3.2.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 27/114


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über ein einheitliches Antragsverfahren für eine kombinierte Erlaubnis für Drittstaatsangehörige zum Aufenthalt und zur Arbeit im Gebiet eines Mitgliedstaates und über ein gemeinsames Bündel von Rechten für Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten“

KOM(2007) 638 endg. — 2007/0229 (CNS)

(2009/C 27/24)

Der Rat beschloss am 7. Februar 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über ein einheitliches Antragsverfahren für eine kombinierte Erlaubnis für Drittstaatsangehörige zum Aufenthalt und zur Arbeit im Gebiet eines Mitgliedstaates und über ein gemeinsames Bündel von Rechten für Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 10. Juni 2008 an. Berichterstatter war Herr PARIZA CASTAÑOS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 446. Plenartagung am 9./10. Juli 2008 (Sitzung vom 9. Juli) mit 140 gegen 3 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1.   Vorbemerkungen

1.1

Seit dem Europäischen Rat von Tampere, auf dem die EU beschloss, eine gemeinsame Einwanderungspolitik anzustoßen, sind acht Jahre vergangen; gleichwohl sind in einem der grundlegenden Aspekte — dem der Maßnahmen und Rechtsvorschriften betreffend die Zulassung von Migranten — nur wenige Fortschritte erzielt worden. Die Zulassung wird nach wie vor durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und ohne jegliche Harmonisierung seitens der EU geregelt; diese nationalen Vorschriften sind sehr unterschiedlich und bringen gegensätzliche Politikansätze zum Ausdruck.

1.2

Vor mehr als sechs Jahren legte die Kommission den „Vorschlag für eine Richtlinie über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit“  (1) vor. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) und das Europäische Parlament (EP) begrüßten den Vorschlag, der jedoch nicht über die erste Lesung im Rat hinauskam, in ihren jeweiligen Stellungnahmen (2). Unterdessen haben einige Mitgliedstaaten neue Rechtsvorschriften zur Wirtschaftsmigration mit sehr unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen erlassen.

1.3

In den nächsten Jahren wird Europa Wirtschaftsmigranten brauchen, die einen Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung leisten (3). Ein Blick auf die demografische Lage zeigt, dass es zum Scheitern der Strategie von Lissabon kommen kann, wenn Europa seine Einwanderungspolitik nicht ändert. Es bedarf aktiver Maßnahmen zur Aufnahme sowohl hoch qualifizierter Arbeitskräfte als auch von Personen mit geringerer Qualifikation.

1.4

Es erscheint unverständlich, dass einige Regierungen im Rat der Europäischen Union ein Veto gegen die Legislativvorschläge der Kommission eingelegt haben und an der althergebrachten restriktiven Politik früherer Zeiten festhalten. Derweil wachsen Schattenwirtschaft und illegale Beschäftigung, wodurch Einwanderer ohne Papiere regelrecht angezogen werden. Da eine gemeinschaftsrechtliche Regelung fehlt, erlassen die einzelnen Mitgliedstaaten neue Rechtsvorschriften mit sehr unterschiedlichen politischen Schwerpunkten. Dadurch werden wiederum neue Probleme für die Vereinheitlichung geschaffen. Diese unterschiedlichen Politikansätze und voneinander abweichenden Regelungen lösen bei den Bürgern Verwirrung und Unsicherheit aus.

1.5

Der EWSA hat vorgeschlagen, dass der Rat der Europäischen Union den Grundsatz der Einstimmigkeit für die Zulassung von Einwanderern aufgibt und seine Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit bzw. im Wege des Mitentscheidungsverfahrens gemeinsam mit dem Parlament fasst (4). Nur so kann eine gute Rechtsetzung erarbeitet werden, die Fortschritte bei der Harmonisierung in der EU bringt.

1.6

Der EWSA befürwortet, dass der Vertrag von Lissabon für die Einwanderungsvorschriften das ordentliche Verfahren (Initiative der Kommission, qualifizierte Mehrheit im Rat und Mitentscheidung des Parlaments) vorsieht.

