URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

6. Juli 2023 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 92/43/EWG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Art. 12 – Strenges Schutzsystem für bestimmte Tierarten – Art. 16 – Ausnahme – Modalitäten für die Gewährung einer solchen Ausnahme – Recht der Öffentlichkeit auf Beteiligung“

In der Rechtssache C‑166/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Hohes Gericht, Irland) mit Entscheidung vom 14. Januar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Februar 2022, in dem Verfahren

Hellfire Massy Residents Association

gegen

An Bord Pleanála,

Minister for Housing, Local Government and Heritage,

Ireland,

Attorney General,

Beteiligte:

South Dublin County Council,

An Taisce – The National Trust for Ireland,

Save Our Bride Otters,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter F. Biltgen und J. Passer (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Hellfire Massy Residents Association, vertreten durch B. Harrington, Solicitor, J. Devlin, SC, und J. Kenny, BL,

der An Bord Pleanála, vertreten durch R. Minch, SC, L. Mullett, Solicitor, B. Foley, SC, und S. Hughes, BL,

des Minister for Housing, Local Government and Heritage, von Ireland und des Attorney General, vertreten durch M. Browne, J. Brennan und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von E. Barrington und T. Flynn, SC,

von Save Our Bride Otters und des An Taisce – The National Trust for Ireland, vertreten durch F. Logue, Solicitor,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und C. Hermes als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 und 16 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7) sowie der Art. 6 Abs. 1 bis 9 und Art. 9 Abs. 2 des am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichneten und durch den Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. 2005, L 124, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Hellfire Massy Residents Association auf der einen Seite und der An Bord Pleanála (Obere Planungsbehörde, Irland) (im Folgenden: Planungsbehörde), dem Minister for Housing, Local Government and Heritage (Minister für Wohnungswesen, kommunale Selbstverwaltung und Natur- und Kulturerbe, Irland), Ireland (Irland) und dem Attorney General (Generalstaatsanwalt, Irland) (im Folgenden zusammen: irische Behörden) auf der anderen Seite über die Gültigkeit erstens einer von der Planungsbehörde erteilten Baugenehmigung und zweitens der Bestimmungen zur Umsetzung der Art. 12 und 16 der Richtlinie 92/43 in irisches Recht.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

3

Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens von Aarhus lautet:

„Jede Vertragspartei

a)

wendet diesen Artikel bei Entscheidungen darüber an, ob die in Anhang I aufgeführten geplanten Tätigkeiten zugelassen werden;

b)

wendet diesen Artikel in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht auch bei Entscheidungen über nicht in Anhang I aufgeführte geplante Tätigkeiten an, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können. Zu diesem Zweck bestimmen die Vertragsparteien, ob dieser Artikel Anwendung auf eine derartige geplante Tätigkeit findet;

c)

kann – auf der Grundlage einer Einzelfallbetrachtung, sofern eine solche nach innerstaatlichem Recht vorgesehen ist – entscheiden, diesen Artikel nicht auf geplante Tätigkeiten anzuwenden, die Zwecken der Landesverteidigung dienen, wenn diese Vertragspartei der Auffassung ist, dass sich eine derartige Anwendung negativ auf diese Zwecke auswirken würde.“

4

Art. 6 Abs. 2 bis 9 dieses Übereinkommens sieht Modalitäten für die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren vor.

5

Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens bestimmt:

„Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,

a)

die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b)

eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder nichtstaatlichen Organisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.

Absatz 2 schließt die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens vor einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis der Ausschöpfung verwaltungsbehördlicher Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.“

Unionsrecht

Richtlinie 92/43

6

Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 lautet:

„Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.“

7

Art. 12 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet:

a)

alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten;

b)

jede absichtliche Störung dieser Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs‑, Aufzucht‑, Überwinterungs- und Wanderungszeiten;

c)

jede absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur;

d)

jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten.

(2)   Für diese Arten verbieten die Mitgliedstaaten Besitz, Transport, Handel oder Austausch und Angebot zum Verkauf oder Austausch von aus der Natur entnommenen Exemplaren; vor Beginn der Anwendbarkeit dieser Richtlinie rechtmäßig entnommene Exemplare sind hiervon ausgenommen.

(3)   Die Verbote nach Absatz 1 Buchstaben a) und b) sowie nach Absatz 2 gelten für alle Lebensstadien der Tiere im Sinne dieses Artikels.

