URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

1. Oktober 2020 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 – Information der Verbraucher über Lebensmittel – Art. 9 Abs. 1 Buchst. i und Art. 26 Abs. 2 Buchst. a – Verpflichtende Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts von Lebensmitteln – Mögliche Irreführung der Verbraucher durch eine Unterlassung – Art. 38 Abs. 1 – Speziell harmonisierte Aspekte – Art. 39 Abs. 2 – Erlass nationaler Vorschriften, die für bestimmte Arten oder Klassen von Lebensmitteln zusätzliche verpflichtende Angaben hinsichtlich des Ursprungslands oder des Herkunftsorts vorschreiben – Voraussetzungen – Nachweislich bestehende Verbindung zwischen einer oder mehreren Qualitäten der betreffenden Lebensmittel und ihrem Ursprung oder ihrer Herkunft – Begriffe ‚nachweislich [bestehende] Verbindung‘ und ‚Qualitäten‘ – Nachweis, dass die Mehrheit der Verbraucher diesen Informationen wesentliche Bedeutung beimisst – Nationale Maßnahme, die die verpflichtende Angabe des nationalen, des europäischen oder des nicht europäischen Ursprungs von Milch vorsieht“

In der Rechtssache C‑485/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) mit Entscheidung vom 27. Juni 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juli 2018, in dem Verfahren

Groupe Lactalis

gegen

Premier ministre,

Garde des Sceaux, ministre de la Justice,

Ministre de l’Agriculture et de l’Alimentation,

Ministre de l’Économie et des Finances

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richterin L. S. Rossi sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), F. Biltgen und N. Wahl,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2020,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Groupe Lactalis, vertreten durch F. Molinié und S. Bensusan, avocats,

der französischen Regierung, vertreten durch A.‑L. Desjonquères und C. Mosser als Bevollmächtigte,

der griechischen Regierung, vertreten durch G. Kanellopoulos, I. E. Krompa und E. Leftheriotou als Bevollmächtigte,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Van Hoof und K. Herbout-Borczak als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Juli 2020

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 26, 38 und 39 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. 2011, L 304, S. 18).

2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Groupe Lactalis (im Folgenden: Lactalis) und dem französischen Premierminister, dem Justizminister, dem Minister für Landwirtschaft und Ernährung sowie dem Minister für Wirtschaft und Finanzen über die Rechtmäßigkeit des Décret no 2016‑1137, du 19 août 2016, relatif à l’indication de l’origine du lait et du lait et des viandes utilisés en tant qu’ingrédients (Dekret Nr. 2016‑1137 vom 19. August 2016 betreffend die Angabe des Ursprungs von Milch und von Milch und Fleisch, die als Zutaten verwendet werden, JORF vom 21. August 2016, Text Nr. 18, im Folgenden: fragliches Dekret).

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

In den Erwägungsgründen 1 bis 4 und 29 der Verordnung Nr. 1169/2011 heißt es:

„(1)

Nach Artikel 169 [AEUV] leistet die [Europäische] Union durch die Maßnahmen, die sie nach Artikel 114 [AEUV] erlässt, einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus.

(2)

Der freie Verkehr mit sicheren und gesunden Lebensmitteln ist ein wichtiger Aspekt des Binnenmarkts und trägt wesentlich zum Schutz der Gesundheit und des Wohlergehens der Bürger und zur Wahrung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen bei.

(3)

Um auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes der Verbraucher ein hohes Niveau zu erreichen und das Recht der Verbraucher auf Information zu gewährleisten, sollte sichergestellt werden, dass die Verbraucher in Bezug auf die Lebensmittel, die sie verzehren, in geeigneter Weise informiert werden. Die Wahl der Verbraucher kann unter anderem durch gesundheitsbezogene, wirtschaftliche, umweltbezogene, soziale und ethische Erwägungen beeinflusst werden.

(4)

Nach der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit [(ABl. 2002, L 31, S. 1)] ist es ein allgemeiner Grundsatz des Lebensmittelrechts, den Verbrauchern die Möglichkeit zu bieten, in Bezug auf die Lebensmittel, die sie verzehren, eine fundierte Wahl zu treffen, und alle Praktiken, die die Verbraucher irreführen können, zu verhindern.

