehenen Maßnahmen in Angriff genommen werden können, sobald dieser Vertrag in Kraft tritt.

Die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte in Teil II des Verfassungsvertrags samt Erläuterungen sowie in der Genfer Flüchtlingskonvention gewährleistet sind, müssen in vollem Umfang geachtet werden. Zugleich hat dieses Programm wirkliche und substanzielle Fortschritte bei der Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und bei der Förderung einer gemeinsamen Politik zum Nutzen aller unserer Bürger zum Ziel.

2.   Schutz der Grundrechte

Die Aufnahme der Grundrechtecharta in den Verfassungsvertrag und der Beitritt zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten werden bewirken, dass die Union einschließlich ihrer Organe rechtlich verpflichtet sein wird, sicherzustellen, dass die Grundrechte in all ihren Tätigkeitsbereichen nicht nur gewahrt, sondern auch gezielt gefördert werden.

In diesem Zusammenhang erinnert der Europäische Rat daran, dass er bereits im Dezember 2003 seine feste Entschlossenheit bekundet hat, gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen, und begrüßt die Mitteilung der Kommission, in der diese vorschlägt, den Aufgabenbereich der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dahin gehend auszuweiten, dass sie zu einer Agentur für die Menschenrechte wird.

3.   Durchführung und Evaluierung

Aus der Evaluierung des Tampere-Programms durch die Kommission (3) ergibt sich deutlich, dass die in Bezug auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts getroffenen Maßnahmen gleich welcher Art rechtzeitig angemessen umgesetzt und evaluiert werden müssen.

Für den Rat ist es von entscheidender Bedeutung, dass im Laufe des Jahres 2005 praktische Wege gefunden werden, die rechtzeitige Umsetzung der jeweiligen Maßnahmen in allen Politikbereichen zu erleichtern: Erfordern bestimmte Maßnahmen Ressourcen der nationalen Behörden, so sollten bei der Annahme dieser Maßnahmen geeignete Pläne für eine wirksamere Umsetzung aufgestellt werden; die Dauer der Umsetzungsphase sollte besser auf die Komplexität der jeweiligen Maßnahme abgestimmt werden. Regelmäßige Sachstandsberichte der Kommission an den Rat während der Umsetzungsphase sollten die einzelstaatlichen Behörden zur Tätigkeit anspornen.

Eine Evaluierung der Umsetzung sowie der Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen ist nach Auffassung des Europäischen Rates für die Wirksamkeit von Unionsmaßnahmen von wesentlicher Bedeutung. Die ab dem 1. Juli 2005 vorzunehmenden Evaluierungen müssen systematisch, objektiv, unparteiisch und effizient sein, ohne dass den nationalen Behörden und der Kommission dadurch ein zu großer Verwaltungsaufwand entsteht. Ziel dieser Evaluierungen sollte es sein, das Funktionieren der Maßnahme zu beurteilen und Lösungen für Probleme anzuregen, die bei ihrer Umsetzung und/oder Anwendung auftauchen. Die Kommission sollte jedes Jahr einen Bericht zur Evaluierung der Maßnahmen zur Vorlage an den Rat und zur Information des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente erstellen.

Die Europäische Kommission ist aufgefordert, Vorschläge zur Rolle des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente bei der Evaluierung der Tätigkeit von Eurojust und der Überwachung der Tätigkeit von Europol vorzubereiten, die vorgelegt werden können, sobald der Verfassungsvertrag in Kraft getreten ist.

4.   Überprüfung

Da das Programm einen Zeitraum abdeckt, in dem der Verfassungsvertrag in Kraft treten wird, dürfte eine Überprüfung seiner Durchführung nützlich sein. Zu diesem Zweck wird die Kommission gebeten, dem Europäischen Rat bis zum Inkrafttreten des Verfassungsvertrags (am 1. November 2006) über die erzielten Fortschritte Bericht zu erstatten und Vorschläge für die erforderliche Ergänzung des Programms zu unterbreiten, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich die Rechtsgrundlage mit dem Inkrafttreten ändert.

III.   AUSRICHTUNG IN BESTIMMTEN BEREICHEN

1.   Stärkung der Freiheit

1.1.   Unionsbürgerschaft

Das Recht aller Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, bildet den Kern der Rechte aus der Unionsbürgerschaft. Die praktische Bedeutung der Unionsbürgerschaft wird durch die vollständige Umsetzung der Richtlinie 2004/38 (4) verstärkt werden, mit der das diesbezügliche Gemeinschaftsrecht in klarer und einfacher Weise kodifiziert worden ist. Die Kommission wird gebeten, 2008 dem Rat und dem Europäischen Parlament einen Bericht, gegebenenfalls mit Vorschlägen, vorzulegen, durch die es den EU-Bürgern ermöglicht werden soll, sich nach den anerkannten Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts unter ähnlichen Bedingungen innerhalb der Europäischen Union zu bewegen, wie dies der Fall ist, wenn Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sich innerhalb des eigenen Landes bewegen oder den Wohnort wechseln.

Der Europäische Rat ermutigt die Organe der Union, in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit repräsentativen Verbänden und Vertretern der Zivilgesellschaft zu führen und die Teilhabe der Bürger am öffentlichen Leben zu fördern und zu erleichtern. Insbesondere fordert der Europäische Rat den Rat und die Kommission dazu auf, dem Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit besondere Beachtung zu schenken.

1.2.   Asyl-, Migrations- und Grenzpolitik

Internationale Wanderungsbewegungen wird es auch weiterhin geben. Eine umfassende Herangehensweise, die alle Phasen der Wanderungsbewegungen erfasst und die Gründe für die Wanderungsbewegungen, die Einreise- und Zulassungspolitik sowie die Integrations- und Rückkehrpolitik berücksichtigt, ist erforderlich.

Damit eine solche Herangehensweise gewährleistet wird, fordert der Europäische Rat den Rat, die Mitgliedstaaten und die Kommission mit Nachdruck auf, koordinierte, enge und wirksame Beziehungen der Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen für Migrations- und Asylpolitik und den Verantwortlichen für andere in diesem Zusammenhang relevante Politikbereiche anzustreben.

Die derzeitige Entwicklung einer europäischen Asyl- und Migrationspolitik sollte auf einer gemeinsamen Analyse aller Aspekte der Wanderungsbewegungen beruhen. Von entscheidender Bedeutung ist es, die Erhebung, die Weitergabe, den Austausch und die effiziente Verwendung aktueller Informationen und Daten über alle relevanten Entwicklungen bei Wanderungsbewegungen weiterzuentwickeln.

Die zweite Phase der Entwicklung einer gemeinsamen Politik im Bereich Asyl, Wanderungsbewegungen und Grenzen ist am 1. Mai 2004 angelaufen. Grundlagen in dieser Phase sollten Solidarität und ausgewogene Teilung der Verantwortung, einschließlich der finanziellen Auswirkungen und einer engeren praktischen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, sein: Dies schließt auch technische Hilfestellung, Ausbildung, Informationsaustausch, Überwachung der sach- und fristgerechten Umsetzung und Anwendung der entsprechenden Rechtsakte sowie eine weitere Harmonisierung des Rechts ein.

Unter Berücksichtigung der Bewertung der Kommission und der entschiedenen Haltung, die das Europäische Parlament in seiner Empfehlung (5) zum Ausdruck bringt, ersucht der Europäische Rat den Rat, auf der Grundlage von Artikel 67 Absatz 2 EGV unmittelbar nach der förmlichen Anhörung des Europäischen Parlaments, spätestens jedoch am 1. April 2005, einen Beschluss anzunehmen, wonach das Verfahren des Artikels 251 EGV vorbehaltlich des Vertrags von Nizza auf alle Maßnahmen zur Stärkung der Freiheit des Titels IV mit Ausnahme der legalen Zuwanderung anzuwenden ist.

1.3.   Eine gemeinsame europäische Asylregelung

In ihrer zweiten Phase hat die gemeinsame europäische Asylregelung das Ziel, ein gemeinsames Asylverfahren und einen einheitlichen Status für Menschen einzuführen, denen Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wird. Diese Regelung wird auf der umfassenden Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und anderer einschlägiger Verträge beruhen und auf einer gründlichen und vollständigen Bewertung der in der ersten Phase angenommenen Rechtsakte aufbauen.

Der Europäische Rat fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die erste Phase unverzüglich in vollem Umfang durchzuführen. Hierfür sollte der Rat möglichst bald einstimmig die Asylverfahrensrichtlinie gemäß Artikel 67 Absatz 5 EGV annehmen. Die Kommission wird ersucht, die Bewertung der Rechtsakte aus der ersten Phase 2007 abzuschließen und die Rechtsakte und Maßnahmen der zweiten Phase dem Rat und dem Europäischen Parlament so vorzulegen, dass sie vor Ende 2010 angenommen werden können. In dieser Hinsicht ersucht der Europäische Rat die Kommission, eine Studie über die Zweckmäßigkeit, die Möglichkeiten und Schwierigkeiten sowie über die rechtlichen und praktischen Auswirkungen einer gemeinsamen Bearbeitung von Asylanträgen in der Union vorzulegen. Ferner sollten in einer gesonderten, in enger Absprache mit dem UNHCR durchzuführende Studie die Vorteile, die Zweckmäßigkeit und die Durchführbarkeit einer gemeinsamen Bearbeitung von Asylanträgen außerhalb der EU geprüft werden, wobei dieses Verfahren die gemeinsame europäische Asylregelung ergänzen und den einschlägigen internationalen Normen entsprechen würde.

Der Europäische Rat fordert den Rat und die Kommission auf, 2005 geeignete Strukturen einzurichten, die die Asylbehörden der Mitgliedstaaten einschließen und die praktische Zusammenarbeit erleichtern sollen. Damit wird den Mitgliedstaaten unter anderem dabei geholfen, ein einheitliches Verfahren für die Beurteilung von Anträgen auf internationalen Schutz einzuführen und gemeinsam Informationen über Herkunftsländer zu sammeln, zu bewerten und zu verwenden; ferner werden die Mitgliedstaaten unterstützt, wenn ein besonderer Druck auf die Asylsysteme und Aufnahmekapazitäten besteht oder unter anderem aus der geografischen Lage resultiert. Sobald ein gemeinsames Asylverfahren eingeführt ist, sollten diese Strukturen auf der Grundlage einer Bewertung in eine europäische Unterstützungsagentur für alle Formen der Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen der gemeinsamen europäischen Asylregelung umgewandelt werden.

Der Europäische Rat begrüßt die Einrichtung des neuen Europäischen Flüchtlingsfonds für den Zeitraum 2005-2010 und hebt hervor, dass die Mitgliedstaaten im Vorfeld der Einführung einer gemeinsamen Asylregelung unbedingt angemessene Asylregelungen und Aufnahmeeinrichtungen aufrechterhalten müssen. Der Europäische Rat fordert die Kommission auf, vorhandene Gemeinschaftsmittel für die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Bearbeitung von Asylanträgen und bei der Aufnahme bestimmter Kategorien von Drittstaatsangehörigen vorzusehen. Er ersucht den Rat, auf der Grundlage eines von der Kommission 2005 vorzulegenden Vorschlags festzulegen, um welche Kategorien es sich dabei handelt.

1.4.   Legale Zuwanderung und der Kampf gegen illegale Beschäftigung

Legale Zuwanderung wird eine wichtige Rolle beim Ausbau der wissensbestimmten Wirtschaft in Europa und bei der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung spielen und dadurch einen Beitrag zur Durchführung der Lissabonner Strategie leisten. Sie könnte ferner bei den Partnerschaften mit Drittländern eine Rolle spielen.

Der Europäische Rat unterstreicht, dass die Festlegung der Anzahl zuzulassender Arbeitsmigranten in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Beratungen über das Grünbuch zur Arbeitszuwanderung, der besten Verfahrensweisen in den Mitgliedstaaten und ihrer Relevanz im Hinblick auf die Durchführung der Strategie von Lissabon fordert der Europäische Rat die Kommission auf, vor Ende 2005 einen strategischen Plan zur legalen Zuwanderung vorzulegen, der auch Zulassungsverfahren umfasst, die es ermöglichen, umgehend auf eine sich ändernde Nachfrage nach Arbeitsmigranten auf dem Arbeitsmarkt zu reagieren.

Da die Schattenwirtschaft und die illegale Beschäftigung als Anziehungsfaktor für illegale Zuwanderung wirken und so zu Ausbeutung führen können, ruft der Europäische Rat die Mitgliedstaaten auf, die in der Europäischen Beschäftigungsstrategie festgelegten Zielvorgaben zur Verringerung der Schattenwirtschaft zu verwirklichen.

1.5.   Integration von Drittstaatsangehörigen

Unsere Gesellschaften gewinnen durch die erfolgreiche Integration der sich rechtmäßig in der EU aufhaltenden Drittstaatsangehörigen und ihrer Nachkommen an Stabilität und Zusammenhalt. Um dieses Ziel zu erreichen, muss eine effiziente Politik festgelegt und der Isolation bestimmter Gruppen vorgebeugt werden. Von wesentlicher Bedeutung hierfür ist eine umfassende Herangehensweise, bei der Betroffene auf örtlicher, regionaler, nationaler und EU-Ebene beteiligt werden.

Der Europäische Rat würdigt durchaus die Fortschritte, die bei der fairen Behandlung von sich in der EU rechtmäßig aufhaltenden Drittstaatsangehörigen erzielt worden sind, ruft jedoch auch dazu auf, wirkliche Chancengleichheit zur umfassenden Teilhabe in der Gesellschaft zu schaffen. Integrationshindernisse müssen aktiv beseitigt werden.

Der Europäische Rat hebt hervor, dass die Integrationspolitik in den verschiedenen Mitgliedstaaten und die entsprechenden Initiativen der EU besser koordiniert werden müssen. Hierbei sollten die gemeinsamen Grundprinzipen eines stimmigen europäischen Rahmens für die Integration herausgearbeitet werden.

Diese Prinzipien, die alle Politikbereiche, die mit Integration zu tun haben, miteinander verbinden, sollten mindestens folgende Aspekte umfassen:

Integration

ist ein fortlaufender wechselseitiger Prozess, an dem sowohl die sich rechtmäßig im Land aufhaltenden Drittstaatsangehörigen als auch die Gesellschaft des Gastlandes beteiligt sind,

umfasst die Antidiskriminierungspolitik, reicht jedoch darüber hinaus,

setzt Respekt vor den Grundwerten der Europäischen Union und den Grundrechten aller Menschen voraus,

erfordert grundlegende Fertigkeiten, die die Teilhabe in der Gesellschaft ermöglichen,

stützt sich auf eine vielfache Interaktion und einen interkulturellen Dialog zwischen allen Mitgliedern der Gesellschaft, um in gemeinsamen Foren und bei gemeinsamen Aktivitäten ein besseres gegenseitiges Verständnis zu erreichen,

erstreckt sich auf zahlreiche Politikbereiche, zu denen unter anderem Beschäftigung und Bildung gehören.