(4)   Die Mitgliedstaaten führen ein System zur fortlaufenden Überwachung des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens der in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten ein. Anhand der gesammelten Informationen leiten die Mitgliedstaaten diejenigen weiteren Untersuchungs- oder Erhaltungsmaßnahmen ein, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass der unbeabsichtigte Fang oder das unbeabsichtigte Töten keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die betreffenden Arten haben.“

8

Art. 16 der Richtlinie sieht vor:

„(1)   Sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und unter der Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Artikel 12, 13 und 14 sowie des Artikels 15 Buchstaben a) und b) im folgenden Sinne abweichen:

a)

zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume;

b)

zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum;

c)

im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt;

d)

zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen;

e)

um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben.

(2)   Die Mitgliedstaaten legen der Kommission alle zwei Jahre einen mit dem vom Ausschuss [im Sinne des Art. 20] festgelegten Modell übereinstimmenden Bericht über die nach Absatz 1 genehmigten Ausnahmen vor. Die Kommission nimmt zu diesen Ausnahmen binnen zwölf Monaten nach Erhalt des Berichts Stellung und unterrichtet darüber den Ausschuss.

(3)   In den Berichten ist Folgendes anzugeben:

a)

die Arten, für die die Ausnahmeregelung gilt, und der Grund der Ausnahme, einschließlich der Art der Risiken sowie gegebenenfalls der verworfenen Alternativlösungen und der benutzten wissenschaftlichen Daten;

b)

die für Fang oder Tötung von Tieren zugelassenen Mittel, Einrichtungen oder Methoden und die Gründe für ihren Gebrauch;

c)

die zeitlichen und örtlichen Umstände der Ausnahmegenehmigungen;

d)

die Behörde, die befugt ist, zu erklären, dass die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, bzw. zu kontrollieren, ob sie erfüllt sind, und die beschließen kann, welche Mittel, Einrichtungen oder Methoden innerhalb welcher Grenzen und von welchen Stellen verwendet werden dürfen sowie welche Personen mit der Durchführung betraut werden;

e)

die angewandten Kontrollmaßnahmen und die erzielten Ergebnisse.“

Richtlinie 2011/92/EU

9

Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1) in der durch die Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 (ABl. 2014, L 124, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2011/92) wird ausgeführt:

„Gemäß Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union beruht die Umweltpolitik der [Europäischen] Union auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung und auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip. Bei allen technischen Planungs- und Entscheidungsprozessen sollten die Auswirkungen auf die Umwelt so früh wie möglich berücksichtigt werden.“

10

In Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2011/92 heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a)

‚Projekt‘:

die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen,

sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen;

c)

‚Genehmigung‘: Entscheidung der zuständigen Behörde oder der zuständigen Behörden, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung des Projekts erhält;

…“

11

Art. 2 Abs. 1 bis 3 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt unterzogen werden. Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.

(2)   Die Umweltverträglichkeitsprüfung kann in den Mitgliedstaaten im Rahmen der bestehenden Verfahren zur Genehmigung der Projekte durchgeführt werden oder, falls solche nicht bestehen, im Rahmen anderer Verfahren oder der Verfahren, die einzuführen sind, um den Zielen dieser Richtlinie zu entsprechen.

(3)   Für Projekte, bei denen die Verpflichtung zur Durchführung einer Prüfung der Umweltauswirkungen sowohl aufgrund dieser Richtlinie als auch aufgrund der Richtlinie [92/43] und/oder der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 2010, L 20, S. 7)] besteht, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass gegebenenfalls koordinierte und/oder gemeinsame Verfahren durchgeführt werden, die die Anforderungen dieser Unionsgesetzgebung erfüllen.

Für Projekte, bei denen die Verpflichtung zur Durchführung einer Prüfung der Umweltauswirkungen sowohl aufgrund dieser Richtlinie als auch aufgrund anderer Unionsgesetzgebung als den in Unterabsatz 1 genannten Richtlinien besteht, können die Mitgliedstaaten koordinierte und/oder gemeinsame Verfahren vorsehen.

