URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

13. Januar 2022 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Rechtsangleichung – Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 – Anhang VII Teil E Nr. 2 Buchst. a – Information der Verbraucher über Lebensmittel – Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln – Richtlinie 2000/36/EG – Anhang I Abschnitt A Nr. 2 Buchst. c – Kakao- und Schokoladeerzeugnisse – Zutatenverzeichnis eines Lebensmittels, das für die Verbraucher in einem Mitgliedstaat bestimmt ist“

In der Rechtssache C‑881/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Krajský soud v Brně (Regionalgericht Brünn, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 25. Oktober 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 2019, in dem Verfahren

Tesco Stores ČR a.s.

gegen

Ministerstvo zemědělství

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan, des Präsidenten der Vierten Kammer C. Lycourgos, des Richters I. Jarukaitis, der Richterin I. Ziemele und des Richters M. Ilešič (Berichterstatter),

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Tesco Stores ČR a.s., vertreten durch L. Šrubař, advokát,

des Ministerstvo zemědělství, vertreten durch R. Pokorný,

der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und J. Očková als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Hofstötter, P. Ondrůšek und B. Rous Demiri als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Oktober 2021

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Anhang VII Teil E Nr. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. 2011, L 304, S. 18) in Verbindung mit Anhang I Abschnitt A Nr. 2 Buchst. c der Richtlinie 2000/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juni 2000 über Kakao- und Schokoladeerzeugnisse für die menschliche Ernährung (ABl. 2000, L 197, S. 19).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Tesco Stores ČR a.s. (im Folgenden: Tesco) und dem Ministerstvo zemědělství (Ministerium für Landwirtschaft, Tschechische Republik) über die Etikettierung von Erzeugnissen, die Tesco in der Tschechischen Republik verkauft.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 1169/2011

3

In den Erwägungsgründen 1, 3, 4, 13, 17, 20, 22 und 26 der Verordnung Nr. 1169/2011 heißt es:

„(1)

Nach Artikel 169 [AEUV] leistet die [Europäische] Union durch die Maßnahmen, die sie nach Artikel 114 [AEUV] erlässt, einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus.

(3)

Um auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes der Verbraucher ein hohes Niveau zu erreichen und das Recht der Verbraucher auf Information zu gewährleisten, sollte sichergestellt werden, dass die Verbraucher in Bezug auf die Lebensmittel, die sie verzehren, in geeigneter Weise informiert werden. …

(4)

Nach der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit [(ABl. 2002, L 31, S. 1)] ist es ein allgemeiner Grundsatz des Lebensmittelrechts, den Verbrauchern die Möglichkeit zu bieten, in Bezug auf die Lebensmittel, die sie verzehren, eine fundierte Wahl zu treffen, und alle Praktiken, die die Verbraucher irreführen können, zu verhindern.

(13)

Es ist notwendig, gemeinsame Begriffsbestimmungen, Grundsätze, Anforderungen und Verfahren festzulegen, um einen klaren Rahmen und eine gemeinsame Grundlage für die Maßnahmen der Union und einzelstaatliche Maßnahmen zur Regulierung der Information über Lebensmittel zu schaffen.

(17)

Die Einführung verpflichtender Informationen über Lebensmittel sollte hauptsächlich dem Zweck dienen, die Verbraucher in die Lage zu versetzen, das gewünschte Lebensmittel zu finden und in geeigneter Weise zu verwenden und eine Wahl zu treffen, die ihren individuellen Ernährungsbedürfnissen entspricht. …

(20)

Das Lebensmittelinformationsrecht sollte die Verwendung von Informationen verbieten, die die Verbraucher irreführen würden, insbesondere in Bezug auf die Merkmale des Lebensmittels, seine Wirkungen oder Eigenschaften, oder die den Lebensmitteln medizinische Eigenschaften zuschreiben. …

(22)

Es sollte eine Liste aller verpflichtenden Informationen erstellt werden, die grundsätzlich zu allen für Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmten Lebensmitteln bereitzustellen sind. Diese Liste sollte weiterhin diejenigen Informationen enthalten, die schon jetzt nach geltendem Unionsrecht verpflichtend sind, da das geltende Recht allgemein als wertvolle Errungenschaft im Hinblick auf Verbraucherinformationen betrachtet wird.