(29)

Das Ursprungsland oder der Herkunftsort eines Lebensmittels sollten immer dann angegeben werden, wenn ohne diese Angabe die Verbraucher über das eigentliche Ursprungsland oder den eigentlichen Herkunftsort dieses Erzeugnisses irregeführt werden könnten. In allen Fällen sollte die Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts so gestaltet sein, dass die Verbraucher nicht getäuscht werden; ferner sollte sie auf eindeutig definierten Kriterien beruhen, die gleiche Ausgangsbedingungen für Unternehmen gewährleisten und das Verständnis der Informationen zum Ursprungsland oder Herkunftsort eines Lebensmittels seitens der Verbraucher fördern. …“

4

Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der Verordnung Nr. 1169/2011 bestimmt in Abs. 1:

„Diese Verordnung bildet die Grundlage für die Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus in Bezug auf Informationen über Lebensmittel unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Erwartungen der Verbraucher und ihrer unterschiedlichen Informationsbedürfnisse bei gleichzeitiger Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts.“

5

Art. 3 („Allgemeine Ziele“) der Verordnung Nr. 1169/2011 sieht in den Abs. 1 und 2 Folgendes vor:

„(1)   Die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel dient einem umfassenden Schutz der Gesundheit und Interessen der Verbraucher, indem Endverbrauchern eine Grundlage für eine fundierte Wahl und die sichere Verwendung von Lebensmitteln unter besonderer Berücksichtigung von gesundheitlichen, wirtschaftlichen, umweltbezogenen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten geboten wird.

(2)   Ziel des Lebensmittelinformationsrechts ist es, in der Union den freien Verkehr von rechtmäßig erzeugten und in Verkehr gebrachten Lebensmitteln zu gewährleisten, wobei gegebenenfalls die Notwendigkeit des Schutzes der berechtigten Interessen der Erzeuger und der Förderung der Erzeugung qualitativ guter Erzeugnisse zu berücksichtigen ist.“

6

Art. 7 („Lauterkeit der Informationspraxis“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1169/2011 bestimmt:

„Informationen über Lebensmittel dürfen nicht irreführend sein, insbesondere

a)

in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels …

b)

indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt;

c)

indem zu verstehen gegeben wird, dass sich das Lebensmittel durch besondere Merkmale auszeichnet, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Merkmale aufweisen, …

…“

7

Kapitel IV („Verpflichtende Informationen über Lebensmittel“) der Verordnung Nr. 1169/2011 enthält insbesondere die Art. 9 und 26.

8

Art. 9 („Verzeichnis der verpflichtenden Angaben“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1169/2011 bestimmt:

„Nach Maßgabe der Artikel 10 bis 35 und vorbehaltlich der in diesem Kapitel vorgesehenen Ausnahmen sind folgende Angaben verpflichtend:

i)

das Ursprungsland oder der Herkunftsort, wo dies nach Artikel 26 vorgesehen ist;

…“

9

In Art. 26 („Ursprungsland oder Herkunftsort“) der Verordnung Nr. 1169/2011 heißt es:

„…

(2)   Die Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts ist in folgenden Fällen verpflichtend:

a)

falls ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher über das tatsächliche Ursprungsland oder den tatsächlichen Herkunftsort des Lebensmittels möglich wäre, insbesondere wenn die dem Lebensmittel beigefügten Informationen oder das Etikett insgesamt sonst den Eindruck erwecken würden, das Lebensmittel komme aus einem anderen Ursprungsland oder Herkunftsort;

b)

bei Fleisch, das in die Codes der Kombinierten Nomenklatur (KN) fällt, die in Anhang XI aufgeführt sind. …

(5)   Die Kommission übermittelt bis zum 13. Dezember 2014 einen Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über die verpflichtende Angabe des Ursprungslands oder Herkunftsorts bei folgenden Lebensmitteln:

b)

Milch;

c)

Milch, die als Zutat in Milchprodukten verwendet wird;

(7)   Die in den Absätzen 5 und 6 genannten Berichte berücksichtigen die Notwendigkeit der Information der Verbraucher, die Frage, ob die Beibringung der verpflichtenden Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts praktikabel ist, und eine Analyse der Kosten und des Nutzens der Einführung solcher Maßnahmen einschließlich der rechtlichen Auswirkungen auf den Binnenmarkt und der Auswirkungen auf den internationalen Handel.

Die Kommission kann diesen Berichten Vorschläge zur Änderung der entsprechenden Unionsvorschriften beifügen.

…“

10

Kapitel VI („Einzelstaatliche Vorschriften“) der Verordnung Nr. 1169/2011 enthält u. a. die Art. 38 und 39.

