31.7.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 229/108


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Strategie der Europäischen Union für den Schutz und das Wohlergehen von Tieren 2012-2015“

COM(2012) 6 final

2012/C 229/20

Berichterstatter: José María ESPUNY MOYANO

Die Europäische Kommission beschloss am 19. Januar 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Strategie der Europäischen Union für den Schutz und das Wohlergehen von Tieren 2012-2015

COM(2012) 6 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 11. Mai 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 481. Plenartagung am 23./24. Mai 2012 (Sitzung vom 23. Mai) mit 146 gegen 3 Stimmen bei 9 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss schließt sich im Allgemeinen der von der Kommission vorgelegten Tierschutzstrategie an und unterstützt das berechtigte Verlangen der Verbraucher nach Ernährungsgesundheit; er befürwortet überdies eine auf Qualität ausgerichtete europäische Produktionsstrategie.

1.2   Der EWSA ist der Ansicht, dass es Probleme mit der Umsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften gibt, die aus der fehlenden Unterstützung ihrer Durchsetzung und dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit der EU-Produzenten resultieren.

1.2.1   Es fehlt an Instrumenten zum Ausgleich des Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Viehzucht, da die aus der EU-Tierschutzpolitik entstehenden Mehrkosten nicht vom Markt aufgefangen werden. Somit steht ein noch größerer Verlust von Marktanteilen sowohl im Binnenmarkt als auch auf den Exportmärkten zu befürchten. An den Arbeitsmarkt und die Arbeitsbedingungen wurde nicht gedacht.

1.2.2   Der EWSA weist erneut nachdrücklich darauf hin, dass alle importierten Erzeugnisse den gleichen Produktionsstandards wie EU-Produkte genügen müssen, wobei in Handelsabkommen der Schwerpunkt auf Gegenseitigkeit liegen muss.

1.3   Die Weiterbildung von Betreibern, Arbeitnehmern und Behörden in Fragen des Tierschutzes ist wesentlicher Bestandteil der Strategie. Der EWSA macht ebenfalls darauf aufmerksam, dass ein Teil der für die Zusammenarbeit bestimmten Mittel für die tierschutzbezogene Schulung der Behörden, Unternehmer und Arbeitnehmer in Drittländern aufgewendet werden muss.

1.4   Die Umsetzung der Rechtsvorschriften erfordert eine Anpassung der Finanzmittel, damit die Produzenten die notwendigen Investitionen tätigen und ihre Mehrkosten ausgleichen können. Die GAP muss in dieser Strategie ein notwendiges Komplement sein und ihr den gebührenden Stellenwert einräumen.

1.5   Es muss eine auf die Anliegen der Gesellschaft ausgerichtete Kommunikationsstrategie erarbeitet werden, in der den wissenschaftlichen Untersuchungen und Fortschritten auf dem Gebiet und den unterschiedlichen Standpunkten von Produzenten, Arbeitnehmern und Verbrauchern Rechnung getragen wird. Die Kommunikation kann nicht allein auf der Pflichtkennzeichnung basieren. Es müssen schlüssige Aufklärungsprogramme aufgelegt werden, die den Verbrauchern mit möglichst vielen Anhaltspunkten bei ihrer Kaufentscheidung helfen. Die Mittel zur Förderung von Nahrungsgütern spielen eine wichtige Rolle dafür, dass die Produktionssektoren aktiv an dieser Aufgabe mitwirken.

1.6   Der EWSA ist der Ansicht, dass das Netz europäischer Referenzzentren auf die Teilnahme aller gesellschaftlichen Akteure und der Verbraucher angewiesen ist und eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung der Tierschutzstrategie spielt:

a.

Koordinierung der verschiedenen Forschungszentren in der EU,

b.

Erleichterung der Umsetzung der Vorschriften (Entwicklung praktischer Indikatoren, Schulung von Betreibern, Arbeitnehmern und Behörden),

c.

Beitrag zur Beurteilung der sozioökonomischen und wettbewerbsspezifischen Auswirkungen der Vorschriften,

d.