Ein auf diesen gemeinsamen Grundprinzipien beruhender Rahmen wird als Grundlage für zukünftige Initiativen in der EU dienen, die sich auf klare Zielsetzungen und Bewertungsmethoden stützen. Der Europäische Rat fordert die Mitgliedstaaten, den Rat und die Kommission auf, einen strukturierten Erfahrungs- und Informationsaustausch im Integrationsbereich zu fördern, wobei dieser Austausch durch eine leicht zugängliche Internet-Website zu unterstützen ist.

1.6.   Die externe Dimension von Asyl und Zuwanderung

1.6.1.   Partnerschaft mit Drittländern

Asyl und Wanderungsbewegungen sind naturgemäß internationale Angelegenheiten. Die Politik der EU sollte darauf ausgerichtet sein, Drittländer partnerschaftlich und gegebenenfalls unter Verwendung vorhandener Gemeinschaftsmittel zu unterstützen, um ihre Fähigkeit zur Regulierung von Wanderungsbewegungen und zum Schutz von Flüchtlingen zu verbessern, illegale Zuwanderung zu verhindern und zu bekämpfen, über legale Zuwanderungsmöglichkeiten zu informieren, Flüchtlingsproblemen durch besseren Zugang zu dauerhaften Lösungen zu begegnen, Grenzschutzkapazitäten aufzubauen, die Dokumentensicherheit zu verbessern sowie die Rückkehrproblematik anzugehen.

Der Europäische Rat stellt fest, dass unzureichend regulierte Wanderungsbewegungen zu humanitären Katastrophen führen können. Er verleiht seiner großen Besorgnis über die menschlichen Tragödien Ausdruck, die sich im Mittelmeer bei Versuchen abspielen, illegal in die Europäische Union einzureisen. Er ruft alle Staaten auf, stärker zusammenzuarbeiten, um den Verlust weiterer Menschenleben zu verhindern.

Der Europäische Rat ruft den Rat und die Kommission auf, den Prozess der umfassenden Einbeziehung der Zuwanderungsproblematik in das Geflecht bestehender und zukünftiger Beziehungen zu Drittländern fortzusetzen. Er fordert die Kommission auf, die Einbeziehung dieser Zuwanderungsproblematik in die Länderstrategiepapiere und die regionalen Strategiepapiere für alle einschlägigen Drittländer bis zum Frühjahr 2005 abzuschließen.

Der Europäische Rat erkennt an, dass die EU im Geiste gemeinsamer Verantwortung zu einem leichter zugänglichen, gerechteren und wirksameren internationalen Schutzsystem in Partnerschaft mit Drittländern beitragen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt Zugang zu Schutz und zu dauerhaften Lösungen gewähren muss. Die Länder in den Herkunfts- und Transitregionen werden darin unterstützt, Anstrengungen im Hinblick auf einen Aufbau der Kapazitäten für den Schutz von Flüchtlingen zu unternehmen. In diesem Zusammenhang fordert der Europäische Rat alle Drittländer auf, der Genfer Flüchtlingskonvention beizutreten und diese einzuhalten.

1.6.2.   Partnerschaft mit den Herkunftsländern und -regionen

Der Europäische Rat begrüßt die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Verbesserung des Zugangs zu dauerhaften Lösungen“ (6) und ersucht die Kommission, in Partnerschaft mit den betreffenden Drittländern und in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem UNHCR regionale Schutzprogramme der EU auszuarbeiten. Diese Programme werden auf den Erfahrungen aufbauen, die mit den vor Ende 2005 einzuleitenden Pilot-Schutzprogrammen gesammelt werden. Die Programme werden für die Mitgliedstaaten, die zur Mitarbeit an einem solchen Programm bereit sind, eine Reihe von zweckdienlichen und in erster Linie auf den Kapazitätsaufbau abstellenden Instrumenten sowie auch ein gemeinsames Neuansiedlungsprogramm umfassen.

Strategien, die Migration, Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe verknüpfen, sollten kohärent sein und in Partnerschaft und im Dialog mit den Herkunftsländern und -regionen entwickelt werden. Der Europäische Rat begrüßt die bereits erzielten Fortschritte, ersucht den Rat, diese Strategien mit besonderem Gewicht auf den Hauptursachen, den Push-Faktoren und der Armutsbekämpfung weiter zu entwickeln, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, bis zum Frühjahr 2005 konkrete und sorgfältig ausgearbeitete Vorschläge zu unterbreiten.

1.6.3.   Partnerschaft mit den Transitländern und -regionen

Was die Transitländer anbelangt, so hebt der Europäische Rat hervor, dass es sowohl an den südlichen als auch an den östlichen Grenzen der Europäischen Union einer intensivierten Zusammenarbeit und eines verstärkten Kapazitätsaufbaus bedarf, damit die betreffenden Länder die Wanderungsbewegungen besser steuern und Flüchtlingen angemessenen Schutz bieten können. Unterstützung beim Kapazitätsaufbau für nationale Asylsysteme, Grenzkontrollen und eine umfassendere Zusammenarbeit in Migrationsangelegenheiten wird den Ländern gewährt werden, die ein echtes Engagement für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention an den Tag legen.

Der Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung eines Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments (7) bietet den strategischen Rahmen für die Intensivierung der Zusammenarbeit und des Dialogs mit den Nachbarländern — unter anderem im Mittelmeerraum — in Bezug auf Asyl und Einwanderung sowie für die Einleitung neuer Maßnahmen. In diesem Zusammenhang wünscht der Europäische Rat, dass ihm vor Ende 2005 ein Bericht über Fortschritte und Erfolge vorgelegt wird.

1.6.4.   Rückkehr- und Rückübernahmepolitik

Zuwanderer, die sich nicht legal in der EU aufhalten oder das Recht auf legalen Aufenthalt dort eingebüßt haben, müssen freiwillig oder erforderlichenfalls unfreiwillig zurückkehren. Der Europäische Rat fordert zur Festlegung einer wirksamen Rückkehr- und Rückübernahmepolitik auf, die auf gemeinsamen Normen beruht, die gewährleisten, dass die betreffenden Personen auf humane Weise und unter vollständiger Achtung ihrer Menschenrechte und Würde zurückgeführt werden.

Der Europäische Rat erachtet es als wesentlich, dass der Rat die Beratungen über Mindestnormen für Rückkehrverfahren — einschließlich Mindestnormen zur Unterstützung wirksamer nationaler Bemühungen um Rückführung — zu Beginn des Jahres 2005 aufnimmt. Der entsprechende Vorschlag sollte auch besonderen Anliegen betreffend die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit Rechnung tragen. Es ist ein Konzept erforderlich, das in Bezug auf die Rückkehrpolitik und alle anderen Aspekte der Außenbeziehungen der Gemeinschaft zu Drittländern kohärent ist; gleichzeitig ist besonderer Nachdruck auf das Problem der Staatsangehörigen dieser Drittländer zu legen, die keinen Reisepass oder sonstige Ausweispapiere besitzen.

Der Europäische Rat fordert

eine engere Zusammenarbeit und gegenseitige technische Unterstützung;

die Einleitung der Vorbereitungsstufe für einen Europäischen Rückkehrfonds;

gemeinsame integrierte länder- und regionenspezifische Rückkehrprogramme;

die Errichtung eines Europäischen Rückkehrfonds bis 2007 unter Berücksichtigung der Bewertung der Vorbereitungsphase;

den rechtzeitigen Abschluss von Rückübernahmeabkommen der Gemeinschaft;

die umgehende Ernennung eines Sonderbeauftragten für eine gemeinsame Rückübernahmepolitik durch die Kommission.

1.7.   Steuerung der Wanderungsbewegungen

1.7.1.   Grenzkontrollen und Bekämpfung der illegalen Einwanderung

Der Europäische Rat verweist auf die Bedeutung, die der raschen Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen, der weiteren schrittweisen Verwirklichung des integrierten Grenzschutzsystems für die Außengrenzen und dem Ausbau der Kontrollen an den Außengrenzen und deren Überwachung zukommt. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass Solidarität und eine ausgewogene Teilung der Verantwortung — einschließlich der finanziellen Auswirkungen — zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich sind.

Der Europäische Rat fordert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten eindringlich auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Kontrollen an den Binnengrenzen so bald wie möglich abgeschafft werden können, sofern alle Anforderungen in Bezug auf die Anwendung des Schengen-Besitzstands erfüllt worden sind und nachdem das Schengener Informationssystem (SIS II) 2007 in Betrieb genommen worden ist. Zur Erreichung dieses Zieles sollte im ersten Halbjahr 2006 mit der Bewertung der Durchführung des von SIS II unabhängigen Besitzstands begonnen werden.

Der Europäische Rat begrüßt es, dass die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen am 1. Mai 2005 errichtet wird. Er ersucht die Kommission, dem Rat vor Ende 2007 eine Evaluierung der Agentur vorzulegen. Die Evaluierung sollte eine Überprüfung der Aufgaben der Agentur und eine Stellungnahme zu der Frage beinhalten, ob die Agentur sich mit weiteren Grenzschutzangelegenheiten befassen sollte, einschließlich einer stärkeren Zusammenarbeit mit den Zolldiensten und anderen Behörden, die für Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit Waren zuständig sind.

Die Kontrolle und Überwachung der Außengrenzen ist Aufgabe der nationalen Grenzbehörden. Damit jedoch die Mitgliedstaaten bei spezifischen Anforderungen an die Kontrolle und Überwachung langer oder problematischer Abschnitte der Außengrenzen und in den Fällen, in denen die Mitgliedstaaten aufgrund außergewöhnlichen Migrationsdrucks an diesen Grenzen mit besonderen und unvorhergesehenen Umständen konfrontiert sind, unterstützt werden, ersucht der Europäische Rat

den Rat, Teams aus nationalen Experten zu bilden, die nach einer ordnungsgemäßen Risikoanalyse durch die Grenzschutzagentur und in deren Rahmen den darum ersuchenden Mitgliedstaaten schnelle technische und operative Hilfe leisten können, und zwar auf der Grundlage eines im Jahr 2005 vorzulegenden Vorschlags der Kommission über die angemessenen Befugnisse und Finanzmittel für solche Teams;

den Rat und die Kommission, bis spätestens Ende 2006 einen Grenzschutzfonds der Gemeinschaft einzurichten;

die Kommission, nach der vollständigen Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen einen Vorschlag mit dem Ziel vorzulegen, den bestehenden Schengen-Evaluierungsmechanismus durch einen Überwachungsmechanismus zu ergänzen, bei dem die umfassende Einbeziehung von Experten der Mitgliedstaaten gewährleistet ist und unangekündigte Inspektionen durchgeführt werden können.

Im Rahmen der oben genannten Überprüfung der Aufgaben der Agentur, insbesondere der Evaluierung der Arbeitsweise der Teams aus nationalen Experten, sollte auch geprüft werden, ob eine Europäische Grenzschutztruppe geschaffen werden könnte.

Der Europäische Rat ersucht die Mitgliedstaaten, ihre gemeinsamen Analysen der Wanderungsrouten, Schmuggelpraktiken und Praktiken des illegalen Handels sowie der in diesem Bereich operierenden kriminellen Netze, unter anderem im Rahmen der Grenzschutzagentur und in enger Zusammenarbeit mit Europol und Eurojust, zu verbessern. Ferner fordert er den Rat und die Kommission auf, für die feste Ansiedlung von Verbindungsnetzen für Einwanderungsangelegenheiten in den relevanten Drittländern zu sorgen. In diesem Zusammenhang begrüßt der Europäische Rat Initiativen der Mitgliedstaaten für eine freiwillige Zusammenarbeit auf See, insbesondere bei Rettungseinsätzen, im Einklang mit nationalem und internationalem Recht, wozu auch eine künftige Zusammenarbeit mit Drittländern gehören kann.

Der Europäische Rat ersucht den Rat und die Kommission, im Jahr 2005 einen Plan auszuarbeiten, damit gemeinsame Normen, vorbildliche Verfahrensweisen und Mechanismen zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels entwickelt werden können.

1.7.2.   Biometrie und Informationssysteme

Die Steuerung von Wanderungsbewegungen, einschließlich der Bekämpfung der illegalen Einwanderung, sollte durch ineinander greifende Sicherheitsmaßnahmen verstärkt werden, durch die Visaantragsverfahren und Einreise- und Ausreiseverfahren beim Überschreiten der Außengrenzen wirkungsvoll miteinander verbunden werden. Diese Maßnahmen sind auch von Bedeutung für die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität, insbesondere des Terrorismus. Zur Verwirklichung dieses Zieles bedarf es eines in sich stimmigen Konzepts und harmonisierter Vorgehensweisen in der EU in Bezug auf biometrische Identifikatoren oder Daten.

Der Europäische Rat ersucht den Rat, auf der Grundlage einer im Jahr 2005 zu veröffentlichenden Mitteilung der Kommission über die Interoperabilität zwischen dem Schengener Informationssystem (SIS II), dem Visa-Informationssystem (VIS) und Eurodac zu prüfen, wie Effizienz und Interoperabilität der EU-Informationssysteme bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung optimiert und die Grenzkontrollen sowie die Steuerung dieser Systeme verbessert werden können, wobei dem Erfordernis, das richtige Verhältnis zwischen Strafverfolgungszwecken und der Wahrung der Grundrechte zu finden, Rechnung zu tragen ist.

Der Europäische Rat ersucht den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten, ihre Bemühungen um die Einbeziehung biometrischer Identifikatoren in Reisedokumente, in Visa, in Aufenthaltstitel, in die Reisepässe der EU-Bürger und in die Informationssysteme unverzüglich fortzusetzen und unter Einbeziehung der ICAO-Normen Vorbereitungen für die Ausarbeitung von Mindestnormen für nationale Identitätsausweise zu treffen.

1.7.3.   Visumpolitik

Der Europäische Rat unterstreicht, dass die gemeinsame Visumpolitik als Teil eines vielschichtigen Systems weiterentwickelt werden muss, mit dem durch die weitere Harmonisierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften und der Bearbeitungsgepflogenheiten bei den örtlichen konsularischen Dienststellen legale Reisen erleichtert und die illegale Einwanderung bekämpft werden sollen. Auf lange Sicht sollten gemeinsame Visastellen eingerichtet werden, wobei den Beratungen über die Errichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes Rechnung zu tragen ist. Der Europäische Rat begrüßt die Initiativen einzelner Mitgliedstaaten, die auf freiwilliger Basis dahin gehend zusammenarbeiten, dass sie Personal und Mittel für die Visaerteilung gemeinsam nutzen.