11

Art. 38 („Einzelstaatliche Vorschriften“) der Verordnung Nr. 1169/2011 bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten dürfen in Bezug auf die speziell durch diese Verordnung harmonisierten Aspekte einzelstaatliche Vorschriften weder erlassen noch aufrechterhalten, es sei denn, dies ist nach dem Unionsrecht zulässig. Diese einzelstaatlichen Vorschriften dürfen nicht den freien Warenverkehr behindern, beispielsweise durch die Diskriminierung von Lebensmitteln aus anderen Mitgliedstaaten.

(2)   Unbeschadet des Artikels 39 dürfen die Mitgliedstaaten einzelstaatliche Vorschriften zu Aspekten erlassen, die nicht speziell durch diese Verordnung harmonisiert sind, sofern diese Vorschriften den freien Verkehr der Waren, die dieser Verordnung entsprechen, nicht unterbinden, behindern oder einschränken.“

12

Art. 39 („Einzelstaatliche Vorschriften über zusätzliche verpflichtende Angaben“) der Verordnung Nr. 1169/2011 lautet:

„(1)   Zusätzlich zu den in Artikel 9 Absatz 1 … genannten verpflichtenden Angaben können die Mitgliedstaaten nach dem Verfahren des Artikels 45 Vorschriften erlassen, die zusätzliche Angaben für bestimmte Arten oder Klassen von Lebensmitteln vorschreiben, die aus mindestens einem der folgenden Gründe gerechtfertigt sind:

a)

Schutz der öffentlichen Gesundheit;

b)

Verbraucherschutz;

c)

Betrugsvorbeugung;

d)

Schutz von gewerblichen und kommerziellen Eigentumsrechten, Herkunftsbezeichnungen, eingetragenen Ursprungsbezeichnungen sowie vor unlauterem Wettbewerb.

(2)   Die Mitgliedstaaten können auf der Grundlage von Absatz 1 nur dann Maßnahmen hinsichtlich der verpflichtenden Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts von Lebensmitteln treffen, wenn nachweislich eine Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft besteht. Bei der Mitteilung solcher Maßnahmen an die Kommission weisen die Mitgliedstaaten nach, dass die Mehrheit der Verbraucher diesen Informationen wesentliche Bedeutung beimisst.“

Französisches Recht

13

Das fragliche Dekret trat am 17. Januar 2017 in Kraft und sollte bis zum 31. Dezember 2018 gelten.

14

Art. 1 Abs. I dieses Dekrets lautet wie folgt:

„Die Etikettierung von vorverpackten Lebensmitteln im Sinne von Art. 2 der [Verordnung Nr. 1169/2011] hat den Bestimmungen dieses Dekrets zu entsprechen, wenn sie Folgendes enthalten:

Milch;

als Zutat Milch, die in den im Verzeichnis im Anhang aufgeführten Milchprodukten enthalten ist;

In der Etikettierung von vorverpackten Lebensmitteln ist der Ursprung der in den Nrn. 1 bis 3 genannten Zutaten anzugeben. Machen diese Zutaten jedoch einen unterhalb einer Schwelle liegenden Prozentanteil, ausgedrückt als Gesamtgewicht der in dem vorverpackten Lebensmittel verarbeiteten Zutaten, aus, unterliegt die Etikettierung dieses Lebensmittels nicht den Bestimmungen dieses Dekrets.“

15

Art. 3 des genannten Dekrets sieht vor:

„I. Die Angabe des Ursprungs der Milch oder der in den in Art. 1 genannten Milchprodukten als Zutat verwendeten Milch umfasst folgende Angaben:

‚Land der Gewinnung: (Name des Landes, in dem die Milch gewonnen wurde)‘;

‚Land der Verpackung oder Verarbeitung: (Name des Landes, in dem die Milch verpackt oder verarbeitet wurde)‘.

II. Abweichend von Abs. I kann, wenn die Milch oder die in Milchprodukten als Zutat verwendete Milch in demselben Land gewonnen, verpackt oder verarbeitet wurde, die Ursprungsangabe ‚Ursprung: (Name des Landes)‘ lauten.

III. Abweichend von den Abs. I und II kann, wenn die Milch oder die in Milchprodukten als Zutat verwendete Milch in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union gewonnen, verpackt oder verarbeitet wurde, die Ursprungsangabe ‚Ursprung: EU‘ lauten.

