31.7.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 229/55


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum“

COM(2011) 862 final — 2011/0418 (COD)

2012/C 229/10

Berichterstatterin: Ariane RODERT

Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 20. bzw. 17. Januar 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum

COM(2011) 862 final — 2011/0418 (COD).

Die mit Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 17. April 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 481. Plenartagung am 23./24. Mai 2012 (Sitzung vom 23. Mai) mit 194 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 9 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum, mit der die Entwicklung dieser Art von Fonds reguliert werden soll, indem für alle Beteiligten Klarheit und Sicherheit geschaffen wird; gleichzeitig soll die grenzüberschreitende Kapitalbeschaffung erleichtert werden.

1.2   Sozialunternehmen sind ein Wachstumssektor, der einen wertvollen Beitrag zur Erreichung der Ziele der Strategie Europa 2020 leistet. Der EWSA begrüßt, dass sich die Kommission diesem Sektor zuwendet und dessen Entwicklung und Wachstum fördern möchte.

1.3   Sozialunternehmen einen besseren Zugang zu geeignetem Kapital zu verschaffen, ist ein vorrangiger Handlungsbereich. Der EWSA möchte jedoch betonen, dass diese Initiative nur als eines von vielen dringend benötigten maßgeschneiderten Finanzinstrumenten angesehen werden sollte, die noch weiter zu entwickeln sind.

1.4   Der EWSA fordert die Kommission auf, keine neue Definition für soziales Unternehmertum zu prägen, sondern die bereits in der Initiative für soziales Unternehmertum aufgestellte Definition zu verwenden. Insbesondere ist eine Feinabstimmung und Verdeutlichung der in der Verordnung genannten unterschiedlichen Bedingungen, unter denen eine Gewinnausschüttung an Besitzer zulässig ist, erforderlich. Dabei müssen die besonderen Merkmale von Sozialunternehmen im Vergleich zu rein auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Unternehmen und auch die Ausrichtung des Fonds im Vergleich zu anderen, herkömmlicheren Arten von Risikokapitalfonds deutlich herausgestellt werden.

1.5   Einige der vorgeschlagenen Beteiligungsfinanzierungsinstrumente bergen nach Auffassung des EWSA das Risiko, Anlagen in Sozialunternehmen nur in begrenztem Maße beeinflussen zu können, da die Struktur der vorgeschlagenen Anlageinstrumente Besitzverhältnisse voraussetzt, die in vielen Fällen nicht der Rechtsform entsprechen, in deren Rahmen viele Sozialunternehmen tätig sind. Für diese Rechtsformen sind eher die vorgeschlagenen langfristigen Darlehen bzw. ein gewisser Spielraum für „jede andere Art der Beteiligung“ die interessantesten Instrumente, die weiterentwickelt werden sollten.

1.6   Auch andere besondere Merkmale von Sozialunternehmen sind zu beachten. So sind z.B. die Schwierigkeiten bei der Veräußerung von Beteiligungen an Unternehmen, die für schutzbedürftige oder marginalisierte Personen Sozialdienstleistungen erbringen, der Einfluss auf die Selbsteinschätzung der Sozialunternehmen in Bezug auf ihre Unabhängigkeit, ihre besonderen Verwaltungsmodelle, der eher auf lange als auf kurze Sicht ausgelegte Investitionsbedarf sowie geringere Abschreibungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

1.7   Um die Wirkungskraft dieser Art von Fonds für Sozialunternehmen zu erhöhen, sollten sie als Bestandteil einer Hybridkapitallösung betrachtet werden, die sich mit am besten für die Finanzierung von Sozialunternehmen eignet. Bei Hybridkapital werden Finanzhilfen mit langfristigen, „geduldigen“ Darlehen und anderen Instrumenten kombiniert, wobei Eigentum in der öffentlichen Hand bzw. staatliche Garantien für Langfristigkeit und Dauerhaftigkeit sorgen. Die Kombination mit anderen Formen von Privatkapital, wie etwa Beiträge und Spenden, sollte ebenso in Betracht gezogen werden wie zweckmäßigere Formen der Beteiligung an „Portfolio-Unternehmen“ (wie die Anlageziele – d.h. Sozialunternehmen – in der Verordnung bezeichnet werden), wie etwa Beteiligungen ohne Stimmrecht.