1.7

Dieser Richtlinienvorschlag wird im Rat jedoch nach der unergiebigen Einstimmigkeitsregel debattiert. Daher muss dieser Wandel — wie der EWSA in seiner Stellungnahme zum Haager Programm (5) betonte — „schnellstmöglich und noch vor der Erörterung der neuen Legislativvorschläge vollzogen werden“. Der EWSA schlägt dem Rat vor, nach dem in Asylfragen bereits angewandten „Passerelle-Verfahren“ vorzugehen, damit diese Richtlinien mit qualifizierter Mehrheit und im Wege der Mitentscheidung mit dem Parlament verabschiedet werden können.

1.8

Der EWSA hat hierzu bereits Folgendes bemerkt: „Was die neuen Rechtsvorschriften über die Zulassung anbelangt, ist es besser, einen umfassenden Rechtsrahmen horizontaler Art aufzustellen als sektorspezifische Vorschriften zu erlassen. Der von der Kommission seinerzeit erarbeitete Vorschlag für eine Richtlinie zur Zulassungspolitik, zu dem der EWSA einige Änderungen anregte, ist nach Auffassung des Ausschusses nach wie vor ein tauglicher Legislativvorschlag. Als Ergänzung dazu könnten spezifische Vorschriften für sektorale Fragen und besondere Fälle erarbeitet werden. Entscheidet sich der Rat der Europäischen Union für ein sektorspezifisches Vorgehen, das nur die Aufnahme hoch qualifizierter Migranten vorsieht, so hätte dies für die Handhabung eines großen Teils der Einwanderung keinen Nutzen und würde sich darüber hinaus diskriminierend auswirken. Eine solche Entscheidung kann dem Rat zwar leichter fallen, doch auch von den Bedürfnissen Europas abweichen.“  (6)

1.9

Im Vertrag von Lissabon werden die Grenzen der Gemeinschaftsgesetzgebung abgesteckt: das Recht der Mitgliedstaaten, festzulegen, wie viele Migranten sie in ihrem Hoheitsgebiet aufnehmen möchten. Diese Beschränkung ist kein Hindernis für die Erreichung einer weitgehenden rechtlichen Vereinheitlichung innerhalb der Europäischen Union. Sie ist ein Anreiz dafür, die Wirtschaftsmigration auf nationaler Ebene durch gemeinsame transparente Verfahren zu steuern. Für die Ausstellung von Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen werden die einzelnen Mitgliedstaaten zuständig sein, allerdings im Rahmen der Gemeinschaftsgesetzgebung. So kann jeder Staat in Abstimmung mit den Sozialpartnern die Merkmale der Zuwanderung festlegen. Die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften müssen im Rahmen der europäischen Rechtsetzung den besonderen Umständen jedes Landes Rechnung tragen.

1.10

Dieser horizontale Richtlinienvorschlag über ein einheitliches Antragsverfahren für eine kombinierte Erlaubnis für Drittstaatsangehörige zum Aufenthalt und zur Arbeit im Gebiet eines Mitgliedstaates und über ein gemeinsames Bündel von Rechten für Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten, entspricht den Bemühungen der Europäischen Union um eine umfassende Einwanderungspolitik.

1.11

Dieses Ziel wurde bereits auf dem Europäischen Rat von Tampere im Oktober 1999 angenommen, in dessen Schlusserklärung es heißt, dass die Europäische Union eine gerechte Behandlung von Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet ihrer Mitgliedstaaten aufhalten, sicherstellt und ihnen vergleichbare Rechte und Pflichten wie EU-Bürgern zuerkennt.

1.12

Andererseits wurde im Haager Programm vom November 2004 anerkannt, dass „legale Zuwanderung … eine wichtige Rolle beim Ausbau der wissensbestimmten Wirtschaft in Europa und bei der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung spielen und dadurch einen Beitrag zur Durchführung der Lissabonner Strategie leisten [wird]“.