(26)

Die Etiketten von Lebensmitteln sollten klar und verständlich sein, um Verbraucher zu unterstützen, die sich auf der Grundlage besserer Informationen für bestimmte Lebensmittel und die gewünschte Ernährungsweise entscheiden möchten. …“

4

Kapitel I („Allgemeine Vorschriften“) der Verordnung Nr. 1169/2011 umfasst die Art. 1 und 2.

5

Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1169/2011 sieht vor:

„Diese Verordnung bildet die Grundlage für die Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus in Bezug auf Informationen über Lebensmittel unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Erwartungen der Verbraucher und ihrer unterschiedlichen Informationsbedürfnisse bei gleichzeitiger Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts.“

6

Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 bestimmt:

„Ferner bezeichnet der Ausdruck

c)

‚verpflichtende Informationen über Lebensmittel‘ diejenigen Angaben, die dem Endverbraucher aufgrund von Unionsvorschriften bereitgestellt werden müssen;

f)

‚Zutat‘ jeden Stoff und jedes Erzeugnis, einschließlich Aromen, Lebensmittelzusatzstoffen und Lebensmittelenzymen, sowie jeden Bestandteil einer zusammengesetzten Zutat, der bei der Herstellung oder Zubereitung eines Lebensmittels verwendet wird und der – gegebenenfalls in veränderter Form – im Enderzeugnis vorhanden bleibt; …

h)

‚zusammengesetzte Zutat‘ eine Zutat, die selbst aus mehr als einer Zutat besteht;

n)

‚rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung‘ die Bezeichnung eines Lebensmittels, die durch die für dieses Lebensmittel geltenden Rechtsvorschriften der Union vorgeschrieben ist, oder, wenn es keine derartigen Unionsvorschriften gibt, die Bezeichnung, welche in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen ist, in dem das Lebensmittel an die Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung verkauft wird;

…“

7

Art. 3 („Allgemeine Ziele“) Abs. 1 in Kapitel II („Allgemeine Grundsätze der Information über Lebensmittel“) der Verordnung Nr. 1169/2011 bestimmt:

„Die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel dient einem umfassenden Schutz der Gesundheit und Interessen der Verbraucher, indem Endverbrauchern eine Grundlage für eine fundierte Wahl und die sichere Verwendung von Lebensmitteln unter besonderer Berücksichtigung von gesundheitlichen, wirtschaftlichen, umweltbezogenen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten geboten wird.“

8

Kapitel III („Allgemeine Anforderungen an die Information über Lebensmittel und Pflichten der Lebensmittelunternehmer“) der Verordnung Nr. 1169/2011 umfasst u. a. die Art. 6 und 7.

9

Art. 6 („Grundlegende Anforderung“) dieser Verordnung lautet:

„Jedem Lebensmittel, das für die Lieferung an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt ist, sind Informationen nach Maßgabe dieser Verordnung beizufügen.“

10

Art. 7 („Lauterkeit der Informationspraxis“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1169/2011 bestimmt:

„Informationen über Lebensmittel dürfen nicht irreführend sein, insbesondere

a)

in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung;

…“

11

Kapitel IV („Verpflichtende Informationen über Lebensmittel“) Abschnitt 1 („Inhalt und Darstellungsform“) der Verordnung Nr. 1169/2011 umfasst u. a. die Art. 9 und 15.

12

Art. 9 („Verzeichnis der verpflichtenden Angaben“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1169/2011 sieht vor:

„Nach Maßgabe der Artikel 10 bis 35 und vorbehaltlich der in diesem Kapitel vorgesehenen Ausnahmen sind folgende Angaben verpflichtend:

a)

die Bezeichnung des Lebensmittels;

b)

das Verzeichnis der Zutaten;

…“

13

Art. 15 („Sprachliche Anforderungen“) Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 lautet:

„(1)   Unbeschadet des Artikels 9 Absatz 3 sind verpflichtende Informationen über Lebensmittel in einer für die Verbraucher der Mitgliedstaaten, in denen ein Lebensmittel vermarktet wird, leicht verständlichen Sprache abzufassen.