Unterstützung der Aufklärungs- und Kommunikationsmaßnahmen.

1.7   Eine Stärkung der schwächsten Glieder der Lebensmittelkette wird es ermöglichen, die aus der Anwendung der Tierschutzvorschriften erwachsenden Mehrkosten gerechter zu verteilen und so das Produktionsgefüge und die Entwicklung der ländlichen Gebiete aufrechtzuerhalten.

1.8   Die lobenswerten Bemühungen der Kommission um Vereinfachung sind nur schwer mit ihrer Absicht zu vereinbaren, den Geltungsbereich auf mehr Arten auszuweiten und die bestehenden Vorschriften weiter auszugestalten.

2.   Zusammenfassung der Mitteilung

2.1   Die Mitteilung der Kommission hat zum Ziel, in Fortführung des Aktionsplans 2006-2010 den Weg für die EU-Tierschutzpolitik vorzugeben.

2.2   In der Mitteilung wird bekräftigt, dass die EU große Anstrengungen zur Förderung des Wohlergehens von Tieren unternommen hat. Es wird festgestellt, dass die EU-Tierschutzpolitik nicht in allen Mitgliedstaaten einheitlich angewandt wird und dass verbindliche Normen nicht fristgerecht umgesetzt wurden. Jedoch müsse darüber nachgedacht werden, ob ein Einheitskonzept mehr Tierschutz bewirken könne.

2.3   In der Evaluierung der EU-Tierschutzpolitik wird der Schluss gezogen, dass die Tierschutzstandards den Tierhaltungs- und Versuchstiersektor mit Zusatzkosten belegt haben.

2.4   Es wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass sich die Kaufentscheidungen der Verbraucher in erster Linie nach dem Preis richten und dass der Tierschutz nur einer der Faktoren ist, die die Produktwahl der Verbraucher beeinflussen.

2.5   In der Mitteilung heißt es einerseits, dass die Rechtsvorschriften vereinfacht werden müssen, und andererseits, dass Fragen wie die Kompetenzanforderungen an Personen, die mit Tieren umgehen, in Bezug auf bestimmte Tierarten oder Produktionssysteme sowie die Schulung von Lebensmittelinspektoren und -technikern der Mitgliedstaaten angegangen werden müssen. Auch wird festgestellt, dass in den Tierschutzvorschriften einige Arten berücksichtigt werden und andere nicht.

2.6   Daher werden strategische Maßnahmen vorgestellt, die sich in zwei Handlungsbereiche gliedern:

Vereinfachung der Rechtsvorschriften und Erleichterung ihrer Anwendung,

Verstärkung der von der Kommission bereits ergriffenen Maßnahmen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt das vorgelegte Strategiepapier und die Absicht der Kommission, jene Aspekte zu verbessern, die zur Erreichung der Tierschutzziele der EU beitragen können.

3.2   Der EWSA unterstützt das berechtigte Verlangen der Verbraucher nach Ernährungsgesundheit und befürwortet überdies eine auf Qualität ausgerichtete europäische Produktionsstrategie. Die Kommission sollte jedoch anerkennen, dass der den Produzenten im Rahmen der Tierschutzstrategie entstehende Kostenanstieg nur selten durch höhere Verkaufspreise ausgeglichen wird. Darüber hinaus ist der europäische Tierhaltungssektor aufgrund der fehlenden Gegenseitigkeit in den Handelsabkommen mit Drittländern im Nachteil.

3.3   Der EWSA bedauert, dass die Kommission in ihrer Mitteilung nicht ausdrücklich die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer, die letztendlich mit den Tieren umgehen, erwähnt. Zudem muss entschieden auf die Notwendigkeit der kontinuierlichen Schulung und des Erwerbs neuer Kompetenzen abgehoben werden, die für die sich aus dem Vorschlag ergebenden Veränderungen unentbehrlich sind.