1.13

Die Kommission erarbeitete 2004 ein Grünbuch (7), um eine Debatte und eine Konsultationsphase zur Steuerung der Wirtschaftsmigration in der EU zu eröffnen. Der EWSA seinerseits hat eine Stellungnahme (8) erarbeitet, in der er der EU vorschlug, eine gemeinsame Gesetzgebung für die Aufnahme von Einwanderern, die ein hohes Maß an Vereinheitlichung aufweist, auszuarbeiten, und darauf hinwies, dass horizontale Rechtsvorschriften sektorspezifischen Vorschriften vorzuziehen sind.

1.14

Der Europäische Rat vom Dezember 2006 einigte sich auf den Strategieplan für legale Migration, der Antworten auf zwei Ziele geben soll:

1.14.1

Zulassungsbedingungen für bestimmte Kategorien von Migranten in vier spezifischen Legislativvorschlägen festlegen, und zwar in Bezug auf hoch qualifizierte Arbeitnehmer, Saisonarbeitnehmer, bezahlte Auszubildende und innerbetrieblich versetzte Arbeitnehmer.

1.14.2

Einen allgemeinen Rahmen für einen fairen und auf Rechten basierenden Ansatz in Bezug auf die Arbeitsmigration errichten.

2.   Richtlinienvorschlag

2.1

Mit dem Richtlinienvorschlag soll die Rechtsstellung bereits zugelassener Drittstaatsangehörigen gesichert und eine Verfahrensvereinfachung für neue Antragsteller vorgesehen werden.

2.2

Gegenwärtig werden Arbeitsmigranten von den einzelnen Mitgliedstaaten der EU sehr unterschiedlich behandelt.

2.3

Auch in Bezug auf die Behandlung, die den Migranten im Vergleich zu Arbeitnehmern aus der Gemeinschaft zuteil wird, bestehen große Ungleichheiten.

2.4

Ziel der Richtlinie ist die Einführung eines einheitlichen Antragsverfahrens für die Erteilung einer kombinierten Erlaubnis für Drittstaatsangehörige, sich im Gebiet eines Mitgliedstaates aufzuhalten und dort zu arbeiten, sowie die Gewährleistung eines gemeinsamen Bündels von Rechten für Arbeitnehmer aus Drittstaaten, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten, in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Arbeitsentgelt, Entlassung, Vereinigung, Zugang zu Berufsbildung und zu Kernleistungen der sozialen Sicherheit usw.

2.5

Es handelt sich um eine horizontale Richtlinie, die für Wirtschaftsmigranten und all jene Personen gilt, die ursprünglich für andere als Beschäftigungszwecke zugelassen wurden und anschließend auf Grundlage anderer gemeinschaftlicher oder einzelstaatlicher Bestimmungen ebenfalls Zugang zum Arbeitsmarkt erhielten (wie Familienangehörige, Flüchtlinge, Studenten, Forscher usw.).

2.6

Vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind entsandte Arbeitnehmer (9), da sie nicht als zum Arbeitsmarkt des Mitgliedstaats gehörig erachtet werden, innerbetrieblich versetzte Arbeitnehmer, vertragliche Dienstleistungserbringer, Hochschulpraktikanten, Saisonarbeitnehmer sowie all jene Drittstaatsangehörigen, die einen langfristigen Aufenthaltsstatus besitzen.

2.7

Mit diesem Richtlinienvorschlag werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Antrag auf Arbeit und Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates in einem einheitlichen Antragsverfahren zu prüfen und — wenn der Antrag bewilligt wird — dem Antragsteller eine kombinierte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis auszustellen.

2.8

Zu diesem Zweck müssen die Mitgliedstaaten eine zuständige Behörde für die Entgegennahme des Antrags und die Erteilung der Aufenthalts-/Arbeitserlaubnis benennen, unbeschadet der Verantwortung und Zuständigkeit der nationalen Behörden für die Prüfung des Antrags und die diesbezüglich zu fällende Entscheidung.