…“

12

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Die Umweltverträglichkeitsprüfung identifiziert, beschreibt und bewertet in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls die unmittelbaren und mittelbaren erheblichen Auswirkungen eines Projekts auf folgende Faktoren:

a)

Bevölkerung und menschliche Gesundheit;

b)

biologische Vielfalt, unter besonderer Berücksichtigung der gemäß der Richtlinie [92/43] und der Richtlinie [2009/147] geschützten Arten und Lebensräume;

c)

Fläche, Boden, Wasser, Luft und Klima;

d)

Sachgüter, kulturelles Erbe und Landschaft;

e)

Wechselbeziehung zwischen den unter den Buchstaben a bis d genannten Faktoren.“

13

Art. 8a der Richtlinie 2011/92 bestimmt:

„(1)   In die Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung werden mindestens folgende Angaben aufgenommen:

a)

die begründete Schlussfolgerung gemäß Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe g Ziffer iv;

b)

etwaige Umweltauflagen, die mit der Entscheidung verbunden sind, sowie eine Beschreibung der Aspekte des Projekts und/oder der Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden, verhindert oder verringert und soweit möglich ausgeglichen werden sollen, und, soweit angemessen, eine Beschreibung der Überwachungsmaßnahmen.

(4)   Im Einklang mit den Anforderungen gemäß Absatz 1 Buchstabe b stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Aspekte des Projekts und/oder die Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden, verhindert, verringert und soweit möglich ausgeglichen werden sollen, vom Projektträger umgesetzt werden, und legen die Verfahren zur Überwachung erheblicher nachteiliger Auswirkungen auf die Umwelt fest.

Die Art der zu überwachenden Parameter und die Dauer der Überwachung müssen der Art, dem Standort und dem Umfang des Projekts sowie dem Ausmaß seiner Auswirkungen auf die Umwelt angemessen sein.

Geeignete Überwachungsmechanismen, die aufgrund anderer Unionsgesetzgebung als dieser Richtlinie und nationaler Gesetzgebung bestehen, können angewandt werden, um Doppelgleisigkeiten bei der Überwachung zu vermeiden.

…“

Irisches Recht

14

Regulation 51 der European Communities (Birds and Natural Habitats) Regulations 2011 (Verordnung von 2011 im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften [Vögel und Natürliche Lebensräume] [im Folgenden: Verordnung von 2011]) sieht vor:

„(1)   Der Minister [für Kunst, Natur- und Kulturerbe und Angelegenheiten der gälischsprachigen Bevölkerung] trifft die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für Tiere der in Teil 1 des Ersten Anhangs genannten Arten einzuführen.

(2)   Ungeachtet jeder – gesetzlichen oder sonstigen – Bewilligung, die einer Person von einer Behörde erteilt wurde oder in deren Besitz eine Person ist, es sei denn, sie entspricht einer vom Minister nach Regulation 54 erteilten Genehmigung, begeht eine Straftat, wer, was die in Teil 1 des Ersten Anhangs genannten Arten betrifft,

(a)

Exemplare dieser Arten in der Natur absichtlich fängt oder tötet,

(b)

diese Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs‑, Aufzucht‑, Überwinterungs- und Wanderungszeiten, absichtlich stört,

(c)

Eier dieser Arten absichtlich aus der Natur entnimmt oder zerstört,

(d)

eine Fortpflanzungs- oder Ruhestätte eines solchen Tieres beschädigt oder vernichtet, oder

(e)

aus der Natur entnommene Exemplare dieser Arten mit Ausnahme von im Sinne des Art. 12 Abs. 2 der [Richtlinie 92/43] rechtmäßig entnommenen Exemplaren besitzt, transportiert, mit ihnen handelt, sie austauscht, sie zum Verkauf anbietet oder sie zum Austausch anbietet.

(3)   Die Verbote gemäß Abs. 2 gelten für alle Stadien des Lebenskreislaufs der Tiere, die unter diese Verordnung fallen.

(4)   Der Minister führt ein System zur Überwachung des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens von Tieren der in Teil 1 des Ersten Anhangs genannten Arten ein und führt anhand der gesammelten Informationen weitere Untersuchungen durch oder trifft die Erhaltungsmaßnahmen, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass der unbeabsichtigte Fang oder das unbeabsichtigte Töten keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die betreffenden Arten haben.“

15

Regulation 54 der Verordnung von 2011 lautet:

„(1)   Jedermann kann beim Minister oder bei dem/den Regierungsminister(n) mit Zuständigkeiten für die in Teil 2 des Ersten Anhangs genannten Fischarten eine Ausnahmegenehmigung zur Abweichung von den Vorgaben der Regulations 51, 52 und 53 beantragen.