IV. Abweichend von den Abs. I und II kann, wenn die Milch oder die in Milchprodukten als Zutat verwendete Milch in einem oder mehreren nicht der Europäischen Union angehörenden Staaten gewonnen, verpackt oder verarbeitet wurde, die Ursprungsangabe ‚Ursprung: Nicht-EU‘ lauten.“

16

Art. 6 desselben Dekrets bestimmt: „Rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Drittland hergestellte oder vermarktete Erzeugnisse fallen nicht unter die Bestimmungen dieses Dekrets.“

17

Mit dem Décret no 2018‑1239, du 24 décembre 2018, relatif à l’indication de l’origine du lait et du lait et des viandes utilisés en tant qu’ingrédient (Dekret Nr. 2018‑1239 vom 24. Dezember 2018 betreffend die Angabe des Ursprungs von Milch und von Milch und Fleisch, die als Zutaten verwendet werden, JORF vom 2. Dezember 2018, Text Nr. 70), wurde die Geltungsdauer des fraglichen Dekrets verlängert.

Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

18

Mit am 24. Oktober 2016 registrierter Klageschrift erhob Lactalis beim Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) Klage auf Nichtigerklärung des fraglichen Dekrets. Sie stützt ihre Klage u. a. auf zwei Klagegründe, mit denen sie geltend macht, dass das fragliche Dekret gegen die Art. 26, 38 und 39 der Verordnung Nr. 1169/2011 verstoße.

19

Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die bei der Prüfung dieser beiden Klagegründe aufgeworfenen Fragen für den Ausgang des bei ihm anhängigen Rechtsstreits entscheidend seien und dass sie eine ernsthafte Auslegungsschwierigkeit bedeuteten.

20

Unter diesen Umständen hat der Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Ist Art. 26 der Verordnung Nr. 1169/2011, der u. a. vorsieht, dass die Kommission bei Milch und Milch, die als Zutat verwendet wird, an das Europäische Parlament und den Rat einen Bericht über die verpflichtende Angabe des Ursprungslands oder Herkunftsorts zu übermitteln hat, dahin zu verstehen, dass diese Frage damit im Sinne von Art. 38 Abs. 1 dieser Verordnung speziell harmonisiert wurde, und nimmt er den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, auf der Grundlage von Art. 39 dieser Verordnung Vorschriften zu erlassen, die zusätzliche verpflichtende Angaben verlangen?

2.

Sind, sollten die einzelstaatlichen Vorschriften gemäß Art. 39 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1169/2011 durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt sein, die beiden in Abs. 2 dieses Artikels vorgesehenen Kriterien – zum einen die nachweisliche Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft und zum anderen der Nachweis, dass die Mehrheit der Verbraucher diesen Informationen wesentliche Bedeutung beimisst – zusammen zu lesen, und kann insbesondere die Beurteilung der nachweislichen Verbindung auf lediglich subjektive Kriterien betreffend die Bedeutung des Zusammenhangs, den die Mehrheit der Verbraucher zwischen den Qualitäten eines Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft herstellen kann, gestützt werden?

3.

Können, da als Qualitäten des Lebensmittels offenbar alle Faktoren verstanden werden können, die zur Qualität des Lebensmittels beitragen, Erwägungen zur Transporteignung des Lebensmittels und zur Anfälligkeit gegenüber den Risiken eines unterwegs eintretenden Verderbs berücksichtigt werden, um das nachweisliche Vorliegen einer Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft im Sinne von Art. 39 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 zu beurteilen?

4.

Ist Voraussetzung der Beurteilung der in Art. 39 der Verordnung Nr. 1169/2011 festgelegten Bedingungen, dass die Qualitäten eines Lebensmittels aufgrund seines Ursprungs oder seiner Herkunft als einzigartig oder aufgrund dieses Ursprungs oder dieser Herkunft als gewährleistet angesehen werden, und darf in diesem letzteren Fall die Ursprungs- oder Herkunftsangabe ungeachtet der in der Europäischen Union geltenden Harmonisierung der Gesundheits- und Umweltstandards genauer sein als die bloße Angabe „EU“ oder „Nicht-EU“?

21

Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 27. Februar 2019 ist das Verfahren bis zur Verkündung des Urteils in der Rechtssache C‑363/18 ausgesetzt worden, die ein am 4. Juni 2018 von dem vorlegenden Gericht eingereichtes Vorabentscheidungsersuchen zum Gegenstand hat und ebenfalls die Auslegung der Verordnung Nr. 1169/2011 betrifft. Nach der Verkündung des Urteils vom 12. November 2019, Organisation juive européenne und Vignoble Psagot (C‑363/18, EU:C:2019:954), ist das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache durch Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 13. November 2019 wieder aufgenommen worden.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

22

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 26 der Verordnung Nr. 1169/2011 dahin auszulegen ist, dass die verpflichtende Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts von Milch und als Zutat verwendeter Milch als „speziell durch diese Verordnung harmonisierter Aspekt“ im Sinne von Art. 38 Abs. 1 dieser Verordnung anzusehen ist, und, wenn ja, ob er es den Mitgliedstaaten verwehrt, auf der Grundlage von Art. 39 dieser Verordnung Vorschriften zu erlassen, die zusätzliche verpflichtende Angaben vorschreiben.