(2)   Innerhalb ihres Hoheitsgebiets können die Mitgliedstaaten, in denen ein Lebensmittel vermarktet wird, bestimmen, dass diese Angaben in einer Amtssprache oder mehreren Amtssprachen der Union zu machen sind.“

14

Art. 17 („Bezeichnung des Lebensmittels“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1169/2011, der in deren Kapitel IV Abschnitt 2 („Detaillierte Bestimmungen für verpflichtende Angaben“) enthalten ist, bestimmt:

„Ein Lebensmittel wird mit seiner rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnung bezeichnet. Fehlt eine solche, so wird das Lebensmittel mit seiner verkehrsüblichen Bezeichnung oder, falls es keine verkehrsübliche Bezeichnung gibt oder diese nicht verwendet wird, mit einer beschreibenden Bezeichnung bezeichnet.“

15

Der ebenfalls zu Kapitel IV Abschnitt 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 gehörende Art. 18 („Zutatenverzeichnis“) bestimmt in seinen Abs. 1, 2 und 4:

„(1)   Dem Zutatenverzeichnis ist eine Überschrift oder eine geeignete Bezeichnung voranzustellen, in der das Wort ‚Zutaten‘ erscheint. Das Zutatenverzeichnis besteht aus einer Aufzählung sämtlicher Zutaten des Lebensmittels in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils zum Zeitpunkt ihrer Verwendung bei der Herstellung des Lebensmittels.

(2)   Die Zutaten werden mit ihrer speziellen Bezeichnung, gegebenenfalls nach Maßgabe der Bestimmungen in Artikel 17 und Anhang VI, bezeichnet.

(4)   Anhang VII enthält technische Vorschriften für die Anwendung der Absätze 1 und 2 dieses Artikels.“

16

Anhang VII („Angabe und Bezeichnung von Zutaten“) der Verordnung Nr. 1169/2011 umfasst u. a. einen Teil E („Bezeichnung von zusammengesetzten Zutaten“), der vorsieht:

„1.

Eine zusammengesetzte Zutat kann im Zutatenverzeichnis unter ihrer Bezeichnung, sofern diese in einer Rechtsvorschrift festgelegt oder üblich ist, nach Maßgabe ihres Gesamtgewichtsanteils angegeben werden, sofern unmittelbar danach eine Aufzählung ihrer Zutaten folgt.

2.

Unbeschadet des Artikels 21 ist das Zutatenverzeichnis bei zusammengesetzten Zutaten nicht verpflichtend,

a)

wenn die Zusammensetzung der zusammengesetzten Zutat in einer geltenden Unionsvorschrift festgelegt ist, sofern die zusammengesetzte Zutat weniger als 2 % des Enderzeugnisses ausmacht; …

c)

wenn die zusammengesetzte Zutat ein Lebensmittel ist, für das nach Unionsvorschriften kein Zutatenverzeichnis erforderlich ist.“

Richtlinie 2000/36

17

Die Erwägungsgründe 7 und 8 der Richtlinie 2000/36 lauten:

„(7)

Um die Einheit des Binnenmarktes zu gewährleisten, ist sicherzustellen, dass alle Schokoladeerzeugnisse, die unter diese Richtlinie fallen, innerhalb der [Union] unter den Verkehrsbezeichnungen des Anhangs I dieser Richtlinie gehandelt werden können.

(8)

Nach den allgemeinen Etikettierungsbestimmungen für Lebensmittel der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür [(ABl. 1979, L 33, S. 1)] ist insbesondere die Angabe der Zutaten gemäß deren Artikel 6 zwingend vorgeschrieben. Die vorliegende Richtlinie bringt die Richtlinie 79/112/EWG auf Kakao- und Schokoladeerzeugnisse zur Anwendung, um eine korrekte Unterrichtung des Verbrauchers zu gewährleisten.“

18

In Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2000/36 heißt es:

„Die Richtlinie 79/112/EWG gilt unter den nachstehenden Bedingungen für die in Anhang I beschriebenen Lebensmittel:

1.

Die in Anhang I vorgesehenen Verkehrsbezeichnungen sind den dort aufgeführten Erzeugnissen vorbehalten und im Handel zur Benennung dieser Erzeugnisse zu verwenden.