3.4   Er steht der Vereinfachung der EU-Tierschutzvorschriften sowie der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft positiv gegenüber. Einige der wichtigen, in dem Bericht über die Evaluierung der EU-Tierschutzpolitik hervorgehobenen Punkte, die Prioritäten für den Zeitraum 2012-2015 sein sollten, werden in der Strategie jedoch nicht hinreichend behandelt.

3.5   Die Kommission räumt ein, dass es in den Ergebnissen des Aktionsplans und der EU-Tierschutzpolitik einige Mängel gibt, und hebt ab auf die „wichtigsten gemeinsamen Ursachen, die sich auf den Schutzstatus von Tieren in der Union auswirken“; sie führt jedoch keine eingehende Analyse durch und liefert daher keine geeigneten Lösungen für die ermittelten Probleme.

3.5.1   Die Kommission stellt fest, dass die Mitgliedstaaten die Rechtsvorschriften trotz Übergangsfristen und Beihilfen nicht vollständig umsetzen. Sie nimmt jedoch keine kritische Analyse der sozioökonomischen und produktionsspezifischen Realität in den verschiedenen EU-Ländern vor und führt lediglich an, dass „die kulturelle Bewertung von Tierschutzaspekten“ von Land zu Land anders sei. Die Verschiedenartigkeit der Tierhaltungssysteme, die Nachfrage der Bürger, die durch Anwendung der Mindesttierschutzvorschriften entstehenden Handelsvorteile oder die EU-weit nicht einheitlichen Anpassungsbeihilfen werden in der Mitteilung jedoch nicht erwähnt.

3.5.2   Die Tierschutzpolitik der EU muss viel stärker sowohl auf den Markt als auch auf die Sicherheit der Verbraucher ausgerichtet werden. Es ist wesentlich, dass die Produzenten für ihre Produktionsmehrkosten entschädigt werden, dass sich die Verbraucher der Verbesserungen und Anstrengungen der Produzenten und des höheren Mehrwerts der nach dem europäischen Produktionsmodell erzeugten Lebensmittel bewusst werden und dass ein Gleichgewicht in der Lebensmittelkette entsteht, an dem es heute fehlt.

3.5.3   Die in der Kommissionsmitteilung geäußerte Absicht, die Tierschutzvorschriften zu vereinfachen, steht im Widerspruch zur erwähnten Notwendigkeit, den Geltungsbereich auf mehr Arten auszuweiten und die bestehenden Vorschriften detaillierter zu machen. Unberücksichtigt ist in der Strategie die in der Evaluierung der Tierschutzvorschriften enthaltene Empfehlung, nichtlegislative Wege zur Ergänzung der bestehenden Vorschriften wie Abkommen zwischen den Parteien des Sektors oder zwischen Gliedern der Wertschöpfungskette, gesellschaftlichen Akteuren, Verbraucherorganisationen und Behörden auszuloten, die zu den angestrebten Ergebnissen führen könnten, ohne noch größeren Regelungsaufwand zu verursachen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Die Haushaltsmittel, die von der EU zur Förderung des Tierschutzes bereitgestellt werden (70 Mio. EUR/Jahr), kontrastieren eindeutig mit den Zahlen für die Investitionen, die für ihre Umsetzung notwendig sind, und mehr noch mit den Kosten der Rechtsvorschriften für den Viehzuchtsektor (2,8 Mrd. EUR nach dem Bericht über die Evaluierung der Tierschutzpolitik). In der vorgeschlagenen Strategie sind keine konkreten und realistischen Vorschläge enthalten, die das Problem der höheren Kosten und der fehlenden Umsetzungsbeihilfen beheben würden.

4.2   Um die Wettbewerbsfähigkeit der Produzenten zu verbessern, müssen mehr Synergien zwischen der EU-Tierschutzpolitik und der Gemeinsamen Agrarpolitik gefunden werden. In der GAP nach 2013 muss die EU eine ausgewogene Haltung zum Tierschutz einnehmen. Es muss garantiert werden, dass Tierhalter und Betreiber Zugang zu Hilfsmaßnahmen haben, die mit einem hinreichenden Budget für die Anwendung der EU-Tierschutzpolitik ausgestattet sind. Dabei müssen die wirtschaftlichen Folgen im Sinne zusätzlicher Kosten für die Produzenten berücksichtigt und über die Preis- und Marktpolitik und/oder Direktbeihilfen eine ausreichende Einkommenssicherung vorgesehen werden.