23

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 38 der Verordnung Nr. 1169/2011, der mit „Einzelstaatliche Vorschriften“ überschrieben ist, die Kategorie der „speziell durch diese Verordnung harmonisierten Aspekte“ klar von der Kategorie der Aspekte unterscheidet, bei denen dies nicht der Fall ist. In Bezug auf die erstgenannten Aspekte heißt es in Abs. 1 dieses Artikels, dass die Mitgliedstaaten einzelstaatliche Vorschriften weder erlassen noch aufrechterhalten dürfen, es sei denn, dies ist nach dem Unionsrecht zulässig. Hinsichtlich der zweitgenannten Aspekte sieht Art. 38 Abs. 2 dagegen vor, dass die Mitgliedstaaten unbeschadet des Art. 39 einzelstaatliche Vorschriften erlassen dürfen, sofern diese Vorschriften den freien Verkehr der Waren nicht unterbinden, behindern oder einschränken.

24

Im Übrigen sieht Art. 39 der Verordnung Nr. 1169/2011, der mit „Einzelstaatliche Vorschriften über zusätzliche verpflichtende Angaben“ überschrieben ist, in seinem Abs. 1 vor, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften erlassen können, die zusätzliche Angaben für bestimmte Arten oder Klassen von Lebensmitteln vorschreiben, sofern sie aus einem oder mehreren der folgenden Gründe gerechtfertigt sind: Schutz der öffentlichen Gesundheit, Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung und Schutz von gewerblichen und kommerziellen Eigentumsrechten, Herkunftsbezeichnungen und eingetragenen Ursprungsbezeichnungen sowie vor unlauterem Wettbewerb. In Art. 39 Abs. 2 heißt es zudem, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen hinsichtlich der verpflichtenden Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts von Lebensmitteln nur dann treffen können, wenn nachweislich eine Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft besteht, wobei es weiter heißt, dass die Mitgliedstaaten bei der Mitteilung solcher Maßnahmen an die Kommission nachweisen, dass die Mehrheit der Verbraucher diesen Informationen wesentliche Bedeutung beimisst.

25

Was erstens die Frage angeht, ob Art. 26 der Verordnung Nr. 1169/2011, der mit „Ursprungsland oder Herkunftsort“ überschrieben ist, als ein „speziell durch diese Verordnung harmonisierter Aspekt“ anzusehen ist, soweit er die Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts von Milch und als Zutat verwendeter Milch verpflichtend vorschreibt, ist festzustellen, dass keine Bestimmung dieser Verordnung diese Aspekte auflistet. In Anbetracht dieses Ausdrucks muss die Bestimmung dieser Aspekte jedoch unter strikter Beachtung des Wortlauts der Verordnung Nr. 1169/2011 erfolgen.

26

Insoweit legt Art. 9 der Verordnung Nr. 1169/2011, wie aus seiner Überschrift hervorgeht, das Verzeichnis der verpflichtenden Angaben fest, mit denen Lebensmittel versehen werden müssen. Gemäß Abs. 1 Buchst. i dieses Artikels ist die Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts verpflichtend, wo dies nach Art. 26 dieser Verordnung vorgesehen ist.

27

Art. 26 Abs. 2 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 1169/2011 sieht seinerseits vor, dass die Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts zum einen dann verpflichtend ist, falls ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher über das tatsächliche Ursprungsland oder den tatsächlichen Herkunftsort des Lebensmittels möglich wäre, und zum anderen bei Fleisch, das in bestimmte Codes der Kombinierten Nomenklatur fällt, die in Anhang XI dieser Verordnung aufgeführt sind.

28

Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Verordnung Nr. 1169/2011 den Aspekt der verpflichtenden Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts von Lebensmitteln im Sinne ihres Art. 38 Abs. 1 speziell harmonisiert, soweit es um Fälle geht, in denen ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher möglich wäre, ohne hingegen andere Fälle oder Situationen speziell zu harmonisieren.

29

Außerdem ergibt sich aus Art. 26 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011, dass mit der einzigen Ausnahme von Fleisch, das in bestimmte Codes der Kombinierten Nomenklatur fällt, alle Lebensmittel dieser speziellen Harmonisierung unterliegen, einschließlich Milch und als Zutat verwendeter Milch.