Diese Verkehrsbezeichnungen dürfen jedoch ergänzend und im Einklang mit den Vorschriften oder allgemeinen Gepflogenheiten des Mitgliedstaats, in dem die Abgabe an den Endverbraucher erfolgt, zur Bezeichnung anderer Erzeugnisse verwendet werden, sofern diese nicht mit den in Anhang I aufgeführten Erzeugnissen verwechselt werden können.“

19

Art. 4 der Richtlinie 2000/36 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten erlassen für die in Anhang I beschriebenen Erzeugnisse keine einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, die nicht in dieser Richtlinie vorgesehen sind.“

20

Anhang I („Verkehrsbezeichnungen, Begriffsbestimmungen und Merkmale der Erzeugnisse“) dieser Richtlinie enthält einen Abschnitt A („Verkehrsbezeichnungen und Begriffsbestimmungen“). Nr. 2 Buchst. c dieses Abschnitts bestimmt:

„Schokoladenpulver

Erzeugnis aus einer Mischung von Kakaopulver und Zuckerarten, die mindestens 32 % Kakaopulver enthält;“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

21

Die Tesco‑Gruppe, ein multinationales Einzelhandelsunternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich, betreibt u. a. in der Tschechischen Republik Supermärkte. Ihre tschechische Tochtergesellschaft vermarktete in ihren Geschäften in der Tschechischen Republik bestimmte Lebensmittel unter der Marke Monte. Die Etikettierung der in Rede stehenden Erzeugnisse – Monte Milch‑Schokoladendessert mit Haselnüssen 220 g, Monte Milch‑Schokoladendessert 100 g und Monte Drink Milchschokoladengetränk mit Haselnüssen 200 ml – war mit einem Zutatenverzeichnis versehen, in dem čokoládový prášek (Schokolade in Pulverform) aufgeführt wurde, die Zusammensetzung dieser Zutat jedoch nicht näher erläutert wurde.

22

Am 27. Mai 2016 gab die Státní zemědělská a potravinářská inspekce, inspektorát v Brně (Staatliche Agrar- und Lebensmittelinspektion, Inspektorat Brünn, Tschechische Republik, im Folgenden: SZPI) Tesco auf, die in Rede stehenden Erzeugnisse aus ihren Geschäften in der Tschechischen Republik zu nehmen, und verbot ihr das weitere Inverkehrbringen. Sie stützte sich darauf, dass die Etikettierung dieser Erzeugnisse die Angabe „čokoládový prášek“ („Schokolade in Pulverform“) enthalte, ohne die Zutaten aufzuführen, und deshalb ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 und 4 der Verordnung Nr. 1169/2011 vorliege. Außerdem ergebe sich aus Anhang I Abschnitt A Nr. 2 Buchst. c der Richtlinie 2000/36, dass im Tschechischen der Begriff „čokoláda v prášku“ („Schokoladenpulver“) verwendet werden müsse und nicht der Ausdruck „čokoládový prášek“ („Schokolade in Pulverform“).

23

Im Anschluss an den von Tesco erhobenen Widerspruch hob die SZPI die am 27. Mai 2016 erlassenen Maßnahmen mit zwei gesonderten Entscheidungen vom 6. Juni 2016 auf. Somit hob sie mit der ersten Entscheidung das Verbot des Inverkehrbringens der in Rede stehenden Erzeugnisse und mit der zweiten Entscheidung die Anordnung der Entfernung dieser Erzeugnisse aus sämtlichen Geschäften in der Tschechischen Republik auf.

24

Im Rahmen eines beschleunigten Überprüfungsverfahrens änderte das Ústřední inspektorát Státní zemědělské a potravinářské inspekce (Generalinspektorat der staatlichen Agrar- und Lebensmittelinspektion, Tschechische Republik) die Entscheidungen der SZPI vom 6. Juni 2016 jedoch mit zwei Entscheidungen vom 2. Februar 2017 dahin ab, dass es den Widerspruch von Tesco zurückwies.

25

Das Ministerium für Landwirtschaft wies den Rechtsbehelf von Tesco gegen die im beschleunigten Überprüfungsverfahren erlassenen Entscheidungen mit zwei Entscheidungen vom 21. April 2017 zurück.

26

Tesco erhob gegen diese Entscheidungen Klage beim Krajský soud v Brně (Regionalgericht Brünn, Tschechische Republik) und machte geltend, dass die Ausnahme nach Anhang VII Teil E Nr. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1169/2011 auch für čokoládový prášek (Schokolade in Pulverform) gelte, da die inhaltliche Bedeutung dieser Formulierung mit der von čokoláda v prášku (Schokoladenpulver) identisch sei. Die Schlussfolgerung, dass allein die tschechische Sprachfassung der Richtlinie 2000/36 maßgeblich sei, verstoße gegen die Grundsätze der Funktionsweise des Unionsrechts, da alle Sprachfassungen einer Bestimmung des Unionsrechts gleichermaßen verbindlich seien.

