5.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 146/19


EMPFEHLUNG DER KOMMISSION

vom 10. April 2008

zum Umgang mit geistigem Eigentum bei Wissenstransfertätigkeiten und für einen Praxiskodex für Hochschulen und andere öffentliche Forschungseinrichtungen

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2008) 1329)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2008/416/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 165,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Bei der Erneuerung der Lissabon-Strategie im Jahr 2005 haben die Staats- oder Regierungschefs die Schlüsselrolle hervorgehoben, die bessere Verbindungen zwischen öffentlichen Forschungseinrichtungen, einschließlich Hochschulen, und der Industrie dabei spielen können, die Verbreitung und Nutzung von Ideen in einer dynamischen Wissensgesellschaft zu erleichtern und Wettbewerbsfähigkeit und gesamtwirtschaftliches Wohl zu steigern.

(2)

Es sollten Anstrengungen unternommen werden, Wissen besser in sozioökonomischen Nutzen umzuwandeln. Dazu ist es notwendig, dass öffentliche Forschungseinrichtungen die Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschungsarbeiten verbreiten und wirksamer verwerten, im Hinblick darauf, sie in neue Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Dies kann unter anderem realisiert werden mittels Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie — Verbundforschung oder Auftragsforschung, die gemeinsam mit dem Privatsektor durchgeführt oder finanziert wird —, Lizenzvergabe sowie Ausgründungen.

(3)

Die wirksame Verwertung der Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung hängt ab vom sachgerechten Umgang mit geistigem Eigentum (d. h. Wissen im weitesten Sinne, einschließlich z. B. Erfindungen, Software, Datenbanken und Mikroorganismen, unabhängig davon, ob sie durch Rechtsinstrumente wie Patente geschützt sind), von der Ausbildung einer unternehmerischen Kultur und der dazugehörigen Fähigkeiten innerhalb öffentlicher Forschungseinrichtungen sowie von einer besseren Kommunikation und Interaktion zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor.

(4)

Das aktive Engagement öffentlicher Forschungseinrichtungen beim Umgang mit geistigem Eigentum und Wissenstransfer ist wesentlich, um einen sozioökonomischen Nutzen zu bewirken und Studierende, Wissenschaftler und weitere Forschungsmittel anzuziehen.

(5)

Die Mitgliedstaaten haben in den letzten Jahren Initiativen ergriffen, um den Wissenstransfer auf nationaler Ebene zu erleichtern; erhebliche Diskrepanzen zwischen nationalen Regelungsrahmen, Politiken und Praktiken sowie unterschiedliche Standards beim Umgang mit geistigem Eigentum in öffentlichen Forschungseinrichtungen verhindert oder behindert jedoch den transnationalen Wissenstransfer in Europa und die Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums.

(6)

Nach der Mitteilung und den Leitlinien (1) der Kommission von 2007, in denen Ansätze für einen gemeinsamen europäischen Rahmen für den Wissenstransfer dargelegt wurden, ersuchte der Europäische Rat die Kommission im Juni 2007, Orientierungshilfen für den Umgang mit geistigem Eigentum durch öffentliche Forschungseinrichtungen in Form einer Empfehlung an die Mitgliedstaaten auszuarbeiten.

(7)

Mit dieser Empfehlung sollen den Mitgliedstaaten und ihren Regionen politische Leitlinien für die Ausarbeitung oder Aktualisierung nationaler Leitlinien und Rahmenregelungen gegeben werden, und öffentlichen Forschungseinrichtungen soll ein Praxiskodex vermittelt werden, um die Art und Weise, wie öffentliche Forschungseinrichtungen geistiges Eigentum und den Wissenstransfer handhaben, zu verbessern.