4.3   Der EWSA stimmt zu, dass eine Vereinfachung der Rechtsvorschriften erforderlich ist. Bei entsprechender Weiterentwicklung wird dies die Umsetzung der EU-Tierschutzpolitik begünstigen. Deshalb ist es im Rahmen künftiger tierschutzpolitischer Aktionen erforderlich, die Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen sowie gegebenenfalls das Risiko eines Verlustes an Produktionsstrukturen, das jede dieser Maßnahmen mit sich bringt, sowie die notwendigen Ausgleichszahlungen im Falle ihrer Umsetzung zu untersuchen. Daneben muss auch geprüft werden, welchen Stellenwert die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher in der EU haben.

4.4   Die Aufnahme wissenschaftlich fundierter Indikatoren, die sich auf Ergebnisse und nicht auf Produktionsfaktoren stützen, wird die zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Tierhalter in der EU erforderliche Vereinfachung und Flexibilität ermöglichen – solange die sozioökonomischen Auswirkungen berücksichtigt werden, die ihre Verwendung impliziert, und sie die allgemeine Situation der Tierhaltungsbetriebe und nicht punktuelle Sachverhalte widerspiegeln. Die Indikatoren müssen in Zusammenarbeit mit den Betreibern entwickelt werden, vernünftig, praktisch und einfach anwendbar sein und dürfen dem Betrieb keine zusätzlichen Kosten verursachen. Sie müssen sich auf die verschiedenen Tierarten und Produktionssysteme anwenden lassen sowie einfach zu interpretieren und wiederholbar sein (und dürfen nicht subjektiv, d.h. abhängig von der menschlichen Wahrnehmung des Tierschutzes sein).

4.5   Als Referenz sind die Arbeiten des Projekts Welfare Quality interessant; die Tierschutzindikatoren müssen jedoch verbessert und vereinfacht werden, damit sie im Betrieb Anwendung finden können. Die Interpretation und Anwendung der Kriterien in den verschiedenen Mitgliedstaaten muss harmonisiert werden, um durchweg ihre Gültigkeit und die Durchführbarkeit ihrer Anwendung zu gewährleisten.

4.6   Eine Herauforderung für diese Strategie besteht darin, die Koordinierung, Rückverfolgbarkeit, Transparenz und Kommunikation in Sachen Tierschutz in der EU dadurch zu verbessern, dass Behörden, Akteuren in Wirtschaft und Gesellschaft und Verbrauchern die Teilhabe ermöglicht wird, was zu besserer Kenntnis, angemessener Information und korrekter Anwendung der Vorschriften führen wird. Die Referenzzentren können und müssen bei diesem Ziel eine vorrangige Rolle spielen. Ihre Tätigkeit muss neben den in der Kommissionsvorlage erwähnten Aufgaben (Unterstützung der Behörden, Schulung und Verbreitung) darin bestehen, die Informationen zu koordinieren, zu überwachen und auszutauschen. Dabei müssen die bestehenden Strukturen genutzt werden, damit keine zusätzlichen Kosten entstehen.

4.7   Die Referenzzentren könnten auch Beratung und Bewertung in Bezug auf die Anwendung der Tierschutzvorschriften bereitstellen. Die wissenschaftliche Forschung muss zur angewandten Forschung hinzukommen, um Empfehlungen zu unterbreiten. Im Lichte der vom wissenschaftlichen Panel der GD SANCO und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit bisher geleisteten Arbeit muss dieses Netz die Erprobung neuer Techniken koordinieren und die Auswirkungen der Tierschutzstandards beurteilen. Die Betreiber des Sektors tragen in hohem Maße zur angewandten Forschung bei. Sie müssen in die EU-finanzierten Rechtsetzungs- und Forschungsprioritäten im Bereich des Tierschutzes eingebunden werden.