30

Was zweitens die Frage anbelangt, ob diese spezielle Harmonisierung dem Erlass eventueller zusätzlicher nationaler Vorschriften entgegensteht, so ergibt sich aus Rn. 24 des vorliegenden Urteils, dass die Mitgliedstaaten solche Vorschriften erlassen können, sofern sie die in Art. 39 der Verordnung Nr. 1169/2011 vorgesehenen Anforderungen beachten.

31

Insoweit ergibt sich aus Art. 39 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1169/2011 zum einen, dass es sich bei den Angaben, die die Mitgliedstaaten verlangen können, um „zusätzliche“ Angaben zu den in der Verordnung Nr. 1169/2011 selbst vorgesehenen Angaben handeln muss, zu denen, wie in Rn. 27 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts von Lebensmitteln gehört, falls ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher möglich wäre. Daraus folgt, dass solche Angaben nicht nur mit dem Ziel vereinbar sein müssen, das der Unionsgesetzgeber mit der speziellen Harmonisierung des Aspekts der verpflichtenden Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts verfolgt hat, sondern mit dieser Angabe auch ein kohärentes Ganzes bilden müssen.

32

Zum anderen dürfen sich diese zusätzlichen verpflichtenden Angaben nur auf „bestimmte Arten oder Klassen von Lebensmitteln“ und nicht unterschiedslos auf diese Lebensmittel beziehen. Daher können sie sich insbesondere auf das Ursprungsland oder den Herkunftsort einer bestimmten Art oder Klasse von Lebensmitteln beziehen, etwa von Milch und als Zutat verwendeter Milch, sofern sie andere Fälle oder Situationen als den Fall betreffen, dass ohne die Angabe dieses Ursprungslands oder dieses Herkunftsorts eine Irreführung der Verbraucher möglich wäre.

33

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 26 der Verordnung Nr. 1169/2011 dahin auszulegen ist, dass die verpflichtende Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts von Milch und als Zutat verwendeter Milch als „speziell durch diese Verordnung harmonisierter Aspekt“ im Sinne von Art. 38 Abs. 1 dieser Verordnung anzusehen ist, falls ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher möglich wäre, und dass er es den Mitgliedstaaten nicht verwehrt, auf der Grundlage von Art. 39 dieser Verordnung Vorschriften zu erlassen, die zusätzliche verpflichtende Angaben vorschreiben, sofern diese mit dem Ziel vereinbar sind, das der Unionsgesetzgeber mit der speziellen Harmonisierung des Aspekts der verpflichtenden Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts verfolgt hat, und mit dieser Angabe ein kohärentes Ganzes bilden.

Zur zweiten Frage

34

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 39 der Verordnung Nr. 1169/2011 dahin auszulegen ist, dass, wenn es um nationale Vorschriften geht, die im Hinblick auf Abs. 1 dieses Artikels durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt sind, die beiden in Abs. 2 dieses Artikels genannten Anforderungen, nämlich dass zum einen „nachweislich eine Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft besteht“ und dass zum anderen „[nachgewiesen wird,] dass die Mehrheit der Verbraucher diesen Informationen wesentliche Bedeutung beimisst“, zusammen zu verstehen sind, so dass das Bestehen dieser nachweislichen Verbindung beurteilt werden kann, indem allein subjektive Kriterien zugrunde gelegt werden, die sich auf die Bedeutung der Assoziation beziehen, die die Mehrheit der Verbraucher zwischen bestimmten Qualitäten des betreffenden Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft herstellen kann.

35

In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Art. 39 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 durch eine präzise Struktur und Formulierung gekennzeichnet ist. In seinem ersten Satz heißt es nämlich, dass die Mitgliedstaaten nur dann zusätzliche Maßnahmen hinsichtlich der verpflichtenden Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts von Lebensmitteln treffen können, wenn nachweislich eine Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft besteht. Im zweiten Satz wird ergänzt, dass die Mitgliedstaaten bei der Mitteilung solcher Maßnahmen an die Europäische Kommission nachweisen, dass die Mehrheit der Verbraucher diesen Informationen wesentliche Bedeutung beimisst.

36

Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber die beiden Anforderungen, von denen er den Erlass zusätzlicher nationaler Maßnahmen abhängig gemacht hat, klar voneinander trennen wollte, indem er jeder von ihnen ein unterschiedliches Ziel und eine unterschiedliche Rolle bei der Durchführung von Art. 39 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 zugewiesen hat.

37

Mit der Anforderung einer „nachweislich“ bestehenden „Verbindung“ zwischen bestimmten Qualitäten des betreffenden Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft soll nämlich das Bestehen einer solchen Verbindung in jedem Einzelfall im Voraus belegt werden.