(8)

Die Zusammenarbeit im Bereich der Forschung und Entwicklung und Wissenstransferaktivitäten zwischen der Gemeinschaft und Drittländern sollten auf eindeutigen und einheitlichen Empfehlungen und Praktiken basieren, die zum Nutzen aller beteiligten Partner einen gleichberechtigten und fairen Zugang zu geistigem Eigentum gewährleisten, das sich aus der internationalen Forschungszusammenarbeit ergibt. In diesem Zusammenhang sollte Bezug auf den beigefügten Praxiskodex genommen werden.

(9)

Es wurde eine Reihe vorbildlicher Praktiken ermittelt, die den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Empfehlung behilflich sein sollten. Jeder Mitgliedstaat sollte diejenigen Verfahren und Praktiken wählen, die am besten geeignet sind sicherzustellen, dass die Grundsätze dieser Empfehlung befolgt werden. Dabei sollte berücksichtigt werden was im Kontext des jeweiligen Mitgliedstaats am wirksamsten ist, da in einem Mitgliedstaat wirksame Praktiken in einem anderen möglicherweise nicht ebenso wirksam sind. Vorhandene Leitlinien auf der Ebene der Gemeinschaft und der OECD sollten ebenfalls berücksichtigt werden.

(10)

Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten die Umsetzung dieser Empfehlung und ihre Auswirkungen überwachen und den Austausch vorbildlicher Praktiken für den Wissenstransfer fördern —

EMPFIEHLT DEN MITGLIEDSTAATEN:

1.

sicherzustellen, dass alle öffentlichen Forschungseinrichtungen den Wissenstransfer als strategische Aufgabe definieren;

2.

öffentliche Forschungseinrichtungen anzuhalten, Leitlinien und Verfahren für den Umgang mit geistigem Eigentum gemäß dem in Anhang I enthaltenen „Praxiskodex“ festzulegen und zu veröffentlichen;

3.

den Ausbau der Kapazität und Fähigkeiten im Bereich des Wissenstransfers in öffentlichen Forschungseinrichtungen zu unterstützen, ebenso Maßnahmen zur Steigerung des Bewusstseins und der Fähigkeiten von Studierenden — besonders im naturwissenschaftlich-technischen Bereich — bezüglich des geistigen Eigentums, des Wissenstransfers und der unternehmerischen Einstellung;

4.

die weite Verbreitung von Wissen, das mit öffentlichen Mitteln geschaffen wurde, zu fördern, indem Schritte für einen offenen Zugang zu Forschungsergebnissen angeregt werden, wobei gegebenenfalls der Schutz des betreffenden geistigen Eigentums zu ermöglichen ist;

5.

zusammenzuarbeiten und Schritte zu ergreifen, um die Kohärenz ihrer jeweiligen Eigentümerregelungen bezüglich der Rechte am geistigen Eigentum so zu verbessern, dass die Zusammenarbeit und der Wissenstransfer in Forschung und Entwicklung grenzübergreifend erleichtert wird;

6.

die in dieser Empfehlung dargelegten Grundsätze als Grundlage für die Einführung oder Anpassung nationaler Leitlinien und Rechtsvorschriften für den Umgang mit geistigem Eigentum und für den Wissenstransfer durch öffentliche Forschungseinrichtungen zu nutzen, ebenso für den Abschluss von Vereinbarungen zur Forschungszusammenarbeit mit Drittländern oder für alle anderen Maßnahmen zur Förderung des Wissenstransfers oder bei der Festlegung neuer einschlägiger Leitlinien oder Finanzierungsregelungen;

7.