4.8   In der Evaluierung wird empfohlen, mit den Beteiligten einen Plan von Verpflichtungen für jeden der Aspekte der EU-Tierschutzpolitik zu entwickeln und in Absprache mit den Interessengruppen zu bewerten, ob es erforderlich ist, im Laufe der Zeit neue Formen von Verpflichtungen zu entwickeln. Zwischen den zuständigen Behörden und den betroffenen Marktbeteiligten muss ein Fahrplan erstellt werden, um die schrittweise fristgerechte Anwendung der Vorschriften zu ermöglichen und die vorherige Koordinierung und Problemlösung zu erleichtern. Es müssen auch nachträgliche Inspektions- und Kontrollmaßnahmen sowie die Schulung und Information der Betreiber und der Verantwortlichen der Mitgliedstaaten zur angemessenen Umsetzung der Vorschriften aufgenommen werden.

4.9   Die Unterstützung der internationalen Zusammenarbeit ist wesentlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Produktion zu verbessern. Deshalb müssen in der Strategie 2012-2015 konkrete Maßnahmen definiert werden, die gewährleisten, dass der Tierschutz in die von der EU und innerhalb der WTO ausgehandelten bilateralen Handelsabkommen Eingang findet. Bis dahin gilt:

4.9.1   Der Evaluierung zufolge müssen Mechanismen eingerichtet werden, um denjenigen Branchen der EU zur Seite zu stehen, die für Importe oder den wahrscheinlichen Verlust von Marktanteilen besonders anfällig sind, insbesondere der Ei- und Eiprodukteindustrie. In der Strategie werden keine Lösungen für den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Importen aus Drittländern vorgeschlagen, in denen nicht die gleichen Produktionsstandards wie in der EU erfüllt werden.

4.9.2   Die EU muss einen Teil der für die Zusammenarbeit bestimmten Mittel dafür aufwenden, Behörden, Unternehmer und Arbeiternehmer in Drittländern in Fragen des Tierschutzes in der Tierhaltung zu schulen.

4.10   Es muss eine Kommunikationsstrategie erarbeitet werden, in der die in der Evaluierung der EU-Tierschutzpolitik aufgeführten Punkte Berücksichtigung finden. Dazu gehört ein schon in der Schule beginnender seriöser und objektiver Schulungs-, Aufklärungs- und Kommunikationsplan, damit sowohl die heutigen als auch die künftigen Verbraucher über die von der EU-Tierschutzpolitik verlangten hohen Tierschutzstandards Bescheid wissen, angefangen mit den bestehenden Rechtsvorschriften. Dadurch werden sie aufgeklärte Kaufentscheidungen auf der Grundlage wahrheitsgetreuer Angaben zum Wohlergehen der Tiere treffen können.

4.10.1   Die Mitwirkung fundierter und anerkannter Quellen (wie des Netzes der Referenzzentren) spielt hierbei eine wesentliche Rolle, um zu gewährleisten, dass die Verbraucher die Vorteile der EU-Tierschutzpolitik sowie die Kosten einer Produktion nach dem europäischen Modell kennen und wertschätzen.

4.10.2   Die Verbraucherinformation über das Wohlergehen der Tiere darf sich nicht auf die Etikettierung der Produkte oder die Produktwerbung beschränken, sondern muss auf Aufklärungskampagnen von Branchenorganisationen und Einrichtungen ausgeweitet werden, um die unternommenen Anstrengungen und die Auswirkungen auf die Produktionskosten mitzuteilen. Die Mechanismen und Mittel zur Förderung von Nahrungsgütern im Binnenmarkt sind geeignete Instrumente, um über die EU-Tierschutzpolitik zu informieren.

4.11   Zusätzlich zu den im Kommissionsvorschlag genannten Maßnahmen müssen weitere, ebenso wichtige Maßnahmen aus der Evaluierung der EU-Tierschutzpolitik berücksichtigt werden, die zum Ziel haben, eine angemessene Aufstockung der Finanzmittel für die EU-Tierschutzpolitik im kommenden Zeitraum entsprechend den steigenden Anforderungen der Politik und die Erfüllung der in dieser Evaluierung ermittelten Erfordernisse zu gewährleisten. Dazu gehört die Unterstützung bei der praktischen Umsetzung und Anwendung der neuen Vorschriften.