Der Europäische Rat

ersucht die Kommission, als ersten Schritt die erforderlichen Änderungen im Hinblick auf den weiteren Ausbau der Visumpolitik vorzuschlagen und 2005 einen Vorschlag für die Einrichtung gemeinsamer Antragsbearbeitungsstellen vorzulegen, wobei der Schwerpunkt auf mögliche Synergien gelegt werden sollte, die mit der Entwicklung des VIS einhergehen können, die Gemeinsame Konsularische Instruktion zu überarbeiten und bis spätestens Anfang 2006 einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten;

betont, wie wichtig es ist, dass das VIS, beginnend unter anderem mit der Eingabe der alphanumerischen Daten und der Lichtbilder bis Ende 2006 und der biometrischen Daten bis Ende 2007, rasch verwirklicht wird;

ersucht die Kommission, unverzüglich einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen, damit der für die Verwirklichung des VIS vereinbarte Zeitrahmen eingehalten werden kann;

ruft die Kommission auf, ihre Bemühungen fortzusetzen, damit so rasch wie möglich die Bürger aller Mitgliedstaaten ohne Kurzaufenthaltsvisum in alle Drittländer reisen können, deren Staatsangehörige ohne Visum in die EU reisen dürfen;

ersucht den Rat und die Kommission, im Hinblick auf die Ausarbeitung eines gemeinsamen Konzepts zu prüfen, ob es im Kontext der europäischen Rückübernahmepolitik angebracht wäre, fallweise die Erteilung von Kurzaufenthaltsvisa an Drittstaatsangehörige, wenn möglich und auf der Grundlage der Gegenseitigkeit, als Teil einer echten Partnerschaft in den Außenbeziehungen unter Einschluss der Migrationsangelegenheiten zu fördern.

2.   Stärkung der Sicherheit

2.1.   Verbesserung des Informationsaustauschs

Der Europäische Rat ist überzeugt, dass für die Stärkung der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ein innovatives Konzept für den grenzüberschreitenden Austausch von strafverfolgungsrelevanten Informationen erforderlich ist. Der bloße Umstand, dass Informationen Grenzen überschreiten, sollte nicht länger von Bedeutung sein.

Mit Wirkung vom 1. Januar 2008 sollte sich der Austausch dieser Informationen nach den für den Grundsatz der Verfügbarkeit geltenden nachstehenden Bedingungen richten, was bedeutet, dass unionsweit ein Strafverfolgungsbeamter in einem Mitgliedstaat, der für die Erfüllung seiner Aufgaben Informationen benötigt, diese aus einem anderen Mitgliedstaat erhalten kann und dass die Strafverfolgungsbehörde in dem anderen Mitgliedstaat, die über diese Informationen verfügt, sie — unter Berücksichtigung des Erfordernisses in diesem Staat anhängiger Ermittlungen — für den erklärten Zweck bereitstellt.

Unbeschadet der laufenden Arbeiten (8) wird die Kommission ersucht, bis spätestens Ende 2005 Vorschläge zur Verwirklichung des Verfügbarkeitsgrundsatzes vorzulegen, bei denen folgende Hauptbedingungen streng einzuhalten sind:

Der Austausch darf nur erfolgen, um die Erfüllung rechtlicher Aufgaben zu ermöglichen;

die Integrität der auszutauschenden Daten muss gewährleistet sein;

der Schutz der Informationsquellen und die Vertraulichkeit der Daten muss während aller Phasen des Austauschs und danach sichergestellt werden;

es müssen gemeinsame Normen für den Zugang zu den Daten und gemeinsame technische Normen angewendet werden;

die Überwachung der Einhaltung der Datenschutzvorschriften sowie eine geeignete Kontrolle vor und nach dem Austausch müssen sichergestellt sein;

Einzelpersonen müssen vor Datenmissbrauch geschützt werden und das Recht haben, die Berichtigung unrichtiger Daten zu verlangen.

Was die Methoden für den Informationsaustausch anbelangt, so sollten die neuen Technologien in vollem Umfang genutzt werden; die Methoden müssen an jede Art von Informationen angepasst sein, gegebenenfalls durch gegenseitigen Zugriff auf nationale Datenbanken oder deren Interoperabilität, oder direkten (Online-) Zugang, auch für Europol, zu den bestehenden zentralen Datenbanken der EU wie beispielsweise SIS. Neue zentralisierte europäische Datenbanken sollten nur dann geschaffen werden, wenn auf der Grundlage von Untersuchungen ihr Zusatznutzen aufgezeigt werden kann.

2.2.   Terrorismus

Der Europäische Rat betont, dass der Terrorismus unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte nur wirksam verhütet und bekämpft werden kann, wenn die Mitgliedstaaten ihre Tätigkeiten nicht auf die Aufrechterhaltung der eigenen Sicherheit beschränken, sondern auch auf die Sicherheit der Union insgesamt abstellen.

Dieses Ziel setzt voraus, dass die Mitgliedstaaten

die Befugnisse ihrer Nachrichten- und Sicherheitsdienste nicht nur zur Abwehr von Bedrohungen der eigenen Sicherheit, sondern gegebenenfalls auch zum Schutz der inneren Sicherheit der anderen Mitgliedstaaten nutzen;

den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten alle ihren Diensten vorliegenden Informationen, die Bedrohungen der inneren Sicherheit eines der anderen Mitgliedstaaten betreffen, unverzüglich zur Kenntnis bringen;

in den Fällen, in denen Personen oder Güter von Sicherheitsdiensten im Zusammenhang mit einer terroristischen Bedrohung überwacht werden, sicherstellen, dass es nicht zu Überwachungslücken infolge von Grenzüberquerungen kommt.

Kurzfristig müssen alle Komponenten der Erklärung des Europäischen Rates vom 25. März 2004 und des EU-Aktionsplans zur Terrorismusbekämpfung weiterhin in vollem Umfang umgesetzt werden, insbesondere jene, wonach Europol und Eurojust verstärkt eingesetzt werden sollten, und der EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung wird aufgefordert, auf Fortschritte hinzuwirken.

In diesem Zusammenhang erinnert der Europäische Rat daran, dass er die Kommission ersucht hat, einen Vorschlag für ein gemeinsames EU-Konzept zur Verwendung von Passagierdaten für die Zwecke der Grenz- und Luftverkehrssicherheit sowie für andere Strafverfolgungszwecke vorzulegen (9).

Der Informationsaustausch auf hochrangiger Ebene zwischen den Sicherheitsdiensten ist beizubehalten. Allerdings sollte er verbessert werden, wobei dem in Abschnitt 2.1 beschriebenen allgemeinen Grundsatz der Verfügbarkeit Rechnung zu tragen ist und die speziellen Bedingungen, die für die Arbeitsweise von Sicherheitsdiensten gelten, besonders zu berücksichtigen sind, so z.B. die Notwendigkeit, die Verfahren für die Erfassung von Informationen, die Informationsquellen und die fortdauernde Vertraulichkeit der Daten nach dem Austausch zu sichern.

Ab dem 1. Januar 2005 wird das SitCen dem Rat eine strategische Analyse der terroristischen Bedrohung liefern, die auf die Erkenntnisse der Nachrichten- und Sicherheitsdienste der Mitgliedstaaten sowie gegebenenfalls auf Informationen von Europol gestützt ist.

Der Europäische Rat hebt die Bedeutung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus hervor. Er sieht der Prüfung des kohärenten Gesamtkonzepts, das der Generalsekretär/ Hohe Vertreter und die Kommission auf der Tagung des Europäischen Rates im Dezember 2004 vorlegen werden, erwartungsvoll entgegen. In diesem Strategiepapier sollten Maßnahmen vorgeschlagen werden, mit denen die Wirksamkeit der vorhandenen Instrumente, wie die Überwachung verdächtiger finanzieller Transaktionen und das Einfrieren von Vermögensgegenständen, verbessert werden kann; außerdem sollten neue Instrumente in Bezug auf Bargeschäfte und die daran beteiligten Institutionen vorgeschlagen werden.

Die Kommission wird ersucht, Vorschläge für eine bessere Sicherung von Sprengstofflagern und -transporten und zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit von industriellen und chemischen Ausgangsstoffen zu unterbreiten.

Der Europäische Rat betont ferner, dass den Opfern von Terroranschlägen in angemessener Weise Schutz und Unterstützung gewährt werden muss.

Der Rat sollte bis Ende 2005 eine langfristige Strategie ausarbeiten, die darauf ausgerichtet ist, Faktoren, die zur Radikalisierung und zur Rekrutierung für terroristische Aktivitäten beitragen, entgegenzuwirken.

Alle der Europäischen Union zur Verfügung stehenden Instrumente sollten auf kohärente Art und Weise genutzt werden, so dass dem Hauptanliegen — der Terrorismusbekämpfung — in vollem Umfang entsprochen wird. Zu diesem Zweck sollten die Minister für Justiz und Inneres im Rahmen des Rates die Federführung übernehmen, wobei die Aufgabenstellung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ zu berücksichtigen ist. Die Kommission sollte die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft so zeitig überprüfen, dass diese Vorschriften parallel zu den zu verabschiedenden Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus angepasst werden können.

Die Europäische Union wird ihre Bemühungen, die im Bereich der externen Dimension des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts auf die Bekämpfung des Terrorismus abzielen, weiter verstärken. In diesem Zusammenhang wird der Rat ersucht, im Zusammenwirken mit Europol und der Europäischen Grenzschutzagentur ein Netz aus nationalen Experten für Terrorismusprävention und -bekämpfung und für Grenzkontrollen zu errichten, die zur Verfügung stehen, um auf die Ersuchen von Drittländern um technische Unterstützung bei der Aus- und Weiterbildung ihrer Behörden einzugehen.

Der Europäische Rat fordert die Kommission dringend auf, mehr Finanzmittel für Projekte zum Aufbau von Fähigkeiten und Fertigkeiten im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung in Drittländern bereitzustellen und dafür zu sorgen, dass sie über die notwendige Fachkompetenz verfügt, derartige Projekte wirksam durchzuführen. Der Rat fordert die Kommission des Weiteren auf, dafür zu sorgen, dass bei der geplanten Überprüfung der bestehenden Instrumente der Außenhilfe geeignete Bestimmungen vorgesehen werden, die eine rasche, flexible und gezielte Unterstützung bei der Bekämpfung des Terrorismus ermöglichen.

2.3.   Polizeiliche Zusammenarbeit

Für die wirksame Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität und anderer Formen der Schwerkriminalität sowie des Terrorismus ist es erforderlich, die praktische Zusammenarbeit zwischen den Polizei- und den Zollbehörden der Mitgliedstaaten und mit Europol zu intensivieren und die auf diesem Gebiet vorhandenen Instrumente besser zu nutzen.

Der Europäische Rat fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Europol in die Lage zu versetzen, in Zusammenarbeit mit Eurojust eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden (organisierten) Schwerkriminalität und des Terrorismus zu übernehmen, indem sie

die erforderlichen Rechtsinstrumente bis Ende 2004 ratifizieren und tatsächlich anwenden (10);

Europol alle erforderlichen hochwertigen Informationen rechtzeitig zur Verfügung stellen;

eine gute Zusammenarbeit zwischen ihren zuständigen nationalen Behörden und Europol fördern.

Bis zum 1. Januar 2006 muss Europol seine „Lageberichte zur Kriminalität“ durch jährliche „Bewertungen der Bedrohungslage“ ersetzt haben, die schwere Formen der organisierten Kriminalität betreffen und auf den von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Informationen und auf Beiträgen von Eurojust und der Task Force der Polizeichefs beruhen. Der Rat sollte diese Analysen bei der Festlegung der jährlichen strategischen Prioritäten verwenden, die als Leitlinien für weitere Maßnahmen dienen werden. Dieses sollte im Hinblick auf das Ziel der Festlegung und Anwendung einer Methode für die nachrichtendienstlich gestützte Strafverfolgung auf EU-Ebene der nächste Schritt sein.

Die Mitgliedstaaten sollten Europol zur Zentralstelle der Union für Euro-Falschgeld im Sinne des Genfer Abkommens von 1929 erklären.

Der Rat sollte möglichst bald nach Inkrafttreten des Verfassungsvertrags, spätestens aber zum 1. Januar 2008, das in Artikel III-276 des Verfassungsvertrags vorgesehene Europäische Gesetz über Europol erlassen und dabei allen Europol übertragenen Aufgaben Rechnung tragen.

Bis zu diesem Zeitpunkt muss Europol seine Arbeitsweise dahingehend verbessern, dass es die Kooperationsvereinbarung mit Eurojust in vollem Umfang nutzt. Europol und Eurojust sollten dem Rat jährlich über ihre gemeinsamen Erfahrungen und über Einzelergebnisse berichten. Ferner sollten Europol und Eurojust den Einsatz von gemeinsamen Ermittlungsgruppen der Mitgliedstaaten und ihre Teilnahme an diesen Gruppen fördern.

Die Erfahrungen in den Mitgliedstaaten mit dem Einsatz gemeinsamer Ermittlungsgruppen sind begrenzt. Im Hinblick auf einen verstärkten Einsatz dieser Gruppen und den Austausch bewährter Verfahrensweisen sollte jeder Mitgliedstaat einen nationalen Experten benennen.

Der Rat sollte die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei und Zoll auf der Grundlage gemeinsamer Grundsätze intensivieren. Der Europäische Rat ersucht die Kommission, Vorschläge zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands in Bezug auf die grenzüberschreitende operative polizeiliche Zusammenarbeit vorzulegen.

Die Mitgliedstaaten sollten damit beginnen, mit Unterstützung von Europol die Qualität ihrer Strafverfolgungsdaten zu verbessern. Darüber hinaus sollte Europol den Rat in Bezug auf Möglichkeiten der Verbesserung dieser Daten beraten. Das Europol-Informationssystem sollte umgehend funktionsfähig gemacht werden.

Der Rat wird ersucht, den Austausch bewährter Verfahren bei den Ermittlungstechniken als ersten Schritt auf dem Weg zur Entwicklung gemeinsamer Ermittlungstechniken zu fördern, wie sie in Artikel III-257 des Verfassungsvertrags ins Auge gefasst werden, und zwar insbesondere in den Bereichen der forensischen Ermittlungen und der Sicherheit von Systemen der Informationstechnik.