Schritte zu ergreifen, um die breitest mögliche Umsetzung des Praxiskodex zu gewährleisten, entweder unmittelbar oder durch Bestimmungen, die durch nationale und regionale Stellen zur Forschungsförderung festgelegt werden;

8.

zum gegenseitigen Vorteil aller beteiligten Partner eine gleichberechtigte und faire Behandlung von Teilnehmern aus Mitgliedstaaten und Drittstaaten bei internationalen Forschungsvorhaben zu gewährleisten, im Hinblick auf Eigentümerschaft und Zugang zu Rechten am geistigen Eigentum;

9.

eine nationale Kontaktstelle zu benennen, deren Aufgabe unter anderem die Koordinierung von Maßnahmen bezüglich des Wissenstransfers zwischen öffentlichen Forschungseinrichtungen und dem privaten Sektor sein sollte, einschließlich der Bewältigung transnationaler Fragen, in Verbindung mit ähnlichen Kontaktstellen in anderen Mitgliedstaaten;

10.

die in Anhang II dargelegten vorbildlichen Praktiken zu prüfen und zu nutzen, wobei dem nationalen Kontext Rechnung zu tragen ist;

11.

die Kommission bis zum 15. Juli 2010 und danach alle zwei Jahre über die Maßnahmen, die auf der Grundlage dieser Empfehlung getroffen wurden, sowie über deren Auswirkungen zu unterrichten.

Brüssel, den 10. April 2008

Für die Kommission

Janez POTOČNIK

Mitglied der Kommission


(1)  KOM(2007) 182 endg.


ANHANG I

Praxiskodex für Hochschulen und andere öffentliche Forschungseinrichtungen bezüglich des Umgangs mit geistigem Eigentum bei Wissenstransfertätigkeiten

Der Praxiskodex umfasst drei Hauptgruppen von Grundsätzen:

Die Grundsätze für eine interne Politik bezüglich des geistigen Eigentums (im Folgenden „IP-Politik“) bilden das Fundament der Grundsätze, die von öffentlichen Forschungseinrichtungen umgesetzt werden sollten, um wirksam mit dem geistigen Eigentum umzugehen, das sich aus ihren (eigenen oder im Verbund durchgeführten) Tätigkeiten im Bereich der Forschung und Entwicklung ergibt.

Die Grundsätze für eine Politik bezüglich des Wissenstransfers ergänzen die Grundsätze bezüglich der IP-Politik, indem sie sich speziell auf den aktiven Transfer und die Verwertung solchen geistigen Eigentums konzentrieren, unabhängig davon, ob diese von Rechten am geistigen Eigentum geschützt sind.

Die Grundsätze für Verbund- und Auftragsforschung sollen alle Arten von Forschungstätigkeiten abdecken, die von einer öffentlichen Forschungseinrichtung und dem privaten Sektor gemeinsam durchgeführt oder finanziert werden, insbesondere die Verbundforschung (bei der alle Beteiligten FuE-Aufgaben durchführen) und die Auftragsforschung (bei der ein Privatunternehmen FuE-Aufträge an eine öffentliche Forschungseinrichtung vergibt).

Grundsätze für eine interne Politik bezüglich des geistigen Eigentums

1.

Es ist eine IP-Politik als Teil der langfristigen Strategie und des Auftrags der öffentlichen Forschungseinrichtung zu entwickeln und diese Politik intern und extern zu veröffentlichen sowie eine einzige zuständige Kontaktstelle einzurichten.

2.

Diese Politik sollte eindeutige Regeln für Mitarbeiter und Studierende vorgeben, insbesondere bezüglich der Offenlegung neuer Ideen, die von kommerziellem Interesse sein könnten, bezüglich des Eigentums an Forschungsergebnissen, der Führung von Unterlagen, der Handhabung von Interessenkonflikten und der Interaktion mit Dritten.

3.

Die Identifizierung, die Verwertung und gegebenenfalls der Schutz von geistigem Eigentum sind gemäß der Strategie und dem Auftrag der öffentlichen Forschungseinrichtung im Hinblick auf eine Maximierung des sozioökonomischen Nutzens zu fördern. Zu diesem Zweck können unterschiedliche Strategien verfolgt werden, möglicherweise differenziert nach den jeweiligen wissenschaftlichen/technologischen Bereichen, beispielsweise der „Public-domain“-Ansatz oder der Ansatz der „offenen Innovation“.