2.9

Die kombinierte Erlaubnis wird in Einklang mit den Vorgaben ausgestellt, die in der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige festgelegt sind.

2.10

Die kombinierte Erlaubnis verleiht den Inhabern das Recht auf Einreise, Aufenthalt im und freien Zugang zum gesamten Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats, auf Durchreise durch andere Mitgliedstaaten sowie auf Ausübung der nach der Erlaubnis genehmigten Tätigkeiten.

2.11

Für das kombinierte Verfahren werden bestimmte Verfahrensgarantien eingeführt, wie etwa das Erfordernis, eine Ablehnung des Antrags zu begründen und zu rechtfertigen: Die Bedingungen und Kriterien für die Ablehnung müssen — da sie in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen — in jedem Fall durch das innerstaatliche Recht festgelegt werden.

2.12

Desgleichen muss der Antragsteller im Falle einer Ablehnung die Möglichkeit haben, einen Rechtsbehelf einzulegen, was ihm schriftlich zusammen mit der Ablehnung mitzuteilen ist. Auch muss er über die für den Antrag erforderlichen Dokumente sowie die zu entrichtende Gebühr informiert werden.

2.13

Hinsichtlich der Rechte wird ein Mindeststandard festgelegt, der die Gleichbehandlung aller Drittstaatsangehörigen, denen eine kombinierte Erlaubnis erteilt worden ist, garantiert, wobei es den Mitgliedstaaten freisteht, günstigere Vorschriften zu erlassen.

2.14

Es wird festgelegt, dass Arbeitnehmer aus Drittstaaten ein Recht auf Gleichbehandlung mit inländischen Arbeitnehmern haben, und zwar zumindest in Bezug auf

die Arbeitsbedingungen, einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassung, sowie Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz;

Vereinigungsfreiheit sowie Mitgliedschaft und Betätigung in einer Gewerkschaft, einem Arbeitgeberverband oder einer sonstigen Organisation;

allgemeine und berufliche Bildung;

die Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstiger beruflicher Befähigungsnachweise gemäß den einschlägigen nationalen Verfahren;

die Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit, die die in der Verordnung (EWG) Nr. 1408/1971 des Rates definierten Leistungen abdeckt, in der diese auch auf Personen ausgedehnt werden, die aus einem Drittland in einen Mitgliedstaat kommen;

die Zahlung erworbener Rentenansprüche bei Umzug in ein Drittland;

Steuervergünstigungen;

den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen einschließlich des Zugangs zu Wohnraum und der Unterstützung durch Arbeitsämter.

2.15

Die Mitgliedstaaten können die Gleichbehandlung einschränken, indem sie

für den Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung den Nachweis von Sprachkenntnissen verlangen;

das Recht auf Stipendien einschränken;

die Gleichheit der Arbeitsbedingungen (Arbeitsentgelt, Entlassung und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz), die Versammlungsfreiheit, die Steuervergünstigungen sowie die Rechte im Bereich der sozialen Sicherheit auf die Drittstaatsangehörigen beschränken, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen.

2.16

Für die Anerkennung von Diplomen ist die Gleichbehandlung mit den innerstaatlichen Verfahren vorgesehen; hierbei wird auf die Richtlinie Nr. 2005/36/EG verwiesen, der zufolge ein Drittstaatsangehöriger, der in anderen Mitgliedstaaten Berufsqualifikationen erworben hat, das Recht hat, dass diese unter denselben Bedingungen wie bei EU-Bürgern anerkannt werden.

2.17

In Bezug auf die Gleichbehandlung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, einschließlich des Zugangs zu öffentlichem und privatem Wohnraum, können die Mitgliedstaaten das Recht auf öffentlichen Wohnraum auf die Drittstaatsangehörigen beschränken, die sich seit mindestens drei Jahren im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates aufhalten.