27

Mit Urteil vom 26. Februar 2019 wies der Krajský soud v Brně (Regionalgericht Brünn) diese Klage mit der Begründung ab, dass die Bezeichnung in jeder Sprachfassung des Anhangs I der Richtlinie 2000/36 verbindlich sei.

28

Tesco legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht, Tschechische Republik) ein. Mit Urteil vom 11. Juli 2019 hob dieses Gericht das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur erneuten Entscheidung an das Regionalgericht zurück.

29

Der Krajský soud v Brně (Regionalgericht Brünn), bei dem das Verfahren erneut anhängig ist, weist darauf hin, dass sowohl mit der Richtlinie 2000/36 als auch mit der Verordnung Nr. 1169/2011 die Verbraucher geschützt werden sollen. Folglich sei es wichtig, dass sich die Wirtschaftsteilnehmer in jedem Mitgliedstaat an die Bezeichnung hielten, wie sie vom Unionsgesetzgeber in einer in diesem Mitgliedstaat leicht verständlichen Sprache vorgesehen sei.

30

Das vorlegende Gericht weist außerdem darauf hin, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Umgang mit einer Abweichung zwischen verschiedenen Sprachfassungen einer Unionsregelung im vorliegenden Fall keine Anwendung finde. Es gebe nämlich keine Abweichungen zwischen den Sprachfassungen der Richtlinie 2000/36, wenngleich je nach Sprachfassung eine oder mehrere Bezeichnungen für dieselbe Zutat existierten. Es handele sich um eigenständige Verzeichnisse von Bezeichnungen, die in der jeweiligen Amtssprache für die Erzeugnisse verbindlich seien, die für Verbraucher in dem Mitgliedstaat bestimmt seien, in dem die betreffende Amtssprache benutzt werde. Das Urteil vom 14. Juni 2017, TofuTown.com (C‑422/16, EU:C:2017:458), auf das sich der Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht) berufe, könnte auch dahin ausgelegt werden, dass es nicht möglich sei, Synonyme oder Übersetzungen verbindlicher Bezeichnungen zu verwenden.

31

Unter diesen Umständen hat der Krajský soud v Brně (Regionalgericht Brünn) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die in Anhang VII Teil E Nr. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1169/2011 enthaltene Regelung dahin auszulegen, dass bei einem Lebensmittel, das für Verbraucher in der Tschechischen Republik bestimmt ist, eine in Anhang I unter Abschnitt A Nr. 2 Buchst. c der Richtlinie 2000/36 angeführte zusammengesetzte Zutat im Zutatenverzeichnis des Erzeugnisses nur dann ohne detaillierte Angabe ihrer Zusammensetzung aufgeführt werden darf, wenn diese zusammengesetzte Zutat exakt entsprechend der tschechischen Sprachfassung des Anhangs I der Richtlinie 2000/36 gekennzeichnet ist?

Zur Vorlagefrage

32

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Anhang VII Teil E Nr. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1169/2011 dahin auszulegen ist, dass ein Wirtschaftsteilnehmer bei der Etikettierung von im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats in Verkehr gebrachten Erzeugnissen nur dann von der Verpflichtung befreit ist, sämtliche Zutaten einer zusammengesetzten Zutat im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. h dieser Verordnung aufzuführen, wenn diese zusammengesetzte Zutat, die Gegenstand einer Verkehrsbezeichnung nach Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 2000/36 ist, im Zutatenverzeichnis unter dieser Verkehrsbezeichnung in der Sprachfassung des betreffenden Mitgliedstaats genannt wird.

33

Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, stellt sich diese Frage im Rahmen eines Rechtsstreits über das Inverkehrbringen bestimmter Lebensmittel in der Tschechischen Republik durch Tesco, da das Schokoladenpulver, das zur Herstellung dieser Lebensmittel verwendet wird, im Zutatenverzeichnis dieser Erzeugnisse nicht unter Verwendung der Bezeichnung genannt wurde, mit der eine solche zusammengesetzte Zutat in der tschechischen Sprachfassung von Anhang I der Richtlinie 2000/36, nämlich „čokoláda v prášku“, bezeichnet wird. Tesco hat diese Bezeichnung durch ihre eigene tschechische Übersetzung anderer Sprachfassungen dieses Anhangs, wie der deutschen Fassung „Schokoladenpulver“ und der polnischen Fassung (die die Begriffe „proszek czekoladowy“ und „czekolada w proszku“ enthält), ersetzt. Diese Übersetzungen haben dazu geführt, dass diese zusammengesetzte Zutat mit dem Ausdruck „čokoládový prášek“ („Schokolade in Pulverform“) bezeichnet wurde.