4.

Es sind geeignete Anreize zu schaffen, um sicherzustellen, dass alle betroffenen Mitarbeiter aktiv an der Durchführung der IP-Politik beteiligt sind. Diese Anreize sollten nicht nur finanzieller Art sein, sondern auch die Karriereentwicklung fördern, indem Aspekte bezüglich des geistigen Eigentums und des Wissenstransfers neben akademischen Kriterien in Beurteilungsverfahren Eingang finden.

5.

Es ist die Schaffung kohärenter Portfolios geistigen Eigentums durch die öffentliche Forschungseinrichtung zu erwägen, z. B. in spezifischen Technologiebereichen, gegebenenfalls auch die Einrichtung von Patent-/IP-Pools unter Einbeziehung des geistigen Eigentums anderer öffentlicher Forschungseinrichtungen. Dies könnte die Verwertung erleichtern, indem eine kritische Masse erreicht wird und sich die Transaktionskosten für Dritte verringern.

6.

Das Bewusstsein und die grundlegenden Fähigkeiten in Bezug auf geistiges Eigentum und Wissenstransfer sind durch Maßnahmen zur Schulung von Studierenden sowie Mitarbeitern in der Forschung zu steigern und es ist sicherzustellen, dass die für den Umgang mit geistigem Eigentum und den Wissenstransfer zuständigen Mitarbeiter über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen und angemessen geschult werden.

7.

Es ist eine Politik für die Veröffentlichung/Verbreitung auszuarbeiten und zu veröffentlichen, mit der die weite Verbreitung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen gefördert wird (z. B. durch offen zugängliche Veröffentlichungen), wobei eventuelle — möglichst gering zu haltende — Verzögerungen zu akzeptieren sind, wenn der Schutz geistigen Eigentums beabsichtigt ist.

Grundsätze für eine Politik bezüglich des Wissenstransfers

8.

Um die Nutzung von Ergebnissen öffentlich finanzierter Forschung zu fördern und ihre sozioökonomische Wirkung zu maximieren, sind alle Arten möglicher Verwertungsmechanismen (etwa Lizenzierung oder Ausgründung) und alle möglichen Verwertungspartner (ausgegründete oder bestehende Unternehmen, andere öffentliche Forschungseinrichtungen, Investoren oder Innovationsförderdienste oder -agenturen) in Betracht zu ziehen und die geeignetsten auszuwählen.

9.

Während eine proaktive Politik bezüglich des geistigen Eigentums und Wissenstransfers zusätzliche Einnahmen für die öffentliche Forschungseinrichtung generieren kann, sollte dies nicht als Hauptziel angesehen werden.

10.

Es ist sicherzustellen, dass die öffentliche Forschungseinrichtung Zugang zu professionellen Diensten für den Wissenstransfer hat oder selbst darüber verfügt, einschließlich Beratern für rechtliche, finanzielle und kommerzielle Fragen sowie für den Schutz und die Durchsetzung von Rechten am geistigen Eigentum, zusätzlich zu Mitarbeitern mit technischem Hintergrund.

11.

Es ist eine Lizenzierungspolitik auszuarbeiten und zu veröffentlichen, um die Praktiken innerhalb der öffentlichen Forschungseinrichtung zu harmonisieren und Fairness bei allen Vereinbarungen zu gewährleisten. Insbesondere ist die Übertragung der Eigentumsrechte an geistigem Eigentum, dessen Eigentümer die öffentliche Forschungseinrichtung ist, und die Vergabe ausschließlicher Lizenzen (1) sorgfältig zu prüfen, besonders hinsichtlich Dritter außerhalb Europas. Lizenzen zu Verwertungszwecken sollten einen angemessenen Ausgleich finanzieller oder anderer Art umfassen.

12.

