31960L0921

Erste Richtlinie zur Durchfúhrung des Artikel 67 des Vertrages

Amtsblatt Nr. 043 vom 12/07/1960 S. 0921 - 0932
Dänische Sonderausgabe: Reihe I Kapitel 1959-1962 S. 0047
Englische Sonderausgabe: Reihe I Kapitel 1959-1962 S. 0049
Griechische Sonderausgabe: Kapitel 10 Band 1 S. 0004
Spanische Sonderausgabe: Kapitel 10 Band 1 S. 0006
Portugiesische Sonderausgabe: Kapitel 10 Band 1 S. 0006


ERSTE RICHTLINIE ZUR DURCHFÜHRUNG DES ARTIKELS 67 DES VERTRAGES

DER RAT DER EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT,

auf Grund des Vertrages, insbesondere der Artikel 5, 67 Absatz 1, 69, 105 Absatz 2, 106 Absatz 2,

auf Vorschlag der Kommission, die zu diesem Zweck den Währungsausschuß gehört hat,

aut Grund des Beschlusses vom 11. Mai 1960 über die Anwendung der Bestimmungen des Vertrages über den Kapitalverkehr auf Algerien und die französischen überseeischen Departements und

in der Erwägung, daß zur Verwirklichung der Ziele des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ein möglichst freier Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und infolgedessen eine möglichst weitgehende und schnelle Liberalisierung dieses Kapitalverkehrs erforderlich ist,

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

1. Die Mitgliedstaaten erteilen die erforderlichen Devisengenehmigungen zum Abschluß oder zur Erfuellung von Geschäften sowie für Transferzahlungen zwischen Deviseninländern in den Mitgliedstaaten, die den in der Anlage I Liste A dieser Richtlinie genannten Kapitalverkehr betreffen.

2. Die Mitgliedstaaten gewährleisten den Transfer der entsprechenden Kapitalbeträge auf der Grundlage der Devisenkurse, die bei Zahlungen für laufende Geschäfte gelten.

Erfolgt der Transfer dieser Kapitalbeträge auf einem Devisenmarkt, auf dem die Kursschwankungen nicht amtlich begrenzt sind, so ist diese Verpflichtung so auszulegen, daß die angewandten Kurse nicht wesentlich und für längere Zeit von den Kursen abweichen dürfen, die bei Zahlungen für laufende Geschäfte gelten.

Der Währungsausschuß überwacht die Entwicklung der für den Transfer dieser Kapitalbeträge geltenden Devisenkurse und berichtet hierüber der Kommission. Stellt die Kommission fest, daß diese Kurse wesentlich und für längere Zeit von den Kursen abweichen, die bei Zahlungen für laufende Geschäfte gelten, so wendet sie das in Artikel 169 des Vertrages vorgesehene Verfahren an.

Artikel 2

1. Die Mitgliedstaaten erteilen allgemeine Genehmigungen zum Abschluß oder zur Erfuellung von Geschäften sowie für Transferzahlungen zwischen Deviseninländern in den Mitgliedstaaten, die den in der Anlage I Liste B dieser Richtlinie genannten Kapitalverkehr betreffen.

2. Erfolgt der Transfer der entsprechenden Kapitalbeträge auf einem Devisenmarkt, auf dem die Kursschwankungen nicht amtlich begrenzt sind, werden die Mitgliedstaaten bestrebt sein, so zu verfahren, daß dieser Transfer zu Kursen vorgenommen wird, die nicht wesentlich und für längere Zeit von den bei Zahlungen für laufende Geschäfte geltenden Kursen abweichen.

Die Kommission kann nach Anhörung des Währungsausschusses hierzu Empfehlungen an die Mitgliedstaaten richten.

3. Erfolgt der Transfer dieser Kapitalbeträge entweder über den gleichen Devisenmarkt wie die Zahlungen für laufende Geschäfte oder über einen Markt, auf dem die Kursschwankungen innerhalb der für den vorerwähnten Markt geltenden Grenzen gehalten werden, so kann für eine Übergangszeit die Anwendung von Absatz 1 dieses Artikels hinsichtlich des Erwerbs ausländischer Wertpapiere durch Deviseninländer auf Finanzinstitutionen sowie auf diejenigen Unternehmen beschränkt werden, die Wertpapiere ausländischer Gesellschaften mit vergleichbarem Gesellschaftszweck erwerben.

Die Kommission kann nach Anhörung des Währungsausschusses hierzu Empfehlungen an die Mitgliedstaaten richten.