(2)   Sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und die Populationen der unter die [Richtlinie 92/43] fallenden Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahme ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können der Minister oder der/die Regierungsminister mit Zuständigkeiten für die im Vierten Anhang genannten Fischarten einer oder mehreren Personen eine solche Ausnahmegenehmigung aus folgenden Gründen erteilen:

(a)

zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume,

(b)

zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum,

(c)

im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art und mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt,

(d)

zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der dafür erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen,

(e)

um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung bestimmter Exemplare der im Ersten Anhang genannten Arten in dem in der Ausnahmegenehmigung festgelegten Ausmaß zu erlauben.

(3)   Eine nach Abs. 2 erteilte Ausnahmegenehmigung unterliegt den Auflagen, Beschränkungen, Einschränkungen oder Bedingungen, die der Minister für angemessen hält.

(4)   Alle Auflagen, Beschränkungen, Einschränkungen oder Bedingungen, die für eine Ausnahmegenehmigung nach Abs. 2 gelten, sind darin anzugeben.

(5)   Unbeschadet der in der Ausnahmegenehmigung angegebenen Auflagen, Beschränkungen, Einschränkungen oder Bedingungen unterliegt eine nach dieser Regulation erteilte Ausnahmegenehmigung den Bestimmungen von Section 14 (2) bis (5) des Protection of Animals (Amendment) Act 1965 [Gesetz von 1965 über den Tierschutz (Novelle)].

(6)   Der Minister legt der Europäischen Kommission alle zwei Jahre einen Bericht über die Ausnahmegenehmigungen nach Abs. 2 in Übereinstimmung mit dem von der Europäischen Kommission festgelegten Modell vor.

(7)   In dem Bericht gemäß Abs. 6 ist Folgendes anzugeben:

(a)

die Arten, für die die Ausnahmegenehmigungen gelten, und der Grund der Ausnahme, einschließlich der Art der Risiken sowie gegebenenfalls der verworfenen Alternativlösungen und der benutzten wissenschaftlichen Daten;

(b)

die für Fang oder Tötung von Tieren zugelassenen Mittel, Einrichtungen oder Methoden und die Gründe für ihren Gebrauch;

(c)

die zeitlichen und örtlichen Umstände der Ausnahmegenehmigungen,

(d)

die Behörde, die befugt ist, zu erklären, dass die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, bzw. zu kontrollieren, ob sie vorliegen, und die beschließen kann, welche Mittel, Einrichtungen oder Methoden innerhalb welcher Grenzen und von welchen Stellen verwendet werden dürfen sowie welche Personen mit der Durchführung betraut werden, und

(e)

die angewendeten Kontrollmaßnahmen und die erzielten Ergebnisse.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

16

Mit Bescheid vom 25. Juni 2020 erteilte die Planungsbehörde dem South Dublin County Council (Grafschaftsrat Süd-Dublin, Irland) eine Genehmigung für ein Projekt, das zwei Gebäude mit einem Besucherzentrum in Montpelier Hill in der Grafschaft Dublin, einen Baumwipfelpfad/eine Fußgängerbrücke über eine Regionalstraße, die Umwandlung eines Nadelwalds in einen Laubwald und Erhaltungsarbeiten an bestehenden Anlagen umfasst.

17

Ausweislich dieses Bescheids hatte die Planungsbehörde eine Verträglichkeitsprüfung im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 durchgeführt, die zum Ergebnis hatte, dass es keine negativen Auswirkungen auf Europäische Gebiete gebe.

18

Ferner hatte die Planungsbehörde dem Bescheid zufolge eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne der Richtlinie 2011/92 durchgeführt, die zum Ergebnis hatte, dass vorbehaltlich der Beachtung der in dem Bescheid erteilten Auflagen die Umweltauswirkungen des geplanten Projekts hinnehmbar seien.

19

Mit Urteil vom 2. Juli 2021 wies das vorlegende Gericht die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens gegen den Bescheid vom 25. Juni 2020 erhobene Klage mit Ausnahme eines Klagegrundes ab, mit dem im Hinblick auf die Lage nach dem Erlass dieses Bescheids die Gültigkeit der Regulations 51 und 54 der Verordnung von 2011 in Abrede gestellt wurde.