1.8   In der Verordnung wird vorgeschlagen, dass sich diese neuen Fonds zunächst an professionelle Kunden und vermögende Einzelpersonen mit einer Mindesteinlage in Höhe von 100 000 EUR richten. Der EWSA möchte jedoch hervorheben, dass diese Art von Fonds auf lange Sicht und unter gesicherten Bedingungen auch für kleinere Anleger und die Allgemeinheit geöffnet werden sollte.

1.9   Die größte Herausforderung in diesem Vorschlag liegt darin, dass die sozialen Auswirkungen von Portfolio-Unternehmen und ihr Einfluss auf die Gesellschaft gemessen werden müssen und hierüber Bericht erstattet werden muss. Der EWSA empfiehlt als Ausgangspunkt eine gemeinsame Analyse und Kooperation auf EU-Ebene, während Kriterien und Hinweise je nach Form, Ausrichtung und Zweck der Unternehmen auf der nationalen Ebene unter Einbeziehung aller Beteiligten festgelegt werden sollten.

1.10   Die Befugnis der Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte mit dem Zweck der Definition von Schlüsselbegriffen sollte möglichst bald ausgeübt werden und sich auf eine breit angelegte und offene Konsultation von Vertretern der Betroffenen – d.h. Fondsgesellschaften, Anleger und Sozialunternehmen – stützen.

1.11   Programme zur Förderung der Investitionsbereitschaft sowie andere Formen des Kapazitätsaufbaus für alle Beteiligten sollten initiiert werden, um Vertrauen zu schaffen und gemeinsam Strukturen aufzubauen, die für diese Art von auf soziales Unternehmertum ausgerichteten Fonds maßgeschneidert sind.

2.   Einleitung

2.1   Die Kommission hat sich in der Binnenmarktakte (1) dazu verpflichtet, eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung von Entwicklung und Wachstum von Sozialunternehmen in Europa zu ergreifen. Der Vorschlag für einen europäischen Rechtsrahmen für Fonds für soziales Unternehmertum zählt zu diesen Maßnahmen, die auch in der „Initiative für soziales Unternehmertum“ als wesentliche Maßnahme hervorgehoben wird (2).

2.2   Sozialunternehmen sind ein wachsender Sektor in der EU, und Schätzungen zufolge könnten soziale Investitionen rasch zu einem Markt mit einem Umfang von weit über 100 Milliarden EUR (3) anwachsen. Dies zeigt deutlich, welches Potenzial dieser wachsende Sektor in sich trägt. Wenn dafür gesorgt wird, dass dieser Sektor weiter wächst und gedeiht, wäre dies ein wertvoller Beitrag zur Erreichung der Ziele der Strategie Europa 2020. Jedoch sind die rechtlichen Anforderungen auf EU- und nationaler Ebene nicht darauf ausgelegt, die Beschaffung von Kapital für diese Art von Unternehmen zu erleichtern, worauf der EWSA in seiner Sondierungsstellungnahme „Soziales Unternehmertum und soziale Unternehmen“ INT/589 (4) deutlich hinwies.

2.3   In diesem Vorschlag für eine Verordnung über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum (im Folgenden „die Verordnung“) werden einheitliche Regeln und Anforderungen an die Verwalter von Organismen für gemeinsame Anlagen aufgestellt, die die Bezeichnung „Europäischer Fonds für soziales Unternehmertum“ verwenden wollen. In der Verordnung werden Regeln für diese Fonds aufgestellt, um Vertrauen, Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit bei den Anlegern zu erzeugen und gleichzeitig auch die Entwicklung von Sozialunternehmen zu fördern, indem die Effektivität der Mittelbeschaffung durch private Anleger verbessert wird. Dem Vorschlag gingen eine 2011 durchgeführte öffentliche Konsultation sowie eine Folgenabschätzung voran.

2.4   In dieser Stellungnahme werden prioritäre Bereiche ermittelt und Empfehlungen für Klarstellungen ausgesprochen, die vorgenommen werden sollten, damit die Europäischen Fonds für soziales Unternehmertum das angestrebte Ergebnis erzielen können.