38

Mit der Anforderung in Bezug auf die Wahrnehmung durch die Mehrheit der Verbraucher wird der betreffende Mitgliedstaat demgegenüber verpflichtet, den Nachweis zu erbringen, dass diese Informationen in den Augen der Mehrheit der Verbraucher von wesentlicher Bedeutung sind. Diese zweite Anforderung kommt somit erst nach der ersten zum Tragen und ist dieser untergeordnet und ergänzt sie.

39

Folglich sind diese beiden Anforderungen nacheinander zu prüfen: In einem ersten Schritt ist – auf jeden Fall – zu prüfen, ob nachweislich eine Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten der in einem bestimmten Fall in Rede stehenden Lebensmittel und ihrem Ursprung oder ihrer Herkunft besteht; sodann ist in einem zweiten Schritt – und nur dann, wenn eine solche Verbindung belegt ist – zu prüfen, ob nachgewiesen ist, dass die Mehrheit der Verbraucher diesen Informationen wesentliche Bedeutung beimisst.

40

Eine solche Auslegung wird sowohl durch den Kontext von Art. 39 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 als auch durch die mit dieser Verordnung verfolgten Ziele gestützt.

41

Was den Kontext dieser Bestimmung angeht, so ergibt sich nämlich aus Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1169/2011, dass mit Informationen über Lebensmittel nicht zu verstehen gegeben werden darf, dass diese sich durch besondere Merkmale auszeichnen, obwohl in Wirklichkeit andere vergleichbare Lebensmittel dieselben Merkmale aufweisen.

42

Eine nationale Vorschrift, die die Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts eines Lebensmittels allein auf der Grundlage der subjektiven Assoziation, die die Mehrheit der Verbraucher zwischen diesem Ursprung oder dieser Herkunft und bestimmten Qualitäten des betreffenden Lebensmittels herstellen kann, verpflichtend vorschreiben würde, wäre jedoch geeignet, den Eindruck zu erwecken, dass das Lebensmittel bestimmte Qualitäten besitzt, die mit seinem Ursprung oder seiner Herkunft zusammenhängen, auch wenn eine Verbindung zwischen beiden nicht objektiv nachgewiesen ist.

43

Was die Ziele der Verordnung Nr. 1169/2011 betrifft, so gehört dazu, wie aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung in Verbindung mit ihren Erwägungsgründen 1, 3 und 4 hervorgeht, das Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau in Bezug auf Informationen über Lebensmittel unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Erwartungen der Verbraucher zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. November 2019, Organisation juive européenne und Vignoble Psagot, C‑363/18, EU:C:2019:954, Rn. 52 und 53).

44

Dieses Ziel gebietet es, wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, dass die Informationen über Lebensmittel korrekt, neutral und objektiv sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2016, Breitsamer und Ulrich, C‑113/15, EU:C:2016:718, Rn. 69).

45

Dies wäre jedoch nicht der Fall, wenn die verpflichtende Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts von Lebensmitteln auf der alleinigen Grundlage der subjektiven Assoziation verlangt werden könnte, die eine Mehrheit der Verbraucher zwischen dem Ursprung oder der Herkunft der betreffenden Lebensmittel und bestimmten Qualitäten dieser Lebensmittel herstellt, auch wenn eine Verbindung zwischen beiden nicht objektiv nachgewiesen ist.

46

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 39 der Verordnung Nr. 1169/2011 dahin auszulegen ist, dass, wenn es um nationale Vorschriften geht, die im Hinblick auf Abs. 1 dieses Artikels durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt sind, die beiden in Abs. 2 dieses Artikels genannten Anforderungen, nämlich dass zum einen „nachweislich eine Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft besteht“ und dass zum anderen „[nachgewiesen wird,] dass die Mehrheit der Verbraucher diesen Informationen wesentliche Bedeutung beimisst“, nicht zusammen zu verstehen sind, so dass das Bestehen dieser nachweislichen Verbindung nicht beurteilt werden kann, indem allein subjektive Kriterien zugrunde gelegt werden, die sich auf die Bedeutung der Assoziation beziehen, die die Mehrheit der Verbraucher zwischen bestimmten Qualitäten des betreffenden Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft herstellen kann.

Zur dritten und zur vierten Frage

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Mit seiner dritten und seiner vierten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 39 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Qualitäten des Lebensmittels“ die Transporteignung eines Lebensmittels und seine fehlende Anfälligkeit gegenüber den Risiken eines unterwegs eintretenden Verderbs umfasst, so dass diese Merkmale bei der Beurteilung einer eventuell „nachweislich [bestehenden] Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft“ im Sinne dieser Bestimmung zum Tragen kommen können.