20

Mit diesem Klagegrund macht die Klägerin des Ausgangsverfahrens im Wesentlichen geltend, dass das strenge Schutzsystem im Sinne des Art. 12 der Richtlinie 92/43 in seiner Umsetzung in irisches Recht ungültig sei, da es zum einen den in Art. 16 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmemechanismus nicht in das Genehmigungsverfahren für Projekte integriere und zum anderen unter Verstoß gegen das Übereinkommen von Aarhus keine angemessene Öffentlichkeitsbeteiligung vorsehe.

21

Die Planungsbehörde und die irischen Behörden halten diesen Klagegrund für unbegründet. Im Übrigen kann sich ihrer Ansicht nach die Klägerin des Ausgangsverfahrens weder auf das Übereinkommen von Aarhus berufen, weil sie in ihren Verfahrensschriftstücken nicht ausdrücklich Bezug darauf genommen habe, noch einen etwaigen künftigen Schaden an streng geschützten Arten geltend machen.

22

Unter diesen Umständen hat der High Court (Hohes Gericht, Irland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Folgt aus den sich aus dem Vorrang der Unionsrechtsordnung ergebenden allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, dass eine innerstaatliche Verfahrensvorschrift, nach der ein Kläger in einem Verfahren auf gerichtliche Überprüfung die einschlägigen Rechtsvorschriften ausdrücklich geltend machen muss, es einem Kläger, der die Vereinbarkeit innerstaatlichen Rechts mit näher bezeichneten Unionsrechtsvorschriften in Abrede stellt, nicht verwehren darf, sich dafür auch auf Rechtssätze oder Rechtsakte zu berufen, denen für die Auslegung dieser Unionsrechtsvorschriften eine inhärente Relevanz beizumessen ist, wie etwa den Grundsatz, dass das Umweltrecht der Union in Verbindung mit dem Übereinkommen von Aarhus als integrierendem Bestandteil der Unionsrechtsordnung zu lesen ist?

2.

Folgt aus den Art. 12 und/oder 16 der Richtlinie 92/43 und/oder diesen Bestimmungen in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens von Aarhus und/oder in Verbindung mit dem Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten alle für die wirksame Umsetzung der Richtlinie erforderlichen konkreten Maßnahmen ergreifen müssen, dass eine innerstaatliche Verfahrensvorschrift, wonach ein Kläger keine „hypothetische Frage“ aufwerfen darf und „wirklich oder tatsächlich betroffen sein muss“, um die Unvereinbarkeit innerstaatlichen Rechts mit einer Vorschrift des Unionsrechts rügen zu können, nicht dem Anfechtungsbegehren eines Klägers entgegengehalten werden kann, der das Öffentlichkeitsbeteiligungsrecht im Zusammenhang mit einer Verwaltungsentscheidung geltend gemacht hat und dann unter Bezugnahme auf das Unionsrecht die Ungültigkeit einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift wegen zu erwartender künftiger Schäden an der Umwelt infolge einer behaupteten Unzulänglichkeit des innerstaatlichen Rechts geltend machen will, soweit bei vernünftiger Betrachtungsweise die Möglichkeit solcher künftiger Schäden besteht, insbesondere weil das Projekt in einem Gebiet genehmigt worden ist, das Lebensraum streng geschützter Arten ist, und/oder weil bei Anwendung des Vorsorgeansatzes die Möglichkeit besteht, dass sich aus Untersuchungen im Nachgang zur Genehmigung die Notwendigkeit ergibt, eine Ausnahme nach Art. 16 der Richtlinie zu beantragen?

3.

Folgt aus den Art. 12 und/oder 16 der Richtlinie 92/43 und/oder diesen Bestimmungen in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 bis 9 und/oder Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens von Aarhus und/oder mit dem Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten alle für die wirksame Umsetzung der Richtlinie erforderlichen konkreten Maßnahmen ergreifen müssen, dass ein im innerstaatlichen Recht zur Umsetzung von Art. 16 der Richtlinie vorgesehenes Ausnahmegenehmigungssystem nicht parallel zu und unabhängig vom Projektgenehmigungssystem bestehen darf, sondern Bestandteil eines integrierten Genehmigungsverfahrens sein muss, das eine Entscheidung einer zuständigen Behörde (und nicht eine vom Projektträger selbst auf der Grundlage einer allgemeinen strafrechtlichen Vorschrift getroffene Ad-hoc-Beurteilung) darüber beinhaltet, ob aufgrund von nach Erteilung der Projektgenehmigung festgestellten Tatsachen eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen ist, und/oder eine Entscheidung einer zuständigen Behörde darüber, welche Untersuchungen im Rahmen der Prüfung, ob eine solche Genehmigung zu beantragen ist, erforderlich sind?