Es ist eine Politik für Ausgründungen auszuarbeiten und zu veröffentlichen, die es den Mitarbeitern der öffentlichen Forschungseinrichtung erlaubt und sie ermutigt, sich gegebenenfalls an Ausgründungen zu beteiligen, und die die langfristigen Beziehungen zwischen ausgegründeten Unternehmen und der öffentlichen Forschungseinrichtung klar darlegt.

13.

Es sind eindeutige Grundsätze für die Aufteilung finanzieller Rückflüsse aus Erträgen beim Wissenstransfer zwischen der öffentlichen Forschungseinrichtung, dem Fachbereich und den Erfindern festzulegen.

14.

Der Schutz geistigen Eigentums und die Tätigkeiten des Wissenstransfers sowie entsprechende Ergebnisse sind zu überwachen und regelmäßig zu veröffentlichen. Die Forschungsergebnisse der öffentlichen Forschungseinrichtung, damit zusammenhängende Fachkenntnisse und geistige Eigentumsrechte sind für den privaten Sektor sichtbarer zu machen, um ihre Verwertung zu fördern.

Grundsätze bezüglich der Verbund- und Auftragsforschung (2)

15.

Die Regeln für Verbund- und Auftragsforschung sollten mit dem Auftrag jeder Partei vereinbar sein. Sie sollten dem Niveau der privaten Finanzierung Rechnung tragen und mit den Zielen der Forschungstätigkeiten im Einklang stehen, insbesondere um die kommerzielle und sozioökonomische Wirkung der Forschung zu maximieren, das Ziel der öffentlichen Forschungseinrichtung, private Mittel zur Forschungsfinanzierung anzuziehen, zu unterstützen, eine Position bezüglich des geistigen Eigentums aufrechtzuerhalten, die weitere akademische und Verbundforschung ermöglicht und eine Behinderung der Verbreitung von FuE-Ergebnissen vermeidet.

16.

Fragen im Zusammenhang mit geistigem Eigentum sollten auf Managementebene und so früh wie möglich im Laufe des Forschungsvorhabens, idealerweise vor dessen Beginn, geklärt werden. Fragen im Zusammenhang mit geistigem Eigentum sind unter anderem die Zuteilung der Eigentumsrechte an dem geistigen Eigentum, das im Rahmen des Projekts geschaffen wird (im Folgenden „neue Kenntnisse“), die Identifizierung des geistigen Eigentums, das vor Projektbeginn im Besitz der Parteien ist (im Folgenden „bestehende Kenntnisse“) und für die Projektdurchführung oder Verwertungszwecke erforderlich ist, Zugangsrechte (3) zu neuen und bestehenden Kenntnissen für diese Zwecke sowie die Aufteilung von Erträgen.

17.

Bei einem Verbundforschungsprojekt sollte das Eigentumsrecht an den neuen Kenntnissen normalerweise bei der Partei verbleiben, die sie geschaffen hat, es kann aber auch verschiedenen Parteien auf der Grundlage einer im Voraus vertraglich getroffenen Vereinbarung zugeteilt werden, die die jeweiligen Interessen, Aufgaben und finanziellen oder sonstigen Beiträge zu dem Projekt angemessen widerspiegelt. Im Fall der Auftragsforschung gehören die neuen Kenntnisse, die von der öffentlichen Forschungseinrichtung geschaffen werden, der Partei des privaten Sektors. Die Eigentumsrechte an bestehenden Kenntnissen sollten von dem Projekt nicht betroffen sein.

18.

Zugangsrechte (3) sollten von den Parteien so früh wie möglich im Laufe des Forschungsvorhabens, idealerweise vor dessen Beginn, geklärt werden. Wo dies für die Durchführung des Forschungsvorhaben oder zur Verwertung der neuen Kenntnisse einer Partei erforderlich ist, sollten Zugangsrechte zu bestehenden und neuen Kenntnissen der anderen Parteien unter Bedingungen verfügbar sein, die die jeweiligen Interessen, Aufgaben und finanziellen und sonstigen Beiträge der Parteien zu dem Projekt angemessen widerspiegeln.