3.   Bemerkungen des EWSA zu dem Vorschlag für eine Verordnung

3.1   Kapitel I – Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

3.1.1   Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, Sozialunternehmen in Europa zu unterstützen und ihr Profil zu schärfen; ferner begrüßt er, dass der Zugang zu Kapital für Entwicklung und Wachstum als prioritärer Bereich angesehen wird. Nach Auffassung des EWSA kann der Vorschlag für eine Verordnung für Teile des Sektors Sozialunternehmen/soziales Unternehmertum die Beschaffung von privatem Kapital erleichtern. Er sieht dies als eine notwendige Initiative neben anderen Vorschlägen im Rahmen der Initiative für soziales Unternehmertum, in der auch das Erfordernis anderer Finanzierungstechniken erwähnt wird.

3.1.2   Kapital ist für das Wachstum von Sozialunternehmen und die Expansion dieses Sektors von grundlegender Bedeutung, jedoch sind aufgrund seiner Form bestimmte Teile des in der Verordnung beschriebenen Kapitals für Sozialunternehmen vor allem in der Sozialwirtschaft besonders schwer zugänglich. Diese Verordnung sollte daher als eine von mehreren erforderlichen Maßnahmen für einen besseren Zugang von Sozialunternehmen zu Beteiligungskapital angesehen werden.

3.1.3   Bei den in der Verordnung genannten Finanzinstrumenten (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c) sollte der Schwerpunkt auf Kreditinstrumenten wie zinsgünstigen, sog. „geduldigen“ Darlehen (engl. patient capital) gelegt werden. Denn für einige Akteure können Eigenkapitalinstrumente schwerer nutzbar sein. Viele Sozialunternehmen in Europa sind im Besitz ihrer Mitglieder, von Partnern, Stiftungen oder gemeinnützigen Organisationen, was eine externe Beteiligung in vielen Fällen erschwert. In einigen Mitgliedstaaten bereits vorhandene, zweckmäßigere Beteiligungsmöglichkeiten, wie etwa frei übertragbare Sonderaktien ohne Stimmrecht und verschiedene Schuldtitel, sollten bei Sozialunternehmen als Dividendenwerte und andere Wertpapiere angesehen werden. Auch Steuervergünstigungen sollten näher als Teil des Ertragsmodells untersucht werden.

3.1.4   Bei den in der Verordnung (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c) genannten Anlageinstrumenten sollten diejenigen Instrumente stärker hervorgehoben werden, die normalerweise von Sozialunternehmen genutzt werden und ihren besonderen Merkmalen besser entsprechen, wie etwa Dividendenwerte, spezielle Initiativen im Finanzsektor (Genossenschaftsbanken (5), Ethik- bzw. Sozialbanken (6), Geschäftsbanken mit sozialen Programmen (7)), innovative Instrumente wie die „Social Impact Bonds“ (Sozialanleihen) (8) sowie vorteilhafte steuerfinanzierte Lösungen. Diese und andere Finanzanlagen können Bestandteil des sog. „Hybridkapitals“ sein, das von Sozialunternehmen eher eingesetzt wird.

3.1.5   Beteiligungen der öffentlichen Hand an diesen Fonds, u.a. an Dachfonds oder Pensionsfonds, sollten als Garantie für die Langfristigkeit der Anlagen angeregt werden. Hingegen möchte der EWSA betonen, dass ein Engagement der öffentlichen Hand nicht mit Strukturfondsmitteln vermischt werden darf, die eine andere politische Zielsetzung haben.

3.1.6   Bei der Definition von „qualifizierten Portfolio-Unternehmen“, wie Sozialunternehmen in der Verordnung genannt werden, wird für den Jahresumsatz eine Höchstgrenze von 50 Mio. EUR genannt (Artikel 3 Buchstabe d). Es sollte erwogen werden, diese Höchstgrenze zu streichen, da sie Expansionsbestrebungen eher hemmen könnte. Eine solche Höchstgrenze könnte zudem auch in bestimmten Branchen tätige Sozialunternehmen ausgrenzen, wie etwa aus den Bereichen Gesundheit und Pflege sowie Sozialwohnungen.