Die polizeiliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten wird in einer Reihe von Fällen durch Erleichterungen der Zusammenarbeit zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten bei spezifischen Themen noch effizienter gestaltet, gegebenenfalls auch dadurch, dass gemeinsame Ermittlungsgruppen — erforderlichenfalls mit Unterstützung von Europol und Eurojust — eingesetzt werden. In bestimmten Grenzgebieten sind eine engere Zusammenarbeit und eine bessere Koordinierung der einzige Weg, der Kriminalität und den Bedrohungen für die öffentliche und die nationale Sicherheit zu begegnen.

Wenn die polizeiliche Zusammenarbeit verstärkt werden soll, muss der Festigung des gegenseitigen Vertrauens und der Vertrauensbildung besondere Beachtung geschenkt werden. In einer erweiterten Union sollten entschiedene Anstrengungen unternommen werden, um die Kenntnisse über die Funktionsweise der Rechtsordnungen und -strukturen der Mitgliedstaaten zu verbessern. Der Rat und die Mitgliedstaaten sollten bis Ende 2005 in Zusammenarbeit mit der EPA Standards und Module für Ausbildungsseminare für die nationalen Polizeibeamten zu praktischen Aspekten der Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung in der EU ausarbeiten.

Die Kommission wird ersucht, in enger Zusammenarbeit mit der EPA bis Ende 2005 systematische Austauschprogramme für die Polizeibehörden auszuarbeiten, die zu einem besseren Verständnis der Funktionsweise der Rechtsordnungen und -strukturen der Mitgliedstaaten führen sollen.

Schließlich sollten im Hinblick auf eine Verbesserung der inneren Sicherheit der Europäischen Union auch die bei externen Polizeieinsätzen gewonnenen Erfahrungen berücksichtigt werden.

2.4.   Bewältigung von Krisen mit grenzüberschreitender Wirkung innerhalb der Europäischen Union

Der Europäische Rat hat am 12. Dezember 2003 die Europäische Sicherheitsstrategie angenommen, in der die globalen Herausforderungen, die Hauptbedrohungen, die strategischen Ziele und die politischen Auswirkungen für ein sicheres Europa in einer besseren Welt umrissen werden. Als wesentliche Ergänzung zu dieser Strategie muss die innere Sicherheit innerhalb der Europäischen Union gewährleistet werden, und zwar insbesondere im Hinblick auf etwaige größere interne Krisen mit grenzüberschreitender Wirkung, die unsere Bürger, unsere lebenswichtige Infrastruktur und unsere öffentliche Ordnung und Sicherheit bedrohen. Nur dann kann den europäischen Bürgern und lebenswichtiger Infrastruktur beispielsweise im Falle eines CBRN-Unfalls optimaler Schutz geboten werden.

Eine wirksame Bewältigung grenzüberschreitender Krisen innerhalb der EU erfordert nicht nur den Ausbau der derzeitigen Maßnahmen im Bereich des Katastrophenschutzes und der lebenswichtigen Infrastruktur, sondern sie muss auch die die öffentliche Ordnung und Sicherheit betreffenden Aspekte solcher Krisen und die Koordinierung zwischen diesen beiden Bereichen konkret mit einbeziehen.

Der Europäische Rat fordert daher den Rat und die Kommission auf, innerhalb ihrer bestehenden Strukturen und unter uneingeschränkter Wahrung der nationalen Zuständigkeiten integrierte und koordinierte EU-Krisenbewältigungsregelungen für Krisen mit grenzüberschreitender Wirkung innerhalb der EU auszuarbeiten, die bis spätestens 1. Juli 2006 umzusetzen wären. Diese Regelungen sollten sich zumindest mit folgenden Fragen befassen: weitere Bewertung der Fähigkeiten der Mitgliedstaaten, Vorratshaltung, Ausbildung, gemeinsame Übungen und gemeinsame Operationspläne für die zivile Krisenbewältigung.

2.5.   Operative Zusammenarbeit

Die Koordinierung der operativen Tätigkeiten durch die Strafverfolgungsbehörden und andere Behörden in allen Teilbereichen des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und die Überwachung der vom Rat festgelegten strategischen Prioritäten müssen gewährleistet werden.

Zu diesem Zweck wird der Rat aufgefordert, die Einsetzung des in Artikel III-261 des Verfassungsvertrags vorgesehenen Ausschusses für innere Sicherheit vorzubereiten und insbesondere dessen Tätigkeitsbereich, Aufgabenstellung, Zuständigkeiten und Zusammensetzung festzulegen, damit er so rasch wie möglich nach Inkrafttreten des Verfassungsvertrags eingesetzt werden kann.

Damit in der Zwischenzeit praktische Erfahrungen mit der Koordinierung gesammelt werden können, wird der Rat ersucht, alle sechs Monate eine gemeinsame Sitzung der Vorsitzenden des Strategischen Ausschusses für Einwanderungs-, Grenz- und Asylfragen und des Ausschusses „Artikel 36“ (CATS) und von Vertretern der Kommission, von Europol, Eurojust, der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, der Task Force der Polizeichefs und des EU-Lagezentrums SITCEN zu organisieren.

2.6.   Kriminalprävention

Kriminalprävention ist ein unerlässlicher Bestandteil der Bemühungen um einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Die Union benötigt daher ein wirksames Instrument zur Unterstützung der Bemühungen der Mitgliedstaaten bei der Prävention der Kriminalität. Dazu sollte das Europäische Netz für Kriminalprävention professionalisiert und verstärkt werden. Da Prävention ein sehr weites Feld ist, ist es ganz wesentlich, sich auf die Maßnahmen und Prioritäten zu konzentrieren, die für die Mitgliedstaaten von größtem Nutzen sind. Das Europäische Netz für Kriminalprävention sollte dem Rat und der Kommission bei der Entwicklung einer wirksamen Kriminalpräventionspolitik mit Sachkenntnis und Erfahrung zur Seite stehen.

Der Europäische Rat begrüßt daher die Initiative der Kommission, europäische Instrumente für die Sammlung, die Analyse und den Vergleich von Informationen über Kriminalität und Viktimisierung sowie über die jeweilige Entwicklung in den einzelnen Mitgliedstaaten zu schaffen und dazu nationale Statistiken und andere Informationsquellen als vereinbarte Indikatoren heranzuziehen. Eurostat sollte beauftragt werden, solche Daten zu definieren und bei den Mitgliedstaaten zu erheben.

Es ist wichtig, öffentliche Einrichtungen und Privatunternehmen durch Verwaltungsmaßnahmen und andere Maßnahmen vor organisierter Kriminalität zu schützen. Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang die systematische Untersuchung der Immobilienvermögen als Werkzeug im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Die Partnerschaft zwischen dem Privatsektor und dem öffentlichen Sektor spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle. Die Kommission wird ersucht, im Jahre 2006 entsprechende Vorschläge vorzulegen.

2.7.   Organisierte Kriminalität und Korruption

Der Europäische Rat begrüßt die Entwicklung eines strategischen Konzepts zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität auf EU-Ebene und ersucht den Rat und die Kommission, das Konzept weiterzuentwickeln und einsatzbereit zu machen und dabei weitere Partner wie Europol, Eurojust, die Task Force der Polizeichefs, das ENKP (Europäische Netz für Kriminalprävention) und die EPA (Europäische Polizeiakademie) einzubeziehen. In diesem Zusammenhang sollten Fragen zum Thema Korruption und die Verbindungen zwischen Korruption und organisierter Kriminalität geprüft werden.

2.8.   Europäische Drogenstrategie

Der Europäische Rat hebt hervor, wie wichtig es ist, das Drogenproblem mit einem umfassenden, ausgewogenen und multidisziplinären Konzept anzugehen, bei dem die Politikfelder Prävention, Unterstützung und Rehabilitierung Drogenabhängiger, Bekämpfung des illegalen Handels mit Drogen und Vorläufersubstanzen sowie Geldwäsche und die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit miteinander verbunden sind.

Die Europäische Drogenstrategie 2005-2012 wird das Programm nach seiner Annahme durch den Europäischen Rat im Dezember 2004 ergänzen.

3.   Stärkung des Rechts

Der Europäische Rat betont, dass die Arbeit an der Schaffung eines Europas der Bürger weiter vorangebracht werden muss und dass der entstehende Europäische Rechtsraum in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielt. Einige Maßnahmen sind bereits durchgeführt worden. Weitere Anstrengungen sollten unternommen werden, um den Zugang zur Justiz, die justizielle Zusammenarbeit sowie die umfassende gegenseitige Anerkennung zu erleichtern. Von besonderer Bedeutung ist hier, dass Grenzen zwischen den Ländern Europas für die Beilegung zivilrechtlicher Streitigkeiten oder die Erhebung zivilrechtlicher Klagen und die Vollstreckung zivilrechtlicher Entscheidungen kein Hindernis mehr darstellen.

3.1.   Europäischer Gerichtshof

Der Europäische Rat unterstreicht die Bedeutung des Europäischen Gerichtshofs in dem verhältnismäßig neuen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und nimmt mit Befriedigung zur Kenntnis, dass die Befugnisse des Europäischen Gerichtshofs in diesem Bereich durch den Verfassungsvertrag erheblich ausgeweitet werden.

Damit im Interesse der europäischen Bürger und des Funktionierens des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sichergestellt wird, dass über Rechtsfragen, die dem Gerichtshof unterbreitet werden, rasch entschieden werden kann, ist es notwendig, den Gerichtshof in die Lage zu versetzen, rasch entscheiden zu können, wie Artikel III-369 des Verfassungsvertrags dies verlangt.

In diesem Zusammenhang und im Hinblick auf den Verfassungsvertrag sollte über eine Lösung für die zügige und zweckentsprechende Bearbeitung von Vorabentscheidungsersuchen im Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, gegebenenfalls durch Änderung der Satzung des Gerichtshofs, nachgedacht werden. Die Kommission wird ersucht, nach Rücksprache mit dem Gerichtshof einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten.

3.2.   Gegenseitiges Vertrauen und Vertrauensbildung

Die justizielle Zusammenarbeit in Straf- und Zivilsachen könnte durch die Festigung des gegenseitigen Vertrauens und durch die fortschreitende Entwicklung einer europäischen Rechtskultur, die auf der Vielfalt der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten und der Einheitlichkeit durch europäisches Recht beruht, noch weiter gestärkt werden. In einer erweiterten Union muss das gegenseitige Vertrauen auf der Gewissheit beruhen, dass alle europäischen Bürger Zugang zu einem Justizwesen haben, das hohe Qualitätsnormen erfüllt. Um die uneingeschränkte Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung zu erleichtern, muss — unter uneingeschränkter Achtung der Unabhängigkeit der Justiz — ein System zur objektiven und unparteiischen Evaluierung der Umsetzung der justizpolitischen Maßnahmen der EU geschaffen werden, das mit allen bestehenden europäischen Mechanismen im Einklang steht.

Es müssen entschiedene Anstrengungen unternommen werden, um das gegenseitige Verständnis zwischen den Justizbehörden und den verschiedenen Rechtsordnungen zu verbessern. In diesem Zusammenhang sollte die Vernetzung der Justiz und ihrer Einrichtungen wie z.B. das Netz der Räte für das Justizwesen, das Europäische Netz der obersten Gerichtshöfe und das Europäische Justiz-Ausbildungsnetz, von der Union unterstützt werden.

Austauschprogramme für die Justizbehörden würden die Zusammenarbeit erleichtern und zu einer Festigung des gegenseitigen Vertrauens beitragen. Eine EU-Komponente sollte für Justizbehörden systematisch in die Ausbildung einbezogen werden. Die Kommission wird ersucht, so bald wie möglich einen Vorschlag zur Schaffung eines auf den bestehenden Strukturen aufbauenden effizienten europäischen Weiterbildungsnetzes für die Justizbehörden in Zivil- und Strafsachen auszuarbeiten, wie es in den Artikeln III-269 und III-270 des Verfassungsvertrags vorgesehen ist.

3.3.   Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen

Hier sollten durch den Abbau bestehender rechtlicher Hindernisse und eine verstärkte Koordinierung der Ermittlungen Verbesserungen angestrebt werden. Im Hinblick auf eine effizientere Strafverfolgung bei gleichzeitiger Gewährleistung einer adäquaten Rechtspflege sollte den Möglichkeiten der Konzentration der Strafverfolgung in grenzüberschreitenden multilateralen Fällen in einem Mitgliedstaat besondere Aufmerksamkeit gelten. Der Ausbau der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen ist wesentlich, damit in angemessener Weise an die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols angeknüpft werden kann.

Der Europäische Rat erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass die Rechtsinstrumente zur Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, auf die bereits im Abschnitt über die polizeiliche Zusammenarbeit Bezug genommen wurde, unverzüglich ratifiziert und wirksam umgesetzt werden müssen.

3.3.1.   Gegenseitige Anerkennung

Das umfassende Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen, das gerichtliche Entscheidungen in allen Phasen des Strafverfahrens sowie für solche Verfahren anderweitig relevante Entscheidungen — wie z.B. in Bezug auf Erhebung und Zulässigkeit von Beweismitteln, Kompetenzkonflikte, den Grundsatz „ne bis in idem“ und die Vollstreckung rechtskräftiger Urteile über die Verhängung von Freiheitsstrafen oder anderer (alternativer) Sanktionen (11) — umfasst, sollte abgeschlossen werden; zudem sollte zusätzlichen Vorschlägen in diesem Zusammenhang weitere Beachtung geschenkt werden.

Die weitere Verwirklichung der gegenseitigen Anerkennung als Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit schließt die Entwicklung gleichwertiger Standards für die Verfahrensrechte in Strafverfahren ein, wobei Untersuchungen zum Schutzniveau in den Mitgliedstaaten zugrunde zu legen sind und die Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten gebührend zu berücksichtigen sind. In diesem Zusammenhang sollte der Entwurf eines Rahmenbeschlusses über bestimmte Verfahrensrechte in Strafverfahren innerhalb der Europäischen Union bis Ende 2005 angenommen werden.

Der Rat sollte vor Ende 2005 den Rahmenbeschluss über die Europäische Beweisanordnung (12) annehmen. Die Kommission wird ersucht, ihre Vorschläge für einen verstärkten Austausch von Informationen aus den einzelstaatlichen Registern zur Erfassung von Verurteilungen und Rechtsverlusten, insbesondere bei Sexualstraftätern, bis Dezember 2004 vorzulegen, damit sie vor Ende 2005 vom Rat angenommen werden können. Darauf sollte im März 2005 ein weiterer Vorschlag zu einem EDV-gestützten System für den Informationsaustausch folgen.