34

Als Erstes ist zum einen darauf hinzuweisen, dass mit der Richtlinie 2000/36 die Verkehrsbezeichnungen für Kakao- und Schokoladeerzeugnisse für die menschliche Ernährung vollständig harmonisiert wurden, um die Einheit des Binnenmarkts zu gewährleisten. Die in Anhang I der Richtlinie 2000/36 vorgesehenen Verkehrsbezeichnungen sind daher nach Art. 3 Nr. 1 dieser Richtlinie verbindlich und zugleich den in Anhang I aufgeführten Erzeugnissen vorbehalten. Außerdem verbietet Art. 4 der Richtlinie 2000/36 den Mitgliedstaaten, einzelstaatliche Rechtsvorschriften zu erlassen, die nicht durch diese Richtlinie für die in ihrem Anhang I festgelegten Erzeugnisse vorgesehen sind, da davon auszugehen ist, dass mit dieser Richtlinie ein geschlossenes und verbindliches System von Verkehrsbezeichnungen geschaffen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 2010, Kommission/Italien, C‑47/09, EU:C:2010:714, Rn. 29 und 36).

35

Zum anderen geht aus Anhang I Abschnitt A Nr. 2 Buchst. c der Richtlinie 2000/36 in Verbindung mit Art. 3 Nr. 1 sowie dem siebten Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervor, dass ein Erzeugnis aus einer Mischung von Kakaopulver und Zuckerarten, die mindestens 32 % Kakaopulver enthält, für die Zwecke der Anwendung dieser Richtlinie als „Schokoladenpulver“ zu bezeichnen ist.

36

Daraus folgt, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zusammengesetzte Zutat, sofern sie die Voraussetzungen für die Einstufung als „Schokoladenpulver“ im Sinne von Anhang I Abschnitt A Nr. 2 Buchst. c der Richtlinie 2000/36 erfüllt, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, im Handel als „Schokoladenpulver“ zu bezeichnen ist.

37

Diese Schlussfolgerung wird dadurch bestätigt, dass die Bezeichnung „Schokoladenpulver“ in Anhang I Abschnitt A Nr. 2 Buchst. c der Richtlinie 2000/36 eine „rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. n der Verordnung Nr. 1169/2011 darstellt, die durch die für dieses Lebensmittel geltenden Rechtsvorschriften der Union vorgeschrieben ist. Eine solche Bezeichnung muss nach den Art. 17 und 18 dieser Verordnung im gesamten Unionsgebiet verwendet werden. Nach Art. 15 Abs. 1 dieser Verordnung muss diese Bezeichnung außerdem auf dem Lebensmittel in einer für die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem dieses Lebensmittel vermarktet wird, leicht verständlichen Sprache angegeben sein.

38

Als Zweites ist festzustellen, dass nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1169/2011 das Zutatenverzeichnis, das auf Lebensmitteln angegeben werden muss, aus einer Aufzählung sämtlicher Zutaten des betreffenden Lebensmittels in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils zum Zeitpunkt ihrer Verwendung bei der Herstellung dieses Lebensmittels bestehen muss.

39

Gemäß Anhang VII Teil E Nr. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1169/2011 kann jedoch auf die Aufzählung der Zutaten einer zusammengesetzten Zutat verzichtet werden, wenn die Zusammensetzung der zusammengesetzten Zutat in einer geltenden Unionsvorschrift festgelegt ist, sofern die zusammengesetzte Zutat weniger als 2 % des Enderzeugnisses ausmacht.

40

Insoweit ergibt sich aus den Rn. 36 und 37 des vorliegenden Urteils, dass es nur zulässig ist, die Zutaten nicht aufzuführen, die in einer zusammengesetzten Zutat wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden enthalten sind, sofern diese zusammengesetzte Zutat mit einer Bezeichnung angegeben wird, die für sie nach den Unionsrechtsvorschriften vorgesehen ist und in einer für die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Lebensmittel vermarktet wird, leicht verständlichen Sprache abgefasst ist. Im vorliegenden Fall zeigt sich daher, dass die zusammengesetzte Zutat, um unter die Befreiung gemäß Anhang VII Teil E Nr. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1169/2011 fallen zu können, auf der Etikettierung von in der Tschechischen Republik vermarkteten Lebensmitteln unter ihrer Bezeichnung in tschechischer Sprache angegeben werden muss.