3.1.7   Der EWSA hält es für wichtig, die Definition von sozialem Unternehmertum und von Sozialunternehmen im Sinne der Initiative für soziales Unternehmertum beizubehalten. In der Verordnung wird eine leicht abgeänderte Definition der sog. qualifizierten Portfolio-Unternehmen vorgeschlagen (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe d). Der Unterschied liegt u.a. in der Beschreibung der Tätigkeit (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer i). Hier sollte nach Ansicht des EWSA der Zweck des Unternehmens besser beschrieben werden, da der Sektor der Sozialunternehmen komplex ist und viele verschiedene Tätigkeiten umfasst.

3.1.8   Hinsichtlich der Gewinne (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer ii) möchte der EWSA auf die Stellungnahme INT/589 hinweisen, in der deutlich hervorgehoben wird, dass Sozialunternehmen „überwiegend nicht gewinnorientiert sind, wobei die Überschüsse in erster Linie reinvestiert und nicht an private Aktionäre oder Eigentümer ausgeschüttet werden“. Die Formulierung der Verordnung, dass Gewinne zulässig sind und an Anteilsinhaber und Besitzer ausgeschüttet werden können, muss verdeutlicht werden, indem weiter ausgeführt wird, dass die Gewinne zum Erreichen der vorrangigen sozialen Ziele des Unternehmens eingesetzt werden und dass die äußerst seltenen Fälle, in denen diesbezüglich eine Ausnahme gewährt werden kann, klaren Regeln unterliegen, damit das soziale Ziel nicht gefährdet wird. Dieser Ansatz und die hiermit verbundenen Regeln müssen in der Verordnung deutlicher herausgestellt werden, um diese Verordnung ganz klar von der parallel stattfindenden Arbeit an der Verordnung über Risikokapitalfonds abzugrenzen, die sich an kleine und mittlere Unternehmen richtet (9).

3.1.9   Die Definition der Arten von Gütern oder Dienstleistungen, der Methoden der Produktion von Gütern bzw. Erbringung von Dienstleistungen und der Zielgruppen von Tätigkeiten mit sozialer Zielsetzung (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer i und Artikel 3 Absatz 2) muss gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe aufgestellt werden, in der auch Sozialunternehmen vertreten sind. Die Zusammensetzung dieser Arbeitsgruppe sollte die Vielfalt der Sozialunternehmen in Europa widerspiegeln.

3.1.10   Ein „qualifiziertes Portfolio-Unternehmen“ sollte eine vierte Anforderung erfüllen müssen: Im Falle der Auflösung des Sozialunternehmens darf der Großteil seines Nettovermögens (z.B. mindestens 60-70 %) nicht auf seine Partner, Anteilsinhaber, Eigentümer oder Mitarbeiter aufgeteilt werden, sondern muss für Ziele mit sozialem Wirkungspotenzial eingesetzt werden.

3.1.11   Die Verordnung richtet sich anfänglich an professionelle Kunden und „vermögende Einzelpersonen“. Hierzu sollten auch die spezialisierten Anleger aus dem öffentlichen und dem gemeinnützigen Sektor gezählt werden, z.B. Genossenschaftsbanken und sozial ausgerichtete Banken. Der EWSA empfiehlt jedoch, dass die Kommission möglichst rasch einen Zeitplan für die Öffnung des Fonds für die Allgemeinheit aufstellt, da diese Art der Beteiligung auch für die Allgemeinheit sehr interessant ist.

3.2   Kapitel II – Bedingungen für die Verwendung der Bezeichnung „Europäischer Fonds für soziales Unternehmertum“

3.2.1   Der EWSA hält die Vorgabe, dass mindestens 70 % des eingebrachten Kapitals in Vermögenswerte investiert werden, die qualifizierte Investitionen sind, anfänglich für zweckmäßig. Jedoch müssen nicht zulässige Vermögenswerte in den restlichen 30 % der Vermögenswerte des Fonds geregelt werden, um die Ausrichtung des Fonds auf soziale Unternehmen noch stärker hervorzuheben. Die Prüfung der Zweckmäßigkeit des Erwerbs von anderen Vermögenswerten als nicht qualifizierten Investitionen ist immer zu fordern (Artikel 5 Absatz 1). Solide und dauerhafte Anlagen, wie etwa Staatsanleihen, sollten im Sinne der Stabilität des Fonds angeregt werden. Aus diesem Grund sollte auch die Definition von Kassenmitteln und Kassenmitteläquivalenten verdeutlicht werden.

3.2.2   Der Vorschlag für eine Verordnung über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum und die Richtlinie betreffend Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren („OGAW-Richtlinie“) (10) weisen viele Parallelen auf. Diese Parallelen und auch die Unterschiede sollten deutlich herausgestellt werden. Dies gilt insbesondere für die Definition von professionellen Kunden (Artikel 6), die Tätigkeit der Verwalter (Artikel 7) und die Anwendung des Fonds (Artikel 8). Da Sozialunternehmen häufig kleine und lokal tätige Unternehmen sind, ist es wichtig, kleineren Fonds das Tätigwerden auf diesen Märkten zu erleichtern. Daher sollte der Grenzwert für die Mindesteinlage in Höhe von 100 000 EUR auf lange Sicht überdacht werden (Artikel 6 Buchstabe a).

3.2.3   Mögliche Interessenkonflikte müssen möglichst bald ermittelt, vermieden, beigelegt und überwacht sowie gemeldet werden. Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten müssen vor Inkrafttreten der Verordnung aufgestellt worden sein. Die Kommission sollte bereits jetzt klarstellen, was sie mit diesen Maßnahmen bezweckt (Artikel 8 Absatz 5). Auch sollte geklärt werden, welche Regeln bei Interessenkonflikten zwischen Portfolio-Unternehmen und Anlegern und/oder Fondsverwaltern gelten (Artikel 8 Absatz 2).

3.2.4   Die Verordnung über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum hängt in hohem Maße von der Fähigkeit zur Messung der sozialen Auswirkungen und des Einflusses auf die Gesellschaft ab, was sehr schwierig ist. Es gibt derzeit kein eindeutiges Verfahren, das leicht dem Umfeld angepasst werden könnte, in dem Europäische Fonds für soziales Unternehmertum tätig sind. Es ist wichtiger, die sozialen Auswirkungen (sowohl qualitativ als auch quantitativ) der Tätigkeiten als der Unternehmen im Portfolio zu messen. Anstatt nach einem einheitlichen Verfahren zur Weiterverfolgung und Bewertung der sozialen Auswirkungen zu suchen, sollte besser ein EU-Rahmen geschaffen werden, bei dem Kriterien und messbare Indikatoren angesetzt werden, die auf der nationalen Ebene festgelegt wurden. Die Kommission sollte bereits jetzt verdeutlichen, welche Absichten sie mit der Messung der sozialen Auswirkungen und des Einflusses auf die Gesellschaft verfolgt, indem sie eine Studie bezüglich der unterschiedlichen Messverfahren und der Erfahrungen in Zusammenarbeit mit Sozialunternehmen, Forschern und Kapitalanlegern einleitet.

3.2.5   Ein grundlegendes Fundament der Sozialunternehmen ist ihre Unabhängigkeit. Daher müssen die Verfahren, die die Fondsverwalter der Verordnung anwenden, um „zu messen und zu überwachen, inwieweit die qualifizierten Portfolio-Unternehmen […] die positiven sozialen Auswirkungen […] erreichen“, so verdeutlicht werden, dass zum Ausdruck kommt, dass die Fondsverwalter verpflichtet sind, den Anlegern über die sozialen Auswirkungen Bericht zu erstatten, damit sicher ist, dass die Beteiligungen wirklich in sozialen Tätigkeiten platziert werden (Artikel 9 Absatz 1 und 2). Die diesbezügliche Unklarheit in der Verordnung führt zu Missverständnissen über die Rolle der Fondsverwalter; der Verordnungsvorschlag muss in dieser Hinsicht nachgebessert werden. Es ist sowohl unpassend als auch unrealistisch, dass die sozialen Auswirkungen von den Fondsverwaltern gemessen und überwacht werden sollen, weil hierdurch zum einen die Unabhängigkeit der Sozialunternehmen eingeschränkt würde, und zum anderen, weil geeignete Verfahren für eine wirksame Messung und Überwachung fehlen.

3.2.6   Das Messungsproblem tritt auch in den Bestimmungen über den Jahresbericht und die Methode zur Messung der sozialen Ergebnisse zutage (Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe a). Es sollte verdeutlicht werden, wie sich diese Berichterstattung zu den messtechnischen Spezifikationen verhält, die die Kommission aufzustellen gedenkt.

3.2.7   Der Jahresbericht eröffnet den Fondsverwaltern ferner die Möglichkeit zur Veräußerung im Zusammenhang mit qualifizierten Portfolio-Unternehmen (Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe b). In der Verordnung muss geklärt werden, welche Regeln für die Veräußerung von qualifizierten Portfolio-Unternehmen gelten. Ein Sozialunternehmen, das z.B. Sozialdienstleistungen für schutzbedürftige und marginalisierte Zielgruppen erbringt, kann aufgrund der sensiblen Tätigkeit nicht auf die gleiche Art veräußert werden wie Beteiligungen an gewinnorientierten Unternehmen. Die Anleger und Fondsverwalter müssen auf die besonderen Merkmale und somit auf die Sensibilität dieser Tätigkeiten hingewiesen werden und entsprechend handeln. Die Kommission sollte ferner angeben, wie der Sekundärmarkt zu behandeln ist, der durch solche Veräußerungen entsteht. Viele Sozialunternehmen benötigen langfristige und dauerhafte Investitionen, um ihre Tätigkeit expandieren zu können.

3.2.8   Es muss klargestellt werden, in welchem Verhältnis die von der Kommission angedachte Methodik zur Messung der sozialen Auswirkungen zu der Methode steht, nach der die Fondsverwalter die Anleger unterrichten sollen, sowie dazu, wie diese Informationen vom Fonds an die Anleger geleitet werden sollen (Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe c und d). Auch eine Beschreibung der anderen Vermögenswerte als qualifizierte Investitionen ist wichtig, ebenso wie Informationen über die Kriterien, die für ihre Auswahl angesetzt wurden. Die Verordnung sollte auch Bestimmungen dazu enthalten, was für diesen Teil des Fonds unzulässige Vermögenswerte und Anlagen sind (Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe e). Bezüglich der Verfahren und der Kalkulationsmodelle des Fonds für die Bewertung der Vermögenswerte (Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe g) vertritt der EWSA die Auffassung, dass ein Modell ausgearbeitet werden sollte, das genau auf die Formen und Tätigkeiten von Sozialunternehmen abgestimmt ist.

3.3   Kapitel III – Beaufsichtigung und Verwaltungszusammenarbeit

3.3.1   Die Vorschriften für Verwaltungsmaßnahmen und -sanktionen, die bei Verstößen gegen die Bestimmungen dieser Verordnung verhängt werden, müssen EU-weit einheitlich sein. Daher müssen diese Vorschriften auf Unionsebene festgelegt werden und dürfen nicht den Mitgliedstaaten überlassen werden (Artikel 20 Absatz 2). Die Vorschriften müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Daher müssen weitere Maßnahmen, die über ein Verbot der Verwendung der Bezeichnung „Europäischer Fonds für soziales Unternehmertum“ hinausgehen, aufgestellt werden, da durch diese Initiative auch Vertrauen aufgebaut und somit Missbrauch vermindert werden soll. Für die in dem Fonds befindlichen Portfolio-Unternehmen müssen Schutzmechanismen geschaffen werden, damit sie ihre Tätigkeit auch dann weiter ausüben können, wenn Sanktionen gegen den Fondsverwalter verhängt werden.

3.4   Kapitel IV – Übergangs- und Schlussbestimmungen

3.4.1   In der Verordnung wird an mehreren Stellen gesagt, dass der Kommission für einen Zeitraum von vier Jahren ab dem Datum des Inkrafttretens der Verordnung 2013 die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte übertragen wird. Viele dieser Befugnisse sind von entscheidender Bedeutung für die Ausgestaltung des Fonds, z.B. in Bezug auf den Tätigkeitsbereich (Güter, Dienstleistungen und Verfahren für deren Produktion), eine mögliche Gewinnausschüttung und Interessenkonflikte. Am Erlass solcher Rechtsakte müssen alle betroffenen Akteure – d.h. Fondsgesellschaften, Anleger und Sozialunternehmen – beteiligt werden. Hier kann die in der Initiative für soziales Unternehmertum angedachte Beratergruppe mit Vertretern aller beteiligten Akteure eine wichtige Rolle spielen.

4.   Sonstige Bemerkungen

4.1   Die Ergebnisse dieser Verordnung müssen laufend evaluiert werden, um sicherzustellen, dass die wesentlichen Zielgruppen von Sozialunternehmen (die häufig die Sozialwirtschaft sind) wirklich einen besseren Zugang zu einsetzbarem Kapital erhalten haben. Der EWSA wird dies jährlich in seiner laufenden Arbeit im Zusammenhang mit Sozialunternehmen und der Sozialwirtschaft berücksichtigen.

4.2   Da das Konzept der Sozialfonds im weiteren Sinne (private oder öffentliche) in den meisten Mitgliedstaaten unbekannt und relativ begrenzt ist, sollte eine Strategie entwickelt werden, um das Profil von Sozialfonds zu schärfen. In vielen europäischen Staaten gibt es keine vergleichbaren Fonds, und in den Staaten, wo diese vorhanden sind, sind sie nicht bekannt genug. Hier kommt die Kommission ins Spiel, wenn es darum geht, Wissen über diese innovativen und gut funktionierenden Werkzeuge für die Förderung von Wachstum und Expansion der Sozialunternehmen in Europa zu sammeln und zu verbreiten.

4.3   Erforderlich sind auch Hilfen und Programme für Investitionsbereitschaft und Kapazitätsaufbau (bezüglich der Struktur wie auch des Verständnisses) bei allen Beteiligten – Anlegern, Fondsverwaltern und Portfolio-Unternehmen – sowohl auf EU-Ebene als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Hier spielen die „Finanzintermediäre“, die es bereits in mehreren Mitgliedstaaten gibt, eine zentrale Rolle, weswegen ihre Entfaltung gefördert werden sollte. Erwähnenswert ist auch, dass Anlagen in Sozialunternehmen in mehreren Kontexten als Anlagen mit geringem Risiko (11) bezeichnet werden, was in diesen Programmen hervorzuheben ist.

4.4   In der Verordnung wird zu Unrecht häufig auf die „Anteilsinhaber“ oder „Aktionäre“ von Sozialunternehmen verwiesen, was den Eindruck entstehen lässt, dass eine Aktiengesellschaft die häufigste Rechtsform von Sozialunternehmen ist. Das stimmt nicht und kann irreführend sein. Stattdessen sollte bei Sozialunternehmen auf „Mitglieder“ oder „Partner“ verwiesen werden, da es sich bei diesen meistens um eine Genossenschaft, Vereinigung, Stiftung oder GmbH handelt (die keine Anteile, sondern soziale Beteiligungen und Mitglieder haben).

Brüssel, den 23. Mai 2012

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  COM(2011) 206 final.

(2)  COM(2011) 682 final.

(3)  Siehe J.P. Morgan, „Impact Investments: An Emerging Asset Class“, 2011.

(4)  ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 1.

(5)  www.eurocoopbanks.coop.

(6)  www.triodos.be.

(7)  Z.B. www.bancaprossima.com, https://www.unicredit.it/it/chisiamo/per-le-imprese/per-il-non-profit/universo-non-profit.html und www.ubibanca.com/page/ubi-comunita.

(8)  www.socialfinance.org.uk/sib.

(9)  COM(2011) 860/2 final.

(10)  Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009.

(11)  Die Banca d'Italia vermerkte 2011eine Ausfallquote bei Organisationen ohne Erwerbszweck von 4,3 %, was weit unter der Quote für alle Sektoren liegt (5,4 %), bei Nicht-Finanzunternehmen liegt die Ausfallquote bei 7,9 % und bei Mikrounternehmen bei 10,3 %. Daneben wiesen Genossenschaftsbanken eine Ausfallquote bei Organisationen ohne Erwerbszweck von nur 0,6 % aus (Quelle: Federcasse, italienischer Verband der genossenschaftlichen Kreditinstitute).