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Insoweit ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut von Art. 39 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011, dass sich der Begriff „Qualitäten“, dem bei seiner Verwendung das Adjektiv „bestimmte“ vorangestellt wird, nicht auf alle Eigenschaften von Lebensmitteln im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a bis c dieser Verordnung erstreckt.

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Denn im Gegensatz zu diesen Eigenschaften, die die verschiedenen Merkmale der Lebensmittel, einschließlich derer, die sich aus ihrer Herstellung oder Verarbeitung ergeben, widerspiegeln, handelt es sich bei den „Qualitäten“, auf die sich Art. 39 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 bezieht, ausschließlich um solche, die eine „nachweislich [bestehende] Verbindung“ mit dem Ursprung oder der Herkunft der Lebensmittel, die sie besitzen, aufweisen.

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Daraus folgt, dass der Begriff „Qualitäten“, auf den sich diese Bestimmung bezieht, ausschließlich auf die Qualitäten verweist, die Lebensmittel, die sie besitzen, von ähnlichen Lebensmitteln unterscheiden, die, da sie einen anderen Ursprung oder eine andere Herkunft haben, sie nicht besitzen.

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Die Transporteignung eines Lebensmittels und seine fehlende Anfälligkeit gegenüber den Risiken eines unterwegs eintretenden Verderbs kann jedoch etwa im Fall von Milch oder als Zutat verwendeter Milch nicht als „Qualität“ im Sinne von Art. 39 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 eingestuft werden, da diese Merkmale nicht nachweislich mit einem bestimmten Ursprung oder einer bestimmten Herkunft verbunden sind und daher auch bei ähnlichen Lebensmitteln, die den betreffenden Ursprung oder die betreffende Herkunft nicht haben, auftreten können und daher unabhängig von diesem Ursprung oder dieser Herkunft garantiert werden können.

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Nach alledem ist auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, dass Art. 39 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Qualitäten des Lebensmittels“ die Transporteignung eines Lebensmittels und seine fehlende Anfälligkeit gegenüber den Risiken eines unterwegs eintretenden Verderbs nicht umfasst, so dass diese Merkmale bei der Beurteilung einer eventuell „nachweislich [bestehenden] Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft“ im Sinne dieser Bestimmung nicht zum Tragen kommen können.

Kosten

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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 26 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission ist dahin auszulegen, dass die verpflichtende Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts von Milch und als Zutat verwendeter Milch als „speziell durch diese Verordnung harmonisierter Aspekt“ im Sinne von Art. 38 Abs. 1 dieser Verordnung anzusehen ist, falls ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher möglich wäre, und dass er es den Mitgliedstaaten nicht verwehrt, auf der Grundlage von Art. 39 dieser Verordnung Vorschriften zu erlassen, die zusätzliche verpflichtende Angaben vorschreiben, sofern diese mit dem Ziel vereinbar sind, das der Unionsgesetzgeber mit der speziellen Harmonisierung des Aspekts der verpflichtenden Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts verfolgt hat, und mit dieser Angabe ein kohärentes Ganzes bilden.

 

2.

Art. 39 der Verordnung Nr. 1169/2011 ist dahin auszulegen, dass, wenn es um nationale Vorschriften geht, die im Hinblick auf Abs. 1 dieses Artikels durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt sind, die beiden in Abs. 2 dieses Artikels genannten Anforderungen, nämlich dass zum einen „nachweislich eine Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft besteht“ und dass zum anderen „[nachgewiesen wird,] dass die Mehrheit der Verbraucher diesen Informationen wesentliche Bedeutung beimisst“, nicht zusammen zu verstehen sind, so dass das Bestehen dieser nachweislichen Verbindung nicht beurteilt werden kann, indem allein subjektive Kriterien zugrunde gelegt werden, die sich auf die Bedeutung der Assoziation beziehen, die die Mehrheit der Verbraucher zwischen bestimmten Qualitäten des betreffenden Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft herstellen kann.

 

3.

Art. 39 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Qualitäten des Lebensmittels“ die Transporteignung eines Lebensmittels und seine fehlende Anfälligkeit gegenüber den Risiken eines unterwegs eintretenden Verderbs nicht umfasst, so dass diese Merkmale bei der Beurteilung einer eventuell „nachweislich [bestehenden] Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft“ im Sinne dieser Bestimmung nicht zum Tragen kommen können.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Franuzösisch.