3.3.2.   Annäherung der Rechtsvorschriften

Der Europäische Rat erinnert daran, dass die Aufstellung von Mindestregeln in Bezug auf bestimmte Aspekte des Verfahrensrechts in den Verträgen ins Auge gefasst wird, um die gegenseitige Anerkennung von Urteilen und gerichtlichen Entscheidungen sowie die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit grenzüberschreitender Dimension zu erleichtern. Die Annäherung des materiellen Strafrechts dient denselben Zwecken und betrifft besonders schwerwiegende Deliktbereiche mit grenzüberschreitender Dimension. Priorität sollten die in den Verträgen explizit genannten Deliktbereiche haben.

Um eine effizientere Umsetzung in den einzelstaatlichen Rechtsordnungen zu gewährleisten, sollten die Minister für Justiz und Inneres innerhalb des Rates für die generelle Festlegung der Straftatbestände und der Strafen verantwortlich sein.

3.3.3.   Eurojust

Eine effiziente Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, anderer schwerer Kriminalität und des Terrorismus erfordert die Zusammenarbeit und Koordinierung bei den Ermittlungen und, wo diese möglich ist, die konzentrierte Strafverfolgung durch Eurojust in Zusammenarbeit mit Europol.

Der Europäische Rat fordert daher die Mitgliedstaaten auf, Eurojust in die Lage zu versetzen, seine Aufgaben wahrzunehmen, und zwar durch

eine effektive Umsetzung des Beschlusses des Rates über Eurojust vor Ende 2004 (13) unter besonderer Beachtung der justiziellen Befugnisse, die den nationalen Eurojust-Mitgliedern übertragen werden sollen;

die Gewährleistung einer uneingeschränkten Zusammenarbeit ihrer zuständigen einzelstaatlichen Behörden mit Eurojust.

Der Rat sollte auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission nach Inkrafttreten des Verfassungsvertrags, jedoch spätestens am 1. Januar 2008 das in Artikel III-273 des Verfassungsvertrags vorgesehene Europäische Gesetz über Eurojust unter Einbeziehung aller Eurojust anvertrauten Aufgaben annehmen.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird Eurojust seine Arbeitsweise verbessern, indem es sich auf die Koordinierung schwerer und komplexer Fälle, an denen mehrere Seiten beteiligt sind, konzentriert. Eurojust sollte in seinem Jahresbericht an den Rat über die Ergebnisse und die Qualität seiner Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Bericht erstatten. Eurojust sollte das Kooperationsabkommen mit Europol maximal nutzen und die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Justiziellen Netz und anderen relevanten Partnern fortsetzen.

Der Europäische Rat ersucht den Rat, auf der Grundlage eines Kommissionsvorschlags die Weiterentwicklung von Eurojust zu prüfen.

3.4.   Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen

3.4.1.   Erleichterung grenzüberschreitender Zivilverfahren

Das Zivilrecht einschließlich des Familienrechts betrifft die Bürger im Alltagsleben. Der Europäische Rat misst daher der ständigen Fortentwicklung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen und der Vollendung des im Jahre 2000 angenommenen Programms zur gegenseitigen Anerkennung große Bedeutung bei. Das wichtigste politische Ziel in diesem Bereich besteht darin, dass die Grenzen zwischen den europäischen Ländern kein Hindernis mehr für die Regelung zivilrechtlicher Angelegenheiten oder die Einleitung eines Gerichtsverfahrens sowie für die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen sein dürfen.

3.4.2.   Gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen

Die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen ist ein effizientes Mittel, mit dem die Rechte der Bürger geschützt und über die europäischen Grenzen hinweg durchgesetzt werden können.

Die weitere Umsetzung des Maßnahmenprogramms für die gegenseitige Anerkennung (14) muss daher in den kommenden Jahren eine Hauptpriorität sein, damit es bis 2011 abgeschlossen ist. Die Arbeiten an folgenden Projekten sollten zügig durchgeführt werden: Regelung des Kollisionsrechts für außervertragliche Schuldverhältnisse („Rom II“) und vertragliche Schuldverhältnisse („Rom I“), der Europäische Zahlungsbefehl und Instrumente für eine alternative Streitbeilegung bzw. zur Behandlung von Bagatellsachen. Bei der Zeitplanung für den Abschluss dieser Projekte sollte den laufenden Arbeiten in verwandten Bereichen gebührende Beachtung geschenkt werden.

Die Effizienz der bestehenden Instrumente zur gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen sollte durch eine Standardisierung der Verfahren und Schriftstücke und die Festlegung von Mindeststandards für verfahrensrechtliche Aspekte — wie Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke, Einleitung des Verfahrens, Vollstreckung von Entscheidungen und Transparenz der Kosten — verstärkt werden.

Bezüglich des Familien- und Erbrechts wird die Kommission ersucht, folgende Vorschläge zu unterbreiten:

den Entwurf eines Rechtsinstruments zur Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen, einschließlich Sicherungsmaßnahmen und vorläufiger Vollstreckung, im Jahr 2005;

ein Grünbuch über die Regelung des Kollisionsrechts im Bereich des Erbrechts, einschließlich der Frage der Zuständigkeit, der gegenseitigen Anerkennung und der Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in diesem Bereich, eines europäischen Erbscheins und eines Mechanismus zur eindeutigen Feststellung des Bestehens von Testamenten von in der Europäischen Union Ansässigen, im Jahr 2005;

ein Grünbuch über die Regelung des Kollisionsrechts im Bereich des ehelichen Güterstands, einschließlich der Frage der Zuständigkeit und der gegenseitigen Anerkennung, im Jahr 2006;

ein Grünbuch über die Regelung des Kollisionsrechts in Scheidungssachen (Rom III) im Jahr 2005.

Die Rechtsakte in diesen Bereichen sollten bis 2011 fertig gestellt sein. Diese Rechtsakte sollten Fragen des internationalen Privatrechts behandeln und sich nicht auf harmonisierte Konzepte von „Familie“, „Ehe“ usw. stützen. Einheitliche materiellrechtliche Regeln sollten nur als Begleitmaßnahme eingeführt werden, sofern dies für eine gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen oder die Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen erforderlich ist.

Die Umsetzung des Programms zur gegenseitigen Anerkennung sollte mit einer sorgfältigen Prüfung der Funktionsweise der jüngst angenommenen Rechtsakte einhergehen. Die Ergebnisse dieser Prüfung dürften die notwendigen Hinweise zur Ausarbeitung neuer Maßnahmen liefern.

3.4.3.   Ausbau der Zusammenarbeit

Im Hinblick auf ein reibungsloses Funktionieren der Instrumente, die eine Zusammenarbeit der Gerichte oder anderer Behörden vorsehen, sollten die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert werden, Verbindungsrichter oder andere zuständige Behörden für das eigene Land zu benennen. Gegebenenfalls könnten sie bei Zivilsachen auf ihre nationalen Kontaktstellen innerhalb des Europäischen Justiziellen Netzes zurückgreifen. Die Kommission wird ersucht, EU-Workshops zum Thema der Anwendung des EU-Rechts zu organisieren und die Zusammenarbeit zwischen den Angehörigen der Rechtsberufe (wie den Gerichtsvollziehern und den Notaren) im Hinblick auf die Herausbildung einer optimalen Vorgehensweise zu fördern.

3.4.4.   Gewährleistung der Kohärenz und Verbesserung der Qualität der EU-Rechtsvorschriften

Im Bereich des Vertragsrechts sollte die Qualität des bestehenden und künftigen Gemeinschaftsrechts durch Maßnahmen der Konsolidierung, Kodifizierung und Rationalisierung geltender Rechtsakte und durch die Entwicklung eines gemeinsamen Bezugsrahmens verbessert werden. Es sollte ein Rahmen geschaffen werden, um die Möglichkeiten zur Entwicklung von EU-weiten vertragsrechtlichen Standardbestimmungen auszuloten, die von den Unternehmen und Berufsverbänden in der Union angewendet werden könnten.

Es sollten Maßnahmen ergriffen werden, damit der Rat die Qualität und Kohärenz aller gemeinschaftlichen Rechtsinstrumente für die Zusammenarbeit in Zivilsachen systematischer prüfen kann.

3.4.5.   Internationale Rechtsordnung

Die Kommission und der Rat werden ersucht, die Kohärenz zwischen der EU-Rechtsordnung und der internationalen Rechtsordnung zu gewährleisten und weiterhin engere Beziehungen zu internationalen Organisationen wie der Haager Konferenz für internationales Privatrecht und dem Europarat herzustellen und eine engere Zusammenarbeit mit ihnen zu begründen, insbesondere um die Initiativen für Rechtsinstrumente aufeinander abzustimmen und um die Synergien zwischen den Aktivitäten und Instrumenten dieser Organisationen und den EU-Instrumenten zu maximieren. Der Beitritt der Gemeinschaft zur Haager Konferenz sollte so rasch wie möglich zum Abschluss gelangen.

4.   Aussenbeziehungen

Der Europäische Rat sieht die Entwicklung einer kohärenten externen Dimension der Unionspolitik für Freiheit, Sicherheit und Recht zunehmend als Priorität.

Zusätzlich zu den bereits in den vorangegangenen Kapiteln behandelten Aspekten ersucht der Europäische Rat die Kommission und den Generalsekretär/Hohen Vertreter, dem Rat bis Ende 2005 eine Strategie vorzulegen, die auf der Grundlage der im Rahmen dieses Programms entwickelten Maßnahmen alle externen Aspekte der Unionspolitik für Freiheit, Sicherheit und Recht umfasst. Diese Strategie sollte die besonderen Beziehungen der Union zu Drittländern, Gruppen von Ländern und Regionen widerspiegeln und den Schwerpunkt auf die spezifischen Bedürfnisse für eine Zusammenarbeit mit diesen im Bereich Justiz und Inneres legen.

Alle Befugnisse, die der Union zur Verfügung stehen, einschließlich der Außenbeziehungen, sollten auf integrierte und kohärente Weise eingesetzt werden, um den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu verwirklichen. Dabei sollten die folgenden Leitlinien (15) berücksichtigt werden: Bestehen einer internen Politik als wichtigster Parameter für die Begründung einer externen Maßnahme, erforderlicher zusätzlicher Nutzen gegenüber den Maßnahmen der Mitgliedstaaten, Beitrag zur Erreichung der allgemeinen außenpolitischen Ziele der Union, mögliche Zielverwirklichung binnen eines annehmbaren Zeitraums und Möglichkeit eines langfristigen Vorgehens.


(1)  KOM(2004) 401.

(2)  P6_TA-PROV (2004) 0022 A6-0010/2004.

(3)  KOM(2004) 401 endg.

(4)  Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77.

(5)  P6_TA-PROV (2004) 0022 A6-0010/2004.

(6)  KOM(2004) 410 endg.

(7)  KOM(2004) 628 endg.

(8)  Entwurf eines Rahmenbeschlusses über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, insbesondere in Bezug auf schwerwiegende Straftaten einschließlich terroristischer Handlungen (Dok. KOM(2004) 221 endg.).

(9)  Erklärung zum Kampf gegen den Terrorismus, angenommen am 25. März 2004 (Dok. 7906/04, Nummer 6).

(10)  Europol-Protokolle: Protokoll vom 30. November 2000 zur Änderung von Artikel 2 und des Anhangs des Europol-Übereinkommens (ABl. C 358 vom 13.12.2000, S. 1), Protokoll vom 28. November 2002 über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten von Europol (ABl. C 312 vom 16.12.2002, S. 1) und Protokoll zur Änderung des Europol-Übereinkommens vom 27. November 2003 (ABl. C 2 vom 6.1.2004, S. 3); Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. C 197 vom 12.7.2000, S. 1) und dazugehöriges Protokoll vom 16. Oktober 2001 (ABl. C 326 vom 21.11.2001, S. 2) und Rahmenbeschluss 2002/465/JI vom 13. Juni 2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen (ABl. L 162 vom 20.6.2002, S. 1).

(11)  ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 10-22.

(12)  KOM(2003) 688.

(13)  ABl. L 63 vom 6.3.2002, S. 1-3.

(14)  ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 1-9.

(15)  Diese wurden auf der Tagung des Europäischen Rates in Feira im Jahr 2000 erstellt.


3.3.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 53/15


BESCHLUSS DES RATES

vom 17. Februar 2005

über die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle)

(2005/C 53/02)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (1), insbesondere auf Artikel 120 Absätze 1 und 2,

gestützt auf den Beschluss des Rates vom 2. Mai 2000 zur Ernennung des Präsidenten des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (2),

auf Vorschlag des Verwaltungsrates des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom 23. November 2004 betreffend die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten des Amtes —

BESCHLIESST:

Einziger Artikel

Die Amtszeit von Herrn Wubbo de BOER, geboren am 27. Mai 1948, als Präsident des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) wird für den Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2010 verlängert.

Geschehen zu Brüssel am 17. Februar 2005.

Im Namen des Rates

Der Präsident

J.-C. JUNCKER


(1)  ABl. L 11 vom 14.1.1994, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 422/2004 (ABl. L 70 vom 9.3.2004, S. 1).

(2)  ABl. C 139 vom 18.5.2000, S. 1.


Kommission

3.3.2005   

DE

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C 53/16


Euro-Wechselkurs (1)

2. März 2005

(2005/C 53/03)

1 Euro=

 

Währung

Kurs

USD

US-Dollar

1,3101

JPY

Japanischer Yen

137,43

DKK

Dänische Krone

7,4433

GBP

Pfund Sterling

0,6859

SEK

Schwedische Krone

9,0627

CHF

Schweizer Franken

1,5413

ISK

Isländische Krone

79,88

NOK

Norwegische Krone

8,2060

BGN

Bulgarischer Lew

1,9559

CYP

Zypern-Pfund

0,5830

CZK

Tschechische Krone

29,647

EEK

Estnische Krone

15,6466

HUF

Ungarischer Forint

242,21

LTL

Litauischer Litas

3,4528

LVL

Lettischer Lat

0,6961

MTL

Maltesische Lira

0,4307

PLN

Polnischer Zloty

3,9098

ROL

Rumänischer Leu

36 443

SIT

Slowenischer Tolar

239,73

SKK

Slowakische Krone

37,858

TRY

Türkische Lira

1,6841

AUD

Australischer Dollar

1,6792

CAD

Kanadischer Dollar

1,6286

HKD

Hongkong-Dollar

10,2185

NZD

Neuseeländischer Dollar

1,8077

SGD

Singapur-Dollar

2,1346

KRW

Südkoreanischer Won

1 319,79

ZAR

Südafrikanischer Rand

7,7544


(1)  

Quelle: Von der Europäischen Zentralbank veröffentlichter Referenz-Wechselkurs.