2.18

Schließlich garantiert die Richtlinie die Einhaltung günstigerer Bestimmungen in Gemeinschaftsabkommen oder internationalen Instrumenten, einschließlich der vom Europarat verabschiedeten, die für Arbeitnehmer aus Drittstaaten gelten, die Mitglieder des Europarates sind. Sie berührt auch nicht günstigere Bestimmungen in internationalen Übereinkünften zum Verbot der Diskriminierung aus Gründen der nationalen Herkunft.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der EWSA hat vorgeschlagen, dass der Rat der Europäischen Union den Grundsatz der Einstimmigkeit für den Erlass von Einwanderungsvorschriften aufgibt und seine Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit bzw. im Wege des Mitentscheidungsverfahrens gemeinsam mit dem Parlament fasst (10). Nur so kann eine gute Rechtsetzung erarbeitet werden, die Fortschritte bei der Harmonisierung in der EU bringt.

3.2

Der EWSA befürwortet, dass der Vertrag von Lissabon für die Einwanderungsvorschriften das ordentliche Verfahren (Initiative der Kommission, qualifizierte Mehrheit im Rat und Mitentscheidung des Parlaments) vorsieht.

3.3

Sobald der Vertrag von Lissabon ratifiziert ist und in Kraft tritt, werden die Zuständigkeiten der EU und der Mitgliedstaaten eindeutiger sein; der Rat wird seine Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit bzw. im Wege des Mitentscheidungsverfahrens gemeinsam mit dem Parlament fassen und auf diese Weise die derzeit geltende Einstimmigkeitsregel überwinden, die der Verabschiedung einer wirklich gemeinsamen Gesetzgebung im Wege steht. Der EWSA schlägt dem Rat vor, für den Erlass von Einwanderungsvorschriften (wie schon bei den Asylvorschriften) das ordentliche Verfahren anzuwenden und dadurch den im Vertrag von Lissabon vorgesehenen Bestimmungen vorzugreifen.

3.4

Der EWSA schlägt vor, dass die derzeit im Rat laufenden Arbeiten zu dieser Richtlinie Vorrang vor der Richtlinie über hochqualifizierte Beschäftigung (KOM(2007) 637 endg.) und weitere sektorspezifische Richtlinien erhalten, und schlägt zudem der Kommission vor, die Ausarbeitung der übrigen, für die kommenden Monate geplanten Richtlinien über Fragen der Zulassung (in Bezug auf Saisonarbeitnehmer, bezahlte Auszubildende sowie innerbetrieblich versetzte Arbeitnehmer) zu beschleunigen.

3.5

Der EWSA spricht sich dafür aus, dass die EU über eine angemessene gemeinsame Gesetzgebung verfügt, die ein hohes Maß an Vereinheitlichung aufweist, damit die Zuwanderung über legale, flexible und transparente Verfahren kanalisiert wird, in deren Rahmen die Drittstaatsangehörigen eine gerechte Behandlung erfahren und ihnen vergleichbare Rechte und Pflichten wie den EU-Bürgern zuerkannt werden.

3.6

Die in diesem Richtlinienvorschlag enthaltenen Rechte und Pflichten von Drittstaatsangehörigen, die auf der Gleichbehandlung in Fragen des Arbeitsentgelts, der Arbeitsbedingungen, der Versammlungsfreiheit sowie der allgemeinen und beruflichen Bildung basieren, sind eine gute Ausgangsbasis für die künftigen Rechtsvorschriften im Bereich der Zuwanderung.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der EWSA ist der Ansicht, dass diese horizontale Richtlinie, die ein einheitliches Verfahren und eine Reihe von Rechten für Arbeitnehmer aus Drittstaaten vorsieht, die sich rechtmäßig im Gebiet eines Mitgliedstaates aufhalten, für die EU von grundlegender Bedeutung ist, weil dadurch das Fundament für eine gemeinsame Politik im Bereich der Wirtschaftsmigration gelegt wird. Der Richtlinienvorschlag achtet das Recht der Mitgliedstaaten, festzulegen, wie viele Migranten sie in ihrem Hoheitsgebiet aufnehmen möchten.