4.11.1   Der negative Effekt der Tierschutzpolitik auf die Wettbewerbsfähigkeit ist eines der größten Hindernisse, das der Anwendung der Vorschriften und der Beibehaltung des Wachstums und der Beschäftigung in ländlichen Gebieten im Wege steht – insbesondere aufgrund der Schwierigkeit der Produzenten, die höheren Produktionskosten (und den Mehrwert) an die nachfolgenden Glieder der Lebensmittelkette weiterzureichen. In der Strategie wird nicht thematisiert, wie die Funktionsstörungen der Lebensmittelkette oder die wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Vorschriften auf andere Kanäle oder Märkte als den Einzelhandel (Gaststättengewerbe, Industrie, Export) behoben werden können.

4.11.2   In Bezug auf die Mittel aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums sind die zentralen Fragen:

die Aufstockung der Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums für die Förderung des Tierschutzes (sowohl für Investitionen als auch für einen Anstieg der laufenden Kosten) und

die Erleichterung der Umsetzung verbindlicher Tierschutznormen mithilfe von durch die EU in der GAP festgelegten Beihilfen, die für die Mitgliedstaaten ebenfalls verbindlich sind.

4.11.3   Außerdem braucht die Tierschutzpolitik mehr Kohärenz zu den Politikbereichen Umweltschutz, Tiergesundheit und Nachhaltigkeit, einschließlich Wettbewerbsfähigkeit, die eng miteinander verwoben sein müssen, ohne die Vorteile für Verbraucher, Arbeitnehmer und Unternehmer zu vergessen. Diese Punkte müssen in das Strategiepapier übernommen werden.

4.12   Angesichts des in der Strategie 2012-2015 bekundeten Vereinfachungswillens sowie der Absicht, eine Rechtsvorschrift zu erarbeiten, die die rechtlichen Grundlagen für das Wohlergehen von Tieren verschiedener Arten und Produktionssysteme enthält, ist es derzeit nicht sinnvoll, neue Regelungen zu beschließen oder die bestehenden zu vertiefen, solange nicht feststeht, welcher Weg eingeschlagen werden soll und ob Wassertiere und andere Arten letztendlich berücksichtigt werden sollen oder nicht.

4.13   In der heiklen Frage des rituellen Schlachtens möchte der Ausschuss bei dieser Gelegenheit die in seiner Stellungnahme (1) geäußerte Meinung wiederholen: „Eine Ausnahme für das rituelle Schlachten zuzulassen, steht nicht im Einklang mit dem übergeordneten Ziel der Verordnung[, nämlich dem besseren Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung]. Mit technischen Neuerungen, wie dem Betäubungsüberwachungsgerät ‚Stun Assurance Monitor‘, können diejenigen, die eine Schächtung mit vorheriger elektrischer Betäubung nach den Halal-Regeln durchführen wollen, genau kontrollieren, wie stark der dem Tier zugeführte Stromstoß ist, und sich dadurch vergewissern, dass das Tier richtig betäubt, aber noch am Leben ist, bevor es getötet wird. Das Gerät zeichnet jeden durchgeführten Betäubungsgang und die dem Tier verabreichte Spannung auf. Das Gerät kann einen wirklichen Fortschritt für den Tierschutz bedeuten. Auch die Einführung eines Etikettierungssystems, bei dem die Art der Tötung anzugeben ist, wäre der Verwendung dieses Betäubungsüberwachungsgeräts förderlich. Es ist wichtig, dass die Kommission aktiv die Erforschung von Systemen unterstützt, die für Glaubensgemeinschaften in der Frage der Betäubung überzeugend sind.“

Brüssel, den 23. Mai 2012

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  ABl. C 218 vom 11.9.2009, S. 65