4.

Folgt aus den Art. 12 und/oder 16 der Richtlinie 92/43 und/oder diesen Bestimmungen in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 bis 9 und/oder Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens von Aarhus, dass für ein Projekt dann, wenn für die Erteilung der Genehmigung eine Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 durchgeführt wurde und wenn eine Ausnahme im Nachgang zur Genehmigung nach Art. 16 der Richtlinie 92/43 beantragt werden kann, ein Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 6 des Übereinkommens von Aarhus erforderlich ist?

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

23

Die irischen Behörden und die polnische Regierung machen geltend, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen im Wesentlichen deshalb unzulässig sei, weil es Rechtsfragen betreffe, die auf einem hypothetischen Szenario beruhten.

24

Nach ständiger Rechtsprechung ist es insoweit im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 21. März 2023, Mercedes-Benz Group [Haftung der Hersteller von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen], C‑100/21, EU:C:2023:229, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25

Folglich gilt für Fragen, die das Unionsrecht betreffen, eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 21. März 2023, Mercedes-Benz Group [Haftung der Hersteller von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen], C‑100/21, EU:C:2023:229, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26

Hier ist festzustellen, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen dem Gerichtshof im Rahmen einer Klage vorgelegt worden ist, die u. a. zum einen gegen den Bescheid vom 25. Juni 2020 und zum anderen auf die Feststellung der Ungültigkeit der Regulations 51 und 54 der Verordnung von 2011 gerichtet ist.

27

Aus diesem Vorabentscheidungsersuchen sowie der dem Gerichtshof vorliegenden Akte und insbesondere dem Urteil des vorlegenden Gerichts vom 2. Juli 2021 ergibt sich, dass das vorlegende Gericht zwar den gegen den Bescheid vom 25. Juni 2020 gerichteten Klagegrund bereits zurückgewiesen und insoweit auch den Klagegrund der Ungültigkeit der Regulations 51 und 54 der Verordnung von 2011, was die Auswirkung der etwaigen Ungültigkeit dieser Bestimmungen auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zum Erlass dieses Bescheids betrifft, verworfen hat. Dagegen muss es über den letztgenannten Klagegrund noch entscheiden, soweit er die Lage nach dem Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2020 betrifft.

28

Unter diesen Umständen ist das Vorabentscheidungsersuchen als zulässig anzusehen.

Zu den Vorlagefragen

Zur dritten und zur vierten Frage

29

Mit seiner dritten und seiner vierten Frage, die vor der ersten und der zweiten Frage zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 12 und 16 der Richtlinie 92/43 dahin auszulegen sind, dass danach eine nationale Regelung zur Umsetzung dieser Bestimmungen in innerstaatliches Recht zweierlei vorsehen muss, nämlich zum einen ein Genehmigungsverfahren, das eine Entscheidung einer zuständigen Behörde darüber umfasst, ob aufgrund von nach Erteilung der Genehmigung für ein Projekt festgestellten Umständen eine Ausnahme nach Art. 16 dieser Richtlinie zu beantragen ist und/oder ob zu diesem Zweck Untersuchungen erforderlich sind, und zum anderen die Beteiligung der Öffentlichkeit an diesem Ausnahmeverfahren.

30

Hierzu genügt die Feststellung, dass die Art. 12 und 16 der Richtlinie 92/43, die nicht nur Handlungen im Rahmen von Projekten im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2011/92, sondern jedes menschliche Handeln betreffen, weder die Integration des Ausnahmeverfahrens nach Art. 16 der Richtlinie 92/43 in die Verfahren zur Genehmigung solcher Projekte noch die Normierung einer Öffentlichkeitsbeteiligung an einem solchen Ausnahmeverfahren verlangen.

31

Dergleichen schreibt nämlich weder die Richtlinie 92/43 noch im Übrigen die Richtlinie 2011/92 vor.