3.3.2005   

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C 53/17


Keine Einwände gegen einen angemeldeten Zusammenschluss

(Sache COMP/M.3702 — CVC/CSM)

(2005/C 53/04)

(Text von Bedeutung für den EWR)

Am 18. Februar 2005 hat die Kommission entschieden, keine Einwände gegen den obengenannten angemeldeten Zusammenschluss zu erheben und ihn insofern für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären. Diese Entscheidung stützt sich auf Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b) der Ratsverordnung (EG) Nr. 139/2004. Der vollständige Text der Entscheidung ist nur auf Englisch erhältlich und wird nach Herausnahme eventuell darin enthaltener Geschäftsgeheimnisse veröffentlicht. Er ist erhältlich:

auf der Europa-Wettbewerb-Website (http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/). Diese Website ermöglicht, einzelne Entscheidungen der Fusionskontrolle aufzufinden, einschließlich Suchmöglichkeiten nach Unternehmen, Fallnummer, Datum und Sektor,

in elektronischem Format auf der EUR-Lex Website unter der Dokumentennummer 32005M3702. EUR-Lex ist der Online-Zugang für das Gemeinschaftsrecht. (http://europa.eu.int/eur-lex/lex)


3.3.2005   

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C 53/18


STAATLICHE BEIHILFENDEUTSCHLAND

Staatliche Beihilfen Nr. C 40/2004 (ex N 42/2004) — „Grunderwerbsteuerbefreiung bei Fusionen von Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften in den neuen Ländern“

Aufforderung zur Stellungnahme gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag

(2005/C 53/05)

(Text von Bedeutung für den EWR)

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2004, das nachstehend in der verbindlichen Sprachfassung abgedruckt ist, hat die Kommission Deutschland von ihrem Beschluss in Kenntnis gesetzt, wegen eines Teils der erwähnten Maßnahme das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten.

Die Kommission hat beschlossen, keine Einwände gegen bestimmte andere im nachfolgenden Schreiben beschriebene Teile der Maßnahme zu erheben.

Jeder sonstige Beteiligte kann sich innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung dieser Zusammenfassung und des nachstehenden Schreibens zu der Maßnahme, die Gegenstand des von der Kommission eingeleiteten Verfahrens ist, äußern und seine Bemerkungen an folgende Anschrift richten:

Europäische Kommission

Generaldirektion Wettbewerb

Kanzlei Staatliche Beihilfen

B-1049 Brüssel

Fax Nr.: (32-2) 296 12 42

Die Bemerkungen werden an Deutschland weitergeleitet. Wer Bemerkungen übermittelt, kann unter Angabe von Gründen schriftlich beantragen, dass seine Identität nicht bekannt gegeben wird.

ZUSAMMENFASSUNG

Die Beihilferegelung wurde von Deutschland mit Schreiben vom 16. Januar 2004, das bei der Kommission am 19. Januar 2004 als eingegangen registriert wurde, angemeldet.

1.   Ziel der Regelung

Deutschland schlägt vor, den Erwerb von Grundstücken in den neuen Ländern bei Fusionen von Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften für einen befristeten Zeitraum von der Grunderwerbsteuer zu befreien. Mit der Maßnahme sollen Wohnungsunternehmen/-genossenschaften in die Lage versetzt werden, die nötigen Investitionen zu tätigen, um den aktuellen Markterfordernissen zu entsprechen.

2.   Begünstigte

Potenziell Begünstigte der Maßnahme sind Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften, die in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin gelegene Grundstücke im Wege der Fusion erwerben. Für die Zwecke der Maßnahme werden Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften definiert als Unternehmen und Genossenschaften, deren Kerngeschäft in der Verwaltung von Wohnungen (Bau, Vermietung und Verkauf) besteht. Unternehmen in Schwierigkeiten kommen nicht in Betracht.

3.   Finanzierung

Die deutschen Behörden haben erklärt, dass der Gesamtumfang der Haushaltsmittel ebenso wie die potenziellen Beihilfebeträge der einzelnen Transaktionen schwer vorherzusagen sind. Nach Untersuchungen in Deutschland liegt der Durchschnittsbetrag der Grunderwerbsteuer bei Fusionen von Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften — mit Ausnahme von Berlin — zwischen 150 000 EUR und 1,5 Mio. EUR. In Berlin liegen die Beihilfebeträge erfahrungsgemäß zwischen 1,4 Mio. EUR und 6,7 Mio. EUR.

4.   Laufzeit

Die Maßnahme ist auf Zusammenschluss- oder Übernahmevorgänge zwischen Wohnungsunternehmen/-genossenschaften beschränkt, die zwischen dem 31. Dezember 2003 und dem 31. Dezember 2006 erfolgen.

5.   Investitionsinstrument

Befristete Befreiung von der Grunderwerbsteuer.

6.   Würdigung der Regelung

6.1.   Vorliegen einer staatlichen Beihilfe

Die Kommission ist der Ansicht, dass es sich bei der Maßnahme um eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag handelt.

6.2.   Vorläufige Würdigung der Vereinbarkeit der Maßnahme

In Anbetracht der zu erwartenden positiven Wirkungen der Maßnahme auf den Wohnungsmarkt (Verringerung des Überangebots) und die allgemeine soziale und wirtschaftliche Entwicklung (rückläufige Abwanderung) in den neuen Ländern und der im Allgemeinen geringen Beihilfebeträge sowie der Befristung bis Ende 2006 ist die Kommission der Auffassung, dass für jene Teile der Maßnahme, die sich auf Fördergebiete nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe (a) EG-Vertrag beschränken, die Beihilfe im Verhältnis zu dem angestrebten Ziel steht und den Wettbewerb nicht in einer Weise verfälscht, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Folglich erübrigt sich die endgültige Klärung der Frage, ob die Beihilfe als Betriebsbeihilfe einzustufen ist.

Für jene Teile der von Deutschland gemeldeten Maßnahme, die auf das Fördergebiet nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe (c) EG-Vertrag ausgerichtet sind, d.h. die Arbeitsmarktregion Berlin, kommt die Kommission zu folgenden vorläufigen Schlussfolgerungen:

a)

Die Leerstandsquote in Berlin liegt erheblich unter der durchschnittlichen Leerstandsquote in den neuen Ländern. Während die gesamte Leerstandsquote in den neuen Ländern 14,2 % erreicht, beträgt die entsprechende Quote in Berlin 5,32 % für Wohnungen in Privatbesitz und 8,77 % für kommunale Wohnungen. Fast alle leerstehenden Wohnungen befinden sich in Ostberlin.

b)

Deutschland hat keine Angaben vorgelegt, die beweisen würden, dass Berlin unter einem vergleichbaren Bevölkerungsschwund leidet, wie die von der Maßnahme erfassten Gebiete nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe (a).

c)

Während bei Fusionen und Übernahmen zwischen Wohnungsunternehmen und Wohnungsgesellschaften in Gebieten nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe (a) in der Regel eine Grunderwerbsteuer zwischen 150 000 EUR und 1,5 Mio. EUR anfällt, bewegen sich die entsprechenden Beträge für Berlin erfahrungsgemäß zwischen 1,4 Mio. EUR und 6,7 Mio. EUR.

d)

Deutschland hat keine Angaben vorgelegt, die belegen, dass die befristete Steuerbefreiung wahrscheinlich zur Belebung des Immobilienmarkts in Berlin beitragen und positive Auswirkungen haben wird und dass eine Beteiligung der Privatwirtschaft an der Sanierung ohne staatliche Förderung kaum erwartet werden kann.

Nach einer ersten vorläufigen Würdigung der Maßnahme hat die Kommission daher Zweifel, dass die von Deutschland gemeldete Maßnahme für das Gebiet nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe (c) (Arbeitsmarktregion Berlin) im Verhältnis zu dem angestrebten Ziel steht — insbesondere durch eine ausreichende Bindung der Steuervorteile an die von den Begünstigten zu tragenden Kosten — und den Wettbewerb nicht in einer Weise verfälscht, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Nach Auffassung der Kommission ist eine gründlichere Analyse dieser schwierigen Frage notwendig. Daher möchte die Kommission auch Stellungnahmen sonstiger Beteiligter einholen, insbesondere von Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften, die an Investitionen in den neuen Ländern interessiert sind. Aus rechtlichen Gründen muss die Kommission deshalb das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einleiten. Nur so wird sie entscheiden können, ob die Beihilfe notwendig ist und die Handelsbedingungen nicht in einer Weise beeinträchtigt, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

[DAS SCHREIBEN]

„Die Kommission teilt der Bundesrepublik Deutschland mit, dass sie nach Prüfung der von den deutschen Behörden zur vorerwähnten Maßnahme übermittelten Angaben beschlossen hat, wegen eines Teils der Maßnahme das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten.

Die Kommission hat beschlossen, keine Einwände gegen bestimmte andere Teile der im nachstehenden Schreiben beschriebenen Maßnahme zu erheben.

1.   VERFAHREN

Mit Schreiben vom 16. Januar 2004, das am 19. Januar 2004 bei der Kommission einging, hat Deutschland die vorgenannte Maßnahme notifiziert.

Mit Schreiben D/51125 vom 17. Februar 2004 forderte die Kommission ergänzende Informationen an. Diese wurden von Deutschland mit Schreiben vom 17. März 2004 übermittelt, das bei der Kommission am 19. März 2004 einging.

Mit Schreiben vom 26. April 2004 und im Anschluss an eine Besprechung am 16. April 2004, auf der Deutschland ankündigte, es werde weitere Angaben zu der Maßnahme bereitstellen, beantragte Deutschland eine Verlängerung der Frist. Die Fristverlängerung wurde mit Schreiben D/53302 vom 10. Mai 2004 gewährt.

Mit Schreiben vom 14. Mai 2004, das bei der Kommission am selben Tag registriert wurde, übermittelte Deutschland ergänzende Angaben. Mit Schreiben D/54751 vom 30. Juni 2004 und Schreiben D/56567 vom 14. September 2004 forderte die Kommission weitere Informationen zu der Maßnahme an. Diese wurden von Deutschland mit Schreiben vom 29. Juli 2004 und 5. Oktober 2004 übermittelt, die bei der Kommission am 29. Juli 2004 bzw. 6. Oktober 2004 eingingen.

2.   AUSFÜHRLICHE BESCHREIBUNG DER MASSNAHME

2.1.   Ziel der Maßnahme

Ein wesentliches Merkmal des Wohnungsmarktes in den neuen Bundesländern ist die hohe Leerstandsquote, verursacht durch die tief greifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen im Zuge der Wiedervereinigung. Im Rahmen einer integrierten Strategie zur Wiederbelebung des Wohnungsmarktes in den neuen Ländern schlägt Deutschland vor, den Erwerb von Grundstücken in den neuen Ländern durch Verschmelzung oder Spaltung von Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften für einen befristeten Zeitraum von der Grunderwerbsteuer zu befreien. Mit der Maßnahme sollen Wohnungsunternehmen/-genossenschaften in die Lage versetzt werden, die nötigen Investitionen zu tätigen, um den aktuellen Markterfordernissen zu entsprechen.

2.2.   Begünstigte der Maßnahme

Potenziell Begünstigte der Maßnahme sind Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften, die in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin belegene Grundstücke durch Verschmelzung oder Spaltung erwerben. Für die Zwecke der Maßnahme werden Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften definiert als Unternehmen und Genossenschaften, deren Kerngeschäft in der Verwaltung von Wohnungen (Bau, Vermietung und Verkauf) besteht. Unternehmen in Schwierigkeiten kommen nicht in Betracht.

Nach der deutschen Fördergebietskarte (1) gelten Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als Fördergebiete im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a) EG-Vertrag. Die Arbeitsmarktregion Berlin ist als Fördergebiet gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag eingestuft.

2.3.   Laufzeit der Maßnahme

Die Maßnahme ist auf Verschmelzungs- oder Spaltungsvorgänge zwischen Wohnungsunternehmen/-genossenschaften beschränkt, die zwischen dem 31. Dezember 2003 und dem 31. Dezember 2006 erfolgen.

2.4.   Hintergrund der Maßnahme

2.4.1.   Grunderwerbsteuer

Die Grunderwerbsteuer wird bei Grundstücksübertragungen erhoben, die zu einem Eigentümerwechsel führen. Die Steuer entsteht, wenn Grundstücke durch Verkauf oder sonstige Rechtsgeschäfte übereignet werden. In Deutschland wird die Grunderwerbsteuer anhand des Bedarfswerts des Grundstücks berechnet und der Steuersatz beträgt 3,5 %.

2.4.2.   Grunderwerbsteuer als Hindernis für die nötige Umstrukturierung

Auf dem Wohnungsmarkt der neuen Länder wird die Grunderwerbsteuer als entscheidendes Hindernis für die notwendige Umstrukturierung wahrgenommen. Bei Fusionen und Übernahmen zwischen Wohnungsunternehmen und –genossenschaften mit Grundstücken in den neuen Ländern kann der Gesamtbetrag der Grunderwerbsteuer beträchtlich sein, da das Vermögen der beteiligten Unternehmen fast ausschließlich aus Grundstücken besteht. Die Grunderwerbsteuer wird nach Abschluss eines Vertrags zwischen Käufer und Veräußerer erhoben und kann so zu einer gravierenden Liquiditätsanspannung für die betroffenen Unternehmen führen. Dies ist besonders abschreckend für Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften in den neuen Ländern, die aufgrund bestehender Altschulden und der jüngsten sozio-ökonomischen Entwicklung mit ungünstigen Marktbedingungen konfrontiert sind. Die negative Auswirkung der Grunderwerbsteuer auf die notwendige Umstrukturierung des Wohnungsmarktes in den neuen Ländern zeigt sich außerdem darin, dass im Zeitraum 2000-2003 nur neun Fusionen zwischen Wohnungsunternehmen/-genossenschaften stattgefunden haben, bei denen es sich ausschließlich um kleine Unternehmen handelte.

2.4.3.   Grundstücksmarkt in den neuen Ländern

Der Grundstücksmarkt in den neuen Ländern wird geprägt durch mehrere spezifische Merkmale:

Bevölkerungsentwicklung: Schwache Geburtenraten in den neuen Ländern haben gekoppelt mit einer massiven Abwanderung in die alten Bundesländer im Zeitraum 1997-2001 zu einem Bevölkerungsverlust von 3,05 % in Sachsen-Anhalt, 5,3 % in Sachsen und 3,15 % in Mecklenburg-Vorpommern geführt. Dieser Negativtrend dürfte sich bis 2020 noch verstärken.

Hohe Leerstandquote: Im Jahr 1998 verfügten die neuen Länder über einen Bestand von 7,3 Mio. Wohnungen. Die Leerstandsquote betrug 13 %. Nach den jüngsten Daten für 2002 stieg die Leerstandsquote auf 14,2 %. Im Vergleich dazu liegt die Leerstandsquote in den alten Bundesländern bei 3,1 %.