4.2

Der EWSA möchte betonen, wie wichtig der Vorschlag der Kommission ist, damit die EU über eine horizontale Gesetzgebung über das Zulassungsverfahren und die Rechte der Arbeitnehmer aus Drittstaaten auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten verfügt.

4.3

In der Stellungnahme zum Grünbuch (11) sprach sich der EWSA für ein einheitliches Verfahren für die Wirtschaftsmigration aus: „Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis gibt es beträchtliche Unterschiede in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften. Der EWSA hält es für erforderlich, einheitliche Rechtsvorschriften für die gesamte EU zu erlassen. Die für die Ausstellung der Genehmigungen zuständige Behörde sollte die entsprechende einzelstaatliche Behörde sein. Eine von einem Mitgliedstaat erteilte Genehmigung muss in der übrigen EU in jeder Hinsicht anerkannt werden. Der EWSA vertritt die Ansicht, dass mit den Rechtsvorschriften der Verwaltungsaufwand auf ein Mindestmaß reduziert und den BetroffenenMigranten, Arbeitgebern und Behördendas Verfahren erleichtert werden sollte. Befürwortet wird eine einzige Genehmigungdie Aufenthaltsgenehmigung -, die dann mit einer Arbeitserlaubnis verbunden ist.“

4.4

In Bezug auf die Rechte äußerte sich der EWSA in der genannten Stellungnahme zum Grünbuch bereits folgendermaßen: „Der Ausgangspunkt in dieser Debatte muss das Diskriminierungsverbot sein. Der Arbeitsmigrant muss unabhängig von der Dauer seiner Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in wirtschaftlicher, arbeitsrechtlicher und sozialer Hinsicht die gleichen Rechte haben wie die übrigen Arbeitnehmer“. Der EWSA möchte auf die Rolle hinweisen, die die Sozialpartner bei der Förderung der Gleichbehandlung am Arbeitsplatz in den verschiedenen Bereichen (Unternehmens- und Sektorebene, einzelstaatlich und europäisch) spielen. Der EWSA hat in Zusammenarbeit mit der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in Dublin und den europäischen Sozialpartnern eine Anhörung veranstaltet, deren Schlussfolgerungen in eine andere Stellungnahme (12) eingeflossen sind.

4.5

In seiner Stellungnahme zum Grünbuch (13) schlug der EWSA eine Reihe von Rechten vor,„die Drittstaatsangehörigen, die auf legaler Basis vorübergehend in der EU erwerbstätig oder aufhältig sind, gewährt werden sollten“. Der EWSA erinnert daran, dass Arbeitsmigranten ihre Steuern und Sozialabgaben in Einklang mit der Gesetzgebung der jeweiligen Mitgliedstaaten an die Behörden des Aufnahmelands zahlen.

4.6

Neben der Gleichbehandlung bei der Arbeit (Arbeitsbedingungen, Arbeitsentgelt und Entlassung, Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz, Versammlungsrechte usw.) schlug der EWSA ferner die Aufnahme folgender Elemente vor.

Anspruch auf Sozialversicherung einschließlich medizinischer Betreuung;

gleicher Zugang zu Waren und Dienstleistungen, einschließlich Wohnraum, wie Staatsangehörige des Mitgliedstaates;

Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung;

Anerkennung von Zeugnissen, Diplomen und Abschlüssen im Rahmen der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts;

Recht auf Schulbildung für Kinder einschließlich Studienbeihilfen und Stipendien;

Recht auf Ausübung einer Lehr- oder Forschungstätigkeit gem. Richtlinienvorschlag  (14);

Recht auf unentgeltlichen rechtlichen Beistand im Bedarfsfall;

Recht auf Zugang zu einem unentgeltlichen Arbeitsvermittlungsdienst (öffentlicher Dienst);

Recht auf Sprachunterricht in der in der Aufnahmegesellschaft gebräuchlichen Sprache;

Achtung der kulturellen Vielfalt;

Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht innerhalb des Mitgliedstaates.