32

Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2011/92 hat zwar die Integration der Verfahren zum Gegenstand. Darin wird jedoch nur vorgesehen, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung in den Mitgliedstaaten im Rahmen der bestehenden Verfahren zur Genehmigung der Projekte durchgeführt werden kann oder, falls solche nicht bestehen, im Rahmen anderer Verfahren oder der Verfahren, die einzuführen sind, um den Zielen dieser Richtlinie zu entsprechen. Im Übrigen verlangt Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2011/92 lediglich, dass die Mitgliedstaaten für Projekte, bei denen die Verpflichtung zur Durchführung einer Prüfung der Umweltauswirkungen sowohl aufgrund dieser Richtlinie als auch aufgrund der Richtlinie 92/43 und/oder der Richtlinie 2009/147 besteht, „sicher[stellen], dass gegebenenfalls koordinierte und/oder gemeinsame Verfahren durchgeführt werden, die die Anforderungen dieser Unionsgesetzgebung erfüllen“.

33

Desgleichen verlangt Art. 8a Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/92 zwar, dass in die Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung, „soweit angemessen, … Überwachungsmaßnahmen“ aufgenommen werden – wie diejenigen, die im Fall des Ausgangsverfahrens offenbar, wie sich aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte ergibt, im Bescheid vom 25. Juni 2020 vorgesehen wurden –, doch bezieht sich diese Bestimmung nicht ausdrücklich auf das Ausnahmeverfahren nach Art. 16 der Richtlinie 92/43.

34

Daher kann Irland im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits nicht der Vorwurf gemacht werden, es habe keinen vollständigen gesetzlichen Rahmen geschaffen, da die Regulations 51 und 54 der Verordnung von 2011 den wesentlichen Inhalt der Art. 12 und 16 der Richtlinie 92/43 wörtlich übernehmen.

35

Davon abgesehen sind die Art. 12 und 16 der Richtlinie 92/43 und damit die Regulations 51 und 54 der Verordnung von 2011, mit denen diese Artikel in innerstaatliches Recht umgesetzt werden, im Einklang mit den Anforderungen auszulegen und anzuwenden, die sich aus anderen Rechtsakten der Union sowie den internationalen Übereinkünften, an die die Union gebunden ist, ergeben, insbesondere denjenigen, die aus der Richtlinie 2011/92 und dem Übereinkommen von Aarhus in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs folgen.

36

Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass in dem speziellen Fall, in dem zum einen der Projektträger für die Durchführung eines Projekts, das der in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 vorgesehenen doppelten Pflicht zur Prüfung und zur Genehmigung unterliegt, eine Ausnahme von den Maßnahmen zum Schutz der Tier- und Pflanzenarten, die in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Art. 12 und 13 der Richtlinie 92/43 vorgesehen sind, beantragen und erhalten muss und in dem zum anderen ein Mitgliedstaat die Befugnis, eine solche Ausnahme zu gewähren, einer anderen Behörde überträgt als derjenigen, der er die Befugnis zur Genehmigung dieses Projekts zuweist, die etwaige Ausnahme notwendigerweise vor der Genehmigung des Projekts bewilligt werden muss. Andernfalls erginge diese Genehmigung nämlich auf einer unvollständigen Grundlage und entspräche daher nicht den geltenden Anforderungen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Februar 2022, Namur-Est Environnement, C‑463/20, EU:C:2022:121, Rn. 52 und 59 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Wie sich jedoch aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte und insbesondere dem Urteil des vorlegenden Gerichts vom 2. Juli 2021 ergibt, hat dieses, bei dem die alleinige Zuständigkeit für die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits liegt, bereits geurteilt, dass es bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2020 keine feststehende Notwendigkeit der Erwirkung einer Ausnahme nach Regulation 54 der Verordnung von 2011 gegeben habe. Daraus folgt, dass der in der vorstehenden Randnummer angesprochene Fall, nämlich, dass eine solche Ausnahme vor einer Genehmigung eingeholt werden muss, hier nicht vorlag.

38

Hinzuzufügen ist, dass die Richtlinie 2011/92 – die nach ihrem zweiten Erwägungsgrund darauf abzielt, gemäß den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, gemäß dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, und gemäß dem Verursacherprinzip bei allen technischen Planungs- und Entscheidungsprozessen die Auswirkungen auf die Umwelt so früh wie möglich zu berücksichtigen – in ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. b die Vorgabe macht, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls die unmittelbaren und mittelbaren erheblichen Auswirkungen eines Projekts auf die biologische Vielfalt, unter besonderer Berücksichtigung der gemäß der Richtlinie 92/43 und der Richtlinie 2009/147 geschützten Arten und Lebensräume, identifiziert, beschreibt und bewertet.