(1)  In Bezug auf FuE-Ergebnisse mit möglicherweise mehreren Anwendungsgebieten sollte die Vergabe ausschließlicher Lizenzen ohne Einschränkung auf einen bestimmten Nutzungsbereich vermieden werden. Außerdem sollte sich die öffentliche Forschungseinrichtung ausreichende Rechte vorbehalten, um die Verbreitung der Ergebnisse und die weitere Forschung zu ermöglichen.

(2)  Führt eine öffentliche Forschungseinrichtung Auftrags- oder Verbundforschung mit einem Industriepartner durch, geht die Kommission automatisch (d. h. ohne Anmeldeerfordernis) davon aus, dass dem Industriepartner über die öffentliche Forschungseinrichtung keine mittelbare staatliche Beihilfen gewährt werden, wenn die Bedingungen im Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation (ABl. C 323 vom 30.12.2006, insbesondere die Punkte 3.2.1 und 3.2.2) erfüllt sind.

(3)  Zugangsrechte beziehen sich auf Rechte, die die Parteien einander einräumen, im Gegensatz zu Lizenzen an Dritte. Sie sollten festlegen, welche Parteien welche Teile der neuen/bestehenden Kenntnisse für Forschungszwecke und für Verwertungszwecke nutzen können und zu welchen Bedingungen dies geschieht.


ANHANG II

Identifizierte Praktiken öffentlicher Stellen, die den Umgang mit geistigem Eigentum bei Wissenstransfertätigkeiten von Hochschulen und anderen öffentlichen Forschungseinrichtungen erleichtern

Wissenstransfer als strategischer Auftrag öffentlicher Forschungseinrichtungen

1.

Der Wissenstransfer zwischen Universitäten und der Industrie wird zu einer ständigen politischen und operationellen Priorität für alle Zuwendungsgeber für öffentliche Forschung innerhalb eines Mitgliedstaats, sowohl auf nationaler als auch regionaler Ebene, gemacht.

2.

Die Angelegenheit fällt eindeutig in die Zuständigkeit eines Ministeriums, das mit der Koordinierung von Förderinitiativen zum Wissenstransfer mit anderen Ministerien betraut ist.

3.

Jedes Ministerium und jede regionale öffentliche Stelle, die Wissenstransfertätigkeiten durchführt, benennt einen für die Beobachtung ihrer Auswirkungen zuständigen Beauftragten. Die Beauftragten treffen sich regelmäßig zum Informationsaustausch und um Möglichkeiten zur Verbesserung des Wissenstransfers zu erörtern.

Politik für den Umgang mit geistigem Eigentum

4.

Der ordnungsgemäße Umgang mit geistigem Eigentum, das sich aus öffentlicher Finanzierung ergibt, wird gefördert, und es wird vorgeschrieben, dass er gemäß festgelegten Grundsätzen erfolgt, wobei den legitimen Interessen der Industrie (z. B. vorübergehende Beschränkungen der Geheimhaltungspflicht) Rechnung getragen wird.

5.

Die Forschungspolitik fördert die Einbeziehung des privaten Sektors bei der Identifizierung technologischer Bedürfnisse und bei der Stärkung privater Forschungsinvestitionen und unterstützt die Verwertung der Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung.

Kapazitäten und Fähigkeiten bezüglich des Wissenstransfers

6.

Öffentlichen Forschungseinrichtungen und ihren Mitarbeitern stehen ausreichende Mittel und Anreize zur Verfügung, sich an Wissenstransfertätigkeiten zu beteiligen.

7.

Es werden Maßnahmen ergriffen, um die Verfügbarkeit ausgebildeter Mitarbeiter (wie Technologietransfer-Beauftragter) zu gewährleisten und deren Einstellung durch öffentliche Forschungseinrichtungen zu erleichtern.

8.