4.7

Des Weiteren verabschiedete der EWSA im Jahr 2004 eine Initiativstellungnahme (15), in der er der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten vorschlug, das 1990 von der UNO-Vollversammlung verabschiedete „Internationale Übereinkommen zum Schutze der Rechte aller Wanderarbeiter und ihrer Familienangehörigen“ (16) zu ratifizieren, um so von Europa aus die weltweite Verbreitung der Menschen- und Grundrechte von Wanderarbeitern zu fördern. Der EWSA schlägt der Kommission vor, neue Initiativen für die Ratifizierung des Übereinkommens zu ergreifen, um ein internationales Instrumentarium für die Rechte von Einwanderern verstärkt zu fördern.

4.8

Der EWSA regt an, in die Begründung der Richtlinie einen neuen Absatz aufzunehmen, um sicherzustellen, dass in den Einwanderungsbestimmungen die Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) beachtet werden, insbesondere die ILO-Übereinkommen über Wanderarbeitnehmer (C 97 und C 143).

4.9

Desgleichen schlägt der EWSA vor, in der Richtlinie sowohl die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes ist, als auch die EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierung zu gewährleisten.

4.10

Saisonarbeitnehmer dürfen vom Anwendungsbereich der Richtlinie nicht ausgeschlossen werden. Obgleich die Kommission derzeit eine diesbezügliche Richtlinie erarbeitet, ist der EWSA der Ansicht, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz — insbesondere am Arbeitsplatz — auch für diese Kategorie von Arbeitnehmern gewährleistet werden muss.

4.11

Der EWSA bringt seine Besorgnis und seine Ablehnung gegenüber der in der Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit der Mitgliedstaaten zum Ausdruck, das Recht auf Gleichbehandlung (17) in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (Arbeitsentgelt und Entlassung, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Sozialschutz) und die Versammlungsfreiheit einzuschränken. Diese Einschränkung verstößt gegen die Bestimmungen in Artikel 2 und kann auch das Prinzip der Nichtdiskriminierung verletzen. Der EWSA ist in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften der Ansicht, dass die Gleichbehandlung einer der Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ist.

4.12

Einschränkungen müssen auf jeden Fall immer mit Blick auf andere verbindliche internationale Rechtsinstrumente mit günstigeren Bestimmungen — wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte oder die Europäische Menschenrechtskonvention und verschiedene ILO-Übereinkommen — sowie durch günstigere gemeinschaftliche oder einzelstaatliche Rechtsvorschriften interpretiert werden.

4.13

Wird die kombinierte Erlaubnis abgelehnt, hat dies laut Richtlinie schriftlich zu erfolgen, und der Betroffene kann im jeweiligen Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf einlegen. In Fällen, in denen sich die Ablehnung auf die Verlängerung, die Aussetzung oder den Entzug der Erlaubnis bezieht, schlägt der EWSA vor, dass durch den gerichtlichen Rechtsbehelf (18) des Betroffenen der Verwaltungsentscheid so lange ausgesetzt wird, bis der Gerichtsbeschluss vorliegt.

4.14

Schließlich hebt der EWSA nachdrücklich die Bedeutung der Integration hervor. Er hat verschiedene Initiativstellungnahmen zur Förderung integrationspolitischer Maßnahmen (19) erarbeitet sowie Konferenzen und Anhörungen veranstaltet. Die EU und die einzelstaatlichen Behörden müssen bei der Förderung der Integrationspolitik zusammenarbeiten, da die Integration und die Förderung von Gleichbehandlung und Diskriminierungsbekämpfung eine Herausforderung für die europäische Gesellschaft und insbesondere für die lokalen Gebietskörperschaften, die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft sind. Der EWSA arbeitet zusammen mit der Europäischen Kommission an der Einrichtung des Europäischen Integrationsforums (20).

Brüssel, den 9. Juli 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  KOM(2001) 386 endg.