41

Als Drittes ist zu prüfen, ob die in Anhang VII Teil E Nr. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1169/2011 vorgesehene Ausnahme auch auf einen Fall wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anwendung finden kann, in dem der Wirtschaftsteilnehmer nicht die Bezeichnung der zusammengesetzten Zutat, wie sie in der tschechischen Sprachfassung von Anhang I der Richtlinie 2000/36 enthalten ist, sondern stattdessen seine eigene Übersetzung der Bezeichnung dieser Zutat, wie sie in den anderen Sprachfassungen dieses Anhangs I enthalten ist, ins Tschechische verwendet hat.

42

Hierzu ist erstens festzustellen, dass Anhang VII Teil E Nr. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1169/2011 eng auszulegen ist, soweit er eine Ausnahme von der Regel vorsieht, dass sämtliche Zutaten, aus denen ein Lebensmittel besteht, in seinem Zutatenverzeichnis aufzuführen sind.

43

Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1169/2011, wie aus ihrem Art. 1 Abs. 1 und ihrem Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 1, 3 und 4 dieser Verordnung hervorgeht, u. a. darauf abzielt, ein hohes Verbraucherschutzniveau in Bezug auf Informationen über Lebensmittel unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Erwartungen der Verbraucher zu gewährleisten (Urteil vom 1. Oktober 2020, Groupe Lactalis, C‑485/18, EU:C:2020:763, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44

Zu diesem Zweck soll mit der Verordnung Nr. 1169/2011 gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 3 und 4 dieser Verordnung sichergestellt werden, dass die Verbraucher durch die bereitgestellten Informationen eine fundierte Wahl treffen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. November 2019, Organisation juive européenne und Vignoble Psagot, C‑363/18, EU:C:2019:954, Rn. 53).

45

Insbesondere geht aus dem 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1169/2011 hervor, dass sich der verpflichtende Charakter von Informationen über die Zusammensetzung von Lebensmitteln aus der Notwendigkeit ergibt, „die Verbraucher in die Lage zu versetzen, das gewünschte Lebensmittel zu finden und in geeigneter Weise zu verwenden und eine Wahl zu treffen, die ihren individuellen Ernährungsbedürfnissen entspricht“.

46

Dieses Ziel gebietet es, dass die Informationen über Lebensmittel korrekt, neutral und objektiv sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. September 2016, Breitsamer und Ulrich, C‑113/15, EU:C:2016:718, Rn. 69, und vom 1. Oktober 2020, Groupe Lactalis, C‑485/18, EU:C:2020:763, Rn. 44). Außerdem dürfen diese Informationen nicht geeignet sein, den Verbraucher irrezuführen, und zwar insbesondere nicht über die Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, den Ursprung oder die Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart dieses Lebensmittels (Urteil vom 4. Juni 2015, Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, C‑195/14, EU:C:2015:361, Rn. 31).

47

Dieses Ziel wäre aber ernsthaft gefährdet, falls die Wirtschaftsteilnehmer, wenn sie verpflichtet sind, die Verkehrsbezeichnung einer zusammengesetzten Zutat, wie sie durch eine Unionsregelung vorgeschrieben ist, zu beachten, die Möglichkeit hätten, sich nicht an die Bezeichnung dieser Zutat, wie sie in der maßgeblichen Sprachfassung dieser Regelung angegeben ist, zu halten und die Begriffe, mit denen diese zusammengesetzte Zutat in anderen Sprachfassungen dieser Regelung bezeichnet wird, frei zu übersetzen.

48

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 63 und 71 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausführt, können die Verbraucher anhand solcher freien Übersetzungen nämlich nicht mit Sicherheit die Zusammensetzung einer solchen zusammengesetzten Zutat durch die bloße Lektüre ihrer Angabe im Zutatenverzeichnis des Lebensmittels erkennen, in dem sie enthalten ist.