Es werden Musterverträge zur Verfügung gestellt, zusammen mit einem Instrument zur Entscheidungsunterstützung, mit dem der am besten geeignete Mustervertrag in Abhängigkeit von einer Reihe von Parametern ausgewählt werden kann.

9.

Vor der Schaffung neuer Mechanismen zur Förderung des Wissenstransfers (wie Mobilitäts- oder Finanzierungsregelungen) werden die einschlägigen Gruppen von Beteiligten, einschließlich KMU und Großindustrie sowie öffentliche Forschungseinrichtungen, konsultiert.

10.

Die Zusammenlegung von Ressourcen öffentlicher Forschungseinrichtungen auf lokaler oder regionaler Ebene wird gefördert, wenn diese einzeln nicht über die kritische Masse bei Forschungsausgaben verfügen, die ein eigenes Büro für den Wissenstransfer oder einen eigenen IP-Manager rechtfertigen würden.

11.

Es werden Programme zur Unterstützung von Forschungsausgründungen eingeleitet, die eine unternehmerische Schulung umfassen und eine ausgeprägte Interaktion öffentlicher Forschungseinrichtungen mit lokalen Gründerzentren, Mittelgebern, Unterstützungsagenturen usw. vorsehen.

12.

Staatliche Finanzmittel werden für die Unterstützung des Wissenstransfers und des unternehmerischen Engagements in öffentlichen Forschungseinrichtungen bereitgestellt, einschließlich durch die Einstellung von Fachkräften.

Kohärenz bei der transnationalen Zusammenarbeit

13.

Um den transnationalen Wissenstransfer zu unterstützen und die Zusammenarbeit mit Parteien aus anderen Ländern zu erleichtern, wird der Eigentümer des geistigen Eigentums aus öffentlich finanzierter Forschung durch eindeutige Regeln bestimmt und diese Information zusammen mit etwaigen Finanzierungsbedingungen, die sich auf den Wissenstransfer auswirken können, auf einfache Weise bereitgestellt. Eine institutionelle Eigentümerregelung (im Gegensatz zum „Professorenprivileg“) wird als standardmäßige rechtliche Regelung der Eigentumsrechte am geistigen Eigentum für öffentliche Forschungseinrichtungen in den meisten EU-Mitgliedstaaten angesehen.

14.

Beim Abschluss internationaler Vereinbarungen zur Forschungszusammenarbeit geben die Bedingungen für Projekte, die nach den Regelungen beider Länder finanziert werden, allen Beteiligten ähnliche Rechte, besonders hinsichtlich des Zugangs zu geistigen Eigentumsrechten und damit zusammenhängenden Nutzungsbeschränkungen.

Verbreitung der Kenntnisse

15.

Zuwendungsgeber der öffentlichen Forschung implementieren den offenen Zugang zu begutachteten wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die aus öffentlich finanzierter Forschung resultieren.

16.

Der offene Zugang zu Forschungsdaten wird entsprechend den OECD-Grundsätzen und Leitlinien für den Zugang zu Forschungsdaten der öffentlich geförderten Forschung (Principles and Guidelines for Access to Research Data from Public Funding) gefördert, wobei Beschränkungen im Zusammenhang mit der kommerziellen Verwertung Rechnung getragen wird.

17.

Archivierungseinrichtungen für Forschungsergebnisse (etwa Dokumentenarchive im Internet) werden mit öffentlicher Finanzierung im Zusammenhang mit der Politik für einen offenen Zugang entwickelt.

Beobachtung der Umsetzung

18.

Es werden die notwendigen Mechanismen eingerichtet, um Fortschritte der nationalen öffentlichen Forschungseinrichtungen bei Wissenstransfertätigkeiten zu beobachten und zu überprüfen, z. B. anhand von Jahresberichten der einzelnen Forschungseinrichtungen. Diese Informationen werden zusammen mit vorbildlichen Praktiken auch den anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt.