16.12.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 306/68


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz“

KOM(2009) 71 endg./2 — 2006/0222 (COD)

2009/C 306/15

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 11. März 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 26. Mai 2009 an. Alleinberichterstatter war Xavier VERBOVEN.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss begrüßt den Kommissionsvorschlag im Wesentlichen, appelliert an die Kommission, die drei genannten Vorbehalte zu berücksichtigen, den Wortlaut der Erwägungsgründe entsprechend zu ändern, und wünscht eine rasche Annahme durch das Europäische Parlament und den Rat.

2.   Begründung

2.1   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

2.1.1

Mit dem vorliegenden Vorschlag soll die Richtlinie 83/477/EWG des Rates vom 19. September 1983 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 8 der Richtlinie 80/1107/EWG) kodifiziert werden. Die neue Richtlinie ersetzt die verschiedenen Rechtsakte, die Gegenstand der Kodifizierung sind (1). Der Vorschlag behält nach Auffassung der Kommission den materiellen Inhalt der kodifizierten Rechtsakte vollständig bei und beschränkt sich darauf, sie in einem Rechtsakt zu vereinen, wobei nur insoweit formale Änderungen vorgenommen werden, als diese aufgrund der Kodifizierung selbst erforderlich sind.

2.2   Allgemeine Bemerkungen

2.2.1

Die Asbestexposition ist nach wie vor für verschiedene Arbeitnehmerkategorien - insbesondere in der Baubranche - ein erheblicher Risikofaktor. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass in Europa im Laufe des 20. Jahrhunderts mehrere Dutzend Millionen Tonnen Asbest verarbeitet wurden. Trotz des von der Europäischen Union 1999 verfügten Verbots von Asbest wird die Asbestexposition in erster Linie aufgrund zahlreicher asbesthaltiger Gebäude noch über Jahrzehnte anhalten. Außerdem können die Entsorgung sehr unterschiedlicher asbesthaltiger Gebäudeteile und Vorrichtungen sowie die Bewirtschaftung von Abfällen ebenfalls Risiken einer Asbestexposition beinhalten. Die Existenz eines Gebrauchtmarktes für unterschiedlichste asbesthaltige Gegenstände gibt ebenfalls Anlass zur Sorge.

2.2.2

Der Ausschuss hat sich bereits mehrfach mit Fragen des Schutzes der Arbeitnehmer, die durch Asbest gefährdet sind, befasst. Insbesondere ist auf die am 24. März 1999 (2) verabschiedete Initiativstellungnahme hinzuweisen.

2.2.3

Die erste Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer vor den Risiken einer Asbestexposition stammt aus dem Jahr 1983. Sie wurde mehrmals geändert, um den Anwendungsbereich auszudehnen, die Vorsorgemaßnahmen zu verstärken und die Grenzwerte der Exposition zu senken.

2.2.4

Die verschiedenen Überarbeitungen können den Adressaten dieser Rechtsvorschrift Probleme bereiten. Mit dem jetzigen Kodifikationsvorschlag können die verschiedenen geltenden Vorschriften ohne inhaltliche Änderungen in einer einzigen Rechtsvorschrift zusammengefasst werden. Es werden ausschließlich formale Änderungen vorgenommen, die aufgrund der Kodifizierung erforderlich sind.

2.2.5

Der Ausschuss ist gleichwohl der Auffassung, dass die Kodifizierung der Erwägungsgründe bestimmte Lücken aufweist. Mehrere Erwägungsgründe der vorhergegangenen Richtlinien werden in dem Kodifizierungsvorschlag nicht wieder aufgegriffen. In bestimmten Fällen gehen diese Auslassungen über eine rein redaktionelle Änderung hinaus. Sie betreffen wesentliche Aspekte, die der gemeinschaftliche Gesetzgeber unterstreichen wollte.

2.2.6

Dies betrifft z.B. den Erwägungsgrund (2) der Richtlinie 2003/18/EG, mit dem der gemeinschaftliche Gesetzgeber insbesondere auf die Bedeutung eines präventiven Ansatzes bezüglich Ersatzfasern hingewiesen hat. Dieser Punkt ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil vermieden werden soll, dass die verwendeten Alternativen Gesundheitsprobleme mit sich bringen.

2.2.7

Das gleiche gilt auch für die Streichung von Erwägungsgrund (4) derselben Richtlinie, in dem auf die Bedeutung des gemeinschaftlichen Verbots von Chrysotilasbest ab dem 1. Januar 2005 hingewiesen wird. Diese Auslassung ist umso weniger gerechtfertigt, als auch der Erwägungsgrund (4) der Richtlinie 91/382/EWG gestrichen wurde. Darin wurde die Bedeutung des Grundsatzes der Substitution zur Vermeidung von Risiken im Zusammenhang mit gefährlichen Stoffen unterstrichen. Das Streichen dieser beiden Erwägungsgründe erscheint angesichts des Engagements der Europäischen Union für ein weltweites Asbestverbot fehl am Platz.

2.2.8

Das trifft ebenso auf den Erwägungsgrund (15) der Richtlinie 2003/18/EG zu, in dem die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, den Inhalt der Expositionsverzeichnisse und Gesundheitsakten über die Gefährdung von Arbeitnehmern durch Asbest an die Listen und Unterlagen über die Gefährdung von Arbeitnehmern durch andere Karzinogene bei der Arbeit anzugleichen.

2.2.9

Die Streichung dieser Erwägungsgründe geht weit über die Grenzen einer normalen Kodifizierung hinaus. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass der Vorschlag analoge Erwägungsgründe beinhalten sollte, damit die rechtliche Tragweite der vorgeschlagenen Rechtsvorschrift zu diesen besonderen Aspekten deutlich gemacht wird.

2.2.10

Eine Kodifizierung darf zu keinerlei Änderungen des materiellen Inhalts führen. Der Ausschuss vertritt nach Prüfung des Vorschlags die Auffassung, dass die Kommissionsvorlage dieser Grundbedingung vorbehaltlich der Bemerkungen zur Streichung bestimmter Erwägungsgründe entspricht. Es beinhaltet eine logische Gliederung der verschiedenen geltenden Vorschriften, wodurch diese deutlicher werden, und wirft somit keinerlei grundlegende Probleme auf.

2.2.11

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass gemäß dem Beschluss 2003/C 218/01 des Rates vom 22. Juli 2003 der Beratende Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu dem Vorschlag gehört werden sollte. Entsprechend der bisherigen Praxis sollte eine solche Konsultation unter den Erwägungsgründen der Richtlinie aufgeführt werden.

2.2.12

Der Ausschuss heißt den Vorschlag im Wesentlichen gut, appelliert an die Kommission, die drei genannten Vorbehalte zu berücksichtigen und den Wortlaut der Erwägungsgründe entsprechend zu ändern und plädiert dafür, dass Parlament und Rat den Vorschlag zügig annehmen.

3.   Besondere Bemerkungen

Der Ausschuss verweist auf seine Stellungnahme vom 4. März 1999 und bekräftigt insbesondere seine Aufforderung an die Mitgliedstaaten, das ILO-Übereinkommen 162 über Sicherheit bei der Verwendung von Asbest zu ratifizieren. Bis heute wurde dieses Übereinkommen lediglich von 10 der 27 EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet. Eine Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union wäre dem Ansehen des ILO-Übereinkommens als wesentliches Instrument für den weltweiten Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer förderlich.

Brüssel, den 10. Juni 2009

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  Richtlinie 83/477/EWG des Rates, Richtlinie 91/382/EWG des Rates, Richtlinie 98/24/EG des Rates (nur Artikel 13) und Richtlinie 2003/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.

(2)  Siehe Stellungnahme des EWSA vom 24.3.1999 zum Thema „Asbest“, Berichterstatter: Herr ETTY (ABl. C 138 vom 18.5.1999).