Leerstandsbedingte Mietausfälle: Die hohe Leerstandsquote in den neuen Ländern führt zu erheblichen Mietausfällen (920 Mio. EUR jährlich bzw. 1 550 EUR pro Wohneinheit und Jahr).

Unsicherheit wegen offener Restitutionsverfahren: Im Jahr 1990 fielen 700 000 Wohnungen in den neuen Ländern unter diese Regelung. Bis zum 31. Dezember 2001 konnte für 590 000 Wohnungen das Verfahren abgeschlossen werden. Für die verbleibenden 110 000 Wohnungen kann die Klärung der noch offenen Restitutionsverfahren bis zu zehn Jahren dauern. Am 31. Dezember 2001 standen von diesen 110 000 Wohnungen 35 000 (32 %) leer.

Programm der Bundesregierung ‚Stadtumbau-Ost‘: Angesichts des anhaltenden Überangebots an Mietraum in den neuen Ländern legte die Bundesregierung ein umfassendes Programm mit dem Titel ‚Stadtumbau-Ost‘ auf, das den Abriss von bis zu 380 000 Wohnungen bis 2009 vorsieht. Ein erheblicher Teil der Abrisskosten werden die Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften in den neuen Ländern zu tragen haben.

2.4.4.   Umfang der Maßnahme

Die deutschen Behörden bringen vor, dass es generell schwierig sein dürfte, im Einzelnen abzuschätzen, wie viele Unternehmen die Möglichkeit der Grunderwerbsteuerbefreiung im Wege einer Fusion in Anspruch nehmen werden. Nach den Statistiken des Bundesverbands Deutscher Wohnungsunternehmen könnten 1 317 Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften in den neuen Ländern von der Maßnahme betroffen sein (834 Wohnungsunternehmen und 483 überwiegend kommunale Wohnungsgenossenschaften). Nach einer Umfrage des GDW würden jedoch nur rund 10 % dieser Unternehmen von der Steuerbefreiung tatsächlich Gebrauch machen.

2.4.5.   Beihilfebeträge und Budget der Maßnahme

Wie unter 2.4.4 ausgeführt, ist es nach Angaben der deutschen Behörden schwierig, das Gesamtbudget der Maßnahme und die potenziellen Beihilfebeträge, die mit den einzelnen Transaktionen verbunden sind, vorherzusagen. Die meisten Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften wollen derzeit keine festen Zusagen geben sondern das Inkrafttreten der Maßnahme abwarten. Deshalb handelt es sich bei den nachstehenden Ausführungen lediglich um Beispiele, um abgeleitet aus der Vergangenheit und in einigen Fällen im Vorgriff auf die Zukunft typische Fusionsfälle und damit verbundene Grunderwerbsteuerbeträge aufzuzeigen:

Thüringen: Derzeit wird in Thüringen mit fünf Fusionen gerechnet. In zwei Fällen dürfte eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 363 321 EUR bzw. 1,46 Mio. EUR anfallen. Bei zwei Fusionen im Jahr 2001 belief sich die Grunderwerbsteuer auf 180 000 EUR für ca. 200 Wohnungen.

Sachsen-Anhalt: In Sachsen-Anhalt werden mindestens drei Fusionen von Wohnungsunternehmen erwartet, wobei eine Grunderwerbsteuer zwischen 250 000 EUR und 500 000 EUR anfallen dürfte. Im Falle fünf weiterer Fusionen wird mit einem Grunderwerbsteuerbetrag bis zu 300 000 EUR gerechnet.

Berlin: In Berlin sind derzeit drei Fusionen zwischen Wohnungsunternehmen vorgesehen. Bei den Fusionen, die zwischen 1995 und 1998 in Berlin erfolgten, wurden folgende Grunderwerbsteuerbeträge verzeichnet: 1,3 Mio. EUR bei einer Fusion, von der 19 Grundstücke betroffen waren; 1,4 Mio. EUR bei einer Fusion, von der 39 Grundstücke betroffen waren bzw. 6,7 Mio. EUR bei einer Fusion, von der 491 Grundstücke betroffen waren.

Nach den von Deutschland durchgeführten Erhebungen wird der durchschnittliche Betrag der bei Fusionen von Wohnungsunternehmen und Wohnungsgesellschaften anfallenden Grunderwerbsteuer daher — mit Ausnahme von Berlin — zwischen 150 000 EUR und 1,5 Mio. EUR liegen.

3.   WÜRDIGUNG DER MASSNAHME

Gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 enthält die Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens eine Zusammenfassung der wesentlichen Sach- und Rechtsfragen, eine vorläufige Würdigung des Beihilfecharakters der geplanten Maßnahme durch die Kommission und Ausführungen über ihre Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt.

3.1.   Rechtmäßigkeit der Maßnahme

Deutschland hat die Regelung im Entwurfstadium notifiziert und ist somit seiner Verpflichtung aus Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag nachgekommen.

3.2.   Vorliegen einer Beihilfe und Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag

Die Kommission hat das Vorliegen einer Beihilfe gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag geprüft. Die Ergebnisse dieser Prüfung können wie folgt zusammengefasst werden.

Die Beteiligung staatlicher Mittel ist dadurch gegeben, dass Deutschland bei der Befreiung von der Grunderwerbsteuer auf Steuereinnahmen verzichtet, die andernfalls erwirtschaftet worden wären;

die Maßnahme ist selektiv, da sie auf Gebiete in den neuen Ländern ausgerichtet ist und bestimmte Unternehmen nämlich Wohnungsunternehmen und –genossenschaften, begünstigt und sich auf Fusionen solcher Unternehmen und Genossenschaften mit Grundstücken in den neuen Ländern beschränkt;

die Maßnahme begünstigt an Fusionen beteiligte Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften, da sie von der Grunderwerbsteuer befreit werden, die sie andernfalls zu zahlen hätten;

schließlich stellen Grundstücksübertragungen einen Tätigkeitsbereich dar, in dem Handel zwischen Mitgliedstaaten besteht, so dass eine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten nicht ausgeschlossen werden kann.

Daher ist die Kommission der Auffassung, dass die Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag darstellt.

3.3.   Vereinbarkeit der Maßnahme

In Artikel 87 Absatz 2 EG-Vertrag ist geregelt, dass bestimmte Arten von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Im Hinblick auf Art und Zweck der Beihilfe sowie den geografischen Geltungsbereich finden nach Auffassung der Kommission die Buchstaben a), b) und c) auf die fragliche Regelung keine Anwendung.

In Artikel 87 Absatz 3 sind weitere Beihilfeformen genannt, die als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden können. Im Hinblick auf Art und Zweck der Maßnahme sowie den geografischen Geltungsbereich könnten nach Auffassung der Kommission die Buchstaben a) und c) im vorliegenden Fall Anwendung finden.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die in Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben a) und c) vorgesehenen Ausnahmen zur Anwendung gelangen können, räumt Artikel 87 Absatz 3 nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ‚der Kommission ein Ermessen ein, das sie nach Maßgabe wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind‘ (2). Bei bestimmten Arten von Beihilfen hat die Kommission festgelegt, wie sie diesen Ermessensspielraum ausüben wird, sei es in Form von Gruppenfreistellungen oder durch Gemeinschaftsrahmen, Leitlinien oder Bekanntmachungen. Ist derartiges Sekundärrecht vorhanden, hat sich die Kommission bei der Beurteilung von Beihilfesachen daran zu halten.

Daher muss die Kommission zunächst feststellen, ob die in der Regelung ‚Grunderwerbsteuerbefreiung bei Fusionen von Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften in den neuen Ländern‘ vorgesehene Beihilfe unter eine dieser sekundärrechtlichen Vorschriften fällt.

Die Maßnahme ist weder auf KMU (3) oder Unternehmen in Schwierigkeiten (4) noch auf einen der folgenden Bereiche beschränkt: Forschung und Entwicklung (5), Ausbildung (6) oder Beschäftigung (7). Somit ist keine dieser Leitlinien, Gemeinschaftsrahmen oder Verordnungen auf den vorliegenden Fall anwendbar. Auch der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen (8) gelangt nicht zur Anwendung, da die Regelung als solche nicht auf den Umweltschutz ausgelegt ist.

Die Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (nachstehend ‚Leitlinien für Regionalbeihilfen‘) wurden für strukturschwache Regionen wie die neuen Länder konzipiert. Diese Leitlinien zielen auf die Förderung von Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung ab, indem die Erweiterung, Modernisierung und Diversifizierung der Tätigkeiten der in diesen Gebieten befindlichen Betriebsstätten sowie die Ansiedlung neuer Unternehmen unterstützt werden.

Die Leitlinien für Regionalbeihilfen finden nur auf bestimmte Beihilfeformen Anwendung wie Beihilfen für Erstinvestitionen, Beihilfen für die Schaffung von Arbeitsplätzen und ausnahmsweise Betriebsbeihilfen.

Die Befreiung von der Grunderwerbsteuer ist offensichtlich nicht speziell an eine Erstinvestition oder die Erweiterung einer bestehenden Betriebsstätte im Sinne von Ziff. 4.4 der Leitlinien gebunden. Auch betrifft sie nicht die Schaffung von Arbeitsplätzen in Verbindung mit einer Erstinvestition im Sinne von Ziff. 4.11 der Leitlinien.

Außerdem haben die deutschen Behörden vorgebracht, die geplante Steuerbefreiung ziele nicht darauf ab, die laufenden Kosten der an Fusionen beteiligten Wohnungsunternehmen und -genossenschaften zu senken. In Ziff. 4.15 der Leitlinien (9) heißt es, dass Regionalbeihilfen, mit denen die laufenden Ausgaben eines Unternehmens gesenkt werden sollen, grundsätzlich verboten sind. In Fußnote 16 der Leitlinien wird erläutert, dass solche Beihilfen in der Regel in Form von Steuerermäßigungen oder Senkungen der Soziallasten gewährt werden. Obwohl die notifizierte Maßnahme als Befreiung von der Grunderwerbsteuer bezeichnet wird, hat Deutschland unterstrichen, dass die fragliche Maßnahme aus folgenden Gründen nicht als Beihilfe zur Senkung der laufenden Ausgaben der begünstigten Unternehmen betrachtet werden kann:

Wohnungsunternehmen und -genossenschaften werden beim Erwerb von Liegenschaften weiterhin die Grunderwerbsteuer zahlen. Da die Geschäftstätigkeit von Wohnungsunternehmen und -genossenschaften generell darin besteht, Liegenschaften zu erwerben und zu verkaufen bzw. zu vermieten, fällt die Grunderwerbsteuer unter die laufenden Ausgaben. Die von Deutschland notifizierte Maßnahme betrifft jedoch nicht die regulären laufenden Ausgaben, da sie nicht zur Anwendung gelangt, wenn Wohnungsunternehmen und -genossenschaften einfach nur eine Immobilie erwerben oder verkaufen.

Nach deutschen Angaben besteht die Besonderheit der notifizierten Maßnahme darin, dass nur Fusionsvorgänge zwischen Wohnungsunternehmen/-genossenschaften mit Grundbesitz in den neuen Ländern von der Grunderwerbsteuer befreit werden. Die potenziell Begünstigten werden nur unter diesen eingeschränkten Bedingungen für einen befristeten Zeitraum von der Grunderwerbsteuer frei gestellt. In Anbetracht der Tatsache, dass derzeit keine solchen Fusionen stattfinden, betrachtet Deutschland die Beihilfe nicht als Kompensation für die laufenden Ausgaben fusionsbeteiligter Wohnungsunternehmen, da die Steuer gegenwärtig nicht erhoben wird.

Laut Auskunft der deutschen Behörden besteht die Gegenleistung der Begünstigten darin, dass sie fusionieren. Angesichts der besonderen Umstände in den neuen Ländern, die geprägt sind durch einen starken Bevölkerungsrückgang, der sich bis 2020 noch verschärfen dürfte, eine Leerstandsquote von insgesamt 14,2 % (2002) und den damit verbundenen Mietausfällen (920 Mio. EUR jährlich) sowie die Unsicherheit aufgrund laufender Restitutionsverfahren, werden Fusionen von Wohnungsunternehmen und -genossenschaften für notwendig erachtet, damit diese Unternehmen besser in der Lage sind, den oben beschriebenen Herausforderungen zu begegnen. Die Grunderwerbsteuer hat sich als Hindernis für die Konsolidierung des Wohnungsmarktes in den neuen Ländern erwiesen, was dadurch verdeutlicht wird, dass zurzeit keine Fusionen stattfinden.

Wie Deutschland weiter vorbringt, wird das von der Bundesregierung und den Ländern aufgelegte Programm ‚Stadtumbau Ost‘ zum Abriss von 380 000 Wohnungen bis 2009 führen. Einen erheblichen Teil der Abrisskosten würden die Wohnungsunternehmen und -genossenschaften in den neuen Ländern zu tragen haben.

Die Kommission ist bisher davon ausgegangen, dass Steuerbefreiungen zur Umstrukturierung von Wirtschaftszweigen in Schwierigkeiten, mit denen gezielt Zusammenschlüsse gefördert werden sollen, als Beihilfe zur Senkung der laufenden Ausgaben der Unternehmen (Betriebsbeihilfe) (10) zu betrachten sind. Die Kommission nimmt die Argumente der deutschen Behörden zur Kenntnis, die im Hinblick auf eine anderweitige Beurteilung der anstehenden Maßnahmen vorgebracht wurden.

Gemäß Ziff. 4.15 der Leitlinien in der geänderten Fassung von 2000 (11) können ‚derartige Beihilfen (Betriebsbeihilfen) in Gebieten, die in den Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe a) fallen, gewährt werden, wenn sie aufgrund ihres Beitrags zur Regionalentwicklung und ihrer Art nach gerechtfertigt sind und ihre Höhe den auszugleichenden Nachteilen angemessen ist. Es obliegt den Mitgliedstaaten, die Existenz und den Umfang solcher Nachteile nachzuweisen. Diese Betriebsbeihilfen müssen zeitlich begrenzt und degressiv sein.‘

Für jene Teile der von Deutschland notifizierten Maßnahme, die sich auf Fördergebiete gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a) EGV beschränken (12), geht die Kommission davon aus, dass eine abschließende Bewertung der Frage, ob die Grunderwerbsteuerbefreiung eine Betriebsbeihilfe darstellt, nicht notwendig ist, da sie angesichts der besonderen Nachteile, der begrenzten Wettbewerbsverzerrung, der befristeten Geltungsdauer und der erwarteten positiven Wirkungen auf den Wohnungsmarkt sowie der sozioökonomischen Entwicklung auf jeden Fall genehmigungsfähig ist, wie aus der nachstehenden Erläuterung hervorgeht.