49

Im vorliegenden Fall ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass nur der Begriff „čokoláda v prášku“ („Schokoladenpulver“) in Anhang I Abschnitt A Nr. 2 Buchst. c der Richtlinie 2000/36 genau definiert wurde. Hingegen wurde der Ausdruck „čokoládový prášek“ („Schokolade in Pulverform“) nicht im Rahmen einer Unionsvorschrift definiert.

50

Der Umstand, dass, wie Tesco in ihrer schriftlichen Antwort auf die Fragen des Gerichtshofs hervorgehoben hat, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zusammengesetzte Zutat Kakao und Zucker enthält, sich ihr Kakaogehalt auf mindestens 32 % beläuft und sie folglich die Anforderungen in Anhang I der Richtlinie 2000/36 in vollem Umfang erfüllt, um als „Schokoladenpulver“ eingestuft werden zu können, ändert nichts daran, dass im vorliegenden Fall nur die Bezeichnung dieser zusammengesetzten Zutat, wie sie in der tschechischen Sprachfassung von Anhang I der Richtlinie 2000/36 genannt wird, die Voraussetzungen für eine angemessene Information der Verbraucher erfüllen kann.

51

Außerdem würde die – in Rn. 34 des vorliegenden Urteils dargestellte – durch die Richtlinie 2000/36 bewirkte vollständige Harmonisierung der Verkehrsbezeichnungen beeinträchtigt, wenn es den Wirtschaftsteilnehmern erlaubt würde, eine zusammengesetzte Zutat, die Gegenstand einer Verkehrsbezeichnung nach dieser Richtlinie ist, dadurch anzugeben, dass sie eine solche Bezeichnung, wie sie in anderen Sprachfassungen dieser Richtlinie enthalten ist, frei übersetzen. Dies hätte nämlich zur Folge, dass in dem Zutatenverzeichnis eines Lebensmittels eine in Anhang I der Richtlinie 2000/36 genannte zusammengesetzte Zutat unter einer Bezeichnung aufgeführt werden könnte, die in keiner der Sprachfassungen dieses Anhangs enthalten ist und die folglich von der durch diese Richtlinie rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnung abweichen würde.

52

Hierzu ist noch darauf hinzuweisen, dass die Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichwertigkeit der verschiedenen Sprachfassungen einer Unionsrechtsvorschrift nicht dazu führen kann, dass sich ein Wirtschaftsteilnehmer an keine dieser Fassungen halten muss. Ebenso wenig wird durch die in Rn. 47 des vorliegenden Urteils getroffene Feststellung der Grundsatz in Frage gestellt, dass bei Abweichungen zwischen den Sprachfassungen einer Unionsrechtsvorschrift keiner der Fassungen Vorrang einzuräumen ist. Wie der Generalanwalt in Nr. 44 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann nämlich der bloße Umstand, dass verschiedene Sprachfassungen unterschiedliche Bezeichnungen für die betreffende zusammengesetzte Zutat vorsehen, wobei in einigen der Sprachfassungen nur eine einzige Bezeichnung verwendet wird, während in anderen mehrere verwendet werden, nicht bedeuten, dass eine Abweichung der Sprachfassungen vorliegt.

53

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Anhang VII Teil E Nr. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1169/2011 dahin auszulegen ist, dass ein Wirtschaftsteilnehmer bei der Etikettierung von im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats in Verkehr gebrachten Erzeugnissen nur dann von der Verpflichtung befreit ist, sämtliche Zutaten einer zusammengesetzten Zutat im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. h dieser Verordnung aufzuführen, wenn diese zusammengesetzte Zutat, die Gegenstand einer Verkehrsbezeichnung nach Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 2000/36 ist, im Zutatenverzeichnis unter dieser Verkehrsbezeichnung in der Sprachfassung des betreffenden Mitgliedstaats genannt wird.

Kosten

54

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

Anhang VII Teil E Nr. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission ist dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer bei der Etikettierung von im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats in Verkehr gebrachten Erzeugnissen nur dann von der Verpflichtung befreit ist, sämtliche Zutaten einer zusammengesetzten Zutat im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. h dieser Verordnung aufzuführen, wenn diese zusammengesetzte Zutat, die Gegenstand einer Verkehrsbezeichnung nach Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 2000/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juni 2000 über Kakao- und Schokoladeerzeugnisse für die menschliche Ernährung ist, im Zutatenverzeichnis unter dieser Verkehrsbezeichnung in der Sprachfassung des betreffenden Mitgliedstaats genannt wird.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Tschechisch.