(2)  Siehe die Stellungnahme des EWSA vom 16. Januar 2002 zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit“ (Berichterstatter: Herr PARIZAvCASTAÑOS), ABl. C 80 vom 3.4.2002, und die Stellungnahme des EP (Berichterstatterin: Frau TERRÓN i CUSI), ABl. C 43 E vom 19.2.2004.

(3)  Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Dezember 2006 (Plan zur legalen Zuwanderung); siehe auch die Stellungnahme des EWSA vom 10. Dezember 2003 zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über Einwanderung, Integration und Beschäftigung“ (Berichterstatter: Herr PARIZA CASTAÑOS), ABl. C 80 vom 30.3.2004.

(4)  Siehe Stellungnahme des EWSA vom 15. Dezember 2005 zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Das Haager Programm: Zehn Prioritäten für die nächsten fünf Jahre — Die Partnerschaft zur Erneuerung Europas im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ (Berichterstatter: Herr PARIZA CASTAÑOS), ABl. C 65 vom 17.3.2006.

(5)  Siehe Fußnote 4.

(6)  Siehe Fußnote 4.

(7)  „Grünbuch über ein EU-Konzept zur Verwaltung der Wirtschaftsmigration“ (KOM(2004) 811 endg.).

(8)  Siehe Stellungnahme des EWSA vom 9. Juni 2005 zu dem „Grünbuch über ein EU-Konzept zur Verwaltung der Wirtschaftsmigration“ (Berichterstatter: Herr PARIZA CASTAÑOS), ABl. C 286 vom 17.11.2005.

(9)  Richtlinie 96/71/EG.

(10)  Siehe Fußnote 4.

(11)  Siehe Fußnote 8.

(12)  Siehe Stellungnahme des EWSA vom 13./14. September 2006 zum Thema „Die Einwanderung in die EU und die Integrationspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und den Organisationen der Zivilgesellschaft“ (Berichterstatter: Herr PARIZA CASTAÑOS), ABl. C 318 vom 23.12.2006.

(13)  Siehe Fußnote 8.

(14)  Siehe Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über ein besonderes Zulassungsverfahren für Drittstaatsangehörige zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung (KOM(2004) 178). Siehe die Stellungnahme des EWSA vom 27. Oktober 2004 zu dem „Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Erleichterung der Zulassung von Drittstaatsangehörigen in die Europäische Gemeinschaft zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung“ (Berichterstatterin: Frau KING), ABl. C 120 vom 20.5.2005.

(15)  Siehe Stellungnahme des EWSA vom 30. Juni 2004 zum Thema „Internationale Konvention zum Schutz der Rechte von Wanderarbeitnehmern“ (Berichterstatter: Herr PARIZA CASTAÑOS), ABl. C 302 vom 7.12.2004.

(16)  Resolution 45/158 vom 18. August 1990, die am 1. Juli 2003 in Kraft trat.

(17)  Artikel 12 Absatz 2.

(18)  Artikel 8.

(19)  Stellungnahme des EWSA vom 21. März 2002 zum Thema „Einwanderung, Eingliederung und Rolle der organisierten Zivilgesellschaft“ (Berichterstatter: Herr PARIZA CASTAÑOS), ABl. C 125 vom 27.5.2002.

Stellungnahme des EWSA vom 10./11. Dezember 2003 zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über Einwanderung, Integration und Beschäftigung“ (Berichterstatter: Herr PARIZA CASTAÑOS), ABl. C 80 vom 30.3.2004.

Stellungnahme des EWSA vom 13./14. September 2006 zum Thema „Die Einwanderung in die EU und die Integrationspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und den Organisationen der Zivilgesellschaft“ (Berichterstatter: Herr PARIZA CASTAÑOS), ABl. C 318 vom 23.12.2006.

Konferenz zum Thema „Einwanderung: Die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Integration“, Brüssel, 9./10. September 2002.

(20)  http://integrationforum.teamwork.fr/.