3.3.1.   Bestehende Nachteile in den neuen Ländern

Deutschland hat nachgewiesen, dass der Grundstücksmarkt in den neuen Ländern durch mehrere Nachteile geprägt ist. Die Leerstandsquoten in den neuen Ländern sind deutlich höher als in anderen Regionen Deutschlands (14,2 % in den neuen Ländern gegenüber 3,1 % in den alten Ländern).

Die Gründe für diese signifikante Differenz stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem politischen Erbe der Vergangenheit und der sozioökonomischen Entwicklung nach der Wiedervereinigung.

Die hohen Leerstandsquoten in den neuen Ländern führen zu erheblichen Mietausfällen (920 Mio. EUR pro Jahr).

Die ungünstige demographische Entwicklung, ausgelöst durch niedrige Geburtenquoten und eine massive Abwanderung, hat zu einem Nachfragerückgang nach Wohnraum in den neuen Ländern geführt.

Außerdem hat sich die Nachfrage nach Wohnraum nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ verändert.

Folglich besteht ein erhebliches Überangebot an Wohnraum in den neuen Ländern.

Daher haben die Bundesregierung und die Länder den Abriss von bis zu 380 000 Wohnungen in den neuen Ländern bis 2009 beschlossen (Programm ‚Stadtumbau-Ost‘).

Festzustellen ist, dass nach deutschen Angaben ein wesentlicher Teil der Abrisskosten von den betroffenen Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften zu tragen ist.

Des Weiteren hat Deutschland ausgeführt, dass die Unterkapitalisierung zahlreicher Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften in den neuen Ländern — verursacht durch Mietausfälle wegen hoher Leerstandsquoten und die relative Zersplitterung des Marktes — den von Bund und Ländern geplanten Abriss gefährden könnte, da sie nicht in der Lage sind, ihren Anteil an den Abrisskosten zu tragen.

Darüber hinaus hat Deutschland unterstrichen, dass der Ausgleich von Angebot und Nachfrage nicht nur das Überangebot beseitigen soll, sondern auch notwendig ist, um Wohnraum bereitzustellen, der den heutigen Qualitätsanforderungen entspricht.

Um dies zu erreichen, müssen Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften in den neuen Ländern massiv in die Modernisierung ihres derzeitigen Wohnungsbestands investieren.

Damit die Unternehmen in den neuen Ländern dazu in der Lage sind, müsse ihnen die Möglichkeit gegeben werden zu fusionieren und die damit verbundenen Größenvorteile zu nutzen.

Den Ausführungen der deutschen Behörden zufolge hat sich die Grunderwerbsteuer als Hindernis für Fusionen und Übernahmen zwischen solchen Unternehmen und Genossenschaften erwiesen. Dies wird dadurch unterstrichen, dass im Zeitraum 2000-2003 in den neuen Ländern nur neun Fusionen von Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften erfolgten.

Eine zeitlich befristete Aussetzung der Grunderwerbsteuer wird den Marktteilnehmern die Möglichkeit geben zu fusionieren. Die erweiterte Kapitalbasis fusionierter Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften wird sie in die Lage versetzen, die Kosten der notwendigen Abrissmaßnahmen zu tragen und gleichzeitig die erforderlichen Investitionen zu tätigen, um modernen Wohnraum zu schaffen.

3.3.2.   Geringe Verzerrung des Wettbewerbs

Die Kommission stellt fest, dass Handel und Wettbewerb nur in geringem Maße verzerrt werden. Deutschland hat nachgewiesen, dass sich für jene Teile der Maßnahme, die sich auf Fördergebiete nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a) EG-Vertrag beschränken, die üblichen Beträge der bei Fusionen und Übernahmen zwischen Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften anfallenden Grunderwerbsteuer zwischen 150 000 EUR und 1,5 Mio. EUR bewegen.

3.3.3.   Zeitliche Befristung der Maßnahme

Darüber hinaus hat Deutschland mitgeteilt, dass die Anwendung der Maßnahme bis Ende 2006 befristet werden soll. Zu diesem Datum läuft auch die geltende Fördergebietskarte aus.

In Anbetracht der zu erwartenden positiven Wirkungen auf den Wohnungsmarkt (Verringerung des Überangebots) und die allgemeine sozioökonomische Entwicklung (rückläufige Abwanderung) in den neuen Ländern, der generell geringen Beihilfebeträge sowie der zeitlichen Befristung der Maßnahme bis Ende 2006 ist die Kommission der Auffassung, dass für jene Teile der Maßnahme, die sich auf Fördergebiete nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a) EG-Vertrag beschränken, die Beihilfe im Verhältnis zu dem angestrebten Ziel steht und den Wettbewerb nicht in einer Weise verfälscht, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Deshalb ist eine abschließende Bewertung dieser Beihilfe als Betriebsbeihilfe nicht erforderlich.

3.3.4.   Bestehende Nachteile in Berlin

Für jene Teile der von Deutschland notifizierten Maßnahme, die auf Fördergebiete nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag ausgerichtet sind, d.h. die Arbeitsmarktregion Berlin, möchte die Kommission daran erinnern, dass in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates sowohl von Stockholm als auch von Barcelona eine Verringerung des Beihilfe-Gesamtumfangs und eine Neuausrichtung von Beihilfen auf Ziele von gemeinsamem Interesse, darunter Ziele des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts gefordert wird (13).

Die Kommission hat bereits in einer früheren Entscheidung (14) eingeräumt, dass Steuerbefreiungen als Sanierungsinstrument eingesetzt und zu einer Risikoverminderung für Grundstücksinvestoren beitragen können, wenn sich ein Markt als hochriskant erweist und durch renditeschwache Investitionen geprägt wird, vor allem wegen der schwachen Nachfrage und fehlenden Finanzierungsinitiativen. Als günstige Investitionsbedingungen gelten eine hohe Gesamtrendite sowie neue Geschäftschancen, transparente Ausstiegsstrategien und ein geringes Projektrisiko.

Außerdem ist in der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vorgesehen, dass Gemeinschaftsinitiativen im Bereich des sozialen Zusammenhalts die ‚… wirtschaftliche und soziale Wiederbelebung der krisenbetroffenen Städte und Stadtviertel zur Förderung einer dauerhaften Stadtentwicklung‘ umfassen sollen (15). Die Kommissionsinitiative URBAN, die auf Grundlage dieser Verordnung entwickelt wurde, hat die Förderung der physischen und wirtschaftlichen Sanierung von Städten und Stadtvierteln mit Strukturproblemen zum Ziel. Auch wenn der Schwerpunkt dieser Initiative auf städtischen Gebieten liegt, hat die Kommission die Vorteile eines integrierten Ansatzes zur Förderung von Synergien bei der städtischen und ländlichen Entwicklung betont (16). Aus den vorstehenden Ausführungen ist zu entnehmen, dass sich das Gemeinschaftsziel der Stärkung des sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalts im Gemeinsamen Markt auch auf Initiativen zur Sanierung ländlicher und städtischer Flächen erstreckt.

Somit kommt die Kommission zu folgenden vorläufigen Schlussfolgerungen:

a.

Die Leerstandsquote in Berlin liegt deutlich unter der durchschnittlichen Leerstandsquote in den neuen Ländern. Während die gesamte Leerstandsquote in den neuen Ländern 14,2 % beträgt, liegt die entsprechende Quote in Berlin bei 5,32 % für Wohnungen in Privatbesitz und bei 8,77 % für kommunale Wohnungen. Fast alle leerstehenden Wohnungen befinden sich in Ostberlin.

b.

Deutschland legt keine Angaben vor, die beweisen würden, dass Berlin unter einem vergleichbaren Bevölkerungsschwund leidet, wie die von der Maßnahme erfassten Gebiete nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a).

c.

Während bei Fusionen und Übernahmen zwischen Wohnungsunternehmen und Wohnungsgesellschaften in Gebieten nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a) in der Regel eine Grunderwerbsteuer zwischen 150 000 EUR und 1,5 Mio. EUR anfällt, bewegen sich die entsprechenden Beträge für Berlin erfahrungsgemäß zwischen 1,4 Mio. EUR und 6,7 Mio. EUR.

d.

Deutschland hat keine Angaben vorgelegt, die beweisen würden, dass die befristete Freistellung von der Grunderwerbsteuer zur Wiederbelebung des Grundstücksmarktes in Berlin beitragen und positive Ausstrahlungseffekte haben wird und dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass sich der Privatsektor ohne staatliches Zutun an Sanierungsmaßnahmen beteiligen wird.

Nach einer ersten vorläufigen Würdigung ergeben sich daher Zweifel, dass die von Deutschland notifizierte Maßnahme für das Gebiet nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c) (Arbeitsmarktregion Berlin) im Verhältnis zu dem angestrebten Ziel steht — vor allem was die Verbindung zwischen der Steuerbefreiung und den von den Begünstigten zu tragenden Kosten anbelangt — und den Wettbewerb nicht in einer Weise verfälscht, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Nach Auffassung der Kommission ist eine gründlichere Analyse dieser schwierigen Frage notwendig. Deshalb möchte die Kommission auch Stellungnahmen sonstiger Beteiligter einholen, insbesondere von Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften, die an Investitionen in den neuen Ländern interessiert sind. Aus rechtlichen Gründen muss die Kommission deshalb das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einleiten. Nur so wird die Kommission entscheiden können, ob die Beihilfe notwendig ist und die Handelsbedingungen nicht in einer Weise beeinträchtigt, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

4.   SCHLUSSFOLGERUNG

Aufgrund der vorstehenden Würdigung hat die Kommission beschlossen, dass die Beihilfe im Rahmen der ‚Grunderwerbsteuerbefreiung bei Fusionen von Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften in den neuen Ländern‘ in jenen Teilen mit dem EG-Vertrag vereinbar ist, die sich auf Fördergebiete nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a) EG-Vertrag beschränken. Gleichzeitig hat die Kommission beschlossen, das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag in Bezug auf den Teil der Maßnahme einzuleiten, der sich auf die Arbeitsmarktregion Berlin, einem Fördergebiet nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag bezieht.

Aus diesen Gründen fordert die Kommission die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag auf, innerhalb eines Monats nach Eingang dieses Schreibens ihre Stellungnahme abzugeben und alle sachdienlichen Informationen für die Würdigung der Maßnahme in Bezug auf die Arbeitsmarktregion Berlin zu übermitteln.

Die Kommission erinnert die Bundesrepublik Deutschland an die Sperrwirkung des Artikels 88 Absatz 3 EG-Vertrag und verweist auf Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates, wonach alle rechtswidrigen Beihilfen von den Empfängern zurückgefordert werden können.

Die Kommission teilt der Bundesrepublik Deutschland mit, dass sie die Beteiligten durch die Veröffentlichung des vorliegenden Schreibens und einer aussagekräftigen Zusammenfassung dieses Schreibens im Amtsblatt der Europäischen Union von der Beihilfe in Kenntnis setzen wird. Außerdem wird sie die Beteiligten in den EFTA-Staaten, die das EWR-Abkommen unterzeichnet haben durch die Veröffentlichung einer Bekanntmachung in der EWR-Beilage zum Amtsblatt und die EFTA-Überwachungsbehörde durch Übermittlung einer Kopie dieses Schreibens von dem Vorgang in Kenntnis setzen. Alle vorerwähnten Beteiligten werden aufgefordert, innerhalb eines Monats nach dem Datum dieser Veröffentlichung ihre Stellungnahme abzugeben.“


(1)  Siehe Beihilfesachen N 195/1999, C 47/1999 und N 641/2002.

(2)  Rs. C-169/95 Königreich Spanien / Europäische Kommission [1997] Slg. I-00135. Siehe auch Rs. C-730/79 Philip Morris / Kommission [1980] Slg. I-2671.

(3)  Verordnung (EG) Nr. 70/2001 der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen, ABl. L 10 vom 13.1.2001.

(4)  Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, ABl. C 244 vom 1.10.2004.

(5)  Gemeinschaftsrahmen für staatliche Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen, ABl. C 45 vom 17.2.1996.

(6)  Verordnung (EG) Nr. 68/2001 der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf Ausbildungsbeihilfen, ABl. L 10 vom 13.1.2001.

(7)  Leitlinien für Beschäftigungsbeihilfen, ABl. C 334 vom 12.12.1995.

(8)  Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl. C 37 vom 3.2.2001.

(9)  Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung, ABl. C 74 vom 10.3.1998.

(10)  Entscheidung der Kommission Nr. 2002/581/EG über die staatliche Beihilferegelung, die Italien zugunsten der Banken durchgeführt hat (ABl. L 184 vom 13.7.2002, S. 27).

(11)  ABl. C 258 vom 9.9.2000, S. 5.

(12)  Siehe Rdnr. 2.2. Fördergebiete im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a) EG-Vertrag sind nach der deutschen Fördergebietskarte: Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Arbeitsmarktregion Berlin ist als Fördergebiet gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag eingestuft.

(13)  Die Erklärungen dieser Europäischen Räte liegen in der Mitteilung der Kommission an den Rat mit dem Titel ‚Fortschrittsbericht über die Reduzierung und Neuausrichtung staatlicher Beihilfen‘, Brüssel, 16. Oktober 2002, KOM(2002) 555 endg. in gesammelter Form vor. Darüber hinaus vollzieht sich nach Auffassung der Kommission eine harmonische Entwicklung des Gemeinschaftsraums vor dem Hintergrund einer stärkeren wirtschaftlichen Integration. ‚Dies gilt auch für die Unterstützung aus den Strukturfonds, insbesondere wo diese die Stadtentwicklung im Rahmen eines integrierten regionalen Ansatzes sowie die ländliche Entwicklung in deren Doppelfunktion als Beitrag zum europäischen Landwirtschaftsmodell und zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt fördern.‘ Siehe Mitteilung der Kommission über die Strukturfonds und ihre Koordinierung mit dem Kohäsionsfonds — Leitlinien für die Programme des Zeitraums 2000-2006, ABl. C 267 vom 22.9.1999, S. 20.

(14)  Entscheidung der Kommission vom 22.1.2003 zur Beihilferegelung ‚Stempelsteuerbefreiung für gewerbliches Eigentum in den benachteiligten Gebieten‘ (ABl. L 149/2003).

(15)  ABl. L 161 vom 26.6.1999, S. 1.

(16)  Teil III: ‚Die Entwicklung der städtischen und ländlichen Gebiete und ihr Beitrag zu einer ausgewogenen Raumentwicklung‘ der Mitteilung der Kommission über die Strukturfonds und ihre Koordinierung mit dem Kohäsionsfonds, ABl. C 267 vom 22.9.1999.