Artikel 3

1. Vorbehaltlich der Bestimmungen von Absatz 2 dieses Artikels erteilen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Devisengenehmigungen zum Abschluß oder zur Erfuellung von Geschäften sowie für Transferzahlungen zwischen Deviseninländern in den Mitgliedstaaten, die den in Anlage I Liste C dieser Richtlinie erwähnten Kapitalverkehr betreffen.

2. Wenn die Liberalisierung dieses Kapitalverkehrs geeignet ist, die Verwirklichung der Wirtschaftspolitik eines Mitgliedstaats zu behindern, so kann dieser die bei Inkrafttreten dieser Richtlinie bestehenden devisenrechtlichen Beschränkungen dieses Kapitalverkehrs aufrechterhalten oder wiedereinführen. Er berät hierüber mit der Kommission.

Die Kommission prüft, mit welchen Maßnahmen die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten koordiniert werden könnte, um diese Schwierigkeiten zu überwinden ; sie empfiehlt nach Anhörung des Währungsausschusses den Mitgliedstaaten diese Maßnahmen.

3. Die Kommission kann dem betreffenden Mitgliedstaat die Aufhebung der bestehenden oder wiedereingeführten devisenrechtlichen Beschränkungen empfehlen.

Artikel 4

Der Währungsausschuß prüft mindestens einmal jährlich die Beschränkungen für die in den Listen der Anlage I aufgeführten Kapitalbewegungen. Er berichtet der Kommission über die Beschränkungen, die beseitigt werden könnten.

Artikel 5

1. Das Recht der Mitgliedstaaten, die Art und die tatsächliche Durchführung der Geschäfte oder Transferzahlungen zu überprüfen oder die unerläßlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu verhindern, wird durch die Bestimmungen dieser Richtlinie nicht beschränkt.

2. Die Mitgliedstaaten vereinfachen soweit nur irgend möglich die Genehmigungs- und Kontrollformalitäten beim Abschluß oder bei der Erfuellung von Geschäften und bei Transferzahlungen und setzen sich gegebenenfalls im Hinblick auf diese Vereinfachung ins Benehmen.

3. Die Beschränkungen des Kapitalverkehrs, die sich aus der Regelung der Niederlassung in einem Mitgliedstaat ergeben, werden auf Grund dieser Richtlinie nur insoweit aufgehoben, als die Mitgliedstaaten in Durchführung der Artikel 52 bis 58 des Vertrages verpflichtet sind, die Niederlassungsfreiheit herzustellen.

Artikel 6

Die Mitgliedstaaten werden bestrebt sein, weder neue devisenrechtliche Beschränkungen des bereits vor Inkrafttreten dieser Richtlinie liberalisierten Kapitalverkehrs innerhalb der Gemeinschaft einzuführen noch bestehende Vorschriften zu verschärfen.

Artikel 7

Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission spätestens drei Monate nach Inkrafttreten dieser Richtlinie über a)

die am Tage des Inkrafttretens dieser Richtlinie geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Kapitalverkehr,

b)

die in Anwendung dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften,

c)

die Durchführungsmodalitäten für die vorerwähnten Vorschriften.

Ferner unterrichten sie die Kommission über jede neue, über die Verpflichtungen dieser Richtlinie hinausgehende Maßnahme sowie über jede Änderung der Vorschriften über den in der Anlage I Liste D dieser Richtlinie erwähnten Kapitalverkehr spätestens zum Zeitpunkt des jeweiligen Inkrafttretens.

Artikel 8

Die Bestimmungen dieser Richtlinie finden Anwendung auf die in Artikel 227 Absatz 1 des Vertrages genannten Mitgliedstaaten, auf Algerien und die überseeischen französischen Departements sowie auf die europäischen Hoheitsgebiete, deren auswärtige Beziehungen ein Mitgliedstaat wahrnimmt.

Artikel 9

Die Bestimmungen der Artikel 67 Absatz 2, 68 Absatz 3 und 221 des Vertrages werden von dieser Richtlinie nicht berührt.

Artikel 10

Die Anlage I mit den Listen A, B, C und D sowie die Nomenklatur für den Kapitalverkehr einschließlich der Begriffsbestimmungen sind Bestandteil dieser Richtlinie.

Geschehen zu Luxemburg am 11. Mai 1960.

Im Namen des Rats

Der Generalsekretär

CALMES

Der Präsident

Eugène SCHAUS

ANLAGE I

LISTE A Kapitalverkehr gemäß Artikel 1 der Richtlinie

LISTE B Kapitalverkehr gemäß Artikel 2 der Richtlinie

LISTE C Kapitalverkehr gemäß Artikel 3 der Richtlinie