39

Folglich muss sich anhand des Ergebnisses einer Umweltverträglichkeitsprüfung, die vollständig sein muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Februar 2022, Namur-Est Environnement, C‑463/20, EU:C:2022:121, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung), feststellen lassen, ob das betreffende Projekt zum Zeitpunkt der Prüfung Wirkungen haben kann, die nach Art. 12 der Richtlinie 92/43 verboten sind.

40

Daher ist sowohl bei allgemeiner Betrachtung als auch im besonderen Kontext der Genehmigung eines in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/92 fallenden Projekts nicht ersichtlich, dass eine nationale Regelung wie die Verordnung von 2011, die die Begehung von Handlungen, die von den Mitgliedstaaten nach Art. 12 der Richtlinie 92/43 zu verbieten sind, unter Strafe stellt, an sich die praktische Wirksamkeit von Art. 12 der Richtlinie 92/43 beeinträchtigen oder den oben in Rn. 38 genannten Grundsätzen zuwiderlaufen könnte.

41

Schließlich ist festzustellen, dass sich der Ausgangsrechtsstreit nicht um eine Ausnahme nach Regulation 54 der Verordnung von 2011 dreht. Folglich hat dahinzustehen, ob und unter welchen Voraussetzungen den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit aus den Bestimmungen des Übereinkommens von Aarhus ein Recht auf Beteiligung an dem Verwaltungsverfahren über eine solche Ausnahme erwächst.

42

Nach alledem ist auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, dass die Art. 12 und 16 der Richtlinie 92/43 dahin auszulegen sind, dass in einer nationalen Regelung zur Umsetzung dieser Bestimmungen in innerstaatliches Recht nicht deshalb ein Verstoß gegen diese Richtlinie gesehen werden kann, weil sie zum einen kein Genehmigungsverfahren, das eine Entscheidung einer zuständigen Behörde darüber umfasst, ob aufgrund von nach Erteilung der Genehmigung für ein Projekt festgestellten Umständen eine Ausnahme nach Art. 16 dieser Richtlinie zu beantragen ist und/oder ob zu diesem Zweck Untersuchungen erforderlich sind, vorsieht und zum anderen auch keine Beteiligung der Öffentlichkeit an diesem Ausnahmeverfahren.

Zur ersten und zur zweiten Frage

43

Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Zusammenhang mit der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts entgegensteht, nach denen der Kläger die Rechtsvorschriften, deren Verletzung er geltend macht, ausdrücklich angeben muss und keine „hypothetische Frage“ aufwerfen darf, sondern „wirklich oder tatsächlich betroffen sein muss“, um die Unvereinbarkeit einer innerstaatlichen Regelung mit dem Unionsrecht rügen zu können.

44

Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte geht hervor, dass diese Fragen gestellt worden sind, weil sich die irischen Behörden im Ausgangsverfahren auf innerstaatliche Verfahrensvorschriften beriefen, um die Zulässigkeit des der dritten und der vierten Frage zugrunde liegenden Vorbringens der Klägerin des Ausgangsverfahrens in Abrede zu stellen.

45

Unter diesen Umständen erweist es sich in Anbetracht der Antwort auf diese Fragen als nicht erforderlich, die erste und die zweite Frage zu beantworten.

Kosten

46

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Art. 12 und 16 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen

 

sind dahin auszulegen, dass

 

in einer nationalen Regelung zur Umsetzung dieser Bestimmungen in innerstaatliches Recht nicht deshalb ein Verstoß gegen diese Richtlinie gesehen werden kann, weil sie zum einen kein Genehmigungsverfahren, das eine Entscheidung einer zuständigen Behörde darüber umfasst, ob aufgrund von nach Erteilung der Genehmigung für ein Projekt festgestellten Umständen eine Ausnahme nach Art. 16 dieser Richtlinie zu beantragen ist und/oder ob zu diesem Zweck Untersuchungen erforderlich sind, vorsieht und zum anderen auch keine Beteiligung der Öffentlichkeit an diesem Ausnahmeverfahren.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.